Im Kroll'schen Theater wurde die Wiederholung von Tasca's A Santa Lucia rait dem Künstlerpaar Stagno-Bellincioni, welche auf morgen angejetzt war, vielen an die Direction gelangenden Wünschen entgegenkommend, auf Mittwoch verlegt.
Mannigfaltiges.
Wiewohl schon vor mehreren Jahren dem hiesigen Publikum behufs möglichster Beschleunigung des hiesigen Briefbestellgeschäfts in den .. und im Zusammenwirken mit der Postberwaltung empfohlen worden ist, von der ö von Briefkasten an den einzelnen Wohnungen in ausgedehntem Umfange Gebrauch 2 machen, so hat doch diese zweckmäßige Aufforderung im hiesigen
zrte noch nicht den Erfolg gehabt, welcher durch gleichartige Ein⸗ wirkungen auf das Publikum in anderen großen Städten erzielt worden ist. Den hiesigen Wohnungsinhabern wird daher im eigenen Interesse von neuem gerathen, Briefkasten an den Eingangsthüren anbringen zu lassen; die Wirkung einer größeren Beschleunigung des Briefbestellgeschaͤfts und die gesichertere Wahrung des Brief⸗ und des Geschäftsgeheimnisses wird alsdann nicht ausbleiben.
In der Charits ist die Besuchszeit für geisteskranke Männer, statt wie bisher ch Freitag, von jetzt ab auf Sonnabend, Vor⸗ mittags 8 bis 9 Uhr, angesetzt worden.
Ueber das Deutsche Haus“ auf der Weltausstellung in Chicago entnehmen wir einem Bericht des „Centr.-Bl. d. Bauv.“ das Nachstehende: Abseits von den riesigen Hauptausstellungspalästen und ihrem Menschengewege, still und poetisch an der breiten Küsten— promenade, die den malerisch geschwungenen Ufern des Michigansees
Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation angefertigtes Glocken- geläut enthält. Im Gegensatz zu der auf der We k sonst fast ausschließlich angewendeten Herstellung der Gebäude aus Hol gerüsten mit Gipsplattenbekleidung ist das Deutsche Haus“ durchweg massiv gemauert und nach den besten Regeln deutscher Maurer. und Zimmermannskunst unter der Leitung des in Chicago ansässigen deutschen Architekten Fiedler aufgeführt. Nur der Hauptthurm an der Seefront ist aus Eisen hergestellt und mit Gips— bewurf auf Latten versehen worden. Alle Fronten sind in i, und Fachwerksbau, die Sockel aus Bruchstein, die Ge⸗ ij Fenstergewände und Figlen des Ostgiebels aus Kunst— andstein hergestellt. Bis auf die Bausteine sind alle zum Bau verwandten Materialien, sämmtliche Balkenlagen und Holz⸗ verbindungen, die Falzziegel und Kupfertheile der Dachdeckung, sowie alle Gegenstände des inneren Ausbaues aus Deutschland be⸗ zogen; auch sind bis auf die Herstellung der Maurerarbeiten lediglich deutsche Arbeiter beim Bau verwendet worden. Deshalb werden sich die ursprünglich auf 309 009 M vexanschlagten Baukosten, trotzdem die Unternehmer einen großen Theil der von ihnen übernommenen Arbeiten kostenlos oder nur unter Berechnung der Selbstkosten geleistet haben, auf nahezu 500 000 S erhöhen.
Morgen Abend hält Herr Dr. Oskar Lubarsch in der Urania zum ersten Mal einen chemisch-physikalischen Experimental⸗Vortrag über „die Atmosphäre in ihrer Be⸗ deutung für die Lebensprozesse der organischen Welt.“
Liegnitz. Der Musik-Direetor im Grenadier-Regiment König Wilhelm J. (2. Westpreußisches) Nr. 7, Goldschmidt in Liegnitz feiert heute sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum. Seit beinahe vierzig Jahren steht Goldschmidt an der Spitze des Musikcorps des Regi⸗
Christianig, 1. Mai. Das Wikingerschiff ist laut Meldung des . W. T. B. gestern Nachmittag von Bergen nach Amerika abgegangen.
Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.
Rom, 1. Mai. Die beiden Sonderzüge mit Ihren Majestäten dem König Humbert und der Königin Margherita sowie Ihren Majestäten dem Kaiser Wilhelm und der Kaiserin Auguste Victoria sind auf der Fahrt von Neapel nach Spezia gegen 3 bezw. 33/6 Uhr Nachts ohne Aufenthalt und ohne in den Bahnhof einzufahren, hier durchpassirt. Eine Begrüßung durch die Spitzen der Behörden unterblieb auf Wunsch Ihrer Majestäten.
Spezia, 1. Mai, Vorm. (W. T. 3 Die Stadt, besonders der Bahnhof sowie die Straßen, welche Ihre Majestäten tren werden, sind auf das festlichste geschmückt; überall ist in italienischen und deutschen Farben geflaggt. Auf dem Bahn— hof ist der Wartesaal erster Klasse in einen prächtigen Empfangssalon umgewandelt worden. Die Straßen sind über⸗ füllt; aus den benachbarten Ortschaften strömen die Landleute in großen Schaaren herbei. Die Vereine versammeln sich um 10 Uhr im Stadttheater und nehmen dann zum Empfange Ihrer Majestäten Aufstellung. .
