S. M. Kreuzer „Bussard“, Commandant Corvetten⸗ Capitän Flichten höfer, ist am 2. April in Sydney an⸗ gekommen und beabsichtigt am 17. desselben Monats die Rundreise durch die deutschen Schutzgebiete anzutreten,
S. M. Kreuzer „Möwe“, Commandant Capitän⸗ Lieutenant Hartmann, beabsichtigt am 12. April von Bombay Sansibar in See zu gehen.
Sachsen.
Seine Majestät der König ertheilte gestern Nachmittag, wie das „Dr. J.“ meldet, dem neuernannten italienischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, General-Lieutenant Grafen Lanza behufs Entgegennahme seiner Accreditive eine Particular⸗Audienz. Später wurde Graf Lanza von Ihrer Majestät der Königin in der König— lichen Villa Strehlen empfangen und nahm dann an der Königlichen Hoftafel theil, zu der auch der Staats-Minister von Metzsch eine Einladung erhalten hatte.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Der Kaiser empfing gestern, wie ‚W. T. B.“ berichtet, den Prinzen Ferdinand von Sachsen-Coburg in Privat⸗Audienz.
Die bulgarischen Minister Stambuslow und Grekow statteten, dem „W. T. B.“ zufolge, heute Vor—⸗ mittag in Wien dem Minister⸗Präsidenten Grafen Ta affe einen Besuch ab, trafen denselben jedoch nicht zu Hause an.
Der böhmische Landtag berieth gestern in erster Lesung die Regierungsvorlage über Abgrenzung der Gerichtssprengel in Böhmen. Der Abg. Bu quoy be⸗ antragte die Zuweisung der Vorlage an die Bezirks- und Gemeindecommtssion. Bie Jungczechen Herold und Vasaty verlangten unter Ausfällen auf die Deutschen, die Altczechen und die Regierung die Bildung einer neuen Commission von 35 Mitgliedern, welche sich gegen die Ausgleichspunctationen überhaupt erklären solle. Der Abg. Sch meykal stimmte dem Antrage Buquoy's zu, verwahrte sich, aber gegen jedes daraus zu folgernde Präsudiz und erklärte, die Deutschen hielten unter allen Umständen an dem Ausgleiche , Der Abg. Rieger stimmte dem Antrage Buquom' s zu und erklärte, die Altczechen beharrten bei dem Beschlusse vom 14. Februar 1332, womit eine Verschiebung des gesammten Ausgleichs verbunden sei. Nach stürmischer Debatte wurde der Antrag Buquoy's mit allen Stimmen gegen die Stimmen der Jungczechen angenommen. Die Jungezechen verließen hierauf den Saal.
Bei der gestern im ungarischen Unterhause fort— gesetzten Berathung des Budgets trat der Minister für Tandesvertheidigung Freiherr von Fejervary unter wieder— holtem Beifall der Rechten der Behauptung von einer anti⸗ nationalen Richtung in der gemeinsamen Armee entgegen und vertheidigte zugleich die Kenntniß der deutschen Sprache bei der ungarischen Landwehr. Im Mobilmachungsfall sei ein und dieselbe Verkehrssprache nothwendig. Was in dem nationaleinheitlichen Deuischen Reich und in Frank⸗ reich richtig sei, sei angesichts des Conglomerats von Nationalitäten in Ungarn nicht passend. Unter allen Völkern der Monarchie sei die ungarische Nation zumeist wegen ihrer starken Heeresmacht gepriesen, eine eventuelle Niederlage würde Ungarn zu einem zweiten Mohacs führen. Zwischen dem Geist der Nation und dem Geist der Armee bestehe kein Unterschied.
Großbritannien und Irland.
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte dem „W. T. B.“ zufolge der Parlaments⸗-Secretär des Colonial⸗ amts Buxton, die Regierung habe eingewilligt, die mit den Häuptlingen in der Umgegend von Port Lokko abgeschlossenen Verträge zu ratificiren. Sodann setzte das Haus die Debatte über die zweite Lesung der Homerule— Bill fort. Chamberlain bekämpfte die Vorlage energisch, indem er erklärte, er glaube, das englische Volk sei der irischen Frage überdrüssig. Es würde wohl bereit sein, die Bill anzunehmen, wenn dadurch eine definitive Lösung ge⸗ sichert wäre. Gladstone's frühere Prophezeiungen seien aber nicht in Erfüllung gegangen, deshalb könne man auch in seine jetzigen Prophezeiungen kein Vertrauen setzen. Die Bill . weder die Minorität, die auf etwa ein Dritthell bis zur Hälfte der Bevölkerung Irlands anzu⸗ schlagen sei, noch weniger befriedige sie die Majorität. Er fordere die Nationalliberalen Irlands zu der Erklärung heraus, baß sie die Vorlage für eine definitive Lösung der Frage hielten; er sei überzeugt, daß sie das weder könnten, noch wollten. MeCarthy erklärte, es sei eitel, zu hoffen, daß das wachsende Nationalitätsgefühl in Irland durch Palligtiv⸗ mittel beseitigt werden könne. Er glaube, das irische Volk werde mit der vorliegenden Homerule-Bill zu⸗ . sein, indeß enthalte die Vorlage einige Punkte, ie er und seine Freunde zu amendiren versuchen würden. Mit den finanziellen Bestimmungen seien sie nicht . Was aber das Princip der Vorlage anbe⸗ lange, fo acceptirten er und seine Freunde dies als eine Lösung der Gesammtfrage. Wenn auch eine Zeit kommen durfte, die eine Veränderung der Verfassung erheischen werde, . glaubten die irischen Deputirten doch, daß die Vorlage, . i vorauszusehen möglich, eine endgültige Lösung der
rage sei.
Die in der gestrigen Nummer des „R- u. St..“ unter den nach Schluß der Redaction eingetroffenen Depeschen mit⸗ getheilte Verordnung des Vice⸗Königs von Irland, wodurch die Einfuhr von Waffen und Munition beschränkt wird, ist durch die bei Passagieren aus Amerika erfolgten häufigen Beschlagnahmungen veranlaßt worden. Zu den Häfen, in denen die Waffeneinfuhr verboten ist, gehört auch Aue enstown. Die Zoll- und Polizeibehörden sind ermäch⸗ tigt, verdächtige Reisegüter zu untersuchen.
Frankreich.
