wand, daß die allgemeine Wehrpflicht in einer das Volk schädigenden
Weise durchgeführt werde, kann nicht mehr festgehalten werden.
; Es ist uns dann vielfach der Einwand entgegengetreten: aber wenn ihr uns versichert, daß die äußere Lage keine gespannte sei, warum die Eile? Wartet doch noch, bis es so weit sein wird! Es ist das ein Argument, das im Wahlkampf vielfach verwerthet worden ist. Ich glaube nicht, daß es den Herren, die es verwerthet haben, ernst damit gewesen ist. Wir wollen jährlich mehr Rekruten ein—⸗ stellen, um einen stärkeren Beurlaubtenstand zu haben, damit wir, wenn wir die Armee brauchen, über stärkere Kräfte verfügen können. Es ist oft genug gesagt worden, wir wollen vorbeugen und deshalb die Cadres vermehren. Wenn gesagt wird: wartet, so ist das un⸗ gefähr so, wie wenn Menschen, die in der Nähe eines Flusses wohnen, der von Zeit zu Zeit gefährlich wird, nachdem sie gehört haben, daß außerhalb ihrer Grenze sich Wassermassen ansammeln, sagen wollten: wir wollen warten, bis das Wasser zu uns kommt, dann wollen wir den Damm verstärken. Ich glaube nicht, daß das klug, und auch nicht, daß das billig sein würde. Wir können nicht warten, bis die Fluthen von außen her über unsere Grenzen einbrechen. Wir haben die Pflicht, Deutschland zu schützen, und wir können das nur, wenn wir bei Zeiten Vorsorge treffen.
Es ist dann einer der übrigen Einwände gegen die Vorlage ge⸗ wesen: die verbündeten Regierungen gewährten zwar die zweijährige Dienstzeit, aber diese sei nicht festgelegt. Die verbündeten Regierungen haben sich von Hause aus auf den Standpunkt gestellt, daß sie eine Verfassungsänderung zu Gunsten der zweijährigen Dienstzeit abweisen müßten. Es sind die Gründe dafür hier und in der Commission oft genug angeführt worden; Gründe dahin gehend, daß die Verfassung Rechte und Pflichten nur im allgemeinen begrenzt, daß die Dienstzeit eine sehr vielgestaltige bei uns ist und diese Gestaltung in einem Werke, wie die Verfassung, schwerlich zum Ausdruck gebracht und bis ins einzelne normirt werden kann. Die Vorlage, wie sie Ihnen gemacht wird, ist ein Beweis dafür, daß der Platz für Festlegung der veränderten Bestim⸗ mung unmöglich die Verfassung sein kann. Denn wenn Sie sich das ansehen wollen, so werden Sie finden, daß das mit wenigen Worten nicht zu erledigen ist. Da waren Bestimmungen nöthig über die Be⸗ handlung des dritten Jahrgangs, Auswanderung, über alle möglichen Dinge, die zweifellos nicht in die Verfassung gehören. Soviel ich sehen kann, ist der Ruf nach Uebernahme der Veränderung in die Verfassung aber auch erheblich schwächer geworden und findet nur noch wenige Stützen.
Dagegen hat man „gesetzliche Festlegung“ als Stichwort auch bei den Wahlen gebraucht. In der ersten Vorlage, die die verbün⸗ deten Regierungen machten, haben sie schon die Absicht gehabt, gesetz« lich zum Ausdruck zu bringen, daß sie gewillt wären, auf fünf Jahre an der zweijährigen Dienstzeit festzuhalten. Es hieß da: dieser Durchschnittsstärke liegt die Voraussetzung zu Grunde, daß die Mannschaften der Fußtruppen im allgemeinen zu einem zweijährigen activen Dienst bei der Fahne herangezogen werden sollen. Man hielt diese Fassung für zu unsicher, zu fließend und verlangte eine größere Präcisirung. Es ist zuzugeben, daß die Ausdrucksweise in einem legislatorischen Werk eine ungewöhnliche war, und die verbündeten Regierungen sind unbedenklich darauf eingegangen, ihren Absichten einen festeren Ausdruck in gesetzlicher Form zu geben, indem sie in die neue Vorlage aufgenommen haben:
Während der Dauer der Dienstpflicht im stehenden Heere sind die Mannschaften der Cavallerie und der reitenden Feld⸗Artillerie die ersten drei, alle übrigen Mannschaften die ersten zwei Jahre zum ununterbrochenen Dienst bei den Fahnen verpflichtet.
Klarer, bestimmter kann meines Dafürhaltens nicht ausgedrückt werden, daß auf fünf Jahre die zweijährige Dienstzeit bei den Fuß— truppen gesetzlich festgelegt ist. Aber den Herren, die den Ruf nach gesetzlicher Festlegung am lautesten werden ließen, kam es hierauf auch weniger an; sie hatten den Wunsch, die zweijährige Dienstzeit auch über fünf Jahre hinaus festzulegen.
Es ist das nach meiner Ansicht eine Frage von theoretischem Werth; denn, wenn, wie die verbündeten Regierungen mit Sicherheit annehmen, die zweijährige Dienstzeit sich bewährt, unter Gewährung der Compensationen, die wir gefordert haben, so wird keine Regierung daran denken können, nach fünf Jahren auf die dreijährige Dienstzeit zurückzugehen; denn wir würden dann den Zweck dieses Gesetzes, die Verstärkung unserer Wehrkraft, selbst wieder annulliren. (Sehr richtig)
Auf der anderen Seite kann nach meinem Dafürhalten keine Volksvertretung, wenn wider alles Erwarten dieses Gesetz nicht die Wirkung haben sollte, die wir voraussetzen, wenn sich technisch⸗mili⸗ tärische Schwierigkeiten herausstellen sollten, die die Sachverständigen zu dem Urtheil führten: mit der zweijährigen Dienstzeit geht es nicht, — kann keine Volksvertretung dann noch behaupten: die zweijährige Dienstzeit muß aufrecht erhalten werden. (Sehr richtig! rechts.) So vaterlandsschädigend kann keine Volksvertretung handeln. Es würde dann also von neuem zwischen den verbündeten Regierungen und Ihnen in Berathung eingetreten werden müssen, wie dann die Sache zu ändern wäre.
Solche Dinge, wie die, ob sich die zweijährige Dienstzeit bewährt oder ob sie sich nicht bewährt, kommen bei unserer Wehrverfassung zur Kenntniß so vieler Kreise, daß auch die Besorgniß, die Regierung könne dann vielleicht nicht ganz offen gegen Sie sein — ein Einwand, zu dem die Regierung Ihnen, glaube ich, noch keinen Anlaß gegeben hat —, nicht begründet ist. Es würde eben offenkundig werden: es geht oder es geht nicht.
