1893 / 107 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 May 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Der „A. St⸗A.“ veröffentlicht nachstehenden Erlaß Seiner Hoheit des Herzogs:

Aus Anlaß Meines Geburtstages sind Mir von Behörden, Corporationen, Vereinen und Privatpersonen in Zuschriften, Tele⸗ rammen und in anderer Form so viele wohlthuende Beweise treuer nhänglichkeit und Theilnahme zugegangen, daß es Mir nicht möglich ist, dieselben, wie Ich . im einzelnen zu beantworten. Ich spreche daher auf diesem ege allen, die Mich in der gedachten Weise erfreut haben. Meinen herzlichsten Dank aus.

Des sau, 2. Mai 1893. Friedrich.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Kaiser nahm gestern früh in Bu dapest eine Revue über die dortige Garnison ab und sprach seine Befriedigung über die Haltung und das gute Aussehen der Truppen aus.

Der Minister des Auswärtigen Graf Kälnoky hat sich gestern Abend von Wien an das Hoflager in Budapest begeben.

Die Commission des böhmischen Landtags für Bezirks und Gemeinde⸗Angelegenheiten hat die Anträge Plener's und Trakal's wegen Errichtung eines Kreis— gerichts in Trautenau abgelehnt. Fuͤr den Antrag Plener's stimmten nur die Deutschen, für denjenigen Trakal's nur die Großgrundbesitzer.

Großbritannien und Irland.

Das Oberhaus nahm gestern, wie „W. T. B.“ be— richtet, die zweite Lesung der indischen Heeres-Bill an, die eine Reorganisation der indischen Armee dahin bezweckt, daß diese eine größere Centralisation als bisher erhält. Im Unterhause erklärte der Parlaments⸗Secretär des Colonial— amts Buxton auf eine Anfrage, in der zwischen dem Gouverneur des Caplandes Sir H. Loch und dem Präsidenten der Trans⸗ vaal-Republik Krüger stattgehabten Conferenz bezüglich des Swazilandes seien die Grundlagen für ein gemeinnütziges Abkommen festgestellt worden. Kein Arrangement werde abge— schlossen werden, welches die Eingeborenen des Swazilandes ohne deren Zustimmung binde. Die Rechte der Swazis müßten völlig gewahrt und geschützt werden. Ueberdies müsse die Un— abhängigkeit des Toöngolandes gewahrt werden und die Delogoa— Bai in der bisherigen Position bleiben.

Frankreich.

Der gestern abgehaltene Ministerrath beschäftigte sich, dem „W. T. B.“ zufolge, mit der Fertigstellung des Budgets für 1894, das dem von 1893 fast gleichen wird. Es wird Vorlagen über die Reform der Getränkesteuer und der Thür— und Fenstersteuer enthalten; der Kriegs⸗Minister und der Marine-Minister wurden ersucht, sich der größten Sparsamkeit zu befleißigen.

Die Deputirtenkammer genehmigte in ihrer gestrigen Sitzung den Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung des Octrois. Der Gesetzentwurf gestattet den Gemeinden, die Octroiabgaben durch andere Steuern zu ersetzen. Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, wird der Deputirte de Mahy an den Minister des Auswärtigen Develle am Montag über die Lage auf Madagascar und die egyp— tische Angelegenheit eine Anfrage richten.

Italien.

Die Einnahmen von den Zöllen und Hafenabgaben, aus dem Taback⸗ und Salzmonopol sowie aus der Lotterie in den ersten 10 Monaten des laufenden J jahres haben die entsprechenden Einnahmen des Vorjahres um

2116 Millionen überstiegen. Spanien.

Eine in Madrid eingetroffene Depesche des General— Gouverneurs von Cuba meldet, daß sich die stärkste Insurgentenschaar unterworfen habe. Damit sei der Aufstand als beendet zu betrachten, Nach einer den New⸗ Norker Blättern zugegangenen Depesche aus Havanna haben * ö a. * D* ; ; F ; ' sich die Aufständischen auf Cuba in der Gegend von Holgu in ergeben.

Belgien.

Der „Independance Belge“ zufolge wären vorgestern die Einladungen zum Wiederzusammentritt der int ernationalen Münzconfer enz in Brüssel für den 30. Mai erlassen worden. Die helgische Regierung hätte die Einladungen auf Ersuchen des Cabinets zu Washington an die auf der letzten Conferenz vertretenen Staaten gerichtet.

Amerika.

Dem braäsilianischen Gesandten in London ist dem W. T. B.“ zufolge von dem neu ernannten Finanz⸗ Minister Freire eine Depesche zugegangen, worin dieser seinen Entschluß kundgiebt, die Finanzpolitik seines Vorgängers weiter zu befolgen. Der Minister fügt hinzu, daß die Ver⸗ wicklungen in der Provinz Rio Grande do Sul sich einer günstigen und dauernden Lösung näherten.

Asien. Nach Meldungen des Pariser „Matin“ sollen die sia m e⸗ sischen Truppen nach Räumung des linken Ufers des Mekong eine Offensiobewegung ausgeführt und 3000 Mann an die Grenze von Anam gesandt haben.

Afrika.

Nach einer Meldung der, Times“ aus Sansibar hat der britische Kreuzer Philomele“ eine von dem deutschen Gebiet nach Norden fahrende Dhau gekapert. Die 42 Sklaven, welche die Dhau an Bord hatte, wurden von der „Philomele“ sofort in Freiheit gesetzt.

Parlamentarische Nachrichten. Dentscher Reichstag.

Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich in der Ersten Beilage.

20. Sitzung vom Freitag, 5. Mai, 12 Uhr.

Der Sitzung wohnen bei der Reichskanzler Graf von Caprivi, die Staatssecretäre Dr. von Boettich er, Frei⸗ herr von Marschall und Hollmann, der Königlich preußische Kriege⸗Minister von Kaltenborn⸗-Stachau, der Königlich bayerische Militär⸗Bevollmächtigte, General-⸗Major Ritter vom Haag und der Königlich fsächsische Kriegs⸗ Minister von der Planitz.

Die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die ö des deutschen Heeres, wird ortgefetzt mit der Berathung des § 1 und der dazu gestellten Anträge Althaus, Preysing, Huene und Wisser.

