den Mühlenfabrikaten blieben überdies 94 ½ der Gesammtmenge innerhalb 600 km.
Meine Herren, ich bitte um die Erlaubniß, Ihnen noch einige Ziffern mittheilen zu dürfen. Die neun Monate September bis ein— schließlich Mai des Jahres 1890/91 — das ist das letzte Jahr vor Einführung des Staffeltarifs — und die derselben Monate von 1892/93 ergeben folgende Vergleichsziffern. In dieser Zeit ist die von Stationen der preußischen Staatsbahnen beförderte Getreidemenge gestiegen von 2314000 t auf 2535 000 t, das giebt ein Plus von 220000 t oder 9,6 o/o. Diese Steigerung ent⸗ fällt aber mehr als ganz auf die Staffeltarife; denn sie beträgt für den Staffeltarif nicht die Differenz, die überhaupt in Frage ist, von von 220 000 t, sondern 237 000 t, und das Plus 17000 t be— dingt also eine Abnahme der Transporte unterhalb 200 km. Die Einnahmen des Staats haben sich trotz der sehr erheblichen Tarifermäßigungen beträchtlich gesteigert, und zwar von 11 169 000 . auf 14 562 000 6, d. h. um 3 393 000 ½ Ich nehme an, daß sie bis zum 1. September d. J. auf etwa 5 Millionen Mark steigen werden. Auch hier entfällt die Steigerung lediglich auf den Transport auf weitere Entfernungen, indem für dieselbe eine Mehreinnahme nicht von 3 393 000 4M, sondern von 3 499 000 M zu verzeichnen gewesen sind, sodaß also auch hier die kürzeren Strecken eine erhebliche Ab⸗ nahme zeigen. Bei den Mühlenfabrikaten hat die Beförderungsmenge des Jahres 1892 gegen die des Jahres also des Jahres ohne Staffel⸗ tarife, abgenommen, 1890/91 hatte noch 611 245 t dagegen 1892,93 nur 605 374 t. Obwohl also eine Minderbeförderung von 5891 t vorliegt, sind doch die Einnahmen infolge der zurückgelegten weiteren Wege gestiegen. Diese betrugen 1890/91 3 443 312 M und 1892/93 3 730 099 Su, also ein Plus von 286 187 l Die Mehreinnahmen entfallen ausschließlich auf Entfernungen über 200 km, indem sie hier 335 555 M betragen, sodaß auch hier sich die Erscheinung zeigt, daß die kürzeren Entfernungen abgenommen . sollte man glauben nach dem Antrage des derrn Abg. Etels und namentlich nach den Angaben, die noch in sehr verstärktem Maße in verschiedenen Petitionen gemacht sind, diese Mehrtransporte kämen alle entweder aus den östlichen und nördlichen Provinzen oder aus dem Auslande. Dem ist aber nicht so. An diesen Mehrversendungen haben sich nicht bloß die östlichen und nördlichen Provinzen betheiligt, ob⸗ gleich dieselben naturgemäß den Hauptantheil haben, sondern auch die mittleren und westlichen Provinzen. Es hat der Mehrversand betragen von den Stationen des Directionsbezirks Altona 10 8565 t, Erfurt old9 3 Frankfurt a. M. 7416 t, Hannover 3676 t, Magdeburg 10 od t Directionsbezirk Berlin 40 696 t, Direetionsbezirk Bromberg 73 828 ö. den Löwenantheil aber hat die Provinz Schlesien mit do od l. Von dem Transportplus von 202000 t, welches auf die fünf östlichen Provinzen fällt, sind gegangen nach preußischen Häfen 65 0b 43 das sind also hauptsächlich Königsberg, Danzig und Stettin. Nach Berlin 44000 t, nach dem Königreich Sachsen 76 000 t. Ich bemerke dabei, daß lediglich das österreichische Getreide dort verdrãngt worden ist. Nach Westdeutschland sind im ganzen von diesem Plus do0h t. gegangen, also eine ganz minimale Zahl (Hört, hörth; nach Süd⸗ deutschland 6500 t; also auch keine Menge, die eine große Wirkung ausüben kann. (Heiterkeit. Uebrigens zeigt sich, daß auch ein erheb⸗ liches Bedürfniß vorhanden gewesen ist, aus dem Westen und aus Süddeutschland Artikel der Staffeltarife nach anderen Gegenden zu verfrachten. Beispielsweise sind die Hafer⸗ und Gersteversendungen aus Südwest⸗ und Mitteldeutschland erheblich gestiegen. Wenn der
Staffeltarif nicht gewesen wäre, hätten die großen Transporte, die
us der Rheinprovinz, aus Westfalen, Hannover und Bayern versandt
ö. ö. . stattfinden können. (Hört, hörth Daß der Staffel⸗ tarif in dieser Beziehung gut gewirkt hat, zeigt sich auch andrerseits in dem Nachlaß des Versandes vom See⸗ und Flußgebiet, der bei den Elb⸗, Weser⸗ und Emshäfen ein Minus von 64000 t aufweist.
Auch der Versand von preußischen Flußhäfen hat ein Minus von g0 000 t erfahren. Daraus ergiebt sich, daß allerdings für die Ge⸗ treidehändler im Westen eine gewisse Berechtigung zur Klage vorliegt; ihnen ist wirklich ein Gewinn entgangen, aber diesem Verlust steht der weitaus überwiegende Gewinn unserer einheimischen Landwirthschaft gegenüber. Die Provinzen Sachsen, Hannover, Westfalen, Schleswig⸗ Holstein haben sämmtlich stärkeren Bahnversand sowohl nach der Rheinprovinz als auch nach anderen Provinzen.
An Mühlenfabrikaten ist der Versand der östlichen Provinzen gestiegen um im ganzen 73 000 t; von diesen 73 000 t. haben be⸗ kommen Berlin 8400, das Königreich Sachsen 7500, Westdeutschland 2500, Süddeutschland 6400 t. Im übrigen stellt sich der Mehlversand der Provinz Sachsen auf 8000, der Provinz Hannover auf ebenfalls S000 t, der Mehlversand von Westfalen auf etwas über do0o0 . Berlin hat einen Mehrversand nach dem Königreich Sachsen von 500, nach Hessen⸗Nassau von 300 und nach Süddeutschland
von 4300 t.
