untersuchten, cholerakrank, choleraverdächtig befundenen und in Quarantäne gelegten Personen sind genaue Nachweisungen zu führen.
Die leitenden Aerzte haben über alle Fälle von Cholera⸗ und choleraähnlichen Erkrankungen, sowie über alle Todesfälle thunlichst 6 Aufklärung zu suchen, sowie Material zur wissenschaftlichen
earbeitung zu sammeln.
Die in die Lazarethe der Ueberwachungsbezirke zur Aufnahme elangenden Kranken sind in ein Krankenbuch nach dem anliegenden
uster, Anlage E] einzutragen. Außerdem ist über jeden Kranken ein Krankenblatt nach anliegendem Muster, Anlage E] zu führen. Vach der Entlassung eines Erkrankten oder nach erfolgtem Tode eines derselben ist mit thunlichster Beschleunigung eine Krankengeschichte lnach der beiliegenden Anweisung, Anlage &] zu— sammenzustellen und an den Ober ⸗präsidenten zu Danzig abzusenden.
Periodische bakteriologische Untersuchungen des Flußwassers sind, soweit ausführbar, vorzunehmen.
Ueber jede choleraverdächtige oder zweifellos als Cholera erkannte Erkrankung ist mit möglichster Beschleunigung dem Ober-⸗Präsidenten zu Danzig, dem Regierungs⸗Präsidenten, dem Landrath und dem Wasser⸗Bauinspector eine kurze, in der Regel telegraphische Meldung zu erstatten.
Außerdem ist täglich nach Schluß des Dienstes eine Meldung über den Umfang und das Resultat der im Laufe des Tages be⸗ wirkten Untersuchungen an das Bureau des Staatscommissars zu erstatten. Zu diesem Zwecke werden den leitenden Aerzten der ,,. und Bootsüberwachungsstellen Postkarten mit vorgedrucktem Formular geliefert. Diese Karten sind noch am Tage der Ausfertigung zur Post zu befördern. ö
Die Aufsicht über den gesammten Dienst in den Ueberwachungs— bezirken und das mit der Ueberwachung betraute Personal einschließlich der leitenden Aerzte steht zunächst . Regierungs⸗Präsidenten zu.
h.
Die Regierungs-Präsidenten haben die zur Durchführung dieser Anweisung erforderlichen Polizei⸗Verordnungen zu erlassen. Sämmt⸗ liche Kreis Amts⸗ und Gemeindebehörden, deren Bezirke von den in X bezeichneten Wasserläufen berührt werden, die Beamten der Strombauverwaltung und der Ausführungscommission haben für die Veröffentlichung und Verbreitung dieser Anweisung Sorge zu tragen.
Danzig, den 1. April 1893. .
Der Staatscommissar für das Weichselgebiet, Ober⸗Präsident der Provinz Westpreußen und Chef der Weichsel-Strombauverwaltung. von Goßler.
Vorstehende Anweisung bringe ich unter Hinweis auf 8 327 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich, welcher lautet: „Wer die Absperrungs⸗ oder Aufsichtsmaßregeln oder Einfuhr⸗ verbote, welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens einer ansteckenden Krankheit an⸗ eordnet worden sind, wissentlich verletzt, wird mit Gefängniß is zu zwei Jahren bestraft.
Ist infolge dieser Verletzung ein Mensch von der ansteckenden Krankheit ergriffen worden, so tritt Gefängnißstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren ein.“
zur öffentlichen Kenntniß. Danzig, den 1. April 1893.
Der Staatscommissar für das Weichselgebiet.
än Gehlert, Ober⸗Präsident, Staats⸗Minister.
Personalver änderungen.
Königlich Preußische Armee.
Nachweisung der beim Sanitäts-Corps im Monat März 1893 eingetretenen Veränderungen. Durch Ver⸗ fügung des General⸗Stabsarztes der Armee. 2 März. Dr. Wagner, Unterarzt beim Pion. Bat. Fürst Radziwill (Ostpreuß.) Nr. 1, Br. v. Vagedes, Unterarzt beim Brandenburg. Jäger⸗Bat. Nr. 3, . 7. März. Dr. Christel, Unterarzt beim Gren. Regt. König Friedrich III. (Ostpreuß) Nr. I, .
8. März. Dr. Müller, Unterarzt beim Magdeburg. Jäger⸗ Bat. Nr. 4,
11. März. Dr. Dorendorf, Unterarzt beim Westpreuß. Feld⸗ Art. Regt. Nr. 16, Dr. Pu st, Unterarzt beim Inf. Regt. Graf Kirchbach (1. Niederschles) Nr. 46, .
14. März. Dr. Wadsack, Unterarzt beim 1. Großherzogl. Hesss. Inf. (Leib⸗Garde⸗) Regt. Nr. 1165, — sämmtlich mit Wahr- nehmung je einer bei den betreffenden Truppentheilen offenen Assist. Arztstelle beauftragt. ö
Beamte der Militär⸗Verwaltung.
Durch Verfügung des Kriegs⸗Mini sterium s. 7. März. Babe, Geheimer Rechnungs⸗Rath, Geheimer expedirender Seeretär vom Kriegs⸗Ministerium, auf seinen Antrag mit Pension in den Ruhestand versetzt.
12. April. Kagel, Ober⸗Roßarzt vom Feld ⸗Art. Regt. General- Feldzeugmeister (1. Brandenb.) Nr. 3, auf seinen Antrag mit Pension in den Ruhestand versetzt. ; ; ;
14. April. Hodapp, Zahlmstr. Aspr., zum Zahlmstr. beim XIV. Armee Corps ernannt.
Königlich Bayerische Armee.
Offiziere, Portepee⸗Fähnriche ꝛc. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im activen Heexe. 18. April. Röbl, Pr. Lt. des 17. Inf. Regts. Orff, unter Be⸗ förderung zum Hauptm. ohne Patent, zum Comp. Chef in diesem Truppentheil; die außeretatsmäß. Sec. Lts.: Herold, Dietl, Ranke, Frhr. v. Reck, Graf v. Brockdorff im 1. Feld⸗Art. Regt. Prinz⸗Regent Luitpold, Köth, Beckh, Herrmann, Steinmetz im 2. Feld⸗Art. Regt. Horn. v. Parseval, Robert Wagner, Alfred Wagner im 3. Feld⸗Art. Regt. Königin Mutter, v. 1 Pfeiffer, Frhr. Kreß v. Kreßenstein im 4. Feld⸗Art. Regt. König, Clem m, v. Weinrich im 5. Feld⸗A rt. Regt, Zimmermann im 1. Fuß⸗Art, Regt, vacant Bothmer, Utz, Michell⸗Auli, Schmitt im 2. Fuß ⸗Art. Regt. — zu Art. Offizieren, — ernannt. ö
19. April. Sckell, Oberst z. D., zum Commandeur des Landw. Bezirks Vilshofen ernannt. ¶ ⸗
21. April. Ritter und Edler x. Rauscher auf Weeg, Rittm. des 2. Ulan. Regts. König zum Escadr. Chef in diesem Regt. ernannt.
