1893 / 94 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Apr 1893 18:00:01 GMT) scan diff

habe, den Eindruck von gesundem Holz. Ich habe auch bei mehr⸗ fachem Anschlagen mit dem Hammer nichts von einer verdächtigen Klangfarbe bemerkt.“

Infolge des von dem Bahnmeister Schmidt gestellten Antrags auf Auswechselung dieses Balkens fand nun an⸗ fangs Mai eine Revision der gestellten Anforderungen durch den zuständigen Eisenbahn-Bau⸗ und Betriebs⸗Inspector statt, unter Zuziehung natürlich auch des Bahnmeisters. Unter anderm wurde in Gegenwart des Bahnmeisters der fragliche Balken mit der Kreuzhacke angeschlagen. Der Ton deutete auf ge⸗ sundes Holz und die Auswechselung des Balkens wurde daher vor⸗ läufig abgelehnt. ͤ

Der Bahnmeister giebt ferner an, daß er der Balkenlage auf der Brücke laut Instruetion eine ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet habe. Der Bauinspector hat auch, kurz bevor die Brücke durch den Sonderzug Seiner Majestät befahren wurde, die Brücke nochmals auf ihre Betriebssicherheit untersucht, und fand sich damals keine Veranlassung, irgendwie an der Betriebssicherheit der Brücke zu zweifeln. Namentlich war an der Längsschwelle mit Aus— nahme dieser einen Stelle, die dem Wandern der Schiene nicht genügenden Widerstand zu leisten schien, was aber an sich auf die Betriebssicherheit der Gleise keinen unmittelbaren Einfluß hat, ein Schaden nicht zu bemerken. Die Aussage wird im wesentlichen auch durch die gerichtliche Aussage des Bauinspectors Grapow und des Regierungs⸗ und Bauraths Bauer bestätigt.

Die weitere Untersuchung drehte sich in der Hauptsache um die Frage, ob die betheiligten Beamten bei sorgfältiger Untersuchung hätten erkennen müssen, ob der Balken morsch war. Die Gutachten der vernommenen Sachverständigen es wurden solche in größerer Zahl von dem Gerichte zugezogen gingen in dieser Beziehung aus— einander. Das Gericht wandte sich daher unter Darlegung des Sachverhalts unter dem 19. Oktober 1892 an das Reichs⸗ Eisenbahnamt mit der Bitte um Auskunft und, sofern diese abgelehnt werden sollte, um Benennung eines geeigneten, vom Reichs— Eisenbahnamt zu bezeichnenden Sachverständigen. Das ReichsEisen— bahnamt lehnte die selbständige Erstattung eines Gutachtens ab, be— zeichnete aber als geeigneten Sachverständigen den Geheimen Ober— Regierungs- und Baurath a. D. Bormann. Es ist dies ein Techniker, der lange als solcher im preußischen Staatseisenbahndienst und zuletzt leitender Director der Oldenburgischen Staatsbahnen gewesen ist. Bormann hat sich dieser Aufgabe unterzogen und erstattet unter dem 14. Januar 1893 ein eingehendes Gutachten, nachdem er an Ort und Stelle gewesen ist und insbesondere auch die vom Gericht beschlag— nahmte Längsschwelle eingehend untersucht hat. Er gelangte nun zu nachstehendem Ergebniß, welches ich mir ebenfalls vorzulesen erlaube:

I) nach den Anforderungen des Eisenbahndienstes ist den be— schuldigten drei Bahnwärtern und dem Bahnmeister der in Betracht kommenden Strecke oder dem Königlichen Eisenbahn-Bauinspeetor Grapow eine Schuld dafür, daß sie den betriebsgefährlichen Zu⸗ stand der kernfaulen und morschen Längsschwelle nicht erkannt und nicht beseitigt haben, nicht beizumessen,

2) es kann auch sonst keine Person namhaft bezeichnet werden, welcher ein Verschulden in dieser Hinsicht zur Last zu legen ist.

Nachdem Geheimer Rath Bormann noch einige Zweifel des Land—⸗ gerichts bezüglich dieses Gutachtens in einem Nachtrage näher be— sprochen hatte, beschloß die Strafkammer des Landgerichts am 24. Februar d. J, dem Antrage der Königlichen Staatsanwaltschaft entsprechend, die Beschuldigten außer Verfolgung zu setzen und die Kosten der Staatskasse aufzuerlegen.

Dasselbe Ergebniß hat die administrative Untersuchung gehabt.

Meine Herren, ich habe mir gestattet, in so weitläufiger Weise diesen Fall zu behandeln, um den Beweis zu liefern, daß alles, was zur Klarlegung der Sache und zur Eruirung eines etwaigen Schuldigen hat geschehen können, in Wirklichkeit geschehen ist, daß aber diellntersuchung zur Evidenz ergeben hat, daß ein derartiger Schuldiger nicht vorhanden ist. Wenn Herr Graf Frankenberg nunmehr die Frage verallgemeinert und seine Ansicht dahin ausgesprochen hat, daß überhaupt in den wenigsten Fällen ein Schuldiger festgestellt würde, so muß ich dem auf das allerentschiedenste widersprechen. Herr Graf von Frankenberg ist offenbar über die bestehenden Vorschriften, betreffend die aus Anlaß von Eisenbahnunfällen zu führenden Untersuchungen und über die that— sächlichen Ergebnisse dieser Untersuchungen nicht unterrichtet. Er hätte eine solche Behauptung sonst nicht aufstellen können. Es sind leider der Fälle mehr denn zu viele, daß selbst bei verhältnißmäßig geringfügigen Vernachlässigungen, die einen Unfall herbeigeführt oder herbeigeführt haben könnten, schwere Strafen aus— gesprochen werden von den Gerichten und von den Verwaltungsbehörden und nach Lage der gesetzlichen und Verwaltungsvorschriften zur Aufrecht⸗ erhaltung der Betriebssicherheit auch ausgesprochen werden müssen. Herrn Grafen von Frankenberg ist offenbar nicht bekannt geworden, daß in jedem solchen Falle sofort der Staatsanwaltschaft Mittheilung gemacht wird, und die Staatsanwaltschaft ihrerseits die Untersuchung selbständig in die Hand nimmt, daß neben dieser Untersuchung die Untersuchung seitens der Verwaltungsbehörde erfolgt, und daß dabei auch noch das Betriebseisenbahnamt darüber wacht, daß über alle diese Fälle die Untersuchung nicht vor voller Feststellung und Klar—⸗ legung der Ursache des Unfalls und der Schuldfrage abgebrochen wird. Ich glaube daher, daß die volle Gewähr gegeben ist, daß die Betriebs⸗ sicherheit auf den preußischen Eisenbahnen nicht aus Rücksichten übel angebrachter Schonung schuldiger Beamten vernachlässigt wird.

