Italiener nicht haben abnehmen wollen, und die an die deutsche Deeresverwaltung jurückgelangt sind. Ich beziehe mich auf melne Erklärungen in der zweiten Lesung. Es ist absolut unrichtig, daß irgend eine Solinger Fabrik Läufe für die Loewe'sche Fabrik geliefert hat. Das ist vollständig genan und zwor actenmäßig nachgewiesen. Es sind im ganzen 457 000 Laufstäbe an die Loewe'sche Fabrik gegeben worden, und zwar sind sie direet an diejenigen Fabriken geschickt, die das Bohren im Auftrage der Loewe'schen Fabrik zu besorgen hatten. Diese Fabriken sind:
Schilling in Suhl
Sauer u. Sohn in Suhl
Gewehrfabrik Spandau J 3000,
. Erfurt . 4000
Taufstäben. Es ist von den Rohren, die die Loewe'sche Fabrik der Heeresverwaltung geliefert hat, absolut kein einziges von einer Solinger Fabrik hergegeben worden.
Dann ist doch wieder das Schmirgeln der Läufe hervorgehoben worden. Es ist sachgemäß und richtig geschmirgelt worden, um Schäden an den Gewehren zu beseitigen. Von halbgeleimten Kolben habe ich heute zum ersten Mal etwas gehört. Daß die Büchsenmacher zur Arbeit commandirt worden sind, ist dem Sinne nach nicht ganz zutreffend; es wurde den Büchsenmachern infolge der Arbeitseinstellung und der dadurch möglichen Verzögerung der Lieferung gestattet, kleine unwesentliche Reparaturen, die durch den Transport von einem Local zum andern hervorgerufen waren, sowie Visirarbeiten auf Kosten der Firma auszuführen. Das sind die ganzen Dienste, die die Büchsen—⸗ macher mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Behörde geleistet haben.
Dann sind nochmals die Gewehre hier vorgeführt worden, die von einem Landwehr⸗-Bataillon gebraucht waren und die in großer Zahl reparaturbedürftig an das Artilleriedepot zurückgeliefert sind. Ich kann nur bemerken, daß die Schäden, die sich da herausgestellt hatten und die sich in der Hauptsache an den Kammern vorfanden, die wahrscheinlich, aus einer früheren Bestellung herrührend, etwas zu hart gerathen waren, zum theil durch eine unporsichtige Unter— suchung nach dem Gebrauch durch die Leute hervorgerufen sind.
Dann ist nochmals von der Anzeige gesprochen worden, die irgend jemand zu irgend einer Zeit im Kriegs⸗Ministerium gemacht haben soll. Mir ist davon nichts bekannt geworden, und alle die Offiziere, bei denen ich recherchirt habe, auch der betreffende, der damals das Decernat hatte, erinnern sich absolut nicht dieses Falles. Ich glaube, wenn diese Anzeige irgendwelche eraste Bedeutung gehabt hätte, so würde er es nicht unterlassen haben, seinen Vorgesetzten, also auch schließlich dem Kriegs⸗Minister, Mittheilung zu machen.
Dann ist noch erwähnt worden, daß die Sachverständigen zum Frühstück von der Fabrik eingeladen wurden. So viel ich unterrichtet bin, ist das ein einziges Mal geschehen.
Ich resümire mich nun dahin, daß, wie ich neulich schon bei Gelegenheit der zweiten Berathung sagte, und wie ich zu Anfang meiner Ausführungen bemerkte, die Loewe'schen Gewehre in jeder Be— ziehung kriegsbrauchbar sind, und daß die Heeresverwaltung absolut keine Veranlassung hat, diese Gewehre für minderwerthig zu halten gegenüber den aus den eigenen Fabriken stammenden. (Bravo!)
Abg. Richter (dfr.): Ich glaube, wir können diese Verhand— lungen nicht als ein Internum zwischen der Militärverwaltung und einem Mitgliede dieses Hauses ansehen, um so weniger, als der Abg. Ahlwardt auch wieder einen Angriff gegen eine außerhalb dieses Haufes stehende Persen geschleudert hat. ĩ z
mit rund 100 000, 350 000,
Er hat eine allgemeine Verdäch— tigung gegen die Firma Loewe ausgesprochen durch die Anspielung auf ein Angebot derselben an den französischen Kriegs-Minister. Er hat gesagt, die Firma Loewe habe dadurch den Kriegs— Minister Boulanger schneller in den Stand setzen wollen, gegen Deutschland Krieg zu führen. Ich bemerke, daß diese Lieferung aus— geführt worden ist von einer anderen in Deutschland ansässigen Firma und daß niemand einen Tadel gegen dieselbe erhoben hat. Diese Lieferung bezieht sich auf einen Zeitpunkt, wo garkeine gespannte Situation vorhanden war. Die Firma Schichau in Danzig hat auch Lieferungen für Rußland gemacht, obwohl nicht ausgeschlossen war, daß die gelieferten Torpedoboote gegen Deutschland einmal verwendet werden könnten. Der Chef des Marineamts hat sich aber in der Budgeteommission mit diesen Lieferungen an Rußland vollständig ein⸗ verstanden erklärt; solche großen Fabriken könnten überhaupt nicht bestehen und sich auf der Höhe der Zeit erhalten, wenn sie nicht auch für das Ausland lieferten. Im wesentlichen ist von dem, was der Abg. Ahlwardt mit so großem Selbstbewußtsein als erwiesen bezeichnet hat, gerade das Gegentheil festgestellt worden. Der Abg. Ahlwardt hat neulich behauptet, es seien Läufe verwendet worden, welche die italienisch! Regierung zurückgewiesen habe. Nun hat sich gerade diese Behauptung, womit der Abg. Ahlwardt sich hier ein— führte, als völlig unwahr und haltlos erwiesen. Herr Loewe hat mir unmittelbar darauf, persönlich erklärt, noch bevor die Erklärung des preußischen Kriegs⸗Ministers vorlag, daß diese ganze Behauptung völlig aus der Luft gegriffen und erfunden sei. Dasfelbe hat auch die Solinger Firma erklärt. Der Abg. Ahlwardt beruft sich auf einen ,,. Buchhalter von Loewe, der ihm aus Rache⸗ bedürfniß gewisse Mittheilungen gemacht hat. Das ist sein Kronzeuge. Die Geschichte mit den 60 009 Gewehren aus Solingen ist vollständig erfunden; darüber haben wir das übereinstimmende Zeugniß des Reichskanzlers, des preußischen Kriegs⸗Ministers und des Verrn Loewe und der Solinger Firma. Ueber die Urkunde, welche seine Behaup— tungen beweisen soll, hütet sich der Abg. Ahlwardt, näheres anzugeben. Sämmtliches Material ist Loewe von unserer Regierung geliefert worden und eine Anklage könnte sich nur richten gegen Lieferungen, die die Regierung selbst veranlaßt hat. Auf solcher Grundlage über— nimmt es der Abg. Ahlwardt, einen Mann außerhalb dieses Hauses eines Verbrechens zu zeihen. Dieses Vorgehen richtig zu bezeschnen,