Also, ob das auf fünf Jahre gegeben wird oder nicht, hat nach meinem Dafürhalten für keine Partei auch nur den mindesten prak— tischen Werth. Was aber für uns praktischen Werth hat, das ist, daß wir die Compensationen, die wir gefordert haben, haben müssen / wenn die zweijährige Dienstzeit weiter dauern soll. Wir können die zweijährige Dienstzeit, wie das unzählige Male erörtert worden ist, nicht geben ohne diese Compensationen.
Wir haben den Zeitraum auf fünf Jahre beschränkt. Wir hatten ein Septennat; einige Parteien würden gern an dem Septennat fest⸗ gehalten haben. Wir sind auf fünf Jahre übergegangen einmal der Gleichheit der Perioden der Sitzungen dieses Hauses wegen, der Volkzz⸗ zählungen wegen, dann aber auch, weil wir der Meinung waren: fünf Jahre sind das mindeste, dessen wir bedürfen, damit die neuen Maß⸗ regeln sich einleben und in das Blut der Armee und der Bevölke⸗ rung übergehen. Ich sehe also nicht ein, wie man so großen Werth darauf legen kann, eine gesetzliche Regelung vorzunehmen, die ber fünf Jahre hinaus die Verhältnisse vorsehen und bestimmen soll,
und ich bin der Meinung: das, was die verbündeten Regierungen hier geboten haben, reicht für jede Partei vollständig aus. (Sehr gut! rechts.)
Ich wende mich nun der Deckungsfrage zu. Es ist bekannt, daß die verbündeten Regierungen die Vorlage von drei Steuergesetzen unternommen hatten: der Börsen⸗, der Bier⸗ und der Branntwein⸗ steuer. Diese Gesetze sind zu einer gründlichen, aöschließenden Berathung während der vorigen Session nicht gekommen; sie wurden an die Militär⸗ commission gewiesen; sie sind lose behandelt, gestreift worden, der Gegenstand war nicht erschöpft. Indessen es ließ sich wahrnehmen, daß in der öffentlichen Meinung gegen einige dieser Steuern eine starke Opposition eintrat; die Opposition wuchs während der Wahlen. Ich kann nicht gerade sagen, daß wir neue Motive gehört hätten; wir sahen aber, man mag diese Steuern nicht, und es ist ja zuzugeben, daß in Bezug auf die Besteuerung die öffentliche Meinung ein erheb⸗ liches Gewicht in Anspruch nehmen kann.
Wir haben diese drei Gesetzentwürfe nicht wieder vorgelegt. Damit existiren sie nicht mehr; sie gehören einer vergangenen Zeit an. Wir mußten uns aber sagen, daß nun es unsere Pflicht war, nach neuen Vorlagen zu suchen, nach anderen Steuerquellen; und im engsten Verein mit der preußischen Finanzverwaltung, Hand in Hand mit ihr, ist die Reichs⸗Finanzverwaltung vorgegangen und bestrebt gewesen, andere Steuerquellen zu finden. ö
Wir haben drei Grundsätze hingestellt. Einmal wollen wir ver⸗ suchen, die Börsensteuer, an der auch allerlei Bemängelungen gemacht waren, anders und ergiebiger zu gestalten. (Bravo! rechts.)
Dann wollen wir versuchen, die Steuern, deren wir bedürfen, auf die leistungsfähigsten Schultern zu legen, die schwächeren Kräfte zu schonen. (Bravo! rechts.)
Und endlich wollen wir angesichts der schwierigen Lage, in der die Landwirthschaft sich befindet, danach trachten, das landwirthschaftliche Gewerbe von neuen Steuern freizulassen. (Lebhaftes Bravo rechts, Lachen links.)
Nach diesen Richtungen sind wir vorgegangen.
Es ist ja begreiflich, daß bei dem complicirten Mechanismus des Reichs und bei der Schwierigkeit des Gegenstandes wir noch nicht in der Lage sind, Ihnen jetzt andere Vorlagen zu machen. Es werden noch Monate vergehen, bis wir so weit sind, daß ich im stande wäre, zu sagen: die verbündeten Regierungen haben die und die Absichten. Wir können darauf mit der Militärvorlage nicht warten, weil die Zeit uns drängt; aber wir können Ihnen die Versicherung geben, daß wir thun werden, was wir thun können, um die Sache zu fördern. Wir können uns nicht, und ich als Mensch, als Einzelner, als Beamter kann mich nicht über die Projecte jetzt äußern; denn ich weiß nicht, was der Bundesrath beschließen wird. Ich kann wohl wissen, was ich will; ich weiß, was die Verwaltungen wollen, die ich gehört habe; aber ich bin nicht im stande, im Namen der verbündeten Regierungen, die jetzt einem Steuerbacuum gegenüberstehen — denn die alten Vor⸗ lagen existiren nicht mehr, weil sie nicht wieder eingebracht sind —, zu sagen, was sie wollen werden. Da könnten Sie mir sagen: dann sage Du uns doch, was Du denkst. Aber auch das kann ich nicht. Denn wenn ich das sagte, so würde — wir haben ja da die Er⸗ fahrung in reichlichstem Maße für uns — bei jedem Wort, bei jedem Substantiv, was ich in Bezug auf Steuern als mögliche Quellen. nennte, das einen Sturm hervorrufen, der die Sache gerade so erschlüge, wie er die vorige erschlagen hat. (Bewegung.) Also ich muß mir das versagen. Ich kann nur an Ihr Vertrauen appelliren, an Ihren guten Willen und an Ihren Glauben an uns. Nur auf diesem Wege können wir mit der Deckungsfrage weiter kommen.
Wir haben aber das dringendste Interesse, schnell vorwärts zu kommen, und zwar zunächst ein militärisches. Sie wissen, daß das Septennat abläuft, und wir stehen vor einem Vacuum am 31. März nächsten Jahres, wenn nichts zu stande kommt. Wir sind nicht einmal im stande, für den Etat 1894/96 eine Basis zu finden, wenn die jetzigen Zustände noch länger dauern. Wir würden, wenn wir die diesjährige Rekruteneinstellung, die im Oktober oder November erfolgt, versäumen, einen ganzen Jahrgang verlieren. Es ist den Herren ja bekannt, daß unsere Kriegsstärke aus einer Summe von Jahrgängen besteht, die bis in den Land⸗ sturm hinein sich aus einigen zwanzig zusammensetzt. Der künftige Jahrgang soll jetzt um rund 50 000 Rekruten erhöht werden. Fallen uns diese 50 000 Rekruten in diesem Jahre aus, so setzt sich ein Msanco von 50 000 Mann im Beurlaubtenstande so lange fort, bis der nächste Jahrgang dermaleinst aus dem Beurlaubten⸗ verhältniß ausscheidet. Also es würde ein Nichtzustandekommen der Vorlage in dieser Session gleichbedeutend sein mit einer erheblichen Schwächung unserer Wehrkraft.