Abg. Freiherr von Manteuffel (deons.): Ich will keine so lange Rede halten, wie gestern der erste Redner; ich meine, in dem Reichstag, der so sehr die Facies Hippocratica zeigt, lange Reden halten, heißt nur die Todesqual verlängern. Die Rede des Abg. Richter war nur auf die Wähler berechnet, sie war die Grundlage für die Wahlflugblätter und für die Reden der freisinnigen Agitatoren. Der Abg. Richter wundert sich über das Lob, welches der Reichskanzler den Confervativen gespendet hat; die junkerlichen Conservativen wollten dem Volke doch nur neue Lasten ,. und von ihrem 40 Millionen⸗Geschenk nichts opfern. Diese Fabel glauben selbst die Herren in Ostpreußen, die zu den Freisinnigen gehörten, nicht mehr. Der Unterschied zwischen dem 50er und 70 er Spiritus allein ermöglicht es, daß östlich der Elbe der ärmere Boden bewirthschaftet werden kann. Wenn die Wahlen zu Gunsten der Linken ausfallen, dann wird ja vielleicht das 40 Millionen-Geschenk beseitigt werden; aber ich bin überzeugt, daß dann auch nicht ein Nickel für die Vermehrung der Armee ausgegeben wird. Redner wendet sich dann gegen den Abg. Bebel, der von Soldatenmißhandlungen gesprochen hat, die aber nicht alle beglaubigt sind, und bestreitet ferner, daß der Fleischconsum ab— genommen hat. In Sachsen sei er um 100 0υάC gestiegen. Die Situation wird dadurch etwas verwunderlich, daß die Elsaß⸗Lothringer hier erschienen sind, sie, die so selten Gäste des Reichstags sind, um gegen die Vor— lage zu sätimmen, während doch ihre Heimath in erster Linie geschützt werden soll. Meine Freunde fürchten in der That die Auflösung des Reichstags nicht; darin ist meine Fraction in sich und mit den Wählern einig. Dennoch sind wir bereit, den Antrag Huene anzunehmen, weil wir die schwere Verantwortung, welche in der Ablehnung des— selhen oder der Vorlage liegt, nicht übernehmen wollen. Die Herren, welche gegen den Antrag Huene stimmen, sind über die Auflösung auch nicht erfreut, aber sie stimmen leichten Herzens gegen den Antrag Huene. Ich beneide sie nicht darum. Die Verantwortung hat der Abg. Nichter auf die Regierung abzuschieben versucht, aber mit Unrecht. Die Vorlage ist mit großer Intensität vertreten worden, sodaß die Regierung vor dem folgenschweren Schritt der Auflösung nicht zurück— schrecken kann; sie wurde sonst die Achtung vor sich selbst, vor dem Lande und vor dem Auslande verlieren. Wir stehen noch auf dem Standpunkt der ersten Lesung, daß wir die Einführung der zweijährigen Dienstzeit für bedenklich . weil in so kurzer Zeit eine gute Ausbildung der Soldaten, namentlich im Schießen, kaum n, n ist. Da aber von einer drei—⸗ jährigen Dienstzeit eigentlich nicht mehr die Rede ist, da die starken Beurlaubungen eine gewisse Ungerechtigkeit mit sich bringen, was allerdings auf der Annahme der Resolution Windthorst beruht, so wollen wir der Vorlage nicht widersprechen, weil sonst die Kosten auf Grundlage der dreijährigen Dienstzeit zu hoch werden würden. Die Conservativen werden aber, nachdem die Regierung sich für den Antrag Huene erklärt hat, für denselben stimmen, zumal er gewisse Vorzüge hat, namentlich weil die Verstärkung der Cavallerie beseitigt wird, was von national⸗ ökonomischer Bedeutung ist; denn es ist für die Landwirthschaft nicht gleichgültig, ob 63609 Pferde mehr plötzlich dem Lande entzogen werden. Im übrigen darf man nicht darauf rechnen, daß die Bedeu— tung der Cavallerie in einem zukünftigen Kriege eine geringere sein wird als bisher. Der Reichskanzler hat vorgestern erklärt, daß die Regierung, wenn der Antrag Huene nicht angenommen wird, sich nicht mehr daran gebunden halte. Das ist auch der Stand punkt der Conserpativen. Wenn ein Compromiß nicht an⸗ genommen wird, dann stehen beide Seiten wieder frei da. Ich entnehme aus der Rede des Reichskanzlers vom 3. Mai, daß er sich überzeugt hat, daß die conservative Partei nicht aus wirthschaft— lichen Gründen dem Reich das zur Vertheidigung Nothwendige ver— sagt. Die Mißstimmung hat der Abg. Richter erklären wollen aus den Maßregeln der Regierung; sie ist entstanden aus dem wirthschaft⸗ lichen Niedergang, dem auch der Bund der Landwirthe seinen Ursprung verdankt. Weil wir gewillt sind, jeden Confliet zu vermeiden, werden wir alle Parteipolitik bei Seite lassen und im Interesse des Baterlandes für den Antrag Huene stimmen. Der Referent hatte unter dem Beifall des Hauses ausgesprochen, das Ausland würde uns einig finden, wenn wir angegriffen würden. Aber wenn wir erst dann einig sind, dann wird es zu spät sein. Wir müssen vorher einig sein, um unsere Ver— theidißung genügend vorzubereiten und den Sieg an unsere Fahnen zu fesseln; denn darauf allein kommt es an.