Ich komme nun auf die einzelnen Einwendungen, die gegen den Staffeltarif vorliegen. Da ist nun der erste und, wie ich sagen muß, wenn er berechtigt wäre, auch schwerwiegendste Vorwurf der, daß eine Bevorzugung des Auslandes durch die Staffeltarife gegeben sei. Meine Herren, eine solche liegt nicht vor. Richtig ist, daß der Staffel⸗ tarif, wie die Dinge liegen, von der Einbruchsstation aus dem ausländischem Getreide nicht verwehrt wird und auch nicht wohl ver⸗ wehrt werden kann; unrichtig ist, was vielfach behauptet worden, daß für das ausländische Getreide dieselbe Expeditionsgebühr nachgelassen würde.
Unrichtig ist, daß den ausländischen Erzeugnissen durch den Staffeltarif eine wesentliche Erleichterung geboten würde. Das ausländische Getreide geht im wesentlichen auf kürzere Ent⸗ fernungen als 240 km. Es ist das auch ganz natürlich: das russische Getreide geht in der Hauptsache nach Danzig und Königsberg, soweit es nicht benutzt wird zum Consum inner · halb der nächsten Grenzdistricte; das österreichisch⸗ungarische Getreide geht in der Hauptsache nach Schlesien. Das Getreide, welches wir auf weitere Entfernungen vom Auslande her bekommen, kommt fast ausschließlich auf dem Wasserwege zu uns. In der Zeit vor Ein⸗ führung der Staffeltarife sind im Durchschnitt der sechs Jahre, von 1886 bis 1891, jährlich auf den Wasserstraßen von ausländischen Plätzen eingeführt 1164500 t; dagegen ist der Eisenbahn— versand 144 000 6 jährlich gewefen. (Hört! hört! Ueber die trockene Grenze sind also 144 000 t gegangen! Diese Mengen
benachbarten Provinzen geblieben, und zwar auf Entfernungen, die noch nicht zum Staffeltarif rechnen, in erster Linie in Schlesien.
Auf Entfernungen über 240 km sind im Durchschnitt der ge⸗ nannten sechs Jahre gelaufen 44 000 t. Hierunter befinden sich jedoch 26 000 t Gerste (hört! hört), welche das Inland zu Brauzwecken gebraucht hat und, wie ich mir gestatten werde dem⸗ nächst nachzuweisen, auch heute gebrauchen muß. Die überbleibenden 19000 t bestehen überwiegend aus Hülsenfrüchten, während Speise⸗ getreide auf weitere Entfernungen vom Auslande in das Königreich Preußen in sehr geringem Maße eingeführt ist.
Unter der Herrschaft des Staffeltarifs ist in den freien Verkehr der preußischen Provinzen Getreide aller Art aus Rußland eingeführt in dem halben Jahre vom 1. Oktober bis zum 1. April 1892,93 — so weit reichen die Zahlen — 11911 t. Das ergiebt gegen das vorhergehende halbe Jahr ein Minus von 10000 t. Davon sind gegangen nach der Provinz Preußen 898, nach Pommern 20, nach Hannover 10, nach Posen 2440, nach Schlesien 7732, nach Branden⸗ burg 706, nach Sachsen 90, nach Westfalen garnichts, Rheinland ebenfalls nichts und nach Hessen⸗Nassau 20 t. Darin stecken aber alle Artikel, welche der Staffeltarif umfaßt. Darin steckt also außer den Brotfrüchten die Gerste, der Hafer, der Mais und namentlich die Hülsenfrüchte.
Nun werde ich mir gestatten, Ihnen mitzutheilen, was denn aus
Rußland an Weizen und Roggen eingegangen ist während dieses halben Jahres: im ganzen 219 t Roggen und 102 t Weizen. Davon ist nichts gegangen nach Pommern, nichts nach Hannover, 20 t nach Posen, 30 und 81 nach Schlesien, nichts nach Brandenburg, nichts nach Sachsen, nichts nach Westfalen, nichts nach Rheinland, nichts nach Hessen⸗Nassau. (Hört! hört!) Meine Herren, ich glaube, daß es nicht angezeigt sein würde, hier im preußischen Abgeordnetenhause auch noch bezüglich der süd⸗ deutschen Verhältnisse Mittheilungen zu machen. Ich behalte mir vor, das an einem anderen Orte zu thun. Die Haupt⸗ masse geht also, wie Sie sehen, auf ganz kurze Entfernungen. Getreidepreis und zoll haben keine Einwirkung auf den Transportweg. Bei amerikanischem Getreide ist ja das an und für sich klar; beim russischen Getreide bleiben die Seewege unter allen Umständen die billigsten. Der beste Beweis dafür ist, daß in der langen Zeit des Bestehens des sogenannten Bromberger Staffeltarifs nach Berlin das russische Getreide nicht etwa mit der Eisenbahn gekommen ist; das russische Getreide ist nach wie ver durch die Oder und die Spree ge⸗ gangen. Wenn schon für diese Entfernung der Wasserweg der bevor⸗ zugte ist, meine Herren, so ist das für Mannheim, Köln, Hamm, Frankfurt u. s. w. noch in viel höherem Maße der Fall.
Die Lage Oesterreichs für den Staffeltarif ist ja natürlich ungleich günstiger wie Rußlands, weil die hauptsächlich in Betracht kommenden Landestheile von Oesterreich-Ungarn uns erheblich näher liegen; aber auch die Transporte österreichisch⸗ ungarischer Provenienz sind keineswegs erheblich, sie betrugen in den 9 Monaten vom 1. Oktober 1891 bis 1. Juli 1892 im ganzen (die Einfuhr nach Schlesien ausgenommen) an Weizen 436, Roggen 1181, Hafer 9693, Gerste 44205 t.
Ebenso hat die Einfuhr von ausländischem Mehl über die See— häfen wie auf dem trockenen Wege irgendwelche hervorragende Be— deutung nicht erlangt.
Der zweite Vorwurf, der den Staffeltarifen gemacht wird, besteht darin, daß man sagt: die Staffeltarife über⸗ schwemmen uns im Westen, in Mitteldeutschland, mit östlichem und nördlichem Getreide. Es ist die Behauptung hieran geknüpft worden, daß infolge dieses vermehrten Angebots der Druck auf die Getreidepreise so stark geworden sei, daß die westliche Landwirthschaft und die westliche Müllerei nicht mehr bestehen kann. .
