erachten; denn aus der bloßen Einrichtung der Genossenschaften her—⸗ aus wird man nicht folgern können, daß jedes Geschäft, das die Ge— nossenschaft vornimmt, deshalb von Wucherverdacht nothwendig frei sei. Beim Geschäftsverkehr im Kreise der Genossenschaftsmitglieder selbst, ia; denn was hier gewonnen wird, das vertheilt sich wieder unter die Genossenschaftsmitglieder, und deshalb wird man sagen können, ist in dieser Richtung die Befürchtung von Be— wucherung regelmäßig ausgeschlossen; aber im geschäftlichen Ver—⸗ kehr außerhalb der Mitglieder bietet, wie ich glaube, der bloße Begriff einer eingetragenen Genossenschaft noch nicht irgend eine Gewähr, daß hier nothwendig ein soliderer Geschäftsverkehr statt⸗ findet als anderwärts. Ich würde also glauben, daß dem Antrag, den Herr Abg. Hahn gestellt hat, zuzustimmen sei, ebenso und aus von ihm dargelegten Gründen — ich will sie nicht wiederholen — dem Abstrich, den er beantragt hat bezüglich des Satzes, daß außer dem Geschäftsverkehr mit Kaufleuten auch dann, wenn die Geschãfts· verbindung nur in einem einzigen Abschluß stattgefunden hat, eine Ausnahme gemacht werden soll; möglicherweise kann je nach Umständen ein einzelner Geschäftsabschluß schwerwiegender sein in jeder Richtung als eine andere aus mehrfachen Abschlüssen bestehende Geschäfts—⸗ verbindung. Die Rechnungsmittheilung nach dem Absatz 1 ist über⸗ haupt entweder nothwendig oder nicht; aber darin, ob nun ein einziger Geschäftsabschluß stattgefunden hat oder mehrere, wird man einen Unterschied nicht machen können. Hierauf glaube ich meine Bemer— kungen zunächst beschränken zu können.
Abg. Dr. Krause (dfr.) erklärt sich, gegen die Vorlage, die, wenn sie Gesetz würde, die ganze geschäftstreibende Bevölkerung Deutschlands Criminalstrafen gussetzen würde. Das Amendement von Bar sei eventuell annehmbar, damit das reelle Geschäft nicht mithineingezogen werden könne.
Ag. Schrader (dfr.): Der Staatsseeretär hat bei seinen Aus⸗ führungen vergessen, daß die Vorlage nicht eine eivilrechtliche, sondern eine strafrechlliche Verpflichtung auferlegt. Das ist es, was 9 unannehmbar macht. Sei denn das geschäftliche kaufmännische Leben in Deutschland so unsolide und unordentlich, daß ein her Einschreiten nöthig werde? Alle . im Reichs⸗ tag seien darüber einig, daß das nicht der Fall sei. Das Gesetz scheine anzunehmen, daß das Publikum durchweg nur aus einfältigen, nicht aus verständigen Leuten bestehe. Die Folgen dieser . den Vorschriften würden schließlich nicht die großen Firmen, sondern die kleinen Leute, die Handwerker und die Gewerbetreibenden treffen, die sich doch gerade der besonderen Fürsorge der Mehrheit dieses Dauses grfreuten. Auch vor dem Auslande stände, der deutsche Handels- und Kaufmannsstand in nicht sehr schönem Lichte da, wenn die gesetzgebenden Faetoren den Erlaß einer solchen allgemeinen strafrechtlichen Bestimmung wirklich beschlössen. Würde dieselbe bloß eivilrechtlich construirt, dann würde Art. 4 den größten Theil seiner Bedenklichkeit verlieren. Das Gesetz sei auch nicht ganz unparteiisch, sondern gehe geradezu darauf aus, einem Schuldner . einen Vortheil, zuzuwenden. Jeder Staatsanwalt werde sich, wenn ihm mitgetheilt sei, daß die Rechnung nicht ab⸗— geschlossen oder der Auszug nicht mitgetheilt sei, für berechtigt halten, auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmungen gegen den Geschäftsmann einzuschreiten, der sich dieser Unterlassungen schuldig gemacht hat. Auch, der Staatssecretär könne nicht leugnen, daß der Begriff ( Credit⸗ geschäfte“ ein außerordentlich vager und weitgreifender sei. Es werde
mit der Auslegung dieses Begriffs in der gerichtlichen Praxis gerade so ehen, wie es mit dem Begriff des „groben Unfugs“ zum wachsenden
rstaunen und Befremden der ganzen deutschen Bevölkerung bei den Gerichten gegangen sei. Fast jeder Kaufmann, fast jeder Hand⸗ werker mache eine Reihe von Creditgeschäften; in Berlin sei es geradezu Regel, daß der Schneider, der einen Anzug mache, seine Arbeit nicht sofort bezahlt bekomme, sondern einen gewissen Credit ewähre: auf drei Monate Ziel oder eine ähnliche Zeit. Alle diese Hin ch ft. würden in Zukunft unter diese Strafbestimmungen fallen; an alle diese Geschäfte und an die ruinöse Einwirkung dieser Bestim— mungen auf sie habe nicht das Reichs⸗Justizamt, nicht der Staats⸗ secretär desselben gedacht. Der Grundgedanke des Entwurfs sei ein falscher, indem er für einzelne Perhehlungen und Auswüchse das ganze System der bisherigen Gesetzgebung ändern wolle. Weder die Commissionsfassung noch auch die Anträge Buol und Hahn könnten diesen falschen Grundgedanken zu einem gesunden machen; man leiste der Gesetzgebung und dem deutschen Volke mit Ablehnung
des Art. 4 den größten Dienst.
Abg. Dr. von Bar (dfr. spricht sich nochmals gegen den Artikel aus. Derselbe führe in seiner Tragweite zu sehr bedenklichen Folgen. Es gebe nur wenig Dinge, die unter Umständen so theuer seien wie ein unnöthiges Strafgesetz, und wenn gegen Jemand eine Untersuchung eingeleitet worden und er als Unschuldiger aus derselben hervorgehe, so falle doch ein Makel auf ihn. Er bitte, den Artikel abzulehnen.