Aber auch nach einer anderen Richtung würde die Wehrkraft ge⸗ schwächt werden. Denn es ist einer der oft wiederholten, oft wider⸗ legten Irrthümer, daß diese Vorlage nichts dazu thäte, um unsere Wehrkraft schon in der nächsten Zeit zu verstärken. Die älteren Herren, wenigstens die älteren preußischen Herren, werden sich entsinnen, daß früher Mobi lmachungen bei uns damit anfingen, daß man zuerst eine Kriegsbereitschaft eintreten ließ: man kaufte Pferde für die Artillerie, man zog Beurlaubte ein, man erhöhte die Friedenspräsenzstärke, man schaffte Cadres für Ersatzbataillone, für Neuformationen. Genau das macht die Vorlage: sie schafft Cadres für vierte Bataillone, sie erhöht unsere Friedenspräsenzstärke, sie ver⸗ mehrt unsere Artillerie, sie vermehrt unseren Pferdebestand.
Also — ich habe das schon einmal bemerkt, ich wiederhole es nur, weil diese Behauptung zu denen gehört, die unaufhörlich wieder⸗ kehren und immer wieder mit demselben Aplomb vorgebracht werden — es ist falsch, daß unsere Wehrkraft nicht sofort gewönne. Sie gewinnt; vierzehn Tage, vier Wochen, nachdem die Vorlage von Ihnen angenommen ist, würden wir, wenn uns ein Krieg aufgezwungen werden sollte, anders in denselben eintreten, als ohne diese Vorlage.
Wir haben dann das Motiv, um eine baldige Erledigung der Vorlage zu bitten, daß die Bewegung, welche im Lande durch die Vorlage entstanden ist, endlich zur Ruhe kommt. (Sehr gut) Wir stehen im Innern vor mancher schweren, sehr schweren Aufgabe (hört! hört!) und haben kein Interesse — wenigstens die staatserhaltenden Parteien haben kein Interesse (Bewegung links), diese Unruhe zu ver⸗ mehren. (Lebhafter Beifall rechts.)
Wir haben ferner ein wirthschaftliches Interesse, was uns wünschen läßt, mit der Sache zu Ende zu kommen. Denn unser Er⸗ werbsleben gedeiht keineswegs unter der Unsicherheit über unsere Zu— kunft, unter der Unsicherheit, die mit der Frage verbunden ist: was wird aus der Militärvorlage werden? Im Gegentheil, diese Un⸗
sicherheit hat die Folge, daß das Erwerbsleben schwer leidet; und ich glaube, daß man nicht zuviel sagt: Das, was im Erwerbtz⸗ leben geopfert worden ist durch die Unsicherheit, in der wir in Bezug auf die Militärvorlage leben, in der auch das bestellende Ausland in Bezug auf die Militärvorlage lebt, — diese Unsicherheit wird uns ungefähr schon so viele Millionen gekostet haben, als die Annahme der Militärvorlage auf ein Jahr kostet. (Hört, hört! und Sehr richtig! rechts.)
Und nun endlich die letzte Rücksicht, die uns wünschen und bitten läßt, Sie mögen diese Vorlage bald annehmen, ist die Rücksicht auf das Ausland. Das wird niemand behaupten wollen, daß unser An⸗ sehen im Ausland durch die Weise, wie die Verhandlungen über die Militärvorlage getrieben worden sind, gewonnen hätte. (Sehr richtig!)
Dafür kann ich gewichtige Stimmen anführen. Das Ausland kennt die deutsche Art wenig; es weiß nicht, daß der Deutsche da, wo es sich nicht um Heimathsgefühle, sondern um Staatsgefühle handelt, langsam von Entschluß zu sein pflegt. Man legt uns ohne weiteres alles das, was hier geschieht und was die Sache in die Länge zieht, als Schwäche aus; man legt es so aus, als hätten wir den Glauben an uns selbst verloren.
Ich bitte Sie deshalb, meine Herren, vereinigen Sie sich mit den verbündeten Regierungen, machen Sie diesem Zustand ein Ende und geben Sie Deutschland das, was es braucht, sich ruhig seines Daseins freuen und mit sicherem Blick in die Zukunft sehen zu können. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Payer (Vp.): Die Stellung der Volksvertretung zur Militärvorlage ist heute genau dieselbe wie vor zwei Monaten. Es wäre ein schwaches Compliment für die Regierung, wenn man sagen wollte, daß alles, was an Unsicherheit, Err e, Tdh, Haß und Aufregung in den letzten Mongten sich abgespielt hat, vergeblich ge⸗ wesen sein sollte; die paar Stimmen, auf die es heute ankommt, hätte man bei einigem Geschick auch vor zwei Monaten ebenso zu⸗ sammenbekommen können, wie heute. Ein glänzendes Resultat für die Regierung ist bei der Abstimmung nicht zu erwarten. Die Entscheidung des Volkes ist nicht in ihrem Sinne ergangen, sondern in Uebereinstimmung, mit der Haltung, des auf⸗ gelösten Reichstags. Wer will bestreiten, daß die Mehr⸗ zahl der Wähler sich gegen die Vorlage aus ge prochen hat? (Wider⸗ spruch rechts.) Wer Y bestreiten, daß die Mehrzahl der Gewählten