Abg. Dr. Lieber (Centr.): Ich muß es zurückweisen, daß der Abg. Freiherr von Manteuffel denen, die die Vorlage ablehnen, den Vorwurf macht, sie nehmen leichten Herzens die Verantwortung dafür auf sich. Kein Vorwurf ist unberechtigter und ver— letzender, als dieser. Nicht leichten Herzens treffen wir die Entscheidung. Der Reichskanzler hat mit einer gewissen Absicht davon gesprochen daß der Antrag des Abg. Grafen Preysing früher den Namen Lieber trug. Um jeder bösen Absicht die Spitze abzubrechen, will ich erklaren, daß der Antrag im Auftrage aller meiner Freunde, die der Commission angehörten, dort eingebracht worden ist, daß dieser Antrag ferner im Auftrage der großen Mehrheit der Fractlon hier im Plenum ein— gebracht ist; er trägt den Namen des Abg. Grafen Preysing, weil dieser Herr zur Zeit der Einbringung Vorsitzender der Fraction war. Der Reichskanzler hat eine Aeußerung von mir nach einem Zeitungs— bericht verlesen und dieselbe dahin ausgelegt: ‚Es ist mir ganz egal, ob die Russen in Berlin und die Franzosen in München steh en, wenn nur die Centrumspartei noch existirt. Ich will dem Redner nicht zu nahe treten, vielleicht wird er aber später in der Lage sein, mir den Kern von Patriotismus, der in dieser Aeußerung etwa liegen könnte, herauszuschälen. Mir ist es nicht möglich gewesen, ihn zu finden. Gewiß ein Angriff, wie er kaum schwerer gedacht werden kann und zugleich eine Aufforderung, wie sie kaum herzlicher verlangt werden kann! Ich wundere mich, daß der Reichskanzler zu dieser Auf— fassung der von ihm verlesenen Worte gekommen ist, nachdem er lurz vorher im Ausschuß über meinen damaligen Antrag selbst das Urtheil abgab: der Antrag negirt auch die Motive der Vorlage, die Gefahr für Deutschland, und sei daher unannehmbar. Ich hatte in der That geglaubt, durch mein gutes Verhalten während der langwierigen Aus— schußsitzungen wenigstens das Vertrauen in dem Reichskanzler zu erwecken und zu festigen, daß ich zu einer Gesinnung, wie er sie hinter mir gesucht hat, nicht fähig bin. Denn wenn ich auch in der Sache in den Ausschußverhandlungen unerschütterlich war, so glaube ich, wird mir die gesammte Vertretung der verbündeten Regierungen und der Heeresverwaltung das Zeugniß nicht verweigern können, daß ich es an Bethätigung ausgleichen der Gerechtigkeit und aufrichtiger Vaterlandsliebe in diesen Verhandlungen nicht habe fehlen lassen. Die meisten der Berichte, welche über diese Rede von mir durch die Presse gegangen sind, waren in einer unglaublichen Weise entstellt worden. Ich sage das nicht von dem Berichte, den der Reichskanzler verlesen hat, aber von diesem Berichte kann ich feststellen, daß er mir bis heute Morgen noch nicht zu Gesicht gekommen ist, weder ehe er gedruckt wurde, noch nachher. Was den angefochtenen Satz angeht, so hat derselbe so gelautet: 6616 wenn alle Forderungen der verbündeten Regierungen in dieser Militär⸗ vorlage politisch und militärisch berechtigter und voller begründet wären, so ist meiner Meinung nach der Fortbestand einer Partei wie das Centrum, so wie es jetzt ist, für das Deutsche Reich immer noch wichtiger als die Berechtigung der Militärvorlage!!“ Wenn die Regierung ihre Vorlage besser begründet hätte, so halte i das Bre einer Partei wie das Centrum doch no für wichtiger als gerade diese Militärvorlage. Das X estehen dieser Partei 26 nicht im Interesse der Partei allein, sondern auch im wohlverstandenen Interesse deü Reicht. Wir vertreten feit

mehr als zwanzig Jahren im Reichsinteresse M e ni, wir

treten entgegen allen centralistischen und cäsaristischen Tendenzen und lauben, daß dieg der beste und einzige Hort der Monarchie in zeutschland ist. Wit vertreten ferner eine gesunde Socialpolitik, die

das Reich stärken soll; denn wenn wir innerlich zusammen⸗ brechen, haben wir auch nach außen weder Geltung noch Kraft. Diese unsere Bestrebungen wurzeln in dem Boden des pofitiven Christenthums und der Gerechtigkeit, der letzten und einzigen Grund lage der Reiche. Die Uebersetzung ins Deutsche, welche der Reichs- kanzler meinen Worten gegeben hat, ist, um einen Ausdruck von ihm zu gebrauchen, eine ut Seren h Musterleistung. Wie kann er das eine Uebersetzung ins Deutsche nennen? Ich habe aber keine Verpflichtung, meinen Patriotismus gegenüber dem Reichs— kanzler zu vertheidigen. Wie weit ich auch hinter allen Herren vom Bundesrathstische und von der rechten Seite sonst zurückstehen mag, an Patriotismus werde ich mich nicht übertreffen lassen. Was würde der Reichskanzler sagen, wenn wir ihm entgegenhalten wollten, es wäre ihm gleichgültig, ob in Berlin oder in München Christenthum oder Atheismus, der Deutsche Kaiser oder der Abg. Bebel regierte. In Bezug auf die Militärvorlage selbst habe ich nur weniges zu bemerken. Der Reichskanzler behauptete, es sei nichts von dem widerlegt, was für die Militärvorlage vor⸗ gebracht sei. Wir waren und sind nicht in der Nothwendigkeit, den directen Gegenbeweis zu führen, sondern wer behauptet, hat zu be— weisen, und wir haben in der Commission nachgewiesen, daß die Be— hauptungen nicht zwingend erwiesen sind. Ich bin einer von denen gewesen, die jederzeit darauf gedrän t haben, daß auch nicht die ge⸗ ringste g n mn, der Berathung eintrete, um der Regierung Raum zu lassen, alle ihre Gründe vorzubringen. Gerade das volle Ausschütten aller Beweisstücke hat mir und meinen politischen Freun— den die Ueberzeugung gefestigt, zwingend seien diese Beweismittel nicht, weil, sie dieselben waren, die bisher für alle Erhöhungen auf diefem Gebiet vorgebracht sind und weil sie weit über das Geforderte hinausschlagen und ebenso hinter dem Geforderten zurückbleiben könnten, und weil auch nur der Antritt des Beweises dafür unterblieben ist, daß die Annahme der Vorlage eine wirkliche Gewähr für die Er— reichung des gesteckten Zieles ist. Niemand hat die Gewähr dafür übernommen, daß die Russen niemals nach Berlin kommen. Das ist doch aber behauptet worden. Daß für die Wehrfähigkeit des Reichs alles Mögliche geschehen ist, beweist die Steigerung der Ausgaben für das Heer, welche in den letzten 14 Jahren um 62 9e gestiegen sind. Die letzten zehn Jahre haben eine Vermehrung der pre rr. in mehreren Raten gebracht, wie sie jetzt auf einen Schlag verlangt wird. Der Reichskanzler hat 1590 noch ausgeführt, daß wir es mehr auf gute Truppen als auf viele Truppen absehen müssen. Deshalb müssen' wir auf unserm Laienverstande um so mehr bestehen, als der Reichskanzler, der vor kurzem noch auf dem letzten Mann bestand, der das weit— gehende Entgegenkommen des Abg. Dr. von Bennigsen schroff zurück⸗ gewiesen hat, jetzt seine Bedenken wegen der Cavallerie, wegen der Grenz Regimenter und wegen der Artillerie schwinden läßt. Unser Vertrauen in die überwältigende Zuverlässigkeit der Gründe der Militärvorlage ist dadurch geschwächt. In einem Lande, wo der Parlamentarismus nicht herrscht und nicht herrschen soll, ist es falsch, die Sache der Regierung an den Namen eines, wenn auch hoch verdienten Parteiführers zu fesseln. Die militärischen Gesichtspunkte sind nicht die einzigen, wegen deren wir die Vorlage ablehnen. Der ziffernmäßigen Einzelheiten enthalte ich mich; darüber haben die Commissionsverhandlungen abgeschlossen. Wir betrachten die Vorlage auch aus dem volkswirthschaftlichen Gesichtspunkte; darüber habe ich in der ersten Lesung bereits mich ausgesprochen. Wenn der Reichs⸗ kanzler gemeint hat, wo steckt der Militarismus in der Vorlage, sie sei auf das mindeste Maß zugeschnitten, so kann ich nur sagen: wenn man auch nebenan (im Herrenhause) und am Dönhoffsplatz preußische Politik treibt, so verlangen wir, daß hier deutsche Politik getrieben wird. Deutschland wird sich nur schwer zu dem erziehen lassen, was man den preußischen Militarismus nennt. In Bezug auf die volkswirthschaftliche Seite habe ich hinzuweisen auf das riesige Anwachsen der Reichsschulden, auf die Zunahme der Schulden in den Einzelstaaten und in den Gemeinden, auf die wirthschaftliche Nothlage; in einem solchen Augenblick eine solche Belastung ist unpolitisch im höchsten Grade und unerträglich für die Bevölkerung. Wenn solche Bedenken als Uebertreibung bezeichnet werden, dann ist die Begründung, daß es sich um die Ehre, die Existenz, die Zukunft Deutschlands handelt, auch eine Uebertreibung. Wenn eine andere Deckung der Ausgaben in Aussicht genommen wäre, dann würde vielleicht manches anders liegen. Ich bleibe heute noch dabei, daß nicht bloß bei meinen Freunden, sondern auch in anderen Kreisen die Meinung verbreitet ist.: Wenn man dem Volke eine solche Mehrbelastung zumuthen wollte, dann müßte man vorher für eine Deckung sorgen. Der Reichskanzler sprach davon, daß wir der soeialdemokratischen Idee, der Miliz vorarbeiteten. Die volle Durchführung der allgemäinen Wehrpflicht ist der Grundgedanke aller Miliz; wir werden bei der weiteren Durchführung immer mehr auf die Verkürzung der Dienst— zeit kommen. Wir stehen auf dem Boden der Resolutlonen Windt— hoörst, die aber nicht mehr bloß Resolutionen Windthorst find, sondern Resolutionen dieses Deutschen Reichstags. Die zweijährige Dienstzeit ist für den geforderten Preis für uns zu theuer. Ueber die Volksstimmung will ich nicht streiten; wir werden ja demnächst diese Volksstimmung zum Ausdruck kommen sehen; der Abg. Freiherr von Stumm be— hauptete, daß viele Gegner der Vorlage nur aus Rücksscht auf die Volksstimmung gegen die Vorlage sind; nach ihrer eigenen Ueber— zeugung würden sie auf Seiten der Regierung stehen. Ich darf die Versicherung abgeben, daß, wenn wir uns vor diefer Volks—⸗ stimmung fürchteten, wir gern unsere Mandate niederlegten. Wir stimmen so wie wir stimmen, aus eigenster Ueberzeugung, genau aus derselben eigenen Ueberzeugung, aus welcher der Abg. Freiherr von Stumm und seine Freunde für die Vorlage zu stimmen in An spruch nehmen. Wir sind der Meinung, uns in Uebereinstimmung zu befinden mit denen, welche uns hierher gesandt haben. Wenn man sogar dazu übergegangen ist, wirklich mit Furcht auf uns ein zuwirken, indem man im Nehelbilde den Conflict erscheinen ließ, ja sogar vom Verfassungshruch sprach, so habe ich zu erklären, daß ich und meine Freunde es für ausgeschlossen halten, in einem deutschen Parlamente von einem Verfassungsbruch auch nur zu reden. Wir stehen wie die Regierung auf dem Boden des unerschütterlichen Ver— fassungsrechts. Wer Unrecht von uns hat, das mag das Volk und Gott entscheiden. Der Antrag des Abg. Grafen Preysing bezweckt