Spezia, 1. Mai, Mittags. (W. T. B.) Die Kaiser⸗ lichen und die Königlichen Majestäten sind unter enthusiastischer Begrüßung der Bevölkerung hier eingetroffen.
folgt, erhebt sich das ‚Deutsche Haus“, das Repräsentationshaus des Deutschen Reichs. Der Schwerpunkt in der Gesammtanordnung des Gebäudes, dessen Entwurf von der Hand des Königlichen Regierungs⸗ Baumeisters Radke in Berlin herrührt, ist auf eine mögligst malerische Gruppirung der einzelnen Bautheile gelegt worden. Und auf die Gefahr hin, daß der strenge Kritiker eine klare, einheit liche Wirkung der gesammten äußeren Erscheinung vermissen möchte, sind in diesem Architekturstück die Formen gothischen Stils mit denen der deutschen Frührenaissance geschickt verquickt worden, während die Schöpfer der großen Ausstellungspaläste fast ohne Ausnahme den strengen Formen antiker Bauweise gehuldigt haben. Der Haupteingang des Gebäudes, durch einen Giebelaufbau mit darüber aufsteigendem hohen Aufbau betont, ist an der der Strandpromenade zugekehrten östlichen Hauptfront des Gebäudes angeordnet worden. Durch die offene Vorhalle gelangt man in eine geräumige, mit reichem Eingangshalle, an die
Sterngewölbe überdeckte das Treppenhaus, rechts. Empfangs⸗ und des Reichscommissars anschließen. Nach hinten
Eingangshalle in ihrer ganzen Breite unmittelbar nach den Haupt— ausstellungsräumen des Gebäudes, zwei großen, durch zwei Geschosse
kahn, theils durch hohes Seitenlicht erhellt werden und im SBbergeschoß mit ringsumlaufenden Galerien umgürtet sind, welche die Verbindung der in diesem Stock— werk Henni Bureaus des Reichs⸗-Commissariats untereinander herstellen. In den höheren nur zum theil ausgebauten Stockwerken ollen die Geschäftsräume des Stangen'schen Reisecomptoirs ihren Von den großen Hauptausstellungssälen mit der „W. T. B.“ zufolge im Centrum der
reichenden Sälen, die theils durch gewö
latz erhalten.
Sammelausstellung des deutschen Buchgeiwerbes und der Zellstofffabrik Waldhof gelangt man auf einer breiten Freitreppe zu der Ausstellung
ments, zuerst als Vertreter seines
Kolbergermünde telegraphirt: Reichstelegraph“ gerettet. St. Petersburg, 30. April
T; B.“ aus Nishny Nowgorod Eisgang bedrohten Sormowoer
sich links Arbeitszimmer öffnet sich die
Aetna hat sich, dem . W. T. B.“ flüssige Lava gezeigt.
etwa vierzig Häuser durch eine
kirchlicher Kunstgegenstände in einen nach Westen ö Kapellen⸗ mittags gelang es, dem Feuer Einh
bau, dessen Glockenhaus ein für die Gnadenkirche in Berlin bestimmtes, vom
Ausübung des Dienstes behinderten Vorgängers, seit 1858 aber als Stabshautboist. 1869 wurde er zum Königlichen Musik-⸗Director ernannt. Im Feldzuge von 1870! 71 hatte Goldschmidt, so lange das Haupt- quartier des hochseligen Kaisers Wilhelm in Versailles war, alle Musikaufführungen zu leiten und auszuführen. Am 18. Januar 1871 bei der Kaiser⸗Proelamation hatte er 130 Hautboisten und Sänger eingeübt, welche die großartige geschichtliche Feier begleiteten. Für fein tapferes Verhalten bei Weißenburg und Wörth erhielt er aus der Hand des Kronprinzen, nachmaligen Kaisers Friedrich III., das Eiserne Kreuz.
Bremen, 1. Mai. Der Vorstand der Rettungsstation
Fischerboot Nr. 74 drei Personen durch das Rettungsboot Nach einer Depesche des ‚W.
sämmtlich aus der Wolga nach dem Okafluß übergeführt. Catania, 29. April. Auf dem Grunde des Centralkraters des
Stockholm, 1. Mai. In der vergangenen Nacht wurden dem
Aus Carlstad traf mittels Separatzuges Hilfe ein.
durch Alter und Krankheit an der
Kaiser und
Am 1. Mai von dem gesunkenen
ist die Rettung der durch den Schiffe gelungen. Sie wurden
ͤ Strikender ist zufolge, an vier Stellen glühende,
tadt Christinehamm Feuers brunst in Asche gelegt. Um 9 Uhr Vor⸗ alt zu thun.
Die Batterien der Forts und die auf der Rhede vor Anker liegenden Schiffe gaben Salutschüsse ab. Genua, J. Mai. (W. T. B.)
Mig Ihre Majestät der die Kaiserin werden heute Abend 8 Uhr
43 Minuten hier eintreffen und um 8 Uhr 49 Minuten die Reise über den St. Gotthard fortsetzen.
Reichenberg, 1. Mai. dustriestödet Grottau an der sächsischen Grenze wurde eine halbe Compagnie Jäger entsandt, weil man Ruhe⸗ störungen anläßlich der Maffeier 9 zerstreute mehrere Arbeitertrupps, welche sich in drohender Haltung vor einigen Fabriken angesammelt hatten. Etwa die Hälfte der Arbeiter setzt die Arbeit ruhig fort.
London, 1. Mai. (W. T. B. Trotz der gestern von den Dock⸗ arbeitern zu Gunsten eines allgemeinen Strikes gefaßten Beschlüsse haben fast sämmtliche Lond oner Dockarbeiter mit Ausnahme der Kohlenträger heute früh die Arbeit aufgenommen. Eine
(W. T. B.) Nach der In⸗
ürchtet. Das Militär
; wieder große Menge Arbeitsloser, auch an den Eingängen zu den Docks versammelt
und beschuldigt die Arbeiterführer in erregter Weise, sie ver— lassen zu haben.
Paris, 1. Mai. (W. T. B.) Stadt ist ruhig wie gewöhnlich; alle Verkaufsmagazine sin geöffnet, in fast allen Fabriken und Werkstätten der Vorstädte wird gearbeitet.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Die Physiognomie
bericht vom 1. Mai, 8 Uhr Morgens.
