1893 / 279 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 21 Nov 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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Die Ausbeutung eines Kieslagers von 8 bis 10 Qunadratruthen Größe, welches sich unter einer zwei Meter tiefen Lehmschicht befand und auf etwa zwei Meter Tiefe ab⸗ gebaut wurde, ist nach Lage des Falls als Nebenbetrieb der Landwirthschaft des Unternehmers erklärt worden, da sich das Ausbeuten, obwohl es zum Zwecke des Verkaufs und nicht zur Verbesserung des Bodens geschah, nur als ein Ausfluß des iger f len Betriebes darstellte.

Der Umbau an dem Wohnhause eines Ge wer be⸗ treibenden, welcher als Hauptgewerbe die Anstreicherei und den Handel mit Spezereiwaaren, als Nebengewerbe aber eine kleine Landwirthschaft auf 49 a Land betrieb, ist nicht als eine nach 51 Absatz 4 des Bau⸗-Unfallversicherungs⸗ gesetzes bei der zuständigen landwirthschaftlichen Berufs⸗ genessenschaft versicherte Bauarbeit angesehen worden, da der Umbau selbst außer jeder Beziehung zu dem landwirthschaftlichen Betriebe erfolgte, und das Haus, selbst wenn einige Bodenräume desselben zur Aufbewahrung landwirthschaftlicher Geräthe und Erzeugnisse gedient haben, als ein landwirthschaftliches Gebäude nicht gelten konnte. . .

Die Errichtung einer Badehütte für die Wirth— schaftsbeamten eines Gutes ist nach 5 1 Absatz 4 des Bau⸗Unfallversicherungsgesetzes als Bauarbeit im land⸗ wirthschaftlichen Betriebe angesehen worden. .

Die Ausbeutung eines Steinbruchs lediglich u dem Zwecke, um die Steine für einen Bau des J zu beschaffen, ist bei den Versicherungs— anstalten der Baugewerks⸗Berufsgenossenschaften beziehungsweise der Tiefbau⸗Berufsgenossenschaft nur dann versichert, wenn dieser Bau oder wenigstens der Theil, für welchen die Steine bestimmt sind, von dem Aus⸗ beuter in eigener Regie ausgeführt wird; anderenfalls sind die bei der Ausbeutung beschäftigten Arbeiter bei der Steinbruchs⸗-Berufsgenossenschaft versichert. ; .

Die Entschädigungsforderung eines für seine Person zwangsversicherten Zimmerers, der einen Unfall erlitten hatte, als er für den Bau eines eigenen Schuppens sich an der Kreissäge eines Schneidemüllers eine Latte zurecht sägte, ist für begründet anerkannt worden, da die Regiebauarbeiten eines Baugewerbe— treibenden Bestandtheile des Baugewerbebetriebes bilden, insoweit sie ihrer Art nach zu den gewerblichen Bau⸗ arbeiten des Betreffenden gehören und im Verhältniß zu der Größe des Betriebes nicht allzu umfangreich sind; sie sind dann gemaͤß S4 Ziffer 4 Absatz? des Bau⸗Unfallversicherungsgesetzes durch die gewerbliche Versicherung mit gedeckt. Diese Voraus—⸗ setzungen mußten in dem vorliegenden Falle als gegeben an⸗ . werden, da es sich um die Errichtung eines kleinen Schuppens handelte, zu welchem überwiegend nur in das Fach des Klägers gehörige Arbeiten erforderlich waren, die dleser allein in drei Tagen gegenüber einer jahresdurchschnitt— lichen gewerblichen Thätigkeit von 240 Tagen ausge— führt hat. .

Ob ein zwangsversicherter Baugewerbetreiben— der eine Arbeit in seinem Gewerbebetriebe oder als Arbeiter eines Anderen ausführt, ist nach der Gesammtlage des einzelnen Falls zu prüfen; doch ist im Zweifel das letztere dann eher anzunehmen, wenn der Klein— meister eine Arbeit für einen anderen Baugewerbetreibenden derselben Art ausführt, welchem sie durch den Bauherrn über— tragen worden ist.

Die Anbringung, Reparatur und Abnahme von Fensterläden bei Bauten ist eine versicherte Bauarbeit.

Der Wegewärter eines für leistungsfähig er— klärten Communalverbandes, welcher die ihm unterstellte Strecke der Kreisstraßen für einen Einheitssatz für das Kilo— meter zu unterhalten hatte, ist als Arbeiter (Accordant) des Verbandes angesehen worden; eine entgegengesetzte Entscheidung ist jedoch bezüglich eines Rittergutsbesitzers getroffen worden, der, in der Absicht, Herr innerhalb seines er erk zu bleiben, unter ähnlichen Bedingungen die Unter— haltung gewisser Strecken der Kreisstraßen übernommen hatte, da er sich bei der Ausführung der von ihm übernommenen Ar— beiten weder selbst in irgend einer Richtung als Arbeiter be— theiligte, noch seine persönlichen und wirthschaftlichen Verhält— nisse mit der Annahme unvereinbar waren, daß er die in Rede stehende Arbeit als selbständiger Unternehmer ausgeführt hat. Die von ihm ausgeführten Bauarbeiten waren, da er als gewerbsmäßiger Bauunternehmer nicht angesehen werden konnte, bei der Versicherungsanstalt der Tiefbau⸗Berufsgenossen⸗ schaft versichert.

Ein Schachtmeister, welcher regelmäßig Erdaus— schachtungsarbeiten ausführte, die ihm zumeist von größeren gewerbsmäßigen Unternehmern übertragen worden waren, dabei die Geräthschaften stellte, immer, meist sogar allein, mitarbeitete, und nur selten einen oder zwei Arbeiter selbst hinzuzog, ist als Arbeiter (Kleinaccordant) angefehen worden, obwohl er für das Kubikmeter Erdausschachtung nach einem Einheitssatze bezahlt wurde.

