1893 / 99 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 26 Apr 1893 18:00:01 GMT) scan diff

WPersonen die Sammlungen des Vaticans 2c. zu besichtigen, verblieb Seine Majestät der Kaiser und König allein bei dem Papst zu einer genau eine Stunde währenden Unterredung. Als⸗ dann wurde das gesammte Gefolge Seiner Majestät hereingerufen und dem Pontifex vorgestellt. Nachdem Sich Seine Majestät von dem Papst dee er hatte, begab Allerhöchstderselbe Sich durch die Loggien u. s. w. in feierlichem Zuge, geleitet von sämmtlichen vorerwähnten päpstlichen Würdenträgern, nach der Peterskirche, wo Allerhöchstderselbe mit der refer enen Beide Majestäten kehrten nunmehr in dem⸗ elben feierlichen Dig; bis zu dem Damaser Hof zurück, wo die Majestäten den Wagen bestiegen und unter den Honneurs der päpstlichen Truppe es war 4 Uhr 45 Minuten den Vatican verließen. Unter den Ovationen der Menge und den Honneurs der Königlich italienischen Truppen fuhren die Majestäten zurück zur preußischen Gesandtschaft, wo Allerhöchst⸗ dieselben um 5 Uhr 5 Minuten eintrafen. Ihre Majestät

geruhte hier einige Erfrischungen einzunehmen, wobei die Tochter des Gesandten die Honneurs machte, und verließ alsdann die Villa Santa Fiora, während Seine Majestät der Kaiser mit dem Staatssecretär Freiherrn von Marschall und dem Gesandten noch in längerer Unterredung dort verweilte.

M 1

Den heute vorliegenden Telegrammen des „W. T. B. aus Rom entnehmen wir noch Folgendes:

Seine Majestät der Kaiser unternahm gestern Vor— mittag eine Spazierfahrt nach der Villa Albani und besichtigte daselbst die Galerie und die Gärten auf das eingehendste. Die n des von den Nonnen geleiteten Waisenhauses San

inseppe hatten beim Herannahen des Kaisers vor dem Kloster Aufstellung genommen. Seine Majestät wurde beim Eintritt durch den Fürsten und die Fürstin Torlonig begrüßt, welche letztere dem Kaiser einen Blumenstrauß darbot. Der Besuch dauerte etwa eine Stunde. Beim Abschied wurden Seiner Majestät von der Fürstin eine Publikation über die Trocken⸗ legung des Lago di Fucino und Photographien der Samm⸗ lungen in der Villa Albani überreicht.

Ihre Majestät die Kaiserin besuchte mit Ihren Majestäten dem König Humbert und der Königin Margherita gestern Morgen den Palatin, wo der Unter⸗ richts Minister und dessen Unter⸗-Staatssecretär die Aller⸗ höchsten Herrschaften empfingen. Der Director der Samm⸗ lungen Bernabei gab die nothwendigen Erklärungen. Der Aufenthalt währte etwa zwei Stunden; Ihre Majestaͤten legten den ganzen Weg zu Fuß zurück.

Ihre Majestät die Kaiserin besichtigte auch noch die Kirche San Pietro in Vincoli und verweilte dort längere Zeit vor der Statue des Moses von Michel Angelo. Später begab Sich die Kaiserin nach der Kirche Santa Maria Maggiore, wo Allerhöchstdieselbe unter Führung des Erzbischofs Sambucetti alle Sehenswürdigkeiten in Augenschein nahm. Beim Ver⸗ lassen der Kirche sprach die Kaiserin dem Erzbischof Ihren Dank aus.

Gestern Nachmittag fand in der Villa Borghese ein großes Festturnier statt, das sich zu einem glänzenden Schausplel ge— staltete. Die Zahl der Zuschauer wird auf 20 0060 geschäht. Ihre Kaiserlichen und Ihre Königlichen Majestäten sowie die Fürstlichkeiten wurden bei Ihrem Eintreffen auf dem Turnierplatz mit Begeisterung begrüßt; alle Anwesenden erhoben sich und schwenkten die Hüte und Tücher. Nehen der Königlichen Loge war eine Tribüne für das diplomatische Corps errichtet. Das Turnier stellte in vier Gruppen die Geschichte des Hauses Savoyen dar. In der ersten Gruppe erschien der Ahnherr des Hauses Savoyen, Humbert mit der weißen Hand, darge tell von dem Herzog von Aosta. Die zweite Gruppe zeigte Amadeus VIII., dargestellt vom Herzog der Abruzzen, die dritte Victor Amadeus II., den ersten König von Sardinien, dargestellt vom Grafen von Turin. In der vierten Gruppe stellte der Prinz von Neapel den Großmeister des Annunziaten⸗Ordens dar. Der Glanz der Costüme und die vorzüglich gelungenen Evolutionen riefen beim Publikum stürmischen Lell hervor; be⸗ sonders der Prinz von Neapel, in dessen Gefolge die Nationalfahne getragen wurde, ward mit jubelnden Zurufen begrüßt. Den Glanzpunkt des Turniers bildete ein vier— armiger, von 32 Rittern zusammengestellter Stern. Zum Schluß gruppirten sich die 450 Theilnehmer an dem Turnier und riefen jubelnd: „Evviva Savoia!“

Um 5isz Uhr war das Turnier beendet. Auf der Rück— fahrt der Majestäten und Fürstlichkeiten zum Quirinal ritten der Prinz von Neapel, der Herzog von Aosta, der Graf von Turin und der Herzog der Abruzzen zur Seite der Wagen, in welchen Ihre. Majestäten der Kaiser mit dem König Humbert und die Kaiserin mit der Königin Margherita saßen. Hinter den Wagen ritten in prächtigem Zuge sämmtliche Theilnehmer an dem Turnier in ihren Costümen. Die Menschenmenge war so dicht, daß der Zug nur im Schritt vorwärts kam. Gegen 7 Uhr trafen die Majestäten wieder im Quirinal ein. Der Billetverkauf zu dem Turnier ergab die Summe von 200 000 Lire; der Rein⸗ ertrag in . von etwa 70000 Lire soll zum Besten des Waisenhauses „Savoia“ verwendet werden.