— —
Stationen. Wind. Wetter.
Bar. auf 0 Gr u. d. Meeressp. red. in Millim.
Belmullet .. fehlt Aberdeen .. WNW Christiansund W Kopenhagen. WMW Stockholm. UNO Haparanda. ONO bed St Petersburg ONO 2 heiter Moskau ... 1 wolkig Cork, Queens⸗ ö tomn -, 3 wolkig Cherbourg 7 8 2 wollig ö z 4 wolkig 11 2 halb bed. i) ö. . W 4 bedeckt winemünde 1 bedech) Neufahrwasser 5 bedeckt?) Memel. 52 4 Regen)
H wolkenlos Münster ᷣ 4wolkenlos Karlsruhe .. wollenlos Wiesbaden. 4 wolkig München .. 4 heiter Chemnitz .. wolkig rn, 5 heiter?) Breslau ... 4 wolkenlos Ile dAix .. S 3 wolkenlos . 1 wolkenlos 13
1) Früh Regen. 2) Nachm. Regen, böig, Nachts böig. n ö. Nachts ö 9 Nachts, Mor⸗ gens feiner Regen. 3) Gestern Vorm. Gewitter mit wenig Regen.
Uebersicht der Witterung.
Unter der Wechselwirkung eines ,, dessen Kern über Frankreich liegt, und eines ostwärts fortschreitenden barometrischen Minimums südlich von Wisby wehen über Central-Europa vorwiegend west⸗ liche Winde, welche an der Küste sowie im westlichen
Dutschland vielfach stark auftreten. In Deutschland ist das Wetter kühl, an der Küste trübe und böig, im Binnenlande vorwiegend heiter; vielfach ist Regen
efallen, am meisten 12 mm in Kiel, An letzterer tation und in Berlin fanden Gewitter statt. Eine neue Depression scheint nördlich von Irland heran-
zu nahen. Deutsche Seewarte. / /// /// / Theater ⸗Anzeigen.
Königliche Schanspiele. Dienstag: Opern— haus. 19. Vorstellung. Cayvallerisa rusti- Cana (Bauern ⸗ Ehre) Oper in 1 Aufzug von Pietro Mascagni. Text nach dem gleich⸗ namigen Volksstück von Verga. In Scene geseßt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister
Komische Oper in 2 Aeten von G. Donizetti. Text nach dem Französischen des St. Georges. Dirigent: Kapellmeister Wegener. Anfang 7 Uhr.
Neues Theater (am Schiffbauerdamm 46). 117. Vorstellung. VBasantasena. Drama in 5h Auf⸗ zügen von Emil Pohl, mit freier Benutzung der Dichtung des altindischen Königs Sudraka. In Scene gesetzt vom Ober-Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.
Mittwoch: Opernhaus. 111. Vorstellung. Der Freischütz. Romantische Oper in 3 Acfen von Carl Maria von Weber. Dichtung von Friedrich Kind (nach der gleichnamigen Erzählung von August Apel's) Neu in Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Weingartner. An— fang 7 Uhr.
Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4166). 118. Vorstellung. Die Anna ⸗Lise. Schauspiel in 5 Aufzügen von Hermann Hersch. (Anna -Lise: Frl. Plan, als Gast.) Anfang 7 Uhr.
Dentsches Theater. Dienstag: Zwei glück⸗ liche Tage. Anfang 7 Uhr.
Mittwoch: Der Talisman.
Donnerstag: Don Carlos.
Berliner Theater. Dienstag: Die Jour— nalisten. Anfang 71 Uhr.
Mittwoch: Graf Waldemar. (Agnes Sorma, Nuscha Butze, Ludw. Barnay, Ferdinand Suske.)
Donnerstag: Viel Lärm um Nichts.
Lessing Theater. Dienstag: Brave Leut' vom Grund. Anfang 75 Uhr.
Mittwoch: Hanna Jagert.
Donnerstag: Brave Leut vom Grund.
Friedrich Wilhelmstädtisches Theater. k 25.
Dienstag: 9. Gastvorste . der Frau Ilka von Palmay. Zum g. ale: Mamselle Nitouche. Vaudeville mit Gesang in 3 Acten von H. Meilhge und A. Millaud. Dentsch von Richard Genée. Musik von Hervs. (Denise de Flavigny: Ilka von Palmay) Anfang 75 Uhr.
Mittwoch: Der Bettelstudent.
Donnerstag: 10. Gastvorstellung von Ilka von Palmay. Die schöne Helena. J. Act. (Helena: Ilka von Palmay.) — Zum J. Male: Stupida. QObéra Buffa in 1 Act von Richard Genge und F. Zell. Musik von Alexander Neumann. (Pia: Ilka von Palmay.)
Residenz Theater. Direction: Sigmund Lauten. burg. Dienstag: Jugend. Ein Liebesdrama in 3 Acten von Max Halbe. In Scene gesetzt von Hans Meery. Anfang 77 Uhr.
Mittwoch: Neu einstudirt: Die Sirene. (La Elamboxyante.) Schwank in 3 Acten von Albin ,, In Scene gesetzt von Sigmund Lauten
urg.
Kroll's Theater. Dienstag: Fra Diavolo.
2 Aeten von Tasca. (Rosella: Gemma Bellincioni; Ciceillo: Roberto Stagno, als Gäste)
Victoria Theater. Belle Alliancestrahe 7 / . Dienstag: Mit neuer Ausstattung: Die Reise um die Welt in achtzig Tagen. Großes Ausstattungsstück mit Ballet in 5 Acten (15 Bil⸗ dern) von A. d'Ennery und Jules Verne. Ballet arrangirt vom Balletmeister C. Severini. Musik von DPebillemont und C. A. Raida. Anfang 74 Uhr. Mittwoch: Die Reise um die Welt in achtzig Tagen.