Ich möchte noch ergänzend hinzufügen, daß, wenn die Staats— eisenbahnverwaltung zur Zeit die Frage in Erwägung genommen hat, ob eine anderweitige Organisation der Staatseisenbahnverwaltung eingeführt werden soll, doch diese Frage davon nicht berührt wird, denn nach meiner eben ertheilten Auskunft liegt dazu keine Veranlassung vor. Die bisherigen gesetzlichen und Verwaltungsvorschriften bieten die genügende Bürgschaft.

Herr Graf von Frankenberg hat dann ferner beklagt, daß, trotzdem der Unfall am 15. Juli v. J. erfolgt ist, bis heute eine vollständige Wiederherstellung der Brücke nicht bewirkt ist. Meine Herren, das ist richtig. Infolge des Unfalls ist die Brücke einer genauen Untersuchung unterzogen und man ist dabei zu der Ueberzeugung gekommen, daß es zweckmäßig wäre, die ganze veraltete Construction der Brücke zu beseitigen. Es ist infolge dessen eine neue Brücke entworfen und ausgeschrieben worden. Im Laufe des Winters hat aber nichts geschehen können. Die Brücke ist inzwischen ver⸗ dungen und mit dem Beginn der besseren Jahreszeit ist auch mit der Arbeit an der Brücke begonnen. Da es sich aber um ein immerhin

erhebliches neues Bauwerk handelt, so ist natürlich, daß die Brücke bis jetzt nicht wiederhergestellt werden konnte.

Ich glaube, damit die Anfragen, die Herr Graf von Frankenberg an mich gerichtet hat, vollständig beantwortet zu haben.

Graf von Frankenberg bemerkt hierauf, daß in Schlesien das negatipe Ergebniß der Untersuchung eine ftarke Beunruhigung hervorgerufen habe, und empfiehlt trotz der Erklärung des Ministers eine Revision der Instructionen für die Beamten.

Der Bericht über die Ergebnisse des Betriebes der Staatseisenbahnen im Jahre 1891/92 wird sodann durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt, ebenso ohne Debatte der Bericht, betreffend die Bauausführungen und Be— schaffungen der Eisenbahnverwaltung während des Zeitraums vom 1. Oktober 1891 bis dahin 1892, und die Mittheilung des Finanz Ministers und des Mlinisters der öffentlichen Arbeiten über die Ausführung der Eisenbahn⸗ verstaatlichungsgesetze.

In einmaliger Schluͤßberathung wird der 24. Bericht der Staatsschulden⸗Commission über die Verwaltung des Staatsschuldenwesens für 1891592 dadurch erledigt, daß der Staatsschulden⸗Verwaltung für eine Reihe von Rechnungen Decharge ertheilt wird.

Schluß gegen 2 Uhr. 2. Mai. (Wahlgefetz.)

Nächste Sitzung Dienstag, den

Haus der Abgeordneten. 65. Sitzung vom Donnerstag, 20. April.

Im weiteren Verlauf der zweiten Berathung des Ent— wurfs einer Ergänzungssteuer erwiderte bei der Debatte über 51 (vgl. den Anfangsbericht in der gestrigen Rr. d. Bl.) dem Abg. Schmidt⸗Warburg (Centr.), der eine Uebersicht der Sg r m verlangte, die man auf Grund des Schul— gesetzes herstellen wolle, der

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich möchte die Antwort, die ich dem Herrn Vor⸗ redner zu ertheilen habe, zwar am liebsten verschieben, bis der § 1 der Lehrerbesoldungs⸗Verbesserungsvorlage zur Discussion stehen wird. Ich will mich aber der Verpflichtung doch nicht entziehen, auf zwei Punkte dem Herrn Vorredner schon jetzt zu antworten. Er hatte die Güte, die Verantwortung für den § 1, auf den sich 5 82 ff. des Ein⸗ kommensteuergesetzes bezieht, meinem Herrn Decernenten zuzuschieben. Er hat angenommen, daß der wohl etwas in sich hinein gelacht hätte, als er diesen Zusammenhang in den Motiven des Gesetzes behauptet habe. Ich weiß natürlich nicht, was der Herr Decernent innerlich bei sich gedacht hat; die Verantwortung für die Vorlage habe ich zu tragen, und ich habe nicht dabei gelacht, sondern es ist mein voller Ernst, daß, wenn man den Geist des § 82 des Einkommensteuergesetzes ins Auge faßt und nicht den Buchstaben, daß, wenn man ins Auge faßt, was der 5 82 im Grunde hat erreichen wollen, was überhaupt das Ziel der ganzen Steuerreform ist, nämlich gerechte Vertheilung der Steuerlast nach dem Maße der Steuerkraft, dann allerdings dieser 5 1 der Lehrer⸗ besoldungs⸗Verbesserungsvorlage sehr wohl in einen Zusammenhang mit § 82 des Einkommensteuergesetzes zu bringen ist.