Auf Befehl des Königs Humbert hat der Großmeister des St. Mauritius und Lazarus-Ordens dem Kaiser ein prächtig ausgestattetes Werk über den Orden und dessen Geschichte überreicht. Das Turnier⸗Comitèé widmete dem Kaiser ein pracht⸗ volles Album über das Turnier und eine goldene Denkmünze. . Gestern Abend erschienen die Kaiserlichen und die König⸗ lichen Majestäten mit den Prinzen und Prinzessinnen auf einem Balle bei dem Herzog von Sermoneta und kehrten um UM Uhr von dort nach dem Quirinal zurück. Während der Fahrt erwiesen Truppen die militärischen Ehren, und eine zahlreiche Volksmenge jubelte den Herrschaften enthusiastisch zu.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Zoll— und Steuerwesen und für Handel und Verkehr sowie der Ausschuß für Zoll⸗ und Steuerwesen hielten heute Sitzungen.

Der Chef des Ingenieur⸗ und Pionier⸗Corps und General⸗ Inspecteur der Festungen, General der Infanterie Golz hat behufs Abhaltung von Besichtigungen Berlin verlassen.

Der Regierungs-Rath Elsner von Gronow zu Aachen ist an die Königliche Regierung zu Osnabrück versetzt worden.

In der Zweiten und Dritten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs und Staats⸗-Anzeigers“ wird die Zusammen—⸗ stellung der Betriebsergebnisse deutscher Eisenbahnen nach dem Stande am Ende des Monats März 1893, deren Schlußergebniß bereits an dieser Stelle in Nr. N mitgetheilt wurde, veröffentlicht.

S. M. Fahrzeug „Loreley“, Commandant Capitän⸗ Lieutenant Grolp, ist am 25. April in Syra angekommen und am selbigen Tage nach Alexandrien Egypten in See gegangen.

Bayern. Da die Besserung in dem Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Luxemburg anhält, so sind, wie die „Allg. Ztg.“ meldet, Ihre Wm fies Hoheiten die Großherzogin und der Erbgroßherzog wieder von München nach Schloß Hohenburg zurückgekehrt.

Sessen.

Der Finanzausschuß der Ersten Kammer beantragt die Ablehnung des von der Zweiten Kammer angenommenen Einkommensteuergesetzes und ersucht die Regierung, bald⸗ thunlichst eine durchgreifende Reform der gesammten directen Steuergesetzgebung, namentlich der Communalsteuergesetzgebung, und zwar unter Bestätigung des Princips fühlbarer Entlastung der geringern Einkommen auf Kosten der höhern und höchsten sowie Beseitigung der Doppelbesteuerung bei Staat und Ge— meinde vorzubereiten.

Oefsterreich⸗Ungarn.

Das ungarische Unterhaus hat dem „W. T. B.“ zufolge gestern das Budgetgesetz genehmigt. Der Ackerbau— Minister Graf Bethlen legte einen Gesetzentwurf über die Durchführung der Colonisation vor. Heute wurden die Gesetze über das Civilstandsregister und die Judenrecep— tion eingebracht. Das erstgenannte Gesetz verfügt die successive Einrichtung staatlicher Geburts-, Ehe⸗ und Todes⸗ register bis zum Ablauf des Jahres 1894. Die Register sollen von staatlichen oder Gemeinde⸗Angestellten geführt werden, die dies als Nebenamt besorgen, und, wo solche nicht vorhanden sind, von sonstigen verläßlichen Personen, die jedoch keine Geistlichen sein dürfen. Die Besoldung trägt der Staat, die sonstigen Kosten die Gemeinde. Die Änmeldungen sind ge— bührenfrei. Die Anmeldepflicht trifft alle bei dem anzumeldenden Falle anwesenden Personen. Bei Ehefällen muß bis zur Einfüh⸗ rung der Civilehe der kirchliche Matrikelauszug beigebracht werden. Weigert sich der Geistliche, diesen Auszug unentgeltlich auszufolgen, so nimmt die Behörde den Auszug event. mit An—⸗ wendung von Gewalt vor. Die Religion der aus Misch— ehen entstammenden Kinder wird nach dem Gesetze vom Jabre 1868 eingetragen. Für die Vergangenheit be⸗ halten die kirchlichen Matrikeln gesetzliche Kraft. Die Geistlichen sind gehalten, Auszüge zu geben. In dem Mytivenbericht werden die dem Staat entstehenden Kosten mit 850 0900 Gulden jährlich berechnet. Die Unter— lassung von Anmeldungen oder die Widersetzlichkeit von Geist— lichen gegen die Vorschriften dieses Gesetzes werden mit Gefängniß⸗ und Geldstrafen bedroht. Das Gesetz über die Neception der Juden besagt: Die israelitische Religion wird für gesetzlich recipirt erklärt. Der Uebertritt von der christ— lichen zu der jüdischen Religion sowie umgekehrt ist gestattet. Die Commission des böhmischen Landtags für Be— zirls⸗ und Gemeinde⸗Angelegenheiten berieth heute das Referat Plener's über die Errichtung eines Kreisgerichts in Trautenau. Der Großgrundbesitzer Trakal legte einen Abänderungsantrag vor, wonach die Errichtung eines Kreis⸗ gerichts in Trautenau wohl befürwortet, bezüglich einzelner Ortschaften jedoch von einer Zuweisung zu einem neuen Gerichtssprengel abgerathen wird. Die Begründung des Antrags Trakal führt aus, der conservative Großgrund— besit werde die Bildung eines rein deutschen, ge— schlossenen Sprachengebiets niemals zugeben; er stimine mit dem Bericht Plener s bel ich Trautenaus nicht überein, weil Plener sich lediglich auf nationale Motive stütze. Der Lostrennung einzelner Ortschaften, in denen sich erhebliche czechische Minoritäten befänden, könne der Großgrundbesitz nicht zustimmen. Der Abg. Dr. von Plener erklärte, seine Anträge schlössen sich den Vor— schlägen und Beschlüssen der Abgeordnetencommission des Prager Ober⸗-Landesgerichts und dem Gutachten des Kreis— gerichts Gitschin⸗Königgrätz an. Die Generaldebatte wurde sodann geschlossen.