Hiöndert mich die parlamentarische Sitte. Drei Kromzeugen des Abg Ahlwardt, vorher wegen Diebstahls, Betruges und lénterschlagung bestraft, hatten vorher 15 000 s von der Firma ver langt; sie waren abgewiesen worden und stellten sich dan.“ dem Abg. Ahlwardt zur Verfügung. Andere Arbeiter haben allerdings Unregelmäßigkeiten bei der Lieferun bekundet. Das ist nun aufgebauscht worden zu einer systematisch shlecht Lie ' fe⸗ Tung unbrauchbarer Gewehre. Es ist aber durch gerichtliches Urthei'l festgestellt worden, daß dasjenige, was hier als Unregelmäßigkeiten be⸗ hauptet wird, in vielen Fällen gar keine Unregelmäßigkelten gewesen sind, . , das Schmirgeln vielfach durchaus zulässig und zweckmäßig ist, vorgenommen auf directen Befehl des Majors und unter seiner Ueberwachung. Auf die Kriegsbrauchbarkeit der Gewehre hatte das nicht den geringsten Einfluß. Auch hatte die Firma nicht das mindeste pergunjäre Die. an der Vornahme solcher Unregel⸗ mäßigkeit. Der Präsident deg Gerichtshofs selbst hat dem Abg. Ahl⸗ wardt gesagt, daß die eidesstattlichen Versicherungen nicht die Tinte und dag Papier werth seien, auf dem sie geschrieben standen. Der Gerichtshof hat gleich im Beginn seines Urtheils festgestellt, daß es überhaupt garnicht darauf ankommt, was Arbeiter von der Brauch- barkeit der Gewehre hielten, sie seien keine Sachberständige. Bekanntlich hat der Abg. Ahlwardt den Prozeß in die
Wänge gezogen durch fortgesetzte Beweisanträge und Vernehmung Don Zeugen. Der Abg. Ahlwardt beruft sich auf einen ge⸗ wissen Kraͤhahn, der foh fe s eff worden sei. Ich weiß zufällig etwas von deesem . Als die Broschürg des Abg. Ahlwarzt so viel Aufsehen machte, spricht mich auf der Friedrichstraße ein Mann an,
den ich nicht kenne. Er sagt; Ich bin Krähahn, ich möchte Sle gern sprechen, vin einmal den Ahlwardt gründlich zu entlarven; ich sagte ihm, ich hätte mit der Sache nichts zu thun, er sollte mir, was er wollte, schriftlich schicken. Das ist unterblieben. Dann hat der Abg. Ahlwardt wieder die Büchsenmacher bezichtigt, daß sie bestochen worden seien. Gerichtlich ist bewiesen, daß die Büchsenmacher mit Zustimmung der vorgesetzten Militärbehörde beschäftigt worden sind in ihren freien Stunden im Dienste dieser Waffenlieferung während der Arbeitsein⸗ stellung. In dem gerichtlichen Urtheil heißt es dieserhalb: Es ist kein Wort davon wahr; und gleichwohl nimmt sich der Abg. Ahl⸗ wardt heraus, hier vor dem Deutschen Reichstag etwas zu behaupten, dessen Unwahrheit derartig feststeht. Bewiesen ist, daß Loewe nichts von diesen Unregelmäßigkeiten gewußt hat, und es ist nicht erwiesen, daß Direckor Kühne davon etwas gewußt hat. Die Sprengungen von Gewehren betreffen ausschließlich solche Gewehre, welche nicht bei Loewe hergestellt sind. Graf Hohenthal is angebliche Mittheilung ist ja schon Gegenstand des pre fe gewesen; Graf Hohenthal ist vernommen worden und erklärte, absolut nicht mehr zu wissen, um was es sich bei dem belauschten Gespräch handelte. Er ist im preußischen Kriegs-Ministerium nicht abgewiesen worden, wie man nach der Darstellung des Abg. Ahlwardt annehmen muß, sondern er ist vernommen worden von einem zuständigen Offizier des Waffendepartements in Gegenwart von zwei Stabtoffizieren. Diese beiden sind auch vor Gericht vernommen worden und haben er— klärt, sie hätten absolut keine Erinnerung mehr von dieser in Rede stehenden Unterhaltung; nur der Abg. Ahlwardt, der nicht dabei ge— wesen ist, der weiß noch sehr gut, was da erzählt worden ist. Bie Vernehmung des Generals von Frankenberg hat auch der Abg. Munckel gefordert, um keinen Vorwurf wegen mangelnden Beweis—⸗ materials aufkommen zu lassen. Der Gerichtshof hat aber diese Ver⸗ nehmung als belanglos abgelehnt. Der Abg. Ahlwardt ist nicht im Stande, die . Vorkommnisse zu erfassen und das, was er da— von erfaßt hat, klar und verständlich wiederzugeben. Die Dinge ver— wirren sich in seinem Kopf, er redet alles kraus durcheinander; ob ab— sichtlich oder durch Naturanlage, weiß ich nicht. Ist er nicht im stande, die Thatsachen irgendwie abzurunden, so kommt ihm ein außer— ordentliches Maß von Phantasie zu Hilfe, und die höchsten Blüthen derselben, daß die Alliance israclite mit diesen Gewehren die Hohen— zollerndynastie stürzen wolle, hat er allerdings nicht vorgebracht. Durch den Judenhaß allein wird mir seine Aufführung auch nicht verständlich. Jüdisch ist nach dem Urtheil des Gerichts nur, der Director der Fabrik. Nach dem Wortlaut des Urtheils be⸗ leidigt der Angeklagte gewissermaßen gewerbsmäßig. „Wenn wir Hunderte von Ahlwardt's hier in Berlin hätten, würde sich kein Mensch getrauen auf die Straße zu gehen, es würde eine allgemeine Unsicherheit Platz greifen. Ich kann dieses Urtheil des Gerichtshofs nur unterschreiben. Ich kann mir Herzerfrischenderes denken, als sich mit persönlichen Angelegenheiten zu befassen, aber es ist nothwendig, den Abg. Ahlwardt, soweit er solche Dinge hier vorbringt, unschädlich zu machen vor der öffentlichen Meinung. Das ist der Segen des Parlamentarismus, daß man vor der weitesten Oeffentlichkeit im stande ist, die Personen und die Verhältnisse klar erkennen zu lassen, was sie werth sind und was sie nicht werth . und ich werde, soweit ich es für nöthig halte im Interesse des Anfehens dieses Haufes und der Militärverwaltung auch fernerhin klarzustellen suchen, was der Abg. Ahlwardt werth ist und was er nicht werth ist.