Theater Unter den Linden. Dienstag: Zum 5. Male Gollständig neu inseenirt): Der Mikado. Burleske Operette von V. S. Gilbert. Musik von Arthur Sullivan. Hierauf: Zum 38. Male: Die Welt⸗Ansstellung in Chicago und Die dentsche Abtheilung in dem populären Aus— stattungs⸗ Ballet Columbia. Anfang präe. 73 Uhr. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
Adolph Ernst Theater. Dienstag: Zum 32. Male: Goldlotte. Gesangsposse in 3 Acten von Ed. Jacobson und W. Mannstädt. Couplets theil⸗ weise von G. Görß; Musik von G. Steffens. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 79 Uhr.
Mittwoch und folgende Tage: Goldlotte.
Der Sommer⸗Hwarten ist geöffnet.
Urania, Anstalt für vollsthümliche Naturkunde.
Am Landes ⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12 —11 Uhr.
Coneerte.
Concert Haus, Leiprigerstraße 48. Dienstag, Anfang 7 Uhr: Karl Meyder⸗Concert.
Ouv. ‚Meeresstille und glückliche Fahrt“ von Mendelssohn. „Giralda“ von Adam. Phantasie aus „Die Stumme von Portici“ von Auber. „Immer oder Nimmer“, Walzer von Waldteufel. Phantasie aus ‚Trovatore' für die Violine von Alard (Herr Carnier). „Klänge aus Steyermark“ für Piston von Hoch (Herr Steffens).
Circus Renz (Carlstraße. ) Dienstag, Abends
71 Uhr: Abschieds⸗ Vorstellung. ⸗ Auftreten sämmtlicher Künstlerspeclalitäten, e Vorführen und Reiten der bestdressirten Freiheits= und Schulpferde. Ferner: Zum Abschied, großes Divertissement des gesammten Corps de ballet und des Herrenpersonals. Abschiedsgruß. . Der Reichshauptstadt fühle ich mich bei meinem diesmaligen Scheiden zu ganz besonders lebhaftem Danke verpflichtet. Die Gunst der Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften, der hohen Behörden, der resse und des gesammten Publikums aus allen heilen Berlins und der Umgegend hat die erste unter meiner Direction verlaufene hiesige Saison so
darauf zurückblicken darf. Wie mich dies mit dem tiefsten Dankgefühl beseelt, so legt es mir aber zu— leich auch die Verpflichtung auf, mich auch für die ern nft dieser Gunst durch Darbietung des Voll—⸗ kommensten auf allen Gebieten der circensischen Kunst würdig zu erweisen. Indem ich daher verspreche, daß es mein unablässiges Bestreben sein wird, mich auch ferner des allgemeinen Wohlwollens würdig zu erweisen, bitte ich noch einmal, den Ausdruck meines tiefstgefühlten Dankes entgegennehmen zu wollen, und verharre mit einem herzlichen Auf Wiedersehn!
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r. Renz, Director.
Familien⸗Nachrichten.
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Das Reichs⸗Justizamt und die Commission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich haben durch das estern infolge einer Lungenentzündung eingetretene Ableben des ;
Staatssecretärs des Reichs⸗Justizamts,
Wirklichen Geheimen Raths Herrn Hanauer Exeellenz ;
einen schweren Verlust erlitten. Aucsgestattet mit seltener Geistesschärfe, umfassendem Wissen und un— ermüdlicher Arbeitskraft, hervorragend durch Lauter⸗ keit des Charakters, hat der Entschlafene dem Reichs⸗ Justizamt von seiner Begründung im Jahre 1877 ab als Director angehört, seit April vorigen Jahres aber an der Spitze dieses Amts und der Commission gestanden. Das Andenken des hochverehrten und ge—⸗ liebten Mannes, der bis ans Ende un allen ein leuchtendes Vorbild selbstloser Pflichterfüllung war, wird im Reichs⸗Justizamt und in der Commission treu bewahrt werden.
Berlin, den 1. Mai 1893. . Die Mitglieder des Reichs⸗Justizamts und der Commission für die zweite Lesung des
Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Verlobt: Frl. Clarg Plantier mit Hrn. Divisions⸗ Pfarrer Christian Rogge (Berlin).
Verehelicht: Hr. Rittmeister a. D. August von Lewinski mit Frl. Agnes von Pawel Berlin). — t Prem. Lient. Oscar Müller mit Frl. Margot
ittmann (Saule). — Hr. Bürgermeister Karl Simon mit Frl. Elise Langner (Fraustadt).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Pfarrer Robatzek (Momehnen). — Hrn. A. von Walther⸗Croneck (Kapatschütz. — Eine Tochter: Hrn. Professor E. Lesser (Bern).
Gestorben: Frl. Maria von Herrmann (Schwedt a. O.). — Dr. General⸗Major a4. D. von Klein (ELudwigslust) — Hr. Geh. Regierungs⸗Rath und Landrath a. D. Rudolph von Dertzen (Anklam).
Redacteur: J. V: Siemenroth.
Berlin: ; Verlag der Expedition (Scholz).
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin 8W., Wilhelmstraße Nr. 32.
Neun Beilagen
( 68)
Anfang 7 Uhr.
Dr. Muck. — Die Tochter des Regiments.
*
Mittwoch: A Santa Lucia. Melodrama in
glänzend gestaltet, daß ich mit voller Befriedigung
(einschließlich Börsen ⸗ Beilage).
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 10G.
Deutscher Reichstag.
86. Sitzung vom Sonnabend, 29. April, 1 Uhr.
Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der Nummer vom Sonnabend berichtet worden.
Als vierter Gegenstand steht auf der Tagesordnung die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Ab⸗— zahlungsgeschäfte, über welche der Abg. Pr. Mehnert deons.) namens der IX. Commission Bericht erstattet hat. Die Commission hat an dem Entwurf nur unwesentliche Aenderungen vorgenommen.