Was dann den zweiten Punkt anlangt, nämlich den Wunsch, daß, bevor die Mittel zu Beihilfen für Schulhausbauten bewilligt würden, von der Regierung ein Verzeichniß aller Bauten, die sie zu unterstützen gedenke, unter Beschränkung auf diese jetzt zu bewilligenden Mittel vorgelegt werden möge, so hat der Herr Vorredner ganz mit Recht gesagt, daß das ja eigentlich schon geschehen ist. Wir haben im Jahre 1891 bei der 20⸗Millionen⸗Vorlage ein Verzeichniß vor⸗ gelegt, welches damals in der Commission auf das allergenaueste mit Stichproben geprüft worden ist, und das Resultat dieser Prüfung ist im großen und ganzen das gewesen, daß die Commission das Bedürfniß anerkannt hat. Wenn wir uns nun jetzt darauf be⸗— schränken, statt der 18 Millionen 6 Millionen zu fordern, so ist es immerhin noch außerordentlich wenig, und es wird zur Folge haben, daß immerhin das Tempo, in welchem den dringenden Noth— ständen auf diesem Gebiete Abhilfe geschaffen werden kann, etwas verlangsamt werden muß gegen den Plan, den im Jahre 1891 die König⸗ liche Staatsregierung in dieser Beziehung vorgelegt hat. Darüber kann aber kein Zweifel sein, daß, wenn Sie diese Bewilligung für die Schulhausbauten wiederum davon abhängig machen wollen, daß wir hier erst ein Verzeichniß aller der Bauten vorlegen, die wir unter— stützen wollen, und wenn Sie dieses Verzeichniß vorher prüfen wollen, dann wiederum die Sache auf die lange Bank geschoben ist, daß die Erwartungen, die man mit Recht im Lande und namentlich in Schul⸗ kreisen jetzt an diese Vorlage knüpft, wiederum unerfüllt bleiben. Es ist auch, wie ich glaube, ganz unmöglich, daß eine eingehende virtuelle Prüfung eines solchen Verzeichnisses hier durch das hohe Haus er— folgen kann bei Bauten, bei denen es sich um ein Object von sechs Millionen handelt. Ich glaube, daß alle berechtigten Ansprüche durch die von der Commission vorgeschlagene und von Seiten der Regie⸗ rung eventuell acceptirte Bestimmung erreicht werden, daß jedes Jahr über die Verwendung der Mittel, wenn sie uns bewilligt werden, hier Rechnung gelegt werden muß, und ich hoffe auch jetzt noch, daß auf Grund dieser Abmachungen uns die Mittel, die wir so nöthig brauchen, nicht versagt werden. (Bravo!)

Weiterhin nahm zu demselben Wort der

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Es wird mir berichtet, daß der Herr Abg. Dr. Sattler gemeint hat, ich bestände doch wohl nicht unbedingt auf dem Betrag von 35 Millionen Mark der Ergänzungssteuer. Ich glaube mich sehr bestimmt und deutlich über diesen Punkt ausgesprochen zu haben, da ich geradezu, ich meine sogar wörtlich, erklärt habe, daß eine Herab⸗ minderung dieses Betrages in der gegenwärtigen Zeit und gegenüber den nachgewiesenen Rechnungsfactoren nicht zu verantworten sei. Deutlicher kann ich mich doch nicht aussprechen.

Ich möchte aber für diejenigen, die noch zweifelhaft sind, ob wir wirklich berechtigt sind, die 35 Millionen zu fordern und keine Ab— minderung zuzulassen, darauf hinweisen, daß bei der ganzen Rechnung die Erträge der einzelnen jetzt vorhandenen Steuern nach dem damaligen veranschlagten Aufkommen zu Grunde gelegt sind. Beispiels⸗ weise die Gebäudesteuer ist bei der Rechnung der Denkschrift ange⸗ nommen mit rund 35 Millionen Mark; in dem Etat für 1893/94 beträgt sie aber schon 36 623 000 M; sie wird vermuthlich im nächsten Jahre nach den bisherigen Erfahrungen nahezu auf 38 Millionen kommen. Wir gehen also schon mit einem Betrag von 3 Millionen

Paragraphen noch das

Mark Verlust in diese Rechnung hinein, wenn wir uns ver gegen⸗ wärtigen, daß diese ganze Reform ja erst am 1. April 1895 in Kraft treten soll.

Nun aber noch weiter, meine Herren, zwischen heute und dem 1. April 1895 liegt die allgemeine Revision der Gebäudesteuer. Diese hat, was ich allerdings für das nächste Mal nicht in der Höhe er⸗ warte, im Jahre 1880 einen Mehrbetrag ergeben von rund 6 Mil. lionen Mark, also von etwa 33 0/9. Wenn wir nun die Rechnung so aufgestellt hätten: diese ganze Reform tritt am 1. April 1895 in Kraft, dann werden wir etwa 7 oder 8 oder 9 Millionen Mark mehr Gebäudesteuer haben dann würden wir schon auf andere Summen gekommen sein in Betreff der nothwendigen Höhe der Ver⸗ mögenssteuer.

.Wir haben das damals unterlassen, weil wir annahmen, daß in-; zwischen bis zum 1. April 1895 auch die Einkommensteuer erheblich steigen würde. Diese Voraussetzung kann jetzt aber mit Sicherheit nicht mehr angenommen werden, und ich muß daher wiederholen: vom finanziellen Standpunkt aus, wo es doch gegenwärtig rein un= möglich ist, sichere Einnahmen preiszugeben, wäre es unter keinen Umständen zu verantworten, den Betrag der Vermögenssteuer noch weiter herabzusetzen.

Ich bitte daher das Haus dringend, an diesem Satz von 35 000 000 nicht zu rütteln. Aber dieselben Gründe sprechen mit aller Ent⸗ schiedenheit dafür, daß man auch dem Antrage Stengel nicht zustimmt, weil derselbe uns auch keinen sicheren Boden giebt, sondern alles auf sehr schwierige und unsichere Rechnungen stellt.

Zu § 5la in Verbindung mit §1 des Schulgesetzes s. d. gestr. Nr. d. Bl.) äußerte sich der

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse wie folgt:

Meine Herren! Auf die Frage des Schulgesetzes und des Schul⸗ dotationsgesetzes möchte ich ungeachtet der Lockung des Herrn Abg. Rickert in diesem Augenblick nicht noch einmal eingehen. Ich habe mich, glaube ich, bei der Einbringung des Entwurfs so ausgiebig nach dieser Richtung hin ausgesprochen, so offen meine Stellung in dieser Beziehung dargelegt, daß es nicht nöthig ist, in diesem Stadium der Sache darauf noch einmal zurückzukommen.