Staatssecretär Dr. Hanauer:
Meine Herren! Wenn ich bei meiner ersten Aeußerung mir gestattet habe, hervorzuheben, daß im Grundgedanken mir Einstimmig— keit auch mit den Herren Vorrednern obzuwalten scheine, hatte ich nur den Satz im Auge, für den sich die Herren Redner ausgesprochen hatten. Auch Herr von Bar hatte anerkannt, daß der Gedanke: der wucherischen Weise, durch Verdunkelung des Sachverhalts den Schuldner allmählich immer mehr ins Unglück hineinzuführen, solle gesetzgeberisch entgegengetreten werden, daß dieser Grundgedanke eine Berechtigung in sich habe. Weiter habe ich mich auf die Einstimmigkeit nicht bezogen. Denn ich habe sofort hinzugefügt, daß von Seiten dieser Herren, die dies zugeben, doch die Vorlage als zu weit gehend und mit zu vielen Belästigungen für gewisse Geschäfte verbunden erachtet sei. In dieser Beziehung lag also kein Anlaß vor, meiner Aeußerung entgegenzutreten. Ich hatte nicht mehr behauptet.
Wenn der Herr Abg. Schrader die Vorwürfe, die er gegen den Art. 4 und gegen die Vorlage zu machen hat, dem Reichs-Justizamt gegenüber erhoben hat, so bitte ich, zu bedenken, daß die Vorlage eine Vorlage der verbündeten Regierungen, nicht eine Vorlage des Reichs— Justizamts ist, daß ich dieselbe auch vertrete wesentlich als preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, wenn ich auch daneben Staatssecretär des Reichs- Justizamts bin. Ich habe trotz⸗ dem keine Veranlassung, die Mitarbeiterschaft des Reichs—⸗ Justizamts an dieser Vorlage in irgend einer Weise in Abrede stellen zu wollen. Die Hauptsache, um die es sich jetzt noch handelt, ist, ob der Art. 4, bezüglich dessen allgemeiner Bestimmung ich die Zulässigkeit von Ausnahmebestimmungen meinerseits anerkannt habe, ob die allgemeine Bestimmung brauchbar ist und ausführbar oder nicht, und nach den Erklärungen, die ich vorhin gegeben habe, glaube ich nicht, von meiner Seite irgend noch Unklarheiten in der Ausdrucks⸗ weise des Art. 4 gegeben zu haben. Was der Herr Abg. Schrader in dieser Beziehung noch an Unklarheit geltend gemacht hat, das bezog sich im wesentlichen auf die Frage der Creditgeschäfte, wer gewerbsmäßig Creditgeschäfte betreibt. Ich habe mich so deutlich wie möglich dahin auszudrücken versucht, daß meiner Ansicht nach das bloße Creditiren in einem sonstigen kaufmännischen Geschäft das Geschäft zu einem Creditgeschäft nicht macht, daß das Creditiren
eines Creditgeschäfts nicht vorliegt. Die Vorlage sagt ja auch: ‚wer gewerbtmäßig Creditgeschäfte betreibt. Also das Gewerbsmäßige muß sich auch auf das Creditgeschäft als solches erstrecken, und gewerbs⸗ mäßig ist immer nur, wenn etwas auch zum Hauptzwecke des Erwerbs geschieht. Wenn also der Kaufmann seine Waaren verkauft und in dem Kaufpreise, den er erhält, das Aequivalent für die Waare und für seinen beabsichtigten Gewinn findet und nebenbei denselben Kaufpreis, den er bei sofortiger Baarzahlung verlangen würde, auch ereditirt, so kann man nicht sagen, daß nun sein Erwerb im Creditiren beruht. Wenn er aber sich für das Creditiren noch einen besonderen Vortheil verschafft und ver—⸗ schaffen will, indem er den gestundeten Preis verzinsen läßt oder den Preis von vornherein so stellt, daß die Gewährung des Credits neben dem Werthe der Waare besonders vergütet wird, wie bei dem Ab— zahlungsgeschäfte, dann würde ich allerdings ein Creditgeschäft darin sehen.
Also meiner Ansicht nach ist die Frage, ob das Creditgewähren den wesentlichen Charakter des Kaufgeschäfts, den Zweck des kauf— männischen Geschäfts, das hier in Frage steht, überhaupt bildet oder nicht bildet, eine Frage, meine Herren, die der Richter, meine ich, zu entscheiden wohl in der Lage sein wird. Eine nähere Präcision in der Begriffsbestimmung würde ich in der That nicht zu geben wissen; aber ich glaube nicht, daß schließlich eine Unklarheit darüber, was der Gesetzgeber wolle, bestehen dürfte.
Die übrigen Bemerkungen, die gemacht worden sind wegen der Unklarheit, wegen der Unverständlichkeit der Vorlage, übergehe ich. Ich glaube, sie sind durch die bereits gemachten Aeußerungen von meiner und anderer Seite hinreichend widerlegt.
öffentliche Bank“ hervorgehoben hat, die ich ja auch angedeutet hatte, so habe ich zu bemerken, von meiner Seite ist es nur geschehen, um den Herren Veranlassung zu geben, zu prüfen, ob sie den Ausdruck für hinreichend bezeichnend erachten. Ich habe hervorgehoben, daß die Commentare sich mit Begriffs⸗ bestimmungen beschäftigen. Goldschmidt z. B. giebt eine ganz klare Definition dahin, daß er unter „öffentlichen Banken“ nur die— jenigen verstehe, die mit öffentlichen Geldern ganz oder theilweise arbeiten, sodaß eine Betheiligung des Staats oder einer öffentlichen Corporation dabei stattfinde, oder daß wenigstens das Geschäft im öffentlichen Interesse betrieben wird. Nun, mit solcher Begriffs— bestimmung kann man ja wohl auskommen. Ich hatte nur hervor— heben wollen, daß wir bei dem Mangel bezüglicher Gerichtsentschei⸗ dungen zur Zeit einen festeren, einen sichereren Anhalt für die Begriffsbestimmung als die Bemerkungen der Commentare nicht haben. Die „Nürnberger Protokolle“ bieten auch Anhaltspunkte über das, was öffentliche Banken seien, und dort kann sich allerdings ein engerer Begriff ergeben, da auf den Geschäftsbetrieb mit öffent— lichen Geldern das Hauptgewicht gelegt ist. Die weiteren Ausnahmen, die gemacht werden, verstehe ich allerdings dahin, daß sich das öffentlich‘ nur auf die Banken bezieht; dann kommt ein Komma, dann folgen Notenbanken, die Boden-Credit⸗ und Hypothekenbanken auf Aetien, folglich kann, da von Actien die Rede ist, von Herein— ziehung des „öffentlich“ auf die folgenden Kategorien keine Rede mehr sein. Also ich würde sagen „öffentliche Banken“ und die Notenbanken ohne Rücksicht darauf, ob sie öffentlich sind, desgleichen die Boden ereditinstitute ohne Rücksicht hierauf u. s. w. Ich habe bei den Hypothekenbanken auf Aetien hervorgehoben, daß es mir nicht recht verständlich ist, warum man diese hier begrenzt, während man die Bodenereditinstitute nicht ebenso danach begrenzt, ob sie auf Actien errichtet sind. Ich habe geglaubt, der Ausdruck Bodencreditinstitute würde genügen; bei den Hypothekenbanken würde man auch in Frage stellen können, ob die Hyvpothekenbanken, die sich aus— schließlih mit Hypothekengeschäften befassen, oder ob auch diejenigen gemeint sind, die neben anderen Bankbetrieben sich mit Hypotheken, Pfandbriefausgabe und dergleichen befassen.