die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Friedenspräsenz und die

Regelung der zweijährigen Dienstzeit, wie sie auch der Abg. Freiherr bon Huene vorgeschlagen hat. Wenn unsere Vorschläge in Bekreff der Präsenz nicht angenommen werden, legen wir keinen Werth auf die weiteren Anträge.

(Schluß des Blattes.)

Tagesordnung für die 76. Plenarsitzung des Hauses der Abgeordneten am Sonnabend, s. Mai? I) Dritte Berathung des Gesetzentwurfs wegen Aufhebung di— recter Staatssteuern. 3 Dritte Berathung des Entwurfs eines Ergänzungssteuergesetzes.

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Knnst und Wissenschaft.

Jahresbericht der Central-Direetion der Monumenta Germaniage historica.

Von E. Dümmler.

Die 19. Plenarversammlung der Central⸗Direction der Monu= menta Germaniue histarica wurde in diesem Jahre in den Tagen vom 6. bis 8. April in Berlin abgehalten. Von den Mitgliedern hatten sich entschuldigt Herr Hoff i von Sickel in Rom und durch Krankheit wurden verhindert Herr Prof. von Hegel in Erlangen, Derr ', ,. Hofrath von Rockinger in München, Herr Prof. Scheffer Boichorst und Geheimer Ober⸗-Regierungs⸗Rath von Sybel in Berlin. Anwesend waren Herr Prof. Breßlau aus Straßburg,

rr Geheimer Rath Brunner und Dümmler, Herr Prof. Holder gger, Herr Prof. Maaßen aus Wien, Herr Prof. Mommsen, Herr rof. Mühlbacher aus Wien, Herr Geheimer Rath Wattenbach. Zum irn, der Centraldirection wurde Herr Prof. L. Weiland in Göttingen gewählt. Im Laufe des Jahres 1892,93 erschienen in der Abtheilung Auctores antiquissimi:

I) Chronica minora sasc. ITV, V, VI, VII ed. Th. Mommsen 1,2 ( A. a. IX, 2);

2) von demselben II, 1 (⸗— A. a. XI, I);

3) Claudiani carmina rec. Birt (- A. a. X);

in der Abtheilung Scriptores:

4) Scriptorum (in foli) tom. XXIX, herausgegeben von Holder⸗Egger;

5) Cäbelli de lite imperatorum et pontisicum tom. II;

6) Deutsche Chroniken 1, 1“ (Kaiserchronik, herausgegeben von E. Schröder);

7) Deutsche Chroniken V, 2 (Oesterreichische Reimchronik, heraus⸗ gegeben von Seemüller II);

8s) Gesta Federici J imperatoris in Lombardia ed. Holder⸗ Egger in 80;

in der Abtheilung Leges:

9) Leges Burgundionum ed. de Salis;

10) Concilia asvi Merovingici ed. Maaßen;

in der Abtheilung Epistolae:

II) Epistolae Merovingici et Karolini aevi 1 ( tom. III);

in der Abtheilung Antiquitates:

12) Poœetae Latini avi Carolini III, 3 ed. L. Traube;

13) von dem Neuen Archiv der Gesellschaft Bd. TVIII (dessen erste Hälfte Herrn Geheimen Rath Wattenbach zu seinem Doetor⸗ Jubiläum am 20. Juli 1892 von der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde gewidmet wurde).