Was die Frage anlangt, wie weit ich den zweiten Theil der Vorlage, der gegenwärtig nicht zur Discussion steht, für wichtiger halte als den ersten, mit dem wir uns jetzt zu beschäftigen haben, so kann ich mich nur darauf berufen, daß ja von uns auch der zweite Theil eingebracht ist und daß ich ihn daher für mindestens ebenso wichtig halte wie den ersten. Es ist sehr schwer zu sagen: der eine ist wichtiger, der andere unwichtiger; denn es sind ja kaum vergleichbare Größen, um die es sich hier handelt. Im übrigen glaube ich, wird es richtig sein, wenn ich gleich zu Anfang der Discussion Ihnen einige Gesichtspunkte hier mittheile, von denen aus ich die jetzige Lage der Sache ansehe; es erleichtert das vielleicht die gegenseitige Ver⸗ ständigung.

Als wir die Vorlage einbrachten, haben wir uns nicht träumen lassen, daß sie in der Weise, wie es jetzt durch den § 51 a, den die Commission vorgeschlagen hat, und durch den Antrag der Commission auf Nr. 33 der Drucksachen geschehen ist, mit der Steuerreform würde in Verbindung gebracht werden. Wir haben eine Zeitlang auch daran gedacht, das Schullastenwesen überhaupt mit der Steuerreform in Verbindung zu bringen, namentlich mit dem Communalabgabengesetz; allein wir sind davon zurückgekommen, weil wir es nicht für richtig hielten, die Steuerreform nach dieser Richtung hin, mit einer Regelung des Schulabgabengesetzes zu belasten.

Freilich, meine Herren, haben auch unsere Vorlagen sowohl an die Einkommensteuerüberschüsse, als auch an den 8 82 angeknüpft, und zwar, wie ich kurz nochmals hervorheben will, in der Annahme, daß wir auf diese Art dem 882 des Einkommensteuergesetzes, wie er gemeint ist, materiell vollkommen gerecht werden. Sie werden es nun begreiflich finden, wenn die Unterrichtsverwaltung und die Staats— regierung sachlich und formell den einfacheren und glatteren Weg, den die Vorlage vorgeschlagen hat, weitaus dem jetzt von der Commission vorgeschlagenen vorziehen. Wir hatten auch bei unserer Vorlage in Bezug auf diesen 51 kaum auf einen erheblichen Widerstand gerechnet. Im Grunde darüber kann doch gar kein Zweifel sein sind alle Parteien dieses Hauses, wie ich überzeugt bin, einig in der An— erkennung des Bedürfnisses und in dem Wunsche, der rückständig ge— bliebenen, und zwar wegen der Leistungsunfähigkeit der zunächst Ver— pflichteten rückständig gebliebenen Aufbesserung der niedrigsten absolut unzulänglichen Lehrergehälter zu Hilfe zu kommen, die berechtigten Wünsche der Lehrer bezüglich ihrer unzulänglichen Minimaleinkommen endlich einmal zu erfüllen, nachdem ihnen so lange vergebliche Hoff— nungen nach dieser Richtung erweckt worden sind. Ebenso einig sind, glaube ich, alle Parteien dieses Hauses in der Anerkennung des Bedürfnisses, daß durch die Förderung der nöthigen Schulbauten ein etwas schnelleres Tempo in der Beseitigung geradezu unerträglicher Schulzustände herbeigeführt werden möge. Ich werde den Wünschen des Herrn Abg. Rickert, mich hier in dieser Be— ziehung noch etwas genauer auszusprechen, gern Rechnung tragen, wenn auch nicht vielleicht mit so vielen Einzelheiten, wie sie der Herr Ab— geordnete im Auge gehabt hat. Ich werde Ihnen hier sagen, aus welchen Gründen und durch welche Wahrnehmungen ich mich im Gewissen gebunden gefühlt habe, diese Vorlage einzubringen, um diesen dringendsten und unerträglichsten Zuständen endlich einmal ein Ende zu machen.

Meine Herren, als im Jahre 1891 die Regierung das Bedürfniß

der damals auf 20 Millionen bezifferten Staatsbeihilfe zu Schulhaus bauten mittelst einer Nachweisung darzuthun gesucht hatte, ist die Richtigkeit dieser Nachweisung, eingehend geprüft worden war, von keiner Seite beanstandet worden. Ich muß mit Dank anerkennen, daß das heute schon hervorgehoben ist, und ich kann daraus nur den Schluß ziehen, daß, wenn wir jetzt unsere Bitte auf das bescheidene Maß von 6 Millionen beschränkt haben, dadurch und in Verbindung mit der aus 8 59a eventuell sich ergebenden Hilfe, die wir mittelst des Staatshaushalts-Etats für Schulbauten bekommen sollten, zwar immer noch das Tempo der Bauten, durch welche den unerträglichen Zuständen ein Ende gemacht wird, erheblich verlangsamt wird. Aber ich habe mich über⸗ zeugt, vorwärts zu kommen ist auf diesem Wege. Bekommen wir jetzt statt unserer jetzigen etatsmäßigen einen Million, die ja nur ein Tropfen ist auf einen heißen Stein, 2 Millionen Mark auf den Staatshaushalts⸗Etat und bekommen wir einmalig die 6 Millionen Mark, die wir erbeten haben, dann glaube ich in der That, werden

obwohl sie von der Commission.

wir vorwärts kommen; wir können damit allmählich gesundere Zustände

herbeiführen.