Zum Schlusse wiederhole ich: wenn ein so entscheidendes Gewicht darauf gelegt wird, wie namentlich von den beiden letzten Herren Vorrednern es geschehen ist, daß mit dem Art. 4, wie er nach der Vorlage und namentlich mit den jetzigen Abänderungsanträgen ge⸗ staltet ist, eine durch und durch unklare Bestimmung gegeben sei, so kann ich mich meinerseits mit dieser Auffassung nicht einverstanden erklären.
Nachdem die Abgg. Freiherr von Buol, Schrader und Büsing nochmals das Wort ergriffen haben, schließt die Dis— eussion. Vor der Abstimmung bezweifelt der Abg. Hr. Dohrn (dfr.) die Beschlußfähigkeit des Hauses. Da das Bureau den
weifel theilt, muß der Namensaufruf erfolgen, welcher die
Anwesenheit von nur 171 Mitgliedern ergiebt. Die Dis—⸗ cussion wird infolgedessen geschlossen und die Sitzung auf⸗ gehoben.
Schluß gegen 5. Uhr.
Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
62. Sitzung vom Montag, 17. April.
Bei der zweiten Berathung des Entwurfs eines Er— gänzungssteuergesetzes (s. den Anfangsbericht in der gestrigen Nummer des Blattes) nahm — nach der Begründung des Antrags von Eynern⸗-Friedberg (den 8 1 des Entwurfs zu streichen und in die Berathung eines von ihnen den Grundzügen nach vorgelegten Erbschaftssteuergesetzes einzu⸗ treten) dürch den Abg. von Eynern — der Finanz⸗Minister Dr. Miquel das Wort zu folgender Rede:
Meine Herren! Bei Berathung des Einkommensteuergesetzes war das ganze Haus, waren alle Parteien mit der Staatsregierung darüber einig, daß eine verschiedene Behandlung des Einkommens aus Besitz und aus Arbeit nothwendig sei, um diese directe Besteuerung gerecht zu machen. Die Staatsregierung bekam geradezu — möchte ich sagen — aus den ganzen Verhandlungen das Gefühl, daß ohne Lösung dieser Frage ein Stachel, das Gefühl der Ungerechtigkeit in der ganzen directen Besteuerung bleiben würde. Sie mußte es also als ihre Aufgabe ansehen, in dieser Beziehung die geeigneten Vorschläge zu machen.
Nun gab es drei denkbare Wege: einmal den Weg der Ver⸗ mögenssteuer, wie er hier vorliegt, zweitens den Weg der Besteuerung des sogenannten fundirten Einkommens in der Form der Einkommen
Wenn der Herr Abg. Schrader die Unbestimmtheit des Begriffs
Meine Herren, wenn die Staatsregierung sich nun frug: welche Form wird im Hause den meisten Beifall finden, für welche Form wird aller Wahrscheinlichkeit nach am leichtesten eine Einigung herzu— stellen sein? und sie bei dieser Frage die Antwort sich gab: bei der Vermögenssteuer, so hat der bisherige Gang der Verhandlungen diese Voraussicht in vollem Maße bestätigt. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, wenn wir die Erbschaftssteuer vorgelegt hätten, welche das Haus mit erdrückender Mehrheit im Jahre 1891 ablehnte, obwohl die Erbschaftssteuer damals nur 4 Go betrug und wesentlich einen Controlcharakter hatte, so würde die Staatsregierung doch eigen thümlich empfangen worden sein, wenn sie nunmehr eine Erbschafts— steuer von 2 0½ bei Descendenten, Ascendenten und Ehegatten vor— geschlagen hätte. Der Herr Abg. von Eynern hat gedruckt und mündlich auf meine Aeußerungen über die Erbschaftssteuer sich be— rufen. Ich werde darauf nachher noch weiter eingehen; aber er verkennt immer dabei, daß die Bedeutung und der Charakter einer Steuer nicht bloß von Prineipien abhängt, sondern von der Höhe der Steuer. Eine mäßige Erbschaftesteuer kann in keiner Weise so un— erträglich werden wie eine solche bei einer starken Steigerung der Steuersätze, wie sie hier nothwendig wäre. Der Herr Abg. von Eynern war ja ein Gegner des Einkommensteuergesetzes. Man muß ihm daher zugestehen, er bleibt sich consequent, wenn er auch Gegner der Ergänzung der Einkommensteuer ist nach der Richtung der stärkeren Heranziehung des Besitzes, des fundirten Einkommens gegen⸗ über dem Arbeitseinkommen. Er hat uns daher nichts weiter vorgeschlagen, als die Erbschaftssteuer. Er weiß ganz genau — das glaube ich annehmen zu dürfen, — daß für die Erbschaftssteuer hier im Hause, sowie im Lande nicht entfernt eine Majorität zu finden ist. (Sehr richtig) Wenn die Erbschaftssteuer aber nicht angenommen wird, wenn er die Vermögenssteuer nicht will, wenn er und seine rheinischen Freunde erst recht die Besteuerung des fundirten Ein— kommens in Form der Einkommensteuer verwerfen, und darin eine Ueberlastung gerade des Gewerbes erblicken, so wäre das in Wahrheit nichts Anderes, als das Scheitern der Steuerreform, deren Grundlagen er doch zu acceptiren und zu vertreten behauptet.
