1893 / 287 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Dec 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Morgen Abend 8 Uhr findet in der Sing⸗Akademie ein Concert mit Liedercompositionen des Königlichen Musikdirectors 1 Schä ffer unter Mitwirkung des Künstlerpaars Julius Lieban und Helene Lieban⸗Globig, sowie des Baritonisten Herrn Martin d'Estosa und der Klaviervirtuosin Fräulein Auguste Götz Lehmann statt. Der Reinertrag ist für die Hülsen⸗Stiftung' bestimmt. Die Klaviervirtussin Fräulein Olga Urban-Deister tritt am Sonntag Abend 75 Uhr im Saal Bechstein auf und wird an diesem Abend u. a. Beethoven's Variationen in C-moll, Liszt's Grande Polonaise sowie Werke von Rameau⸗Cesi, Couperin und Schumann spielen. Für den Liederabend von Frau Olgg von Türk⸗Rohn im Saal Bechstein am Montag hat die Violin— virtuosin Fräulein von Brennerberg ihre Mitwirkung zugesagt. Die Concertsängerin Fräulein Matja von Niessen aus Dresden veranstaltet an demselben Tage in der Sing-Akademie einen Liederabend, in welchem sie Arien von Händel und Scarlatti, sowie Lieder von Schubert, Schumann, Brahms, Wagner, Tschaikowski, R. Strauß, von Lilieneron und H. Schmidt zu Gehör bringen wird. Im nächsten Concert des Stern'schen Gesangvereins an demselben Tage übernimmt Professor Heinrich Hofmann persönlich die Leitung seines an diesem Abend zum ersten Mal zur Aufführung ge⸗ langenden Chorwerks „Waldfräulein“. ͤ ;

Der Berliner Tonkünstler⸗Verein hält am Montag, 4. Dezember, Abends 85 Uhr, im Norddeutschen Hof eine außerordent⸗ liche Generalpersammlung ab. Auf der Tagesordnung steht der Be⸗ richt der Concert Commission über die Programme des Musikfestes im Februar 1894 zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Ton⸗ künstler⸗Vereins.

Mannigfaltiges.

Die gestrige Stadtverordneten⸗Versammlung hatte die Wahl eines besoldeten Stadt-⸗Schulraths an Stelle des Herrn Fürstenau, dessen Amtszeit abgelaufen war, und zweier besoldeter Gn le ent an Stelle der Herren Eberty und Noeldechen, die ihre Aemter niedergelegt hatten, vorzunehmen. Bei der Wahl eines Stadt⸗ Schulraths wurden nach dem Bericht der „Nat. Itg.“ 105 gültige Stimmen abgegeben; davon fielen 60 auf Fürstenau, 42 auf den Stadtverordneten, Realgymnasial⸗Director, Pro⸗ fessor Dr. Schwalbe, 3 waren zersplittert. Stadt⸗Schulrath Fürstenau ist also wiedergewählt. Bei der Wahl eines besoldeten Stadt— raths an Stelle des Herrn Eberty wurden 109 gültige Stimmen abgegeben; 101 fielen auf den Syndikus Dr. Hirsekorn⸗Charlotten⸗ burg, 4 erhielt der Magistrats⸗Assessor Dr. Freund; Dr. Hirsekorn ist also gewählt. Bei der Wahl eines besoldeten Stadtraths an Stelle des Herrn Noeldechen wurden 10 gültige Stimmen abgegeben; 61 fielen auf den Stadtverordneten, Königlichen Lotteriecollecteur Namslau, 46 auf den Landrichter Dowe. Herr Namslau ist also ewählt. Die Wahl eines Stadtsyndikus soll aus der Mitte der Ern Tithe erfolgen. Die Vorlage wegen Verbreiterung der Königstraße und des Schloßplatzes wurde der vorgerückten Zeit wegen von der Tagesordnung abgesetzt.

In Bezug auf den Marktverehr in den städtischen Markt- hallen am heiligen Weihnachtsabend und Sylvester, welche diesmal auf Sonntage fallen, hat das Königliche Polizei⸗Präsidium an das Cura⸗ torium der städtischen Markthallen dahin Bescheid ertheilt, daß eine Verlängerung des Verkehrs nur nach den vom Minister des Innern generell gegebenen Bestimmungen erfolgen könne. Es werden daher

am heiligen Weihnachtsabend die Markthallen bis 19 Uhr Vormittags und Nachmitags von 12— 7 Uhr geöffnet bleiben, am Sylvester dagegen nur bis 10 Uhr Vormittags und Nachmittags von 12 —2 Uhr.

