Aichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 8. April.
Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute Vormittag von 10 Uhr ab den Vortrag des Chefs des Generalstabs der Armee, Generals der Cavallerie, General⸗ Adjutanten Grafen von Schlieffen entgegen und arbeiteten im Anschluß hieran längere Zeit mit dem Chef des Militär— cabinets, General der Infanterie, General. Adjutanten von ah Um 1 Uhr nahmen Seine Majestät militärische Meldungen entgegen und empfingen im Anschluß hieran den neuernannten Königlich sächsischen Militär⸗ Bevollmächtigten, Major Grafen Vitzthum von Eckstädt, sodann den neuernannten Militär-Attachs bei der hiesigen schwedisch⸗ norwegischen Gesandtschaft, Hauptmann Rustad.
Der Ausschuß des Bundesraths für Handel und Verkehr trat heute zu einer Sitzung zusammen.
Die Nr.7 der „Amtlichen Nachrichten des Reichs-Ver— sicherungsamts“ vom 1. April 1893 enthält folgende Recurs— entscheidun gen; . . .
Es ist zulässig, einen Entschädigungsanspruch zugleich gegen mehrere Berufsgenossenschaften zu verfolgen; der Einwand der Rechtshängigkeit kann von einer in Anspruch genommenen Berufsgenossenschaft nicht mit dem Hinweis darauf, daß das Verfahren noch gegen eine andere Genossen— schaft schwebe, begründet werden. .
Die Zustellung einer Entscheidung kann wirksam auch dort erfolgen, wo der Adressat sich nur besuchsweise für einige ** aufhält; denn als Wohnung im Sinne des s 34 der Postordnung vom 8. März 1879 ist nur der Ort des that⸗ sächlichen Wohnens, nicht der Wohnsitz im Sinne des örtlichen Mittelpunkts der Lebensführung gemeint., Die Zu— stellungsurkunde ist kein ausschließliches Beweismittel für die erfolgte Zustellung. ö
Die vorbehaltlos und ohne Einschränkung abge⸗ gebene Erklärung der Zurücknahme eines Rechtsmittels tzat den Verlust des Rechtsmittels zur Folge. .
Eine Partei, welche im Feststellungsverfahren noch nicht aufgetreten ist, kann sich, anstatt den Entschädigungsanspruch bei der Berufsgenossenschaft anzumelden, lediglich dem von einer anderen Partei bereits anhängig gemachten Streit⸗ verfahren anschließen, sofern e rl dem Ausgange des Rechtsstreits ein unzweifelhaftes rechtliches Interesse hat; die dadurch eintretende Rechtshängigkeit des Anspruchs kann von der Berufsgenossenschaft durch Ertheilung eines neuen Bescheides nicht mehr beseitigt werden. . .
Die Schiedsgerichte sind nach keiner Richtung in der Wahl und Würdigung der Beweismittel beschränkt, können mithin auch Vertrauensmänner der beklagten Berufs— genossenschaft eidlich als Zeugen vernehmen lassen. Die Schiedsgerichte sind nicht gehindert, auch unbeeidigten
Aus sagen von Zeugen maßgebendes Gewicht beizulegen.
Solange ein neues RentenfestsetzungsSsverfahren (etwa nach Abschluß einer Krankenhausbehandlung oder gemäß 8 65 des , ,,,, nicht in Frage kommt, kann die
Aufhebung einer früheren Entscheidung und die Gewährung einer erhöhten Rente unter Zugrundelegung eines ander weit ermittelten Jahresarbeitsverdienstes nur im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens er— olgen.
ö. Eine Berufsgenossenschaft kann ihre Passivlegitimation nicht bestreiten, wenn ihr der Betrieb, in welchem sich der Unfall ereignet hat, im Wege des Verfahrens nach 5 62 Absatz L des Unfallversicherungsgesetzes (8 6 Absatz 1 des landwirthschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes) überwiesen worden ist; eine gleiche Bedeutung kommt jedoch den Katasterentscheidungen nach 5 37 Absatz 5 des Unfallversicherungsgesetzes nicht zu.
Die Nr. 7 der Sonderausgabe der „Amtlichen Nach— richten des Reichs Versicherungs amts Invaliditäts⸗ und Altersversicherung“ vom 1. April d. J. enthalt folgende bemer⸗ kenswerthe Revisionsentscheidungen und Bescheide:
Das Bestehen einer civilrechtlichen Verpflichtung zur Lohnzahlung ist mit der Anwendung des 583 Absatz 2 des Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes nicht für unvereinbar erachtet worden in einem Fall, in welchem dem Arbeiter von seinem ihm nahe verschwägerten und in ungünstigen Vermögens⸗ verhältnissen lebenden Arbeitgeber seit Jahren thatsächlich nur freier Unterhalt als Arbeitsentgelt gewährt worden ist. Denn für die Auslegung der Arbeiterversicherungsgesetze kommen im allgemeinen nicht die Verhältnisse, wie sie nach den rechtlich bestehenden Vereinbarungen hätten sein sollen, sondern wie sie wirklich sind, in Betracht.
Nicht der Inst mann, welcher den Scharwerker an— genommen, sondern der Gutsherr, in dessen Betriebe und zu dessen Vortheil die Arbeit des Scharwerkers verrichtet wird, und der den Lohn für diese Arbeit bezahlt, muß als Arbeit⸗ geber des letzteren angesehen werden. Der Unternehmer des landwirthschaftlichen Betriebes als solcher ist mithin auch ver— pflichtet, die gesetzlichen Beiträge zur Inovaliditäts— und Altersversicherung für den Scharwerker zu entrichten, und die Frage, ob und welche Beiträge, zu leisten sind, kann nur nach dem Verhältniß, welches zwischen ihm und dem Scharwerker besteht, beurtheilt werden. Wird von dem Gutsherrn ein baares Entgelt für die Arbeit des Scharwerkers entrichtet, so ist die Versicherungspflicht be⸗ gründet, selbst wenn der Instmann als Mittelsperson da— zwischen tritt und den von dem Arbeitgeber bezahlten Baar— lohn in freien Unterhalt umsetzt, den er dem Scharwerker
ewährt.
g e Operation wider Willen des Versicherten ist in dem auf Grund des 12 des Invaliditäts- und Alters— versicherungsgesetzes von der Versicherungsanstalt eingeleiteten Heilyerfahren unstatthaft. .