Die Entschädigungspflicht für den Unfall des Arbeiters eines Bauunternehmers, welcher bei dem Ab— schachten und Einebnen alter Festungswälle ver— unglückt war, ist 6 der Tiefbau⸗Berufsgenossenschaft, sondern der zrtlich zuständigen Baugewerks ⸗Berufz⸗ genossenschaft zur Last gelegt worden, da die Arbeiten, wenngleich sie an sich zu den nach dem Bau⸗Unfallversicherungs⸗ t versicherungspflichtigen Erdarbeiten gehörten, geniäß 89 Abs. 2 daselbst an die Versicherung des Hochbaubetriebes an— geschlossen werden mußten, welcher den Hauptbetrieb des Unter— nehmers hildete. Maßgebend war hierbei, daß der Umfang der Arbeit im Verhältniß zu dem Umfang des Hochbaubetriebes nicht so bedeutend war, um sie von dem übrigen Betriebe, mit welchem sie durch ihre Lage am Sitz des Betriebes und durch die Verwendung eines Theils der Hochbauarbeiter eng zu⸗ sammenhing, loslösen zu können.

Tie fbohrungsbetriebe gehören grundsätzlich ab— gesehen von den knappschaftlich organisirken der Stein—

GJ an, . die Betriebe nicht überwiegend die Ausführung von Brunnenarbelten im Sinne des 8 1 Absatz 2 des Unfallversicherungsgesetzes, also 6 Anlage von Schacht- und Röhrenbrunnen zum Gegenstand aben.

In derselben Entscheidung ist ausgesprochen, daß bei dem Uebergange unrichtig katastrirter Betriebe ugleich mit dem Betriebe auch die Entschädigungspflicht für die darin vorgekom menen Unfälle vom Zeitpunkt der Ueberweisung ab auf die andere Berufs⸗ genossenschaft übergeht.

Da der 24. und der 31. Dezember in diesem Jahre auf einen Sonntag fallen, so ist zu erwarten, daß sich aus den Kreisen der Handelsgewerbetreibenden vielfach Wünsche wegen Zulassung einer erweiterten ,, . für diese Tage geltend machen werden. Die betheiligten Minister haben in einer gemeinsamen Verfügung vom 11. November darauf hingewiesen, daß die Bestimmungen unter Nr. II der die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe betreffenden Ausführungs- anweisung vom 10. Juni v. J. die Möglichkeit bieten, dem an den genannten Tagen hervortretenden Bedürfniß gerecht zu werden. Unter keinen Umständen soll eine Ausdehnung der Geschäftsstunden über 7 Uhr Nachmittags hinaus zugelassen werden.

Bei den letzten Verhandlungen der im Kaiserlichen Gesund— heitsamt gebildeten Cholera⸗-Commission hat einer der in Berlin vorgekommenen Cholerafälle, welcher zweifellos auf den Genuß von Spreewasser auf der Arbeitsstelle zurückzuführen ist, zur Feststellung der bedauerlichen Thatsache Anlaß gegeben, daß auf der betreffenden, an der Spree belegenen Baustelle den Ar⸗ beitern weder unverdächtiges Trinkwasser bereit gehalten, noch für eine geeignete Abortanlage Sorge getragen war. Die Folge davon ist gewesen, daß die Arbeiter sich des Spreewassers zum Trinken bedienten und daß sie ihre Bedürfnisse in die Spree ver—⸗ richteten. Insbesondere hat dies der demnächst an der Cholera erkrankte Arbeiter während der ersten Zeit seiner Erkrankung gethan und dadurch zur weiteren Verseuchung des Flußwassers beigetragen. Die bakteriologische Untersuchung des letzteren hat das Vorhandensein von Cholerakeimen an der Stelle ergeben. Der Minister der öffentlichen Arbeiten hat es aus diesem Grunde den Behörden und Beamten der allgemeinen Bauverwaltung zur Pflicht gemacht, strenge darauf zu sehen, daß auf allen Baustellen, besonders den an Wasserläufen be— legenen, geeignete Abortanlagen vorhanden sind, damit eine Verunreinigung der Gewässer durch die Auswurfstoffe der Arbeiter unbedingt vermieden werde. Ferner sollen den Ar— beitern, falls auf der Arbeitsstelle kein unverdächtiges Trink— wasser vorhanden ist oder ausnahmsweise nicht beschafft werden kann, jedenfalls vom Aufsichtspersonal keine Hinder— nisse in den Weg gelegt werden, sich solches Trinkwasser zu beschaffen.

Seine Majestät der Kaiser haben mittels Aller— höchster Cabinetsordre vom 16. November bestimmt, daß vom LDezember 1893 ab die Landwehrbezirke Bernau und Teltow die. Bezeichnung „II Berlin“ beziehungsweise „IV. Berlin“ führen. Das Stabsquartier des Landwehr— bezirks IV Berlin verbleibt bis auf weiteres in Steglitz. Von dem genannten Zeitpunkt ab ist die militärische Controle des Beurlauhbtenstandes innerhalb der Landwehrbezirke J bis 1V Berlin unter Wegfall einer räumlichen Abgrenzung der Controlbezirke nach näherer Anordnung des Kriegs-Ministeriums zu organisiren. Dies ist durch eine von demselben Tage datirte Verfügung des Kriegs-Ministers geschehen, welche die Organi⸗ sation der Controle 2c. nach Maßgabe einer in Nr. 2) des „Armee⸗Verordnungs⸗Blatts“ veröffentlichten Geschäftseinthei— lung anordnet.

Der, Kaiserliche Botschafter am österreichisch-ungarischen Hofe Prinz Reuß hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit fungirt der Legations-Rath Prinz von Ratibor als Geschäftsträger.

Der Königlich großbritannische Botschafter am hiesigen Allerhöchsten Hofe Sir Edward Malet ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich württem— bergische Präsident des Staats⸗-Ministeriums, Skaats⸗-Minister der auswärtigen Angelegenheiten Dr. Freiherr von Mitt— nacht ist von Berlin abgereist.

Der Königlich württembergische Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Staatsrath von Moser hat einen ihm von seiner Regierung bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit fungirt der württembergische Militär-Vevoll— mächtigte, Oberst Freiherr von Watter als Geschäftsträger.