egen die Vorlage ist? (Widerspruch rechts) Die Wenigen, die der her gern uke noch für die Vorlage gewinnen wird, sind nicht für sie, weil sie von ihrer Nothwendigkeit i ,, sind, sondern aus Gründen höherer Staatsklugheit und Weisheit. ie Regierung hat sich der Illusion hingegeben, daß aus einer Auflösung nothwendig ein Reichstag hervorgehen müsse, gefügig, der Regierung zu Willen in allen Dingen für eine lange Reihe von Jahren. Aber nie hat sie sich mehr getäuscht als diesmal. Die Regierung kann ja die Schlacht noch mit knapper Noth gewinnen, aber das politische Spiel im ganzen hat sie verloren. Eine Summe lehrreicher Erfahrungen kann sie jedoch aus dem Wahlkampf entnehmen, aber ihre Neigung wird schwerlich groß sein, aus ihnen auch die richtigen Consequenzen zu ziehen. Bei dem Wahlkampf ist eine scharfe Verbitterung gegen den neuen Curs zum Ausdruck gekommen, und zwar nicht nur bei den Gegnern der Vorlage, sondern noch viel schärfer und deutlicher bei ihren Freunden. ill die Regierung aus dem Wahlkampf etwas lernen, so muß sie ihren Blick auch auf die scharfen Aus⸗ drücke des mehr oder minder ,,,. richten, die ohne jahrelange tiefe Unzufriedenheit mit ihrer Haltung nicht mög⸗ lich wären. Ich mache es den Einzelstaaten zum Vorwurf, den süd⸗ deutschen vor allen, daß sie so garnichts gethan haben, um dem vorzu⸗ beugen, was von ihrem Standpunkte beklagenswerth ist. Anstatt allen Vorschlägen vom Norden zuzujauchzen, hätten sie im Kreise der verbündeten Regierungen mit Ernst darauf hinweisen müssen, daß auch andere nicht unberechtigte Strömungen im Reiche vorhanden sind, die Beachtung fordern. Den Hauptgewinn des Wahlkampfes haben nur die Vertreter der Standesinteressen, die Socialdemokraten und die Vertreter der wirthschaftlichen Interessenpolitik in die Tasche gesteckt. Diese einseitige Interessenpolitik wird in den nächsten fünf Jahren unserer Politik den charakteristischen Stempel auf⸗ drücken. Hat doch der Reichskanzler schon die Zusicherung gegeben, daß das landwirthschaftliche Gewerbe von neuen Steuern frei zu halten sei. Die Conservativen werden den Reichskanzler, wenn er ihnen nicht sehr willfährig ist, hart be⸗ drängen. Die Nationalliberalen haben zwar bei der Wahl einige Mitglieder gewonnen, aber sich, an ihrer Tradition und früheren An⸗ schauungen gemessen, verschlechtert. Wer sich seinen Sitz mit Preis⸗ gebung der wirthschaftlichen Anschauung seines ganzen Lebens retten muß, der hat ihn theuer bezahlt, theuer für seine Person und Ver⸗ angenheit für seine Partei. Es wird gut sein, wenn die National⸗ . den agrarischen Einfluß nicht übermäßig bei sich werden lassen. Es fragt sich, ob die Tactik der Auflösung eine richtige war, die innerhalb des Parlaments die verbündeten Regierungen der Stütze derjenigen Elemente beraubt hat, die in der fie hefe Art für ihre Wirthschaftspolitik eingetreten sind. Auch die Frucht dieser Auflösung, die Durchbringung der Militär⸗ vorlage, ist noch, nicht gesichert. Noch sind zahlreiche Bedenken in den Kreisen derer zu überwinden, welche im großen und anzen geneigt sind, der Vorlage zuzustimmen. Ein schwerer Stein des fine e für die, welche für sie stimmen wollen, werden die heutigen Erklärungen des Reichskanzlers sein, nachdem sie sich ihren Wählern gegenüber festgelegt haben. Nicht jeder wird so leicht seinen Ausführungen über die gesetzliche feln ga der zweijährigen Dienstzeit folgen können, nachdem er sich noch neuerdings an die ö gebunden hat:; ohne dauernde Festlegung der zweijährigen
ienstzeit keine Militärvorlage. Wer dieser Ansicht ist, der muß sich sagen, daß jetzt oder nie die Zeit gekemmen ist, in der man auf die verbündeten Regierungen thatsächlich einen Einfluß ausüben kann. Wenn jetzt die Festlegung auf fünf Jahre gal ist die zwei⸗ jährige Dienstzeit nicht, wie der Reichskanzler hofft, für alle Zeiten esichert. Soweit es auf seinen guten Willen ankommt, wird er sein zersprechen halten; aber der Mensch ist sterblich, und in Parlamenten zweimal sterblich. Deshalb sind wir angewiesen, bei allem 6 Vertrauen uns auf persönliche Zusicherungen nicht einzulassen. In der neuen Militärporlage macht es den Eindruck, als ob der Kauf- preis für die künftige Herabsetzung der y, , auch für weitere Frist angedeutet sei. Eins darf man der Militärvorlage nachrühmen: die Keime einer gedeihlichen Entwickelung trägt sie unver⸗ kennbar in sich. Die Halbbataillone werden auf die Dauer gicht existiren können. Die Halbbataillone schreien förmlich nach ihren anderen und hoffentlich besseren Hälften. Außerdem ist ö t etwas zu Tage getreten, was wir den ganzen Winter nicht e aben. e,. hieß es, daß man die Anforderungen an die Tauglichkeit der Auszuhebenden werde herabsetzen müssen, um aureichende Mannschaften zu bekommen; jetzt steht es schwarz auf ni daß wir sogar ein Plug von 990 bis 160 000 überzähligen Tauglichen haben. Diese 90. bis 100 000 Mann werden nicht Ruhe geben, wenn sie es nicht nach Ablauf von späte. stens n , ,. soweit gebracht haben, daß sie des Königs Rock tragen. An die Deckungsfrage können die verbündeten . noch nicht herantreten. Etwa zwei Dutzend Millionen werden für das nächste hel bia auf die Matrikularbeiträge , werden; bis jetzt hat noch niemand behauptet, daß eine solche Lösung den kleinen Mann verschonen werde. Der Reichskanzler verlangt Glauben und Vertrauen. Das haben die Herren auch von unt verlangt, al sie die Branntwein und Biersteuer von uns verlangten, die ö der Reichs⸗ kangler unter den Tisch fallen läßt. Wenn man die Thronrede vor⸗— urtheilsfrei liest, so ergiebt sich, da die Regierungen geneigt sind, alles zu nehmen, was man ihnen überhaupt bringt. Die Herren im Reichs ⸗Schatzamt haben bis jetzt wenig Productlves auf dlesem Ge⸗
.