§z J der Vorlage hatte folgenden Wortlaut:
Hat bei dem Verkauf einer dem Käufer übergebenen beweg— lichen Sache, deren Kaufpreis in Theilzahlungen berichtigt werden soll, der Verkäufer sich das Recht vorbehalten, wegen Richterfüllung der dem Käufer obliegenden Verpflichtungen von dem Vertrage zurückzutreten, so ist im Falle dieses Rücktritts der Käufer berechtigt, gegen Rückgabe der empfangenen Sachen die Rückgewährung der von ihm geleisteten Theilzahlungen zu fordern. Eine entgegen— stehende Vereinbarung ist nichtig.
Dem Vorbehalte des Rücktrittsrechts steht es gleich, wenn der Verkäufer wegen Nichterfüllung der dem Käufer obliegenden Ver— i nn kraft Gesetzes die Auflösung des Vertrages verlangen ann.
Die Commission schlägt eine anderweite Formulirung vor, wonach im Falle des Rücktritts jeder Theil verpflichtet sein soll, dem anderen Theil die empfangenen Leistungen zurück— zugewähren. Beide Fassungen bezwecken die Beseitigung der bisher in fast allen Verträgen dieser Art enthaltenen soge— nannten Ver wirkungsklausel.
Die Abgg. Dr. von Bar (dfr.) und Genossen beantragen, die Fassung der Regierungsvorlage mit der Einschränkung anzu— nehmen, daß der Käufer die Rückgewährung der Theilzahlungen insofern zu fordern berechtigt sein soll, als er nachweist, daß bei Verwirkung der geleisteten Theilzahlungen die Vermögens— vortheile des Verkäufers in auffälligem Mißverhältniß zu der von ihm gewährten Leistung stehen.
Abg. Heine (Soc) fragt an, wie es denn mit dem größten Ab— zahlungsgeschäfte von allen gehalten werden soll, von dem bis jetzt noch gar nicht die Rede gewesen sei, nämlich der Staatslotterie, die doch unzweifelhaft ihrem ganzen Charakter nach nichts Anderes als ein Abzahlungsgeschäft sei.
Abg. Wöllmer (dfr.: Die Begründung der Vorlage bezüglich
der Nothwendigkeit einer so einschneidenden Maßregel, „wie es die
Aufhebung der Verwirkungsklausel ist, war ganz ungemein dürftig. In der Commission wurde auf die Vorlegung umfassenden Materials gedrungen. Aber Alles, was infolge dessen von Gerichten und aus den Acten der Justizverwaltung beigebracht werden konnte, genügt nicht im entferntesten, um das Bedürfniß einer Aenderung der Gesetzgebung nachzuweisen. An einzelnen Gerichten hat sich ja allerdings die Zahl, der abgeurtheilten Prozesse dieser Art sehr ge— häuft; das liegt aber daran, daß zahlreiche große Geschäfte der Art, namentlich Nähmaschinenfabriken und einige rheinische Textilfabriken, sich den Gerichtsstand ihres Ortes in den Verträgen ausdrücklich aus— bedungen haben. Einzelne Fälle von unwirthschaftlichen Anschaffungen sind ja nachgewiesen; es hat sich ein Schullehrer zwölf Hemden⸗ einsätze, ein Küster Brockhaus' Conversationslexikon gekauft, auch habe jemand sich drei Anzüge geleistet. Alle diese Fälle aber sind Aus— nahmen. Die bedeutendsten Handelskammern haben sich gegen das Besetz erklärt. Wie die Nähmaschinenbranche durch das Gesetz ge— schädigt wird, brauche ich nur anzudeuten. Der Eigenthumsvorbehalt soll bleiben, aber ohne Verwirkungselausel ist er ganz werthlos; es wird dadurch nicht nur der Zugriff Dritter, sondern auch der Zugriff des Veräußerers selbst gehindert, da dieser den Gegenstand nicht pfand—⸗ mäßig versteigern darf. In diesem Zugriff aber liegt ein starker moralischer Zwang für den Käufer, es mit der Erfüllung seiner contractlich übernommenen Verpflichtung so ernst wie möglich zu, nehmen. Während bei den Krankenkassen und theilweise auch bei der. Invaliden, und Altersversicherung jeder Versiche⸗ rungspflichtige ohne weiteres seiner Gesammtansprüche ver⸗ lustig wird, wenn er mit der Zahlung der Beiträge wieder holt im Rückstande bleibt, will man hier ganz im Gegen— satz zu diesem durch Reichsgesetz festgelegten Verfahren abweichen. Und dabei strebt man nur eine Beseitigung des Mißbrauchs, nicht eine Schädigung des legitimen Abzahlungsgeschäftes an. Dieses Ziel läßt sich nach der Meinung der deutschfreisinnigen Partei besser auf dem Wege des Antrages Bar erreichen, den wir Ihnen zur Annahme empfehlen. Auch wir wollen hier wie beim Wucher Mißbräuche mit derselben Schärfe treffen wie Sie, wir wollen aber auch die Rechte der Verkäufer in der Weise wahren, wie diese es zu verlangen be⸗ rechtigt sind.
Abg. Ackermann (deons.), Vorsitzender der Commission, tritt für die Commissionsvorschläge ein. Die Verwirkungselausel müsse be⸗ seitigt werden. Sie zu gebrauchen in den Verträgen werde garnicht verboten, sondern nur die bei völliger Ausnutzung derselben hervor— getretenen Unbilligkeiten sollen beseitigt werden. Auch bei Näh⸗ maschinen sei von dieser Clausel in einer Weise Gebrauch gemacht, die einer Ausbeutung der Nothlage gleichkommt. Man könne hier also keine Ausnahme statuiren. Der Antrag Wöllmer behandle die beiden Contrahenten nicht gleichmäßig; er lege die Beweislast dem Käufer auf und dränge geradezu alle diese Angelegenheiten auf den langwierigen Prozeßweg.