Bayern.

Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent hat sich laut Meldung des W. T. B.“ heute früh mittels Sonder zugs nach Darmstadt begeben, um den Besuch Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Hessen zu erwidern. Morgen Abend wird der Prinz-Regent zur Abhaltung von Jagden nach dem Spessart weiterreisen.

Sachsen.

Seine Majestät der König fühlte sich vorgestern matt, war aber fieberfrei. Nach einer ruhig verbrachten Nacht war das Befinden gestern besser. Seine Majestät wird sich, dem „Dr. J.“ . in der nächsten Zeit noch große Schonung auferlegen müssen.

Im Befinden Ihrer Königlichen , der Prinzessin Josephine von Flandern, Höchstwelche, wie bereits gemeldet, an einem typhösen Fieber erkrankt ist, ist eine Besse— rung noch nicht eingetreten. Die Fiebererscheinungen sind ziemlich beträchtliche, jedoch giebt der Krankheitsverlauf zu ernster Besorgniß zur Zeit keinen Anlaß.

Anhalt.

Ihre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von Mecklenburg-⸗Strelitz sind, wie der „A. St.- MA.“ meldet, gestern von Dessau nach Reu— Strelitz zurückgekehrt. Ihre Hoheiten der Erbprinz und die Erbprinzessin trafen am Sonnabend aus Dresden wieder in Dessau ein.

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Lippe.

In der Sitzung des Landtags vom 18. d. M. ist, wie der „Hann. Cour.“ erfährt, der S 13 des staatlichen Ein— kommensteuergesetzes, nachdem der Finanzausschuß die Scalg der Steuer in den Stufen von 706 S an nach oben ermäßigt hatte, nach lebhafter Debatte in zweiter Lesung an⸗ genommen worden. Im Anschluß an diesen . wurden auch die 85 14 und 15 des Einkommen teuergesetzes, welche die Erleichterungen für die wirthschaftlich Schwachen enthalten, nach kurzer VBebatte angenommen.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Die Leichenfeier für den Grafen Hartenau nahm wie W. T. B.“ aus Graz berichtet, gestern Nachmittag 2 Uhr in dem Trauergemache, in welchem die Leiche aufgebahrt war, ihren Anfang. Der Pfarrer Leidenfrost hielt die Trauer= rede, worin er der Eigenschaften des Herzens und des Geistes des Verstorbenen gedachte. Nach Einsegnung der Leiche bildete sich der Trauerzug. Hinter dem Sarge schritten der vom Kaiser Franz Joseph entsandte Flügel-Adjutant Graf Lonyan, der Prinz Heinrich von Battenberg, der Vertreter der Königin von England, der Herzog Wilhelm von Württemberg, der Prinz Franz Joseph von Battenberg, Graf von Erbach, die bub garischen Deputationen, der Statthalter von Kübeck, der commandirende General mit der Generalität und dem Offizier⸗ corps sowie zahlreiche andere Leidtragende. Unter militärischen Ehren begab sich der Trauerzug nach dem Friedhof, wohfelhtt die provisorische Beisetzung stattfand. An der Gruft hielt der bulgarische Minister Grekow eine Gedächtnißrede.

Im ungarischen Oberhause widmete gestern der Prä— sident Szlavy dem verstorbenen Judex curige von Szö— gysny-Marich einen tief empfundenen Nachruf, wobei er beantragte, an die Hinterbliebenen eine Beileids-Adresse zu richten, an der Bahre des Verstorbenen im Namen des Oberhauses einen Kranz niederzulegen, sowie auch in, corpore an der Leichenfeier theilzunehmen; außerdem solle der Ausdruck des Beileids in das Sitzungsprotokoll aufgenommen werden. Die Anträge wurden elnstimmig an— genommen. Die Einsegnung der Leiche erfolgt heute in Stuhlweißenburg durch den Bischof Steiner, die Beisetzung in Csor morgen.

Der Kaiser hat der Familie Szögyeny telegraphisch sein Beileid ausgesprochen.

Großbritannien und Irland.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte der Parlaments- und Finanzsecretär der Admiralität Sir U Kay— Shuttleworth, daß alle zehn Schlachtschiffe, die im Flotten⸗ baugesetz vorgesehen seien, zu frühen Terminen im Jahre 1891 vollendet sein würden.

Frankreich. Nach einer Meldung der „Agence Havas“ sind zwischen Frankreich und Italien Verhandlungen eingeleitet worden behufs Umtausches des in Frankreich circulirenden italienischen Kupfergeldes gegen das in Italien umlaufende französische Kupfergeld. .

Die Subcommission des Wahlausschusses der Deputirten—⸗ kammer hat die Wahl des Ralliirten de Vogus annullirt, weil er angeblich einen die Förderung seiner Wahl versprechen— den Privatbrief des Ministers des Auswärtigen Develle agita— torisch ausgenützt habe.

Italien.

Der österreichisch- ungarische Minister des Auswärtigen Graf Kälnoky ist, nach einer Meldung des „W. T. B.“, gestern zu mehrtägigem Aufenthalt in Florenz eingetroffen.

Infolge der beabsichtigten Verschmelzung der Beamten— körper der Post und Telegraphie beschlossen gestern Mittag die Telegraphen-Beamten in Rom einen Ausstand zu beginnen. Die Telegraphenboten, die das Augs— tragen der Depeschen besorgen, erklärten sich mit den Telegraphisten solidarisch und schlossen sich dem Aus— stande an. Die strikenden Beamten weigerten sich, ungeachtet wiederholter Ermahnungen des F ihre Thätigkeit wieder aufzunehmen, und leisteten der weiteren Aufforderung, die Buregur zu verlassen, erst nach Erscheinen der bewaffneten Macht Folge. Die Strikenden wurden sodann durch neues Personal ersetzt und der Betriebsdienst wieder eingerichtet. Die Depeschenausträger nahmen die Arbeit wieder auf. Auf allen Telegraphenaͤmtern der anderen Städte Italiens herrscht volllommenene Ruhe. Der „Riforma“ zufolge hätten die Telegraphisten den Tag der Wiedereröffnung der Kammer abwarten wollen, um alsdann den Strike zu beginnen; aus Furcht, daß ihre Wortführer bestraft werden würden, seien sie jedoch früher in den Ausstand eingetreten. Die Zahl der in Rom strilenden Telegraphisten belaufe sich auf 200. Das Ministerium habe sich telegraphisch nach Neapel und Florenz gewandt, um von dort Telegraphisten kommen zu lassen. Gestern Abend hielten die Strikenden in einem Privatlgeal, dessen Zugänge von der Polizei überwacht wurden, eine Ver⸗ sammlung ab und beschlossen, die Arbeit heute Mittag wieder aufzunehmen, falls das Ministerium die Einführung des neuen Reglements vertagen und versprechen werde, keinen der Strikenden zu bestrafen; anderenfalls würden sie den Strike fortsetzen.