22. April. , . Pr. Lt. vom 2. Train⸗Bat., als über⸗ zähl. in das 5. Chev. Regt. Erzherzog Albrecht von Oesterreich mit einem Patent vom 22. April J. J.; die Sec. Lts.: Röckl vom 1. Feld Art. Regt. Prinz⸗Regent Luitpold, zum 1. Train⸗-Bat., Döllner vom 2. Feld⸗Art. Regt. Horn, mit einem Patent vom 7. Juli 18585, Thieß vom 4. Feld Art. Regt. König, May vom 2. Feld⸗Art. Negt. Horn, — sämmtlich zum 2. Train⸗Bat . — versetzt. Die Port. Fähnrs. v. Allweyer im 1. Feld⸗Art. Regt. Prinz⸗ Regent Luitpold, Nigst im 2. Feld⸗Art. Regt. Horn, Sensburg im 4. Feld⸗Art. Regt. König, — zu außeretatsmäß. Sec. Lts. be⸗ fördert. ᷓ Abschiedsbewilligun gen. Im activen Heere. 18. April. Wagner, Hauptm. und Comp. Chef im 17. Inf. Regt. Orff, Körger, Sec Lt. vom 1. Train⸗Bat., unter Verleihung der Aus⸗ sicht auf Anstellung im Civildienst und unter Charakterisirung als Pr. Lt., — mit Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform der Abschied bewilligt.
19. April. Mühe, Sec. Lt. 4. D, die Aussicht auf Anstellung im Civildienst ausnahmzweise nachträglich verliehen.
21. April. Forster, Rittm. und Escadr. Chef im 2. Ulan. Regt. König, mit Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform der Abschied bewilligt. ; 20
Im Beurlaubtenstande. 21. April. Kindler, Sec. Lt. der Res. des 5. Inf. Regts. vacant Großherzog Ludwig IV. von Hessen; von der Landw. 1. Aufgebots: 6 (of), Sauptm., unter Ertheilung der Erlaubniß zum Tragen der bis⸗ herigen Uniform, Scheider (Ansbach), Pr. Lt., — beide von der Inf.; von der Landw. 2. Aufgebots: den Pr. Lts.; Beck Dil— lingen), Frhr. Harsdorf v. En dern dorf (Gunzenhausen), Frhr. Griessenbeck von Griessenbach (Regensburg, Arendts, Krämer, Munker, Leistner, Hümmer, Ehrhardt (Nürn— berg), Lederle, Aull, Stadler (Ludwigshafen), Herzer (Zwei⸗ brücken), sämmtlich von der Inf., Köhler (Ludwigshafen) von der Fuß⸗Art, Zetlmayer, Regnault Eudwigshafen), beide von den Pionieren; den Ser. Lts. Fischer (Wasserburg, Ströfer (J. München), Schiller (Mindelheim, Wallner (Augsburg), Reh, Benz Dillingen,, Schöfer, Neumayr (Straubing), Weinschenk, Offenbacher, Erlbacher, Weigand, Held (Nürnberg), Reichenberger. Weigl (Ansbach, Kaufmann,
pGottschall, Seifferth (Bamberg), Schaf steck (Würzburg),
Ecarius (Ludwigshafen), sämmtlich von der Inf. Förster, Blum, Rößler (Nürnberg), diese von der Cav,, Bisch off (Dof), Ja co⸗ bus, Pfleger, (Ludwigshafen), Reiling (Zweibrücken), sämmtlich von der Feld⸗-Art.,, Grafselli (Mindelheim), Angerer (Bayreuth), beide von der Fuß⸗Art.,, — der Abschied bewilligt. (
Im Sanitäts⸗Corps. 21. April. Dr. Kiliani (J. München), Assist. Arzt 2. Kl. der Res., Dr. Killian (Ludwigs hafen), Stabsarzt von der Landw. 2. Aufgebots, Dr. Mannheimer, Dr. Schlirf (Nürnberg), Dr. Ul Lrich, Dr. Lustig (Ludwigshafen,), Dr. Oesterlein (Landau), Assist. Aerzte von der Landw. 2. Auf⸗ gebots, — der Abschied bewilligt.
Beamte der Militärverwaltung.
21. April. Sutor, Kanzlist der Intend. J. Armee⸗Corps, unter Verleihung des Titels eines Kanzlei⸗Seeretärs in den erbetenen Ruhestand getreten. Kettem ann, Bureaudiätar für den Secretariats— dienst von der Intend. J. Armee⸗Corps, zum Secretariats⸗Assistenten bei der Intend. II. Armee⸗Corps ernannt. Schuegraf II. (J. München), v. Ammon (Mindelheim), Ober⸗Apotheker der Landw. 2. Aufgebots, der Abschied bewilligt.