Was die Ueberschwemmung anbetrifft, so habe ich vorhin mir bereits auszuführen gestattet, daß die Transportmengen des Staffel tarifs gegen die des Seewegs und der großen Ströme kaum ins Ge⸗ wichk fallen können.
Was nun den Preisdruck anbetrifft — ja, meine Herren, ich glaube, da ist der Staffeltarif auch der unschuldigste Factor von den verschiedenen Factoren (sehr richtig! rechts), die mitgewirkt haben, um dieses Ergebniß hervorzubringen.
Meine Herren, ich erinnere daran, daß wir in die Ernte 1897 mit colossalen Vorräthen eingetreten sind, daß die Ernte überall eine vorzügliche gewesen ist — fast überall, an Brotfrüchten wenigstens, allerdings nicht an Hafer, daß ferner Amerika eine ganz colossale Ernte gemacht hat. Es ist mir neulich noch aus sachverständigem Munde — ich übernehme aber leine Garantie dafür — gesagt worden, daß die Vorräthe, die zur Ver⸗ frachtung nach Europa theils schwimmend, theils schon consignirt sind, genau den ganzen Betrag unserer 1892 er Ernte ausmachen. Daß diese Massen, die doch naturgemãß einen colossalen Einfluß auf den Preisstand ausüben müssen, die geringen Mengen, die der Staffeltarif ins Land gebracht hat, weit übersteigen, das, meine Herren, glaube ich, bedarf kaum einer weiteren Auseinandersetzung. Es hat ja überhaupt kaum jemals eine Untersuchung zu genauen ziffermäßigen Ergebnissen geführt, die darauf gerichtet war: welchen Einflüssen ist der Preistand der Brot⸗ frucht im gegebenen Falle zuzuschreiben? Es wirken dabei so viele Momente mit (sehr richtigh, die sich jeder ziffermäßigen Darstellung entziehen, daß man kaum im stande ist, ein abstractes Bild zu geben. Ich gebe zu, daß moralisch die Staffeltarife und die Angebote infolge der Staffeltarife, in erster Linie aber die Folgen des überall vor⸗ handenen Ueberflusses — jeder hat seinen ueberfluß auf irgend eine Weise los werden wollen und hat natürlich auch den Weg des Staffeltarifs gesucht —, daß also dieser, ich möchte sagen, moralische Druck, der infolge der Angebote auf dem Wege des Staffeltarifs erfolgt ist, mitgewirkt hat, die Getreide preise zu drücken. Aber, meine Herren, sehen Sie sich einmal die Curstabellen an, ob sich nicht da und dort in der Vergangenheit noch viel niedrigere Preise finden, wo von Staffeltarifen noch garnicht die Rede gewesen ist. Sie werden, wovor uns Gott behüten möge, in dem Falle, daß unsere Ernte in diesem Jahre nicht günstig ausfällt, schon erleben, wie rasch an der Berliner Börse und an den sonstigen Börsen die Getreidepreise wieder anschwellen. Für diejenigen Herren,
die das interessirt, habe ich hier eine graphische Darstellung über die Bewegung der Preise auf den Märkten Köln, Magdeburg, Berlin, Posen, Danzig; daraus werden Sie ersehen, daß die Preise des Jahres 1886 die niedrigsten gewesen sind, niedriger als des Jahres 1892,93, obwohl
mehr wirksame Momente für den Preisdruck obgewaltet haben als im Jahre 1886.
Meine Herren, es ist dann ferner namentlich in Petitionen gesagt worden: ein Beweis dafür, daß die Staffeltarife ungünstig wirken, liege auch darin, daß das inländische den Westen über⸗ schwemmende Getreide auf den Kölner Markte billiger verkauft werde, als das ausländische Getreide. Das ist richtig, aber das liegt nicht an den niedrigeren Frachtkosten — die sind höher als die der ausländischen Waare —, sondern es liegt daran, daß die Qualität des östlichen Getreides und namentlich des Roggens, der hier wesentlich in Betracht kommt, vielfach zurücksteht hinter der ausländischen Waare, daß namentlich der Klebergehalt und die Trockenheit des östlichen und nördlichen Getreides gegenüber dem russischen z. B. zu wünschen übrig läßt.
Meine Herren, ich komme jetzt auf den dritten Geschädigten, den Getreidehandel, und da muß ich von vornherein anerkennen, daß dessen Klagen wohl am ehesten berechtigt sind. Unter den Getreidehändlern, die sich beklagen, stehen obenan unsere Seehandelsplätze, Königsberg, Danzig und Stettin; alle drei betrachten als älteste und festeste Grundlage ihres Handels den Getreidehandel. Der Getreidehandel ist seit Aenderung der Zollverhältnisse mit Rußland für diese Plätze, namentlich aber für Königsberg und Danzig, sehr erheblich eingeschränkt, und es ist anzuerkennen, daß infolge des Staffeltarifs eine weitere Einschränkung nicht ausgeschlossen ist; vor der Hand ist aber eine solche Einschränkung noch nicht wahrzunehmen. Was Danzig und Königsberg stets bleiben wird, ist der russische Transit und die sehr erhebliche Körnerproduction in der unmittelbaren Umgebung. Königsberg und Danzig werden daher durch den Staffeltarif meiner Ueberzeugung nach auch auf die Dauer einen wesentlichen Rückgang nicht zu erleiden haben. Allein der Handel und die Rhederei Königs⸗ bergs und Danzigs in Getreide und Mühlenfabrikaten hängen nicht blos von den Frachten ab, sondern sind im wesentlichen auch von den Conjuncturen beeinflußt, und es wird ein Wechsel in der Beziehung sich stets geltend machen.
Der zweite geschädigte Händler ist der Getreidehändler an den Flüssen. Dieser hat im wesentlichen bis jetzt das ausländische und das auf dem Wasserwege eingegangene inländische Getreide gehandelt und spedirt. Ihm erwächst nun eine Coneurrenz dadurch, daß seine bisherigen Abnehmer directe Angebote von östlichen Producenten und Händlern erhalten.
Es werden sich daraus allerdings für eine gewisse Uebergangs⸗ periode Verschiebungen ergeben. Allein, meine Herren, so sehr ich diese Verschiebungen beklage, so muß ich doch sagen, daß sie gegen⸗ über den Vortheilen, welche der Production in dem Consum aus den Tarifen erwachsen, meines Erachtens nicht so schwer ins Gewicht fallen können, daß man sich entschließen könnte, die Staffeltarife wieder aufzuheben.