Spanien.

Wie aus Melilla gemeldet wird, griffen die Kabylen am 17. November ein spanisches Detachement an, bat eine Recognoscirung der umliegenden Forts ausführte. Es fand ein lebhaftes Scharmützel statt, bei dem die Kabylen zurückgeworfen wurden. Vier spanische Soldaten sind ver— wundet worden.

Nach einem Telegramm des „W. T. B.“ aus Bayonne befänden sich die spanischen Telegraphisten seit gestern im Ausstand.

Griechenland. Die Regierung hat der Kammer einen Gesetzentwurf vor— gelegt, wodurch das Decret wegen Aufnahme der fundirten Anleihe aufgehoben wird.

Amerika.

Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Montreal ge— meldet, drei junge Männer französischer Nationa⸗ lität, die im Begriff gewesen wären, das Nelson⸗Denkmal in die Luft zu sprengen, seien von der durch einen der Ver⸗ schwörer von ihrem Vorhaben benachrichtigten Polizei ver⸗ haftet worden. Bei ihrer Verhaftung hätten sie eine

Dynamit -⸗-Patrone bei sich gehabt, durch deren Explosion

das Denkmal zerstört und die umliegenden Häuser schwer beschädigt worden sein würden. Unter den Verha teten, die ann, Offiziere der canadischen Miliz seien, befände sich ein Sohn des ehemaligen Premier-Ministers Mercier. Das Attentat werde auf die fortgesetzte Agitation der fran— zösischen Presse in Quebec gegen die englischen Einrichtungen

urückgeführt. ; . „Daily News“ wird aus New⸗HYork gemeldet, der

amtliche Bericht des nach Hawaii gesandten Specialcommissars

weise nach, daß der ehemalige Vertreter der Vereinigten

Staaten in Honolulu die Revolution durch die amerikanischen Truppen habe unterstützen lassen. Man erwarte die Wieder⸗

einsetzung der Königin, doch werde die Königin eine Amnestie erlassen und das Land über die zukünftige Regierungs⸗ sorm befragen müssen.

Wie die ö „World“ aus Rio de Janeiro vom 14 d. M. erfährt, wären in Nicther oy durch das Bombardement . 300 Häuser zerstört und mehrere hundert Häuser beschädigt worden. Von den 37 009 Ein— wohnern seien mehrere hundert getödtet worden, gegen 30 560 hätten den Ort verlassen.

Afrika. Nach einer in Paris eingetroffenen . Tanger

würde der Sultan von Marokko am .d. M. von Tafilet in Marra-Kesch eintreffen.

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Parlamentarische Nachrichten.

Graf Edugrd von Bethusy⸗Huc ist am 19. d. M. in Bankau im Kreise Kreuzburg in Schlesien gestorben. Der Verstorbene gehörte von 18621879 dem Haufe der Abgeordneten, dessen Zweiter Vice-Präsident er von 1873 bis 1879 war, an; seit 1867 war er auch Mitglied des Nord⸗ deutschen und des Deutschen Reichstags und zwar bis 1879, wo er das Landrathsamt in seiner Heimath übernahm und sich vom politischen Leben zurückzog. Die Gründung der frei⸗ Eonservgtiven Partei im Jahre 1866 ist wesentlich auf seine Mitwirkung zurückzuführen.

Die von dem Buregu⸗Director des Hauses der Abgeordneten, Geheimen Regierungs- Rath Kleinschmidt herausgegebenen Ueber- sichten über die Geschäftsthätigkeit des Hauses der Ab— geordneten in der letzten Session sind jetzt erschienen. Sie sind in der bisherigen Art angefertigt und zerfallen in die Redner“ liste die Uebersicht über den Stagtshaushalts- Etat und die Hauptübersicht. Die Rednerliste ergiebt den Tag, an welchem, sowie den Gegenstand, über welchen jeder einzelne Redner gesprochen hat, unter Hinweis auf die betreffenden Seiten der stenographischen Berichte. Die Etatsübersicht macht, die bezüglichen Anfragen, Anträge und Verhandlungen ersichtlich und weist bei den verschiedenen Verwaltungen sämmtliche Ctatstitel mit ihren ̃, nach. Die alphabetisch geordnete Hauptübersicht umfaßt, abgesehen von dem Staats haushalts⸗ Etat, alle zur Erörterung gelangten Gegenstände, unter Darlegung des Ver⸗ laufs der Berathung. Die Regierungsvorlagen, sowie die Anträge zu denselben sind darin nach ihrem Wortlaut übernommen und die Ver— handlungen über ein und denselben Gegenstand, auch wenn dieselben ju verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Gelegenheiten stattgefunden haben, auf einer Stelle verzeichnet. Zu der Hauptübersicht gehört ein besonderes Inhaltsperzeichniß, dem eine Gesammtübersicht der Berathungsgegenstände beigefügt ist.

Kunst und Wissenschaft.