Die im tiroler Landtage nicht erschienenen Abgeord— neten von Welschtirol erhielten die Aufforderung, innerhalb acht Tagen im Landtage zu erscheinen.

Großbritannien und Irland.

Nach den neuesten Dispositionen verläßt die Königin heute Nachmittag Florenz und reist über Bologna, Mailand durch den Gotthard⸗Tunnel nach Luzern. Von Luzern wird sich die Königin über Basel, Mainz und Köln nach Vlissingen begeben, sich dort am Freitag Morgen auf der Yacht Victoria and Albert“ nach Port Victoria einschiffen und dann direct nach Windsor fahren.

Ihm Unterhause erklärte gestern, wie ‚W. T. B.“ be⸗ richtet, der Parlaments⸗-Secretär des Colonialamts Buxton, die Conferenz zwischen dem Gouverneur von Capland Sir H. B. Loch und dem Präsidenten Krüger habe keinen Miß— erfolg, sondern nach Ansicht von Sir H. B. . einen Erfolg gezeitigt; ihre 2 habe zu einem befriedigenden Ende ö Ein ausführlicher Bericht über das, was vor— gefallen sei, befinde sich bereits unterwegs; er hoffe, bald die Schriftstücke über die gesammte Frage vorlegen zu können. Der Staatssecretär des Innern Asquith erklärte auf eine Anfrage, die militärischen Streitkräfte in Hull würden nicht früher zurückgezogen, bis dieselben nicht mehr zur Aufrechterhaltung der Ruhe und zum Schutze des Lebens und Eigenthums nöthig seien. Die Localbehörden seien der Ansicht, die Brände in Hull am Sonntag, von denen einer bis gestern gedauert habe, haͤtten einen Schaden von 50 000 Pfund verursacht und . muthwillig angelegt. Der Bürgermeister von Hull habe eine Verstärkung, von

Soldaten und Polizisten verlangt; er habe daher 25 berittene

Londoner Polizisten heute nach Hull gesandt. Hierauf verlas der Staatssecretär ein Telegramm or ley's über die Unruhen in Belfast, datirt von gestern Nachmittag LU Uhr, wonach vorgestern Nachmittag fünf Piquets Infan— terie bis 101 / Uhr Abends im Dienst geblieben seien, bis in der Stadt wieder Ruhe eingekehrt sei. Die Bewohner des protestantischen Viertels hätten vorgestern eine Versammlung einberufen, um in Gemeinschaft mit der Polizei Anordnungen r Aufrechterhaltung der Ruhe zu treffen. Im weiteren

erlauf der Debatte uͤber die zweite Lesung des Haftpflicht⸗ gesetzes zog Chamberlain das Amendement zurück, welches den Arbeitern Entschädigung für alle Verletzungen, die sie sich außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes zugezogen, gewährt, vorausgesetzt, daß sie nicht durch eigenes Thun oder eigenes Unterlassen verursacht sind. Der Parlaments⸗Secretär Burt erklärte namens der Regierung, das Gesetz von 1880 gewähre den Arbeitern große Vortheile, aber es sei unvollkommen. Die einzelnen Bestim— mungen der zur Erörterung stehenden Bill könnten bei der Specialdebatte verändert werden. Die zweite Lesung wurde darauf einstimmig angenommen.

Die Geschäftsordnung des Unterhauses gestattet nicht, daß das Princip oder die Einzelheiten einer . die der Berathung im Comité übergeben wird, discunrt werden. Specielle Punkte können jedoch in der Form einer Instruction angeregt werden. Sechs Notizen solcher Art sind der „A. C.“ 3. bereits in Bezug auf die Homerule⸗Bill , worden. Unter diesen befindet sich ein Vorschlag des Abg. Parker Smith, worin beantragt wird, daß das Comité die Macht haben solle, anzuordnen, daß eine Abstimmung seitens der Wähler über die Frage stattfinde, ob die Vorlage in Wirksamkeit treten solle, und daß dies nicht der Fall sein solle, falls diese Frage nicht durch eine Majorität der Wähler in Großbritannien und Irland in affirmativer Weise entschieden werde.

Der Lord-Mahyor von London empfing gestern im Mansion⸗House gegen 200 hervorragende Delegirte aus Ulster, die ihm von Lord Londonderry vorgestellt wurden. Der Wortführer der Delegirten, Sir W. Ewart erklärte, die Bevölkerung von Ulster sei entschlossen, ein irländisches Parlament in Dublin nicht anzuerkennen; sie beabsichtige, eine Versammlung von 600 Delegirten zu wählen, welche die erforderlichen Maßnahmen beschließen und leiten solle für den Fall, daß die Homerule⸗Vor⸗ lage zum Gesetz werden würde. Inzwischen würden alle über 16 Jahre alten Wehrfähigen gemustert und eingeschrieben werden. Man werde es versuchen, sich mit den Brüdern im Norden Irlands in Ruhe und Frieden zu verständigen. Sollte es aber dessenungeachtet zum Bürgerkrieg kommen, so werde die Verantwortung für das vergossene Blut auf das Haupt Gladstone's und John Morley's fallen. Der Lord⸗Mayor erwiderte den Delegirten sehr freundlich: er erkenne die große Wichtigkeit der Frage vollständig an und theile ihr Mißtrauen bezüglich der Homerule-Vorlage. Aber wenn sie auch die Pflicht hätten, die Vorlage mit allem Nach⸗ druck zu bekämpfen, so müßten sie sich dennoch unbedingt auf die constitutionellen Wege beschränken. Er selbst könne die Möglichkeit der Anwendung von Waffengewalt, um die Wünsche Ulsters zu verwirklichen, niemals für zulässig halten. Er werde in einigen Tagen in der Guildhall einer großen Versammlung von Vertretern des Handels und der Industrie präsidiren, welche zusammengerufen seien, um die Wirkungen der Homerule⸗Vorlage zu erörtern.