Meine Herren, damit wäre ich bezüglich dessen, was ich zur Recht⸗ fertigung des Staffeltarifs, soweit er sich auf Getreide bezieht, in Er—⸗ widerung der Ausführungen des Herrn Antragstellers zur Zeit anführen möchte, am Ende. Ich komme nun zu den Mühlenfabrikaten. Gegen die Einbeziehung der Mühlenfabrikate in den Staffeltarif haben sich weitaus die meisten und auch weitaus die kräftigsten Beschwerden ge⸗ richtet.
ö Meine Herren, Getreide und Mehl ist seit undenklichen Zeiten gleich tarifirt; das hat nicht der Staffeltarif erfunden, sondern das hat er so vor⸗ gefunden. Es ist weitaus auf den meisten deutschen Bahnen von Anfang an der Tarif so gestaltet gewesen, es ist aber seit dem Reformtarif in ganz Deutschland Getreide und Mehl gleich tarifirt. Ich habe mir vorhin schon die Bemerkung erlaubt, daß das auch in Nachbarländern der Fall ist, daß sogar Rußland sein Mehl erheblich billiger tarifirt als sein Getreide. Die Erwägungen, die dazu geführt haben, abweichend von dem sonstigen Tarifgrundsatz, das veredelte Product höher zu tarifiren als das Rohproduct, Mehl und Getreide gleich zu tarifiren, sind nicht eisenbahnfiscalischer, sondern lediglich wirthschaftlicher Natur. Diese Erwägungen beruhen darauf, daß es sich im allgemeinen empfiehlt, den Veredelungsprozeß am Erzeugungsorte zu begünstigen. Es sind infolgedessen auch nicht bloß die Ausnahmen für Mehl und Getreide gemacht worden, sondern ebenso für Kohle und Kokes, für Erze und Roh⸗ eisen, für Kalk und Kalkstein und noch für eine ganze Reihe anderer Producte. Für Mehl und Getreide lagen aber noch ganz besondere Gründe vor, die Veredelung am Erzeugungsort zu begünstigen. Diese Gründe liegen darin, daß zumeist diejenigen Landestheile, in denen die Landwirth⸗ schaft überwiegt, arm an sonstigen Industrien sind. Die Mühlenindustrie ist in weiten Strichen unseres Landes fast die einzige große Industrie, die wir haben. Es war daher meines Erachtens wirthschaftlich durchaus richtig, die Veredelung hier durch die Gleichstellung des Veredelungsproducts mit den Rohprodueten im Tarif zu begünstigen.
Es war ferner in Betracht zu ziehen, daß die Abfallstoffe der Mühlenindustrie im wesentlichen wieder Consumstoffe der Landwirth⸗ schaft sind, daß in denjenigen Landestheilen, die großen Körnerbau haben, auch naturgemäß die Viehhaltung groß ist, und daß die Land⸗ wirthschaft dieser Landestheile die Abfallstoffe, Kleie und Futtermehl, für ihre Viehhaltung durchaus nothwendig hat, und daß auch aus diesem Grunde gleiche Vergůnstigungen
für den Veredelungsprozeß am Erzeugungsort geboten sind.
Unter diesen Umständen war es ganz unvermeidlich, wenn nicht große, kaum zu verantwortende Verschiebungen innerhalb der Mühlenindustrie und innerhalb der Landwikthschaft eintreten sollten, daß die Mühlenfabrikate von dem Staffeltarif nicht aus⸗ geschlossen wurden. Es wäre geradezu vernichtend gewesen für unsere östliche und nördliche Mühlenindustrie und in hohem Maße gefährlich und bedenklich gewesen für unsere oͤstliche Land⸗ wirthschaft, wenn wir die Mühlenfabrikate im Epeeial·
tarif 1 gelassen und die Rohstoffe in den Staffeltarif gesetzt hätten.
Unsere östlichen und nördlichen Mühlen hätten ihren Betrieb aufgeben müssen. Die Staatsregierung glaubte daher, unter diesen Umstãnden es durchaus nicht verantworten zu können, die Mühlenfabrikate im Special⸗ tarif zu lassen, sondern es für wirthschaftlich berechtigt erachten lu müssen, das alte gleiche Verhältniß für Müählenfabrikate und Getreide aufrecht zu erhalten, um so mehr, da es sich um einen Versuch handelte. . . t Meine Herren, die statistischen Beobachtungen, die wir angestel haben, haben nun allerdings zu der Ueberzeugung geführt, daß die Wirkung der Staffeltarife für die Mühlenfabrikate in ge⸗ wisser Hinsicht eine schärfere gewesen ist. Es liegt das nicht an den Tarifen an sich, sondern an den sonstigen
sind aber zum überwiegenden Theil, nämlich mit 100 000 t, in den
in diesem Jahre, soweit ich mir darüber ein Urtheil zumessen kann,
Verhältnissen. Meine Herren, ich will hier auch gleich erklären,
daß die Staatsregierung daraufhin, und ehe die Anregung durch den Antrag Eckels kam, die Vorermittelung hat eintreten lassen, in welchem Umfange die Verschiebungen eingetreten sind, und auf welchem Wege sie zu beseitigen sind. Ich bemerke ferner, ich stehe auch heute noch auf dem Standpunkt: die Mühlenfabrikate wieder in Specialtarif 1 zurückzuversetzen, halte ich für unmöglich, so lange das Getreide im Staffeltarif ist. Dahin— gegen will ich es als eine offene Frage hingestellt sein lassen, ob irgend ein anderes Verhältniß gefunden werden kann, welches ein richtigeres Verhältniß gestattet. Herr Graf Strach⸗ witz suppeditirt mir schon ein Verhältniß — und das ist ein sehr naheliegendes, das haben wir auch schon erwogen —, das ist das Rendement⸗-Verhältniß; ob man das zu 60 oder 70 nimmt, ist eine Frage, die man sich überlegen kann. Gewiß, das ist sehr naheliegend, und das wird auch, wenn man sich überhaupt zu einer Aufgabe des gegenwärtigen Princips der Gleichhaltung ent— schließt, zunächst in Betracht kommen. Es würde daraus allerdings zunächst eine Abmilderung der Wettbewerbsverhältnisse für die mittleren, westlichen und südlichen Mühlen eintreten. (Zuruf.) Wenn die oberschlesischen Mühlen zur Zeit im Wettbewerb gegen die Posener Mühlen ungünstiger stehen, so ist das ein Ausnahm'ezustand. Derselbe beruht darin, daß sie ausnahmsweise nicht österreichischen Roggen, sondern Roggen von Posen verarbeiten müssen, weil österreichischer Roggen nicht preiswerth zu haben ist, daß infolge dessen die Posener Mühlen einmal ausnahmsweise einen Vorsprung haben; der reguläre Zustand ist das aber nicht, am allerwenigsten ist der Staffeltarif hieran betheiligt.