In den Arbeitsplan der Reichs-Limesforschung war von Seiten der Reichs -Limescommifsion für das Etatsjahr 1892/93 die Aufsuchung der bürgerlichen Niederlassung bei dem römi⸗ schen Castell auf dem Schierenhofe bei Schwäbisch— Gmünd aufgenommen. Die unvorhergesehene Ausdehnung, welche die K des Castells Unterböbingen im verflossenen Herbst angenommen hatten, machte aber die Vornahme dieser Arbest für dieses Etatsjahr unmöglich, und sie mußte deshalb auf das kommende Jahr, also auf diesen Herbst, verschoben werden. Die Resultate dieser Arbeit sind, wie der „Staats⸗Anz. f. Württbg.“ berichtet, folgende: Westlich des schon vor mehreren Jahren aufgefundenen und ausgegrabenen Castells auf dem Schierenhofe (einem schön ge⸗ legenen Gut mit mehreren Oekonomiegebäuden, 26 Minuten vom Westausgange der Stadt Gmünd entfernt) wurden die Substructionen zweier römischen Gebäude gefunden und, soweit es möglich war, frei⸗ gelegt. Das eine dieser Gebäude ist ca. 56 m, das zweite ea. 100 m don dem einstigen Castell entfernt. Bei dem ersten waren nur noch wenige Mauerzüge nachzuweisen. Die Mauern lagen nur noch wenige Centimefer unter dem jetzigen Niveau, und so wurde zaßselbe bei jedem neuen Bebauen des Feldes durch den Pflug des Hofbesitzers abgebröckelt, und dies hatte zur Folge, daß es unmöglich wurde, eine genaue Bestimmung über den Zweck der , . Wohn- ꝛc. Räume zu geben. Nur das war zu ermitteln, daß wenigstens ein heizbarer Raum vorhanden gewesen war. Es wurden an einige Hypokaustenpfeiler in einem Theile des Gebäudes freigelegt. Günstiger, ja geradezu überraschend waren die Resultate der zweiten. Ausgrabung. Hier konnte nicht nur ein Fnaueäz Bild der einstigen Umfassung des ganzen Gebäudes und der Cintheilung desselben wiedergegeben werden, es wurden sogar zwei derschiedene Bauperioden nachgewiesen Die eine, offenbar ältere Periode ist än der gemeinhin tieferen Mauerlage, an der sorgfältigeren usführung der Arbeit, an der befferen Beschaffenheit der Steine wi an der, besseren Vermörtelung zu erkennen. Bei ihr waren die Mauern im rechten Winkel gebaut, die Steine bestanden aus Stubensandstein mit einer Größe von 20 bis 40 em und saßen satt im Mörtel. Ganz anders fah die zweite jüngere Periode aus. Eben⸗ falls römische Füllmauern, theilweise auf die älteren Mauern gesetzt, nber an verschiedenen Stellen vom rechten Winkel abweichend, viel fächtiger bearbeitet, mit kleineren Steinen aus Liassandstein, bei be— deutend weniger Mörtel. Außerdem waren noch andere Zeichen vor— handen, welche den Nachweis lieferten, daß hier eine Zerstörung des ursprünglichen Gebäudes und“ ein Wiederaufbau des ben auf dem alten stattgefunden haben muß, wie z. B. Brandschutt zwischen zwel strichschichten. Vermauerung einiger bön gearbeiteten, gewölbartigen Präfurnien der alteren heriode u. s. w. Feuer hat bei der Zerstörung des ersten Baues mitgeholfen, und es dürfte anzunehmen sein, daß eine gewaltsame Zerstörung des ganzen Hauses dem Wiederaufbau desselben borhergegangen fein muß. Bie Front des Gebäudes lag gegen Westen und maß 33 m. Die Tiefe maß gegen Norden 21 m, gegen Süden nur 12 m. An der Front war ein Vorbau angebracht, während sich an der entgegengesetzten Seite eine Apfis befand. Die Dicke der Mauern war 1 und schwankte zwischen 9.60 und 0, 00 m. Im nen wurden 14 Gelasse nachgewiesen; von diefen waren 5. heizbar. ei dreien dieser heizbaren Räume war die Heizeinrichtung noch ganz oder hheilweife im Urzustande erhalten. Rauchgeschwärzt und hee cf zeigten ich die Wände, Decke und Pfeiler. Letztere waren theils aus einem tüch, theils aus mehreren aufeinandergesetzten, gut behauenen Lias. andsteinstücken, theils aber auch aus quadratischen Ziegelplatten. Die zecke bestand aus einer 0, 12 m dicken Masfe aus Kälk und zerstoßenen iegelstückchen. Drei schön gearbeitete Präfurnien wurden freigelegt; i. davon wgren, wie schon oben berichtet, wieder zugemauert a en. Der Boden der Gelasse bestand theils aus Girgelsteinen, eils aus Kalk. Nur unbedeutend waren die gemachten Funde: ; tempel auf Ziegelplatten und Gefäßfragmenten, Schmuckgegenstände . Hronze, ein ilberner, Ring, eine Münze aus Goldbronze (wahr⸗ Hi nlich die jüngere Faustina darstellend), Glasscherben, Thürbeschläge, ägel und eine Menge, Thonscherben. 5 Aus Breslau wird der Tod, des Professors der evangelischen . an der dortigen Universität D. Hermann Schmidt Dire Der Geheime Medizinal. Rath, Professor Dr, Kalten hach, . der Universitäts⸗Frauenklinik zu Halle, ist laut Meldung W. T. B. in der vergangenen Nacht plötzlich gestorben.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungõ⸗ Maßregeln.

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Die gegen die Häfen von Braila und Livorno angeordneten Quarantänen sind unter den üblichen Bedingungen aufgehoben worden. (Vergl. R. Anz.“ Nr. 202 . . Nr. 225 vom 19./9.).

ortugal.

Durch Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern ist der Hafen von Hamburg, welcher bisher als verseucht galt, seit dem 1. d. M. für choleraverdächtig erklärt worden. Vergl. R. Anz.“ Nr. 230 vom 265. 65. .