XIII. (Königlich Württembergisches) Armee⸗Corps.
Offiziere, Portepee⸗Fähnriche ꝛc. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im activen Heere. 21. April. Balan, Königl. Preuß. Oberst⸗Lt. à la suite des Kolberg. Gren. Regts. Graf Gneisenau (2. Pooreror.ãa,) Nr. 9, com⸗ mandirt nach Württemberg, mit der Führung des 4. Inf. Regts. Nr. 122 Kaiser Franz Joseph von Oesterreich König von Ungarn be— auftragt. Frhr. v. Röder, Major aggreg. dem Drag. Regt. König Nr. 26, unter Enthebung von dem Commando zur Dienst⸗ leistung bei dem Neben⸗Etat des Großen Generalstabs, als etatsmäß. Stabsoffizier in das Ulan. Regt. König Karl Nr. 19 versetzt. Eick, Königl. Preuß. Hauptm. à la suite des Fuß⸗-⸗Art. Regts. von Linger (Ostpreuß.) Nr. 1, von dem Commando als Comp. Chef im Fuß⸗ Art. Bat. Nr. 13 enthoben. Feucht, Hauptm. und Battr. Chef im 2. Feld⸗Art. Regt. Nr. 29 Prinz -⸗Regent Luitpold von Bayern, unter Eichung à Ia suite des Regts. nach Preußen commandirt zur Dienstleistung als Battr. Chef bei dem 2. Hannov. Feld⸗Art. Regt. Nr. 26, Fritsch, Hauptmann im Generalstab der 26. Division (1. Königl. Württemberg.), unter Verleihung eines Patents seiner Charge vom 16. Juli 1886, als Battr. Chef in das 2. Feld⸗AUrt. Regt. Nr. 29 Prinz⸗Regent Luitpold von Bayern, — versetzt. Anderheiden, Königl. Preuß. Hauptm. à la suite des Fuß⸗Art. Regts. General⸗Feldzeugmeister (Brandenburg) Nr. 3. commandirt nach Württemberg, die Stelle eines Comp. Chefs im Fuß⸗Art. Bat. Nr. 13 übertragen. Frhr. v. Soden, Hauptm. und Comp. Chef im Gren. Regt. Königin Olga Nr. 119, unter Ueberweisung zum General⸗ stabe der 26. Div. (J. Königl. Württemberg., in den Generalstab zurückversetzt. Bauer, Hauptm. im Gren. Regt. Königin Olga Nr. 119, zum Com Chef ernannt. Lambrecht, Königl. Preuß. Pr. Lt. à la suite des Fuß⸗Art. Regts. von Dieskau (Schles.) Nr. 6, von dem Commando zur Dienstleistung beim Fuß⸗Art. Bat. Nr. 13 enthoben. Glaser, Pr. Lt. im 8. Inf. Regt. Nr. 126 Großherzog Friedrich von Baden, in das Gren. Regt. Königin Olga Nr. 119 ver⸗ setzt. Ehrke, Sec. Lt. im Fuß⸗Art. Bat. Nr. 13, zum Pr. Lt. befördert.
Deutscher Reichstag.
85. Sitzung vom Freitag, 28. April, 1, Uhr.
Auf der Tagesordnung steht zunächst folgende Inter— pellation der Abgg. Richter und Genossen:
„Im Bereich des VII. preußischen Armee⸗Corps soll nach öffentlichen Blättern bei den Frühjahrs⸗Controlversammlungen ein Corpsbefehl verlesen worden sein, welcher mehrfach zu dem Miß— verständniß Veranlassung gegeben hat, als ob die Personen des Beurlaubtenstandes im Beurlaubtenverhältniß in Bezug auf ihre staatsbürgerlichen Rechte irgend welchen besonderen Beschränkungen bei der öffentlichen Erörterung allgemeiner Fragen der Militär⸗ gesetzgebung unterworfen wären. ;
Ich erlaube mir daher, den Herrn Reichskanzler zu fragen, ob derselbe geneigt ist, durch Mittheilung des wirklichen Sachverhalts der weiteren Verbreitung solcher Mißverständnisse entgegenzutreten.“
Aus der Verhandlung, über die bereits in der Nummer vom Freitag berichtet worden ist, tragen wir nachstehend noch die Rede des Königlich preußischen Kriegs-Ministers von Kaltenborn-Stachau zur Beantwortung der Ausführungen des Abg. Richter nach.
Bevollmächtigter zum Bundesrath, Königlich preußischer Kriegs-Minister von Kaltenborn-Stachau:
Meine Herren! Ich möchte zunächst den thatsächlichen Sach— verhalt, der die Veranlassung der Interpellation ist, feststellen. Der Sachverhalt ist der, daß das Departement für das Invalidenwesen im Kriegs⸗Ministerium unterm 15. März eine den § 101 des Militär⸗Strafgesetzbuchs bezüglich seiner Anwendbarkeit auf Personen des Beurlaubtenstandes erläuternde Verfügung erlassen hat. Ich bitte um die Erlaubniß, diese Verfügung vorlesen zu dürfen:
Berlin, 15. März 1893.
„Dem Königlichen General⸗Commando beehrt sich das Departe— ment ganz ergebenst mitzutheilen, wie aus Anlaß eines vom König⸗ lich württembergischen Kriegs-Ministerium zur Sprache gebrachten Einzelfalles, bei welchem der dem Beurlaubtenstande angehörige Vorsitzende eines Kriegervereins behufs Berathung über eine mili⸗ tärische Angelegenheit ohne Erlaubniß des zuständigen Vorgesetzten eine Versammlung von Personen des Beurlaubtenstandes veran— staltet hatte, an welcher mehrere Reservisten thatsächlich theil⸗ genommen haben, das General⸗Auditoriat die von dem diesseitigen Kriegs ⸗Ministerium gebilligte Rechtsauffassung ausgesprochen hat, daß sowohl die unbefugte Veranstaltung einer Versammlung von Personen des Beurlaubtenstandes behufs Berathung über militärische Angelegenheiten durch eine Person des Beurlaubten⸗ standes, als auch die Betheiligung von solchen Personen an einer derartigen Versammlung unter die Strafbestimmungen des § 101 des Militär⸗Strafgesetzbuchs falle.
Dem Königlichen General⸗Commando beehrt sich das Departe⸗ ment zur Vermeidung etwaiger Verstöße die gefällige weitere Ver⸗ anlassung hiernach an die örtliche Militärbehörden (Landwehrbezirke) ganz ergebenst anheim zu stellen.“
Die Anfrage des Königlich württembergischen Kriegs⸗Ministeriums ist unter dem 30. November 1892 erfolgt. Es ist da der Einzelfall, auf den sich die Anfrage bezog, nicht zur Sprache gebracht. Schon vorher war aber dem preußischen Kriegs-Ministerium bekannt ge⸗ worden, daß Mannschaften des Beurlaubtenstandes, welche vermeinten, während ihrer Einberufung zum Dienst vorschriftswidrig behandelt worden zu sein, nachträglich Beschwerden bei ihrem Kriegerverein zur Sprache gebracht haben. Der Vorsitzende machte hierauf diese Be⸗ schwerde zum Gegenstand einer Verhandlung und Beschlußfassung in der Generalversammlung und fertigte eine schriftliche Eingabe an, welche demnächst in die Hände der zuständigen Commandobehörden gelangte.
Gegen derartige Vorkommnisse, meine Herren, richtet sich also die Verfügung des Kriegs⸗Ministeriums, sie entbehrt jedes politischen Charakters und hat nicht den Zweck und auch nicht die Absicht, die Personen des Beurlaubtenstandes im Beurlaubtenverhältniß in der Ausübung ihrer staatsbürgerlichen Rechte irgendwie zu beschränken. Sie steht demnach auch keineswegs in Beziehung zur Militärvorlage.
Damit ist die Interpellation erledigt.