Unter der Presse befinden sich ein Folioband, 6 Quartbände, 2 Octavbände. .

Die Sammlung der Auctores antiquissimi nähert sich ihrem Abschluß, nachdem der umfängliche Claudian und die größere Hälfte der kleinen Chroniken veröffentlicht sind. Cassiodor's Variaé sind bis auf den von Herrn Dr. Traube bearbeiteten index verborum großentheils schon längst im Druck vollendet und dürften in einigen Monaten herbortreten. Zu den in der ersten Hälfte des 2. Bandes enthaltenen Fortsetzern des h. Hieronymus: Hydatius, Marcellinus, Johannes von Bielaro, Victor von Tunnuna, ferner Cassiodor, Marius von Avenches werden in der schon unter der Presse befind— lichen zweiten besonders die Chroniken Isidor's mit einigen Anhängen hinzukommen, während für einen dritten Band Beda, Gildas, Nennius u. a. übrig bleiben. ;

In der Abtheilung Seripidres hat Herr Archivar Krusch in der Zeit vom 20. April bis 16. Juli die schon längst geplante Reise nach Frankreich, zur Ausführung von Vorgrbeiten für die Merowingischen Deiligenleben, mit dem günstigsten Erfolg und unter dankenswerther Zuvorkommenheit aller betheiligten Behörden, vor allem des Herrn Leopold Delisle in Paris, ins Werk gesetzt. Da er daneben fortfahren durfte, weitere Handschriften aus dem In, und Auslande in Hannover selbst auszubeuten, so darf für Ostern 1894 dem Beginn des Druckes dieser wichtigen, die bisherigen Texte völlig umgestaltenden Bände ent— gegengesehen werden. Von den auf demselben Gebiet thätigen Bollan— disten erfreute er sich gleichfalls mannigfacher Förderung.

Von den Schriften zum Investiturstreit hat der kürzlich aus— gegebene 2. Band die Zeit Heinrich's V. erschöpft, so daß nur noch einige kleinere Gedichte fehlen. Wenn außer dem größeren Gedichte des Rangerius von Lucca de anulo et baculo auch nichts eigentlich Ungedrucktes darin geboten wird, so haben doch manche Werle, wie die des Beno, die Satire auf Albinus und Rufinus u. a. ihre Gestalt gründlich verändert und auch für die Würdigung der längst bekannten, wie z. B. des Bernold und Placidus ist durch den vollständigen Nach⸗ weis der Citate wesentliches erreicht worden. Herr Dr. Sackur erwarb sich noch von Straßburg aus darum die größten Verdienste, das Re⸗ gister war die erste von dem neuen Mitarbeiter, Herrn Dr. Dieterich, für uns ausgeführte Arbeit. Ein dritter in Vorbereitung befindlicher Band wird diese Sammlung mit den Schriften über den Streit Friedrich's J. und Alexander's III. abschließen und hoffentlich auch noch Ergänzungen zu den früheren Bänden nachholen können.

In der Reihe der deutschen Chroniken ist die lange ersehnte, für die Geschichte der vaterländischen Literatur hochwichtige Ausgabe der sog. Kaiserchronik von Herrn Prof. Schröder in Marburg erschienen. Desgleichen der Schluß der von Herrn Prof. Seemüller in Innsbruck mit rastlosem Eifer bearbeiteten großen österreichischen MReimchronik Ottokar s, eines unvergleichlichen Culturbildes ihrer Zeit, dessen ge—Q— schichtlicher und literarischer Werth erst durch diese sorgfältige Aus— gabe zur vollen Geltung gelangen kann. Während hiermit zugleich der 5. Band dieser Sammlung abschließt, soll zu dem ersten noch als Anhang das Annolied und die Silvesterlegende durch Herrn Prof. Rödiger im Laufe des Jahres hinzukommen. Für den 3. Band ssteht ebenfalls in baldiger Aussicht Enikel's Fürstenbuch von Herrn Prof. Strauch in Tübingen und das kleine dazu gehörige Landbuch von Herrn Archivsconcipisten Lampel in Wien.

In der von Herrn Prof. Holder -⸗Egger geleiteten Folioserie der S8. ist der 29. Band fertig geworden, der mit seinen ungemein mühseligen dänischen, isländischen, polnischen und ungarischen Quellen, von denen zum guten Theile nur Auszüge gegeben werden, nicht nur dem Plane, sondern theilweise auch der Ausführung nach auf G. Waitz zurückgeht und somit gleichsam als sein Vermächtniß dasteht. Der Druck des 30. Bandes hat mit sehr umfänglichen Stücken aus der großen Hennegauer Chronik des Jacques de Guise begonnen und wird in seinen weiteren Partien noch werthvolle Nachträge für das 11. bis 12. Jahrhundert liefern, zu denen u. a. Prof. van Werweke bei⸗ gesteuert hat. Die ursprünglich um 1276 bis 1277 entstandene Chronik des St. Petersklosters zu Erfurt und die zwar jüngeren, aber vor— nehmlich für die staufische Zeit wichtigen Reinbardsbrunner Annalen, beide in sehr verbesserter Gestalt, werden sich anreihen. Mit ihm wird endgültig das Folioformat abschließen, denn die Fortsetzung, die großen italienischen Chroniken des 13. bis 13. Jahrhunderts um- sassend, soll eine neue Reihe in Quart und mit etwas gefälligerer Schrift als die bisher angewendete eröffnen. Einige Vorarbeiten da—⸗ für hat Herr Hr. Simonsfeld in München auf einer italienischen Reise ausgeführt, zumal in Forli und Gubbio, wo er von dem Prof. Mazzatinti freundlich unterstützt wurde.