Der Präsident Carnot hat laut Meldung des „W. T. B.“ die Begnadigung Turpin's, des Erfinders des Melinits, unterzeichnet. .
Die Eröffnung der Generalräthe ist gestern ohne be⸗ sonderen Zwischenfall erfolgt.
Der Minister⸗Präsident Du pu my conferirte heute mit dem peruanischen Gesandten über, den Streitfall zwischen Perun und den französischen Gläubigern. Der Streitfall soll
dem Schiedsspruche des schweizerischen Bundesgerichts unterbreitet werden, .
Nach in Paris eingegangenen Nachrichten ist an der pyrenäischen Grenze ein französischer Schmuggler von einem spanischen Zollwächter im Handgemenge an⸗ geblich auf franzöfischem Gebiet getödtet worden. Unter der französischen 9 des Departements Basses⸗ Pyrénes soll infolge dessen lebhafte Erregung herrschen.
Laut amtlichen Ausweises überstiegen in der ersten Dekade des April die Rückzahlungen aus den Sparkassen die Einlagen um 15 Millionen. Die Rentenverkäufe betrugen 12 Millionen.
Italien.
Der Papst empfing gestern die ungarischen Pilger und hielt eine Ansprache, worin er sie ermahnte, den Lehren des Papstes zu folgen und ihm zu vertrauen. Hierauf ertheilte der Papst den Pilgern den Segen und segnete auch, wie „W. T. B.“ berichtet, den Kaiser Franz Joseph, welcher sich durch seinen Eifer für die katholische Religion und fur die Wohlfahrt Ungarns auszeichne, sowie das Kaiser— liche Haus und das gesammte ungarische Volk.
Spanien.
Der Ministerrath hat dem „W. T. B.“ zufolge be⸗ schlossen, die Demission des Bürgermeisters von Madrid nicht anzunehmen.
Gerüchtweise verlautete in Madrid, Japan habe die bei den Philippinen gelegenen Pe lew⸗Inseln occupirt.
In Mazar ron wurden vier Individuen verhaftet, welche 54 Kisten mit Dynamit entwendet hatten.
Luxemburg. Dem „Rheinischen Kurier“ zufolge findet die Vermählung des Erbgroßherzogs von Luxemburg mit der Prinzessin Anna von Braganza Anfang Juni statt.
Serbien.
Der gestrigen Sitzung der Skupschtina wohnten, wie „W. T. B.“ meldet, sämmtliche Minister bei. Der Bericht des Verificationsausschusses wurde einstimmig genehmigt. Danach ist die Wahl von 74 Abgeordneten für gültig erklärt. Die übrigen, Radicalen und Fortschrittler, wurden aufgefordert, binnen 24 Stunden ihre Plätze einzunehmen, widrigenfalls die in der Liste der Radi⸗ calen zunächst folgenden Candidaten einberufen oder eventuell Neuwahlen angeordnet werden sollen. Nachdem die Abgeordneten sodann den Eid geleistet, wurde in geheimer Ab⸗ stimmung Staatsrath Zivanovie mit 63 von 69 Stimmen zum Präsidenten, Pe ter Nigolie zum Ersten, Nicola Sta⸗ noje vie zum Zweiten Vice⸗-Präsidenten gewählt. Der Präsi⸗ dent erklärte hierauf die Skupschtina für constituirt.
Schweden und Norwegen.
In der vorgestrigen Sitzung der Ersten Kammer er⸗ klärte der frühere schwedisch-norwegische Minister des Aus⸗ wärtigen Björnstjerna, die schwedisch-nerwegischen Küsten seien so ausgedehnt, die Schären so zahlreich, daß eine Blockade der Häfen unmöglich sei, so lange die schwedisch— norwegische Union existirt. Werde diese aber gesprengt, worauf die von parteiischen Interessen geblendete Majorität des nor— wegischen Storthings hinzuarbeiten scheine, so seien Schweden und Norwegen verloren. Die Sprengung der Union würde gegenseitiger Selbstmord der beiden Nationen sein.
Amerika.
Nach einer telegraphischen Meldung des New-York Herald“ aus Valparaifo griff der Pöbel in Santiago öffentliche Gebäude an, wurde jedoch zurückgeworfen. Infolge dieser Vorgänge ist über die Prorinzen Santiago, Valparaiso und Aconcagua der Belagerungszustand verhängt. Der Präsident hat die Demission des Cabinets bislang noch nicht angenommen.
Afrika.
Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Suakin, Osman Digma habe am vergangenen Sonnabend eine Niederlassung bei Tokar überfallen, aus der er das Vieh geraubt habe. Egyptische Truppen unter dem Befehl eines englischen Offiziers hätten Osman Digma verfolgt, den Derwischen das Vieh wieder abgenommen und sie zurückgetrieben. Die Derwische hätten zwölf Todte, die Egypter keine Verluste gehabt.
Parlamentarische Nachrichten.
Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
58. Sitzung vom 11. April 1893, 12 Uhr. Der Sitzung wohnt der Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg mit Com⸗ missarien bei.
Die Abgg von Busse (Neustettin⸗Belgard) und Francke (Tondern) haben ihre Mandate niedergelegt, ersterer wegen geschwächter Gesundheit, letzterer wegen . Beförderung zum Landgerichts⸗-Präsidenten.
Auf der Tagesordnung steht die zweite i nn über den Gesetzentwurf, betreffend Aenderung des Wahl— ver fahrens. Die zweite Abstimmung ist nothwendig, weil die Vorlage eine Verfassungsänderung enthält. Nach der Geschäftsordnung findet diese zweite Abstimmung in Form einer dritten Lesung statt.
Von den Nationalliberalen liegen zwei Anträge vor, welche die Nichtanrechnung der Einkommensteuer über 2000 ⸗ und die Vorschrift, daß in jedem Urwahlbezirk die Bildung der Abtheilungen erfolgen solle, streichen wollen.