Es folgt die zweite Berathung des Nachtrags-Etats für 1893,94.
Berichterstatter Abg. Prinz von Arenberg (Centr.) befürwortet namens der Commission die Bewilligung von 50 400 S è zur Er⸗ hebung der Kaiserlichen Gesandtschaft in Washington zu einer Bot⸗ schaft. Die zunehmende Theuerung in Washington hätte auch ohnehin eine Erhöhung des Gehalts des Gesandten nothwendig gemacht, welches 1874 auf 63 009 Sι normirt war und jetzt auf 100 000 6 erhöht werden soll. Die Häufung der Geschäfte hat ferner die Anstellung eines zweiten Botschafts. Seeretärs erforderlich scheinen lassen. Die Umwandlung der Gesandtschaft zur Botschaft ist nothwendig, weil uns mit den Vereinigten Staaten wichtige eommerzielle und poli⸗ tische Interessen verbinden und wir die freundschaftlichsten Beziehungen zu denselben unterhalten. Referent befürwortet weiter die Bewilligung von 817 600 SU. zum Ankauf und zur Einrichtung eines Botschaftsgebäudes in Madrid. Der dortige Botschafter von Radowitz bezieht 20 000 S Woh⸗ nungsgeldzuschuß, wohnt jedoch in einem Hotel, weil sich bisher keine geeignete Privatwohnung fand. Das brachte für den Betschafter übermäßig hohe Kosten und auch schwere politische Unzuträglichkeiten mit sich. Jetzt hat man ein passendes Haus in Madrid gefunden und sich den Ankauf desselben für 850 000 Pesetas gesichert. Ein nach Madrid entsendeter deutscher Beamter hat den Werth des Gebäudes auf 1 100 000 Pesetas taxirt. Wird der Ankauf seitens des Reichs⸗ tags genehmigt, so spart das Reich nicht nur den Wohnungsgeldzuschuß an den Botschafter, sondern auch 10060 der Gehälter der übrigen Botschaftsbeamten, da diese dann ebenfalls freie Dienstwohnung er⸗ halten. Die Möbel zur Ausstattung des Botschaftshotels sollen mit geringen Ausnahmen aus Deutschland bezogen werden.
Bei den weiteren Kosten der Betheiligung des Reichs an der Weltausstellung zu Chicago (600 000 ) bedauert der
Abg. Goldschmidt (dfr.), daß seine Anregungen, betr. Er⸗ stattung eines Generalberichts beim Staatssecretär des Innern keinen Widerhall gefunden haben. Die Einzelberichte genügen nicht, denn sie betrachten die Ausstellung aus den Gesichtspunkten der Interessenten. Es handelt sich um die planmäßige Aufstellung eines einheitlichen Programms für sämmtliche Berichte. Alle Culturstaaten, auch Schweden und die Türkei, haben über die letzte Ausstellung in Paris ausgezeichnete einheitliche Berichte herstellen lassen, und eine solche Fundgrube der Belehrung sollte dem deutschen Volke nicht ver⸗ loren gehen. Auch die preußische Regierung hat im Auftrage der Zoll⸗ vereinregierungen über die Ausstellungen von 1851, 1854 und 1867 Berichte herausgegeben. Hoffentlich wird es doch noch möglich sein, im Rahmen der geforderten 600 000 M solche einheitlichen Berichte herzustellen.
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
Ich bedaure, daß der Herr Vorredner gestern nicht in der Sitzung der Budgeteommission, in der diese Position behandelt worden ist, zugegen war; dann würde er es miterlebt haben, daß ich aus eigener Initiative diese Frage der Generalberichterstattung dort zur Sprache gebracht habe, und er würde sich weiter davon überzeugt haben, daß unter den anwesenden Mitgliedern der Budgeteommission sein Ge⸗ danke, den er mit besonderer Wärme vertritt, daß ein Generalbericht über die Ausstellung in Chicago erstattet werden möge, auf einen fruchtbaren Boden nicht gefallen ist. Meine Herren, ich verkenne ja die Berechtigung des Wunsches des Herrn Vorredners an sich nicht, allein er wird mir auch zu gute halten, daß ich, bevor ich zur Erfüllung dieses Wunsches übergehe, sorgfältig prüfe, ob die Mittel, welche zu diesem Zwecke aufgewendet werden müssen, vorhanden sind, und ob diese Mittel auch im Verhältniß stehen zu dem Nutzen eines solchen Generalberichts. Ich will ihm übrigens bemerken, daß die Frage, ob die Erstattung eines Generalberichts zu veranstalten sein möchte, zur Zeit noch nicht abgeschlossen ist, daß aber doch recht erhebliche Bedenken seiner Anregung entgegenstehen. Und, meine Herren, diese Bedenken beruhen in Folgendem: Die Parallele mit früheren Ausstellungen und mit den Generalberichten, die über frühere Ausstellungen erstattet worden sind, trifft in diesem Falle nicht zu, denn wir haben noch keine Ausstellung gehabt, die so zahlreich und so umfassend beschickt worden wäre, wie die Chicagoer Ausstellung es zu werden verspricht. Es ist nun unmöglich, jemanden zu finden, der als Sachverständiger auf all den verschiedenen Gebieten, die auf der Ausstellung vertreten sind, die Berichterstattung in die Hand nehmen könnte; es ist vielmehr durchaus nöthig, daß, wenn man einen brauchbaren und für die betreffenden Industriezweige nutzbaren Bericht haben will, für jeden einzelnen Zweig des Ausstellungsgebiets besondere Bericht⸗ erstatter angestellt werden. Das wird auch der Herr Vorredner nicht in Abrede stellen, daß das durchaus nöthig ist. In dieser Beziehung folge ich gern der Anregung, die gestern wiederholt in der Commission gegeben worden ist, wonach es nicht allein darauf ankommt, wörtliche Beschreibungen zu geben, sondern wonach auch darauf das Augenmerk gerichtet werden muß, daß durch klare Zeichnungen die Fort⸗ schritte zur Anschauung gebracht werden, welche auf den ver— schiedenen Industriegebieten auf der Ausstellung in Chicago in die Erscheinung treten. Also, meine Herren, dafür wird gesorgt werden, daß auf den einzelnen Ausstellungsgebieten auch die Berichterstattung zu einer fruchtbaren sich gestaltet. Wir werden alle diejenigen Personen, die wir officiell absenden, verpflichten, über ihre
Wahrnehmungen auf der Ausstellung Bericht zu erstatten. Ob man später diese Berichte in einen Generalbericht zusammenschweißen will, das ist eine Frage für sich. Ich würde der Meinung sein, daß ein solcher Generalbericht zwar ein großes Interesse bieten würde, daß er auch einen gewissen feuilletonistischen Werth hat, daß er aber für die
Benliheilunm der Fortschritte, welche auf den einzelnen Industrie⸗ gebieten gemacht und zur Darstellung gebracht worden sind, ein er— schöpfendes Material nicht enthalten kann. Wer sich für diese Fort⸗ schritte interessirt, wer fortarbeiten will in seinem Gewerbe, in seiner industriellen Thätigkeit an der Hand der Ausstellungserfahrungen, der wird sein Augenmerk, sein Studium auf die Specialberichte, die für die einzelnen ihn interessirenden Gebiete erstattet werden, werfen müssen. Also, meine Herren, die Sache steht für mich so: Die Frage ist heute noch nicht entschieden, ich werde sie weiter prüfen; und wenn es möglich ist, werde ich auch gern dem Wunsche des Herrn Vorredners gerecht werden. Ich bitte ihn aber wiederholt, es mir nicht übel zu nehmen, wenn sich Hindernisse entgegenstellen, deren ich nicht Herr werde. Bis jetzt wenigstens ist mir noch niemand bekannt geworden, der es übernehmen würde, einen Generalbericht über die Ausstellung herzu⸗ stellen. Eine Compilation über die einzelnen Berichte würde sich freilich wohl auch durch eine nicht auf allen technischen Gebieten ge⸗ schulte Kraft beschaffen lassen. Jedenfalls werde ich dafür sorgen, daß die Berichterstattung so eingerichtet wird, daß sie unserer Industrie zu gute kommt.