Abg. Ah lwardt (b. F. F.): Der Reichskanzler hat eine so große Achtung vor dem Hause, daß er die Form der Antwort anders wählt, als er sie sonst gewählt haben würde. Seine Logik kann ich nicht kritisiren, hesonders dann nicht, wenn ich bedenke, wer an dieser Stelle früher gesessen hat. Aus Achtung will ich diese andere Person hier nicht nennen. Was bei der int fee. n Expedition sich ereignet hat oder nicht, darüber wollte ich mit dem Reichskanzler nicht debattiren, sondern ich beklage mich, daß der betreffende Zeuge nicht vernommen ist. Ich will das Ansehen von Militär und Justiz nicht erschütteru, sondern die schlimmsten Uebelstände abschaffen. Ich habe nicht ge⸗ sprochen von Pflichtvernachlässigung, sondern von großer Täufchung der Militärbeamten und Offiziere. Aus Furcht vor dem Auslande stellt man das Untauglichwerden so vieler Gewehre als eine Kleinig⸗ keit hin. Nun sagt man mir, alles, was da ausgeführt wurde an den Gewehren, war geboten. Da ist also geboten und verboten ganz gleich⸗ bedeutend, denn in der Instruction ist das alles absolut verboten: Drücken, Schmirgeln u. s. w. Die Büchsenmacher haben ganz reguläre Arbeiten an den Gewehren gemacht. Der Ober⸗Büchsenmacher hat in kurzer Zeit 18 000 Gewehre repa⸗ rirt, ohne Frlaubniß der Vorgesetzten; es ist nur erklärt worden, er würde die Erlaubniß erhalten haben, wenn er darum eingekommen wäre. Wen sollen denn die Franzofen haben todt schießen wollen mit den Gewehren, welche Loewe ihnen liefern wollte? Loewe's Anerbieten erfolgte in einer Zeit schwerster Krisis, wo eine Kriegserklärung in der Luft lag. Herr Boulanger hat die Offerte nicht angenommen; wahr— scheinlich wußte er, was das für Gewehre waren. Die Ansicht der Arbeiter halte ich für werthvoller, als die Bestreitung der Sach— verständigen und sonstigen Betheiligten. Der Abg. Richter macht mir den Vorwurf, ich spräche kraus durcheinander; das liegt darin, daß ich ohne jede Nebenabsicht die Wahrheit will. Die Bestrafungen der Zeugen machen die Leute doch nicht ohne weiteres unglaubwürdig. Ist die große Mehrzahl der übrigen Zeugen unglaubwürdig, well einer von ihnen einen dummen Streich gemacht hat? Das Schmirgeln ist nicht als erlaubt erwiesen worden; die Sachverständigen waren nur darüber uneinig, ob es einmal angewendet, schädlich sei. Daß die Firma kein pecuniäres Interesse haben sollte, ist wohl das Inter⸗ essanteste an den Ausführungen des Abg. Richter. Die eidesstattlichen Versicherungen sollen nicht das Papier werth sein, aber wenn sie einen Wahlzettel abgeben, auf dem der Name „Richter“ steht, dann ist es doch etwas Anderes. Ob eine seelische Verwandtschaft zwischen dem Abg. Richter und Herrn Krähahn vorliegt, will ich ununtersucht lassen. Wie ein Ober⸗-Büchsenmacher 18 000 Gewehre soll repariren können, weiß ich nicht, und wie sie haben auf dem bloßen Transport von Martinickenfelde nach Spandau schadhaft werden können, bleibt mir auch unklar. Ich wollte weder Herrn Loewe noch sfonst wen beleidigen; ich wollte nur den Staat retten und habe das Meinige gethan. Was Herrn Kühne betrifft, so ist festgestellt worden, daß er sich von fern hingestellt hat, um zu sehen, ob das Drücken auch nicht so ungeschickt gemacht würde, daß der Revisor die Betreffenden dabei abfaßte; es war alles so eingerichtet, daß der Fehler immer auf unter⸗ geordnete Organe fallen mußte. Ich habe jetzt Zeugen gefunden, welche wissen, was Graf Hohenthal damals gehört hat, daß verabredet worden wäre, schlecht zu liefern, daß die preußischen Sffiziere leicht zu betrügen seien. Der Offizier, der den Grafen damals vernommen hat, hat ihn zu Protokoll vernommen und muß davon wissen. Die weitere Meldung ist aber an bestimmter Stelle vorschriftswidrig hängen geblieben. Der Abg. Richter spricht von meiner Phantasie; er drückt fh damit sehr zart aus. Nackt zu Tage liegende That sachen nicht sehen zu wollen, wenn es sich um Juden handelt, das ist Ihre Kunst. Ich ziehe garkeine Schlüsse daraus, daß Herr von KGoßler Einfluß auf die Lieserung der Gewehre haben follte, daß er sogar ein Schwager des Herrn Brausewetter sein soll; davon nehme ien keine Notiz. Fanatismus kenne ich nicht. Vor dem Ruin kann De. tschland nur eine schleunigste Trennung der beiden Völker retten, don Venen jetzt das eine das andere aussaugt; um diese schleunige Trennt. ug möchte ich auch den Reichstag bitten.
Königlich preußischer Kriegs⸗Minister von Kaltenborn— Stach au?
Meine Herren! Alle die noch einmal vorgebrachten Vorwürfe zu widerlegen, das, glaube ich, erlassen Sie mir wohl. (Zustimmung.)
Ich möchte nur zwei noch hervorheben und richtig stellen. Da ist erstens die Behauptung, daß der Zeughausbüchsenmacher Kirch für 18 000 Gewehre Neparaturkosten bekommen hat. Der Mann hat im ganzen etwa 400 M bekornmen; daß das für 18 000 Gewehre nicht eine entsprechende Summe wäre, das, glaube ich, behaupten zu dürfen. (Heiterkeit Wenn er aber auch eine größere Zahl reparirt hat, so
hängt das damit zusammen, daß er auch die Reparaturen auszufũhren hatte an denjenigen Gewehren, die, 60 an der Zahl, alle Woche an⸗ geschossen wurden, um sie eben zu probiren.
Dann ist der Vorwurf gemacht, daß die Büchsenmacher mit den Feilen zur Herstellung von Reparaturen von Loewe ausgestattet worden sind. Es ist mit den Büchsenmachern dasselbe Verhältniß wie mit anderen Arbeitern, die für die Fabrik Loewe arbeiten. Sie haben für die Fabrik Loewe gearbeitet und deshalb wie alle anderen Arbeiter, die für die Fabrik arbeiten, die Werkzeuge von dieser Fabrik be— kommen.
Königlich sächsischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, General⸗ Major von Schlieben: Ich habe der Erklärung des sächsischen Kriegs-Ministers bei Gelegenheit der Interpellation Buhl nichts hin⸗ zuzufügen.