Abg. von Eynern inl): Der Gesetzentwurf, wie er nach den Beschlaffen der dritten Lesung gestaltet ist, verstößt derartig gegen das'
rincip der Wahlberechtigung nach der Steuerleistung, daß wir dem⸗ elben nicht zustimmen werden. Das Gesetz ist in dieser Weise ge⸗ staltet worden nach der von Mitgliedern des Centrums offen aus- gesprochenen Absicht, mit dieser Mißgestalt eines Wahlgesetzes dem Centrum die Herrschaft in vielen Communen zu verschaffen. Die Gestaltung des 8 welche die Nicht⸗ steuerpflichtigen mit 3 AM in nrechnun die Theilung in Zwölftel genügen, um die Verschiebungen durch die Reform der Einkommensteuer aufzuheben. Auf der anderen Seite wird die Drittelung in den Urwahlbezirken so wesentliche Ver⸗ schiebungen i, ren daß das bisherige Wahlrecht in seinen Grundlagen verändert wird und damit nur ein Uebergang geschaffen werden könnte zur Abschaffung des preußischen Wahlgesetzes e , , Wir haben unsere Anträge aus der drilten Lesung erneuert und bitten Sie, für dieselben zu stimmen.
brachte, und
Abg. Freiherr von der Reck (eons) bittet namens seiner Fraction, an den Beschlüssen erster Lesung festzuhalten.
Abg. Freiherr von Zedlitz rreicons. :; In der Meinung, daß die Bestimmung des § 1, wonach das Wahlrecht derjenigen Gin⸗ kommensteuerpflichtigen, welche mehr als 2000 6 Steuer bezahlen, beschränkt ist, nicht annehmbar ist, werde ich mit der großen Mehr— heit meiner Freunde gegen diesen . und im Fall der Unnahme gegen das ganze Gesetz stimmen. Die Gründe bestehen en ich darin, daß dadurch das Princip des Dreiklassen— wahlfyftemß durchbrochen und durch Concessionen in dieser Richtung geschwächt und erschüttert wird. Wir hegen nicht die Befürchtung, daß durch eine Abänderung die Werke, die wir vorhaben, gefährdet werden. Ich kann namens aller meiner politischen Freunde, die in der Fractionssitzung anwesend waren, er= klären, daß sie für den Fall, daß im weiteren Stadium das Wahl- gesez unseren Wünschen entsprechend abgeändert wird, einstimmig für die Steuergesetze stimmen werden. .
Äbg. Freiherr von Heereman (Centr.) erklärt, seine Partei werde an ihrer früher dargelegten Stellung zu dem Gesetz und der getroffenen Vereinbarung festhalten, auf eine weitere Erörterung sich heute aber nicht einlassen. . .
Abg. Rickert (dfr) kann sich der Erklärung des Abg. von Eynern nur anschließen. Er werde gegen dieses Gesetz, das er als irrationell bezeichnet, im einzelnen und im ganzen stimmen, dagegen für den Antrag Eynern. Es sei unerhört, daß, man die. Staatk⸗, Grund und Gebäudesteuer anders behandele, als die Staatteinkommen⸗ steuer. Wenn man den Einbruch in das feierlich proclamirte Princip wirklich machen wolle, dann müsse man wenigstens die Staats, Grund⸗ und Gebäudesteuer ebenso behandeln, wie die Staats⸗Einkommensteuer.
Abg. Dr. von J (cons.) erklärt namens seiner Partei, daß diese bej ihren früheren Beschlüssen stehen bleibe.
Damit schließt die Generaldiscussion. Eine Special⸗ discussion über die 88 1 bis 4 findet nicht statt.
Der nationatkliberale Antrag zu § 1 ( Steuer⸗ grenze von 2000 S) wird in namentlicher Abstimmung mit 155 gegen 125 Stimmen abgelehnt, ebenso der Antrag zu 8 4 Gildung der Abtheilungen innerhalb der Urwahl⸗ bezirke) in namentlicher Abstimmung mit 160 gegen 129 Stimmen. (Bei der früheren Abstimmung am 14. März waren die nationalliberalen Anträge mit 182 gegen 142 Stimmen abgelehnt worden). Für die national⸗ liberalen Anträge stimmen nur die Nationalliberalen, die Frei⸗ sinnigen und ein Theil der Freiconservativen.
Nach 8 5 sollen die Vorschriften für die . auch für die Wahlen in Stadt- und Landgemeinden An⸗ wendung sinden.
Abg. Freiherr von Zedlitz (fre) erklärt, daß durch die Vor— schriften des § 1 der Inhalt des Gesetzes ein vollständig, anderer geworden sei. Deshalb sei es nicht richtig, die Vorschriften des Gesetzes auf die Stadt. und Landgemeinden auszudehnen, zumal dadurch nicht bloß das Wahlrecht für Stadt. und Landgemeinden, sondern mittelbar auch für die Kreis⸗ und Provinzialvertretungen beeinflußt würde. Es könnte dadurch eine wesentliche Veränderung in der derzeitigen Zusammensetzung der Vertretungen zweier Provinzen eintreten. Diese Folge sei bei dem Gesetz nicht gewollt, und er bitte deshalb, den 5 abzulehnen.
Abg. Enneccerus (nl) schließt sich dem Vorredner an und empfiehlt ebenfalls die Streichung des 8§ 5. . —ĩ
S5 wird hierauf mit derselben Mehrheit wie die früheren Paragraphen angenommen, ebenso der Rest des Gesetzes, sowie das Gesetz im ganzen.