Abg. Dr. von Bar (dfr. :; Wenn sonst Mißbrauch mit der Festsetzung einer Conventionalstrafe getrieben wird, geht niemand soweit., deshalb die Conventionalstrafe als solche für eine ab— zuschaffende Einrichtung zu erklären. Wenn der Vertrag aufgelöst ist, soll nach 5 2 ein entsprechender Werth für Gebrauch oder Benutzung der Sache vergütet werden. Aus diefer Be— stimmung in Verbindung mit 51 wird sich ein ganzes Nest von Controversen herausbilden. Der ganze Vorgang findet in unserem Civilrecht nirgends einen Präcedenzfall. Wir wollen, daß der Käufer beweisen soll, daß dem Verkäufer ein unverhältnißmäßiger Vortheil bei der Auflösung des Vertrages erwächst; denn wer einen Contract unterschreibt, soll ihn auch vorher genau ansehen und sich die Ver— pflichtungen, die er übernimmt, klar machen. Die Commissions⸗ fassung muthet dem Richter zu, sich vollständig in einen Preis— taxator zu verwandeln. Wenn man in dieser Weise die Leute verhindern will, Sachen zu kaufen, die sie wirthschaftlich schädigen, dann müßte man auch ein wachsames Auge von Gesetzes wegen auf die Schaufenster haben, die durch ihre Auslagen vielfach die Leute zum Ankauf namentlich von Schmucksachen verführen. Ich habe nicht ohne ein gewisses Bedenken selbst unseren Antrag formulirt, weil ich befürchte, daß das Gesetz im ganzen nur zu einer Schädigung des soliden Geschäfts führen muß; ich bitte Sie aber, unseren Antrag anzunehmen, um Schlimmeres zu verhüten.
Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Geheimer Regierungs-Rath Dr. Dungs: Daß der Verkäufer bei Lösung des Vertrages den Betrag herausgiebt, um den er sich zum Nachtheil des Käufers bereichert hat, ist ein gerechter Gedanke des Entwurfs. Durch den Antrag Bar würde aber der Zweck des Gesetzes vollständig ver
Berlin, Montag, den J. Mai
1893.
eitelt werden. Man kann nicht jede Unbilligkeit in Leistung und Gegenleistung vor den Strafrichter bringen. Der Ausdruck auf⸗ fälliges Mißverhältniß“ ist aus dem Wuchergesetz übernommen; aber der Unterschied ist, daß nach dem Wuchergesetz der ganze Vertrag bei einem solchen Mißverhältniß civilrechtlich ungültig ist. Wir können dem Richter nicht die Entscheidung darüber 6, wo die Auf⸗ sälligkeit des Mißverhältnisses anfängt. Nach Annahme des Antrages Bar würde die Abnutzungselausel nur auf dem Papier stehen und in Wahrheit die Sache beim Alten bleiben.
„Abg. Kraemer (nl): Wir stehen der Vorlage freundlich gegen⸗ über in der Erwartung, daß sich genügende Bürgschaften gegen die Uebervortheilung der Verkäufer durch böswillige Schuldner finden lassen werden. Ob das auf der Grundlage des Entwurfs möglich sein wird, ist nicht unbedingt sicher. Der Antrag Bar ist zwar gut gemeint, aber nicht durchführbar. Jedenfalls ist aber 5 1 der Com- missionsbeschlüsse geeignet, den bisher auf dem Gebiet der Abzahlungs⸗ geschäfte hervorgetretenen Mißständen entgegenzuwirken.
Abg. Spahn (Centr) empfiehlt die Beschlüsse der Commission gegenüber der Vorlage und dem Antrage Bar.
Abg. Auer (Soz.): Die Minorität der Commission war der Meinung, daß mit den Vorschlägen der Regierung das solide Geschäft mehr beeinträchtigt, als der Consument gegen Schäden gesichert werden, würde. Die Majorität glaubt das nicht, und zu dieser Majorität gehörte auch ich in der Commission. Wir werden heute in, der zweiten Lesung für die Commissionsbeschlüsse stimmen. Die Verwirkungselausel, welche den Grund zu allen den vielen Klagen über die Abzahlungsgeschäfte gegeben hat, muß wenig— stens in ihren schlimmsten wirthschaftlichen Folgen beseitigt werden. Die Halsabschneiderei, die mit der rücksichtslofen An— wendung dieser Clausel betrieben wurde, wollen wir unmög— lich machen. Ob im einzelnen Alles so vortrefflich geordnet ist, wie man wünschen muß, bleibt dahingestellt, jedenfalls würde den schlimmsten Mißständen auf diesem Gebiete abgeholfen. Daß böse Mißstände in dieser Beziehung bestehen, wird wohl niemand leugnen. Nach zahlreichen Verträgen verfällt der Gegenstand bereits, wenn eine Rate nicht gezahlt wird; dann kann der Gegen— stand vom Eigenthümer zurückgenommen werden, der zu jeder Tageszeit mit so viel Leuten, als er zum Transport bedarf, zu diesem Zweck in, der Wohnung erscheinen darf, ohne daß der Miether darin eine Verletzung seines Hausrechts oder dergleichen zu erblicken hat. Solch Gontract gebe den Käufer hilf⸗ los in die Hände des Verkäufers. Wenn nun eingewendet wird, daß diese Contracte in so schroffer Form garnicht ausgeführt würden, so mag das für die Mehrzahl der Geschäfte zutreffen; es sind aber auch Geschäfte nicht selten, welche darauf ausgehen, ja geradezu darauf begründet sind, auf dem Wege der Verwirkungselausel sich zu bereichern. Wir gehen gewiß viel lieber mit der Linken als mit dem Abg. Ackermann und Genossen, aber die Anträge der Freisinnigen konnten wir diesmal nicht acceptiren. Die von den Interessenken an uns gelangten Petitionen enthalten vielfach Uebertreibungen und entkräften nicht, „daß himmelschreiende Mißbräuche des e rn ern iche Ueber⸗ gewichts auf Grund des bestehenden Rechtszustandes vorgekommen sind. Mit dem Antrage Bar würde dem Käufer eine Beweislast zugeschoben, die er in den allermeisten Fällen nicht übernehmen kann. Richtig ist ja, daß Nähmaschinen jetzt meistens im Wege der Abzahlung angeschafft werden. Aber gerade die Nähmädchen und -Frauen, die zu dieser Art der Beschäftigung gezwungen sind, sind auch die ausgebeutetsten Arbeiterklassen, die ohne irgend einen Nebenerwerb, der leider nur zu oft in Prostitution besteht, nicht existiren können, und die Prostitution ist gerade dadurch, daß Nähmaschinen durch Abzahlung angeschafft werden können, sehr stark gefördert worden. Das Nähmaschinengeschäft, wie es jetzt betrieben wird, hat also neben seinen unleugbaren Vorzügen auch seine bedenkliche Schattenseite. Die Befürchtung, daß das Abzahlungsgeschäft zu Grunde gehen werde, ist nicht stichhaltig.