Auch über die Dringlichkeit der Sache, meine Herren, wird kaum auf irgend einer Seite dieses Hauses ein ernstlicher Zweifel obwalten. Ich möchte nach dieser Seite hin zunächst einmal darauf aufmerksam machen: wie oft ist uns hier im Hause vorgehalten worden die Noth— wendigkeit, mehr katholische Schulen im Osten der Monarchie zu ründen! Ja, meine Herren, wie sollen wir sie gründen, wenn wir feine Mittel haben? Das ist unmöglich, wir müssen gerade dazu, um diesen Bedürfnissen, die ja wiederholt anerkannt sind, gerecht zu werden, bitten, daß uns die Mittel zu Schul⸗ hausbauten bewilligt werden, denn gerade da sitzen die unvdermögenden Landgemeinden, denen im wesentlichen diese Bewilligungen zu gute kommen werden.

Was nun den Nachweis der Nothwendigkeit selbst anlangt, so sind es drei verschiedene Uebelstände, die wir zu beklagen haben. Ein— mal reichen in einem großen Theil des Reichs die jetzigen Schul⸗ klassen nicht aus, um eine ordnungsmäßige Beschulung der schul—⸗ pflichtigen Kinder herbeizuführen; das ergiebt sich namentlich überall in den östlichen Provinzen da, wo die Gemeinden auch beim besten Willen nicht angehalten werden können, aus ihren Mitteln Schulen neu zu gründen oder alte, unbrauchbare neu zu bauen; wo es an allem fehlt, wo auch die Lehrerbesoldungen bisher nicht aufgebracht werden konnten: dort ist in der That der mißliche Zustand ein— getreten, daß die ganze Entwickelung unseres bisherigen Schulwesens, wie sie das Gesetz vorschreibt, gefährdet er— scheint, wenn wir nicht endlich dazu kommen, durch Herstellung ordentlicher Schulhäuser, und, wie ich hinzufüge, entsprechender Lehrerwohnungen den Raum zu schaffen, den wir brauchen, um die Kinder unterzubringen. Wir wollen also Schulgebäude schaffen, nicht bloß da, wo sie fehlen, auch da, wo sie jetzt so mangelhaft sind, daß wir für Kinder und für Lehrer die offenbarsten Schädigungen hervorwachsen sehen. (Hört! hört! links Wir haben Schulgebäude, die überhaupt nur mieths— weise in Bauernhäusern untergebracht sind, in Localen, die nach keiner Richtung, weder in Bezug auf das Licht noch in Bezug auf die Luft auch nur den minimalsten Anforderungen entsprechen, die in hygienischer Beziehung daran geknüpft werden müssen, und das kann doch auf die Dauer so nicht weiter gehen, dabei ruiniren wir die Kinder, dabei ruiniren wir die Schule, dabei ruiniren wir die Freudigkeit der Lehrer und die Lehrer selbst, ihre Gesundheit und häufig in nicht seltenen Fällen die Gesundheit ihrer Familienangehörigen.

Nicht zum mindesten entspringen diese Uebelstände aus den mangel⸗ haften Lehrerwohnungen, die zum theil in vielen ländlichen Ort⸗ schaften geradezu aller Beschreibung spotten. Wir haben Fälle, wo für den jungen Lehrer keine andere Wohnung existirt als eine einfache Dachkammer in einem Bauernhause, die nur erreichbar ist durch das Passiren von Wohnräumen anderer Hausbewohner. Unter solchen Umständen, meine Herren, kann gar keine Rede davon sein, daß der Lehrer auch nur daran denken könnte, irgend ein behagliches Heim zu haben, ein Heim, wo er sich hinsetzen könnte, um seinen Studien ob— zuliegen, seine Vorbereitungen für den Unterricht zu treffen und sich einigermaßen wohl zu fühlen. Die Folge davon ist, daß die Lehrer geradezu in die Wirthshäuser getrieben werden (sehr richtig!), und es hat noch viel schlimmere Folgen. Es ist geradezu erschreckend, daß wir in wiederholten Fällen die Disciplinarfälle, die in großer Zahl bei jungen Lehrern an uns herantraten, haben zurückführen müssen auf die absolut unsicheren Wohnungsverhältnisse, unter denen die Leute sich dort befunden haben, und das ist einer der wesentlichsten Punkte, der mich bewogen hat und noch bewegt, Sie auf das allerdringendste zu bitten: helfen Sie uns, gewähren Sie uns die Mittel, damit wir den schreiendsten Uebelständen auf diesem Gebiet ein Ende machen! (Leb⸗ haftes Bravo.)

Man hat, wenn ich mich erkundigt habe nach der Stimmung, die man unserer Bitte, uns hier zu helfen, entgegenbringt, mir wohl er⸗ widert: ja, das kommt nun wieder alles dem Osten zu gut, der Westen bekommt ja davon garnichts. Das ist nicht richtig, meine Herren. Wir haben auch im Westen Gegenden, wo die Zustände vielleicht noch erschreckender sind, als im Osten. Ich erinnere nur an die Eifel; es sind Commissarien des Unterrichts-Ministeriums dort in der Eifel gewesen und haben dort Zustände gefunden, Lehrer⸗ und Lehrerinnenwohnungen und Schulklassen, die jeder Beschreibung spotten. Dann kommen im Westen dazu die großen Industriebezirke, bei denen es oft auch beim besten Willen ohne Staatshilfe nicht mög⸗ lich ist, die nöthigen Schuleinrichtungen zu schaffen und für die Lehrer so zu sorgen, wie uns unser Gewissen vorschreibt.