14 . biet geleistet: es geht die Sage durch das Land, daß man sich nach einer andern nn umsehen werde, nach einem Mann, der schon andern geholfen hat. Man sagt, daß die Reichsregierung sich die un e tigung des Mannes im preußischen Finanz ⸗Ministerium verschreiben werde, den man nach seinen Erfolgen den Lieblin der Götter, aber leider auch den Liebling der Agrarier nennen darf. Wenn der Mann sich mit unserer Steuerfrage befaßt, wird er sich nicht mit unerreichbaren Dingen herumplagen. Wo er es nimmt, wer kann das heute sagen? ie Einen sagen, er nimmt es den Einzelstgaten, die Anderen reden von einem Rohspiritusmonopol; wahrscheinlich weiß er es selber noch nicht. Aber das weiß er und das weiß jeder, der ihn kennt: was er uch wird er auch finden, und was er findet, wird er im großen finden. beleben von der Deckungs⸗ frage, wird bei der Militärvorlage noch der Widerstand derjenigen zu Überwinden sein, welche sich für militärische Reformen festgelegt haben. Wer die Militärmißhandlungen beseitigt wissen will, wer die Militärprozeßordnung reformirt, wer den Mißstand im Pensions⸗ wesen . wissen will, der wird jetzt einsetzen müssen. Wir unsererseits sind geneigt, jeden Vorschlag, der von anderer Seite in dieser Richtung ergeht, dankbar aufzunehmen und ihn nach besten Kräften zu unterstützen. Im übrigen haben wir, da sich so wenig eändert hat, dieselbe Stellung gegenüber der Militärvorlage wie früher. C. sind von der ersten Stunde an principielle Gegner der Militär- vorlage gewesen, nicht bloß aus technischen und finanziellen Gründen, sondern auch aus politischen Gründen, weil wir überzeugt sind, daß ein Kampf um die Macht vorliegt, den das deutsche Volk zu seinen Gunsten durchzuführen alle Veranlassung hat. Draußen bei den Wahlen hat es sich gezeigt, daß wir vollständig im Sinne unserer Wähler gehandelt haben. Wir werden jetzt erst recht einen Stein der Militärvorlage entgegenstellen. Dabei wird uns nicht stören, wenn der Reichskanzler halb und halb die Gegner der Vorlage auf die Bank der nicht staatserhaltenden Elemente gesetzt hat. Wir sind auch nicht ängstlich, daß wir nach Ablehnung der Militärvorlage im Areopag der Völker keine Geltung mehr haben werden: wir werden dann erst recht Einfluß haben. ir lassen uns auch durch das Wort Miliz nicht schrecke,. Was wir im vorigen Reichstag als Ersatz geboten haben für die Einführung der zweijähri⸗ gen Dienstzeit und was wir heute wieder bieten, ist das gerade Gegen⸗ theil von Miliz. Uns ist nicht Angst vor einer neuen K Wir überlassen es ruhig den verbündeten Regierungen, ob sie von einem formellen Recht Gebrauch machen wollen gegen das, was der Geist der Verfassung von ihnen verlangt. Sie werden dann in eine Sackgasse hineinrennen, aus der sie ohne Schaden für das Vaterland nicht herauskommen können. Wir halten eine neue Commissions- berathung, nachdem wir eine solche so lange gehabt haben, deshalb nicht mehr für nothwendig, weil wir überzeugt sind, daß derjenige, der seit dem letzten November die Tragweite dieser Vorlage und die Bedeutung der Frage nicht erkannt hat, sie in den nächsten vierzehn Tagen bis drei Wochen auch nicht erkennen wird. .
Abg. Freiherr von Manteuffel. (deons):, Die Stellung Deutch lindẽ im europäischen Areopag wird sich nicht bessern durch die Ablehnung der Vorlage, wie der Vorredner behauptet hat. Während er sonst manche Behauptung zu begründen versucht hat, ist er bei dieser wichtigen Behauptung die Begründung schuldig geblieben, weil sie nicht begründet werden kann. Der Vorredner befürchtet, daß die Vorlage sich noch weiter auswachsen würde, daß die Halbbataillone ihre bessere Hälfte finden würde, wozu die noch übrigen 909 000 taug— lichen Mannschaften bestimmt sind. Früher meinte der Abg. Payer, daß zu wenig Mannschaften vorhanden sind, jetzt scheinen ihm zu viel zu sein. Mir und meinen politischen Freunden wäre es lieber gewesen, wenn die verbündeten Regierungen nicht den Antrag Huene als Wahlparole proelamirt, sondern an ihrer Vorlage festgehalten hätten, zumal die Verhältnisse sich inzwischen noch wesentlich zu unseren Ungunsten verschoben haben. Wenn durch solche geringen Vorkommnisse in Paris, durch Studentenkrawalle eine Regierung wie die französische sich erschüttern lassen kann, wie kann man da auf die Stetigkeit der Verhältnisse vertrauen? Bei den Wahlen hätte sich die Sachlage kaum ungünstiger gestaltet, wenn man die ursprüngliche Vorlage aufrecht erhalten hätte. Wir haben unsere Bedenken gegen den Antrag Huene . lassen, weil uns die Sicherheit Deutschlands und die Aufrechterhaltung des europäischen Friedens höher standen als unsere besonderen Bedenken. Nun muß ich mich noch einige Augen⸗ blicke mit der Deckungsfrage beschäftigen. Wir haben jetzt keine Vorlagen, und die Jahreszeit 1 auch so weit vorgeschritten, daß es schwierig 6e würde, einen beschlußfähigen Reichstag auf die Dauer festzuhalten. Wir müssen nothwendig im Herbst die Mittel bewilligen und müßen uns für jetzt mit Matrikularumlagen behelfen; ich würde es freilich vorziehen, im Wege der Anleihe die Mittel zu beschaffen; dadurch würde eine gerechtere Vertheilung erfolgen. Auf die Dauer können wir die Matrikularumlagen aber nicht aufrecht erhalten. Wir sollen jetzt den verbündeten Regierungen gewissermaßen einen Blancowechsel geben für die Deckung der fen, dessen Einlösung uns nachher recht Ein solches blindes
unbequem sein kann. Vertrauen auf die
1. Untersuchungs⸗Sachen.
2. ale fbr ustellungen u. dergl.
3. Unfall⸗ und Invalidĩtäts⸗ c. Versicherung. 4. . Verpachtungen, Verdingungen ꝛe. d. Verloosung 2c. von Werthpapieren.
Regierung wird ein großer Theil unserer Wähler nicht ver⸗ stehen. ie Wahlparole war gerade in Bezug auf die Steuerfrage eine ziemlich scharfe. Die Conservativen kern keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie sich in Bejug auf diese Frage als eine von der Regierung vollständig unabhängige Partei erweisen werden. Die Conservativen verdanken ihre Stimmen nicht allein dem Eintreten für die Militärvorlage, sondern auch ihrem Verhalten in Steuerfragen. Die conservative Partei ist auch die 36. . gewesen, welche für das Kleingewerbe und den Mittelstand überhaupt eingetreten ist, und sie wird an diesem ihrem Standpunkt festhalten. aß die Börsen⸗ steuer stärker herangezogen werden soll, ist für uns erfreulich. Ich kann dabei auf die Rede des leider nicht mehr dem Reichstag an⸗ gehörenden Fraktionsgenossen Mehnert verweisen. Daß die Bier⸗ steuer und die Branntweinsteuer von der Bildfläche ver⸗ schwinden werden, hoffe ich nach der Ausführung des Reichskanzlers. Ich will nicht ein Steuerbouquet vorführen. Ich habe ja auch wie jeder andere eine Lieblingssteuer, z. B. die, Inseratensteuer. Ich will darauf ebensowenig eingehen wie der Reichskanzler. Seine Erklärung hat meine Freunde mit besonderer Genugthuung erfüllt, ,, daß die Reichsregierung in engster Verbindung mit der preußischen Finanzverwaltung vorgehen will. Ich hoffe, daß der preußische Finanz Minister die Vorlage mit Glück ver— theidigen wird. So schwere Bedenken wir auch gegen die Vorlage haben, so werden wir doch für die unveränderte Vorlage eintreten, weil wir die Sicherheit des Deutschen Reichs und des europäischen Friedens für nothwendiger halten als alles Andere, und weil wir hoffen, daß nun wieder Frieden im Deutschen Reiche eintreten wird.