Der Berliner Asylverein für Obdach lose feierte gestern sein 26 jähriges Bestehen durch einen Jubelact im großen . des Rathhauses. Der Magistrat von Berlin, der bei der Feier selbst durch den Bürgermeister Kirschner und die Stadträthe Mielentz und Mugdan vertreten war, hatte an den Vorstand ein Beglückwünschungs⸗ schreiben gerichtet. Der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch hatte sein Bedauern ausgesprochen, am Erscheinen be⸗ hindert zu sein; auch der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden hatte den Verein mit einem Schreiben beehrt. Zahl⸗ reich war die Stadtverordneten⸗Versammlung vertreten. Die Hon⸗ neurs machte Herr Gustav Thölde, der seit Begründung des Vereins an seiner Spitze steht und dessen Bild aus Anlaß der Jubelfeier von Künstlerhand gemalt werden soll, um später im neuen Männerasyl den Ehrenplatz zu erhalten. Die Berliner Liedertafel unter Zander's Leitung eröffnete den Festact mit der achtstimmigen Motette von Grell „Gnädig und barmherzig“. Dann trat Frau Teresina Geßner vor, um den von Albert Träger gedichteten Prolog zu sprechen, der den Verein und seine Thätigkeit als ein Werk der Barmherzig—⸗ keit feierte. Der Klein'sche Sang „Des Menschen Seele gleicht den Wassern“ leitete sodann zu der Festrede des Vereinsvorsitzenden Gustav Thölde über, die ein erschöpfendes Bild der Thätigkeit des Vereins seit seiner Begründung gab. Der Verein, dessen erstes Asyl sich in dem Artillerie ⸗Werkstatt⸗Gebäude in der Neuen Wilhelmstraße befand, hat bisher 2464 556 Obdachlosen Aufnahme gewährt, 1265940 S vereinnahmt und 733 767 S verausgabt. Der Verein ist aus der Anregung des Friedrichs⸗ Werderschen Bezirksvereins hervorgegangen. Mit der Beethoven'schen Hymne Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ schloß die Feier. Zur dauernden Erinnerung hat der Verein eine Festschrift veröffent⸗ licht, deren Umschlag eine Zeichnung Paul Meyerheim's schmückt. Die Festschrift giebt eine Geschichte des Vereins, ein Bild seiner Organi⸗ sation und statistisches Material.

Im Verlage von Karl Siegismund, Berlin W., Mauer⸗ straße 68, ist soeben der erste Jahrgang eines Berliner Aus⸗ kunftsbuches“ erschienen, das ein Handbuch der Staats,, com⸗ munalen und privaten Behörden, der Anstalten und Einrichtungen sowie ein Wegweiser für den Verkehr mit ihnen und ihre Benutzung sein soll. Es enthält eine eingehende und leicht verständliche Auf— klärung über die in Berlin gültigen Steuergesetze, wie über die Unfall-, Alters⸗ und Invaliditäts⸗Versicherungs⸗Gesetze und giebt ohne wie ein Adreßbuch, Verkehrsanzeiger oder andere Handbücher die meist bedeutungslosen Namen und Wohnungen der Beamten zu ent— halten z. B. an, welche Kosten die Transportmittel eines Kranken verursachen, welche Gesetzesparagraphen und Polizeibestimmungen für den Hauswirth, den Miether und überhaupt den Staatsbürger von Wichtigkeit sind, welche öffentlichen und privaten Lehranstalten für bestimmte Zwecke besonders zu empfehlen, welche Stiftungen und Legate diese Anstalten besitzen, welche Berufsarten dem Jüng⸗ ling offenstehen, in welchen Gasthöfen alleinstehende Damen ohne Scheu bei mäßigen Preisen verkehren können u. s. w. Auch die Post, die Cisen⸗,, Pferde, und Dampfstraßenbahnen, Droschken, die Kranken⸗, Siechen⸗ und Waisenhäuser, Sehenswüͤrdigkeiten, Wohlfahrtseinrichtungen, Bibliotheken, sowie die Gesinde⸗Ordnung werden gründlich behandelt. Ein ausführliches Sachregister erhöht

die Brauchbarkeit des Buches, das als ein auf Grund amtlicher A= gaben und Originalquellen von Fachmännern einzelner Verweglungs⸗ zweige begrbeitetes praktisches Nachschlagebuch für Hoiz und Familie, dem Geschäftsmann, wie den Beamiten umsomehr mnpfohlen wesen kann, als der Preis von 3 bei der Reichhaltis ö. des Inhälts ein sehr geringer ist. 1

In der Urania soll morgen Abend nach längerer Pause wieder Eine moderne Amerikafahrt zur Columbischen Weltausstellung“ gegeben und dann nur noch während der kommenden Woche auf dem Repertoire be⸗ lassen werden, weil sie wegen der nothwendigen Vorarbeiten zu einem neuen Stück abgesetzt werden muß. Der neue große Dioramen⸗Cyklus, welcher die amerikanische Reise bis zu der Sierra und den Wundern des Felsengebirges fortsetzen soll, wird voraussichtlich zu Weihnachten in Scene gehen.

Sigmaringen. In Laucherthal ist durch die Nürnberger Firma Schuckert u. Cie. ein durch die Wasserkraft des Laucherflusses mittels dreier Turbinen betriebenes Elektricitätswerk erbaut worden. Die Turbinen treiben zwei Dynamomaschinen leine dritte steht in Reserve) von je 90 Pferdekraft und erzeugen einen Gleich— strom von 1900 Volt Spannung. Diese elektrische Energie wird mittels einer Starkstromleitung nach der etwa h km entfernten Stadt Sigmaringen geleitet und soll hier zum Motorbetriebe sowie namentlich auch zu Beleuchtung zwecken dienen. Die Turbinenanlage wird gleichzeinig auch zum Betriebe des mit derselben unmittelbar verbundenen Fürstlich hohenzollernschen Hüttenwerks benutzt. Die ganze überraschend schnell hergestellte Anlage ist vor kurzem in Betrieb gesetzt worden und es steht zu erwarten, daß später die elektrische Beleuchtung, welche schon in zahlreichen Privathäusern eingerichtet ist, auch in den Sttaßen der Stadt Sigmaringen zur Anwendung gelangen wird.