Die Unruhen in Belfast dauerten noch gestern fort. Die Polizei schritt gegen die Menge ein, einige Manifestanten wurden verhaftet, viele verwundet. Gegen Mitternacht herrschte Ruhe in der Stadt. Es wird die Ankunft von zwei weiteren Regimentern erwartet.

Frankreich.

Beide Kammern haben gestern ihre Sitzungen wieder aufgenommen. Im Senat reichte, wie ‚W. T. B.“ berichtet, Boulanger den Bericht über das Budget von 1893 ein. Magnier interpellirte sodann die Regierung über die Be— gnadigung Turpin' s. Er verlangte, daß man auf die von der Presse vorgebrachten Anschuldigungen gegen gewisse An— gehörige der Armee eingehe. Der Justiz-Minister Gusrin er— widertèe, die Begnadigung Turpin's bedeute durchaus nicht ein Eingeständniß seiner ö Er, der Minister, habe nach aufmerksamer Prüfung der Acten die Ueberzeugung gewonnen, daß, wenn auch Turpin eine Bestrafung verdient, er doch durch eine Haft von 21 Monaten seine Schuld gefühnt habe. Das Eintreten der Presse für Turpin habe auf dessen Begnadigung gar keinen Einfluß ausgeübt. Der Kriegs— Minister General Loizillon führte aus, die Haltung der Militärbehörde sei durchaus correct gewesen, und nichts recht⸗ fertige die gegen dieselbe gerichteten Angriffe. Seine erste Pflicht sei es, alle Beamten und Offiziere des Kriegs Ministeriums, die in diese Angelegenheit hineingezogen worden seien, mit seiner Person zu decken. Désal bemerkte unter lebhaftem Widerspruch, die Verurtheilung Turpin's sei ungerecht gewesen. De Freyeinet erklärte, er wolle die An— wendung, welche die Reglerung von dem Begnadigungsrecht gemacht habe, nicht kritisiren. Er danke dem Kriegs⸗Minister für die Rückhaltlosigkeit, mit der er für die Handkungen des Kriegs⸗Departements unter der Leitung seines Amtsvorgängers eingekreten sei; aber er möchte diese Angelegenheit, welche in der letzten Zeit sehr verdunkelt worden sei, aufklären. Das Kriegs⸗ Ministerium habe das Recht, die Erfindung Turpin's auszu— nützen, auf 6 Monate für 250 000 Fres. erworben. Turpin habe daraufhin verlangt, daß die Regierung seine Patente als Monopol ankaufen möge. Die Unterhandlungen hätten zu keinem Resultat geführt, weil Turpin fünf Millionen dafür gefordert habe. Turpin habe sich dann an Deutschland ge⸗ wandt, welches sein Angebot ebenfalls abgelehnt hätte. Turpin habe Unrecht daran gethan, zu behaupten, Pikrinsäure wäre mit dem Melinit identisch, und den zweiten Fehler habe er da— durch begangen, daß er sich Maschinen und Pläne zu Nutze gemacht habe, welche dem Kriegs⸗Ministerium gestohlen worden seien. Er sei ih und allein wegen seines Buches über das Melinit verurtheilt worden. Turpin habe der Wissenschaft Dienste geleistet und könne ihr auch ferner solche leisten, dies rechtfertige c Begnadigung; aber das unkluge Verhalten seiner . ließe bedauern, daß man ihn begnadigt habe. Es seien

enerale beschuldigt worden, welche gerade eine sehrlobenswerthe Wachsamkeit gezeigt hätten. So bedauerlich derartige Vorkommnisse seien, so hätten sie doch keine nachtheiligen Folgen für die nationale Wehrkraft gehabt. Man müsse die Fabel zerstören, die aus Turpin einen aus Staatsgründen verurtheilten Mann mache. Hiermit war der Zwischenfall erledigt. Die Sitzung

wurde ohne Annahme einer Tagesordnung aufgehoben.

In der Deputirtenkammer wurde die Berathung über das Genossenschaftsgesetz ohne Zwischenfall begonnen und nach Annahme einiger Paragraphen des Gesetzes die Sitzung aufgehoben.

Rußland.

W. T. B.“ meldet aus St. Petersburg, gutem Vernehmen nach sei der Plan in Vorbereitung, das De— partement für Berg- und Hüttenwesen dem Finanz— Minister ium zuzutheilen.

Italien.

Der König hat, wie „W. T. B.“ berichtet, der Wohlthätigkeitsanstalt in Rom eine halbe Million Lire für Kinder solcher Arbeiter gespendet, die bei der Arbeit ver⸗ unglückt sind. Der König ließ die Stifter der Anstalt wissen, daß er und die Königin nicht zu allen Wohlthätigkeitswerken, die in den verschiedenen Städten Italiens in Aussicht ge⸗ nommen seien, beitragen könnten; fie hätten daher ihren Beitrag der Stiftung in Rom zugewendet.