In der Sammlung der Handausgaben ließ Herr Prof. Holder⸗ Egger den schon im vorigen . angekündigten kritisch berichtigten

ext der Gesta Federici imperatoris in Lombardia erscheinen. Die Ausgabe Lambert's von Hersfeld von demselben, welche nach Vergleichung sämmtlicher , und Benutzung zahlloser neuerer , eine völlige Neugestaltung darstellt, wird bis zum Herbst fertig werden. Herr Oberlehrer Kurze hat seine Vorarbeiten für die Annales Laurissens. maior. und Einhardi mit gleichem Eifer fortgesetzt und hofft ebenfalls noch im Laufe des Jahres die letzte Hand anzulegen. In der Abtheilung der Leges ist die von Herrn Prof. von Salis besorgte Ausgabe der leges Burgundionum jum Ziel gelangt. Die als Vorarbeit für eine entsprechende KÄus⸗ gabe der leges Visigothorum von Herrn Prof. Zeu— mer beabsichtigte Handausgabe derselben ist im . schreiten begriffen, die für jene nothwendige Reise nach Paris soll im nächsten Herbst stattfinden. Der Druck des 2. Bandes der Capitularien ist von Herrn Pr. Krause so rüstig fortgesetzt worden, daß wir feine Vollendung noch in diesem Jahre gewärtigen dürfen. Die Vorberei⸗ tungen für Benedietus Levita, für welche später eine römische Reife erfordert wird, sollen sich unmittelbar daran anschließen. Von den durch Herrn Profeffor Weiland in Göttingen bearbeiteten Kalfer und Reichs gesetzen seit Konrad J, welche in noch viel stärkerem Maße als die Capitularien ihren Kreis erweitert haben, ist der J. Band bis zum Aut⸗ gange des 12. Jahrhunderts schon für den Herbst in Aussicht zu stellen und der 2. unter Beihilfe des Herrn Dr. Schwalm fo welt borbereitet, 6 sein Druck sich erfreulicher Weise dem des 1. unmittelbar an⸗ schließen kann.

Die Synoden des Merowingischen Zeitalters hat Herr i n. h Maaßen in Wien mit dem Beistande des Herrn Dr. Brefholz in einem mäßigen Bande zu Ende geführt, die noch wichtigeren Karo—⸗ lingischen werden Herrn Dr. Krause nach der Ausgabe Benedict's be— schaͤftigen. Einzelnes davon mußte schon bei den Capitularien vorweg genommen werden, wie z. B. die neuerdings viel erörterte Synode von Tribur.

In der Abtheilung Diplomata gehen die Urkunden Otto's III. ihrem Ende entgegen, nachdem im Sommer an Stelle des erkrankten Dr. Uhlirz Herr Hofrath von Sickel selbst die Leitung wieder an sich genommen hatte. Mit Hilfe der Herren Erben und Tangl in Wien sind die 6 und Register ansgearbeitet worden, .. man bis zum Juli die Ausgabe des zweiten Halbbandes erwarten darf.

Gerade in dem letzten Jahre ist diese Abtheilung, wie in dem Berichte derselben mit besonderem Danke hervorgehoben wird, von vielen Seiten eifrig unterftützt worden. Abschriften von Diplomen des 109. Jahrhunderts sandten noch ein die Herren Agnelli (Ferrara), Astegiano (Cremona), Bordolan (Venedig), Brailo (Treviso), Cipolla (Turin). Demaison (Reims), Köcher (Hannover), Schreiber (Amor⸗ bach), Starzer (Rom), Wolfram . Berichtigungen in großer Zahl stellten die Herren Breßlau, von Ottenthal und von Sybel zur Verfügung, und Rerichtigungen zu einzelnen Diplomen lieferten die Herren von Jaksch (Klagenfurt), Laurent (Mézieres), Malaguzzi (Modena), Posse (Dresden), Riezler (München), Tonarelli (Parma), von Weech (Karlsruhe). ö

Inzwischen ist bereits die von Herrn Professor Breßlau in Straßburg übernommene Fortsetzung für die Zeiten Hein⸗ rich's II. (und des Königs Arduin) in raschem Fortschritt begriffen, wobei seit dem 1. Juni Herr Dr. Bloch als Mitarbeiter sich verdient gemacht hat. Eine mehrmonatige Reise durch Italien im Spätherbst lieferte ein reiches Material, in Frank⸗ reich besorgte Herr Dr. Krusch nebenher einige Vergleichungen, eine erhebliche Zahl von Urkunden wurde mit dankenswerther Zuvor— kommenheit aus deutschen und österreichischen Archiven nach Straßburg gesendet, wo Herr Archivdirector Wiegand deren Benutzung in der gefälligsten Weise zu erleichtern suchte. Weitere Unterstützungen wurden dieser Abtheilung durch Herrn Dr. Bayer in Baden-Baden und durch Herrn Hofrath von Zeißberg in Wien zu theil. Die Frage, ob bei der Wiedergabe der auf Vorurkunden beruhenden Urkunden Heinrich's II. ein abgekürztes Verfahren rathsam sei, wurde im wesent— lichen verneint, dem Herausgeber jedoch für einzelne Ausnahmsfälle nach seinem Ermessen das Recht dazu vorbehalten.

Die jüngste Abtheilung der Diplomata, die Karolingerurkunden, die gleichzeitig in Angriff zu nehmen uns erst durch die Erhöhung unserer Mittel im vergangenen Jahre möglich geworden ist, hat in den Händen des Herrn Prof. Mühlbacher bereits einen kräftigen Fortgang gewonnen. Vorbereitet durch die von ihm früher herausgegebenen Regesten des Karolingerreiches und unterstützt durch die Mitwirkung der Herren Dr. Dopsch und Tangl, konnte er schon im verflossenen Jahre zahlreiche Stücke aus deutschen und österreichischen Archiven, welche nach Wien gesandt wurden, erledigen, wobei, insofern es sich nicht um Originale handelte, auch die älteren für uns angefertigten Abschriften zum theil gute Dienste leisteten. Eine Reise des Heraus— gebers nach einigen deutschen Archiven, deren Schätze noch ausstehen, vor allem aber eine längere Reise des Mitarbeiters Dopsch nach Frank— reich sollen zunächst das gesammelte Material vervollständigen. An die letztere knüpfte sich die Frage an, in welchem Umfange die auf das heutige Frankreich bezüglichen Urkunden, soweit es nicht zum Deutschen Reiche gehört hat, in unsere Sammlung einbezogen werden sollen. Sie wurde vorläufig nur bis zum Jahre 840 bejaht, nach 888 verneint, für 840 bis 887 offen gehalten. Falls nicht etwa unsere west— lichen Nachbarn uns inzwischen die Lösung dieser eigentlich ihnen ob⸗ liegenden Aufgabe abnehmen, dürften wissenschaftliche Gründe aller⸗ dings für unbedingte Vollständigkeit bis zum Jahre 888 sprechen. Die Vorarbeiten für die Karolingischen Urkunden im ganzen werden noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen, bevor an den Druck gedacht werden darf.