Schluß 2½ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr. (Zweite Berathung des Ueberweisungsgesetzes.;
— Dem Reichstag ist der Entwurf eines ,. betreffend die Bekämpfung gemeingefähxlicher Krankheiten (vulgo Reichs⸗Seuchengesetz , zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme zu⸗ gegangen. Wir haͤben den Entwurf in der Jassung. wie er dem Bundesrath vorgelegt wurde, in Nr. 32 des . R. u. St.⸗A.“, Erste Beilage, vom 6. Februar, veröffentlicht. Im Bundetrath hat er einige Aenderungen erfahren; zunächst in S 1, wo die Bestimmung, nach der sede Erkrankung und jeder Todesfall an Cholera (asiatischer), Fleck= fieber (Flecktyphus), Gelbfieber, Pest (porientalischer Beulenpest), Pocken (Blattern), fowie jeder verdächtige Fall außer der Orts polizei⸗ behörde auch dem beamteten Arzt anzuzeigen ist, dahin geändert ist, daß die letzten vier gesperrt gedruckten Worte weggestrichen wurden; ferner ist in diesem Paragraphen auch die Bestimmung gestrichen worden, daß „jede Erkrankung an Darmtyphus, Diphtherie einschließlich Croup, Rückfallfieber, Ruhr (Dysenterie) und Scharlach“ zur Anzeige gebracht werden soll. In der Begründung hierzu heißt es: „Es? giebt eine Anzahl ansteckender Krankheiten, welche wegen ihrer geringeren räumlichen Verbreitungsfähigkeit nicht als unbedingt . betrachtet werden können, die aber doch zeitweise an einzelnen Orten in so schwerer Form auftreten, daß es geboten erscheint, ihrer Weiterverbreitung mit sanitätspolizeilichen Maß⸗ regeln entgegenzuwirken. Dahin gehören beispielsweise Darm⸗ tyhyhus, Rückfallfieber, Ruhr (Dysenterie), sowie gewisse an⸗ steckende Augenkrankheiten, Aussatz (Lepra), Genickstarre. Den Landesregierungen soll die im Landesrecht begründete. Befugniß nicht genommen werden, zur Bekämpfung derartiger Krankheiten die Anzeige⸗ . einzuführen oder, wo sie besteht, beizubehalten. Um dies zum Jusdruck zu bringen, ist im Absatz 4 des 1 ein entsprechender Vor⸗ behalt gemacht. (Landesrechtliche Bestimmungen, welche eine weiter⸗ gehende Anzeigepflicht begründen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Durch diesen Vorbehalt ist auch ermöglicht, daß dort, wo landesrechtlich eine doppelte Anzeige, z. B., eine Anzeige an die Polizeibehörde und an den Amtsarzt, vorgeschrieben ist, diefe Einrich⸗ fung beibehalten oder daß landesrechtlich eine solche Einrichtung ein⸗ geführt werden kann.“
In F§z find die zur Anzeige verpflichteten Personen, abweichend von dem ersten Entwurf, folgendermaßen bezeichnet worden; 1) der behandelnde AÄrzt, 2) jede fonst mit der Behandlung oder Pflege des Erkrankten beschäftigte Person, 3) der Haushaltungsvorstand, 4) der⸗ jenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Erkrankungs⸗ oder Todesfall sich ereignet hat.
§z 3 des ersten Entwurfs, der von der Verpflichtung der Anzeige von Erkrankung und Todesfall an Kindbettfieber handelte, ist gestrichen worden. Die in den S5 5, 6 und ff. vorgenommenen Aenderungen sind redactioneller Natur oder Cbnsequenzen der in 8.1 erfolgten Aenderungen. Aus dem ersten Entwurf wurde 8 21 gestrichen, welcher lautete: „Bei bedrohlicher Ausbreitung einer übertragbaren Augen⸗ krankheit kann durch die höhere Verwaltungsbehörde angeordnet werden, daß für die Erkrankten eine ärztliche Behandlung einzutreten hat. Den Erkrankten ist die Gelegenheit zu unentgeltlicher ärztlicher Behandlung zu bieten. In den Strafvporschriften, 41 ö. 43), ist die Beftimmung hinzugefügt, daß bei mildernden Umständen die Strafe (bis zu zwei Jahren) auf eine Woche Gefängniß ermäßigt werden kann.
— Die Tagesordnung für die 74. Plenarsitzung des Reichstags am Donnerstag, 13. April, Nachmittags 1Uhr, lautet, wie folgt: 1) Interpellation der Abgg. Menzer und Genossen, den deutschen Tabackbau betreffend. Y) Berathung der Petitionen, welche von der Commissien für die Petitionen als zur Erörterung im Plenum für nicht geeignet erachtet, zur Einsicht im Bureau niedergelegt sind. — 3) Dritte Berathung der Rechnung der Kasse der Ober⸗Rechnungs⸗ kam mer 'fuͤr das Etats sahr 138839 / 0 bezüglich derjenigen Theile welche sich auf die Reichsverwaltung beziehen, auf Grund des in zweiter Berathung unverändert angenommenen Antrags der Rechnungscommission. — Dritte Berathung der Ueber⸗
sicht der Reichsausgaben und , das Etatsjahr 1891/92, auf Grund der in zweiter . unverändert angenommenen Anträge der Rechnungscommission. ö) Zweite Berathung des Entwurfs eines . be⸗ treffend Ergänzung der Bestimmungen über den Wucher, auf Grund des Berichts der X. Commission. Berichterstatter: Abg. Dr. Giese.
—
Statistik und Volkswirthschaft.
Viehzählung in Württemberg.
In Württemberg sind bei der letzten Piehzählung am 1. De⸗ zember 189 gezählt Jol 625 Pferde (40 mehr als 1883), 76 Maul- efel und Esel (48 weniger als 1883), 970 059 Stück Rindvieh (65 9209 mehr), 384 335 Schafe,. (165 769 weniger . 394407 Schweine (193 196 mehr), 29 686 Ziegen 5 111 mehr), Bienenstöcke Ih 947 (36 849 mehr), 232 682 Gänse (50 735 mehr), 139 296 Enten (17439 mehr 1 957 547 Hühner (277 097 mehr). Diese Ziffern lassen einen Aufschwung der württembergischen Viehzucht im all- emeinen erkennen und stimmen mit dem Ergebniß in Preußen (vgl. Rr. 45 des R. u. St..“ vom 21. Februar 1892) insofern überein, als auch in Württemberg die Maulesel und Esel, insbesondere aber die Schafe erheblich abgenommen haben. In Preußen haben die Pferde in den letzten Jahren um r Co, in Württemberg um 49 so, das Rindvieh um 12,7 o, in Württemberg um 7,3 o, die Schweine um 32.4 960, in Württemberg um 35 j, die Ziegen um 163 oo, in Württemberg um 27,5 , die Bienenstöcke um O,9o/o, in Württem⸗ berg um 44,8 zugenommen; dagegen ist eine Abnahme erfolgt in Preußen bei den Mauleseln und Eseln um 35,6 Cg. in Württem⸗ ö 38,7 , bei den Schafen um 31,6 υίo, in Württemberg um 6. 0.
. Zur Arbeiterbewegung.
Aus Hamburg wird der „Voss. Ztg. geschrieben, daß 80 eng- lische Feuerleute, die der Hamburger Dampfer „Normannia“ mitgebracht hatte, sofort den Dienst verlassen haben, als sie hörten, daß die Forderungen der ausständigen Heizer und Trimmer Hamburgs nicht bewilligt seien.