Also bezüglich der Mühlenfabrikate behandle ich die Frage als eine offene. Ich glaube mit Rücksicht darauf auch mich enthalten zu dürfen, Ihnen bezüglich der Mühlenfabrikate aus dem sehr ein— gehenden Zahlenmaterial, das mir hier vorliegt, noch weitere Zahlen anzuführen.
Ich gehe über zum dritten Gegenstand, das ist das Malz. Das Malz theilt insofern dasselbe Schicksal wie Mehl, als Malz und Gerste auch früher denselben Tarif hatten. Nun war die Staats— regierung anfänglich bedenklich, diese Gleichstellung beizubehalten aus mancherlei Gründen, und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, den auch der Herr Abg. Eckels in erster Linie hervorgehoben hat, nämlich der Befürchtung, daß die ausländische Concurrenz den Hauptvortheil aus diesem Tarif ziehen würde. Auch der Umstand erregt Bedenken, daß Malz in weit geringerem Maße den Wasserweg benutzt, als dies bei den übrigen Artikeln des Staffel— tarifß der Fall ist. Malz ist einmal nicht geeignet für den Wasserweg, es leidet in seiner subtilen Qualität zu sehr durch den Wassertransport, und sucht daher, wenn es irgend kann, den Eisen—⸗ bahnweg auf. Aus diesen Gründen hat also anfangs die Staatteisen⸗ bahnverwaltung Bedenken getragen, Malz in den Staffeltarif ein⸗ zuführen. Es kamen nun von den verschiedensten Seiten, auch, wie der Herr Abg. Eckels ausgeführt hat, von den Seiten, die heute gegen die Beibehaltung der Staffeltarife für Malz sind, also z. B. von den Mälzereien an der Saale und sonst aus Thüringen und auch aus Schleswig, die dringendsten Petitionen, man möchte doch um Gottes— willen das Malz wieder gleichstellen mit Gerste, sie müßten sonst zu Grunde gehen, und den Nutzen hätte in letzterem Falle auch wieder das Aus— land — das Ausland wird nämlich bei all und jeder Gelegenheit als Popanz, ob mit Recht oder Unrecht, lasse ich dahingestellt, vorgeführt. Wir frugen den Landes-Eisenbahnrath, und zwar nicht bloß den Ausschuß, sondern auch das Plenum, und der sagte: die Leute haben ganz recht, ihr müßt das Malz wieder in dasselbe Verhältniß bringen wie die Gerste. Das ist der Grund gewesen, warum wir uns ent— schlossen, zum 1. Januar 1893 das Malz in den Staffeltarif ver— suchsweise aufzunehmen.
Mittlerweile hatte sich nach den angestellten Ermittelungen auch
wirklich ergeben, daß in Westfalen und am Rhein billiger Malz producirt, als aus der Saalegegend und aus Schlesien bezogen werden kann. Nun war aber die Mälzerei in Schlesien und an der Saale, im Oderbruch und im Posenschen eine alte, große Industrie, während die anderen erst den Betrieb im großen anfangen wollten auf Grund des Staffeltarifs; die bisherigen Mäljereien waren ziemlich un— bedeutend. Kurzum, die Staatsregierung entschloß sich, das Malz auch in den Tarif hineinzusetzen. Bisher ist von dem sogenannten Consumenten keine Rede gewesen, obwohl derselbe ja gewissermaßen auch eine Berechtigung hat, in diesen Fragen mitzureden, zumal die Wohlthaten, die der Staffeltarif für den Consumenten mit sich bringt, klar auf der Hand liegen. Diese Wohlthat tritt am schärfsten hervor beim Malz. Der Staffeltarif für Malz erleichtert nämlich, ein gutes, der Geschmacksrichtung des Consumenten ent⸗ sprechendes Bier zu brauen, die vorzüglichen Malzproducte Schlesiens, des Oderbruchs, der Saalegegend und namentlich Mährens und Böhmens auch dem Westen Deutschlands zukommen zu lassen, während die Producte, die dort bisher — ich will niemandem zu nahe treten — nicht den Ruhm hatten, will ich sagen, wie diese. Auch möchte ich bemerken, daß, ob der Staffeltarif besteht oder aufgehoben wird, für eine ganze Anzahl von Brauereien dies Qualitätsmalz überhaupt gar— nicht zu entbehren ist. Für gewisse Arten von Bier, die beispielsweise hier in Berlin und auch wohl anderswo gebraut werden, wird immer zur Herstellung der vom Consumenten gewünschten Qualität mährisches oder böhmisches Malz vorgezogen werden. Denn dem Malz geht es, wenn auch nicht ganz so, aber doch einigermaßen wie den Weintrauben: es nimmt einen gewissen Geschmack von seinem Boden, auf dem es erzeugt ist, an. Es können daher bestimmte Qualitäts⸗Biere nur von Malz aus gewissen Gegenden gebraut werden. Das Alltagsbier ver⸗ langt diese subtilen Unterscheidungen allerdings nicht.
Nun, meine Herren, ich bin mir stets darüber klar gewesen, daß auch diese Frage des Malzes im eminentesten Sinne des Wortes eine Versuchsfrage ist, daß die Frage der Beibehaltung des Malzes in seiner gegenwärtigen Tariflage eine offene ist und als solche behandelt werden muß. Die Vorermittelungen dazu sind — wie Sie vielleicht aus meinen Mittheilungen entnehmen können — ziemlich umfassende gewesen für die Staatseisenbahnver⸗ waltung, und wir müssen uns auch in dieser Beziehung die Ent⸗ scheidung vorbehalten. Das möchte ich aber doch sagen: mag die Entscheidung ausfallen, wie sie will — vor dem 1. Oktober können etwaige Aenderungen nicht eintreten. Wir würden anderen Falls in die bestehenden Vertragsverhältnisse in einschneidender schädlicher Weise eingreifen.