In einem Einzelfalle ist eine Krankheit, welche zwar die Fortsetzung eines Lohnarbeitsverhältnisses ausschloß, die Ausübung einer geringfügigen Unternehmerthätig— keit aber noch gestattete, gemäß 517 Absatz 2 des Invaliditäts- und e, für anrechnungs fähig er— achtet worden.
Eine Berichtigung des T atbest an des nach Maß⸗ abe des ; 29YI der Civilprozeßor a, ist im schiedsgericht⸗ ichen Verfahren nicht zuläffig. Meint ein an diesem Verfahren Betheiligter, daß eine erst in der mündlichen Ver⸗ handlung vorgebrachte Erklärung vom Schiedsgericht über⸗ gangen sei, so kann er dies nur im Wege der Revision rügen, und es ist alsdann in jedem Einzelfalle nach Lage der Verhältnisse zu prüfen, ob ein so wesentlicher Mangel des Verfahrens im Sinne des 8 80 Ziffer 2 a. a. O. vorliegt,
9. die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sich recht⸗ ertigt
Dagegen hat die Berichtigung von Schreibfehlern, Rechnung sfehlern u. s. w., die in dem schiedsgerichtlichen Urtheil vorkommen, in sinngemäßer Anwendung des 5 290 der Civilprozeßordnung stattzufinden. Der Zusendung des berichtigten Urtheils wohnt nicht die Kraft bei, aufs neue den Lauf der Rechtsmittelfrist zu eröffnen.
Eine Versicherungsanstalt hatte die . ng in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisions⸗ frist um deswillen in Anspruch genommen, weil sie das ihr zugestellte Urtheil des Schiedsgerichts alsbald behufs Be⸗ richtigung eines darin enthaltenen Rechnungsfehlers an den Schiedsgerichtsvorsitzenden zurückgesandt, dasselbe aber mit ihren Acten erst nach Ablauf der ö wieder erlangt habe. . ist jedoch von dem Reichs-Versicherungsamt ein die Wiedereinsetzung rechtfertigender Grund — Naturereigniß, unabwendbarer fal außerhalb des Willens der Partei liegender objectiver Hinderungsgrund — nicht erblickt worden.
Der Controlbeamte einer Versicherungsanstalt ist im Falle des 5 127 des Invaliditäts- und Altersversiche— rungsgesetzes nicht befugt, irrthümlich verwendete Marken einer anderen Versicherungsanstalt ohne Zuziehung dieser letzteren zu vernichten und an Stelle der vernichteten Marken solche der eigenen Anstalt zu verwenden.
Die Vorschrift des 5 26 Absatz 4 des Invaliditäts, und Altersversicherungsgesetzes, wonach die monatlichen Theil⸗
beträge der Renten auf volle fünf Pfennig nach oben abzurunden sind, findet auch dann Anwendung, wenn die Rente gemäß § 34 a. a. O. theilweise ruht.
Der Königlich sächsische Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe Graf von Hohenthalsund Bergen hat Berlin mit kurzem Urlaub verlassen. Während der Abwesenheit desselben fungirt der Legations-Secretär Graf Vitzthum von Eckstädt als Geschäftsträger.
Der Königlich preußische Gerichts-Assessor Dr. Bassenge ist zum Kaiserlichen Reglerungs⸗A Assessor ernannt worden.
Sachsen.
Seine Majestät der König wird nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ bei der Feier der silbernen Hochzeit des Königs und der Königin von Italien durch den General von Carlowitz vertreten sein.
Oesterreich⸗Ungarn.
Die Kaiserin wird dem „Prag. Abdbl.“ zufolge nach den bisherigen Dispositionen in Korfü bis Ende April oder Anfang Mai verweilen. Von Korfu kehrt Allerhöchstdieselbe nach Wien zurück, wird im Lainzer Schlosse einige Wochen Wohnung nehmen und sich hierauf zum Sommeraufenthalt nach Ischl begeben. . ö.
Der Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg, der gestern früh in Wien eintraf, empfing, wie „W. T. B.“ meldet, am Nachmittag den Professor Pollitzer, der sich, von der fortschreitenden Heilung des Ohrenleidens des Prinzen überzeugte. Später unternahm der Prinz eine Spazierfahrt und gab im Auswärtigen Amt seine Karte für den Grafen Kälnokn ab.
In der gestrigen Sitzung des ungaxrxischen Unter— hauses griff die Spposition bei der Verificirung des Pro— tokolls der letzten Sitzung den Präsidenten Banffy heftig an, weil er einen 2c des Hauses kundgab, ohwohl die Oppo⸗ sition namentliche Abstimmung gewünscht habe. Die Oppo⸗ sition beantragte eine Aenderung des Protokolls. Nach längerer Debatte wurde das Protokoll in namentlicher Abstimmung mit 131 gegen 89 Stimmen unverändert angenommen.
Großbritannien und Irland.
Die Königin wird der „A. C.“ zufolge in der letzten Woche dieses Monats nach England zurückkehren. Auf der Rückreise wird die Königin ein paar Tage in Venedig zu⸗ bringen und dann dem Großherzog von Hessen einen Besuch in Darmstadt abstatten.
Auf einer am Donnerstag in Bristol abgehaltenen Ver— sammlung gegen die Homerule⸗Bill erklärte der Herzog von Devonshire, der eigentliche Kampf gegen Homerule werde nicht im Unterhause, sondern in den Wahlbezirken aus— gefochten werden, weil die Gladstonianer bei den letzten Wahlen nur durch rücksichtslose Versprechungen und falsche Darstellungen, sowie dadurch, daß sie die Homerule geflissent— lich in den Hintergrund schoben, Stimmen gewonnen hätten. Die Unionisten hätten daher Recht, wenn sie sich weigerten, das Verdict der Wahlen als das des ganzen Landes anzu⸗ erkennen. Die Homerule⸗Vorlage müsse durchaus nochmals den Wählern unterhreitet werden. — -
Das Dubliner „Evening Echo“ erklärt, auf das be— stimmteste, die e , , n. Hierarchie sei der Meinung, daß die Homerule⸗Bill nicht zum Gesetz werde erhoben werden. Die finanziellen Bestimmungen darin seien völlig unzulänglich.