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Der Königlich belgische Minister für Landwirthschaft, Industrie und öffentliche Arbeiten hat unter dem 16. d. M. eine Verfügung erlassen, wonach die von ihm unter dem 9. September d. J. ange⸗ ordneten Maßnahmen in Betreff der Ein- und Durchfuhr von Waaren aus dem preußischen und hessischen Rheinstromgebiet vom 18. d. M. ab aufgehoben werden. (Vergl. . R. Anz.“ Rr. 221 vom 14.9.)

Brasilien.

Durch Verordnung des Ministers des Innern vom 25. v. M. sind alle französischen Häfen mit Ausnahme von Brest und der Häfen der Colonie St. Louis (vergl. . R. Anz.“ Nr. 204 vom 25. / 8) für rein von Cholera erklärt worden. Alle feit dem 25. v. M. von ' dort abgegangenen Schiffe werden nach einer strengen ärztlichen Unter⸗ suchung in den Häfen Brasiliens zum freien Verkehr zugelassen. (Vergl. . R. Anz.‘ Nr. 199 vom 19.86., Rr. 223 vom 16.59. und Nr. 253 vom 21.10.)

Australien.

Durch Verfügung des Gouverneurs von Neu⸗Süd⸗Wales vom g. v. M: ist die für Herkünfte aus Frankreich und den Häfen des Mittelländischen Meeres angeordnete Quarantäne auf Herkünfte aus sämmtlichen europäischen Häfen ausgedehnt worden. (Vergl. R. ⸗Anz.“ Nr. 209 vom 31/8. und Nr. 236 vom 2.103

Theater und Musik.

Lessing⸗Theater.

Die Traumwelt und die Märchenwelt haben oft schon auf der Bühne trotz ihrer Gegensätzlichkeit zu aller Wirklichkeit in der dramatischen Verwerthung edelste Kunstwirkungen vermitteln können, weil die Phantasie des Zuschauers die Grundlage und die bewegende Kraft der Handlung erkennt und dem Dichter in das Land der Träume und Märchen, das jedem bekannt ist, folgen kann. Paul Lindau) geht in seinem neuen Stück, Der Andere“, das am Sonnabend hier zum ersten Mal aufgeführt wurde, noch einen Schritt weiter, indem er eine märchen hafte, schier unglaubliche Wirklichkeit construirt. Die Menschen⸗ seele, die wir als eine Einheit kennen, und die menschliche individuelle Vernunft, die ihrem Begriffe nach doch auch wieder nur ungetheilt denkbar ist, soll einer allerdings krankhaften Zweitheilung fähig sein, sodaß eine Person gleichsam ein Doppel⸗ leben führt, daß ihr jedesmal in der einen Zeit die Erinnerung des Lebens der anderen Zeit verloren geht. Der Held des Lindau'schen Schauspiels, der Staatsanwalt Hallers, foll dies Doppelwesen glaubhaft machen. Der kluge, klar denkende Staatsanwalt fällt Abends in einen kurzen schweren Schlaf, der das Gedächtniß an seine bürgerliche und sittliche Existenz vollständig auslöscht, und wacht als lichtscheuer Verbrecher auf; als solcher verübt er Straßenraub, besucht Diebes spelunken, plant Einbrüche in seine eigene Wohnung und erwacht fast plötzlich wieder mit dem normalen Charakter ohne jede Erinnerung an die nächtlichen Vorgänge, bis seltsame Verwickelungen dieses Doppellebens den Bedauernswerthen zum Bewußtfein seines grausamen Zustandes führen. In diesem Augenblick kann aber auch schon vom Arzte, der den Kranken nöthigt, durch Anspannung der ganzen Willenskraft sich über die Vorgänge während der Zeit, wo er „der Andere“ war, Rechenschaft zu geben, dies Wahrscheinlichkeit der Genesung ausgesprochen werden. Ob es in der Wirklichkeit eine solche Zweitheilung der Ge⸗— hirnthätigkeit giebt, ob sie überhaupt möglich, oder wie sie zu erklären ist, das zu entscheiden, ist Aufgabe der medizinischen Wissenschaft nicht der literarischen Kritik; aber ob ez erlaubt ist, so abnorme, unaufgeklärte und der Gesammtheit unbegreifliche Erscheinungen zum führenden Gedanken einer dramatischen Dichtung zu machen, erscheint mehr als zweifelhaft. So groß auch das Interesse der Zeitgenoffen an aͤhnlichen Fragen, wie hier eine behandelt wird, fein mag: jedenfalls bleiben die Herzen der Zuschauer bei ihrer Bühnenbehandlung kalt. Man kann nicht aus der Tiefe des Gemüths mitfühlen, man kann mit dem Leidenden nicht mitleiden, weil lediglich ber Verstand in Thätigkeit ist. Die Wirkung des Schauspiels ist daher eigentlich eine un⸗ ästhetische; der Zuschauer wird in eine überaus unbehagliche Spannung und in eine nerpöse Aufregung versetzt, aber das Auferbauen oder das Ergötzen, das man von einem Schauspiel fordern darf, fehlt voll⸗