Abg. Liebknecht (Soc.): Der Reichskanzler hat die früheren Steuervorlagen verleugnet, in der Thronrede selbst werden sie aber noch als richtig anerkannt. Das beweist, daß die Reichsregierung selbst nicht weiß, wie ö sich helfen soll. Die Vermehrung der Armee wird gar nicht gefordert dem Auslande gegenüber, sondern die herrschenden Klassen wollen sich schützen, wollen ihre herrschende Stellung im eigenen Lande verstärken gegenüber den unteren Volksklassen. Da wir gegen, die Militärvorlage, grundsätzlich eintreten, so hat das Urtheil der Militärtechniker für uns kein Gewicht; diese Techniker kommen erst in Frage, wenn es die Durchführung der Vorlage gelten sollte. Der Reichskanzler sagt: Wir sind Frank— reich gegenüber gewachsen, aber nicht einem Krieg mit zwei Fronten. Wenn Frankreich und Rußland zusammengehen, dann haben wir doch den Dreibund für uns, der während der ganzen Militärdebatte in einer Versenkung verschwunden zu n scheint. England würde auch eingreifen müssen und Deutschland hätte dann die See frei. Uebrigens ist, die russische Armee stets nur auf dem Papier sehr stark gewesen. Die allgemeine Wehrpflicht wird mehr durch die Miliz als durch die Vorlage durchgeführt werden können. Wer von früher Jugend an im militärischen Dienste ausgebildet wird, wird ausdauernder und geübter sein, als jemand, der nur zwei oder drei Jahre dient. Früher waren die süddeutschen Demokraten auch für die Miliz, heute ist der Abg. Payer es nicht mehr. Man will nicht, daß das Volk bewaffnet ist, daß es Gewehr und Patronen führen darf. Man denkt nicht an die Franzosen und Kosaken, sondern an die inneren Verhältnisse. Sie (rechts) sind die Offiziere und bekommen die neuen Affiziersstellen, die Arbeiter müssen dienen und die Steuern bezahlen. Sie (rechts) würden nicht die Vertreter herrschender Klassen sein, wenn Sie nicht Ihre Macht ausnützten, um die Steuern auf andere als Ihre eigenen Schultern zu legen. Wollen Sie sich als Patrioten erweisen, dann verzichten Sie auf die Liebes gabe! (Zuruf rechts: Börsel) Bei der Besteuerung der Börse werden wir Fhnen helfen; wir werden Ihnen aber auch beweisen, daß der Kornwucher, den Sie treiben, ebenso eine Ausbeutung ist, wie das Börsengeschäft. 8. von Levetzow ruft den Redner wegen dieser Aeußerung zur
rdnung.) Die Sachlage ist fast genau dieselbe wie vor zwei Mo⸗ naten, nur die Lage der Regierung ist etwas ungünstiger geworden. Beim Wahlkampf sind die Leidenschaften auf das heftigste erregt worden, trotzdem nicht mit dem rothen Gespenst und mit dem Kriegs⸗ gespenst wie 1578 und 1887 hantirt worden ist, wenigstens nicht von der Regierung; die Parteien haben das aber redlich nachgeholt, nament⸗ lich durch die , der Arbeiter .. . (Präsident von Le⸗ vetzow bittet den Redner, bei der Sache zu blelben.) Das deutsche Volk hat in seiner Mehrheit sich gegen die Militärvorlage erklärt (Widerspruch); wenn das hier im Reichstag nicht hervortritt, so liegt das an der Wahlkreiseintheilung. Man hat im Wahlkampf mit der Heschränkung des allgemeinen Wahlrechts gedroht. Bas all— gemeine Wahlrecht ist aber ein Grundrecht des deutschen Volks, das beste Recht im ganzen Reiche. Wir lieben unser Vaterland eben fo wie Sie (rechts), wir wollen es nicht durch den Militarismus ruiniren lassen; die immer wachsenden militaäͤrischen Rüstungen müssen hieß lich zum Kriege führen, den man durch die Vorlage vermeiden will. Frankreich würde jetzt auf die Abrüstung eingehen. Weist es den Antrag zurück, dann hat die deutsche Regierung viel mehr militärisches An⸗ sehen erobert, als durch zwanzig ähnliche Militärvorlagen. Wir werden gegen die Militärvorlage stimmen. Wir handeln dabei im
Interesse der Civilisation, welche dem Menschen andere ee . . gewiesen hat, als sich vorzubereiten auf den Massenmord. ie Drohung mit der zweiten Auflösung schreckt ung nicht, denn die Mehr⸗ heit des Velks hat sich auf unsere Seite gestellt. Wenn man die Stimmen zählt, dann haben wir eine Mehrheit von einigen Hundert⸗ tausenden; wenn aber die Stimmen gewogen werden, so haben wir ein noch viel größeres Uebergewicht. Wir lehnen die Vorlage ab; für Compromisse sind wir nicht zu haben. bg. Freiherr von Stumm (Rp.): In einer Zuschrift an den Vorwärts. heißt es, daß der richtige Socialdemokrat Vaterland und Vynastie nicht anerkennt. Bringe ich das in Verbindung mit dem Vorschlage, Elsaß⸗Lothringen an Frankreich abzutreten, mit der unter dem Jubel der Protestler erfolgten Wahl des 2 Bebel in Straß⸗ burg, so ist es selbstverständlich, daß wir uns bei der Frage nach dem, was für das Wohl des Reichs nothwendig itt, nicht an die Rath⸗ schläge der Soeialisten halten. Wer hat in Preußen die progressive Einkommensteuer geschaffen und die besitzlose Klasse von der Steuer befreit? Doch die besitzenden Klassen! Denn im preußischen Abgeord—= netenhause sitzt kein Socialdemokrat. Die Soeialisten sprechen immer von zwei Volksklassen; yon den Ausbeutern und Ausgebeuteten. Wenn eine Revolution ausbrechen sollle, so würde die Armee auch in der jetzigen Verfassung zehnmal stark genug sein, um sie niederzuschlagen. In Er⸗ kenntniß dessen, daß es so ist, ist auch die Revolution unterblieben. Frankreich stellt den letzten Wehrfähigen ein, deshalb müssen wir auf unserer Seite weiter als bisher gehen. Meine Freunde stehen voll und ganz auf dem Standpunkt der Regierungsvorlage, aus mili⸗ tärischen, politischen und wirthschaftlichen Gründen. Die vierten Bataillone sind nothwendig, um die Mobilmachung zu fördern, weil wir jetzt keine Offiziere für die Cadres in genügender Anzahl haben. Auf die Vorfälle in Paris lege ich nicht so viel Gewicht; aber