Nun, meine Herren, ist von Herrn von Buch darauf hingewiesen worden, daß wohl von der Unterrichtsverwaltung oder von der Bau— verwaltung auch Fehler gemacht werden, in dem Maße, wie dem bau— lichen Bedürfnisse abgeholfen wird. Ich kann das nach meiner Er⸗ fahrung nicht gerade absolut in Abrede stellen, wiewohl ich sagen muß, daß in dem ganzen Jahre, seitdem ich die Ehre habe, dieses Ressort zu verwalten, mir auch nicht ein Fall vorgekommen ist, wo ich nach dieser Richtung Anlaß gehabt hätte, einzuschreiten. Das kann ich aber versprechen und versichern, daß im Unterrichts Ministerium die Tendenz, Schulpaläste herzustellen, die über das Bedürfniß hinaus⸗ gehen, nicht obwaltet, sondern im Gegentheil, wir wollen einfach bauen, wir wollen uns dabei der Landessitte anschließen, wir wollen gern für die Lehrerwohnungen im ganzen und großen nicht über das hinausgehen, was für die Bewohner des Ortes, in dem der Lehrer wirkt und weilt, üblich und nach verständigem Ermessen zu for dern ist. Also, wir werden uns auf einfaches und billiges Bauen ganz von selbst beschränken. Selbst wenn Sie, wie ich Sie auf das dringendste ersuchen möchte, nicht 2 2 2 Millionen, sondern 2 3 Millionen, wie wir sie von vornherein erbeten haben, bewilligen werden, so werden die Mittel, die uns zur Disposition stehen, immer noch so gering sein, daß die Versuchung, zu kostspielig und zu glänzend zu bauen, zu große und zu hohe Zimmer herzustellen, dem Lehrer eine Wohnung zu gewähren, die über das verständige Maß eines be— scheidenen und ordentlichen Lehrers hinausgeht, auf lange Jahre hinaus äaußerst ungefährlich sein wird, und wenn sie an uns herantreten sollte, werde ich mit meinen Herren Mitarbeitern mit allen Kräften ihnen entgegentreten. Wir wollen sparsam und einfach bauen, einem Be—⸗

ürfnisse abhelfen, aber keinen Luxus treiben. Also, meine Herren, kann nur bitten, daß Sie auf den Antrag des Herrn r. En

neecerus eingehen und die von uns in der Vorlage erbetenen illionen uns gewähren.

Ich kann nicht schließen, ohne meinem Danke dafür Ausdruck zu geben, daß man in der Commission der Forderung, die wir gestellt haben, entgegengekommen ist, soweit man es konnte, nachdem man einmal glaubte, die Fonds, die im 82 des Einkommensteuergesetzes vorgesehen sind, in Verbindung bringen zu müssen mit dieser Vorlage und sie in erster Linie dazu anwenden zu müssen, um eine Cautel für die Ergänzungsͤsteuer darin zu suchen.

Daß es für die Unterrichtsverwaltung, daß es für die Lehrer sehr viel angenehmer sein und daß ich es auch von meinem Theile aus für unbedenklich halten würde, wenn Sie uns den § 1 der Vorlage, wie wir ihn eingebracht haben, einfach bewilligten, das bedarf gar keiner Darlegung. Ich werde aber, wenn Sie zu diesem Entschluß nicht kommen können, auch den Weg, den die Commission vorgeschlagen hat, mit Dank begrüßen, und ich bin überzeugt, daß die Unterlagen des Herrn Finanz⸗Ministers doch so sicher und zutreffend sind, daß die Sorge nicht begründet ist, das Ergänzungssteuergesetz werde diese Fonds und ihre Verzinsung vorweg absorbiren. Ich habe die Zu⸗ versicht, daß Sie uns die Mittel, deren wir im Interesse der Schule bedürfen, nicht versagen werden, und ich bin überzeugt: wenn Sie diese Mittel, die wir jetzt von Ihnen erbeten haben, bewilligen, so werden Sie sich nicht nur den Dank der Lehrer verdienen, sondern Sie werden damit der künftigen Generation, der heranwachsenden Jugend unseres Volkes dienen und sich damit auf den Dank des Landes einen be— gründeten Anspruch erwerben. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Rickert (dfr) beantragt zu dem Schulgesetz in dem Antrage der Commission, betreffend die Aufwendung für Volksschulbauten in den Jahren 1893,94 und 1894 / 95, statt

je 2 900 000 S zu setzen: „je 4 000 006 Abg. Dr. Wuermeling (Centr. : Seine Freunde hätten in

der ersten Lesung bereits ihre Bedenken geltend gemacht gegen die

Bewilligung solcher neuen Dispositionsfonds. Diefe Bedenken seien durch die Herabminderung der Summe nicht vollständig beseitigt, aber vermindert worden. Mit vier Millionen könnte man auskommen; wenn man für jeden Schulbau 4000 υ annehme, dann könne man tausend Schulhäuser bauen. Das Centrum müsse aber dringend ver⸗ langen, daß endlich das Schulwesen einheitlich gesetzlich geregelt werde; die Herauslösung der Dotationsfrage könne das Centrum nicht billigen. Wenn das Schulgesetz angenommen worden wäre, dann würden alle diese Fragen erledigt fein. Die Vorwürfe des Abg. Rickert gegen die conservativ⸗klerikale Mehrheit, daß sie für die Schule nichts thue, seien durchaus unberechtigt. Er wolle hoffen, daß bald ein einheitliches Volksschulgesetz, nicht bloß ein Dotationsgesetz vorgelegt werde.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ich brauche wohl kaum zu bevorworten, daß ich das Wort nicht erbeten habe, um mich in den häuslichen Streit hier einzumischen. Ich möchte nur eine einzige Bemerkung des Herrn Vorredners richtig stellen, nämlich die, daß man mit 4 Millionen Mark ja wohl aus⸗ kommen könne, wenn man durchschnittlich 4000 für jeden Schulbau rechnet und damit 1000 Schulbauten unterstützt. Nun ist es überhaupt mißlich, einen solchen Durchschnitt von 4000 (M. zu nehmen. (Sehr richtig! links Wir haben den Durch⸗ schnitt gezogen in dem Jahre, wo wir jene Erhebungen gemacht haben, die damals für die 20 Millionenvorlage Ihnen vorgelegt worden sind. Damals betrug der Durchschnitt für jeden einzelnen Schulbau ß000 6 Das wäre nun gerade Wasser auf unsere Mühle. Denn ßbo00 ½½ und 1000 Fälle würde gerade die 6 Millionen ergeben, die wir von Ihnen erbitten, und ich kann nur die dringende Bitte an Sie richten, daß Sie sich durch dies Zahlenmaterial überzeugen lassen und diese höhere Summe gewähren.