Abg. Goldschmidt (dfr): Ein feuilletonistisches Interesse sollen die Berichte in keiner Weise haben, sondern, wie in früheren Jahren, eine erschöpfende Darstellung der Industrien geben, welche hervorragend auf der Ausstellung vertreten waren. Bie General— berichte von 1851,ů 1854 und 1867 haben in Deutschland wesentlich dazu beigetragen, die keramische und Maschinenindustrie zu fördern. Um solche wissenschaftlichen Berichte handelt es sich. Die Berichte müssen zusammengefaßt, redigirt und nach einem einheitlichen Plane des Reichscommissars abgefaß? werden.
„„Der Nachtrags⸗Ctat wird in seinen drei Positionen be— willigt.
Darauf wird die dritte Lesung der Wuchergesetz— novelle fortgesetzt. Die Generaldiscussion war gestern nicht zu Ende geführt worden.
Abg. Stadthagen (Soe.) wendet sich gegen die gestrigen Aus— führungen der antisemitischen Redner. Der Abg. Pr. Boeckel habe sich gegen einen Satz gewandt, den er (Redner) garnicht aufgestellt habe, daß die Antisemiten nur den jüdischen Wucher bekämpfen. Der Abg., Liebermann von Sonnenberg habe früher ausdrücklich vom Judenwucher gesprochen, der aus dem Lande geschafft werden müsse; auch später habe er ausdrücklich von jüdischen Wucherern gesprochen. Da sei es doch berechtigt, ihn zu fragen, wie er denn es machen wolle, speciell gegen jüdische Wucherer vorzugehen. Gestern habe er nun das zurückgenommen, während er vor zwei Jahren das ausdrück— liche Versprechen abgab, bei einem neuen Wuchergesetz zur Stelle zu sein und die jüdische Wucherwirthschaft zu brandmarken! Die herausgegebene Wucherliste habe er als unzutreffend erklärt und eine neue berichtigte in Aussicht gestellt. Aber trotz aller Spannung, einmal eine Arbeit von ihm zu Gesicht zu bekommen, sei bis jetzt nichts vorgelegt worden. Seine „statistischen“ Angaben werden von dem Statistiker von Scheel widerlegt, der den Beruf bei seinen Unter— suchungen zu Grunde lege, wobei sich denn ergebe, daß noch ein paar Christen mehr wuchern als Juden. Auffällig sei nur, daß der Abg. Dr. Boeckel nicht mehr Material für die Art, wie die Wucherer eigentlich vorgehen, beigebracht habe. Mir ist gesagt worden, daß in Frankfurt a. M. darüber vieles zu erfahren war, und der Abg. Dr. Boeckel hätte dort sehr gute Studien machen können; denn ein Mann, der auch den Namen Boeckel trug, hat dort vor fünfzehn Jahren ganz außerordentlich activ Wuchergeschäfte gemacht. (Abg. Dr, Boeckel; Gemeinheit! Das war mein Vater! Vice⸗Präsident Dr. Baumbach ruft den Abg. Dr. Boeckel wegen dieses Ausdrucks zur Ordnung. Abg. Hr. Boeckel ruft weiter: Erbärmlichkeit! Schuft! Vice -Präsident Dr. Baum⸗ B wiederholt zur Ordnung, Sie haben den Ausdruck „Schuft“ gegen einen Abgeordneten ge— braucht. Abg. Dr. Boeckel: Ich kann meinen Vater nicht beschimpfen lassen!! Wucher ist im Volkssinn, in der Volksanschauung, wenn man in einer Alimentenangelegenheit Ausflüchte macht, zu Lügen seine Zuflucht nimmt und die Betrogene hilflos ö Um aber solche schändliche Thätigkeit zu bestrafen, dazu wäre nöthig, daß aus 5 302, welcher jedes andere Rechtsgeschäft unter Strafe stellt, welches die Kriterien des Wuchers an sich trägt, das gewerbs- und gewohnheits— mäßig“ wieder beseitigt werde. Ich stelle besonders den Herren der antisemitischen Partei, die den letztangeführten Fall sehr genau kennen, diese Anregung zur Erwägung. Der Wucher wird allerdings erst auf— hören, wenn die Ausbeutung aufhört; aber deshalb dürfen wir nicht die Hände in den Schoß legen, sondern müssen nach Möglichkeit ver⸗ suchen, den Wucher zu treffen. Nach wenigen Jahren schon wird man erkennen, daß viel weiter gegangen werden muß, daß Begünstigungen, wie beim Retentionsrecht, unter allen Umständen aufgehoben werden müssen.