Abg, Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.): Der Abg. Liebknecht erklärte, in der Armee würde die Individualität dez Menschen unterdrückt und erdrückt; das wird noch mehr der Fall sein in der zukünftigen sgeialistischen Gesellschaft. Der Abg. ÄAhlwardt hat hier über seine Stellung zu der Militärvorlage gesprochen und dabei mehrmals den Ausdruck „uns“ gebraucht. Um Mißverständnisse zu verhüten, muß ich erklären, daß wir Antifemiten sammt und sonders als keiner Fraetion angehörig eingezeichnet sind, und der Abg. Ahlwardt für meine Person in dieser Beziehung nicht gesprochen hat. Ich werde meiner Stellung zu der Militärvorlage erst dann Ausdruck geben, wenn der Parteitag der sehr stark anwachsenden deutschsocialen Partei Pfingsten abgehalten sein wird, und werde meinen Einfluß dazu aufwenden, daß diese eine Stellung einnimmt, wie sie dem Vaterlande nützlich ist. Zu der ganzen Judenflintengngelegenheit und zur Behandlung derselben in der Oeffentlichkeit habe ich von vornherein eine ausgesprochen andere Stellung eingenommen, als der Abg. Ahl— wardt. Ich halte die Volkeversainmlung und die Presse nicht für das geeignete Forum, um solche Angelegenheiten vorzutragen, und habe meinen ganzen Einfluß aufgeboten, daß es nicht in noch höherem Maße geschehen ist. Aber ich habe mich außerordentlich verletzt und ergriffen gefühlt, daß die Staatsbehörde nicht rascher vorgegangen ist, indem man im ersten Augenblick bei Erscheinen der Broschüre Ahlwardt, Loewe und Kühne einfach in das Untersuchungs⸗ gefängniß setzte — es haben schon unschuldigere Leute im Gefängniß gesessen — das hätte eine raschere Klärung der Sache herbei= geführt. In 14 Tagen hätte bei einem beschleunigten Verfahren die ganze Welt wissen können, daß unsere Gewehre nicht schlechter sind, als andere, daß aber allerdings viele Ungehörigkeiten vorgekommen sind. Daß der Abg. Ahlwardt nicht wissentlich Unwahres behauptet hat, hat ihm das Gericht selber, das gewiß nicht für ihn eingenommen war, bezeugt; denn er ist nicht wegen Verleumdung, sondern wegen Beleidi= gung bestraft. Auch ich zweifele nicht daran, daß er nach bestem Wissen und Gewissen hat handeln wollen im Interesse des Vater— landes; wenn er nicht die richtigen Wege hat finden können, so muß man das entschuldigen. Für mich und die überwiegende Mehrheit der Patrioten im Lande war mit der ersten Erklärung des preußischen Kriegs- Ministers im „Reichs Anzeiger“ vom 29. Mal v. J, daß die Loeme'schen Gewehre in der Brauchbarkeit anderen nicht nachständen, die Sache sachlich erledigt. Ein preußischer Kriegs-Minister kann das nicht erklären, wenn er es nicht mit seiner Ehre als Beamter und Offizier deckt. (Sehr richtig) Das mußte geglaubt werden, anstatt immer weiter auf der angeblichen Unbrauchbarkeit der Gewehre herum— zureiten. (Sehr richtig) Was die Aeußerung des Abg. Ahlwardt betrifft, daß unsere Söhne auf dem Schlachtfelde dafür werden büßen müssen, was die Militärverwaltung gefehlt hat, so habe ich mich an sehr vielen Stellen in der Armee nach den Gewehren erkundigt und habe nirgends einen Anhalt dafür bekommen, daß die Qualität der Loewe'schen Gewehre anders sei als die der übrigen. Der Umstand, daß ich ein Antisemit bin, mindestens ebenso scharf wie der Abg. Ahlwardt, kann mich nicht dazu zwingen, mich darüber zu freuen, daß die Loewe'schen Gewehre etwa ist hier unbewußt benutzt worden für eine Sache, für die es nicht hätte benutzt werden sollen. (Sehr richtig Warum man die Interpellation Buhl damals stellte, ist mir nicht klar geworden. Ein erfreuliches Bild war es mir nicht, als ich an jenem Tage in den Wandelgängen des Hauses die Abgg. Dr. Buhl und Dr. von Marquardsen mit Herrn Isidor Loewe verhandeln sah. Es hat so ausgesehen, als ob die Interpellation lediglich eine Reelame für die Fabrik Loewe sein sollte, und so hieß es denn nachher auch in der Presse. Nun ist doch genug aus dem Prozeß übrig ge— blieben, um der Reichsregierung zu sagen, daß in der Fabrik doch Sachen vorgekommen sind, die stutzig machen müssen, und daß es nicht ganz verständlich ist, wenn der Reichskanzler fagt, der Gedanke sei der Regierung noch nie gekommen, künftig keine Bestellung bei Loewe mehr zu machen. Warum soll der Fabrikkeiter nicht verantwort⸗ lich sein für die Fehler, die seine Untergebenen machen? Wird doch der Hauptmann für seinen Kammer-Unteroffizier unter allen Umständen verantwortlich gemacht. Eine Firma, welche die revidirenden Offiziere täuscht, verdient doch nicht das Zutrauen, daß sie unter allen Üm— ständen so arbeitet, wie man es verlangt. Und wenn nachher die Boulanger⸗Enthüllung kam, so war diese Sache doch nicht harmlos und ist auch im ganzen Lande nicht als harmlos an— gesehen, worden. Man sollte darüber nicht so den Mantel der allgemeinen Judenliebe decken. Hier wäre es am Platze gewesen, sich von der Firma loszusagen. Der Abg. Richter hat die Loewe-Affaire wohl auch nicht bloß wegen der Würde des Reichstags verwerthet. Der Abg. Richter hätte die Vertheidigung wohl Anderen überlassen, wenn es sich um eine conservative oder nationalliberale Firma ge— handelt hätte. Die deutschfreisinnige Partei ist aber auf den großen Geldbeutel der Juden angewiesen und muß sich ihnen jetzt vor den Wahlen bestens empfehlen. Anstatt hier unbewußt für die Firma Loewe Reclame zu machen, sollte die Regierung einfach erklären: die Firma hat uns das erste Mal mit ihren Gewehren gut bedient, aber die Vorkommnisse zeugen von einem derartigen Mangel an Aufsicht und Controle, daß wir uns hüten werden, uns dem auszusetzen, später schlechter bedient zu werden. Mir ist noch ein Umstand bekannt ge— worden, ich will ihn aber nicht hier, sondern an der zuständigen Stelle zur Sprache bringen, ein Umstand, der wohl doch dazu beitragen wird, daß die Regierung nicht wieder mit Loewe zu thun haben wird.
Abg. Dr. Buhl (nl) weist entschieben die Infinuation zurück, als ob die von ihm und dem Abg. Dr. von Marquardsen eingebrachte Interpellation bestellte Arbeit gewesen sei. Einen Ehrenmann, wofür ich, Herrn Loewe halte, werde ich mir jederzeit, wenn ich es zu meiner Information für nöthig halte, vorstellen lassen.