Meine Herren, die Frage der Vermögenssteuer ist so oft hier discutirt, daß ich mich darauf beschränken kann, einige Bemerkungen des Herrn Abg. von Eynern zu widerlegen. Ich darf daran erinnern, daß diese Vermögenssteuer nicht, wie Herr von Eynern behauptet, einen Angriff des Vermögensstocks bedeutet, sondern nur eine andere und bequeme Form der Besteuerung des Einkommens aus dem fundirten Besitz. Ich darf daran erinnern, daß hier im Hause kaum bestritten, in der Commission mit großer Mehrheit, vielleicht ein⸗ stimmig — ich erinnere mich nicht mehr genau — anerkannt worden ist, daß, wenn der Staat über 100 Millionen Realsteuern preisgiebt, er mit Recht verlangen kann und in der heutigen Finanzlage ver— langen muß, einen vollen, gesicherten Ersatz wieder zu bekommen. Nun, von diesem Standpunkt aus kann man doch unmöglich die Nothwendigkeit einer ergänzenden Steuer bestreiten; und wenn man das nicht bestreiten kann, dann muß man praktische Formen geben, in denen diese Ergänzung thatsächlich zu erlangen ist.
Der Herr Abgeordnete findet die Vermögenssteuer socialistisch angehaucht. Er sagt: Das ist der erste Schritt zur Steigerung der Ein⸗ griffe in das Vermögen, schließlich wird man zu einer Vermögens confiscation kommen.
Nun, dieser Einwand ist schon zu oft widerlegt, als daß ich darauf noch tiefer einzugehen brauchte. Jede Steuer, auch die Ein⸗ kommensteuer, ins Ungemessene in die Höhe geschroben, wirkt schließlich wie die Confiscation des Vermögens. Die Befürchtungen, welche für die Zukunft obwalten, fallen doch mit der Befürchtung einer derartigen Entwickelung überhaupt zusammen. Wäre die Staatsregierung auf diesem Boden angelangt, wäre das Haus der Abgeordneten darauf angelangt, würde das Herrenhaus sich diesen Auffassungen anschließen, wollte man das Vermögen mehr oder weniger confisciren, dann wird es an beliebigen Formen niemals fehlen. (Sehr richtig) Ich kann also in dieser Beziehung die früheren Ausführungen nur wiederholen und glaube, daß dies bloß Worte sind, die thatsächliche Bedeutung nicht haben.
Der Herr Abg. von Eynern sagt, man solle doch die allgemeine Unzufriedenheit nicht noch erhöhen und namentlich nicht die gewerb⸗ lichen und industriellen Kreise noch weiter in so ungemessener Weise überbürden, zu den Lasten, die ihnen schon aufgelegt sind. Nun, ich habe schon ausgeführt, daß diese Reform den gewerblichen und industriellen Kreisen keine neuen Lasten auferlegt, im Gegentheil sie von unzweckmäßig belastenden und in Zukunft noch steigernden Steuern, der Gewerbe, und der Bergwerksteuer, befreit, und daß nach allen Richtungen das, was dieselben in der Form der Vermögenssteuer zurückzahlen, auch nicht entfernt dem Betrage der bisherigen Belastung gleichkommt.
Wenn der Herr Abgeordnete sich darauf gestützt hat, daß doch nun in Zukunft die Gewerbesteuer und die Bergwerksteuer als stärkere Grundlage der Communalsteuern dienen würden, so wird die schärfere Heranziehung dieser Realsteuern innerhalb der Gemeinden eine ent— sprechende Belastung der Einkommensteuerpflichtigen werden, welche meistens in diesen Gemeinden ja genau dieselben Personen sein werden.
Meine Herren, der Herr Abgeordnete sagt: eine solche Steuer existirt noch nirgends. Er hat aber diese Behauptung nicht erwiesen. Er sagt, sie wäre eine Erfindung der Kathedersorcialisten. Ich kenne in Holland keine Kathedersocialisten. Die. Charakteristik dieser Herren, die ein Gutachten über diese Steuer abgegeben, aber sie nicht erfunden haben, ist von der Beschaffenheit, daß ich glaube, darüber hinweggehen zu können; die Namen dieser Gelehrten stehen zu hoch, als daß sie in dieser Weise charakterisirt werden könnten.
Meine Herren, allerdings ist in Holland die Vermögenssteuer beschlossen worden; allerdings besteht in den weitaus meisten Cantonen der Schweiz seit neuerer und seit längerer Zeit neben der Einkommen steuer und ohne die Einkommensteuer die Vermögenssteuer. Meine Herren, ich habe mit Rücksicht darauf, nicht daß der Herr Abg. von Eynern das schon früher behauptet hat, sondern daß dahin gehende Be⸗ fürchtungen im Lande ernstlich auftauchten, durch die Gesandtschaften im Haag und in Bern mich danach genau erkundigen lassen, wie denn nun der holländische Handel und die holländische Industrie und die Industrie der Schweiz und der Handel der Schweiz diese Vermögens steuer aufgenommen hätten. Der holländische Gesandte berichtet, daß die Befürchtung, es werde der Credit geschädigt werden durch eine solche Vermögenssteuer, in Holland überhaupt garnicht gehegt worden sei. Der schweizer Gesandte berichtet auf Grund der von ihm
eine nebensächliche Bedeutung haben kann und daß dann der Fall
steuer und drittens die Erbschaftssteuer.
eingezogenen Berichte der deutschen Konsuln, daß weder diese Be—
fürchtang bei der neuen Einführung der verschiedenen Vermõgenssteuern in der Schweiz erhoben worden sei, noch daß sich hinterher irgend eine Schädigung des Credits aus der Vermögenssteuer ergeben habe. (Hört! hört! rechts)
Meine Herren, ein angesehenes Blatt in Basel spricht seine Verwunderung über diese Besorgniß aus, behauptet sogar, daß der Credit ein viel soliderer geworden wäre nach Einführung der Ver⸗ mögenssteuer, die dort auf Declaration veranlagt wird.
Ich glaube, nach solchen Thatsachen kann man doch diesen Ein—⸗ wand nicht mehr gelten lassen, und es wird bei uns wahrscheinlich dasselbe sich zeigen, was sich in diesen Ländern gezeigt hat. Man konnte ja vielleicht einen solchen Einwand noch einigermaßen mit scheinbarem Recht erheben gegen die Vorlage der Staatsregierung; jetzt aber, wo die Declaration gestrichen ist, können diese Bedenken in keiner Weise mehr zutreffen.