In Leipzig haben einer Mittheilung der „‚Lpz. Ztg.“ zufolge gestern Morgen etwa 50 Arbeiter einer großen Schuhwaagrenfabrik die Arbeit eingestellt. Die Arbeitseinstellung soll veranlaßt worden sein durch die Weigerung der Arbeitgeber, einen ehemaligen soge—⸗ nannten Strikebrecher zu entlassen. — Eine Versammlung von 120 Brauergehilfen Leipzigs nahm am Sonntag die Antwort der Brauereibesitzer auf die gestellten Forderungen (vgl. Nr. 69 d. Bl.) entgegen, Es wird demnach den Gehilfen gestattet, außerhalb der Brauereien ju wohnen und zu, schlafen, eine Wohnungs⸗Ent⸗ schädigung aber nicht gewährt. Die bisherige elfstün dige Arbeitszeit lan Stelle der geforderten zehnstündigen) wird beibehalten. Die Arbeitszeit soll an Sonn- und Festtagen die, Dauer von 5 Stunden, im Keller und Sudhaus die von 3 Stunden (es war eine zweistündige Sonntagsarbeit gefordert worden) nicht überschreiten, Der jetzige 80 bis 100 Sς, neben Naturalbezügen und freier Wohnung be⸗ tragende, Monatslohn (die Gehilfen hatten einen wöchentlichen Mindestlohn von 28 S beansprucht) wird nicht erhöht. Ueber⸗ stunden werden in der Woche mit 40 , an Sonn⸗ und Festtagen mit 50. 3 (an Stelle der geforderten 50 und 60 8) . Sechs Liter guten Bieres für den Gehilfen und den Tag werden be⸗ willigt. Die Zuschrift theilte weiter mit, daß in den einzelnen Brauereien alle Gehilfen sich durch ihre Namensunterschrift mit diesen Beschlüssen der Brauereibesitzer einverstanden erklärt hätten. — Die Versammlung beschloß dem entgegen, ihre ursprünglichen Forderungen mit Nachdruck welter zu verfolgen. Die soeialdemokratisch organi⸗ sirten Brauergehilfen bilden in Leipzig weitaus die Minderheit. Aus Mainz wird der .Voss. It? über den Braueraus⸗ stand geschrieben: Der Brauerausstand wird künstlich weiter zu führen gesucht; aber alle Versammlungen und die gehaltenen Reden können nicht darüber täuschen, daß man für eine verlorene Sache fort⸗ kämpft. Der ganze Ingrimnm richtet sich jetzt gegen den socialdemo⸗ kratischen Reichstags-Abgeordneten Joe st, der vor dem Ausstand und dem Boycott als nutzlos gewarnt hat. (Vgl. Nr. 78 d. Bl.)
Hier in Berlin haben, wie der „Vorwärts“ mittheilt, die Ar⸗ beiter in der Filz⸗ und Lederpantoffel⸗Fabrik von Buchholz wegen Lohnstreits die Arbeit niedergelegt.
Aus Graz berichtet ein Telegramm des . D. B. H.“, daß sämmt⸗ liche Arbeiter bei den dortigen Bau- und Maurermeistern gestern gekündigt haben. Sie stellen weitgehende Forderungen und wollen am 24. April die Arbeit gänzlich einstellen, wenn ihre Forde⸗ rungen bis dahin nicht bewilligt werden.
In Bern sind, wie, der ‚Köln. Ztg.“ geschrieben wird, seit einigen Tagen die Schm ie de⸗ und W agnergesellen ausständig. Sie haben sich Gewaltthätigkeiten gegen Meister und zuziehende Arbeiter zu schulden kommen lassen.
In Chur befinden sich nach dem ‚Vorwärts“ die Holzarbeiter (Zimmerleute, Schreiner und Glaser) in einer Lohnbewegung.
Aus Mons meldet ein „Wolff'sches Telegramm“, in einem großen Meeting zu Qugreg non, an dem 40600 bis 5000 Berg⸗ arbeiter theilnahmen, sei ein allgemeiner Strike im Boringge für den heutigen Dag ke hlossen worden. Trotz der Bemühungen des Führers Roger, der die Theilnehmer an die Versammlung bat, die Entscheidung noch einige Tage hinauszuschieben, bis die Constituante werde über die Verfassungsrevision abgestimmt haben, wurde dennoch der so⸗ fortige allgemeine Strike nahezu einstimmig beschlossen. Die schlimme Lage der Bergarbeiter dieser Gegend war für die getroffene Ent⸗ scheidung mit ausschlaggebend.
Zum Ausstand der Dockarbeiter in Hull berichtet die Londoner „Allg. Corr.“: Der große Schiffsrheder Charles Wil son in Hull, gegen den sich hauptsächlich die Agitation des localen Gewerkvereind der Dockarbeiter richtet, soll in einer Conferenz mit den Führern gesagt haben, er wolle lieber jede Handelsverbindung mit Hull aufgeben, als sich den Forderungen der Dockarbeiter fügen, die sich gegen das Zusammenarbeiten mit, und die Verwerthung bon nicht dem Gewerkverein angehörigen Arbeitern stemmen. Der Versuch des Arbeitereandidaten Fred Maddison, die Strikenden zum Nachgeben zu überreden, mißlang, und auf einer von 19900 Arbeitern im Freien abgehaltenen Versammlung theilten die Führer des Strikes, J. H. W. Wilson und Ben Tillet ihre Absicht mit, in den Hauptseestädten zu agitiren, damit sie keine Leute, nach . ull senden. — Ein Londoner Telegramm, des Wolff 'schen Bureaus meldet ferner, der General⸗Secretär des Seemanns⸗ und Heizer verbandes. habe gestern erklärt, er 1 Cardiff in den Strike von Hull hineinzuziehen; er habe bereits die Sperre über Hartlepool angeordnet, da die Boote der Wilson-Linie dort auslaufen wollten (s. die letzten Depeschen).
Aus Paris wird der Magdeb. Ztg.“ Jeschrieben; Während aus Amiens gemeldet wird, daß zwölfhundert Sam metweber striken und die Seidenfärber zur Einstellung der Arbeit zu bewegen suchen, erfährt man, daß in Angers, die Arbeiterinnen von drei Seidenspinnereßen und Zwirnereien eine Lohn⸗ gufbesserung verlangen und die Fabriken meiden. — In Paxis haben die Arbeiter einer der größten Lederwgarenfabriken ihre Arbeit eingestellt, weil der Arbeitgeber seine Absicht bekundet hatte, die Löhne um 460, herabzusetzen.