Mailand, 39. November. Die Zahl der durch den Eisen⸗ bahnzusammenstoß beim Bahnhof von Limito ums Leben ge— kommenen Personen ist noch nicht festgestellt; bis jetzt ist laut Mel⸗ dung des W. T. B.“ der Tod von 22 und die Verwundung von 15 Personen eonstatirt. Ein Verwundeter ist im Hospital gestorben. Wegen der Verkohlung konnten nur fünf Leichen identificirt werden. Der „Voss. Z. ist aus Rom über die Katastrophe folgender telegra— phischer Bericht zugegangen: Neuere Nachrichten lassen das Eisen— bahnunglück von Limit? immer grausiger erscheinen. Die Ent⸗ ronnenen sind theilweise sinnlos vor Entseten. Die Augen— zeugen berichten nur verwirrt über die fürchterliche Scene. Von 47 Insassen der Waggons dritter Klasse sind nur vier gerettet, die übrigen kamen in den Flammen vor den Augen aller, ohne Möglichkeit einer Hilfeleistung, Um. Haarsträubende Einzelheiten werden berichtet. Die brennenden Waggons wurden vollständig ver zehrt. Erst Morgens um 4 Uhr erlosch der Brand. Die Unglücksstätte bedeckt ein Haufen von vverkohlten Trümmern, Leichen und Gliedmaßen. Demselben Blatt wird aus Venedig auf dem Drahtwege gemeldet: Vier Waggons des Schnellzuges wurden förmlich in einander geschachtelt. Der Schauplatz des Unglücks bietet einen entsetzlichen Anblick. Mehrere Lebende liegen noch unter den Trümmern, die Zahl der Todten beträgt etwa 40.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

cht vom 1. Dezember,

Wetterbericht hr Morgens.

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Uebersicht der Witterung.

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Neunes Theater (am Schiffbauerdamm 4a 6). Sonnabend: 64. Ensemble⸗Gastspiel des Residenz⸗ Anfang 71 Uhr: Lieder⸗Abend von Alexander

Saal HBechstein, Linkstraße 42. Sonnabend,

von Emil Graeb. In Sceene

meister Dr. Muck. Fra Diavolo. Oper in 3 Acten von Auber. Text von Eugsne Scribe, bearbeitet von C. Blum. Dirigent: Kapell⸗

Schauspielhaus V lu J mm nachtstraum von William Shakespeare, übersetzt

gesetzt vom Ober⸗ Grube. Dirigent: Musikdirector ig? Uhr.

Sonntag: Opernhaus. 262. Vorstellung. Ca- xustĩ cama Oper in 1 Aufzug von Pietro Mascagni. Text nach dem gleichnamigen Volksstück von Verga. In Seene

(Banern⸗⸗ Ehre).

Negisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapell⸗ Komische

rtner. (Fra Diavolo: Herr Emil ersänger, als Gast.) Anfang 7 Uhr. q8. 148. Vorstellung. Ein Sommer⸗

ilhelm von Schlegel. Musik von ohn⸗Bartholdy. Tanz von Emil

Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max

.Mustkdirector Wegener. Anfang

NVeutsches Theater. Sonnabend: Der Talis— man. Anfang 7 Uhr.

r Weg zum Herzen.

Montag: Romeo und Iulia. Die Tageskasse ist von 10 —1 Uhr gesffnet.

GSerliner Theater. Sonnabend: Jenseits von

Gut und Böse. Abends 7 Uhr. J Sonntag: Nachmittags 23 Uhr: Die Näuber.

Graf Waldemar. (Marie Pos⸗

pischil, Elise Sauer, Ludw Barnay, Ferdin. Suske.)

Journalisten.

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Sonnabend: I. Duse⸗

von Südwest⸗Europa nach Nord⸗Europa hin, wäh⸗ ü ; nem, , ch ö re. Abend. La signora dalle Camelie. (Die

rend im Nordwesten und Südosten Hochdruckgebiete lagern; auf den Britischen Inseln und über der Nordfee wehen meist nördliche, über Central⸗Europa vorwiegend südliche und südwestliche Winde. Auf ersterem Gebiete ist erhebliche Abkühlung eingetreten, welche sich demnächst auch über Deutschland aus⸗ breiten dürfte. In Deutschland dauert die milde, trübe, vielfach neblige Witterung noch fort. In Nord⸗Schweden und Nord⸗Rußland herrscht strenge

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Das Spiel mit dem Feuer. Nach dem Balle. Ein schlimmer Handel. (In allen 4 Stücken Friedrich Mitterwurzer als Gast.)

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Friedrich Milhelmstüdtisches Theater.

Chaußeestraße 25.

Sonnabend: Zum Benefiz für Herrn Sigmund Steiner. Die schöne Helena. Komische Operette

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Theaters. Direction: Sigmund Lautenburg. Zum 84. Male: Jugend. Ein Liebesdrama in 3 Acten von Max Halbe. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Anfang 73 Uhr.

Sonntag und folg. Tage: Jugend.

Virtorin Theater. Belle Alliancestraße 7/8.

Sonnabend, mit vollständig neuer Ausstattung an Decorationen, Costumen und Requisiten: Zum 34. Male: Die sfieben Raben. Romantisches Zaubermärchen mit Gesang und großem Ballet. Anfang 73 Uhr.