In der Abtheilung Epistolae setzte Herr Dr. Hartmann in Wien seine verdienstliche Bearbeitung des Registrum Gregorii auf dem von Ewald gelegten Grunde fort. Von dem 2. Bande, welcher das 8. bis 14. Buch umfassen soll, wird nächstens die erste Hälfte als besondere Lieferung erscheinen, der Rest nebst Einleitung und Register bis 1894 nachfolgen. Der 3. Band der Briefe, welcher außer denen des Mero— ., Zeitalters auch den codex Carolinus noch umfaßt, konnte im Sommer ausgegeben werden, nachdem das durch Herrn Br. Gund⸗ lach vorbereitete Register von Herrn Dr. Rodenberg vollendet worden. Der 4, welcher zunächst die Briefe Alchoin's enthalten soll, befindet sich in Vorbereitung. Durch die Versetzung des Herrn Prof. Rodenberg nach Kiel seit dem 1. Oktober ist der 5. Band der Regesta pontificum saec. XIII ins Stocken gekommen und erst jetzt ist der Druck wieder aufgenommen worden.

In der Abtheilung Antiquitates wird das noch ausstehende Register zu den von Herrn Dr. Herzberg⸗Fränkel herausgegebenen Salz— burger Todtenbüchern, welches dieselben eigentlich erst nutzbar macht, vom nächsten Herbst an gedruckt werden. Von den Poétae Latini aevi Carolini hat Herr Dr. Traube ein neues Heft des 3. Bandes erscheinen lassen, welches außer den bisher ungedruckten Gedichten von St. Riquier namentlich Agius, Bertharius, Hinkmar von Reims, Heinrich von St. Germain und einige kleinere Stücke umfaßt. Das nh 9. wird diesen Band in hoffentlich nicht allzu ferner Zeit abschließen.

Das bis zum 18. Bande gediehene neue Archiv unter der Leitung des Herrn Prof. Breßlau bietet eine unentbehrliche Ergänzung zu der Ausgabe der Quellen selbst. Es wäre lebhaft zu wünschen, daß dies von allen Abnehmern der Monumenta Germaniae mehr und mehr anerkannt würde, zumal da die Fülle des zuströmenden werthvollen Stoffs sich kaum mehr in den bisherigen Rahmen fassen läßt und auf eine Erweiterung hindrängt. . .

Einzelne Vergleichungen oder Abschriften wurden uns in dem vergangenen Arbeitsjahre freundlichst besorgt von den Herren Joh. e . in Rom, A. Molinier in Paris, Hénault in Valenciennes, J. H. Jeayes in London, Herzberg⸗Fränkel in Wien, J. Bernays in olfenbüttel. wurden uns von vielen auswärtigen und Archiven zur Benutzung anvertraut und theils hier, theils in Wien, Straßburg, . ausgebeutet, wobei wir in stets gleichem Maße uns der Unterstützung des hohen Auswärtigen Amts zu erfreuen hatten. Ganz besonders verdient auch diesmal wieder die unermüdliche Gefälligkeit der Herren Delisle in Paris und Ouverleaux in Brüssel gerühmt zu werden.

Wenn die Zahl der fertig gewordenen Bände in diesem Jahre eine besonders große war, so haben dabei zum theil zufällige Ursachen mitgewirkt, vor allem aber war es doch die durch die einsichtsvolle Fürsorge des hohen Reichsamts des Innern unter Anschluß Oester⸗ reicht uns gewährte Erhöhung unserer Geldmittel, die einen so er— freulichen Aufschwung der Ifebasl gestattet hat und auch ferner gestattet.

Handschriften und

Barcelona, von Heinemann in gen hen zibliotheken

Urkunden

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. . An der Ruhr sind am 3. d. M. gestellt 9617, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. ö. In Oberschlesien sind am 3. d. M. gestellt 3712, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.

. wangs-Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am 3. Mai die nachbezeichneten nun fh zur Versteigerung: Bremer st ra ße 48, dem Sattlermeister Rudolf Weiße gehörig; Nutzungs⸗ werth 24 530 „; für das Meistgebot ven 315 000 46 wurde die Frau Baumeister Anna Pippow, geb. Beckmann, zu Berlin Er= steherin. Liebenwalderstraße, dem Töpfermeister Gust. Dragowski gehörig; Fläche 6,99 a; für das Meistgebot von

43 500 M wurde der Bauunternehmer Franz Rietz zu Charlotten⸗

burg Ersteher. Marienburgerstraße 5, dem Bücherrevisor Siegfried Albu gehörig; Nutzungswerth 147560 M6; für das Ti ot von 233 000 wurde der Justiz⸗Rath Haack zu Berlin rsteher.

Das „Export-Hand-⸗Adreßbuch von Deutschland“, welches im Verlage von P. Stankiewicz' Buchdruckerei in Berlin 8w. erscheint, liegt in dem vierten, für 1893,94 bestimmten Jahrgang vor und zeigt in diesem Bande aufs Neue, daß der Herausgeber bien. ist, mit jedem folgenden Jahre das Handbuch in nützlicher und er⸗ wünschter Weise an wissenswerthem Stoff zu bereichern und in der Behandlungsweise zu vereinfachen, um so dem Zweck des Werks, ein Hilfebuch für den deutschen Exporthandel zu sein, immer mehr zu ent⸗ sprechen. Das Handbuch umfaßt in seinem ersten Theile eine Darstellung aller Länder der Erde in dem Sinne, daß der Exporteur alle An⸗ gaben eng aber übersichtlich zusammengestellt findet, die für ihn bei seinen Handelgunternehmungen zu wissen nöthig sind. Man findet da neben statistischen Mittheilungen Angaben über die Regierung oder Verwaltung der einzelnen Länder, über Münzen, Maße und Gewichte, über das Konsulatswesen, über die internationalen Verkehrg⸗ verbindungen, im besonderen auch über den Frachtverkehr, über die Geschäftslage, über Handelsberträge und Zölle, über das Finanzwesen des Staats und das Creditwesen der Kaufleute, über Rechtsprechung und Advocatur, über Handelskammern, Bankwesen und vieles Andere. Aus diesen Anführungen erhellt bereits der Nutzen des Handbuchs für alle Handels. und Industriekreise, die sich mit dem Exporthandel befassen; aber fast nicht weniger bedeutsam und wichtig ist der zweite Theil des Handbuchs, der einen Nachweis sämmtlicher deutscher Exportartikel nach Branchen in alphabetischer Ordnung enthält, und zahlreiche Firmen anführt, die sich mit der Fabrikation der einzelnen Erzeugnisse beschäftigen. Ein Firmenregister und ein Sachregister in deutscher, englischer und spanischer Sprache kommen der schnellen Auffindung des Gesuchten zu Hilfe.

In der er , Generalversammlung der Marienburg⸗ Mlawka-⸗Eisenbahngesellschaft waren 11 Actionäre an⸗ wesend, die 6330 Stimmen vertraten. Die Bilanz wurde genehmigt und die Dividende für die Prioritätsactien auf 5 und für die Stammactien auf Jo festgesetzt, zahlbar vom 15. Mai ab. Die ausscheidenden Mitglieder des Aufsichtsraths wurden wiedergewählt.