aus dem Ton der französischen Presse geht hervor, daß die Franzosen nur darauf warten, daß sie Revanche nehmen können. Der Dreibund ist allerdings vorhanden; aber wenn die Vorlage abgelehnt wird, dann wird unsere Stellung in demselben ebenso geschwächt, wie sie verstärkt wird, wenn die Vor⸗ lage angenommen wird. Durch die Ablehnung der Militärvorlage ist der gewerbliche Aufschwung, der sich im vorigen Jahre ein⸗ gestellt hatte, wie mit einem Schlage vernichtet, und wenn die Ver⸗ hältnisse nicht weiter zurückgegangen sind, so verdankt das Erwerbs leben das nur dem energischen Entschluß der Regierung, welche den 1 auflöste. Als die Wahlen so ausfielen, daß die Annahme der Vorlage gesichert schien, befestigte sich die Zuversicht auf Besse⸗ rung, und es wird von Ihnen (links) abhängen, ob die Besserung erhalten wird. Man hat der Regierung vorgeworfen, daß sie unnöthiger Weise den Reichstag aufgelöst hätte; das ist aber nicht richtig, denn nach allen Berechnungen wären durch die 6 Festlegung der zweijährigen Dienstzeit nur 20 Stimmen vielleicht 53 worden, während die conservative Partei dann gegen die orlage gestimmt hätte. Die Wahlen haben für die conser⸗ vativen Parteien eine Zunahme mit sich gebracht. Die Wahlen sind zu Gunsten der Militärvorlage ausgefallen. Ich spreche nicht von den großen Verlusten der freisinnigen Partei. Glauben Sie aber, daß alle diejenigen, welche für einen Socialdemokraten oder einen Centrums mann ihre, Stimmen abgegeben haben, damit gegen die Militär- vorlage gestimmt haben? Man hat vielfach den Zusammenhang der Partei für wichtiger gehalten und deshalb die Militärvorlage mehr in den Hintergrund gestellt. Man sprach von der Gefährdung des allgemeinen Stimmrechts, von der Reaction, von der Erneuerung des Culturkampfes u. s. w. Die Erzählungen von den schauderhaften Wahlbeeinflussungen kommen bei jeder Wahlbewegung vor. In meinem Wahlkreise hat eine förmliche Begeisterung für die Milstärvorlage geherrscht. Wenn wir im Herbst wieder zusammenkommen, so hoffe ich, daß wir Steuern finden, welche die Börse und den Luxus belasten, welche aber die Landwirthschaft und die breiteren Volksschichten thunlichst frei lassen. Nachdem die Militärvorlage jetzt erledigt sein wird, werden wir uns in Ruhe über die Steuervorlagen vereinbaren können. Eine schleunige Erledigung der Militärvorlage ist dringend wüuschenswerth. Nach der gründlichen Berathung im auf⸗ gelösten Reichstag kann man von einer Ueberstürzung nicht mehr sprechen. Cg kommt darauf an, das Vertrauen unferer Verbündeten wieder zu kräftigen und das Vertrauen des Erwerbslebens wieder zu heben. Das mobile Kapital hat am allerwenigsten Interesse gehabt, gegen einen feindlichen Einfall geschützt zu werden, denn die Werth—⸗ apiere kann man mit seiner eigenen Person in Sicherheit bringen. Interessirt an der Vertheidigung des Vaterlandes sind allein die Land⸗ besitzer, die Geschäftsleute, die ihre Erwerbsstätte nicht verlassen wollen. Ich kann die Hoffnung nicht unterdrücken: Möge der Genius Deutschlands mit neuer Kraft seine Schwingen erheben und über . e, schweben zur Ehre und zum Ruhm unseres deutschen aterlandes!
Darauf wird um P/ Uhr die weitere Berathung auf Sonna bend 11 Uhr vertagt.
ger, r e auf Aktien u. Aktien ⸗ Gesellsch. i
6. Deffentlicher Anzeiger.
10. Verschiedene Bekanntmachungen.
I) Untersuchungs⸗Sachen.
, Württ. Amtsgericht Backnang. Zurückgenommen wird der unterm 18. März ds. Is. gegen Fr. Müller von Kleinaspach wegen Betrugs erlassene Steckbrief. Den 6. Juli 1893. Stv. Amtsrichter Wagner.
i 7 .
27) Aufgebote, Zustellungen und dergl.
lo 7717 Aufgebot.
Es ist das Aufgebot folgender Urkunden:
1) der dem Herrn Rudolf Lehmann, hier von dem Komtor der Reichs -Hauptbank für Werthpapiere er⸗ theilten Depotscheine mit dem Paßwort 12.290
a. Nr. 6lb 285 über 200 Pfund Sterling 6 o Mexikanische äußere Anleihe Interims⸗Scheine von 1890 mit Zinsscheinen, 10 1. Ja⸗ nuar 1891 und folgenden, d. d. Berlin, den Dezember 1890, .
Nr. 50 574 über 140 Pfund Sterling 6 cso consolidirte äußere Mexfkanische Anleihe von 1887/88 mit Zinsscheinen, fällig J. Oktober 1890 folg. und Anweisungen, d. d. Berlin, den 9. ul 1890,
von dem Herrn Rudolf Lehmann, hier, . . des dem Lehrer Hermann. Jacobsen Krichau in ders leben von der Direction der. Berlinischen bens. Versicherungs Geseslschaft ertheilten Depot
scheines über die verpfändete Police der Berlinischen
debeng . Versicherungs Gesellschast Tab. . I. Nr. o 165
mit einer persicherten Summe bon 2060. , d. d. Berlin,
den. 4. Mars Iöh2, von dem Lehrer H. J. Krichau in Knud, 3) der Aetie Nr. 298 des Aetien-Vereins des
hier,
hierselbst,
Löwenstein hier,
Zoologischen Gartens über 100 Thaler Pr. Ert. ausgestellt für Herrn Dr. Abbot, d. d. Berlin, den 1. August 1871, eingetragen im Stammregister Fol. 150, von Frau Caroline L. Abbot, geb. Fay,
ZM. des auf den Namen des Arbeiters Friedrich Müffke in Pankow autgefertigten . als Vormund des minderjä Nr. 27 265 der Niederbarnimer Kreis⸗Sparkasse über ein Guthaben von 476, 04 M, von dem Kaufmann Hugo Loew, hier, 5
6) der von der Lebentversicherungs⸗Anstalt für die Armee und Marine zu Berlin au — nnd Königlichen Kasernen⸗ Inspectors Julius Heinrich Knoechel in Straßburg i. E. ausgestellten Police
9) der auf den Namen des Bauunternehmers riedrich Hermann Becker in Laußigk 2 Lebens versicherungspoliee Nr. 92 287 der
in Laußigk,
gefertigten
gen. Both,
den Namen des
oe ugust Berndt in Cassel, und den minderjährigen
theilten Empfangs⸗Quittun
eines Nr. 431 208 über
; in Lauenburg i. Pon, Kaufmann Leonor Glaser hier,
erg II. in Koblenz ausge Marine d. d.