Aus Chicago meldet ein Wolff 'sches Telegramm: Von den bei der Errichtung der Ausst ellun gsgebäude beschäftigten Arbeitern haben infolge einer Aufforderung des Vorstandes. des Syndikats der Baugrbeiter etwa zö0o9. Mann die Arbeit niedergelegt. . . führen darüber Beschwerde, daß die Be⸗ zörden ch nicht dem Uebereinkommen gemäß verhielten, wonach die vorkommenden Zwistigkeiten. durch ein Schieds⸗ e ü geschlichtet werden sollten. Die Polizei hat die Arbeiter, die em Syndikat nicht angehören, unter ihren Schutz gestellt. Gleich
wohl ist es schon mehrfach zu ernsteren Streitigkeiten gekommen. Es wird befürchtet, daß im Falle der . des Ausstandes die Arbeiten bis zum Zeilpunkt der Eröffnung der Ausstellung nicht fertiggestellt werden können (s. die letzten Depeschen).
Kunst und Wissenschaft.
Professor Karl. Werder, der Dichter der „Columbus Trilogie, ist, wie die Nat-Itg. berichtet, gestern Vormittag im Alter von 86 Jahren gestorben. Am 13. Dezember 1806 in Berlin geboren, widmete er sich unter Hegel dem Studium der Philosophie und blieb seinem Lehrer und Meister auch späterhin treu. Mit einer Arbeit über den Pgrwenides des Plato habilitirte er sich 1834 als Privatdocent in der hiesigen philosophischen Facultät, wurde 1338 zum außerordentlichen Professor und später zum Geheimen Regierungs⸗Rath ernannt. Seine viel besuchten öffentlichen akademischen Vorlesungen behandelten die dramatische Kunst; die über „Hamlet“, „Macbeth“, Wallenstein und Nathan“ sind auch im Druck erschienen. Von seinen dichterischen Werken sind Columbus“ und Politik und Liebe“ (Geschichte des Grafen Esserx) hervorzuheben. Der 1842 bereits zum ersten Mal und in den fünfziger Jahren wiederholt aufgeführte Columbus“ ist be⸗ kanntlich am 13. Dezember v. J. (zum 86. Geburtetage des Dichters) im Königlichen Schauspielhause wieder erschienen.
— Ueber die gestrigen Verhandlungen des Medizinalbeagmten⸗ Vereins ist noch zu e Die weiteren Vorschläge des Referenten, Regierungs- und Medizinal⸗Raths Rapm und (s. d. gestr. Nr. d. Bl.) besagen: „a. Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Schutzmaßregeln (68 12 bis 27) sind zum theil zu weitgehend, be⸗ sondeis in Bezug auf die Verkehrsbeschränkungen ansteckungs oder krankheitsverdächtiger Personen, theils gehen sie zu sehr ins einzelne und bringen Vorschriften, die in die Ausführungsbestimmungen ge⸗ hören; andererseits sind einige wichtige Schutzmaßregeln, z. B. Für⸗ sorge für die nöthige ärztliche Hilfe und das erforderliche Kranken⸗ pflegepersonal, Belehrung der Bevölkerung durch geeignete Bekannt⸗ machungen, Verbot des Aufenthaltswechsels kranker Personen ohne zuporige ortspolizeiliche Genehmigung u. s. w., unberücksichtigt ge⸗ blieben. b. Die , bei bedrohlicher Ausbreitung einer übertragbaren Augenkrankheit (5 21 des Gesetzentwurfs) sind der Landesgesetzgebung zu überlassen. kö beamtete Aerzte! (5 35 des Gesetzentwurfs) zu fassen. 4. Zur erfolgreichen Durchf hrung des Reichs⸗Seuchen⸗ gesetzes ist es nothwendig, daß die beamteten Aerzte dur gesetzlich geregeltes, pensionsfähigeze Gehalt von der ärztlichen Praxis unab⸗ hängig gestellt und ihre Rechte und Pflichten den Anforderungen der öffentlichen Gesundheitspflege entsprechend erweitert werden. — In der Debatte betonten alle Redner die Nothwendigkeit, daß auch die sogenannten Kurpfuscher zur Anzeige verpflichtet würden. Es sei das um so nothwendiger, als die Zahl der Kurpfuscher selbst in den großen Städten immer mehr zunehme, Nach längerer Discussion ge⸗ langten die ersten acht Thesen des Referenten unverändert zur An⸗ nahme. Thesis 9 wurde abgelehnt, dagegen folgende neue Thesis zum Beschluß erhoben: „Etwaige Vorschriften über öffentliche Bekannt⸗ machungen, sowie über Benachrichtigungen benachbarter Behörden und des Kaiserlichen Gesundheitßamts (S§. 9 und 41, des Gesetz⸗ entwurfsJj beim Ausbruch gemeingefährlicher Krankheiten sind den Aus führungsbestimmungen vorzubehalten. — Der Vorschlag sub a wurde in folgender Fassung angenommen; „Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen ,, (S§ 12 bis 27) gehen zu weit, besonders in Bezug auf die Verkehrs beschränkungen ansteckungs⸗ oder krankheits⸗ verdächtiger Personen, auch gehen sie zu sehr ins einzelne u, . Außerdein wurde diefer Thesis noch folgender Satz hinzugefügt: „Die Orkfspolizeibehörde hat bei Anordnung der erforderlichen Schutz⸗ maßregeln den Vorschlägen und Anordnungen der beamteten Aerzte zu folgen. Endlich gelangten die Thesen , e und d des Referenten zur Annahme. Außerdem wurde beschlossen: das stenographische Pro⸗ tokoll über die Verhandlungen dieses Gegenstandes so schnell als möglich dem Reichstag zu übermitteln. — Kreisphysikus r. Fiel itz Halle a. S.) sprach alsdann über: Die gegenwärtige Stellung der Medizinalbeam ten.“ Der Redner wies darauf hin, daß die Medizinalbeamten in sehr geringem Maße Privatpraxis ausüben könnten. Abgesehen daven, daß die beamteten Aerzte gar zu sehr durch ihr Amt in Anspruch genommen seien, scheuten sich viele Familien, die Hilfe der beamteten Üerzte in Anspruch zu nehmen, da diese immer in erster Reihe mit den ansteckenden Krankheiten zu thun haben. Tie beam⸗ teten Aerzte wollten deshalb in ihrem Pflichteifer nicht erlahmen; im Interesse der Zukunft ihrer Familien liege es aber, daß sie für die Gewährung einer Pensionsberechtigung einträten. Der Redner befür⸗ wortete schließlich folgende Resolution: „Der Vorstand des Vereins möge dem Herrn Minister unseren Dank aussprechen für die den Medizinalbeamten, gezollten Worte der Anerkennung und ihm die einmüthige Ansicht des. Vereins unterbreiten, daß eine ersprieß⸗ liche Thätigkeit der Kreis- Physiker dauernd, nur möglich ist, wenn sie zu penstonsberechtigten Staäatsbeamten mit ausreichendem Gehalt und genügender Competenz gemacht werden. Der Vyrsitzende, Regierungs⸗ und Geheimer Medizinal⸗Rath Dr. Kanzow bemerkte; Er fei immer dafür eingetreten, daß der Physikus ein höheres Gehalt haben müsse, da dieser kaum in der Lage sei, Privatpraxis auszuüben. Es gehe ja allerdings das Bestreben dahin, die Ausübung der Privat⸗ praxis überhaupt abzuschaffen. Es sei das aber nicht zu empfehlen, da alsdann der beamtete Arzt, der doch gewöhnlich noch in jungen Jahren ins Amt trete, der praktischen Thätigkeit vollständig ent⸗ fremdet werde und Über alle neueren Erscheinungen auf dem Gebiete der Praxis in Unkenntniß bleibe. — Nach noch längerer Debatte ge⸗ langte die Resolution des Referenten zur Annahme. Danach wurde die Verhandlung auf heute Vormittag 9 Uhr vertagt. — Berichtigend ist noch zu bemerken, daß der Verein sich nicht „Deutscher', sondern „‚Preußischer Medizinalbeamten⸗Verein“ nennt.