Königlich preußischer Kriegs-Minister von Kaltenborn— Stachau:
Der Herr Abg. Liebermann von Sonnenberg hat den Staats— behörden im allgemeinen, im speciellen aber der Heeresverwal
tung den Vorwurf gemacht, daß die Veröffentlichung, die unterm
9. Mai 1892 im „Reichs- und Staats⸗Anzeiger“ erschienen, nicht früher zur Beruhigung und Aufklärung meinerseits erlassen sei. Da ich die Gewohnheit habe, ehe ich eine Erklärung gebe oder eine Behauptung aufstelle, mich möglichst zu versichern, ob sie wahr und richtig ist, so hielt ich mich für verpflichtet, erst die Sache auf das genaueste untersuchen zu lassen. Nachdem die militärgerichtliche Untersuchung soweit gefördert war, daß ich übersehen konnte, wie die Sachen lagen, habe ich dann unverzüglich diese Erklärung abgegeben.
Es ist ferner von dem Herrn Abgeordneten hervorgehoben worden, daß die Irreführung der Offiziere durch Loewe versucht und gelungen wäre. Ich mache zunächst darauf aufmerksam, daß der Fabrikant Loewe überhaupt mit den Offizieren und auch als Geschäftsleiter der Fabrik mit den Einzelheiten der Waffenabnahme nichts zu thun hatte, sondern daß der Oberst⸗Lieutenant
schlechter seien. Das Parlament.
Kühne diejenige Persönlichkeit war, welche das letztere ins Werk zu setzen hatte, und constatire ich bei dieser Gelegenheit, wie die vor⸗ gekommenen Unregelmäßigkeiten gerade durch die Offiziere, die als Commisfare in die Fabrik geschickt worden waren, aufgedeckt und ab⸗
gestellt worden sind.
Abg, Richter (fr.): Der Abg. Ahlwardt schlägt sich selbst, wenn er ausführt, daß Loewe den Franzosen schlechte Gewehre hätte liefern wollen. Das müßte doch als eine patriotische That angesehen werden. Von der Lieferung von Gewehren war keine Rede in jenem Aner— bieten; es handelt sich da um die Lieferung von Maschinen. Die Firma, welche die Maschinenlieferung dann erhalten hat, ist seiner Zeit in allen Blättern öffentlich genannt worden. Nicht ich, sondern der Präsident des Gerichtshofes hat erklärt, daß die eidesstattlichen Versicherungen der Ahlwardt'schen Arbeiter nicht das Papier und die Tinte werth seien. Kühne ist kein sogenannter Nichtjude, sondern es ist festgestellt, daß unter seinen Vorfahren, soweit er übersehen könne, kein Jude sich befindet. Der Abg. Liebermann von Sonnenberg thut, als ob er wunderbar schlimme Dinge wisse, die er aber hier nicht sagen wolle. Solches Verfahren ist noch weniger moralisch als dasjenige des Abg. Ahlwardt. Was wäre das für eine Justiz, wenn der Abg. Ahlwardt und die Firmeninhaber sofort in das Gefängniß geworfen würden? Das ist die Justiz der Zukunft, des antisemitischen Zukunftsstaats! Dann ziehe ich denn doch den soecialistischen vor! Hat denn die Erklärung des preußischen Kriegs. Ministers das Mindeste an dem antisemitischen Treiben geändert? Die Einbringung der Interpellation war geradezu ein Gebot der patriotischen Pflicht gegenüber den Agi⸗ tationen ganzer Parteien, die sich nur von Unwahrheiten nähren. Der Abg. Ahlwardt ist uns in seiner ganzen Haltlosigkeit jetzt offenbar; das ist der Vortheil, wenn man solche Herren zur Discussion zwingt. Hat er nicht wider besseres Wissen gehandelt, was ich nicht entscheiden will, dann ist es um so schlimmer um, die Geistesverfassung dieses Herrn bestellt. Läßt sich seine Sache nicht besser vertheidigen, dann steht fest, daß diese ganze Bewegung auch nicht einmal die ge⸗ ringe Beachtung verdient, welche man ihr hier und da im Lande ge— schenkt hat.
Abg. Ahlwardt (b. k. F): Die Zahl 18000 ist von dem Bücherrevisor aus den Büchern herausgezählt und unter Eid festge⸗ stellt worden. Auf die Frage der Gewerbsmäßigkeit kann ich dem Abg. Richter nicht solgen. Der Abg. von Liebermann ist durch die öffentliche Erklärung im ‚„Reichs⸗-Anzeiger“ überzeugt worden, Ich frage nach wie vor, ob er noch mehrere solche Berichte wie aus Wesel erhalten hat. Das Bataillon, welches damals in Wesel übte, war fast ganz mit Loewe'schen Gewehren ausgerüstet. Ueber die Thatsachen ist niemand in Deutschland im Unklaren. Die Loewe— schen Gewehre taugen nichts, das wissen alle! Herr Loewe hat vor Gericht beeidet, daß ihm kein Schaden aus der Sache erwachsen sei. Als er dies beeidet hatte, bezog sich der Präsident auf amtliche Actenstücke aus der Reichskanzlei, welche sich auf dieselbe Frage be⸗ zogen. Ich bitte das Haus, sich darüber ein Urtheil zu bilden. Daß es sich um Maschinen und nicht um Gewehre handelte, ist ganz neben⸗ sächlich; wenn die Maschinen fest sind, geht es mit der Herstellung der Gewehre um so rascher., Ich habe im Gefängniß keine Zeitung erhalten, konnte also auch nicht erfahren, welche Firma die Lieferung später bekommen hat.
Abg. Liebermann von Sonnenberg b. k. F.): Ich bin von dem preußischen Kriegs⸗-Minister mißverstanden worden. Wenn Loewe nicht verantwortlich ist, so sind darüber die Ansichten verschieden. Ob Loewe Besitzer, und Kühne Director, ändert doch nichts an der Firma. Der Abg. Dr. Buhl hat in meine Worte hineingelegt, was nicht darin lag. Der Abg. Richter hat sicher für die Wahlen sich einen großen Stein im Brett bei den Juden verschafft, wenn er sich so energisch ins Zeug für sie gelegt hat. Der Abg. Richter arbeitet heute mit dem Erkenntniß eines Gerichts⸗Directors, den er sonst in seiner Zeitung nicht heftig genug angreifen kann, und dessen Ver⸗ fahren auch im preußischen Abgeordnetenhause von dem Justiz⸗ Minister reprobirt worden ist. Neue belastende Momente kann ich hier in der That nicht vorbringen, wenn ich meine Zeugen nicht gleichzeitig, nennen darf. Der Abg. Richter stellt es als unerhört dar, daß wir die Abführung der Herren in die Untersuchungshaft gefordert haben. Unschuldige werden alle Augenblicke verhaftet. Ja, hat man nicht Herrn Paasch wegen Fluchtverdachts sogar aus Leipzig hierher geholt? Die Affaire mit Boulanger ist Ihnen (links) offenbar nicht recht angenehm. Mich werden Sie durch Ihre Angriffe nicht herab⸗ setzen. Ich spreche niemals bewußt die ünwahrheit aus. Was der Abg. Richter mir entgegnet hat, war in mehreren Punkten unwahr. (Präsident v. Levetzow bittet, solche Ausdrücke nicht von Abgeord⸗ neten zu gebrauchen. Der Abg. Richter hat dasselbe Wort gebraucht. Er kann mich nicht beleidigen; denn vor Secundanten schützt er sich hinter Principien.