Abg. Dr. von Bar (odr) entgegnet dem Regierungsvertreter, wenn der Strafrichter im Wuchergesetz den Begriff des auffallenden Mißverhältnisses festzustellen vermöge, so werde es hier auch der Civilrichter können. Die Wendung vom Schutze des Schwachen treffe auf die vorliegende Materie nicht ganz zu.
Abg. Dr. Osann (ul.): Der Entwurf reicht meiner Ansicht nach nicht einmal aus, wirklich die Mißstände zu beseitigen; zu erreichen ist das nur dadurch, daß, wie vorgeschlagen wird, jeder Eigenthumsvorbehalt vollständig fortfällt und der Verkäufer nur ein Recht hat, nämlich das, Theilzahlungen zu verlangen und zu erzwingen. Wenn Sie eine Fundgrube von Rechtsstreitigkeiten haben wollen, so nehmen Sie die Vorlage in der Commissionsfassung an, sonst nicht. So schlimm sind die Mißstände nicht, daß derartige Maßregeln gerechtfertigt wären.
Vor der Abstimmung wird ein Vertagungsantrag an⸗ genommen. .
Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr. (Dritte Lesung der Vorlage, betreffend die Ersatzvertheilung, und des Nachtrags-Etats für 1892ỹ93, Antrag Ahlwardt, Wahl⸗ prüfungen.)
Preusischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
71. Sitzung vom Sonnabend, 29. April.
Bei der Fortsetzung der zweiten Berathung des Com⸗ munalabgabengesetzes nahm in der Debatte über § 45 und dem dazu eingebrachten Antrage der Abgg. Dr. Bachem und Genossen (Centr.) ss. d. vorgestrige Nummer d. Bl. nach dem Abg. Schmitz⸗Erkelenz (Centr.) das Wort der
Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg:
Gewiß, meine Herren, wird einen großen Theil des Hauses und so auch mich das warme Interesse sympathisch berühren, mit welchem der Herr Vorredner für die Interessen des Grundbesitzes in Beziehung auf seine Heranziehung zur Besteuerung eingetreten ist. Indessen, meine Herren, ich muß doch darauf aufmerksam machen, daß die Con⸗ sequenzen der Ausführungen des Herrn Vorredners sehr viel weiter gehen, als er sie selbst gezogen hat, und daß es zweitens doch nicht unberücksichtigt bleiben darf, daß bei allem berechtigtem Interesse für die Erleichterung der Lasten des Grundbesitzes das zur Geltung kommen muß, was er selbst gesagt, aber in seinen weiteren Ausfüh⸗ rungen, wie mir scheint, nicht durchgehend befolgt hat: daß nämlich diese Berücksichtigung nicht einseitig erfolgen dürfe, sondern nur unter der Berücksichtigung der übrigen in Betracht kommenden Interessen. Gerade die Vereinbarung dieser verschiedenartigen Interessen ist es, um die allein es sich hier handelt, und darum bin ich der Meinung, daß die tiefer greifenden Erwägungen hier sehr viel weniger Platz greifen als Rücksichten der Zweckmäßigkeit; denn es handelt sich eben lediglich um die Bestimmung des Maßes, bis zu
welchem eine gleichmäßige Heranziehung der Realsteuern und Personal⸗ steuern erfolgen soll, und von welchem an eine stärkere Heranziehung der Einkommensteuer ihre Berechtigung hat. Das, meine Herren, ist an sich keine große prineipielle Frage, sondern eine Frage des Maßes und der Zweckmäßigkeit.
Ich bitte nun zu berücksichtigen, wie das Verhältniß der Commissionsbeschlüsse Fegenüber der Regierungsvorlage sich gestaltet. Die Regierungsvorlage ging davon aus, ein allgemeines Maß fest— zustellen, in welchem Real⸗ und Personalsteuern herangejogen werden sollen, nämlich mindestens gleich oder höchstens zum Anderthalbfachen; dem gegenüber bringt der Beschluß der Commission eine erheb⸗ liche Einschränkung nämlich dahin, daß, wenn die Real- und die Einkommensteuer 150 9e erreicht haben, dann die Einkommen steuer doppelt so stark herangezogen werden soll wie die Realsteuern, und der Antrag des Herrn Vorredners und seiner Freunde geht dahin, diese Grenze von 150 auf 100 oo herabzusetzen. Ich bin der Meinung, daß das eine Abschwächung des Princips der Regierungs⸗ vorlage ist, welche soweit geht, daß ihre Annahme zu den schwersten Bedenken berechtigt. Denn, meine Herren, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle würde dies herbeiführen, daß der Nachlaß der staatlichen Grund⸗ und Gewerbesteuer fast vollständig ohne eine Aus⸗ gleichung auf dem Gebiete der Communalgesetzgebung den Grund⸗ und Gebäudebesitzern und den Gewerbebetreibenden zu gute kommen würde, und so sehr, wie ich noch einmal hervorhebe, nicht allein der Wunsch, sondern das bekundete Bestreben vorliegt, die Ueberbürdung der Grund⸗ und Gebäudehesitzer und der Gewerbetreibenden zu beseitigen, so wenig kann doch die Absicht dahin gehen, ihnen einen Vorzug einzuräumen, welcher nur auf Kosten der übrigen Steuerpflichtigen in der Gemeinde sich würde herbei⸗ führen lassen.