Nun erkennt der Herr Abgeordnete selbst an, daß auch nach anderer Richtung die Befürchtung wegen einer ungemessenen Steigerung der Vermögenssteuer durch die Commission ab⸗ geschnitten ist, indem sie, meiner eigenen Anheimgabe und der Natur und der Aufgabe der Vermögenssteuer als einer ergänzenden Steuer entsprechend, sogar in einem bestimmten Para⸗ graphen die organische Verbindung beider Steuern vorgesehen hat. Auch in dieser Beziehung ist eine Befürchtung, die früher vielleicht einigermaßen scheinbar berechtigt sein konnte, nunmehr gänzlich im Wegfall gekommen.
Meine Herren, nun schlägt der Herr Abgeordnete uns vor, die Vermögenssteuer zu ersetzen durch eine Erbschaftssteuer; er wählt aber einen eigenthümlichen Weg. Er giebt uns keine formulirte Fafsung eines Erbschaftssteuergesetzes, sondern nur Grundzüge. Er verlangt, noch in diesem Stadium sollen wir den durchberathenen Entwurf der Ergänzungsfteuer fallen lassen gegenüber allgemeinen Grundzügen einer Erbschaftsfteuer. Daß das identisch sein würde mit dem Scheitern der ganzen Reform in der gegenwärtigen Session, darüber kann auch nicht der geringste Zweifel sein. Ueber die Erbschaftssteuer ist ja auch schon viel gesprochen. Jede Steuer hat vor einer andern meistens gewisse Vorzüge und gewisse Nachtheile. Ich stehe gar nicht auf dem Stand— punkt, auch heute nicht, daß ich die Erbschaftssteuer unter allen Um— ständen und in allen Formen und mit allen Kautelen als eine un⸗ brauchbare und nicht acceptable Steuer bezeichnen würde. Durch⸗ aus nicht! Aber wir haben hier zu erwägen, nicht bloß unter welchen Bedingungen die Zustimmung des Landes zu erreichen ist, sondern auch, wo die natürlichen Vorzüge liegen zwischen der Ergänzungssteuer und der Erbschaftssteuer. Nun soll im Rahmen dieser Reform noch die Vermögenssteuer gleichmäßig jede Besitzform treffen. Sie macht keinen Unterschied zwischen Grund⸗ besitz, zwischen gewerblichem Betriebs und Anlagekapital und Renten⸗ kapital. Zum ersten Mal behandelt sie das Rentenkapital genau wie die übrigen Besitzformen. Sie trifft daher gleichmäßig. Sie unter⸗ scheidet nicht nach der Verwendungsart, und sie nicht nach der Besitzform. Wie steht es aber in dieser Richtung mit der Erbschaftssteuer? Meine Herren, es giebt gewisse Besitzformen, die überhaupt sehr wenig vererbt werden, die durch— gängig unter Lebenden übergehen, und das ist gerade das gewerbliche Anlage⸗ und Betriebskapital. (Hört, hört! links.)
Meine Herren, die meisten, namentlich die größeren Gewerbe⸗
treibenden haben doch dafür zu sorgen, daß durch ihren Tod nicht eine Lücke in der Fortführung des Geschäfts eintritt. Fast immer sorgen sie schon unter Lebenden für die Uebernahme des ganzen Gewerbe betriebes durch eine bestimmte Person; sie nehmen einen Sohn, einen Procuristen in das Geschäft auf oder sie verkaufen das ganze Geschäft, zu einer wirklichen Vererbung und Theilung des Geschäfts unter die Erben lassen sie es nur selten kommen. Aber auch beim Grundbesitz haben wir Uebertragung unter Leben den in ganzen Landestheilen als eine von jeher béstehende Sitte. Da würde auch schon eine große Ungleichheit inner⸗ halb des Grundbesitzes selbst in Beziehung auf die Erbfälle eintreten. Endlich, meine Herren, ist völlig unzweifelhaft, daß die Erbschafts— steuer am allerleichtesten umgangen werden kann, und daß sie auch selbst in Frankreich in ganz extremer Weise umgangen wird durch Schenkungen unter Lebenden, die nicht zu controliren sind, wenigstens nicht in dem Verhältniß der Eltern zu den Kindern, auf welche Verhältnisse nun gerade nach der Auffassung des Herrn bon Eynern die Erbschaftssteuer ausgedehnt werden soll. Endlich trifft die Erbschaftssteuer in höherem Grade un— gleich in Bezug auf die Steuerkraft der einzelnen. Für die wohl— habenden Kreise, wo die Kinder durch den Tod des Vaters meistens in eine günstigere Lage in Bezug auf den Besitz kommen, allerdings ist das unbedenklich; aber für die mittleren Klassen, wo nicht das Einkommen aus dem Besitz des Vaters entscheidend war, sondern das Arbeitseinkommen desselben, da wird gerade die Erhebung einer hohen Erbschaftssteuer im Todesfall des Vaters, wo die Kinder an sich schon in schwierigere Verhältnisse kommen durch das Ableben des Ernährers, eine schwere Bedrückung sein können. Ich will auf die Sache nicht weiter eingehen; ich bin so fest davon durchdrungen, daß diese Anträge des Herrn von Eynern hier im Hause keine Mehrheit finden, daß ich es wirklich nicht für nöthig halte, in dieser Richtung die Zeit des Hauses noch weiter in Anspruch zu nehmen. Nur eine Bemerkung möchte ich mir zum Schluß gestatten. Herr von Eynern findet in der Vermögenssteuer einen soeialistischen Charakter. Nun, die Gefahr einer ungemessenen Steigerung der Steuer, die bis zur Confiscation führt, liegt boch wohl bei der Erb— schaftssteuer viel näher, und es ist gerade eine oft erhobene Forderung, das Erbrecht überhaupt zu streichen oder nur bis zu einem gewissen Betrage zuzulassen oder die Erträge der Erbschaftssteuer so zu steigern, daß der größte Theil des Vermögens, des Fundus selbst dem Staat zugeführt wird.
Meine Herren, in der französischen Deputirtenkammer wird jetzt auch die Steuerreform berathen, und im großen Ganzen wird auch dort die Aufhebung der Realsteuern als Staatssteuern gefordert, eine einheitliche Einkommensteuer und daneben eine Erbschaftssteuer; die
orschläge der Commission gehen nun dahin, daß eine Beerbung nicht mueht eristiren soll über den vierten Grad hinaus Ich glaube nicht, aß diese Männer, die diese Vorschläge gemacht haben, nach ihren amen einen an sich so gefährlichen Charakter in den Augen des ö von Eynern haben würden. Aber wenn dort schon jetzt bei 2 Deginn einer Reform der Erbschaftssteuer auf solche Vorschläge eurrirt wird, so sieht man doch, daß die Gefahren, die Herr
eingehen, sondern nur den Ergänzungssteuer könnte schließlich sede neue Steuer bezeichnet werden.
unterscheidet
von Eynern nach meiner Meinung überhaupt mit Unrecht vor sich sieht, bei der von ihm vsrgeschlagenen Form der Besteuerung des fundirten Einkommens erheblich stärker, wenigstens ebenso stark sein werden.