In der heutigen zweiten und letzten Sitzung, der der Geheime Regierungs- Rath Dr. Krohne vom Reichsamt des Innern beiwohnte, sprach zunächst der gerichtliche Stadtphysikus, Privatdocent Dr. Fr. Straßmann (Berlin: „Zur Lehre der Arsenvergiftung“. Der Redner bemerkte u. a. Die Frage, ob ein Gift während des Lebens oder erst nach dem Tode eingeführt wurde, sei mehrfach, besonders bei der Arsenvergiftung von praktischer Bedeutung geworden; so sei z. B. in einem Falle der gelungene Arsennachweis in der Leiche von dem Angeklagten darauf zurückgeführt worden, daß er dem Todten zum Zweck besserer Confervirung Arsen in Mund und Mastdarm ge— schüttet habe. Im allgemeinen halte man bisher den Nachweis des Giftes in anderen Srganen außerhalb des Magens für be— weifend als eine während des Lebens erfolgte, Ver⸗ iftung, obwohl bereits, besonders aus der aut ländischen Literatur, entgegengesetzte Angaben vorliegen. Er (Redner) habe die Erfahrung gemacht, daß in der Leiche eine Wanderung des Arsens in benachbarke Organe stattfinde, habe aber hier eine andere, eigenthüm⸗ liche Vertheilung gefunden als bei der Vergiftung während des Lebens. Feftzuhalten sei, daß an der Leiche das Gfft in die linke Niere schon diel früher eindringe als in die rechte. Starker Arsengehalt in der linken, Fehlen des Giftes in der rechten Niere gelte fuͤr Gifteinfuhr nach dem Tode, gleichmäßige Vertheilung des Arsens in die verschiedenen Organe widerlege jedoch diese Annahme. — Dr. med. Leppmann Berlin), Arzt an der Königlichen Strafanstalt zu Moabit, sprach als⸗ dann über die Fürforge für geistes kranke Strafgefangene. Der Redner führte aus, daß mindestens ho /o aller Strafgefangenen geisteskrank seien. Diese Geisteserkrankung sei zumeist eine acute. Sie krete gewöhnlich bei sogenannten Gelegenheitsverbrechern auf, die selbstverständlich unter der Wucht der Strafe bedeutend mehr als die Gewohnheitsverbrecher zu leiden haben. Wenn diesen Geisteskranken schnelle Hilfe in,. werde, sei dann vielfach noch einn möglich. In der Strafanstalt Moabit (SZellen⸗Gefängniß) ei bekanntlich eine Irrenstation. In dieser selen in den letzten fünf Jahren 15 oo aller Geisteskranken vollständig genesen. Es würde sich daher empfehlen, in möglichst allen Strafanstalten entsprechende Irren stationen einzurichten. Im weiteren empfehle sich auch, den Straf⸗ vollzug verschieden zu bemessen. Für Gelegenheitsverbrecher sei be⸗ kanntlich eine kurze Freiheitsstrafe von nur wenigen Monaten oftmals
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De Begriff ist einwandsfreier
eine viel härtere Strafe als für den Gewohnheitsverbrecher eine Frei⸗ heitsstrafe von mehreren Jahren. Auch dem Verlangen der Inter⸗ nationalen criminalistischen Vereinigung, das Alter der Strafmündig⸗ keit hinaufzurücken, fei vom ärztlichen Standpunkt beizupflichten. Der Redner befürwortete schließlich folgende Thesen: J. Für größere Staaten, d. h. für solche mit entsprechend zahlreicher Zwangè⸗ anstalts⸗ Bevölkerung und verwickelter Gliederung der gf .
ürsorge, empfiehlt sich die Begründung besonderer Beobachtungs⸗ und
eilanstalten fr geisteskranke Sträflinge. II. Für geisteskranke
trafgefangene, welche aus dem Strafvollzuge ausscheiden, ind An⸗ sfalten oder beson dere Anstalts⸗Abtheilungen weder erforderlich, noch wünschenswerth. III. Folgende vorliegende Maßregeln zur Verhütung des Vorkemmens geistiger Erkrankungen im Strafvollzuge oder zu deren rechtzeitiger Erkennung sind als nächstliegende Vorbeugungs⸗ maßregeln, anzustreben: 2. Genauere Rücksichtnahme auf die geistige Unzulaͤnglichkeit als Strafausschließungsgrund auf dem Boden geltenden Gefetzes; h. Verbesserung der Strafvollzugs⸗Umwandelungen, ins⸗ besondere umfassende Ausmittelung der Persönlichkeit des zur Straf⸗ haft Eingelieferten durch spystematische Erkundigung über Abstammung und Vorlehen, sowie durch Erweiterung der Stellung und Pflichten der Anstaltzärzte; . größere Anerkennung der geistigen Minderwerthigkeit in der Armenpflege mit zweckentsprechender Anstaltsfürsorge; 4 Verwirklichung einiger Gesetzesprojecte, namentlich: I) der Ausgestaltung der bedingten Entlassung; 2) Ausmerzung der durch geistige . zu socialer Selbständigkeit Unfähigen durch geeignete. Maßnahmen gegen rechtsbrecherische und verwahrloste Jugendliche und Ueberweisung derselben an die Irren⸗ und Armen⸗ pflege vor völliger Strafmündigkeit. Die Versammlung pflichtete diesen Thesen im allgemeinen bei, nahm jedoch von einem formellen Beschluß Abstand.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien.