Sonnabend, Nachmittags 35 Uhr: Kinder ⸗Vor⸗ stellung. Auf allgemeines Verlangen: Sneewittchen und die sieben Zwerge. Romantisch⸗komisches Kindermärchen in 9 Bildern.

R Bedeutend ermäßigte Preise. Me]

Sonntag: Die sieben Raben.

Thenter Unter den Linden. Sonnabend: Gastspiel von Ilka von Palmay. Neu ein⸗ studirt: Zum 5. Male: Der Mikado. Burleske Operette in 2 Acten von V. S. Gilbert. Musik von Arthur Sullivan. (Nanki Pooh: Ilka von Palmay) Hierauf: Pierro⸗ Gavotte. Ballet⸗ Divertissement. Grand pas de deux, getanzt von der Prima Ballerina Sgra. Elia und dem Primo Ballerino Sgr. Poggiolesi. Anfang 75 Uhr.

Sonntag: Der Mikado.

Sonntag: Nachmittags 3 Uhr: Vorstellung zu halben Kassenpreisen. Satanuiel. Operette. Hierauf: Im Park von Sanssonci. Ballet⸗ Divertissement. .

Adolph Ernst · Theater. Sonnabend: Zum 75. Male: Charley's Tante. Schwank in 3 Acten von Brandon Thomas. Hierauf: Die Bajazzi. n . Posse mit Gesang in 1 Act von Cd. Jacobson und Benno Jacobson. In Seene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 795 Uhr.

Sonntag: Charley's Tante. Die Bajazzi.

Central Theater. Direction: Richard Schultz.

Alte Jacobstraße Nr. 30.

Sonnabend: Z. 24. Male: Die eiserne Jung⸗

frau. Posse mit Gesang in 3 Acten von Charles Musik von Louis Varney. Anfang

Sonntag: Tie eiserne Jungfrau.

Sonntag, Nachmittags ⸗Vorstellung: Drei Paar Schuhe. Posse mit Gesang von C. Görlitz. Musik von Millöcker. (Leni: Frau Josefine Dora.)

Tageskasse: Vormittags von 10 bis 2 Uhr. Abend⸗ kasse bon 64 Uhr ab.

Concerte.

Sing · Akademie. Sonnabend, Anfang 3 Uhr: Concert mit Liedercompositionen von Heinr. Schäffer, unter gütiger Mitwirkung von,. Frau Helene Lieban⸗Globig (Sopran), desñz Königlichen Hofoypernsãngers Herrn d , Lieban (Tenor) und der Baritonisten Herrn Martin d' Estosn.

Ter Neinertrag ist für die Hülsen Stiftung bestimmt.

Negahnov. Contert -Haus. Sonnabend, 2. Dezember, Abends 75 Uh 49108 Concert von Sophie Menter mit dem Concerthaus ⸗Orchester, unter gütiger Leitung u. pianistischer Mitwirkung des Herrn Wassily Sapelltikoff. Gesang Herr Franz Joseph Petter (Tenor). Karten 5, 3,2, 1 10 b. Raabe C Plothow, Pots⸗ damerstr. 7a, Schlesinger'sche Musikhdlg., Fran⸗ zösischestr. 23 u. im Bureau des Concerthauses.

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Cirtus Renz (Carlstraße). Sonnabend, Abends

Uhr: Parade⸗Gala⸗Vorstellung.

Neue Nummern der neu engagirten Mitglieder. Miß Ella, Reitkünstlerin. Der musikalische Clown⸗ Imitator bbs. Mrs. Jones und Robinson, Ko⸗ miker an dem Parallel⸗Barren. Ferner: Grande Quadrille de la haute equitation. ‚Blondel“, neu dressirt und vorgeführt vom Director Fr. Renz. Monstre⸗Tableau von 60 Hengsten, vorgeführt vom Director Fr. Renz. „Prinz“, geritten von Herrn R. Renz. Die Post mit 12 Pferden, geritten von Herrn Gustav ꝛe.

Zum Schluß der Vorstellung:

r Huldigungsgruß an Berlin. Mea Großes pi n gn f mit Festspielen, Aufzügen, Solo und Ensembletänzen von 80 Damen, arrangirt vom Director Franz Renz.

Gewöhnliche Preise.

Billet⸗Vorverkauf an der Cireuskasse und beim Invalidendank, Markgrafenstraße Ha.

Sonntag: 2 Vorstellungen. Nachmittags 4 Uhr (1 Kind frei: Komiker⸗Vorstellung, und Abends 75 Uhr.

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Familien⸗Nachrichten. Verehelicht: Hr. Claus von Sichart mit Frl. Ella Schütz (Zerbst). . Gestorben: Freifrau Kathinka von Lyncker, geb. von Schweinichen (Glatz). Verw. Fr. Probst Louise Albrecht (Potsdam). Hr. Adolph Wolff von Schutter (Görlitz). Hr. Rittergutsbesitzer Emil von Lieres und Wilkau (Gallowiß). Hr. Frhr. Carl August von Rodde⸗Zibühl (Schwerin). Hr. Hugo von Garnier (Eckersdorf). Hr. Professor Br. Ernst Meves (Glogau. Hr. Professor Wilhelm Ernst (Krotoschin). Vr. Geh. Kriegsrath a. D. Adolph Winkler (Berlin).

Redacteur: Dr. H. Klee, Director.