Ich bitte, die Vorschläge des Herrn von Eynern abzulehnen und § 1 nach der Regierungsborlage anzunehmen.
Im weiteren Verlauf der Berathung nahmen nach dem Abg. von Jagow zu obigem Antrag und dem des Abg. von Bülow⸗Wandsbeck sfreicons. — fuͤr Ergänzungsstener“ im §1 und allen anderen Paragraphen „Vermögenssteuer“ zu sagen — noch das Wort:
Abg. Krah (freicons.): Er wolle
auf die allgemeine Frage nicht Antrag von Bülow
empfehlen. Als
Abg. Freiherr von Huene (Centr.) sprach sich gegen den Antra von Bülow aus. Für . Vermögenssteuer sei der 636 von . Mille viel zu niedrig; bezeichne man die Steuer als eine Vermögens⸗ steuer, dann werde nachher der Versuch gemacht werden, sie wirklich zu einer solchen zu machen.
Abg. Dr. Wuermeling (Centr.) erklärte namens seiner Partei: Wir erkennen an, daß die Regierung für den Steuerausfall vollen Ersatz haben muß; aber eine andere rage ist, ob dann die Er⸗ gänzungssteuer in Kraft zu treten hat, ob nicht die angesammelten Gelder zunächst aufgezehrt werden sollen. Mit der Heranziehung des fundirten Einkommens sind wir auch einverstanden. Wir haben schon früher erklärt, daß wir für eine Erbschaftssteuer nicht zu haben sind; wir wünschen die Heranziehung innerhalb des Rahmens der Einkommensteuer bewirkt zu fehen. Ich halte den Weg nicht für so ungangbar; aber in der Commission haben sich erhebliche Schwierig⸗ keiten herausgestellt, namentlich weil die Regierung ihre Beihilfe dazu versagt hat. Gegen die Vermögenssteuer sind im Kreise meiner ,. sehr erhebliche Bedenken auch heute noch vorhanden. Der Minister ezeichnet die Vermögenssteuer als eine Einkommensteuer, die nach dem Vermögen erhoben wird; die Steuer nimmt jedoch keine Rücksicht auf die Ertragsfähigkeit der Vermögen, die Last sollte doch aber nach dieser Ertragsfähigkeit abgestuft werden. Das Kapital, welches in der Landwirthschaft angelegt ist, bringt weniger Einkommen als das Ka— pital, welches in Werthpapieren angelegt ist. Der Ertrag aus Ge— werbebetrieben kann Jahre lang ausbleiben; trotzdem soll die Ver— mögenssteuer gezahlt werden. Die Gefahr, daß hier eine Anziehung der Steuerschraube sehr leicht erfolgt., liegt nahe; bei der Einkommen“ steuer ist das nicht fo leicht möglich. Die Commission hat manche Verbesserungen vorgenommen, aber sie sind nicht ausreichend, um unsere Bedenken ganz zu beseitigen. Wir binden“ uns in Bezug auf unsere endgültige Abstimmung nicht; wir haben nur unsere Bedenken hier noch einmal klar und deutlich zum Ausdruck bringen wollen. Dem Gesammtreformwerke wollen wir unsere Kräfte leihen.
Abg. Freiherr von Zedlitz (freicons): Daß eine Steuer be⸗ zahlt werde, ohne daß ein Einkommen vorhanden, könne auch bei der Einkommensteuer vermöge der dreijährigen Durchschnittsberechnung zutreffen, und bei der Grund- und Gebäudesteuer sowie bei der Ge⸗ werbesteuer müsse die Steuer bezahlt werden, auch wenn kein Ein kommen erzielt worden. Die Ertragsfähigkeit verschiedener Arten des Vermögens sei allerdings verschieden; aber wenn man bedenke, daß die Grundsteuer beseitigt werde, so könne die Landwirthschaft die kleine Mehrleistung, welche durch die Vermögenssteuer vielleicht entstehe, leicht ertragen. Für die kleineren Vermögen sei geforgt, nicht bloß bei der Vermögenssteuer, sondern auch bei der Einkommensteuer. Eine weitere Erleichterung der kleineren Vermögen fei nicht mehr möglich ohne eine Belastung der größeren Vermögen, denen gegenüber doch auch Gerechtigkeit geübt werden müsse.