Belgien.
Wie bereits in Nr. 81 d. Bl. kurz erwähnt worden ist, ist es zwischen den Führern der Rechten und der gemäßigten Linken zu einer Einigung über die Grundzüge der Ver⸗ fassungsrevision gekommen. Die einzelnen Punkte dieses Uebereinkommens sind nach der „Magd. Ztg.“ folgende: 1) Die neue Verfassung soll kein unüberwindliches Hinderniß für die spätere Einführung des allgemeinen Stimm⸗ rechts enthalten, sondern lediglich bestimmen, daß das Wahl⸗ recht von der jeweiligen Kammer mit , n. festgesetzt wird. 2) Vorläufig wird das zahlrecht dahin er⸗
weilert, daß alle bisherigen Gemeindewähler zum Kammer⸗
wahlrecht zugelassen werden, wodurch die Zahl der Wähler 3 . . auf 500 000 erhöht wird. 3) Die Constituante soll unterdessen ihre Berathungen zur Feststellung eines noch ausgedehnteren Wahlsystems fortsetzen.
Türkei.
Der Staatssecretär der Vereinigten Staaten hat, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, den Ge— sandten in Konstantinopel angewiesen, von der Pforte Genug— thuung für den kürzlich im amerikanischen Seminar in Marsivan (Klein⸗Asien) vorgekommenen Brand und Be— strafung der Schuldigen zu verlangen.
Serbien.
Das Präsidium der Skup schtin a und der Berifications⸗ ausschuß haben dem „W. T. B.“ zufolge die Abgeordneten aufgefordert, ihre Mandate zu überreichen, widrigenfalls gegen sie nach den Bestimmungen der Verfassung werde vorgegangen werden. — Wie die „Politische Correspondenz“ erfährt, beschloß die Regierung, die durch den Austritt der radicalen Abge—⸗ ordneten aus der Skupschtina nothwendig gewordenen Neu⸗ wahlen für die dritte Woche des April anzuordnen. Die Skupschtina könnte somit Ende April in die meritorischen Ver— handlungen eintreten.
Schweden und Norwegen.
(E) Christiania, 5. April. Die gesammten Zoll⸗ einnahmen in den ersten neun Monaten des laufenden Finanzfahres betrugen 15717 949 Kronen gegen 17 0 2565 , im gleichen Zeitraum des vorigen Finanzjahres.
Amerika. ö
Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Buenos⸗AlAires von gestern gemeldet, die vor einiger Zeit in Catamarca (dem nordwestlichsten Staate der Argentinischen Conföderation) ausgebrochenen Unruhen drohten einen ernsteren Charakter anzunehmen. Es hätten zwischen den Aufrührern und den Regierungstruppen mehrere Gefechte stattgefunden; die Ver— luste seien beiderseits groß; die Gefangenen seien erschossen worden. Die Eisenbahnen befänden sich in den Händen der Insurgenten. Es seien Regierungstruppen zum Schutz des Nationaleigenthums entsandt.
In Paris eingetroffenen Meldungen aus Valparaiso von gestern zufolge wäre daselbst eine Ministerkrisis aus— gebrochen.
Afrika.
Nach einem Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ aus Prätoria vom 6. d. M. ist Präsident Krüger mit großer Majorität wieder zum Präsidenten der Republik Transvaal gewählt worden.
Nr. 14 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts?“ vom 6. April hat folgenden Inhalt: Gesund— heitsstand. — Witterung. — Maßregeln gegen Cholera. — Gesetz⸗ gebung u. s. w. (Deutsches Reich). Beförderung thierischer Abfälle auf Eisenbahnen. — Todesursachenstatistik. — (Preußen). Privat- Irrenanstalten. — . Leichenobductionen,. — (Sach sen⸗ Meiningen). Viehseuchen⸗ Uebereinkommen. — (Großbritannien). Tollwuth. — Thierseuchen in Norwegen. — Veterinärpolizeiliche Maßregeln. — Rechtsprechung. — Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. — Vermischtes. — Geschenkliste. — Sterbefälle in deutschen Orten mit 15 000 und mehr Einwohnern, Februar. — Desgl. in größeren Orten des Auslandes. — Beilage. Gerichtliche Entscheidungen zum Nahrungsmittelgesetz (Fruchtsäfte, Zucker waaren ꝛc., Syrup. Honig, Wasser, Pilze, Sauerkraut. Rüböl, ,,, Eß⸗, Trink, und Kochgeschirr, Spielwaaren, Fische ꝛc.).
Nr. 14 des „ Centralblatts
Bauten Londons.
Entscheidungen des Reichsgerichts. Börsen⸗
Ist der Agent bei der Entgegennahme eines x. geschäfts-Auftrages für seinen Principal sich bewußt, 3 die in demselben enthaltene Offerte nicht auf ein effectives Geschäft, sondern auf ein Differenzgeschäßt gerichtet ist, so hat, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, J. Civilsenats, vom 19. November 1892, der Auftraggeber dem Principal gegenüber den Einwand des ver⸗ kleideten Differenzgeschäfts, auch wenn dieser in der Meinung, daß es sich um ein effectives Geschäft handle, den Auftrag ausgeführt hat.
— Verlangt bei einem Nichtfirgeschäft der Käufer einer Waare vom säumigen Verkäufer fortgesetzt Erfüllung und läßt Käufer sodann infolge des vorübergehenden Weichens des Marktpreises der Waare einige Zeit, verstreichen, ohne sein Recht guf Lieferung geltend zu machen, so ist er nach einem Urtheil des Reichsgerichts, J. Civilfenats, vom 30. November 1892, trotzdem berechtigt, mit seiner Forderung wieder hervorzutreten, wenn der Preis der Waare wieder gestiegen ist.
Kunst und Wissenschaft.
Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung der Internatienalen eriminalistischen Vereinigung befürwortete der Referent, Staatzanwalt Dr. Appelius (Elberfeld) folgende von ihm auf⸗— gestellten Thesen: ö. . HJ
I. 1) Es empfiehlt sich, das Alter der Strafmündigkeit bis auf das vierzehnte Lebensjahr hinaufzurücken. 2) Wer bei Begehung einer strafbaren Handlung das vierzehnte Lebensjahr nicht vollendet hat, kann daher wegen derselben nicht strafrechtlich verfolgt werden. 3) Es kann jedoch in diesem Falle staatlich überwachte Erziehung eintreten.
II. 1) Gegen Personen, welche bei Begehung der strafbaren Handlung das vierzehnte, aber nicht das achtzehnte Lebens⸗ jahr vollendet haben, kann wegen derselben auf Strafe oder auf staatlich überwachte Erziehung oder auf Freiheitsstrafe und Erziehung, oder auf Ueberweisung an die Familie erkannt werden. 2) Wird auf Strafe in Verbindung mit staatlich überwachter Er⸗ ziehung erkannt, so ist in dem entscheidenden Theile des Urtheils zum Ausdruck zu bringen, ob die Strafe oder die Erziehung vorangehen soll. 3) Die Bestimmung der S5 55 und 57. des Straf— esetzbuchs, wonach die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Jugendlichen davon abhängig ist, daß er bei Begehung der
wendig,
That die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht be⸗ sessen hat, ist zu e n 4 Als Strafmittel sind nur zulässig: Hifangnig und Festungshaft bis zu fünfzehn Jahren, Haft, Geld— strafe, Verweis. allein und in Verbindung mit. Ueber⸗ weiftng zur Schulzucht und zur Zucht der staatlich über⸗ wachten Erziehung, Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter. Ausgeschlossen bleiben:; Todesstrafe, Zuchthaus, Ab⸗ erkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, Ueberweifung an die Landes⸗ polizeibehörde und Polizeiaufsicht. Von der Erkennung auf dauernde Unfähigkeit, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden, kann abgesehen werden 8 161 des Strafgesetzbuchs). 5) Wird an erster Stelle auf Freiheitsstrafe erkannt, so ist dieselbe bei r T aniß nicht unter einem Monat, bei Haft nicht unter, zwei Wochen zu bemessen. 6) Für die Dauer der Freiheits- strafe ist, ö von Nr. 5, im allgemeinen die Strafandrohung der ordentlichen Strafgesetze maßgebend. An Stelle von zeitiger Zuchthausstrafe tritt regelmäßig Gefängnißstrafe von gleicher Dauer; sedoch in allen Fällen mit einem Mindestmaß von nur einem Jahre und mit einem Höchstmaße von nicht über zehn Jahren. 7) Gefäng— Rißstrafe von mehr als zehn Jahren ist nur ul ig, bei den mit dem Tode oder mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedrohten Straf⸗ thaten. 3) Wenn Gefängnißstrafe und Erziehung verbunden werden, kann die erstere um die Hälfte, herabgesetzt werden. ) Es ist zu empfehlen, für erste Freiheilsstrafen bis zu drei Monaten die Aussetzung des Strafvollzugs einzuführen. 10) Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gegen eing in der staatlich überwachten Erziehung befindliche Person, sowie die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, welche in Verbindung mit stagtlich überwachter Erziehung erkannt ist und derselben nachfolgen soll, kann, sofern die Freiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt, von dem Erfolg der Erziehung und eventuell der nachträglichen Führung abhängig gemacht werden.
III. Auch ohne das Vorliegen einer strafbaren Handlung sollen jugendliche Personen bis zum sechzehnten Lebensjahre der staatlich überwachten Erziehung überwiesen werden,
wenn deren sittliche Ver wahrlosung. festgestellt oder der Eintritt“
derselben nach den häuslichen Verhältnissen zu befürchten ist, und die Maßregel erforderlich erscheint, um die Personen vor sitt— lichem Verderben zu bewahren. IV. Die staatlich überwachte Erziehung findet statt: eigenen Familie, b. in einer geeigneten fremden Familie, e.
a. in der in einer
nter staatlicher Aufsicht stehenden Privaterziehungsanstalt, d. in einer
staatlichen Erziehungsanstalt.
V. Es empfiehlt sich, die Entscheidung der Frage, ob gegen verbrecherische oder verwahrloste Kinder staatlich überwachte Erziehung eintreten soll, den Vormundschaftsgerichten zu übertragen.
VI. 1) Die Entscheidung über die Art und die Ausführung der staatlich überwachten Erziehung ist in die Hände besonderer Erziehungs— ämter zu legen. 2) Es bleibt der Landesgesetzgebung überlassen, die Erziehungsämter in den bestehenden Verwaltungsorganismus ein— zuordnen. 3) Doch ist die bestehende getheilte Leitung des staatlichen Erziehungswesens — zum theil in der Hand von Staatsbehörden, zum theil in der Hand von Communalbehörden — mit einer erfolg reichen Thätigkeit auf diesem Gebiet unvereinbar.
VII. Die Untersuchung gegen jugendliche Verbrecher vom vier— zehnten bis achtzehnten Lebensjahre und die Aburtheilung liegt den nach dem Gerichtsverfassungsgesetz zuständigen ordentlichen Straf— gerichten ob.
VIII. Die e r n verbrecherischer und verwahrloster Kinder, sowie die Bestrafung verbrecherischer jugendlicher Personen muß durch ein besonderes Reichsgesetz gemeinsam einheitlich geregelt werden.