ständig. Es gilt das umsomehr, als der von dem Verfasser ein⸗

genommene, erkennbar ernste Standpunkt nirgends den fonst bei ihm vorhandenen Humor zu Worte kommen läßt; wo der Versuch launiger Gesprächsführung gemacht wird, ist er fast völlig mißlungen. Das neue Bühnenwerk stellt sich also als eine entschiedene Verirrung des Talents dar, obwohl Lindau sich den Fall mit großer Klugheit und seenischem Geschick zurecht gelegt hat. In der Art, wie“ die Wirkungen des Doppellebens sich allmählich verketten und wie der dramatische Knoten geschürzt und gelöst wird, entwickelt der Dichter die früher bewiesene Feinheit der Beobachtung und dramatischer Kraft. Hemmend wirkte nur die rührselig Geschichte einer unschuldigen Kellnerin, die der Staatsanwalt unbewußt ins Unglück gestürzt hat. Die Darstellung forderte eine bedeutende Leistung nur von einem Künstler, nämlich von dem, der den Anderen“ vorstellte; und da hierzu Herr Mitterwurzer auserwählt und als Gast erschienen war, so war ein gewisser Erfolg gesichert. Der klare, kluge Geist des Staats— anwalts trat in den energischen Bewegungen, in der sicheren, über⸗ legten Sprechweise hervor, und schien in den dann folgenden Minuten hastigen Aufbrausens, starren Blickens und resignirter Schmerzempfindung schon gegen einen unsichtbaren Feind sich zu wehren. Der Andere), das zweite Selbst in diesem Körper, kündigte sich durch eine heisere Stimme, durch einen brutalen, scheuen Blick an, der stumpf auf fein räthselhaftes Ich sieht. Das allmähliche Erkennen seines Doppellebens prägte sich in dem gequälten, angstvollen Umherirren des Auges, im heiseren Verzweiflungsschrei, in der höchsten körperlichen Erschöpfung mit zwingender Klarheit aus, sodaß über dem Triumph des darstellenden Künstlers der Dichter in Vergessenheit gerieth. Den Arzt spielte Herr Kober freundlich und ruhig, nur in dem Augenblick, als die Willenskraft des Arztes den Kranken zwingen soll, fehlte es ihm an Adel und Größe des Ausdrucks. Die a, Guth ery, Schönfeld und Waldow hatten sich recht arakteristische Verbrecherphysiognomien zurecht gemacht und Fräulein Reisenhofer fand sich s gut wie möglich mit der unwahren Gestalt der rothen Male ab. .

Beifall und Mißfallen kamen nach den Actschlüssen lebhaft zum Ausdruck, wobei die Zuschauer dem Gast, Herrn Mitt erwurzer, durch häufiges Zurufen bewiesen, daß man seiner Leistung uneinge⸗ schränkte Anerkennung zollte.

Residenz ⸗Theater.

Gestern wurde der Schwank ‚Die Dragoner“ von Bossu und Delagvigne zum ersten Mal aufgeführt. Der darin behandelte Stoff ist hier schon bekannt aus einer Sperette, die im Frühjahr dieses Jahres von der Brünner Gesellschaft bei ihrem Gastspiel im Adolph Ernst⸗ Theater gegeben wurde. Trotzdem das Stück auf lauter unwahrscheinlichen Voraussetzungen aufgebaut ist, unterhält es doch durch seine drolligen Situationen und erregte auch bei dieser Auf— führung die lebhafteste Heiterkeit. Das Motiv, daß der Bursche eines Capitäns, der im Manöverguartier sich verlobt, die noch jugend liche Stiefmutter der Braut seines Herrn heimführt und dadur der Schwiegervater seines Herrn wird, ist besonders in der meisterbaften Darstellung des Herrn Alexander von äußerst komischer Wirkung.

Die junge Wittwe wurde sehr ansprechend von Fräulein Sandow und ihre Tochter Clemence, anmuthsboll von Fräulein Hoser dargestellt. Die Rolle einer Tänzerin, mik welcher der Capitän Fouchy vor seiner Verlobung in Beziehungen ge⸗ standen hatte, wurde von Fräulein Markwordt, bisher am Lessing · Theater, die bei der Gelegenheit an dieser Stelle zum ersten Mal auftrat, mit großem Geschick gegeben. Ihre * die gewisse Rechte auf den Burschen zu haben glaubte, fand in Fräulein Gabri eine ebenso lebendige wie liebenswürdige Vertreterin. In kleineren Rollen machten sich um den Erfolg verdient Fräulein Tou Brisn und Herr Kraus. Auch das Spiel des Herrn Aderer als Capitän von Fouchy würde zu loben sein, wenn er natürlicher sprechen wollte. Herrn Director Lauten bu . der das Stück in Scene gesetzt hat, wurde ebenso wie den Darstellern nach jedem Actschluß wiederholter warmer Beifall gespendet.

Dem neuen Schwank voraus ging der zweite Act des von zahl⸗ reichen Aufführungen her bekannten. Schauspiels Musotte“* von Guy de Maupassant. Der für die Bühne nicht geeignete Stoff konnte trotz des vollendeten Spiels des Fräulein Bertens in der Rolle, der bedauernswerthen Henriette Levecque nicht anziehend . wenn auch ihre Leistung durch lebhaften Beifall anerkannt wurde.

Für das morgige große Concert im Königlichen Opernhause ist folgendes Programm festgestellt: Suite Pdur für Orchester von J. S. Bach, Arse mit Chor aus „‚Josua' von G. F. Händel (Herr Franz Betz,, Cherubini's Requiem“ in G-moll ' für Chor und Orchester Am Donnerstag gelangt Bijet's Carmen? unter Kapellmeister Weingartner'sz Leitung zur Aufführung.

Im Königlichen Schauspielhaufe wird am Donnerstag Hauptmann's „Hannelen gegeben. Vorher geht Delmar's Schauspiel Die Ahrenshooper / in Scene.

Die nächsten Aufführungen des Schauspiels Der Andere“ von Paul Lindau im Lesfing⸗Theater finden am Donnerstag, Sonn⸗ abend und Sonntag statt.

Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater gelangt am Donnerttag die Genée. Herrmann'sche Dperette „Freund Felix“ wieder zur Aufführung.

Auffüh

Im Vic torig-Theater ist für Sonnabend Nachmittag eine dritte Vorstellung für Kinder in Aussicht genommen und diesmal eine Aufführung des Märchens „Schneewittchen und die sieben Zwergen auf den Spielplan gesetzt.

Im Central-Theater wird für den Todtenfest⸗Sonntag eine Aufführung von „Drei Paar Schuhe“ mit Frau Josephine Dora in der Rolle der Schusterfrau Leni vorbereitet.