Berlin:

Verlag der Expedition ö , ö. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Irn . . 2 iht 6 . e f. 33. Nr. 32.

Sechs Beilagen (einschließllich Börsen⸗Beilage),

und ein Prospect vom Verlag von Jul. Hoff⸗

mann in Stuttgart, betr. Hoffmann's Haus hastungsébnch für das Jahr 18901.

*

5.

zum Deutschen Reichs⸗Anz

M 287.

Deutscher Reichstag. 9. Sitzung vom Donnerstag, 30. November, 1 Uhr.

Die erste Berathung des Reichshaushalts-Etats für 1894,95 wird fortgesetzt.

Ueber den ersten Theil der Rede des Abg. Zimmer⸗ mann (Ref⸗-P)), der zunächst das Wort hatte, ist bereits in der Nummer vom Donnerstag berichtet worden. Der Schluß seiner Rede lautet folgendermaßen:

Man könnte jede über 5 o½9 hinausgehende Dividende besteuern, das würde sehr viel weniger kosten, als die Durchführung der Taback— und der Weinsteuer. Der Abg. Rickert fühlte sich am Mittwoch wieder ein⸗ mal verpflichtet, gegen die Antisemiten zu sprechen. Der Antisemitismus ist eine Eulturbewegung, die heute durch alle eivilisirten Völker hin— durchgeht; er ist der Ausdruck eines gesteigerten Nationalgefühls. Wir leben nicht in einem christlichen Staate, sondern in einem so— genannten Rechtsstaat. Die meisten Rechtsanwälte sind Juden, und überall in Stadt und Land sehen wir, welche große Entwicklung das Judenthum genommen hat. Deßhalb muß der Deutsche Reichstag einmal Klarheit schaffen, weil sonst die besten Elemente des Deutsch—⸗ thums zusammenbrechen gegenüber dem jüdischen Erwerbssinn. Die Regierung sollte einmal mit derselben Schärfe, mit welcher sie gegen die Landwirthe sich ausspricht, sich auch gegen die Juden und die Börse äußern. Die besten Geister unseres Volkes stehen bei diesem Kampfe auf unserer Seite. Wir verfolgen nicht den einzelnen Juden, sondern die gesammte üble Erscheinung in unserem Cultur und Wirthschaftsleben. Man kann allerdings bezweifeln, ob wir von der jetzigen Reichsregierung ein festes Durchgreifen zu erwarten haben. Wir sehen, wie der deutsche Name in den Ostseeprovinzen verfolgt und verhetzt wird. Das mag man erklären aus den schwierigen Verhältnissen, in denen wir Rußland gegenüber stehen. Was muß man aber davon denken, daß die deutsche Reichsregierung keinen Finger rührt, um die Verfolgung des Deutschthums in Oesterreich zu verhindern! Das Deutsche Reich muß für das Deutschthum im Aus— lande als Schutzmacht erscheinen. Auch der Altreichskanzler hat auf diesem Gebiet etwas versäumt. Auch die deutsche Colonialpolitik findet im Lande mehr und mehr Anhänger. Aber die Art und Weise, wie die Re⸗ gierung sich dazu verhält, findet immer mehr und mehr Verurtheilung im Volke. Die Aufgabe von Sansibar war ein großer staatsmännischer Fehler, und die unnützen, leichtherzig unternommenen Expeditionen machen auch das Ansehen der Regierung nicht größer. Ich bin der Meinung, daß die soeiale Frage nicht gelöst werden kann ohne eine vernünftige Colonialpolitik. Die Behauptung der „Nord⸗ deutschen Allgemeinen Zeitung“, daß vom Antisemitismus allein keine Partei leben könne, weil kein normaler Mensch das aushalten könne, ist falsch. Auch wir sehen nicht alles aus dem Guckloch der Judenfrage an, die wir nur für eine der großen Reformfragen halten, die die Gegenwart bewegen. Nicht dem Antisemitismus fehlen starke, große geistige Potenzen, sondern dem neuen Curs. Schreiten wir auf dem jetzigen Wege fort, so treiben wir eine Politik, wie gewisse Leute vor der französischen Revolution, und treiben viele Existenzen in das rothe Lager hinüber, wo man ihnen ja bereitwillig die Arme öffnet. Der Abg. Bebel hat Recht, das Steuerprogramm der Regierung wirkt revolutionär. Deshalb be— kämpfen wir es. Werden die Steuern in dieser Form durchgesetzt, dann wird ein Sturm des Unmuths durch das gesammte deutsche Volk gehen. Wer hat denn den Rath gegeben, daß die feierlichen Versprechungen des Reichskanzlers nicht gehalten werden? Wer hat den Rath gegeben zu diesen neuen Steuerporlagen, die den Mittelstand vernichten? Das Mißtrauen gegen den neuen Curs ist allerdings in einem Umfange wieder erwachsen, wie nie zuvor. Es wird zu einer Sturmfluth anschwellen, die bis zu den Ministersesseln hinauftobt. Im Volke wird man sagen: Wie ist es möglich, daß der Wortbruch geheiligt wird; wie ist es möglich, daß die Militärvorlage im Deutschen Reiche erschlichen worden ist?