Der zweite Referent, Amtsgerichts Rath Schmölder (Köln) wandte sich ganz besonders gegen die Absicht des Vorredners, die iugendlich Verwahrlosten u. s. w einer staatlichen Zwangserziehung zu überweisen und besondere Erziehungßämter zu errichten. Den Schwerpunkt der Zwangserziehung müsse man indie Familie legen. Der Redner verlangte in den von ihm aufgestellten Thesen, daß der Vormund, nicht aber der Vater einer ständigen Controle durch das Vormundschaftsgericht unterstehen solle. Im weiteren bemerkte der Redner, daß der Zustand der Strafmündigkeit sich nicht an den Zustand der Strafunmündigkeit in unmittelbarer Folge an⸗ reihe. Es schiebe sich vielmehr zwischen beide Zustände ein Zwischen⸗ zustand, der Zustand der beschränkten Strafmündigkeit, ein. Für den Zustand der beschränkten Strafmündigkeit sei ein besonderes, der Eigenart dieses Zustandes entsprechendes System von Strafmitteln aufzustellen. Diese Strafmittel verdrängen bei allen einzelnen Straf⸗ thaten die dort vorgesehenen, allgemein gültigen Strafmittel. In dieses Strafmittelsystem seien aufzunehmen: 1) der Verweis, 2) die Geldstrafe, 3) die körperliche Züchtigung, 4) die Ueberweisung in ein Besserungshaus. — Der dritte Referent Geheime Ober⸗-⸗Finanz⸗Rath Fuchs (Karlsruhe) machte Mittheilungen über das Zwangserziehungs⸗ wesen in seiner Heimath, das dort zumeist in den Händen freier Vereine liege und im allgemeinen gute Resultate gezeitigt habe. — Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Keß ler (Wabern) erklärte sich mit den Thesen des ersten Referenten einverstanden. Er habe ebenfalls die Erfahrung gemacht, daß das Gefängniß nicht geeignet sei, er⸗ ziehenisch und bessernd zu wirken. — Amtsgerichts⸗Rath Sch mölder (Köln) erklärte, die erste These des Staatsanwalts Dr. Appelius nicht gutheißen zu können. Er halte ez für nothwendig, das Alter der Strafmündigkeit bis auf das vierzehnte Lebensjahr hinaufzurücken. — Dr. med. Leppmann (Berlin) stimmte dem Vorredner bei. Mit dem sechzehnten Lebensjahre beginne die Pubertät und mit dieser erst die erforderliche Einsicht. Allerdings müsse verhütet werden, daß Kinder unter sechzehn Jahren nicht auf diese Straflosigkeit rechnen; diese seien daher, sobald sie ein Verbrechen begehen, der Zwangs⸗ erziehung zu überweisen. Eventuell würde er (Redner) sich mit der Hinaufrückung der Strafgrenze bis zum vierzehnten Lebensjahre be⸗ gnügen; jedenfalls aber wünsche er eine Absonderung derjenigen, die nur wegen Verwahrlosung und derjenigen, die eines begangenen Ver⸗ brechens wegen der Zwangserziehung überwiesen werden. — Dekonomie⸗ Rath Jungk (Berlin), Pastor D. von Koblynski (Düsseldorf) und Kaufmann Bischoff (Berlin) sprachen sich für die Hinauf⸗ rückung der Strafmündigkeit bis zum vierzehnten Lebensjahre aus. Letzterer befürwortete diese aus dem Grunde, weil bei der gegen—⸗ wärtigen Gesetzesbestimmung, wo die Strafmündigkeit mit dem zwölften Lebensjahre beginne, oftmals ein in diesem jugendlichen Alter begangenes Vergehen dem bestraften Kinde für das ganze Leben anhafte und es in seinem wirthschaftlichen Fortkommen hindere. — Pfarrer Winckelmann (Halle) und Landrichter Dr. Felisch (Berlin) sprachen sich ebenfalls für die Hinaufrückung der Straf— mündigkeit bis zum vierzehnten Lebensjahre aus. Letzterer bemerkte:
Es sei erforderlich, die jugendlichen Verbrecher mit Handarbeiten und
landwirthschaftlichen Arbeiten zu beschäftigen. Es würde sich auch sehr empfehlen, jugendliche Verbrecher aus den großen Städten aufs Land abzuschieben. — Amtsgerichts⸗Rath Dr. Schubert (Ebeleben bei Sondershausen) trat ebenfalls für das Hinaufrücken der Straf— mündigkeit bis zum vierzehnten Lebensjahre ein und betonte die Noth⸗ wendigkeit, Einbruchsdiebstähle und Sittlichkeitsverbrechen, die von
Strafunmündigen begangen werden, der zuftändigen Gerichtsbehörde
anzuzeigen, damit diese in der Lage sei, die verbrecherischen Kinder und auch deren Eltern zu warnen. Derartige Warnungen würden eine sros; Wirksamkeit ausüben. Außerdem erachte er es für noth⸗
ig, die jugendlichen Verbrecher in den Gefängnissen gehꝛrig zur Arbeit anzuhalten. Das Gefängniß müsse den jugendlichen Verbrechern als etwas Schreckliches erscheinen. — Pjsarrer Müller (Braunsdorf in Sachsen) bezeichnete das Hinaufrücken der Strafmündigkeit bis jum 14. Lebensjahre als eine dringende Nothwendigkeit, wenn man bessernd auf. die verbrecherische Jugend wirken wolle. Auch die Schule Babe ein Recht zu verlangen, daß ihre Schüler nicht ins Gefängniß gesteckt würden. — Skaatszanwalt Hr. Stachow J. und Landgerichts⸗Rath Kronecker (Berlin)
wandten sich gegen den Antrag: Strafunmündige bei jedem pon
diesen begangenen Vergehen der Zwangeerziehung zu überweifen. . . der Debatte, an der sich noch mehrere ander Redner detbeiligten, gelangten die Thefen 1 1 bis 3 des Stgatganwalts Dr. Appeliüs fast einstimmig zur Annahme. — Zu These II1
beantragte Amtsgerichts ⸗ Rath Schmölder
. (Köln), das Wort Freiheitsstrafe
zu streichen. — Geheimer Regierunge⸗ Rath Dr. Krohne stimmte dem Vorredner im e : bei und trat ganz besonders für die These 15 3 ein. Redner bemerkte: Man stecke jetzt jugendliche Verbrecher in eine Ver⸗ brecherschule. Die gegenwärtige , . belaste ihr Schuldeonto immer mehr; es komme ihm vor, als befolge die heutige Gesellschaft den Grundsgtz: Apres ugus le déluge?. — Nach noch längerer Debatte gelangten die Thesen II 1 bis 3 mit der Aenderung zur Annahme, daß es in II 1 anstatt „Freiheitsstrafe „Strafe“ heißen soll. — Von dem Geheimen Regierungs⸗Rath Dr. Krohne war ferner folgender Antrag gestellt: „Gegen jugendliche Per⸗ sonen im Alter vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 21. Lebens⸗ jahre finden Todesstrafe und Zuchthausstrafe, ferner diejcnigen Neben= strafen keine Anwendung, welche auf die Erfüllung der militärischen Dienstpflicht von fh sind!. — Dieser Antrag wurde jedoch nach längerer Debatte abgelehnt und alsdann die Sitzung auf heute vertagt.