Wie wenig das mit den 6000 M zu thun hat, geht hervor aus dem Bericht einer Regierung, der mir vorliegt, die auch eine Schul⸗ hausbeihilfe erbittet, und zwar schon mit Rücksicht auf die Mittel, die das hohe Haus voraussichtlich bewilligen werde. Der Antrag lautet am Schlusse:

Unter Ueberreichung der erforderlichen Prästationsnachweisung bitten wir, zu dem äußerst dringlichen Schulbau zunächst eine Staatsbeihilfe von 24 263,ů57 6, aus den nach dem Erlasse vom 28. Februar dieses Jahres voraussichtlich schon in diesem Etats— jahr zur Förderung der Volksschulbauten verfügbaren Beihilfen ge— währen zu wollen.

Uebrigens ist das eine Schule von 12 Klassen. Also man sieht: mit dem Durchschnitt ist die Sache nicht sicher. Soll aber einmal ein Durchschnitt zu Grunde gelegt werden, dann bitte ich den von 6000 6 zu Grunde zu legen. (Heiterkeit.)

Abg. Dr. Friedberg (nl) hält es für nicht richtig, aus dem angesammelten Fonds Mittel für Schulzwecke zu verwenden. Der Fonds sei angesammelt aus Geldern, welche die Steuerzahler drei Jahre lang über den Staatsbedarf hinaus gezahlt hätten. Diese Gelder müßten auch wieder den Steuerzahlern zu gute kommen. Wenn aber der 51 des Schulgesetzes angenommen werde, dann könnte man auf die finanzpolitischen Bedenken verzichten; die Ausführungen des Unterrichts-Ministers zeigten, daß bedenkliche Mißstände vorhanden seien. Aber die Regierungsvorlage habe keine Aussicht auf Annahme. Die Nationalliberalen seien bereit, den ibnen aufgedrängten Kampf 5 und ihn mit derselben Entschlossenheit zu führen wie früher.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Wenn der Herr Vorredner der Mehrheit des Hauses und mir die Rechtfertigung dafür anbeimgiebt, daß wir die Steuerzahler mehrere Jahre hindurch unnöthig belasten, so glaube ich, diese Verantwortlichkeit können die Mehrheit des Hauses und ich mit der größten Leichtigkeit tragen. Aber dagegen glaube ich nicht, daß der Herr Vorredner seine eigenen Behauptungen rechtfertigen kann; wenigstens werde ich versuchen, sie zu widerlegen.

Er sagt, es wird hier eine Mehrbelastung des Volkes drei Jahre hindurch fortgeführt, ohne daß dem Steuerzahler schließlich die Ergeb⸗ nisse dieser Mehrbelastung in irgend einer Weise zu gute kommen. Diese Mehrbelastung des Volkes ist zunächst nur dadurch entstanden, daß diejenigen endlich anfingen, das ihrige zu zahlen, die es schon früher hätten thun können (sehr richtig! rechts), was sie früher bei der mangelhaften Organisation der Besteuerung nicht thaten. Zweitens, wie werden denn schließlich die Ergebnisse der neuen Ber anlagung der Einkommensteuer zur Verwendung gelangen? Dazu, daß, wenn die Vermögenssteuer den erforderlichen Betrag von 35 Millionen nicht aufbringt, durch das Mehr, welches hier an Zinsen aus diesem Fonds aufgesammelt ist, verhindert wird, daß der Promillesatz erhöht wird. Wir vermeiden dadurch also eine Steuererhöhung in der Vermögens« steuer, die sonst absolut erforderlich wäre. Ferner wenn zu diesem Zweck die Zinsen des Fonds nicht zur Verwendung gelangen, so ge— langen sie zur Verwendung für die Schule, und zwar zur Unter— stützung leistungsunfäbiger und bedrängter Schulgemeinden. Darin liegt gleichfalls eine Entlastung grade der ärmeren Klassen, und es

liegt im System der ausgleichenden Gerechtigkeit und der großen socialen Aufgaben des Staats, da die helfende Hand aufzuthun, wo das Bedürfniß am größten ist. Wenn der Antrag des Herrn Dr. Friedberg aber, der so begeistert für die Schule und für die Noth⸗ wendigkeit, sie zu unterstützen, gesprochen hat, angenommen würde, dann bleibt für die Schule, wenn ich den Antrag recht ver⸗ stehe, garnichts übrig. (Sehr richtig! rechts) Wo ist da eine Consequenz, die Logik? Sie war weder schneidig noch richtig. (Heiterkeit. )

Meine Herren, es wird nun gestritten über die Frage, ob vier oder sechs Millionen. Nun will ich offen gestehen, daß, ganz abgesehen von den besonderen Interessen der Schule, vom rein finanziellen Gesichtspunkte ich die sechs Millionen entschieden vorziehen würde; denn ich habe die Ueberzeugung schon in der frühern Session gehabt, wo wir die zwanzig Millionen aus der 1x Huene für Schulbauten beantragten, daß allerdings ein dringendes, weiter gehendes Bedürfniß für Schulbauten vorhanden ist. Ich theile die Auffassung hier im Hause, die ja auch der Herr Cultus⸗Minister acceptirt hat, daß bei den Schul⸗ bauten mit der größten Sparsamkeit und Einfachheit vorgegangen werden muß. Wenn wir aber das auch voraussetzen, so glaube ich mich doch überzeugt zu haben, daß ein weiter gehendes Bedürfniß vor⸗ handen ist und zwar nicht bloß für Schulbauten, sondern auch dafür, daß der Staat helfend eintritt, weil die betreffenden Gemeinden nicht leistungsfähig sind. Ich gehe also davon aus, daß schließlich in der einen oder anderen Weise diese 6 Millionen doch zur Verwendung gelangen müssen, und da halte ich es für richtig, es bei dieser Gelegen⸗ heit zu thun, da ja die Gefahr einer Steigerung des 3 pro Mille bei der Vermögenssteuer gegenüber der Differenz von 70 000 darum handelt es sich nur wenn wir die 2 Millionen zusetzen, so un⸗ bedeutend ist, daß sie nach meiner Meinung nicht in Betracht kommt. Ich glaube auch, es wird sich in Zukunft vermeiden lassen, wie ich das hoffe, daß wir in dem Etat in den nächsten Jahren die Ausgaben für die Schulbauten zu stark zu steigern brauchen. Wenn wir aber diese 6 Millionen hier ablehnen und in 4 Millionen verwandeln, so ist jedenfalls die Gefahr, daß wir genöthigt sind, die Zuschüsse zu den Schulbauten in den nächsten Jahren etatsmäßig weiter zu erhöhen, und ich glaube, wir erleichtern unsere Etats für die nächsten Jahre, wenn wir nunmehr die Regierungsvorlage aeceptiren. (Bravo! rechts.)