Also, meine Herren — um noch einmal zu recapituliren —, der Standpunkt der Staateregierung ist folgender:
Die Ermäßigung der Tarifsätze mit wachsender Entfernung beruht auf einer wirthschaftlich und finanziell richtigen Grundlage, denn sie ist proportional den Selbstkosten;
der Staffeltarif eignet sich insbesondere für die landwirthschaft⸗ lichen Producte, denn er ist ein wirksames Ausgleichsmittel zwischen Mangel und Ueberfluß auch für weite Entfernungen;
die geographische Gestaltung unseres Landes und das Ueberwiegen der landwirthschaftlichen Production in den östlichen und nördlichen Provinzen, der Industrie in den mittleren und westlichen Provinzen gewährt den Staffeltarifen für Getreide eine besondere Bedeutung und Berechtigung;
der Staffeltarif erleichtert den Wettbewerb der inländischen Pro⸗ duction gegen die ausländische;
der Staffeltarif ist für den Consumenten unbestreitbar nützlich, für die fiscalischen Interessen vortheilhaßt.
Die Staatsregierung erachtet daher, so lange der Beweis des Gegentheils nicht erbracht ist, die Beibehaltung des Staffeltarifs für Getreide, Hafer, Hülsenfrüchte u. s. w. vom wirthschaftlichen und finanziellen Standpunkt für nützlich und gerechtfertigt.
Die Gleichstellung von Mehl und Getreide, von Malz und Gerste beruht auf althergebrachten wirthschaftlichen Grundsätzen. Die Auf⸗ hebung derselben würde einen Eingriff in die Productionsbedingungen der betreffenden Betriebe darstellen. Die Staatsregierung hat indessen Veranlassung genommen, die Frage nochmals zur Erörterung zu ziehen, ob ohne zu schwere Schädigung berechtigter Interessen eine Erhöhung der Sätze für Mehl und Malz unter Beibehaltung des Staffelsystems vorgenommen werden kann.
Meine Herren, das sind diejenigen Bemerkungen, die ich auf die Ausführungen des Herrn Antragstellers zu machen habe. (Lebhafter Beifall.)
Nachdem der Minister seine Rede beendet hat, wird die
Rednerliste bekannt gegeben. Gemeldet sind 24 Redner für und 15 gegen den Antrag Eckels.
Abg. Schoeller (freicons): Neben den Landwirthen erheben namentlich die Mühlenbesitzer Einspruch gegen die Staffeltarife. Der Einspruch wird aber in erster Reihe von den Mühlen erhoben, welche auslänzisches Getreide vermahlen und an den Wasserstraßen liegen. Diese haben denn auch über die gute Ernte von 1892 geklagt. ich die Malzindustrie wird durch die Staffeltarife in ganzen len e tried gehindert, das in ihnen erzeugte Getreide zu vermälzen. Wir im Osten legen entschieden Verwahrung ein, daß uns die Ausübung der Veredelungsgewerbe für landwirthschaftliche Producte beeinträchtigt oder verkümmert werde. Von principieller Bedeutung ist die Frage aber für die Landwirthschaft. Die östliche Landwirthschaft brauchte diesen Staffeltarif, gegen welchen die Bewegung von den gefegneten mittleren und westlichen Provinzen des Landes getragen wird. Ein Preisdruck wird durch die Staffeltarife im Westen faßt garnicht oder nur in geringem Maße bewirkt. Der Preis für das Getreide im Westen, bildet sich in Rotterdam und Amsterdam. Alle wirth⸗ schaftlichen Fortschritte haben fortdauernd das Verhältniß zu Ungunsten des Ostens und zu Gunsten des Westens ver— schoben. Im Osten geht die Steuerkraft zurück, die Verschuldung wächst, die Bevölkerung nimmt sogar ab, die Auswanderung zu; die östlichen Provinzen sind blutleer. Unterbindet man ihnen' die Ver— kehrsadern noch mehr, wie es mit dem Antrage Eckels a gn würde, so wäre ihr Ruin unausbleiblich. Es stellen si hier einzelne Interessentengruppen betrübender Weise einem erleichterten Austausch der Producte entgegen. Wir aber hoffen, daß die dankenswerthe Haltung der Regiernng fest bleiben wird, und daß sie nicht neue Verkehrs— 6 wird errichten wollen. Ich bitte daher um Annahme meines Antrags.
Nach 31 Uhr wird die weitere Berathung auf Freita g, 11 Uhr, vertagt.
Literatur.
Geschich te.