In der heutigen zweiten und letzten Sitzung wurde die Be⸗ rathung der Thesen des Staatsanwalts Appelius fortgesetzt. Zu These III erklärte Landes Rath Vorster (Merseburg): Er könne diese These nur in jeder Beziehung befürworten. In der Provinz Sachsen habe man mit der Zwangserziehung sehr gute Resultate erzielt. Es seien aus der dortigen Provinzial⸗Zwangs⸗Erziehungs⸗ anstalt von 1878 bis jetzt 93 Zöglinge entlassen worden. Von diesen seien 79 0,0 als ee ee, gebessert zu bezeichnen; bei 169 sei die Besserung eine zweifelhafte, in vielen Fällen seien aber auch hierbei Besserungen erzielt worden, und nur bei 5 Ho sei keine Besserung zu constatiren. Die Zwangserziehung liege nicht nur im Interesse der Verwahrlosten, sondern vielleicht noch mehr im Interesse des Staats und der menschlichen Gesellschaft. Wenn aber in dieser Be⸗ ziehung ein Resultat erzielt werden solle, dann müsse es möglich sein, auch ältere Knaben und Mädchen der Zwangerzehung zu überweisen. Die geäußerten Bedenken, daß man die Heiligkeit der Familie dadurch antasten könnte, könne er in keiner Weise thellen. In Familien, wo eine Verwahrlosung der Kinder anzutreffen sei, sei keine Heiligkeit sondern gewöhnlich nur Scheinheiligkeit anzu⸗ treffen. Aich juristische Bedenken dürften nicht maßgebend sein. Halte man die Zwangserziehung auch ohne das Vorliegen einer straf⸗— baren Handlung für nothwendig, dann empfehle es sich, zu sagen: bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahre“. — Amtsrichter Dr. Sim on son (Berlin) äußerte sich in ähnlichem Sinne. — Amts⸗ richter Dr. Köhne EKuckenwalde) erklärte, er mache in seiner Praxis fast täglich die Erfahrung, daß eine Gesetzesbestimmung, wie sie der Antragsteller wolle, dringend nothwendig sei. Es sei gestern von dem Amtsgerichts⸗Rath Schmölder gesagt worden: man nähere sich durch derartige k dem socialdemokratischen Zukunftsstaat. Er habe wenig Sympathien für diesen Zukunftsstaat; allein es sei doch nicht zu verkennen, daß auch in der socialdemokratischen Kritik ein berechtigter Kern vor— handen sei. Im übrigen stimme er dem Vorredner bei, daß dort, wo Zwangserziehung geboten, ein Familienleben überhaupt nicht vor⸗ handen sel. — Landrichter Dr. Aschroth (Berlin): Er halte das sechzehnte Lebensjahr als zu weit gegriffen und beantrage daher, zu sagen: „bis zum vollendeten vierzehnten Lebensjahre. Im weiteren beantrage er, zu sagen: anstatt „zu befürchten ist„: „wenn deren sitt⸗ liche Verwahrlosung festgestellt oder der Eintritt derselben nach den häuslichen Verhältnissen eingetreten ist“ Man dürfe einmal nicht all⸗ zusehr in das Familienleben eingreifen, andererseits müsse auch der Richter in der Lage sein, die Verwahrlosung festzustellen. Für eine ernste Be⸗ fürchtung biete sich bei der richterlichen Feststellung keinerlei Handhabe. — Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Dr. Fuch s⸗Karlsruhe: In Baden habe man die Erfahrung gemacht, daß es nothwendig sei, die Altersgrenze in der vorliegenden Angelegenheit bis zum achtzehnten Lebensjahre hinaufzurücken. Dem Einwand, daß man die Heiligkeit der Familie antaste, halte er entgegen, daß ihm das Wohl des zu erziehenden Kindes mehr am Herzen liege, als das Wohl der Eltern. Die nicht bestraften Verwahrlosten hätten sich in seiner Heimath oftmals als bedeutend schlimmer erwiesen als die bestraften.
— Der Bildhauer Professor Martin Paul Otto, der Schöpfer des Entwurfs zu dem Luther Denkmal, das den hiesigen Neuen Markt zieren sokl, ist seinem unablässigen Schaffen an dem großartigen Werk gestern Morgen durch den Tod entrissen worden. Er war in Berlin am 3. August 1845 geboren und hatte sich in der Schule von Reinhold Begas gebildet. Seine Vaterstadt hat außer jenem leider unvollendeten bereits zwei hervorragende Werke von ihm aufzuweisen: die Marmorstatuen Wilhelm von Humboldt's vor der Universität und Daniel Chodowiercki's in der Vorhalle des Alten Museums. Für Bad Ems schuf er das imposante Denkmal Kaiser Wilhelm's J.