Abg. Lie bknecht (Soc.) bestreitet, daß der Antisemitismus eine Fulturbewegung ist. Erstlich findet er sich nur in Deutschland; in Frankreich ist er untergegangen in der Panamafrage, und in den anderen Staaten ist er überhaupt nicht vorhanden. Eine Culturaufgabe ver— folgt nur die Soeialdemokratie, welche die wirklichen Culturfortschritte erhalten will in einer höheren Culturform. Der Antisemitismus will dem Mittelstande nur mit kleinlichen Mittelchen helfen; er wendet sich gegen den Juden, anstatt sich gegen das Kapital zu wenden. Der Ruin der kleinen Landwirthe ist durch Großbetrieb herbeigefi worden, der fast ausschließlich in der Hand von Christen ist. Abg Pr. v. Frege hat so manchen Bauern gelegt und der Krupp vernichtet durch seinen Großbetrieb auch manchen betrieb. Die Antisemiten haben sehr viel versprochen, aber trotz⸗ dem bei den preußischen und auch bei den sächsischen Land⸗

daß wir sie retten n: Euer Feind Kapitalismus, die heutige Gesellschaftsordnung, nicht der Ir zem Spieler⸗ und Wucheiprozeß in Hannover es si l im jugendliche Offiziere, sondern es sind Offiziere vom Haupt⸗ aufwärts bis zum General⸗Lieutenant daran betheiligt gewesen; zu kommt noch der Erpressungsversuch, der gegen einen ieler ausgeübt worden ist, damit er auf alle seine Forderungen, die er ar ffiziere hat, verzichte. Ich bin überzeugt, daß die Erlasse von herab sehr ernsthaft gemeint waren, daß man in der ziere diese Vorkommnisse verabscheut. Aber laß d

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des Prinzen Georg genützt? Dauern die

nicht fort? Etwas, was gegen den Geist

zur Wirkungslosigkeit verurtheilt. Der milit

das ganze Geistesleben eines Menschen aus;

und anderweitige Beschäftigung. Deshalb wird

Spielteufel auszurotten, er wird nur von der

werden. Der preußische Kriegs⸗Minister hat die

interne Angelegenheit des Militarismus behandelt.

der militärische Geist, welcher das Militär als

stehend betrachtet. Wenn der Deutsche Reichstag das

streicht, dann hört der Militarismus auf. Nicht wir sin

schuldig dem Kriegs⸗Minister, sondern umgekehrt: er ist von une

Ich habe mich für verpflichtet gehalten, gerade den Fing Krebsschaden zu legen, daß man sy verachtungsvoll g Reichstag spricht. (Vicepräsident Freiherr von Bus

Redner zur Ordnung) Vann muß ich enichtachtend⸗ agen wenn gefagt wird: dersenise, der solche Vorkommnisse kritisirt, gel auf die Anklagebank, so ist das eine Stellungnahme, die wi Vertreter der Würde des Reichstags nach außen und nach nicht dulden können. Es ist niemals ein gutes Zeichen für die wenn in diesem Tone dem Volke gegenüber geredet wird, das kat sich in den Tagen von Jeng gezeigt. Gin solcher Ton erweckt Zweifel, daß die Thaten nicht mehr den Worten entsprechen.

sst ein Doppelereigniß eingetreten, die Attentatspersuche ar Reiche kanzler und den Kalser. Ich würde darauf nicht zu syp kommen, wenn nicht der Abg. Dr. bon Frege eine Andeutung gemacht hätte, daß wir dieseß Attentat bon uns abschütteln. Wir sind eine Partei die auf dem Boden einer Weltanschaunng steht, die solches Verbrechen als ein ganz gemeineg, nch dazn nulosen hetrachtet. Denn was hätte der Tob der belden Männer genützt, als daß der Reaction in rie Hände gearbeitet worden wäre, die hald das Heft in der Hand gehabt hätte. Ver Abg. Dr, von Frege hat den Anarchismus und