Fürstliche Besuche in Görlitz. Festschrift zur Ent- hüllung des Reiter⸗Standbildes Seiner Majestät des Hochseligen Kaisers und Königs Wilhelm J. am 18. Mai 1895 in Görlitz. Im Auftrage des Magistrats der Stadt Görlitz verfaßt von GymnasialOberlehrer Pr. Jecht, Seeretär der, Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften ). Görlitz, Commissionsverlag von P. W. Sattig. — Die Geschichte der Stadt Görlitz ist etwa 700 Jahre alt, und Görlitz hat als be— deutende Handelsstadt, als bevölkertste und reichste der. Sechsstädten während dieser Zeit eine solche Rolle gespielt, daß man sich nicht wundern kann, in seinen Mauern des öfteren Hohe und Allerhöchste Personen weilend zu finden. Was der Verfasser in den Archmen seiner Heimathsstadt über solche Besuche nach eingehenden und mühsamen Forschungen ermltteln konnte, hat er in diefer 4 schrift in streng wissenschaftlicher Weise verzeichnet. Zwei fagenhafte Berichte über die Anwesenheit Fürstlicher Personen im 13. Jahchun« dert werden als Erfindungen erwiesen. Sodann wird das Verweilen böhmischer Herrscher (bis 1253) sowie der askanischen Landesherren (bis 1319) in Görlitz besprochen. Ganz neu ist der Beweis, daß in den ersten beiden Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts die Herren von Camenz die Stadt Görlitz besaßen. Weiter wird der Aufenthalt Heinrich's von Jauer (1319 bis 1329), Johann's von Böhmen, Kaiser Karl's IV. ( 348, 1364. 1367, 1371, 1374 1377), des Hans von Görlitz, des Königs Wenzel (1403), Sigismund's, Albrecht's (1438), Ladislau's J. (1464), Georg Podjebrad's behandelt. Darauf wird urkundlich erwiefsen, daß trotz gegentheiliger chronikalischer Nachrichten Matthias Corvinus (1469 — 1490) nie in Görlitz war, ebenso wenig Ladislaus II. und Ludwig; dagegen konnte über die Anwesenheit Ferdinand's J. im Jahre 1338, ein genauerer Bericht gegeben werden. Der folgende Herrscher Maximilian (1664 —- 15765 war zweimal als Kronprinz in Göͤrlttz, Rudolf II. im Jahre 16577. Matthias 1611, Ferdinand 11. 1617, Friedrich von der Pfalz 1620. Von den nun Folgenden sächsischen Kurfürsten besuchten Johann Georg J. (1623 — 1650 des öfteren die Stadt, Johann Georg 11. 166, Johann Georg 111. 16809. August der Starke (1894 — 1733) und sein Sohn Friedrich August 11. (1733— 1763) hielten sich deshalb öfter in der Neissestadt auf, weil sie wegen ihres polnischen Königreichs häufig von Dresden nach . reisen mußten; hingegen haben ihre Nach⸗ folger . Christian und Friedrich August III. sie nie betreten. Schon bevor Görlitz preußisch wurde, sah es auch verschiedene Male Hohenzollern in seinen Mauern: zuerst 1562 den Markgrafen . von Cüstrin, dann 1677 den Kurfürsten Joachim Friedrich als kurprinzen, weiter den Markgrafen Johann Georg von Jägerndorf, welcher vom September 16230 bis Ende Februar 1621 Görlitz als Hauptquartier gegen die andringenden Kursachsen besetzt hielt. Be⸗ sonderß oft war Friedrich der Große in der Neissestadt (1745, Ende November und nicht weniger als siebenmal, in den Zeiten des siebenjährigen Krieges), sodann Friedrich Wilbelm II. 1791, . Wilhelm III. 1813 und als Landesherr 1835; Friedrich Wilhelm JV. achtmal, und zwar war sein Aufenthalt im Jahre 1844 für die Stadtgeschichte überaus wichtig. Kaiser Wilhelm J. beehrte Görlitz fünfmal vor dem Regierungsantritt und sechsmal während seiner glorreichen Regierungszeit mit seiner Gegenwart, Kaiser Friedrich als Kronprinz einmal, Seine Majestät der Kaiser Wilhelm II. einmal als Prinz Wilhelm am 14. Sep⸗ tember 1882 und jetzt zu der Enthüllungsfeier am 18. Mai 1893. Die
Festschrift beschränkt sich übrigens nicht nur darauf, von der Anwesenheit
gekrönter Häupter in der Neissestadt zu berichten, sondern sie giebt a Aufschlüsse über die Durchreise anderer Fürftlicher Per 3 seit 1375 gerade Görlitz in den Rathsre nungen eine sehr genaue Heschichtsquelle ,. jo, kann die Festschrift ferner auch mancherlei Aufschlüsse über die Verhältniffe dynaftischer Familien der Nachbar länder geben; z. B. finden a darin dankenswerthe Nachrichten über die schlesischen Piasten, welche zum theil die bis jetzt bekannten orschungen ergänzen. Das Werk ist der Bedeutung des Festtages, zu dem es bestimmt war, entsprechend . hergestellt. Der Ober⸗ Bürgermeister Reichert hatte die Ehre, ein besonders reich ausgestattetes Exemplar Seiner Majestãt dem Kaifer im Namen“ des Görlitzer Magistrats am 18. Mat zu überreichen.
Dr. David Müller's Leit faden zur Geschichte des deutschen Volkes. Achte, vollständig umgearheitete Auflage, be⸗ sorgt von Professor Dr. Friedrich Fun ge, Director des Real= gymnasiums zu Magdeburg. Mit sechs geschichtlichen Karten und einem Dreikaiserbilde. XI. und 184 S. gr. 86. Berlin 1893, Franz Vahlen, geb. 6 2.50, — Diese neun Auflage ist mit den Bilbern de? drei Kaiser geziert. Die sauberen Karten beranschaulichen die Wir⸗ kung, welche die Weltereignisse auf die Staatsgebiete gehabt haben. Nahezu an 100 000 Exemplare werden mit dieser Auflage des Buches verbreitet sein: eine seltene Empfehlung.
Rechts⸗ und Staatswissenschaft.
Kr. Lehrbuch des Handelsrechts mit Einschluß des See⸗, Wechsel⸗ und Versicherungs rechts von Konrad Cosack, Professor der Rechte an der Universität Freiburg i. B. Zweite vollständig umgearbeitete Auflage. Stuttgart 1893. Ferdinand Enke. Der im Jahre 1888 als ein Theil der verbreiteten juristischen Handbibliothek des, Ferd. Enke'schen Verlags erschienenen ersten Auflage ist bereits die zweite Auflage gefolgt, was ein gutes Zeugniß für die Verbreitung und damit Anerkennung ist. Während die erste Auflage das Wechselrecht und das Versicherungsrecht nicht mit aufge— nommen hatte, sind diese Gebiete — wie dies auch Gareis gethan jetzt zur Vervollstandigung des Lehrbuchs eingearbeitet, was dem Werk noch weitere Verbreitung sichern wird. Es ist gerügt worden, daß das Seerecht nicht in einem Sonderabschnitt behandelt, sondern in das System eingefügt sei. Die vom Verfasser gethätigte systematische Verarbeitung hat gute Gründe, welche im Vorwort S. VII ent wickelt sind; es ist damit für das Studium aber auch ein guter Erfolg gesichert, indem nicht, wie das 5. Buch des Handels⸗ gesetzes ungelesen bleibt, auch das Seerecht im Lehrbu überschlagen wird. Uebrigens ist eine störende Zerstückelung dadur dermieden, daß die S§8 32— 143 den allgemein seerechtlichen Lehren“ gewidmet sind. Von besonderer Bedeutung sind die Bei⸗ spiele, welche zweckmäßig vorgeführt werden, z. B. S. 203 Schluß⸗ note, S. 347 Ultimoliquidatkon, ö,. S. 217. Der Versuch, statt ‚„Ortsgebrauch! „Orttsitte“ (3. B. S. 71) anzuführen, kann nicht befürwortet werden. Wenn sich im Gegensatz zum Handelsgebrauch als Gewohnheitsrechtssatz das Wort Geschãäͤfts⸗ gebrauch‘ bereits im Verkehr und in den Gerichten eingebürgert hat, so sollte das Wort auch in den Lehrbüchern nicht bei Seite eschoben werden. Feste Begriffe werden gesichert, wenn die gleichen Be—= keichnungen gewählt werden. Erfreulich ist, daß der Verfasser die zweite Auflage durch Aufnahme des Wechselrechts und des Ver⸗ sicherungsrechts erweitert hat. Das Werk kann dem Kaufmann und dem Juristen empfohlen werden.