Abg. Kunert (Soc.): Der Abg. Liebermann von Sonnenberg hat mich zum Antisemiten gestempelt. Ich bekämpfe den Wucher bei Juden wie bei Christen, die Ausbeutung in jeder Form, von wem immer sie betrieben wird. Gegen seine Auffassung des Wucherbegriffs berufe ich mich auch auf die Autorität des Abg. Ahlwardt. Der Herr ist früher nach einem jetzt veröffentlichten authentischen Briefe Philosemit gewesen, und ich kann mittheilen, daß, wenn der Versuch einer Anleihe des Abg. Ahlwardt bei dem Abg. Singer durch meine Vermittelung ge— lungen wäre, er auch gern Socialdemokrat geworden wäre. (Präsident von Levetzow ersucht den Redner, zur Sache zu kommen.) Anderer— seits hat der Abg. Ahlwardt selbst publicirt, daß ein Wucherer und Halsabschneider der schlimmsten Art, Johannes Krüger aus der Thaer⸗ straße in Berlin, ein ausgesprochener Antisemit ist. Ich will mit dem Antisemitismus nichts zu thun haben.
Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.): Ich habe auch schon in einer meiner früheren Reden ausdrücklich mich gegen alle Wucherer, christliche wie jüdische, ausgesprochen, und zwar in einer Rede, die der Abg. Stadthagen erwähnt hat; er hat sie nicht ein— mal ganz gelesen. Die hessische Güterschlächterliste habe ich als nicht ganz richtig erkannt und das dem Abg. Rickert gegenüber zugegeben. Daß die Zugehörigkeit zum Kaufmannsstande auch eine höhere Bethei⸗ ligung beim Wucher begründet, dagegen möchte ich doch den deutschen Kaufmannsstand in Schutz nehmen.
Abg. Dr. Boeckel (b. k. F.): Ich habe rein sachlich gesprochen, während die Antwort des Abg. Stadthagen durchaus persönlich war. In Frankfurt giebt es nur einen Mann des Namens Boeckel, das ist mein Vater. Mit diesem persönlichen Angriff geht der Abg. Stadt⸗ hagen gegen mich vor. Billigt jemand hier im Hause diese Kampfes—⸗ weise? (Ruf: Das ist ja die Ihrige! Ahlwardt!) Ich habe stets zu seinen Feinden gehört, auch als er hoch stand im Ruhme. Aber sein Vorgehen war nicht schlechter als dasjenige des Abg. Stadt⸗ hagen. Den Vater beschimpfen, um den Sohn zu verdächtigen, das hat der Abg. Ahlwardt nicht gethan. Ich habe gestern nicht ein einziges Wort gebraucht, welches die Herren berechtigt hätte, so in die Schimpfereien hineinzutreiben. Der Abg. Kunert wird nervös, wenn man seine Gedichte anführt; er hat aber doch jene vier Zeilen über den jüdischen Kapitalisten geschrieben. Ich habe ihn nicht denunziren wollen; ich wollte bloß constatiren, daß dieser Vers eine besondere Zuneigung zu den Juden nicht verräth. Die Soeialdemokraten können auch kein Interesse daran haben, daß die Güterschlächter verschwinden; denn je eher der Bauernstand durch diese Güterschlächtereien verschwindet, desto eher kommt der Zukunfts—⸗ staat. In meiner Druckerei wird stets der Tarif bezahlt; beweisen Sie mir das Gegentheil, aber setzen Sie nicht allgemeine Verdächti⸗
gungen in die Welt!
Abg. Stadthagen (Soe.) weist die Angriffe des Abg. Lieber⸗ mann von Sonnenberg gegen ihn als unbegründet zurück. Durch neue Citate sucht er nachzuweisen, daß der Genannte von jüdischem Wucher als der schlimmeren Art gesprochen hat. Die Gutsschlächter
. // /// /
liste habe der Abg. Liebermann von Sonnenberg vor zwei Jahren versprochen, aber bis heute thatsächlich nicht .
Ein Schlußantrag wird angenommen.
In der Specialdiscussion werden ohne Debatte Art. bis III nach dem Beschlusse zweiter Lesung genehmigt.
Art. IV (Rechnungsauszug) soll, nach einem Antrage aller Parteien mit Ausnahme der freisinnigen in redactionell etwas veränderter Fassung angenommen werden. Zu den Instituten, auf welche die z fe, des Art. IV keine An⸗ , soll, will der Abg. Dr. Osann neben den öffent⸗ lichen Banken auch die unter öffentlicher Aufsicht stehenden Banken hinzufügen.
u Abg. Freiherr von Buol (Centr) empfiehlt die Compromiß⸗ assung.
Abg. Träger (dfr.) bekämpft einmal diese juristische Ne deren Werth ein sehr problematischer sei, di h ö. , schäftsverkehr ganz ungemein belasten würde, und bittet das Haus um Ablehnung derselben. Seine Bedenken beruhten nicht auf Pedanterie sondern entsprängen praktischen Rücksichten.
Abg. Büsing (ul) muß anerkennen, daß die vereinbarte Fassung auch noch keine vollständige Lösung der streitigen Frage bildet, bittet aber um Annahme des Antrags, um wenigstens diejenigen Ver—⸗ besserungen der Vorlage, die er enthält, in Sicherheit zu bringen.
Abg. Funck (dfr.) spricht sich gegen, der Abg. Freiherr von Stum m (Rp.) für den Compromißvorschlag aus, der auch vom Bundesrathstisch durch den Director im Reichs⸗-Juftizamt Gutbrod empfohlen wird.
Abg. Seipio (nl) begründet den Antrag Osann.
Art. IV wird nach dem Compromißantrage unverändert angenommen.
Art. Vist in zweiter Lesung auf Antrag Rintelen auf⸗ genommen worden. Er überläßt der Landesgesetzgebung, weitere Bestimmungen zur Verhütung und Bestrafung des Wuchers bei dem Handel mit Vieh, bei der Viehpacht und bei dem Handel mit ländlichen Grundstücken zu treffen.
Abg. Rintelen, (Centr.] beantragt, den Art. V so zu fassen, daß der gewerbsmäßige Betrieb der Viehverstellung (Viehpacht), des Viehhandels und des Handels mit ländlichen Grundftücken dem 8 35 der Gewerbeordnung unterstellt wird, wonach diefe Be— triebe unter die Concessionspflicht gestellt werden.
Abg. Schrader (dfr.) spricht sich gegen diese neue Fassung und gegen die plötzliche Aenderung einer bestehenden festen Gesetzgebung ö für welche Aenderung nicht das geringste ausreichende Materiat vorliege.
Art. Y wird angenommen und sodann das ganze Gesetz.
Damit ist die dritte Berathung des Wuchergesetzes beendigt.
Schluß 5i/ Uhr.
Preusßziischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 70. Sitzung vom Freitag, 28. April.