Das Programm des Wohlthätigkeits- Concerts, welches zum Besten der Hilfsbedürftigen Schneidemüähls morgen Abend Uhr im Saal Bechstein stattfindet, bringt von Männerchören (Cäcilia Melodia) u. a. Kreutzer's Forschen nach Gott“, Sil⸗ cher's „Schottischen Bardenchor“, und Schubert's Pfsalm „Gott ist mein, Hort“, ferner Chorgesänge von Conradi, F. Adam. Die solistische Mitwirkung haben übernommen die Sängerinnen Fräulein Ella und Herta Brämer, die Cellistin . Metzdorff, der Violinvirtuos Herr Charles Gregorowitsch. Frau Lillian Sanderson wird in ihrem Liederabend am Donners⸗ tag Abend 4 Uhr im Saal Bechstein Lieder von Beethoven, Schubert, Schumann, Mozart, Liszt und Löwe (das „Hochzeitlied' auf besonderen Wunsch), ferner neue Liedercompositionen von Leoncavallo, Moritz Moszkowski, Heß., Seuffert, Herm. Wolff u. a. fingen. Der Klavierpirtuose Fritz Schousboe veranstaltet nach einem Zwischenraum von mehreren Jahren hier an demselben Abend 8 Uhr in der Sing-Akgdemie ein Concert mit dem Philharmonischen Orchester, dessen Programm außer zwei Klavierconcerten ein eigenes Werk des Concertgebers, eine Suite in Dä-dur (Manufcript) für großes Orchester bringt. Für das Concert der jugendlichen Pianistin

rida Simenson in der Sing-Akademie am Freitag Abend 8 Uhr haben der Hofcellist Herr Heinrich Grünfeld und die Altistin Fräulein Adelina Herms ihre Mitwirkung zugesagt; den orchestralen Theil übernimmt das Philharmonische Srchester unter Leitung des Herrn Professor Mannstädt. Das zPariser Trio“ (Mademoiselle Berthe Breitner⸗Haft, Herren Louis Breitner und F. Ronchini) hat seine dieswinter⸗ liche deutsche Kunstreise bereits angetreten. In Berlin findet das einzige Concert der Künstlervereinigung am 24. d. M., Abends F. Uhr, im Saal Bechstein statt und bringt folgendes Programm: Divokäk's Trio in Ermoll, op. 65, Brahms' dritte Sonate in D-moll, für Klavier und Violine, Saint Sans Cmoll-Sonate für Klavier und Fello, und ferner Schumann's drittes Trio, op. 110.

Aus der jetzt beliebten Operette Freund Felix“ von Rich. Gen ée sind mehrere Einzel⸗Nummern als Marsch, Walzer, zwei Potpourris für Pianoforte sowie das allabendlich mit rauschendem Beifall aufgenommene Lied von der Liebe im Musikhandel bei Carl Paetz (D. Charton) erschienen; demnächst werden noch weitere, und zwar eine Polka und einzelne Gesangsnummern ver— öffentlicht werden.

Mannigfaltiges.

Am Sonnabend setzte im wissenschaftlichen Theater der Urania der Director dieses Instituts mit der zweiten Abtheilung seines Vor— trages, Ein Spaziergang durch die Neue Welt?, unter dem Titel Durch die Sierrg zum Fel sengebirge“ die durch zabl— reiche Abbildungen nach meist selbst an Ort und Stelle aufgenommenen Photographien erläuterte Berichterstattung über seine eigenen Reife⸗ erlebnisse auf dem nordamerikanischen Continent im Juli und August d. J. fort. Nach einem kurzen Rückblick auf den vor einigen Tagen gehaltenen ersten Theil des Vortrages für diejenigen Zuhörer, welche damals nicht hatten anwesend sein können, schisderte er den Eintritt in Kalifornien, wobei besonders der imposante, an Höhe ungefähr dem Montblanc gleiche, schon in seiner Umgebung seinen vulanischen Ursprung verrathende Mount Shasta mit einem 2000 m boch gelegenen zwei geographische Meilen breiten Kratersee und den natür⸗ lichen Sodawasserquellen, sowie der Sacramento mit seiner paradiesi⸗ schen Umgebung eingehende Beschreibung fanden. Das Klima der pacifischen, dort unter derselben geographischen Breite wie Nord Afrika gelegenen Küste wurde als verhältnißmäßig raub, aber doch angenehm und gesund bezeichnet. Der heißeste Monat, der September, gleicht mit 13 Grad durchschnittlicher Temperatur über Null unferem Monat Mai, während der kälteste Monat nur eine eiwa fünf. Grad geringere Durchschnittstemperatur hat und unserem April ähnlich ist. Wunderbar ist die Erfahrung, daß die Temperatur in dieser Gegend zur Mittagszeit sich erheblich abkäblt., wesbalb die Erwärmung an dem dort zu jeder Jabres;eit gebräuchlichen Kamin- feuer sehr erwünscht ist. Unter den Sehenswürdigkeiten von San Francisco wurden in erster Linie die in großen Schaaren auf Den Felsen berumlagernden und infolge des Fischreichthums im Großen Ocean gut gedeihenden Seelöwen, sowie das ganz in sich abge= schlossene, eine eigene Cultur zeigende Chinesenviertel erwähnt. Derr Dr. Mever bekannte sich offen als ein aufrichtiger Bewunderer der Chi- nesen, deren Enthaltsamkeit, Arbeitsamkeit und Geschicklichkeit ibm emen bedeutenden Eindruck gemacht hat, wäbrend er die an den Chbinesen getadelte Unreinlichkeit und die sonst ibnen zugesprochenen vielfachen Laster nach seinen eigenen gründlichen Erforschungen mindestenz als stark übertrieben glaubt bezeichnen zu können. Sehr interessant waren die Mittheilungen über einen Besuch der von dem deutschen Jimmer⸗ mann oder Tischler, späterem Orgelbauer Lick unter Aufwendung feinez gesammten, mebrere Millionen betragenden Vermögeng zegründe len und nach ihm benannten Sternwarte, die mit ihrem Fernrodr, das dreimal so groß ist wie das der Urania, doppelt so groß wie daz größte in Deutschland, den weitesten Einblick unter alen Stern. warten der Welt in das Gebiet der Limmeld körper gestattet. Trotzdem die Sternwarte nur unter großen Austrengungen nach einer dreijägigen Reise und mit nicht unbedeutenden Opfern an Geld erreichen ist und für den Aufentbalt nicht die geringste ö keit und Erfrischung bietet, wird sie doch jeden Sonnadend regelma m lg von