Erste Beilage

Berlin, Freitag, den J. Dezember

den Atheismus zusammengebracht. Der Anarchismus spielt erst seit neuerer Zeit eine Rolle, er ist aufgetreten, wo eine Soeialdemokratie sich nicht entwickeln konnte oder wo der Despotimus herrscht. In den letzten Zeiten des Socialistengesetzes haben wir die Vorkomm⸗ nisse mit der Lockspitzelei gehabt. Es ist hier gesprochen worden von den Schröder, Haupt, Ihring-⸗Mahlow u. s. w., welcher Letztere die Socialisten feige genannt, vom Sprengen des Schloffes gesprochen und die Anfertigung von Bomben gelehrt hat. Wer nicht durch die Schule der Soeialdemokratie gegangen ist, der kommt auf solche Gedanken; denn der Antisemitismus ist ja dasselbe Princip, welches in der bürgerlichen Gesellschaft geltend ist, das Selbstbewußtsein des Ich, der Gedanke der freien Concurrenz, bei welcher man in Bezug auf die Mittel nicht wählerisch ist. Herr von Puttkamer hat ö. von der Tribüne herab gesagt: ein Anarchist ist mir lieber als ein Soecialist. Eine Legende ist die Liebesgabe nicht; der Abg. von Kardorff meinte, es sei den Brennern nichts gegeben; ja, warum sträuben sie sich denn dagegen, es wieder herauszugeben. Der Abg. Dr. von Frege meinte, der Gläu⸗ biger sei für die Goldwährung, der Schaldner für die Doppel⸗ währung; ganz richtig, denn der letztere braucht bei der Doppel- währung nur die Hälfte dessen zurückzuzahlen, was er geborgt hat. Wie kann man zwei Werthmesser aufstellen, die sich in ihrem Verhältniß zu einander sehr oft ändern? Ich habe mich über meine Stellung zur Währungsfrage nicht bei Marr erkundigen wollen, wie der Abg. von Kardorff behauptet hat. Ich habe bei Marx nur angefragt, ob es wahr sei, daß die höchsten Bankbeamten auch für die Doppel⸗ währung seien, und das ist von Marx als nicht wahr bezeichnet. Der preußische Finanz⸗Minister Dr. Miquel war früher der größte Unitarier, jetzt macht er dem Partikularismus große Conceffionen und will von der Reichs⸗Einkommensteuer nichts wissen. Freilich muß die Steuer nicht auferlegt werden einem durch indirecte Steuern bereits ausgequerschten Volk, dann kann auch das kleinste Einkommen gerecht herangezogen werden. Der Unter⸗ schied zwischen der directen und der indirecten Steuer ist der, daß man die directen merkt, während die indirecten unbemerkt das Blut aussaugen. Warum soll eine Einkommensteuer nicht für das Reich eingeführt, warum sollen die Einzelstaaten nicht auf dasselbe Steuersystem angewiesen werden? Die wohlhabenden Klassen haben die Herrschaft und benutzen dieselbe, um ihre Steuerlast auf die schwächeren Schultern abzuwälzen. Ich komme jetzt zum Etat, welcher auf allen Gebieten eine sehr erhebliche Steigerung der Ausgaben aufweist; die Steigerung muß auch immer weiter gehen, denn der Militarismus kann sich ja garnicht genügen, und die Militärmächte müssen sich ja gegenseitig immer höher schrauben; das liegt im System. Das Milijsystem würde den Vorzug verdienen. Die Mißhandlungen der Soldaten kommen bei uns fast nur bei den körperlichen Uebungen, beim Turnen, vor, was in der Schweiz garnicht mehr zu den militärischen Uebungen gehört. Der Mili⸗ tarismus greift so tief in das bürgerliche Leben ein, daß die Volksvertretung einmal sagen muß: Bis hierher und nicht weiter! Wenn jemand, der vom Militär entlassen ist, nachher vor ein Kriegs⸗ gericht und in ein Militärgefängniß gebracht werden kann, so ist das nicht erträglich. Wir machen in Kasernen keine soecialistische Propa⸗ ganda, denn das würde nur gegen uns selbst schlagen. Aber daß der soeialistische Geist auch in den Kasernen lebt, ist selbstverständlich, weil er im ganzen Volke lebt. Die Colonialpolitik hat nur dahin geführt, daß die afrikanischen Bevölkerungen in Bewegung gesetzt werden. Gewehre und Schnaps haben wir dorthin abgesetzt. Die Metzeleien haben dem Christenthum geschadet und es in den Ruf einer barbarischen Religion gebracht. Zwischen Panzer und Ge— schütz findet auch ein Duell statt, auch hier wird die Schraube ohne Ende gedreht, sodaß auf jeden stärkeren Panzer ein größeres Geschütz und dann wieder ein stärkerer Panzer folgt. Wie gefährlich aber die Panzerschiffe sind, haben wir erlebt an dem „Großen Kurfürsten“' u. s. w. Die Wissenschaft macht alle solche Fortschritte möglich, aber sie rächt sich dadurch, daß sie durch immer neue Erfindungen die alten unbrauchbar macht. Für die Mord⸗ instrumente sind Gelder vorhanden, aber nicht dafür, daß die Kinder in Schulen gehen können, die mit genügenden Lehrkräften besetzt sind. 1700 000 Kinder müssen in solche unzureichenden Schulen gehen. Für die Forderung des gewerblichen Unterrichts und ähnliche Dinge fehlen die Mittel. Ein wirthschaftlicher Nothstand ist vorhanden. Auf dem Congreß der Tabackarbeiter hätten Sie den Nothstand der ver⸗ zweifelnden Arbeiter sehen können. Aber der Reichskanzler und die Reichstags⸗Abgeordneten mit Ausnahme der Socialdemokraten sind nicht dahin gekommen. Was die Beamten, die die Regierung wie eine Mauer umgeben, erzählen, ist nicht die Wahrheit. Die Armen allein tragen die indirecten Steuern, die Reichen entziehen sich der Last. Wir protestiren dagegen, wir hoffen, daß diejenigen, welche schweren Herzens für die Militärvorlage stimmten, wenigstens bei der Deckung der Kosten die Armen verschonen werden. Wenn wegen fehlender Mittel die Militärvorlage rückgängig gemacht würde, so würden wir uns freuen. Wollen Sie den widerspenstigen Reichstag auflösen, nur zu! Eine Neuwahl wird den Militarismus hinwegschwemmen. Bei der französischen Revolution haben sich die schwachen Schultern, denen man die Staatslasten aufbürdete, die Macht im Staat ertämpft. Den Erlaß des preußischen Minister⸗Präsidenten gegen die Socialdemokratie hat uns ein günstiger Wind auf den Redactionstisch geweht. Ich kann darüber nur sagen, was der Kanzler Oxenstierna gesagt hat: Du weißt nicht, mein Sohn, mit wie wenig Weisheit die Welt regiert wird! Die Anschauungen des Erlasses sind sehr naiv; sie zeigen kein Verständ⸗ niß für die geschichtliche Bedeutung der socialen Bewegung. Man glaubt vielleicht an einen Diebstahl des Actenstückes. Der socialistische