kr. Die Entscheidungen des Reichsgerichts und des bayerischen Obersten Landesgerichts zur Civilprozeß⸗ ordnung. Nach der Reihenfolge der Paragraphen geordnet. Von Dr. M. Scherer, Rechtsanwalt beim Reichsgericht in Leipzig. Leipzig 1893, Roßberg'sche Hofbuchhandlung. — Veferung 3, 4, umfaffend Bogen 13 bis 24, S. 195 bis 384, bringt die Entscheidungen zu S8 2351 bis 426 in kurzen, sicher gefaßten Sätzen mit genauer Orts- angabe des vollständigen Abdrucks. Die Arbeit bildet eine fleißige Ergänzung zu allen Commentaren der Civilprozeßordnung.
Gesetze, Verordnungen ze.
r. Gesetz, betreffend die Be setzung der Subaltern⸗ und Unterbeamtenstellen in der Verwaltung mit Militäranwärtern, vom 21. Juli 1892, erläutert von W. Maxaun, Bürgermeister a. D. u. . w. Berlin, 1893. Liebel sche Buchhandlung. MS. 0,50. — Das Gesetz ist mit zweckmäßigen, den An forderungen eines Militäranwärters entfprechenden Anmerkungen und einem ABC-Register versehen und somit empfehlenswerth.
. Militärisch es.
Im Juni⸗Heft der von Oberst-Lieutenant Schnackenburg ge⸗ leiteten Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine“ Verlag von A. Bath, Berlin) wird die Veröffentlichung der Arbeit über die Belagerung von Hildesheim während des dreißigjährigen Krieges 1633 bis 1634 von Oberst Freiherr von Bothmer beendet. Ueber den Pferdeverbrauch der Cavallerie im Feldzuge von 1805 handelt eine zweite Arbeit, die ihre Angaben auf die Werke von Foucart über diesen Gegenstand stützt und zu dem Ergebniß kommt, daß die Reiterei Napoleon's in rund anderthalb Monaten nahezu ihren vollen Ursprungsbestand an Pferden verbraucht hatte, ein Üm- stand, der wohl zu beachten sei, wenn er auch nicht zu der in einer jüngst in Paris erschienenen Broschüre ‚„Pquitation et instruction éduestre des gavaleries européennes“ par Nac ausgesprochenen übertriebenen ern, . führen dürfe, daß bei einem zukünftigen europäischen Kriege nach Niederwerfung der Cavallerie des einen . Heerlagers durch die gegnerische von einer Cavallerie⸗Verwendung in größerem Stile wegen Mangels an Ersatz nicht mehr die Rede fein könne. Darauf folgt ein Aufsatz des Hauptmanns Petermann über die Schlachtenthätigkeit der Cavallerie bei Custozza, wonach der von dem Verfasser gezogene Schluß berechtigt erscheint, daß trotz der durch Verbesserung der Schußwaffen zu Ungunsten der Cavallerie veränderten Umstände die überraschend auftretende Reiterei bei rationeller Führun für die Zukunft doch noch eine erfolgversprechende Verwendung au dem Schlachtfelde zu erwarten hat. Ueber Aufklärungs- und Siche⸗ rungsdienst stellt Major Graf von Haslingen auf Grund der Feld—⸗ dienst Ordnung für das preußische Heer vergleichende Betrachtungen der im französischen und russischen Heere für diesen Dienst bestehenden Vorschriften und ihrer Wirkungen an. In Beantwortung der Frage: „Wie ist es mit dem Chaupinismus in Dänemark?“ sucht Haupt⸗ mann Lesser vom Königlich dänischen Generalstabe nachzuweisen, daß die Organisation der dänischen Armee auf Vertheidigung und nicht auf Eroberung hinweise. Dem ersten Band des bedeutsamen Werks Der Volkskrieg an der Loire im Herbst 1870 von Fritz Hönig hat Aberst Spohr eine ebenso eingehende wie interessante und anerkennende Besprechung gewidmet. Mit einer Umschau auf a n , Gebiet von Schott und der wie gewöhnlich reichhaltigen Umschau in der Militär⸗Literatur schließt das Heft ab.
— Eintheilung und Standorte des deutschen Heeres und der Kaiserlichen Marine, berichtigt bis zum 1. April 1893. Verlag von A. Bath, Berlin 1893. Preis 1 6 — Dieses kleine Heft, das seine Brauchbarkeit und Unentbehrlichkeit seit vielen Jahren bewiesen hat, liegt nun im 27. i e vor. Es a fin außer der Eintheilung des gesammten deutschen Heeres und seiner guch die Namen der Truppenbefehlshaber bis einschließlich der Bataillons Commandeure bei den Fußtruppen und dem Train, der etatsmäßigen Stabsoffiziere bei der Cavallerie, der Abtheilungs⸗ Commandeure bei der Feld ⸗Artillerie, die Gouvernements und Com- mandanturen mit den Namen der Gouverneure, Commandanten, Generalstabsoffiziere, Platzmajore u. f. w., die Artillerie- Depot Inspectionen, die Inspection der Gewehr⸗ und Munitiong⸗ jabriken mit den Namen der Directoren, die Landwehr⸗Bejirks⸗Eintheilung, die Militär⸗Lehrschmieden und die Corps ⸗Bekleidungtämter. Von der . Marine sind nach einem Ueberblick über die Organisation sämmtliche Flagg⸗ und Stabsoffiziere des Seeoffiziercorps, die Schiffe und Fahrzeuge mit den Namen der Commandanten und erften Offiziere 2 um Schluß folgt eine Uebersicht über die Stärke des stehenden Heeres an Bataillonen, Escadrons und Batterien. Ein Ver zeichniß der Regimenter und selbständigen Bataillone des stehenden
tandorte in bequemer und . Anordnung,
Heeres mit Angabe der Armee⸗Corps, zu dem sie gehören, erleichtert den Gebrauch des Hefts. ) ; : ö.