Abg. Dr. Meher⸗Berlin (dfr): Wir stehen dem Gedanken an eine Vermögenssteuer nicht in der peremptorisch ablehnenden Weise gegenüber wie der Abg, von Eynern. Als Theoretiker, muß ich sagen, ist für mich der Gedanke an eine Vermögenssteuer jederzeit discutaben als ein theoretisches Problem. Die Vermögenssteuer ist eine veränderte Form der Einkommensteuer, sie wird aus dem Einkommen bezahlt. Es ist möglich, daß eine Vermögenssteuer bejahlt wird nicht aus dem Einkommen desjenigen Jahres, in dem sie bezahlt wird. Aber das Jahr ist eine willkürliche Zeiteintheilung. Wenn in einem gewissen Jahre das Vermögen keinen Ertrag abgeworfen hat, wird die Ver— mögenssteuer erhoben aus dem Ertrag anderer Jahre, um es kauf⸗ männisch auszudrücken: aus dem Reservefonds. Ich lehne alfo den Gedanken einer Vermögenssteuer nicht allgem in ab, nicht überall, nicht zu jeder Zeit. Aber zur Zeit halte ich eine Vermögenssteuer für uns nicht für annehmbar. Wir würden unter dem Namen einer Er⸗ gänzungs⸗ oder Vermögenssteuer eine zweite Einkommensteuer schaffen, nachdem wir erst vor zwei Jahren eine Einkommensteuer geschaffen haben, und dadurch zu denjenigen Reibungen kommen, die daraus hervorgehen, daß diefelbe Institution ung in zwei verschiedenen Formen gegenübertritt. Meine politischen Freunde haben vor zwei Jahren verlangt, daß die geminderte Heranziehung des unfundirten Einkommens in das Gesetz hineingearbeitet werde. Der Finanz⸗ Minister hat das seinerzeit abgelehnt: der Gedanke sei nicht an der Zeit, er bleibe für spätere Zukunft vorbehalten. Dadurch ist denn nun gerade diejenige Verwirrung herbeigeführt worden, in der wir uns gegenwärtig befinden. Wir sind in die Lage gefetzt, nachdem eine Steuer eingeführt worden ist, die sich durch die Art ihrer Anwendung als eine höchst lästige und beschwerliche erwiesen hat, eine zweite ein⸗ zuführen, die genau mit denselben Beschwerlichkeiten verbunden ist. Daß der Declarationszwang in der Commission gestrichen ist, ist eine Verbesserung von sehr problematischem Charakter. Es ist nur der directe Zwang zu declariren gestrichen; indirect wird dieser Zwang dadurch aufrecht erhalten, daß jedermann, der nicht freiwillig declarirt, sich in hohem Grade der Gefahr ausgefetzt sieht, zu hoch eingeschätzt zu werden. Wir haben es an Beispielen bei der Ein⸗ kommensteuer von 1891 gesehen, in welcher Weise preußische Behörden die Gesetze auslegen. So ist z. B. in Mühlhausen ein großer Fabrikherr vor die Steuercommission geladen worden, um eidlich zu erklären, wieviel Lohn seine Arbeiter beziehen, da der Verdacht rege geworden war, daß einige, Arbeiter mehr als 3000 ½ Einkommen hätten. Wo Gesetze in dieser Weise angewendet werden, da muß Unmuth, entstehen, und ich halte ef in der That für ein höchst efährliches Experiment, wenn man jetzt, ehe die Behörden gelernt ö das Gesetz von 1891 in einer glatten, sachgemäßen Weise anzuwenden, eben denselben Behörden die Gelegenheit geben wollte, etzt ein neues Gesetz mit der gleichen Härte anzuwenden. Wir lehnen die Vermögenssteuer ab, weit wir es für unzulässig halten, daß sie neben der Cinkommensteuer besteht; wir lehnen sie aus dem zweiten Grunde ab, weil wir die Einführung einer neuen Steuer für durchaus nicht, wünschenswerth halten.“ Können die bestehenden Steuern nicht aufgehoben werden, ohne eine neue Steuer einzuführen, so mögen lieber die bestehenden Steuern ganz oder theil⸗
weise erhalten bleiben.
General. Steuer⸗Director Burghart: Der Vorredner sagt, die vor zwei Jahren geschaffene neue Steuer sei hart ausgeführt worden. Es ist vor zwei Jahren keine neue Steuer eingeführt, ö eine alte Steuer reformirt worden und zwar mit dem Gedan en, daß die Steuerreform damit noch nicht abgeschlossen sei. Den Ausdruck Ergänzungoͤsteuer“ bitte ich beizubehalten, weil darin ausgedrückt ist, daß es sich hier nicht um eine Hauptsteuer handelt, sondern nur um eine Ergänzung der Einkommensteuer. Wenn der Abg. Wuermeling sich darüber beklagt hat, daß die Regierung
ihre, Hilfe, nicht geleistet habe, um“ die Besteuerung des , Einkommens innerhalb des Rahmens der Cinkommenstener erbeizuführen, so ist das nicht richtig. Wir haben den Versuch ge⸗ macht, aber erkannt, daß wir auf diesem Wege nicht zu dem Ziele kommen konnten, welches wir erreichen wollten. Der Vorgang in Mühlhausen ist nach den angestellten Ermittelungen folgender: In einer bedeutenden Fabrik waren die Arbeiter nicht ihrem Einkommen entsprechend, sondern bedeutend unter demfelben abgeschätzt worden. Es war auch über die Sache nichts Bestimmtes zu erfahren, und da
hat man diese Arbeiter aufgefordert, ihr Einkommen zu deelariren,
was nach dem Gesgtz vollkommen zulässig ist. Man hat die Angaben zum großen Theil beanstandet und ihnen aufgegeben, eine Bescheinlgung des Arbeitgebers über die Höhe der Löhne einzureichen. Der Er— . war, daß in 25 . die Veranschlagungen um 333 9 durch⸗ schnittlich haben erhöht werden müssen. Diese Aufforderung ift übrigens ergangen von der stäͤdtischen Obrigkeit, jedenfalls ebenso im Interesse der communalen als der Staafsbesteuerung. Eine Rück⸗ sichtslosigkeit kann ich darin nicht sehen.
bg. Enneccerus (nl): Die Vermögenssteuer ist eine Steuer vom Einkommen nach dem Maßstabe des Vermögens, weil es nicht möglich war, das Einkommen aus Vermögen und Arbeit zu trennen; die Einkommen vermischen sich in einander, sodaß man das fundirte Einkommen nicht rein ausscheiden kann. Für den Werth eines Vermögens ist guch nicht das Einkommen eines beliebigen Jahres mit einem sehr hohen oder sehr niedrigen Betrage maß⸗ gebend. Einen soeialistischen Charakter kann ich der Vermögenssteuer nicht beimessen; wenn die Steuer so hoch bemessen wird, daß man sie aus dem Einkommen nicht mehr bezahlen kann, dann kann jede Steuer einen socialistischen, confiscatorischen Charakter annehmen. Deshalb verlangen die Sorialisten . eine sehr hohe progressive Einkommen- und Erbschaftssteuer, die chließlich bis zur Einziehung der ganzen Erbschaft kommt. Bie Vermögensfteuer führt dazu, daß das fundirte Einkommen mit 45 9 statt mit 30a besteuert wird. Ist das communistisch? Jetzt bezahlt der Grunk' und Gebäudebesitzer an Grund⸗, Gebäude und Einkommensteuer jzusammen 799. Beim Kapital ist die Sache allerdings anders, das trägt, bisher keine besondere Steuer. Da handelt es sich um eine Ausgleichung, die nur derjenige bekämpfen kann, welcher die un⸗ gerechte Voraushelastung des Grundbesitzes aufrecht erhalten will. Redner äußert sich gegen die vorgeschlagene Erbschaftssteuer, die in einer Höhe erhoben werden müßte, wie sie in Deutschland nicht be⸗ kannt sei, um den erforderlichen Ertrag zu geben. Der Hinweis auf andere Staaten sei dabei garnicht zutreffend. Das ganze Reformwerk stehe ihm zu hoch, als daß er es an einer solchen untergeordneten Kleinigkeit scheitern lassen follte. Die große Mehrzahl, welche die Steuerreform will, werde der Vermögens steuer den Vorzug geben vor der Erbschaftssteuer.