Die zweite Bergthung des Communalab . wurde im weiteren Verlauf der Sitzung (s. den Anfangsbericht in der gestrigen Nummer d. Bl.) bei 8 46 fortgesetzt.
Die S5 10 –=44 handeln von der Vermeidung der Doppel⸗ besteuerung sie treffen Bestimmung über die Vertheilung der Steuerpflicht zwischen den verschiedenen Wohnsitzgemeinden bezüglich der Einkommensteuer und den verschiedenen Betriebs⸗ gemeinden, bezw. Belegenheitsgemeinden bezüglich des Ein— ommens aus Gewerbebetrieben bezw. Grundbesitz.
; Mit einigen redactionellen Aenderungen werden diese Vorschriften nach unerheblicher Debatte mit Ausnahme des S 44 genehmigt.
Nach 5 44 . die Besitzer von Actien die ihnen daraus zufließenden Dividenden von ihrem Einkommen absetzen dürfen, wenn die Gemeinde die Actiengesellschaft oder Eommandit⸗ gesellschaft auf Actien besteuert hat.
Abg. Apen dt Greicons.) hält diese Abweichung von dem jetzigen Verfahren für durchaus unberechtigt. Die Doppelbesteuerung im Staate sei eingeführt, in den Gemeinden habe sie schon früher be— standen und jetzt solle hier ein Abzug der Einnahmen aus AÄctien— gesellschaften gestattet werden. Das sei eine ungerechte Bevorzugung von Actien, die dazu anreizen werde, die Staatspapiere zu verkaufen und Aetien zu kaufen. Dadurch werde der Staatscredit gefährdet und das Privgtpublikum an die Börse getrieben. Redner beantragt den 5 44 zu streichen, weil derselbe großen Unwillen im Lande hervor rufen werde. Er sei in der Commission auch nur angenommen worden, weil hierüber ein Compromiß abgeschlossen sei.
Abg. Enneccerus (nl)) bestreitet die letzte Behauptung des Vorredners; die Conservativen und wohl auch ein Theil der Frej—⸗ conservativen hätten sich unabhängig von den Nationalliberalen für den z 44 ausgesprochen, aber ohne daß irgend welche Vereinbarung darüber stattgefunden. Lediglich praktische Gesichtspunkte hätten zu dem 5 44 geführt. Man sollte die Doppelbesteuerung möglichst vermeiden; daß dabei vielleicht einige Besitzer von ausländischen Actien steuerfrei ausgehen könnten, das ließe sich durch einen Zusatz beseitigen, wonach nur Actien von Gesellschaften, die in Preußen domieilirt sind, steuerfrei bleiben sollen. ;
Abg. Fritzen-Borken (Centr.) erklärt sich gegen den 5 44,
aber nicht, weil er denselben für so bedenklich hält wie der Abg. Arendt, sondern namentlich aus praktischen Gründen. Die Actien der großen Bergwerke, der großen Versicherungsgesellschaften, die im Rheinland belegen sind, befänden sich in den Händen von Personen, die in Bonn u. s. w. wohnen. Der Ausfall diefer Gemeinde an Ein kommensteuer würde daher sehr bedeutend sein, und diesen Ausfall müßten die anderen Steuerzahler decken. Eine Doppelbesteuerung liege vor, aber es lasse sich keine Lösung finden, welche den Inter⸗ essen der Wohnsitzgemeinden gerecht werde. . Ein ö. des Abg. Freiherrn von Zedlitz will im Falle des 5 44 den Gemeinden gestatten, wenn das Einkommen eines Steuerpflichtigen durch den Abzug von Dividenden aus Actien sich auf weniger als die Hälfte vermindert, die volle Hälfte desselben zu besteuern. (Die Vorlage spricht von einem Viertel.)
Abg. von Jagow (Conf.) erklärt sich für diesen Antrag, aber für die Aufrechterhaltung des 5 44. Die Rede des Herrn Arendt erinnere an die Zeit, wo die Einkommensteuer für die Aetien⸗ gesellschaften eingeführt werden sollte; da habe es auch geheißen: die preußischen Actiengesellschaften würden concurrenzunfähig gemacht. Diese Folge sei nicht eingetreten, und ebensowenig werde jetzt die un⸗ gekehrte Folge eintreten, welche Herr Arendt geschildert habe, nämlich daß eine neue Gründerära beginnen werde.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Die Frage der Berechtigung der sogenannten Doppelbesteuerung der Gesellschaften in Staat und Gemeinde ist trotz der Entscheidung, die in dieser Beziehung das Einkommensteuergesetz trifft, und trotz der Thatsache, daß seit langen Jahren in den Ge— meinden die Doppelbesteuerung bestanden hat, in den Gemüthern noch nicht geklärt, sie bleibt streitig, eine befriedigende einmüthige Auf— fassung über diese Frage ist noch nicht vorhanden. Ich glaube, das wird das ganze Haus mir zugeben: die Staatsregierung hat bei Vor⸗ legung des Einkommensteuergesetzes dies auch mehr oder weniger anerkannt, indem sie vorgeschlagen hat, 35 ! des Anlage— kapitals frei zu lassen. Man ging davon aus: die privilegirten
Gesellschaften haben durch die durch die Gesetzgebung ihnen gegebene Erleichterung der Association der Kapitalien, durch das Recht, Papiere au porteur auszugeben, und durch andere aus der Gesetzgebung derivirende Vortheile eine solche Stellung, daß sie in der Regel mehr Dividende werden vertheilen können, wie das Privatkapital es sonst möglich macht, und da hat man gesagt: wir wollen 3 o/o gewissermaßen als landesüblichen Zinsfuß frei lassen; in Bezug auf den Rest, da es sich obendrein um eine selbständige Per⸗ sönlichkeit handelt, liegt ein Unrecht in der sogenannten Doppel⸗ besteuerung jedenfalls nicht.
Nun hat Herr von Jagow nach meiner Meinung ganz zutreffend gesagt: dieses Vorgehen der Staatsregierung, das gewissermaßen einen Compromiß unter den verschiedenen Ansichten darstellt, ist in Be⸗ ziehung auf die Gemeinden völlig unmöglich und würde den all— gemeinen Grundsätzen der Communalbesteuerung, wie sie im Gesetz enthalten sind, widersprechen; denn würden wir die 35 Co hier abziehen und im übrigen alles lassen wie bei der Staatsbesteuerung, so würden wir diejenigen Gemeinden wesentlich schädigen, zu deren Schädigung nicht allein nicht die geringste Ver— anlassung ist, deren volle Besteuerung der betreffenden Actiengesell⸗ schaft vielmehr durchaus berechtigt ist, weil die Betriebsgemeinde die Gesammtkosten vor dieser Actiengesellschaft hat, und anderentheils weil die Ausgaben dieser Gemeinde auch der betreffenden Actien⸗ gesellschaft zu gute kommen. Darüber ist also Einverständniß vor⸗ handen, daß die Betriebsgemeinde, wo die Actiengesellschaft ihren Sitz hat, in keinem Falle geschädigt werden darf.