Abg. Richter (dfr.): Ich möchte mit einer Variation des be— kannten Sprichwortes erwidern: Mit welchen Collegen muß man sich hier herumschlagen! Der Abg. Liebermann pon Sonnenberg hat selbst öffentlich erklärt, daß er für diesen „Herrn“ nicht eintreten könne bei der Wahl. Nachher hat er sich für ihn und seine Ver⸗ theidiger ins Zeug gelegt. Die Herren fuchen jetzt auf ihrem Rückzuge noch allerlei Seitensprünge; so der Abg. von Liebermann, der da sagt: ich weiß etwas, aber ich werde es nicht sagen. Man konnte eine Firma nicht schwerer schädigen, als wenn man in dieser Weise ihre Ehrenhaftigkeit in Zweifel zog in Broschüren und in der Oeffentlichkeit. Der Abg. von Liebermann kennt nichts als Wahlagita⸗ tion, und so ist ihm auch dies nur Wahlagitation. Nicht ich, sondern da Gericht hat den Abg. Ahlwardt für einen gewerbsmäßigen Beleidiger erklärt, das Gericht und nicht der Präsident desselben. Der Abg. Ahlwardt weiß noch heute nicht, wie die Vergangenheit beim Casseler Landwehr⸗Bataillon nach den Ausführungen des Reichskanzler ge⸗ wesen ist. Gerade diese Behauptungen des Abg. Ahlwardt haben dem Reichskanzler zu seinen scharfen Brandmarkungen Veranlassung ge⸗ geben. Die Papiere, welche dem Abg. Ahlwardt hierbei dienen mußten, waren gestohlen. Das ganze Haus einschließlich, des Abg. von, Liebermann, glauht nichts von seinen Behauptungen; und doch schließt er damit: die Loewesschen Gewehre taugen nichts!
Ahg. Liebermann von Sonnenberg' b. k. F: Wenn der Abg. Richter bon Wahlagitation spreche, so möge er doch lieber auf den Kernpunkt kommen, dieser Kernpunkt ha Boulanger: hie Rhodus, hie salta!
Abg. Ahlwardt, (b. k. F; Wir sind keineswegs auf der Flucht, sondern im Vorrücken. Die Hauptsache ist nicht Boulanger, sondern Loewe. Wenn von 1005 Gewehren 625 schlecht sind, so ist hierüber Klarheit nöthig.
Abg. Dr. Buhl (nl): Ich nenne Herrn Loewe einen Ehren— mann trotz des Vorganges mit Boulanger. In der Budgetecommission habe ich bezüglich der Torpedoboote auf Anfrage die Antwort erhalten, daß die Marineberwaltung mit der Lieferung derselben seitens der Schichau'schen Werft an Rußland einverstanden sei. Diese Lieferung hat mit dem Angebot Loewe's genau denselben Werth.
Abg. Richter (dfr.: Was ich über Boulanger sagte, hat der Abg. von Liebermann wohl nur nicht gehört; es deckt sich mit dem, was der Abg. Dr. Buhl darüber gesagt.
Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.): Der Abg. Richter übersieht die anders liegenden politischen Verhältnisse; wir landen damals zu Frankreich im allergespanntesten Verhältniß. Ziem⸗ ich einstimmig ist in der gesammten Preffe der Firma Loewe der schwerste Vorwurf für dieses Anerbieten gemacht worden, selbst von der „Vossi chen Zeitung“ und dem „Tageblatt“.
Abg. Richter (oft.): Als diefe Lieferung in Frage kam, stand ein Krieg mit Frankreich in keiner Weise vor der Thür. Es war im Sctemher ⸗Iltober 1886, der Schngebele-Fall spielte erst im April , ö Bismarck hat ausdrücklich die Lick r an Frankreich e Te eie ,
; icht auf gutem Fuße standen, könnte do
selbst der Abg. Richter wiffen. .
Damit schließt die Generaldiscussion.
In der Specialdiscussion wird der Etat des Reichs—⸗ tags ohne Debatte bewilligt.
Beim Etat des er aranglers und der Reichs⸗ kanzlei fragt der
Abg. Rickert (fr.) den Reichskanzler über die Begründung der beunruhigenden Gerüchte, welche seit einigen Tagen in der Presse über den Stand der Verhandlungen mit Rußland umgelaufen sind. Es wird behauptet, daß erhebliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Reichsressorts und des preußischen Ministeriums, namentlich der preußischen Staats. Minister Dr. Miquel und Freiherr von Berlepsch, vorhanden sind. Das preußische Ministerium soll nicht mit demselben Ernst auf das Zustandekommen des Handelsvertrages mit Rußland Werth legen und Bedingungen und Forderungen gestellt haben, welche, wenn sie nach St. Petersburg gingen, zweifellos den Handelsvertrag zum Scheitern bringen würden. Diese Gerüchte haben in mehreren Kreisen des Volkes lebhafte Beunruhigung hervorgerufen. Man fürchtet eine ungünstige Rückwirkung dieser Gerüchte auf die Ver— handlung selbst.
Reichskanzler Graf von Caprivi:
Die Verhandlungen mit Rußland schweben noch. Den beun— ruhigenden Gerüchten fehlt jeder Grund. (Heiterkeit)
Abg, Graf von Mirbach (deons.): Wenn das preußische Ministerium die Interessen der producirenden Kreise des Landes wahr⸗ nimmt kann das nur zur Beruhigung des Volkes beitragen.
Der Etat wird bewilligt, desgleichen der Etat für das Auswärtige Amt und der Etat für die Schutzgebiete einschließlich des besonderen Etatsgesetzes für dieselben.
Beim Etat des Reichsamts des Innern bittet der
Abg. Dr. Hirsch (dfr. um Beschleunigung der Revision und Genehmigung der abgeänderten Statuten der freien Hilfskassen, für welche Beschleunigung ja ein eigenes Nothgesetz gemacht sei.
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
Die Thatsachen, welche der Herr Vorredner vorgebracht hat, kann ich in diesem Augenblick nicht controliren. In der Reichsinstanz liegt die Verzögerung, über die er sich beklagt hat, jedenfalls nicht; das hat er auch selber die Güte gehabt anzuerkennen. Ich werde aber aus seinem Vortrag Veranlassung nehmen, von neuem Dampf zu machen, und das wird hoffentlich helfen.
Abg. Broem el (dfr) regt eine Revision der Elbschiffahrtsacte von 1821 an.