Der Kriegs-Minister hat an die am Montag in Parade gestandenen Truppen folgenden Tagesbefehl ge⸗ richtet:

h „Seine Majestät der Deutsche Kaiser und unser erhabener König haben Eure, vollkommene militärische Haltung bei der Truppenrevue, sowie die Präcision der Bewegungen und die Correct⸗ heit des Vorbeimarsches bewundert. Ich bin stolz darauf, Euch dieses Allerhöchste Lob kundzuthun, welches Euch eine sehr große Genugthuung und ganz besondere Freude bereiten muß.“

Der Prinz und die Prinzessin Ferdinand von Sachsen-Coburg sind gestern von Palermo nach Malta abgereist.

Türkei.

Nach einer Meldung des „Daily Telegraph“ hat der Sultan dem Gesandten der Vereinigten Staaten sein Bedauern über den Brand in Marsivan (Armenien) ausgesprochen und die Versicherung abgegeben, daß die Brand⸗ stifter bestraft werden würden und die Pforte den Schaden ersetzen werde.

Bulgarien.

Die Minister Stambulow und Grekow sind in Be⸗ gleitung des Präsidenten der Sobranje Pettkow wieder in Sofia eingetroffen.

Amerika.

Die amerikanischen und fremden Kriegsschiffe und die spanischen Caravellen sind gestern von Fort Monroe (Hampton-⸗Roads) in New⸗York eingetroffen.

Parlamentarische Nachrichten. Deutscher Reichstag.

Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich in der Ersten Beilage.

83. Sitzung vom Mittwoch, 26. April, 1 Uhr.

Der Sitzung wohnen die Staatssecretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Maltzahn bei.

Dem Reichstag ist ein Nachtrags-Etat für 1893/94 zu⸗ gegangen, welcher im ganzen 1 468900 6 verlangt. Es ent— fallen davon 50 400 M6 dauernde Ausgaben infolge der Er⸗ hebung der deutschen Gesandtschaft bei der Rordamerika⸗ nischen Union in Washington zur Botschaft, 817 600 zum Ankauf und zur Einrichtung eines Botschaftsgebäudes in Madrid auf dem Paseo de la Castellana, 600 000 M60 als weitere Kosten für die Betheiligung des Reichs an der Welt— ausstellung in Chicago. ;

Ohne Debatte wird der Nachtrags⸗Etat an die Budget— commission verwiesen.

Darauf erstattet der Abg. Schneider-⸗Hamm namens der Geschäftsordnungscommission Bericht über die Verhand— lung des Antrags Stadthagen auf Ertheilung der Er— mächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung gegen ihn. Die Commission hat sich von der Berechtigung des Verlangens des Abg. Stadthagen überzeugt und empfiehlt dem Hause ein⸗ stimmig die Annahme des Antrags. .

Ahg. Singer (Soc.) theilt mit, daß der Abg. Stadthagen einen vom 24. April datirten Bescheid des Justiz⸗Ministers erhalten bat, wonach dieser die Stellungnahme des Staatsanwalts zu der Frage der Einleitung der Strafverfolgung wegen Gebühren⸗ überhebung nicht gerechtfertigt erachtet. Redner ist aber der Ansicht, daß damit an der Sache nichts geändert wird, weil dieses Schreiben erst ergangen ist, nachdem der Reichstag mit der Sache befaßt war. keen werde mit der Ertheilung der Ermächtigung durch den Reichstag wohl eine formelle Nachsuchung um diese Er⸗ mächtigung beim Ieihche durch den Staatsanwalt hinfällig.

Staatsseeretär Dr. von Boetticher hält für nöthig, den preußischen Justiz⸗Minister gegen den Vorwurf in Schutz zu nehmen, der aus den Worten des Vorredners hergeleitet werden könnte, als ob hier eine Verschleppung oder Verzögerung eingetreten sei. Der Justiz⸗Minister habe in einem besonderen Schreiben dem Staats⸗ secretär des Innern mitgetheilt, daß er auf eine am 7. April erhaltene Beschwerde des Abg. Stadthagen, wie angeführt, verfügt habe.

Abg. Singer (Soc) will das nicht gelten lassen; der Abg. Stadthagen habe an den Justiz⸗Minister zwei Eingaben gemacht, wovon die erste durch die Ober⸗Staatsanwaltschaft beantwortet worden sei, an welche der Minister die Beschwerde abgegeben habe. Der Ober⸗Staatsanwalt habe aber ausdrücklich abgelehnt, selbst beim Reichstag die Genehmigung zur Strafverfolgung nachzusuchen, sie vielmehr dem Antragsteller anheimgestellt, ein Verfahren, welches in der Geschäftsordnunge commission Aufsehen und Befremden hervor⸗ gerufen hat. 4 Staatssecretär Dr. von Boetticher bleibt bei seiner Auf⸗ fassung stehen. ü .

. Kdt hoe noch die Abgg. Singer und Stadthagen sich kurz zur Sache geäußert haben, wird der Antrag ein⸗ stimmig angenommen.

(Schluß des Blattes)

Preusischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich in

der Dritten Beilage. 69. Sitz ung vom 26. April.

. Der Sitzung wohnen der Präsident des Staats-Ministe⸗ riums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg und der Finanz⸗Minister Dr. Miquel bei. ͤ

Die zweite Berathung des Entwurfs eines Com mun al⸗ abg abengesetzes wird fortgesetzt, und zwar beim Abschnitt: Gemeinde⸗Einkommensteuer (38 27 44).

9 Sz 27, welcher von der Steuerpflicht handelt, liegen drei Anträge vor: 1) vom Abg. Dr. Krau se (nl): auch die Theilnehmer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung steuer⸗ pflichtig zu machen; 2) vom Abg. Pleß (Centr.): die wohl⸗ thätigen und gemeinnützigen Actiengesellschaften und Genossen⸗ schaften mit beschränkter Haftung, welche außer der landes— üblichen Verzinsung weitere Dividenden oder Vortheile ihren Genossenschaften nicht gewähren, steuerfrei zu lassen; und 32) vom Abg. Herold (Centr): nicht bloß Domänen und Torsten, sondern auch sonstige Liegenschaften des Fiscus der Steuerpflicht zu unterwerfen.