Abg. Hr, Friedberg (nl) wendet sich gegen die Ausführungen des Finanz⸗Ministers in Bezug auf die Erbschaftssteuer. Der Hrn fen selbst habe diese Steuer als eine brauchbare dem Hause im Jahre 1890 vorgelegt; daß sie damals ö wurde, fei richtig, aber nur, weil, man sie als Controle der Declaration nicht gewollt habe. 35 Millionen würde die Erbschaftssteuer allerdings nicht ergeben, aber eine solche Summe sei auch nach Berechnung der Antragfteller nicht nöthig, um den Ausfall zu decken. Die Vermögenssteuer bringe ein sehr lästiges Eindringen in die Verhältnisse des Einzelnen mit sich, wie es in Deutschland bisher als nicht erträglich betrachtet worden ö. Vermögenssteuer in Holland trete ert amn in Kraft; man habe also noch keine Erfahrungen gemacht. Ueber die schlechten Wirkungen der Vermögenssteuer in der Schweiz urtheile der Professor Schanz in seinem Werke über die Finanzverhältnisse der Schweiz sehr abfällig. Die Unzu⸗ träglichkeiten, wie sie die Vermögenssteuer in Amerika mit sich gebracht habe, sei von Professor Seligmann in New⸗Nork geschildert worden,. Die Gewerbetreibenden mit kleinem Kapikal wärden in ihren Creditverhältnissen geschädigt werden, und die unsoliden Ge⸗ schäftsleute würden durch zu hohe Einschätzung ihre Creditverhält⸗ nisse verbessern wollen. Eine Erbschaftssteuerborlage könnte von einzel⸗ nen Abgeordneten nicht ausgearbeitet werden; dem Ministerium sei diese Ausarbeitung um so leichter, als ja 1890 eine ähnliche Vor— lage gemacht worden sei. Die Gründe, welche der Minister gegen die Erbschaftssteuer angeführt, träfen alle seine eigenen früheren Vor⸗ lagen und seien durchaus nicht stichhaltig. Besser als die Erbschafts⸗ und Vermögenssteuer wäre die stärkere Heranziehung des fundirten Einkommens, wie er (Redner) in der Commission vorgeschlagen habe; aber dieser Vorschlag habe so wenig Anklang gefunden, daß er ihn nicht wiederholen wolle. So entwickelungsfaͤhig wie die Vermögenssteuer wäre übrigens die von ihm vorgeschlagene Steuer⸗ reform nicht gewesen. Er werde gegen das Vermõgenssteuergesetz stimmen. . .
Damit schloß die Debatte.
Der Antrag von Eynern-Friedberg wurde hierauf gegen etwa 30 nationalliberale und freiconservative Stimmen abgelehnt, ebenso der Antrag von Bülow.
XW wurde sodann unverändert angenommen.
Die S8 3 und 3 wurden ohne Debatte genehmigt.
Zu 8 4 hat die Commission beschlossen, nicht alle außerhalb Preußens belegenen Grundstücke und angelegten Betriebs⸗ kapitalien frei zu lassen, sondern nur die in anderen deutschen Bundesstaaten oder im deutschen Schutzgebiete belegenen; die im Auslande belegenen sollen also der Steuer unterworfen werden.
Abg. Ludowieg (nl.) beantragte, diefe Aenderung zu streichen, was der Geheime Qber⸗Finanz Rath Wallach, die Abgg. K (Centr.), von Schalscha (Centr) und Freiherr von Los (Centr) befürworteten, weil sie die Vermögenssteuer als eine Realsteuer betrachten, während die Abgg. Freiherr von Zedlitz (freicons) und Dr. Sattler (nl) sie als eine Ergänzung der Einkommensteuer bezeichneten und deshalb das auswärtige Vermögen mit derselben kreffen wollten. Gegen letztere Auffassung wandte sich der
Finonz⸗Minister Dr. Miquel:
Herr Freiherr von Zedlitz hat ja nach der einen Richtung seiner Ausführungen durchaus Recht; wenn man den Gedanken der Ver⸗ mögenssteuer lediglich als einer Besteuerung des fundirten Einkom⸗ mens besonders hervorhebt, dann führt die Consequenz allerdings zu der Beschußfassung der Commission. Aber dieser Gesichtspunkt kann allein, nach meiner Meinung, in dem vorliegenden Fall nicht maßgebend sein, und wir haben auch in ähnlicher Weise Abweichungen gemacht, schon in der Einkommensteuer. Wir haben aber auch einen zweiten Gedanken bei der Vermögenssteuer gehabt: daß es für rathfam er⸗ achtet wurde, eine unmittelbar steuerliche Beziehung des Staats zu den Objecten in Preußen zu behalten; dieser Gesichtspunkt trifft nun hier aber nicht zu, denn der preußische Staat hat keinerlei unmittelbare Beziehung zu den Grundstücken, die außer⸗ halb Preußens belegen sind. Anderentheils ist doch auch zu⸗ treffend, daß Aus länder, welche hier wohnen, in der Ginkommen⸗ steuer wesentlich begünstigt sind, indem sie nur dann zahlen, wenn sie sich hier des Erwerbs wegen aufhalten. Wir haben in dem Communal. steuergesetz vorgeschlagen, daß die Communen berechtigt sind, Ausländer, von denen sie wünschen, daß sie bei ihnen bleiben, auch in der com- munalen Besteuerung etwas besser zu stellen. Diese Gesichts= punkte können aber hier sehr maßgebend sein. Wie oft kommt es gerade auch nach den Ausführungen des Herrn Abg. Ludowieg vor, daß sogenannte Deutsch Amerikaner die hier wohnen, die nun Grundstücke und Gewerbebetrieb im Ausland haben, dort sehr scharf herangezogen werden. Wenn solche Per sonen nun hier auch noch mit der Vermögenssteuer herangezogen werden, so kann es allerdings leicht eintreten, daß sie den preußischen Staat wieder verlassen und anderswo ihren Wohnort nehmen.
Ich glaube doch, wenn man alles für und wider erwägt, so hatte die Regierungsvorlage doch das bessere getroffen, und ich bitte, die Regierung vorlage wiederherzustellen.
Dem Abg. Dr. Sattler, der es als inconsequent bezeichnete,
daß man zwar das im Auslande in Actien u. . w. Unter⸗