Aus diesen Gründen, meine Herren, glaube ich, daß es nicht wohlgethan sein würde, an der auf sorgfältigen Erwägungen be— ruhenden Abmessung, wie sie in der Commission angenommen worden ist, zu rütteln und nun noch in weiterem Maße Bestimmungen zu treffen zu Gunsten der Grund- und Gebäudebesitzer und der Gewerbe⸗ betreibenden. Recht hat der Herr Vorredner unzweifelhaft darin, daß die Wirkungen dieser Bestimmungen in den verschiedenen Gegenden außerordentlich verschiedene sein würden, das wird aber bei dem Vorschlage, den er macht, genau ebenso der Fall sein, und gegen diese verschiedenartigen Wirkungen hat das Gesetz denn doch eine ganze Reihe von Cautelen vorgesehen, mit denen den etwa hervortretenden Unzuträglichkeiten abgeholfen werden kann. Ich mache zunächst darauf aufmerksam, daß die durch eine Steigerung der Zuschläge zu den Realsteuern eintretende Verminderung des Steuer⸗ bedarfs doch auch wiederum den Realsteuerpflichtigen zu gute kommt dadurch, daß die Zuschläge zur Einkommensteuer sich vermindern. Ich weise, was die Ungleichmäßigkeit betrifft, ferner darauf hin, daß den Gemeinden ja eine große Latitüde darin gewährt werden soll, nicht festzuhalten an den staatlich veranlagten Realsteuern als Maßstab, sondern besondere Realsteuern einzuführen, welche den Verhältnissen in den verschiedenen Gemeinden gerecht werden.
Und endlich, meine Herren, ist doch nicht außer Acht zu lassen, daß dieser Maßstab nur die Regel sein soll, und daß da, wo er eben nicht angemessen ist, wo also eine Ueberbürdung der Grund⸗ und Gebäudebesitzer und der Gewerbebetreibenden eintreten könnte, eine Ab⸗ weichung durch den zunächst folgenden Paragraphen, 5 46, mit Ge⸗ nehmigung der Aufsichtsbehörde zugelassen ist.
Aus allen diesen Gründen kann ich Sie nur bitten, es bei den Beschlüssen der Commission zu belassen. Ich halte dieselben in der That für einen billig⸗mäßigen Ausgleich der verschiedenen in Betracht kommenden Interessen, und einen solchen billig⸗ mäßigen Ausgleich der verschiedenen Interessen herbeizuführen, darauf werden Sie Alle ein großes Gewicht legen müssen, wenn Sie eben das Ziel erreichen wollen, daß unsere Gesetzgebung das Anerkenntniß einer gerechten ver= dient. (Bravo!) .
Im weiteren Verlaufe der Berathung erklärte nach dem Abg. Hitze (Centr.) zu demselben Paragraphen der
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich möchte, bevor ich auf die Sache selbst ein⸗
gehe, den beiden Herren Vorrednern aus Rheinland und Westfalen doch einige Bemerkungen entgegenhalten. Ich kann mir denken, daß aus den Erfahrungen, die sie in diesen Provinzen gemacht haben, ein gewisses Bedenken gegen die angemessene Heranziehung der Real- steuern für sie hervorgeht, und daß sie dieselben hier zum Ausdruck bringen. . Meine Herren, im Rheinland und zum theil auch in Westfalen sind bisher die communalen Steuern in einer sehr irrationellen Weise vertheilt worden. Man hat ohne jede innere Begründung vielfach die gesammten Communalsteuern ausschließlich oder in einer ganz überwiegenden Weise auf die Personalsteuern geworfen. Woraus erklärt sich das? Weil die Einkommensteuer so sehr niedrig veranlagt war — ich werde gleich darauf noch zurückkommen —, waren die be⸗ sitzenden Klassen garnicht abgeneigt, auf die Personalsteuern die Last zu nehmen, um so mehr, als diese selben besitzenden Klassen meistens entweder Grundbesitzer oder Gewerbetreibende waren, welche die Ein⸗ kommensteuer vorzugsweise zu zahlen gehabt hätten. Dadurch erklärt sich nun, daß jetzt allerdings eine wesentliche Veränderung in diesen Zuständen eintritt durch die Bestimmungen des z 45 und daß diese Bestimmungen gerade in diesen Provinzen hier und da unangenehm empfunden und nicht recht als gerecht angesehen werden.
Wir haben aber andere Landestheile, wo bisher schon es von jeher üblich war, für die communalen Zwecke die Realsteuern sogar vor- zugsweise heranzuziehen; andere, wo es durchaus üblich war, alle staat-⸗ lichen Steuern gleichmäßig heranzuziehen, wie beispielsweise in der Provinz Hannover und Schleswig⸗Holstein. Sie werden diesen 5 45 mit ganz anderen Augen betrachten; denn sie werden sagen: Wenn wir nur 100 06 zu zahlen haben in der Gemeinde und wir erhalten 100 9, erlassen, so sind diese 100 ½ für uns definitiv erlassen; wir