Die Abgg. Herold (Centr.) und Dr. Krause (ul.) vertheidigen ihre Anträge, die von dem Geheimen Ober⸗Regierungs-Rath Noell bekämpft werden.

Die Abgg. Dr. Meyer (ofr.) und Dr. Bachem (Centr.) halten es für nothwendig, die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nicht der Doppelbesteuerung zu unterwerfen, weil dadurch die Bildung der Gesellschaften unmöglich werde.

Finanz- Minister Dr. Miquel erkennt an, daß die Besteuerung der Gesellschaften mit beschränkter Haftung eine noch nicht völlig ge—⸗ löste Frage sei; das werde erst später geschehen können, wenn die Frage der Real. und der Personaglbesteuerung in den Gemeinden ge⸗ löst sei. Das Gesetz stelle die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als juristische Person den Actiengesellschaften und Genossenschaften. völlig gleich, deshalb müsse sie auch mit diesen gleichmäßig behandelt werden. Es würden z. B.,, um eine große Fabrik ꝛc. in der Familie zu erhalten, Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Actiengesellschaften gegründet von den Erben, die daran Theil hätten. Wie könne man hier die Actiengesellschaft schlechter behandeln als die Gesellschaft mit beschränkter e n, 2 Wenn diese Frage geregelt werde, dann müsse dies nicht bloß bezüglich der einen Art geschehen, sondern allgemein und gründlich. .

Abg. Pleß (Centr.) erweitert seinen Antrag dahin, daß nicht blos Actiengesellschaften und Genossenschasten, sondern auch andere juristische Personen der bezeichneten Art steuerfrei sein sollen.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Noell hält es für aus— geschlossen, daß Actiengesellschaften und Genossenschaften, die Dividenden vertheilten, steuerfrei bleiben sollten; das könne nicht einmal von den Gesellschaften gelten, die ihre gesammte Einnahme zu wohlthätigen und gemeinnützigen Zwecken verwendeten, ohne irgend welche Dividende zu vertheilen.

Abg. von Buch (eons.) erklärt sich namens seiner Partei für den Antrag Krause, aber gegen den Antrag Pleß. J

Abg. Dr. Enneccerus (ul.) spricht für den Antrag Krause und weist den Einwand des Finanz-Ministers zurück, weil die Gesell⸗ schaften mit beschränkter Haftpflicht nicht mit den Actiengesellschaften, sondern mit den offenen Handelsgesellschaften verglichen werden müßten.

Abg. Dr. Meyer (or.) spricht h in demfelben Sinne aus.

Abg. Dr. Eck el s (ul.) fragt die Regierung, ob sie einen Gesetz⸗ entwurf wegen Heranziehung der Gesellschaften mit beschränkter Haf⸗ tung zur Einkommensteuer einbringen werde. Wenn der Finanz—⸗ Minister das beabsichtige, dann sei ja die Annahme der Vorlage beinahe sicher; deshalb sei die Frage von besonderer Bedeutung fuͤr diese Gesellschaften, namentlich bezüglich der Zuckerfabriken, die sich in diese Gesellschaftsform umwandeln wollten.

Finanz⸗Minister hr. Miquel: Ich kann eine bestimmte Ant⸗ wort nicht geben, da die Staatsregierung zu dieser Frage noch keinerlei Stellung genommen hat. ö .

S 27 wird mit dem Antrag Krause angenommen, ebenso die 88 28 und 29.

(Schluß des Blattes.)

Die 17. Gommission des Reichstags zur Vorberathung des Gesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, besteht aus folgenden Mitgliedern: Graf von Hompesch, Vorsitzender; Dr. Langerhans, Stellvertreter des Vorsitzenden; Dr. Althaus, Braun, Dr. Endemann, Schriftführer; Hesse, von Holleuffer, Schriftführer; Hug, Jebsen, Metzner⸗Neustadt, Molkenbuhr, Freiherr von Pfetten⸗Arnbach, hr. Pieschel, Pr. Rzepnikowski, Schrader, von der Schulenburg⸗Beetzendorf, Graf zu Stolberg⸗Wernigerode, Freiherr von Unruhe⸗Bomst, Dr. Virchow, von Winterfeldt⸗Menkin, Wurm.

Statistik und Volkswirthschaft.

Das Märzheft der vom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebenen „Monatlichen Nachweise über den aus⸗ wärtigen Handel des deutschen Zollgebiets“ schließt für das erste Vierteljahr 1893 in Einfuhr und Ausfuhr ab mit folgenden Ziffern: ;

Einfuhrmenge. Werth der Einfuhr. J. Vierteljahr 1393 59 621 303 (100 Rg 1 043 996 000 6 1892 61 938 883 (1007), 1062619 900 1893 also 2317 580 (100) 18 623 000 Aus fuhrmenge. Werth der Ausfuhr. 1893 4870 979 1007 kg S3 9 792 000 1892 43 828 982 (100) 774 131 000 1893 also 4 4 878997 (100), w 65661 000

Die Einfuhrmenge des ersten Vierteljahrs 1893 ist also gegen den gleichen Zeitraum des Vorjahres um 3,7 Proc., der Einfuhrwerth um 1.8 Proc. gesunken. Die Ausfuhrmenge ist gegen 1892 um 11,1 Proc., der Ausfuhrwerth um 85 Proc. gestiegen. Die Hauptmehrung in der Ausfuhr ergab sich im März 1893, nämlich

Mehrung im Januar 1893 gegen Januar 1892: 4,7 Proc. ĩ „Februar 1393 Februar 1892: 6,6 . „März 18993 ãI;‚ März 1892: 20,5 im Durchschnitt: 1056 Proc.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Thorn wird der Voss. Ztg. geschrieben, der Ausst and der Erdarbeiter (vgl. Nr. 98 d. Bl.) unterbreche die Arbeiten der Kanalisations. und Wasserleitungsanlage in unangenehmer Weise. Die Leute verlangen einen Tagelohn von 240 bei elfstündiger Arbeits⸗ zeit. Bisher erhielten sie 1,60 bis 1,80, jüngere Burschen und alte schwache Leute 1,40 M Die Unternehmer wollen einen höheren Lohn nicht bewilligen. ͤ

Aus Erfurt wird der ‚Mgdb. Ztg.“ J die dortige Schützengilde sei gegen den Wirth des Schützenhauses klagbar ge⸗ worden, weil er sich weigere, die von der Gilde geforderte Zurück. nahme der Bewilligung des Schützenhauses zur Vornahme der sociglistischen Maifeier auszusprechen. .