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
Der Gegenstand, den der Herr Vorredner berührt hat, ist ja immerhin von nicht unerheblicher wirthschaftlicher Bedeutung. Das Bedürfniß einer Revision der Elbschiffahrtsacte ist bereits vor vielen Jahren anerkannt worden, und, soviel ich weiß — ich bin über das Stadium, in welchem sich die Verhandlungen gegenwärtig bewegen, nicht genau unterrichtet — schweben augenblicklich die Verhandlungen zwischen der österreichischen und der deutschen Regierung darüber. Inzwischen ist — und damit wird dem dringendsten Bedürfniß unserer Elbschiffahrt zunächst wohl näher getreten sein — der Entwurf einer Elbschiffahrts⸗ Polizeiordnung im Reichsamt des Innern aufgestellt worden. Auch dieser Entwurf ist dem Auswärtigen Amt mitgetheilt, und wenn es auch noch nicht sehr bald zu einer vollständigen Revision der Elbschiffahrtsacte kommen wird, B sich doch die Hoffnung hegen, daß wenigstens die polizeilichen Ver⸗ hältnisse auf der Elbe durch die Zustimmung der betheiligten Regie⸗ rungen, die für Deutschland bereits besteht, in einer neuen Elb— schiffahrts-Polizeiordnung in nicht zu ferner Zeit werden geregelt werden.
Der Etat wird genehmigt und um 5i, Uhr die Fort— setzung der Etatsberathüng auf Dienstag 1 Uhr vertagt.
Preuszischer Landtag. Herrenhaus. 5. Sitzung vom 20. März.
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der Nummer vom Montag berichtet worden.
Nach der Wahl des Ersten Präsidenten wird der Gesetz⸗ entwurf über die Aufhebung der Cabinets-Ordre vom 27. Juni 1845 (die Gebühren der Bücherrevisoren in Berlin betreffend ohne Debatte angenommen.
Es folgt die Berathung von Petitionen.
Die Petition der Handelskammer zu Breslau, betreffend die erfolgte Erhöhung der Schiffahrtsabgaben, wird, in Er⸗ wägung, daß die gestellten Anträge bereits der Staatsregierung vor⸗ liegen, durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt.
Die Petition des Innungsverbandes deutscher Bau—
gewerksmeister um Vermehrung der Baugewerksschulen in Preußen wird der Regierung, soweit sie dahin geht, daß für die Folgezeit größere Mittel als bisher zur Errichtung neuer Baugewerks⸗ schulen zur Verfügung gestellt werden, zur Erwägung überwiesen, wobei Ober Bürgermeister Becker⸗Köln bemerkt, daß für das Rhein⸗ land der Staat zu solchem Zweck kein Geld gebe, poll die Stadt Köln eine Baugewerksschule, eine Ingenieurschule und eine Kunst— gewerbeschule aus eigenen Mitteln unterhalten müsse. Ohne Debatte wird darauf der Gesetzentwurf über die im Geltungsbereich des rheinischen Rechts außer— halb des vormaligen Herzagthums Berg bestehenden Pfandschaften mit einigen Aenderungen genehmigt.
Schluß nach 3 Uhr.
Haus der Abgeordneten. 56. Sitzung vom 20. März.
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der Nummer vom Montag berichtet worden.
Im weiteren Verlaufe der Becathung über den Antrag des Abg. von Schenckendorff auf Förderung des Handfertigkeits⸗ unterrichts nimmt nach dem Abg. von Schenckendorff (nl.), dessen Rede bereits mitgetheilt worden ist, das Wort
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Ueber den zweiten Theil des Antrages wegen Einführung des Handarbeitzunterrichts in den Seminarien kann ich mich natürlich nicht äußern, weil dies eine wesentlich schultechnische Frage ist, über welche ich mich jedes Urtheils enthalten muß. Der erste Theil des Antrages aber scheint mir zu bezwecken, einen Ausdruck der Anschauungen des Hauses über die Stellung des Staats bezw. die Gewährung staat⸗ licher Mittel zur Förderung der Verbreitung des Handarbeitunter= richts überhaupt herbelzuführen; denn in diesem Antrage wird die Auf⸗ wendung weiterer staatlicher Mittel zur Förderung dieser Sache verlangt.
Meine Herren, was mich persönlich und die Finanzverwaltung betrifft, so stehe ich durchaus auf dem Boden, daß diese Bestrebungen in pädagogischer, socialer und gewerblich⸗wirthschaftlicher Beziehung eine große Bedeutung haben, und ich erkenne gern an, welche
hohen Verdienste diejenigen Männer, die sich mit der Verbreitung dieser Ideen und der Förderung dieser Bestrebungen beschäftigen — insbesondere der Herr Vorredner selbst — sich um diese sehr wichtige Frage erworben haben. Ich glaube auch, daß die Sache eine so große Bedeutung hat, daß es sich wohl rechtfertigen läßt, staatliche Mittel zur Förderung dieser Bestrebungen aufzuwenden. Ich bin nicht im stande, gegenwärtig zu beurtheilen, in welcher Weise das zweckmãßig zu geschehen hat. Im großen Ganzen scheint mir der Zeitpunkt noch nicht gekommen zu sein, die Mitwirkung des Staats organisch zu ge— stalten; ich stehe auf dem Boden: vorläufig ist das noch eine Sache freier Entwickelung, und es muß, wie auch der Herr Vorredner sagt, die Hauptförderung aus dem Volke selbst hervorgehen. Aber diese freien Bestrebungen unsererseits, soweit die Mittel des Staats es ge⸗ statten, zu begünstigen und zu fördern, dazu ist die Staatsregierung bereit, alles natürlich nach Maßgabe der vorhandenen Mittel und in einer bescheidenen Weise, wie die gegenwärtige Situation es erfordert. Aber ich lehne nicht ab, hier in der Förderung dieser Unternehmungen auch eine berechtigte staatliche Aufgabe zu erblicken und bei den weiteren Verhandlungen, die schon gegenwärtig hierüber schweben zwischen dem Herrn Cultus⸗-Minister und dem Finanz⸗Minister, werde ich mich von den eben bezeichneten Gesichtspunkten leiten lassen. (Bravo!)
Geheimer Regierungs⸗Rath Brandi: Auch die Unterrichts verwal⸗ tung steht diesen Bestrebungen wohlwollend gegenüber, aber sie hat sich vor übereilten Maßnahmen zu hüten, und für die Einführung des Handfertigkeitsunterrichts in den Seminaren ist die Zeit noch nicht gekommen.
Abg. Herrfurth (b. k. F.): Die Frage des Handfertigkeits⸗ untexrichts hat eine immer größere Bedeutung gewonnen, und durch die Einführung dieses Unterrichts an den Seminaren würde ein frucht⸗ barer Same gelegt werden.
Abg. Freiherr von Minnigerode-⸗Rositten (cons): Auch ich bin ein Anhänger des Handfertigkeitsunterrichts wegen feiner erziehlichen Bedeutung. In der Frage der Einführung dieses Unterrichts auf dem platten Lande sind meine Freunde aber getheilter Ansicht. Jedoch könnte ein Versuch damit auch in den Landschulen gemacht werden. In der bescheidenen Form, wie der Antrag die h. anregt, und gestützt auf die bisherigen Erfolge können wir dem Antrage zustimmen.