Die gestrige Generalversammlung der Lebensversiche⸗ rungsgesellschaft zu Leipzig (alte Leipziger) genehmigte den Rechenschaftsbericht für 1892, der einen Reingewinn von 46052 369 4 ergiebt, sowie sämmtliche Anträge des Verwaltungsraths. Die aus dem Verwaltungsrath ausscheidenden Mitgliede, Geheimer⸗Rath Dr. Schmidt und Commerzien-Rath Kummer wurden wiedergewählt.

Magdeburg, 4 Mai. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker excl., von 92 υ —, Kornzucker excl., 88 , Rendement 18,05, Nachproduecte exel., 7500 Rendement 15,20. est. Brod⸗ raffinade J. 30,00. Brodraffinade II. —— . Gem. Raffinade mit Faß 30, 00. Gem. Melis J. mit Faß 29, 00. Sehr fest. Rohzucker J. Product Transito f. 4. B. Hamburg pr. Mai 18,00 bez., 18,929 Br., pr. Juni 18,125 bez. u. Br., pr. Juli 18,223 bez. u. Br., pr. August 18,323 bez. u. Br. Sehr fest.

Wien, 4. Mai. (W. T. B.) Ausweis der österreichi sch⸗ unggrischen Staats bahn (österreichisches Netz) vom 1. bis 30, April 1804423 Fl., Mehreinnahme gegen den entsprechenden Zeitraum des vorigen Jahres 126618 Fl.

Verkehrs Anftalten.

Von dem im Cursbureau des Reichs-Postamts bearbeiteten Reich s-Cursbuch“ (Verlag von Julius Springer) ist die Ausgabe Nr. 3 vom 1J. Mai ausgegeben worden. Die neue Ausgabe, die wie gewöhnlich 260 kostet, enthält die Som mer⸗Fahrplaäͤne; neu hinzugekommen ist der Fahrplan 2146 Klingenmünster⸗Rohrbach.

Infolge mißbräuchlicher Versendung zum wirklichen Gebrauch be⸗ stimmter Gegenstände als Waarenproben mit der Briefpost hat sich die britische Postverwaltung veranlaßt gesehen, die allgemeine Vor— schrift, nach welcher zollpflichtige Gegenstände von der Beförderung mittels der Briefpost ausgeschlossen sind, strenger als bisher in Anwendung zu bringen. Infolge dessen ist fortan die Ein—⸗ führung von Waarenprobensendungen mit Gegenständen, welche zollpflichtig sind, wie Cacao, Kaffee, Cichorien, Korinthen, Feigen, Teigenkuchen, Pflaumen, Zwetschen, Trauben, trockene Aprikosen, Thee, Tabak, verarbeitet und unverarbeitet leinschließ lich Cigarren, Cigaretten, Schnupftabak), Chloralhydrat, Alkohol enthaltende transparente Seifen, Alkohol enthaltende Zuckerwaaren, Spielkarten mit der Briefpost nach Groß⸗ britann ien verboten. Vorkommende derartige Sendungen werden seitens der britischen Postverwaltung nicht den Adressaten zugestellt, sondern an die Zollverwaltung abgeliefert.

Die Betriebseinnahmen der Ostpreußischen Südbahn im April 1893 betrugen, wie W. T. B.“ meldet, nach vorläufiger Feststellung im Personenverkehr 76 558 „S6, im Güterverkehr 158773 S, an Extraordinarien 15 500 S, zu- sammen 250 831 606, darunter auf der Strecke Fisch= hausen Palmnicken 4621 , im April 1892 provisorisch 221 878 60, mithin gegen den entsprechenden Monat des Vorjahres mehr 28 953 MS, im ganzen vom 1. Januar bis 30. April 1893 1113 504 4 (sprovisorische Einnahme aus russischem Verkehr nach russischem Stil), gegen provisorisch 981 637 6 im Vorjahre, mithin gegen den entsprechenden Zeitraum des Vorjahres mehr 131 967 „, gegen definitiv 1035 737 M im Vorjahre, mithin mehr 77 967

Bremen, 5. Mai. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer ‚Stuttgart' ist am 4. Mai Morgens in Baltimore angekommen. Der Postdampfer Leipzig“ hat am 4. Mai Nachmittags Ouessant passirt. Der Postdampfer Graf Bismarck hat am 4. Mai Morgens die Reise von Antwerpen nach Oporto fortgesetzt. Der Schnelldampfer Havel ist am 3. Mai Mittags in New⸗York angekommen. der Postdampfer Dresden ist am 3. Mai von Baltimore nach der Weser ab⸗ gegangen. Der Reichspostdampfer Karlsruher hat am 4. Mai Vormittags die Reise von Adelaide nach Colombo fort- esetzt. Der Reichspostdampfer Preußen, nach Ostasien zestimmt, ist am 4. Mai Vormittags in Singapore ange⸗ kommen. Der Reichs Postdampfer Salier ist am 2. Mai Nachmittags in Adelaide angekommen. Der Postdampfer Ohio“ ist am 3. Mai Abends auf der Weser angekommen. Der Schnelldampfer Trave“, von New. Vork kommend, ist am 4. Mai Nachmittags auf der Weser angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Habsburg' ist am 4 Mai Morgens in Suez angekommen.

Hamburg, 4 Mai. (W. T. B.) Hamburg! Ameri⸗ kanische Packetfabrt ⸗Aetien⸗Gesellschaft. Der Postdampfer „Bavaria“ ist gestern und der Postdampfer Cherus kia beute in St. Tho mas angekommen.

London, 4. Mai. (W. T. B.) Der Un ion⸗Dampfer Spartan! ist gestern auf der Ausreise von Madeira abgegangen. Der Union⸗Dampfer Durban ist gestern auf der Ausreise in Capetown und der Union⸗Dampfer Pretoria“ beute auf der Heimreise in Southampton angekommen.

Theater und Musik.

Frie drich⸗Wil helmstädtisches Theater.

Frau Ilka von Palmap trat gestern Abend in einer neuen einactigen Operette Stupida“' auf, deren von Rich. Gen se und F. Zell! verfaßtes Libretto ven Alexander Neumann in Musik z ft ist. Der musikalische Theil des Werkes mutbet freundlich und gefällig an, obne do von besonderer Ursprünglichkeit der Phantasie und Erfindung zu zeugen. Die in coempositorischer Be- Riebung hervorragendste Nummer der Partitur dürfte ein Terzett bilden, das hböberen Schwung mit Schönbeit der

Klangwirkung verbindet. Die Instrumentatien ist zumeist bescheiden;