In Wien hielten gestern, wie ein Telegramm des D. B. S.“ berichtet, die ausständigen Zimmergehilfen eine Versammlung ab, in der beschlossen wurde, den Strike so lange andauern zu lassen, bis die Meister sämmtliche Forderungen der Gehilfen bewilligt haben würden. Die Zimmergehilfen der Bezirke Purkerdorf, Neu⸗Lengbach und St. Pölten haben sich dem Ausstand angeschlossen.

Aus Brüssel meldet ein Wolff'sches Telegramm, daß der Generalrath der Arbeiterpartei eine Aufforderung an die Arbeiter erlassen hat, am 1. Mai eine Kundgebung zu Gunsten des Achtstunden⸗Tages und der Amnestirung der anläßlich der letzten Strikes Verurtheilten zu veranstalten.

In Mons fand gestern eine Versammlung des Industrie—⸗ und Arbeits raths statt, in der eine Ginigung zwischen den Ar⸗ beitgebern und den Bergarbeitern über die Lohnfrage nicht erzielt

wurde. Der Theilausstand im Borinage nimmt daher seinen Fortgang.

Aus Hull meldet ein Telegramm des W. T. B.“: Die Be⸗ hörden wurden von dem Bestehen eines Complots, durch welches ein mit nichtunionistischen Arbeitern besetzter Eisenbahnzug in die Luft gesprengt werden sollte, in Kenntniß gesetzt. Der Anschlag wurde vereitelt, ebenso ein anderer, dessen Zweck war, die Waaren⸗ lager am Hafen in Brand zu setzen.

In Clippens, Midlothian, haben, wie die Londoner „Allg.

Corr.“ mittheilt, 1200 Bergarbeiter am Montag die Arbeit wieder

aufgenommen, nachdem sie in eine Lohnherabsetzung von 1009 ge⸗ willigt hatten. In den Newbattle⸗Gruben in demselben Distriet sind dagegen 800 Arbeiter ausständig geworden, weil der Gruben⸗ Director die Dauer des Arbeitstages zu bestimmen versuchte.

E Norwegens Handelsflotte. .

Nach statistischen Mittheilungen bestand die norwegische Handels⸗ flotte Ende des Jahres 1891 aus 6798 Segelschiffen von 150 069 Tons und 735 Dampfschiffen von 1738 589 Tons Tragfähigkeit. Die Anzahl der Segelschiffe erhöhte sich im Jahre 1891 um 38, während deren Tragfähigkeit um 2515 Tons sich verminderte; die Dampfer⸗ flotte wurde um 63 Schiffe und 35396 Tons vermehrt. In dem Jahrzehnt von 1881/91 verminderte sich die Anzahl der Segelschiffe um 820, während deren Tragfähigkeit sich um 45 292 Tons erhöhte; die Anzahl der Dampfschiffe stieg um 376 und die Tragfähigkeit um 172 884 Tons. Im ganzen verminderte sich die norwegische Handelsflotte in dem genannten Zeitraum um 444 Schiffe, während die Tragfähigkeit um 218 176 Tons stieg. Für norwegische Rechnung wurden im Jahre 1891 auf ausländischen Werften gebaut, oder sonst angekauft 157 Segelschiffe von 75 688 Tons und 40 Dampfschiffe von 30747 Tons.

Kunst und Wissenschaft.