Abg. Graf Lim burg-Stirum (eon): Wenn wir ein besonderes Schuldotationsgesetz machen wollen, so nennt Herr Rickert das Sb— struetion. Wie kann man ein Dotationsgesetz machen, ohne alle die leidigen Streitfragen eines Schulgesetzes zu erörtern? Ueber die große Forderung der Schulverwaltung an die Gemeinden wird überall ge⸗ klagt. In einem Falle wurde eine Schule mit einer Lehrerwohnung für 25 0200 gebaut, in einem anderen Falle eine Schule mit zwei Lehrerwohnungen für 27 0900 06; das ist zu viel. Hier muß vorsichtiger verfahren werden. Deshalb kann die Berechtigung der Ansicht nicht bestritten werden, daß man bei Bewilligung der Mitlel nicht zu be⸗ reitwillig sein darf. In einzelnen Fällen sind die Lehrergehälter zu niedrig bemessen, obgleich man immer in Betracht ziehen muß, welche Einnahme der Lehrer als Küster bezieht. Die Lehrer kommen aber schon mit so jungen Jahren ins Amt, daß man ihr Anfangsgehalt nicht mit den Gehältern anderer Beamten mit einem langen Vorbereitungsdienst vergleichen kann. Was billig und gerecht ist, oll den Lehrern zuge⸗ wendet werden. Von Wahlrücksichten brauchen wir uns nicht leiten zu lassen. Die Steuerreform mit dieser Frage zu befasten, ist be— denklich. Da es aber einmal geschehen ist, fo wollen wir nur so wei gehen, als unbedingt nothwendig ist, damit die Zinsen des Fonds, die ja auch für die Steuerreform verwendet werden sollen, nicht geschmälert werden. Wenn wir über zweimal zwei Millionen jetzt nicht hinausgehen, so soll damit nicht gesagt werden, daß wir nicht später weitere Mittel für die Schule bewilligen wollen.

Abg. hr. Mexrer-Berlin (dfr.): Die Verquickung des Schul⸗ gesetzes mit der Steuerreform wurde ursprünglich auch von uns als bedenklich empfunden. Die Verhandlungen der Commission haben mich bekehrt; ich habe erkannt, daß es sich um die Abhilfe eines wirklichen Nothstandes handelt. Um Gunst buhlen können wir bei dieser Gelegenheit nicht; denn für die Verbesserungen der Lehrergehälter bleibt nach den Commissionsbeschlüssen und dem Antrage Enneccerus nichts übrig. Die Fälle von ũbermãßigem Aufwande bei Schulbauten kann ich nicht controliren. Ich wünsche den Luxus vermieden zu sehen; aber um den Luxus handelt es sich nicht, sondern um ein dringendes Bedürfniß, welches gegebenen Falles durch eine Anleihe befriedigt werden müßte.

Abg. Freiherr von Zedlitz (freicons.) erklärt namens des größeren Theils seiner Freunde die Zustimmung zu dem Antrage Enneccerus. Jetzt seien die Mittel vorhanden, deshalb müffe auch jetzt zugegriffen und das Nothwendige bewilligt werden. Auch zur Erhöhung des Gehalts der Volksschullebrer liege ein Bedũrfniß vor. Daß ein Dotationsgesetz nicht möglich sei, bestreite er. Es seien urkundliche Beweise dafür vorhanden, daß sowohl die Conservativen als das Centrum ein solches besonderes Dotationsgeses als r zugestanden hätten. Erst seit dem Goßler'schen Er f Gedanke aufgekommen, daß die Dotation nur in Schulgesetz geregelt werden könne. Dem Centrun Sache leichter, wenn die Herrschaft der Kirche über die S festigt, wenn die preußische Schule desorganisirt n sei seine Partei nicht zu haben und dafür werde haben sein. Die Verhältnisse selbst würden die Be besonderes Dotationsgesetz beseitigen. Redner den Antrag Enneccerus und nach dessen Ablehnung missionsvorschläge zu stimmen.

Abg. von Jazdzewski (Pole) tritt für d mission ein.

Damit schließt die Debatte.

Bei der Abstimmung werden alle Anträge aus Freisinnigen, mehreren Nationalliberalen und vativen bestehende Minderheit abgelehnt, die SS 51, * und § 1 des Schulgesetzes dagegen unverändert genedmigt.

S 51b bestimmt: „Abgesehen von der Bestimmung des S Hl ist eine Veränderung der Ergänzungssteuersätze nur dei gleichzeitiger und verhältnißmäßiger Abänderung der Sin kommensteuersaͤtze zulassig.

Abg. Kieschke (b. k. F.) bält es für ungewöhnlich, den Se- schlüssen eines späteren Abgeordnetenbaufes in diefer Weise za Prä- judieiren.

8 ölb wird genehmigt, ebenso die übrigen S 3 bis Hl, wonach zur Ergänzungssteuer keine Communal. zuschläge erhoben werden dürfen und wonach das Geseß. wit dessen Ausführung der Finanz Minister deauftragt wird gleichzeitig mit dem Gesetz wegen Aufhebung direeter Staate steuern in Kraft tritt.

Damit ist die zweite Berathung den Srgämmnge dener gesetzes beendet.

Schluß 4 Uhr.

Nächste Situng Sonnabend 11 Udr (Zweite Berathung des Communaladaadengesegzes)