— Dem „Centr.⸗ Bl. f. Baup.“ wird geschrieben: Zu den zahl⸗ reichen, dem öffentlichen Wohl dienenden Anstalten, welche Bürgersinn und Nächstenliebe in der Stadt Halle errichtet haben, wird diese demnächst noch eine neue große Stiftung erhalten, indem, wie schon kurz erwähnt, nach der letztwilligen Verfügung ihres einstigen Mit— bürgers Paul Riebeck, eines Sohnes des J ,,. Industriellen, Commerzien⸗Raths A. Riebeck, über 2 Millionen Mark dazu verwendet werden sollen, eine Altersversorgungsan stalt für Angehörige besserer Stände einzurichten und dauernd zu unterhalten. Das für die Anstalt ausersehene Grundstück von nahezu 3 ha liegt im Süden der Stadt und hat eine in gesundheitlicher und landschaftlicher Beziehung gleich vortheilhafte Lage. Am , eines auf ziemlich stark abfallendem Gelände anzulegenden Parks soll sich das Gebäude für die Pfleglinge erheben, welches mit Altanen und Balconen ausgestattet werden soll, von denen sich eine prächtige Aussicht in die Parkanlagen hinein und darüber hinweg nach dem landschaftlich reizvollen Saale⸗ thal bieten wird. Um für das Gebäude, auf welches die Summe von. 500 009 S zu verwenden ist, möglichst praktische und zugleich künstlerisch werthvolle Entwürfe zu erlangen, hat der Magistrat der Stadt Halle sich dazu entschlossen, einen allgemeinen Wettbewerb unter den in Deutschland ansässigen Architekten aus⸗ zuschreiben. Für die besten Entwürfe sind Preise von 4000, 2500 und 1500 S ausgesetzt; ferner wird der Ankauf von zwei weiteren Entwürfen zum Preise von je 500 6 vorbehalten. Das Preisgericht besteht aus den Herren Königlichen Baurath Brünecke, Stadt⸗Baurath Genzmer, Geheimen Sanitäts⸗Rath Dr. Hüllmann und Ober⸗Bürger⸗ meister Staude in Halle, Stadt- Baudirector Licht in Leipzig, König lichen Baurath Schmieden und Königlichen Baurath Wallot in Berlin.
— Seine Königliche Hoheit der Herzog Karl Theodor in Bayern beging, wie die M. N. Nachr. melden, am 7. d. M. in seiner Augenheilanstalt, Maria⸗Josefastraße 2 zu München, das Jubiläum der 2000. Staaroperation, wobei seine Gemahlin und seine Tochter, die Ve Sofie, hilfreiche Hand leisteten. Zu⸗ egen waren außerdem Ober Medizinal⸗Rath Professor von Zehender, Feen n, Dr. Angerer, Professor Dr. Bauer, Dr. Voithenleitner und die assistirenden Aerzte Ir. Zenker und Dr. Osborne. Der Operations⸗= saal war von den Schwestern der Anstalt mit Blumen und Gewächsen festlich geschmückt. Die 1000. Staaroperation hatte Seine Königliche Hoheit am 3. Juli 1889 vorgenommen.
— Der deutsche , n . München nahm laut Meldung des W. T. B.“ in seiner . rigen Schlußsitzung nach einer Rede des General⸗Majors Wetzer (Wien) die von n . Beigel formulirten Thesen, mit Ausnahme derjenigen betreffend die? 6 an. Als Grenzjahr für die Benutzung der Archive wurde das Jahr 1847 festgesetzt, die Erledigung des Restes der Tagesordnung wurde dem im Jahre 1894 in Leipzig stattfindenden Historikertage vorbehalten.
— Der in Paris verstorbene Finländer Dr. Antell vermachte, wie W. T. B.“ aus Helsin U mittheilt, seine bedeuten⸗ den e , . und Kunstsammlungen nebst einer Million Mark seinen Landsleuten als Grundlage für ein zu gründen⸗ des finländisches National⸗Museum, ferner S009 009 Mark der finländischen Universität als Fonds zu Stipendien für wissenschaftliche Arbeiten, 100 000 M½ als Stipendienfonds für das Lyceum seiner Vaterstadt Wasa und schließlich 96 1090090 M für das Nordische Museum und die Akademie der Wissenschaften in Stockholm.
Verdingungen im Auslande.
. . Dänemark. 15. April. 12 Uhr. Kjsbenhavns Havneforvaltning, Contoir Toltboden, FRohenhagen: Lieferung von 100 000 bis 1 00 000 Stück geflammten Mauersteinen, 1090 000 bis 900 000 Stück hartgebrannten Mauersteinen, ca. S6 000 Stück Klinkern und ca. 100 000 Stück ganzen Mauersteinen, Bedingungen an Ort und Stelle und beim Reichs Anzeiger‘ (in dänischer Sprache).
Theater und Musik.
. Saal Bechstein.
Der zweite Quartett Abend der Herren Thomas, Udel, Hörbeder und Weiß wirkte gestern noch viel mehr auf die Lach⸗ muskeln der Zuhörer als der erste; zugleich war aber auch wieder die große Kehlfertigkeit im Gesang und in der Aussprache zu bewun⸗ dern, die bei der rapidesten Tempobewegung alles klar zu Gehör brachte. Dieser Vorzug läßt besonders die vortreffliche Schulung der Stim— men erkennen, die z. B. in der Historia vom Kuß“ von Maier, in dem Spatzentratsch von Löti und in dem Schäffer'schen Die da. zur Geltung kam, wobei auch die günstige Akustik des Saales ihren Antheil hatte. Das urkomische Quartett Der Hand⸗ schuh“ (nach der bekannten Ballade) ging durch seine pantomimischen Zuthaten etwas über die Grenzen eines Hon r wgre g hinaus; da⸗ . wurden als sehr willkommene Zugabe die Variationen über ein
olkslied, die, der Ochs'schen Idee folgend, den Stil der verschiedenen Componisten charakterisiren, mit rauschendem Beifall aufgenommen. Mehrere Quartette wurden auf Wunsch wiederholt.
Im Königlichen Opernhause gelangt am Montag Lohen⸗ grin?! mit den Damen Pierson und Götze und den Herren Gudehus, Bulß, Stammer und Fränkel zur i , Am Dienstag geht „Cavalleria rusticana“ mit Signora Bellincioni und Signor Stagno, den Damen Dietrich und Lammert und Herrn Bulß in Scene. Vorher wird die mythologische Tanzdichtung „Prometheus“ mit der Musik von Beethoven gegeben. Diese auf Aller⸗ höchsten Befehl stattfindende Lhéatre- päaré-Vorstellung beginnt um T Uhr. Die Preise sind für diesen Abend folgendermaßen erhöht: Fremdenloge 12 106, Orchesterloge 19 1p, J. Rang und Parquet 8 , II. Rang Proscenium 6 , II. Rang Logen und Balcon 5 , III. Rang 3 ½ι 50 , Parterre 2 A6, Amphitheater Sitzplatz 2 6, Stehplatz 1 0 ‚
Im Königlichen Schauspiel im (Neuen Theater) gelangt am Montag „Vasantasena“, am Dienstag „Was ihr wollt“ (25. Auf⸗ führung in der vom Qber⸗Regisseur Grube vorgenommenen Neu⸗ einstudirung) zur Aufführung. Für den Sonnabend ist die erste Aufführung des Lustspiels „Blaues Blut“ von G. von Moser und Schaper in Aussicht genommen.