4 Ein vielseitiges, aber nicht ganz selbständiges Talent spricht sich in den Bildern des jugendlichen Berliner Malers Lesser Ury aus, die im Kun stsalon Sin n zu einer Sonderausstellung ver⸗ einigt sind. Am freiesten bewegt sich Ury auf dem Gebiet der Land⸗ schaftsmalerei; die zahlreichen Pastellstudien, meist Motive aus Hol⸗ stein, zeigen saftige Farbtöne und weich verschwimmende Umrisse; wenn vielleicht hie und da einiges allzu grell gesehen erscheint, entschädigt dafür die volltönende Stimmung dieser kleinen Naturausschnitte. Glücklicher oft etwas capriciöser Farbensinn vereinigt sich mit breitem Vortrag auch in den DOelbildern zu kräftiger Wirkung, so namentlich in der belgischen Dorflandschaft de. 30 des Ver⸗ zeichnisses). Vorzüglich ist die Fernwirkung berechnet in der Delstudie. Nr. 36, betitelt an der Arbeit?“. Das moderne Leben sieht Ury meist durch die Brille anderer Künstler, so begegnen uns einige Damenbhildnisse im Geschmack des Franzosen Besnard, ein geistreiches Pastell à la Skarbina, ein Bauernmädchen im Sonnen⸗ schein (Nr. 24), das man als Milletstudie bezeichnen möchte, und zahlreiche kleinere Scenen aus dem modernen Großstadtleben. Offenbar hat auch Liebermann stark auf den Künstler eingewirkt, was namentlich die zahlreichen Tuschzeichnungen bekunden. Sein Lieblings⸗ thema bilden Interieurs mit dem 3 in halberhellte Räume; in der Ausführung markirt er die Schatten gern, wie Ribot, durch undurch⸗ dringliches Beinschwarz, was der Malerei einen fleckigen unorganischen Charakter verleiht. Auch ist die Ungleichheit seiner Leistungen nicht zu verkennen; sie ist im wesentlichen bedingt durch die Unsicherheit, mit der der junge Maler von einem Vorbilde zum andern schwankt. Immerhin läßt seine Anpassungsfähigkeit auf eine leichtbewegliche Technik schließen und diese wiederum bei stetiger Entwicklung zu größerer Selbständigkeit schöne Erfolge auf dem Gebiet impressio⸗ nistischer Malerei erhoffen. Als leuchtendes Vorbild für unerschötter⸗ liches Festhalten an der einmal erprobten Eigenart darf ihm Hans Thoma empfohlen sein, von dem eine Reihe über⸗ malter Lithographieen ebenfalls bei Gurlitt ausgestellt sind. Sie tragen dasselbe echt deutsche Gepräge tiefer Innerlichkeit, herber Formensprache und kühner Einbildungskraft, wie die Gemälde des Frankfurter Meisters. Wie tief empfunden ist der Ausdruck des durchfurchten Antlitzes seiner Mutter, wie unschuldsvoll zart die Köpfe zweier jugendlicher Mädchengestalten im Bilde festgehalten! Harmonische Ruhe zeichnet alle Entwürfe Thoma's aus, die er auf Stein zeichnet, um dann den lithographischen Schwarzdruck mit Aquarell⸗ und Goßuache⸗ farben zu überziehen. Er strebt dabei kein naturalistisches Colorit an, vielmehr verleiht er durch seine Farben den Gestalten , aber stets wirkungsvolle Töne, die das Auge mit der oft knorrig⸗herben Contur⸗ zeichnung versöähnen. Wunderbare Effecte weiß er auch durch den Silber⸗ druck des Conturs, z. B. in den ‚Rheintöchternꝰ und dem „Engelxeigen“ hervorzubringen. Dann wieder erzielt er den unheimlichen Eindruck nächtlichen Dunkels durch gedeckte Farbtöne in jener Studie, die eine Nachteule mit Menschenantlitz auf einem Baum darstellt. Dürerischer Humor belebt das Blatt „Amor Geometer“: eine reizende Putten⸗ gestalt mit Richtmaß und Zirkel auf einem Polyeder schwebend. Echt deutsche Waldespoesie umwebt das Aquarell, das einen gepanzerten Ritter darstellt, der traumbefangen auf die am Waldbach gelagerte Nymphe hinabblickt. Auch im Aquarell und Oelbild hält Thoma an der kräftigen Umrißzeichnung fest; man glaubt oft, Vorlagen für Glasmalerei vor sich zu haben, in denen die Bleilamelle durch die Contur angedeutet wird. Ein nackter Knabe am Fluß, ein Berggreis, zum Süden ziehende Wandervögel, Tritonen bei aufgehender Sonne, das sind einige von den Vorwürfen, in denen Thoma die ganze Dichterkraft seines eigen⸗ willigen Genies zum Ausdruck bringt. Auch dem Kreise der Neu⸗ idealisten ist Hans Völker zuzuzählen, der ähnlich wie H. Hendrich nebelhafte landschaftliche Visionen mit geheimnißvollen Lichtquellen coloristisch geschickt auf die Leinwand zu bannen versteht. So treten uns in der gegenwärtigen Ausstellung des Salons Gurlitt jene beiden in der Entwickelung der neuesten Malerei so bedeutsamen Richtungen: der radicale Naturalismus und jene symbolistische Strömung, in treffenden Beispielen entgegen.

Der bekannte Schriftsteller Eduard Schmidt⸗Weißen⸗ fels, ein geborener Berliner, ist in Bozen, wohin er sich aus Gesund⸗ beitsrücksichten begeben hatte, vor einigen Tagen gestorben. Außer zahlreichen historischen und politischen Schriften sowie der Geschichte entnommenen Romanen veröffentlichte der Verstorbene zuletzt auch volksthümliche Erzählungen, die er zu einer ‚Deutschen Handwerker⸗ bibliothek! zusammenfaßte.

Verdingungen im Auslande.

Italien.

3. Mai, 2 Uhr. Armirungs Direction des zweiten Marine⸗ Departements in Neapel: Lieferung von Leder und Fellen. Kosten⸗ anschlag 19080 Fr. Caution 1910 Fr. Definitiver Zuschlag am 23. Mai, Mittags.

Rumänien.

28. April. Kriegs Ministerium in Bukarest: 142 500 m Militärtuch.

12. Mai, ebenda: Lieferung von je 30 Paar Geschirren für die

Vorder⸗, Mittel⸗ und Stangenpferde und 30 Sätteln für die Artillerie. Caution 4090 Fr. I15. Juli, ebenda: Erbauung einer Fleischeonserven⸗Fabrik, die für die Armee jährlich eine Million Rationen zu liefern hat. Vor⸗ läufige Caution 20 9000 Fr., definitive 40 000 Fr. Die erste Aus⸗ schreibung war erfolglos.

Verkehrs Anstalten.

Bremen, 26. April. (W. T. B) Norddeutscher Llovd. Der Postdampfer Köln“, nach Brasilien bestimmt, ist am 24. April Nachmittags in Lissabon angekommen. Der Postdampfer Graf Bismarck“ hat am 25. April , . die Reise ven Ant⸗ werpen nach Bremen fortgesetzt. er Reichs Postdampfer Sach sen“, von Ost-Asien kommend, ist am 25. April Vormittags in Suez angekommen. Der Schnelldampfer Fulda ist am 25. April Morgens in New⸗NVork angekommen. Der Postdampfer „Braunschweig“' ist am 25. April Nachmittags auf der Weser

Lieferung von

angekommen.