An der Ruhr sind am 10. d. M. gestellt 10222, nicht rechtzeitig
gestellt keine Wagen. . Oberschlesien sind am 8. d. M. gestellt 3885, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. . Zwangs Versteigerungen.
Veim Königlichen. Amtsgericht 1 Berlin standen am 10. April die nachverzeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Landsberger Allee 27a, Ecke der Til siterstraße, dem Zimmer⸗ meister Carl Koebke' gehörig; Nutzungswerth 15 800 *, Mindest⸗ gebot 227 Oö ; für das Meistgebot von 231 000 . wurde der Töpfermeister Michael Wehr, Philippstraße 9, Ersteher. — Emdenerstraße 44, dem Fabrikanten Wilhelm Liebig gehörig; Nutzungswerth 14190 6; für das Meistgeboet von 265 090 „ wurde die „Grundrenten-Gesellschaft“, Rathenowerstraße 49, Ersteherin.
— In der gestrigen Generalversammlung der Actionäre der Vaterländischen Lebensversicherung Aktien ⸗Gesell⸗ schaft zu Elberfeld wurde beschlossen, eine Dividende von 40 an die Actionäre zu vertheilen. .
— Die Kölnische Unfall- Versicherungs-Gesellschaft schlägt, wie die Köln. Ztg.“ meldet, wiederum die Vertheilung einer Dividende von 220, vor. ;
— Die gestrige Generaloversammlung der Actionäre der Privat⸗ bank zu Gotha genehmigte den Rechnungsabschluß für 1892 und die Vertheilung von Hoöso Gewinn. Die ausscheidenden Mitglieder des Verwaltungsraths wurden wiedergewählt.
— Der Verwaltungsrath der Buschtehrader Eisenbahn hat, wie W. T. B.“ aus Prag meldet, beschlossen, in der am 13. Mai stattfindenden Generalversammlung für die Strecke Litt. A. 47 Fl. und fur die Strecke Litt. B. 20 Fl. 50 Kr. Dividende vor- zuschlagen.
Magdeburg, 10. Apxpril. (W. T. B.) ZZuckerber icht. Kornzucker excl., von 92 960 17,25, Kornzucker ercl, S8 a/ 0 Rendement — —, Nachproducte exel,, 75 0/0 Rendement 1385. Rubig. Brod⸗ raffinade J. 29, 0. Brodraffinade II. ——— Gem. Raffinade mit Faß 28,75. Gem. Melis J, mit Faß 27,75. Ruhig. Robzucker f. Product Transito f. 4. B. Hamburg pr. April 15, 8. bez., 16,9537 Br., pr. Mai 15,95 bez., 15,97 Br., vr. Juni 16ů 077 bei, 16,123 Br. pr. Juli 1620 bez, 16,227 Br. Ruhig. .
Leipzig, 16. April. (W. T. B.) Kamm zug⸗Termin⸗ handel. La Plata Grundmuster B. per April 33350 6, ver Mai 3,92 M, per Juni 3,95 , per Juli 397 4, per August 4.06 M, per September 402 6, per Oktober 405 *, per November 4 05 M, per Dezember 4,05 (6, per Januar 4077 4, ber Februar 407 , per März —— „*, Umsatz 35 000 g.
Wien, 10. April. (W. T. B.) Wie die Blätter aus Pest melden, begab der Finanz-⸗Minister Dr. Wekerle an die Rothschildgruppe zwölf Millionen ungarische Goldrente fest zum Curse von 96.
London, 10. April. (W. T. B.)) Wollauction. Preise n n e, fest; sehr lebhafte Betheiligung, namentlich für Kreuz⸗ zuchten.
Das Haus N. M. Rothschild u. Söhne hat den Prospect über die fünfprocentige West⸗Minas-Anleihe im Betrage von 3710000 Pfd. Sterl. veröffentlicht. Der nominelle Emissionseurs ist 80. Zeichnungstag ist der 12. April.
An der Küste! Weizenladung angeboten.
96 9½υ Javazucker loco 174 stetig, Rüben⸗Rohzucker loco 15 erholend. — Chile⸗Kup fer 4413/1, pr. 3 Monat 45.
Glasgow, 10. April. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheifen betrugen in der vorigen Woche 5425 Tons gegen S509 Tons in der ent prechenden Woche des vorigen Jahres,.
Bradford, 10. April. (W. T. B.) Wolle fest, unverändert, feine Wollen ruhig. Markt für Garne aufgeregt, Mohair⸗Sarne theurer. Worsteds anziehend. Stoffe ruhig, unverändert.
Am sterdam, 10. April. (W. T. B.) Java⸗Kaffee good ordinary 53. — Bancazinn 236.
Rew-⸗Jork, 10. April. (W. T. B. Die Börse eröffnete fest. gab bei den ersten Umsätzen nach, schloß jedoch stetig. Der Umfsatz der Actien betrug 278 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 470 000 Unzen aeschätzt. Sil Die Silberankäufe für den Staatsschatz betrugen 130 001 83, 40 A 83,45.
Der Dampfer Havel! nach Europa mitnehmen.
Die Tendenz für Weizen war anfangs schwach auf Zanabme der unterwegs befindlichen Menge uld Realisirungen. Dann trat eine lebhafte Reaction ein infolge des Regenmangels und der geringen Vorräthe, es fanden Käufe des Auslandes und Deckungen der Baiffters statt. Später gaben die Pæeife im Einklang mit dem Westen wieder nach. Schluß schwach. — Ma is einige Zeit steigend nach Cröffanng auf Abnahme der Vorräthe, später Reactien. Schluß träge
Vifible Supply an Weizen 77 283 00 Basdelg, da. n Mais 14 915 000 Bushels.
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wird morgen 3 500 000 Dollars Gold
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Theater und Musik.
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