ictoria,
Allgemeine Versicherungs; Actien⸗Gesellschaft zu Berlin über 2000 M, d. . Berlin, den 26. Juni 1891, von dem Bauunternehmer Friedrich Hermann Becker
. ü 10 folgender 2 Sparkassenbücher der städtischen
4) des der Frau Rubin, geb. Klostius, später Sparkasse zu Berlin verehelichten Frevtag, bei ihrer am 19. Juni 1852 erfolgten Aufnahme in die große Berliner Sterbe⸗ kasse Nr. 10 von 1841 ausgehändigten Statuten⸗ exemplars der gedachten Sterbekasse mit der Aufnahme⸗ b. des für den Schriftsetzer Carl Barbier aus—⸗ , ne Nr. 2799, von der Armen ⸗Direction
a. des für den Klempnerlehrling Carl Both ausgefertigten Sparkassenbuches Nr. 245 555 mit einem Guthaben von 842,61 (.
Sparkassenbuches Nr. mit einem Guthaben von 660,50 S6, von dem Schuhmachermeister Ei Pilz hier
rigen Carl Barbier
h
1I) des dem Herrn August Berndt in Cassel von dem Komter der Reichs -Hauptbank für Werthpapiere sellschaft „Prometheus“ in Berlin, d. ertheilten Depotscheines Nr. 726 330 mit Paßwort 16178 über 25090 S6 37 ο Preußische consolidirte Staatsanleihe mit Zinsscheinen fällig 1. April 1893, folg. und Anweisungen, d. d. Berlin, den 13. De⸗ Nr. 3805 über 300 , d. d. Berlin, den 1. Juli 18765, 66 1892, von dem landwirthschaftlichen Beamten von den Erben des , Knoechel, der Lehrerin Luise Knöche Ludwig und Julius Knoechel, letztere beiden vertreten durch ihre Mutter Wittwe Knöchel als gesetzliche Berlinischen Le Vormünderin, sämmtlich zu Schlettstadt,
7) des dem Kaufmann von dem Komtor der Reichs⸗Hauptbank für Werth⸗ papiere ertheilten — 500 C 39 ., Berliner Stadt⸗Anleihe von 1886 mit Zinsscheinen fällig 1. April 1888 folg. End Anweisung, von dem
8s) der auf den Namen des Kaufmanns Hermann Löwenstein hier ausgestellten Police Nr. 231 384 a. Gerd Hans, Askan. her von der Preußischen Lebens⸗Versicherungs ⸗ Aktien. Gesell⸗ schaft zu Berlin über 5000 S6, d. d. Berlin, den der 1I. Januar 1889, von dem Kaufmann Hermann
12) der dem Herrn Kreisgerichts Rath Albert
Wilhelm von n . von der Direction der
ens Versicherungs⸗ Gesellschaft er⸗
. ñ d. d. Berlin, den Fräulein Clara Wa errn Leonor Glaser hier 9. März 1878 über die übergebenen . der Berlinischen Lebens⸗Versicherungs. Gesellschaft Tab. B.
Nr. 687 und 688 über 20065 Thaler, von dem
Amtsgerichts⸗Rath Albert Wilhelm von Haxthausen
13) der auf den Namen des Königlichen Second Lieutenants im d. Garde Grenadier⸗Regiment Königin
ellten Police ebensversicherungs⸗Anstalt für die Armee und erlin, den 1. Juli 1880, über 500 M, von dem Hauptmann im Nebenetat vom großen Generalstab Günther von Hardenberg hier
14) der auf den Namen des Kaiserlichen Corvetten⸗ Capitäns Herrn Franz Carl David
clever in Wilhelmshaven ausgestellten Police Nr. 2423 der Lebensversicherungs - Anstalt fuͤr die Arme und Marine d. d. Berlin, den 1. Juli 1874, über 300 ς, von dem Lieutenant zur See a. D. F. Kistner in Hamburg,
15) des Herrn Rittergutsbesitzer Otto Freiherr von Houwald in Leibchel von der Kur und Neu⸗ märkischen Ritterschaftlichen Darlehnskasse ertheilten Depotscheines Nr. 1232 b. d. 4. Berlin, den 6. Februar 1892 über 16960 S½ Brandenburger 00 Rentenbriefe mit Coupons Nr. 3 — 16 und Talons April Oktober, von dem Rittergutsbesitzer Otto Freiherr von . auf Leibchel,
19 der auf den Namen des Carl Alfred Keyser u. Berlin ausgestellten Police Nr. 10 966 der
ebens. Invaliditäts. und Unfall⸗Versicherungs⸗Ge⸗
4d. 5 den 23. Nobember 1886, über 600 , von dem Vor⸗ stand des Vereins er 6 sittlich verwahrloster Linder im Templiner Kreise, vertreten durch die Wittwe Keyser zu Berlin,
17) des unkündbaren Pfandbriefes der Preußischen Hypotheken ⸗Actien⸗Bank Ser. IV. Litt. R. Nr. 11 705 über 30 Thaler, zu 5. Go verzinslich, eingetragen im Register sub Fol. 6, d. d. Berlin, den 1. Jul 1874, von dem Gerichtsassessor a. D. Georg Walch, dem und dem Fräulein Helene
allenstein als Erben der verstorbenen Wittwe Juliane
ilers aus Schönebeck beantragt.
Die Inhaber der Urkunden werden aufgefordert, spätestens in dem auf den 23. September 1893, Mittags 1 Uhr, vor dem unterzeichneten Ge⸗ richte, Neue Friedrichstraße 13, Hof, Flügel B., Saal 32, anberaumten Au fgebotstermine ihre Rechte anzumelden und die Urkunden vorzulegen, widrigen. e. die Kraftloserklärung der Urkunden erfolgen wird.
Berlin, den 17. Januar 1893.
Königliches Amtsgericht J. Abtheilung 81.
336 293
arden⸗ r. 8575
elix Hasen⸗