Nun kommen wir auf die Frage: können wir ähnlich, wie das in dem Einkommensteuergesetz geschehen ist, auch hier einen Mittelweg finden, der die verschiedenen entgegengesetzten Auffassungen mehr oder weniger ausgleicht und einen billigen Vergleich gewisser— maßen darstellt? Die Staatsregierung war in ihrem § 44 dahin gekommen, daß hier eigentlich keine dringende Veranlassung zu einem solchen Mittelwege vorläge. Man ging davon aus, daß diejenigen Gemeinden, in welchen solche Actionäre wohnen, deren Actien sich auf einen Betrieb in einer anderen Gemeinde beziehen, eigentlich keine besondere Hilfe verdienen, weil das doch meist solche Persenen sind, deren Aufenthalt in der Gemeinde keine besonderen Kosten verursacht, und welche im Gegentheil doch im übrigen die Steuerkraft der Ge— meinde im allgemeinen erhöhen, ohne ihr entsprechende Lasten auf⸗ zuerlegen.
Die Commission in erster Lesung acceptirte den Vorschlag nicht, sondern blieb bei dem Bestehenden und strich den 5 44, in zweiter Lesung drang dasselbe Gefühl der Billigkeit und der Nothwendigkeit, hier einen Mittelweg zu suchen, durch, welches das Haus beseelte bei Annahme der betreffenden Vorschläge in dem Einkommensteuergesetz, nur daß hier ein anderer Weg ein—⸗ geschlagen werden mußte aus den Gründen, welche ich hier an⸗ geführt habe.
Nun glaube ich doch auch nicht, daß, wenn nun der Mittelweg, den die Commission vorschlägt, angenommen wird, daraus eine be⸗ sondere Härte für die Wohnsitzgemeinde entsteht. Wenn aber der Wohnsitzgemeinde ein Viertel an sich frei bleibt, wenn daneben un⸗ endlich viele Fälle vorkommen werden, wo die ganzen Voraus⸗ setzungen des 5 44 der Commission nicht erwiesen werden können, sodaß doch in vielen Fällen eine volle Besteuerung eintritt, wenn ferner erwogen wird, daß gerade diese wohlhabenden Leute, die diese Actien besitzen, dieser Wohnsitzgemeinde keine besonderen Lasten ver⸗ ursachen, daß es aber doch eine Härte in sich schließt, wenn ohne den Abzug von 3500 hier nun das Ganze versteuert werden soll neben der staatlichen Versteuerung der Aectiengesellschaften, neben der Be⸗ steuerung derselben durch die Kreise, neben der Versteuerung derselben durch die Provinzen, so glaube ich, kann man nur sagen: im großen und ganzen hat die Commission einen billigmäßigen Ausweg gesucht und gefunden. Darüber läßt sich ja natürlich streiten, ob man hier die Hälfte oder ein Viertel nehmen will, wie überhaupt über die Mo⸗ dalitäten eines Vergleichs ja immer verschiedéne subjective Ansichten möglich sind. Vom Standpunkte der Staatsregierung steht dieses Viertel dem Vorschlage der Staatsregierung am nächsten. Der Vorschlag der Staatsregierung ist auch nicht neu, er war bereits in dem früheren Entwurf, wenn ich nicht sehr irre, des Communalsteuergesetzes vor⸗ handen und hat damals, wenn ich nicht irre, auch nicht viel Anfech⸗ tung gefunden.
Meine Herren, ich habe zu meinem Bedauern den ersten Reden in dieser Frage nicht beiwohnen können; ich höre aber, daß namentlich Herr Dr. Arendt gefürchtet hat, man könne dadurch wieder zu einer Börsenspeculationsperiode kommen, und das müsse vermieden werden. Dieser Ansicht kann ich nicht sein, im Gegentheil, wenn nur die⸗ jenigen Actionäre den Abzug haben, welche nachweisen, daß sie ein Jahr diese Actien besessen haben, so wären ja diejenigen Personen ausgeschlossen, welche lediglich der Speculation wegen von heute auf morgen Hand zu Hand wechseln. Ich glaube, nan würde hier nur die Personen begünstigen, welche dauernd die Acetien besitzen, ohne Rücksicht auf ihren Cursstand, ohne die Absicht der Veräußerung nach dem jeweiligen Curs, sondern, weil sie sich dauernd an einem solchen Unternehmen betheiligen wollen. Gerade der Herr Abg. Fritzen hat solche Beispiele angeführt, z. B. betreffs der Colonia. Ich bin überzeugt, daß am Rhein eine große Anzahl von Familien vorhanden ist, die seit Jahren, ohne an eine Speculation zu denken, derartige Versicherungsactien besitzen und nur den Genuß der jährlichen Divi⸗ dende haben, die sie als dauerndes Anlagekapital betrachten. Es ist aller⸗ dings richtig, daß die Actiengesellschaft nicht herangezogen wird zur Ver⸗ mögenssteuer und daß die Vermögenssteuer der eommunalen Besteuerung nicht unterliegt. Ich habe das früher selbst bereits ausgeführt nach derselben Richtung hin. Ebenso ist richtig, daß manche Actiengesell˖ schaften in Zukunft weniger Gewerbesteuern bezablen werden, als sie bisher an den Staat zu zahlen hatten bezw. haben würden, wenn die Gewerbesteuer nicht eine Communalsteuer geworden wäre. Das kann aber doch nach meiner Meinung nicht dahin führen, auf diese Gesichte⸗ punkte, welche ich mir vorzutragen erlaubte, keinen Werth zu legen.
Meine Herren, es ist doch zweifellos richtig, daß das Vermögen, welches in Aetien angelegt wird, wenn es be— steuert wird über 3 ,½ des Anlagekapitals hinaus, wenn es nun voll besteuert würde in der Commune ohne Abzug für die ein zelnen Aetionäre, wenn daneben noch Kreis und Provinz binzukommen, allerdings eine bedeutende Belastung tragen würde, und ich glaube daher, es wird richtig sein, das Haus verfährt fo wie bei der Be— rathung des Einkommensteuergesetzes und acceptirt den Vorschlag der Commission, wenigstens den Vorschlag deg HDerrn Arg.
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