Abg. Dr,. Freiherr von Heereman (Centr.): Gegen den An— trag an sich habe ich keine Bedenken, aber die Sache muß mit großer Ruhe und Vorsicht behandelt werden. Den Unterrichtsstoff der Volks— schule noch weiter zu vermehren, ist bedenklich. Durch das Ein« pfropfen immer größeren Wissens wird nur die Gefahr der Verbildung befördert. In den letzten 20 Jahren hat die Schule zu viel Werth auf die ingterielle Seite des Unterrichts gelegt, sodaß die Zuchtlosig⸗ keit der Jugend erklärlich ist. Die idealen Güter bedürfen einer größeren Berücksichtigung in der Schule. Die Regierung mag ja diese Bestrebungen des Handfertigkeitsunterrichts fördern, aber niemals darf sie diesen obligatorisch einführen, nicht einmal in den Seminarien. Wir wollen daher die Sache wohlwollend, aber recht genau prüfen.
Abg. Dr. Kropatscheck (cons. : Ich will die Regierung nicht drängen, noch weiter als bisher den Handfertigkeitsunterricht zu foͤrdern. Aus dem anfänglich nur facultativen Turnunterricht ist mit der Zeit ein recht strenger obligatorischer geworden, und diese Entwickelung befürchte ich auch hier. Mit dem eigentlichen Wesen der Schule hatz der Handfertigkeitsunterricht nichts zu thun, und er könnte die Schüler den eigentlichen Aufgaben der Schule entfremden. In Sachfen hat man jetzt die Einrichtung von Douchebädern in den Schulen em— pfohlen, eine sehr gute hygienische Maßregel, die aber auch nicht gerade zur Aufgabe der Schule gehört. Es ist besser, wenn die Knaben Schlittschuh laufen oder sich draußen herumtreiben, als daß zu ihrer jetzigen Ueberbürdung noch ein neuer Unterrichtsgegenstand kommt. Ich kann daher dem Antrage nicht zustimmen.
Abg. Drawe (dfr. : Die Knaben folgen dem Handarbeits— unterricht mit großem Fleiße. Im Sommer mögen sie sich ia draußen herumtreiben. Was sollen sie aber im langen Winter machen? Und zwar gerade auf dem Lande ist z. B. der fystematische Unterricht in der Holzschnitzerei zu empfehlen. Ich möchte sogar diesen Handarbeitsunterricht auch in die Mädchenschulen eingeführt wissen, das wäre vielfach besser, als der Stickereiunterricht.
Abg. Dr. Gerlich ffreicons. ): Auf die warmen Empfehlungen des Antrages von allen Seiten fielen die Ausführungen des Abg. Kropatscheck wie ein Reif in der Frühlings nacht. Der Abg. Kropatscheck steht zu sehr auf dem Standpunkte des Schulmanns. Ich stimme dem Antrage unbedingt zu. ;.
Nach einem kurzen Schlußwort des Abg. von Schencken⸗ dorff wird der Antrag mit großer Mehrheit angenommen.
Es folgt die Berathung von Petitionen.
Zwei Petitionen des Magistrats und der Stadtverordneten bersammlung und von Bürgern in Görliß beschweren sich darüber, daß die Schulaufsicht in Görlitz dem Königlichen Kreis⸗Schulinfpektor übertragen ist, worin sie eine Rechtsverletzung von Seiten der Regierung erblicken, und bitten, die Functlonen des Kreis-Schul⸗ inspektors auf einen von der Stadt anzustellenden Stadt⸗Schulrath zu übertragen.
Die Unterrichtscommission beantragt, über die Klage wegen der Rechtsverletzung zur Tagesordnung überzugehen, im übrigen aber beide Petitionen der Regierung zur Erwägung zu Überweisen.
Abg. Halberstadt (dfr.) beantragt, die Petitionen der Re— gierung zur Berücksichtigung zu überweisen, und führt aus, daß die Petition der Bürger von Görlitz nicht, wie behauptet sei, allein von freisinniger Seite ausgehe, sondern von Angehörigen aller Parteien unterschrieben sei. Der Kreis⸗Schulinspektor von Görlitz eigene sich persönlich nicht zu seinem Amt. Werde der Einfluß der städtischen Schuldeputation auf die Schulaufsicht fast auf Null berabgedrückt, so werde auch die Opferwilligkeit der Bürger für die Schulen nach= lassen. Es müsse irgend eine geheime Triebfeder vorbauden sein, daß die Regierung an diesem ganz ungeeigneten Kreis- Schulinspektor trotz der entgegengesetzten Wünsche der Stadt Görlitz festhalte.
Ministerial⸗ Director Dr. Kuegler: Diefe Vorwürfe gegen den Kreis ⸗Schulinspektor Pastor Braune sind absolut unberechtigt; er ist ein durch langjährige Dienste im Schulwesen erfahrener Mann, der seine Amtspflichten nach ieder Richtung zur vollsten Jafriedenbeit der Bürger und der Stadt Görlitz in ihrer amtlichen Vertretung erfüllt hat.
Abg. Sch la bitz (freicons.): Das staatliche Schulaufsichtsrecht muß unter allen Umständen gewahrt bleiben; aber bier könnte ein Stadt- Schulrath die Schulaufsicht ausüben, dessen Anstellung jedoch bom Staat zu genehmigen wäre. Die Petition der Bürger von Görlitz ist doch von freisinniger Seite ausgegangen; aber Ffelost der sort chrrtt lich Decernent im Görlitzer Magistrat hat anerkannt, daß der Pastor Braune ein warmes Herz für die Schule hat. Ich bitte um Annahme des Commissionsantrages.
Abg. Dr. Langerhans (dfr.) spricht sich prinecipiell für die Neber⸗ tragung der Schulaufsicht auf die städtischen Schuldeputationen anz, denn die Gemeinden et batten das größte Interesse an einer guten Entwickelung ihrer Schulen.
Abg. von Schenckendorff (nl): Die Petition des Magistrats und der Stadtverordneten⸗Versammlung von Görlitz ist durchaus sachlich und berührt die , . überhaupt nicht, die der Bürgerversammlung stellt aber die persönliche Seile in den Vorder- Rund, und diese Bürgerversammlung ist thatsächlich von freistmniger Seite einberufen worden, sodaß die Sache einen politischen Hinter grund bekommen hat. Die Vorwürfe gegen den Pastor Braune sind stark übertrieben. Wenn man ihm ein warmes Interesse für die Schule nicht mehr zutrauen will, weil er lange Jeit Juachthaus. Geistlicher gewesen ist, so ist das eine persönliche Beleidigung gegen den Mann, die ich entschieden zurückweise. Aber dag ganze Systern dieser Schulaufsichtsfrage könnte die Negierung doch einmal in Gr