Im Deutschen Theater geht Der Talisman“ außer morgen auch am Dienstag, Donnerstag und Freitag in Scene. Der Schwank »Zwei glückliche Tage“ erreicht am Montag seine 50. Vor⸗ stellung und wird am Sonnabend wiederholt. Am Mittwoch findet ö, . des Schauspiels ‚Der Pfarrer von Kirch⸗ feld statt.
Im Berliner Theater geht Shakespeare's „Viel Lärm um Nichts! morgen Nachmittag und Abend sowie am Dienstag und Donnerstag in Scene, und zwar jedesmal mit Ludwig Barnah und Nuscha Butze in den Hauptrollen. Neu einstudirt kommen am Montag Schiller's Räuber“ zur Aufführung und werden am Freitag Gl. Abonnements⸗Vorstellung) wiederholt. Auf Mittwoch ist r. Lustspiel „Der Veilchenfresser“ angesetzt; der Sonnabend bringt in neuer Einstudirung ‚Die Braut von Messinan, die sfeit einer Reihe von Jahren nicht gegeben wurde.
Für das Lessing-Theater lautet das Wochenprogramm: Montag: Eine Halen t Merl nn Dienstag: „Hanna Jagert“; Mittwoch: Zum ersten Mal Die Boheme“, Schauspiel in fünf Aeten von Henri Murger, deutsch von Paul Lindau; Donnerstag: Heimath“; Freitag; Die Bohsmen; Sonnabend: Hanna Jagert“; Sonntag: Die Boheme“.
Im Wallner⸗-Theater wird am nächsten Mittwoch auf viel⸗ fachen Wunsch Hermann Sudermann's Drama „Sodoms Ende“ in der alten Besetzung der Hauptrollen wieder aufgenommen, um sodann am Freitag wiederholt zu werden. An den übrigen Abenden der Woche werden in wechselnder Folge „Der Probepfeil n=, „Die große Glocke‘ und „Die Großstadtluft“ gegeben werden. Das Gastspiel des Lessing⸗Theaters wird übrigens nur noch bis Ende dieses Monats ausgedehnt werden, sodaß die beliebtesten Repertoire⸗ werke nur noch an wenigen Abenden wiederholt werden können.
Der Spielplan des Friedrich-Wilhelmstädtischen
Theaters für die kommende Wh lautet: Sonntag und Montag „»Die schöne Helena“', Dienstag bis einschließlich Freitag „Der Bettelstudent ). Im Kroll'schen Theater findet morgen eine nochmalige Auf⸗ führung von Verdis „Traviata in der Titelpartie mit Signorina Prevosti statt; die Partie des älteren Germont wird wieder von Signor de Padilla, und zwar als letztes Auftreten, gesungen. Der fernere Wochenspielplan lautet: Montag: Der wilde Jägern; Dienstag: „Der schwarze Domino“; . Linda von Chamounix“ (Linda: Signorina Prevosti als Gast, Marquis: Signor Merly); Donnerstag: „Fritzchen und Lieschen, ‚Der Schwur“ und Abu Hassan'; Freitag: A Santa Lucia“ (erstes Gastspiel von Gemma Bellincioni und Roberto Stagno); Sonnabend: Linda von Chamounix “. .
Im Theater Unter den Linden bleibt für die kommende Woche das Ausstattungs⸗Ballet „Columbia. mit der vorangehenden Operette Lachende Erben? auf dem Spielplan.
In dem schon angekündigten Concert zum Besten des Penfionsfonds des Philharmonischen Orchesters unter Leitung von Dr. Hans von Bülow am Montag, Abends 8 Uhr, gelangt Beethoven's C-moll-Symphonie an Stelle der Pastoral⸗ Symphonie zur Aufführung. Die A-dur-Symphonie bleibt auf dem Programm. Eine öffentliche Hauptprobe findet morgen Mittag 12 Uhr statt. Der Kartenverkauf für letztere ist bei Bote u. Bock eröffnet. — Der Lenorist Herr Otto FischerSobell wird in seinem am Dienstag, Abends 76 Uhr, unter Mitwirkung seiner Gattin, der Pianistin Fr. Agathe Fischer⸗Sobell im Saal Bechstein zu ver⸗ anstaltenden Concert u. a. Lieder von Schubert, Schumann, Brahms, Massenet und Arien von Weber und Wagner singen, während seine Gattin Chopin's Andante spianato und Polongise Es-dur, Liszt's Polonaise Ee-dur und kleinere Stücke von Weber und Chopin spielen wird. — Das Wiener Udel⸗Quartett veranstaltet morgen Mittag 12 Uhr im Saal Bechstein seine Abschieds⸗ Matinée, deren Programm außer einigen von den Sängern bisher noch nicht gehoͤrten Stücken die Haupttreffer ihrer drei hiesigen Soirséen bringt. Karten sind morgen von 9 Uhr ab im Saal Bech⸗ stein zu haben.
Der Berliner Tonkünstler⸗Verein veranstaltet seinen nächsten Musik Abend Dienstag, den 11. d. M. Abends 8 Uhr, in der Aula des Ascanischen Gymnasiums, Hallesche Slraße Zum Vortrag gelangen; Streichquartett von Ose. 4 Gesänge von O. Fauter, Mor. Scharf und R. Wustandt, Cellosoli von F. E. Koch und R. J. Eichberg, Phantasie für Harmonium von Schulze⸗Robst.
Mannigfaltiges.
Im Circus Renz fand gestern Abend mit Allerhöchster Ge⸗ nehmigung und im Beisein Ihrer Majestäten des Kaisert und der Kaiserin nebst den ältesten drei Kaiserlichen Prinzen eine Parade Gala- Vorstellung. zum Besten des unter dem Pretectorat Ihrer Majestät der Kaiserin stehenden Berliner Locglvereins zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger e a, keit: Sanitätswachen) statt. Die erste Nummer des Programms,