illus ist überall vorhanden; er ist in allen Bureaux; es giebt aber auch conservative Männer, welche glauben, wenn ein Staat

so wenig Weisheit regiert wird, daß es nothwendig sei, wenn auch

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zwölften Stunde, zu warnen und zu retten. Die Zeit ist friedlich sein. Rußland ist ein Koloß mit Frankreich stürzt von einer Ministerkrisis in einer Aeußerung des Lord Salisburv soll auch die deichskanzlers Grafen Caprivi durch die Militärvorlage sein. Wie kann man da an Krieg denken! Salus publica lex. das Wohl des Staats soll das höchste Gesetz sein, zohl einer einzelnen Klasse. Die Minorität muß sich der unterwerfen; die Mehrheit des Volks hat die Militärvorlage er Wille des Volks muß durchgesetzt werden. Wenn es ben herab geschieht, so kommt es auf einem anderen Wege, ich. Wer nicht lernen will, muß fühlen. Ich schließe n Spruch: Diesem System keinen Mann und keinen keinen Pfennig Steuern! äsident Freiherr von Buol: Ich komme zurück auf die Ibg. Zimmermann. Die Worte ‚Es ist unmöglich, daß ch geheiligt werde!, habe ich zwar für bedenklich gehalten, zt gerügt, weil sie in einem hypothetischen Zusammenhang ie nächsten Worte habe ich überhört. Sie lauteten: Es daß die Militärvorlage im Deutschen Reich erschlicher Darin liegt ein positiver Vorwurf gegen den Leiter der Ich rufe deshalb den Abg. Zimmermann zur Ordnung.

Neichskanzler Graf von Caprivi: Abg. Liebknecht hat heute das Wort von Oxenstjerna citirt, wunderbar sei, mit wie wenig Weisheit die Welt regirt werde.

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eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

1893.

Ich glaube, wenn wir den Geist des alten Oxenstjerna heute herauf- beschwören und in diese Versammlung bringen könnten, so würde er bei den Reden der beiden letzten Redner sich vielleicht dahin aus gedrückt haben: Es ist wunderbar, mit wie wenig Weisheit Reden im deutschen Parlament gehalten werden. (Bewegung und Heiterkeit)

Der Herr Abg. von Kardorff hat gestern geäußert, daß eine Partei bei dem allgemeinen Wahlrecht ohne agitatorische Mittel nicht leben könne. Mag sein. Daß aber agitatorische Mittel in einem solchen Umfang hier im Reichstage angewendet werden, wie das neuerlich geschieht, das ist, wie ich glaube, doch eine sehr neue und sehr beklagenswerthe Erscheinung. Ich kann nicht annehmen, daß Reden wie die beiden letzten hier im Hause irgend jemand belehrt hätten; und der Wunsch des Abg. Liebknecht, wir möchten aus seiner Rede Belehrung schöpfen, wird ein vergeblicher sein und bleiben.

Der Abg. Liebknecht hat mit Variationen die Dinge wiederholt, die wir nun nachgerade oft genug gehört haben; der Abg. Bebel hat ganz andere Dinge vor ihm gesagt. In der Hauptsache wender sich Herr Liebknecht mit Vorliebe gegen den Militarismus was er über die Colonialpolitik gesagt hat, wird ja an einer anderen Stelle beim Special-Etat besprochen werden können —; immer wieder kommen die Herren auf die Feindschaft gegen den Militarismus zurück. Ihm ist nun natürlich von seinem Standpunkt das, was jetzt in Hannover sich zugetragen hat, ein sehr angenehmes Agitationsfeld. Die Dinge, die da geschehen sind, werden der Ahndung auf dem Gebiet und auf dem Wege und insoweit unterzogen werden, als die dazu berech⸗ tigten Instanzen und Behörden es für nothwendig finden. Es wird den Herren ja nicht unbekannt geblieben sein, daß militärischerseits die gegebenen Mittel benutzt werden, um die Wahrheit zu ermitteln und festzustellen: wie weit trifft den Einen oder den Anderen die Schuld? Diese Mittel würden auch ohne weiteres angewendet worden sein; denn es ist eine alte Sitte in der preußischen Armee: wenn ein Offizier glaubt, daß seine Ehre verletzt worden ist, wenn ein Kamerad von einem anderen glaubt, daß dessen Ehre verletzt ist, so findet er die Mittel, die geeignet sind, einen Spruch herbeizuführen und klar zu machen, ob in der That und in welchem Grade die Chre verletzt ist. Diese Maßnahmen sind im Gange. Man ist sonst gewohnt, daß während schwebender Untersuchungen öffentliche Verhandlungen darüber ausgesetzt werden. Ich möchte mir daher den Vorschlag er⸗ lauben, auch hier diese Angelegenheit nun wenigstens so lange ruhen zu lassen, bis sie ihre gewiesenen Wege gegangen sein wird.

Der Abg. Liebknecht und seine Parteigenossen haben es sich

zweifellos zur Aufgabe gestellt, die Armee in ihren innersten Festen

zu erschüttern. (Widerspruch links.) Jedes Mittel ist ihm recht, um die Armee innerlich zu schädigen. Denn sollte der Abg. Bebel

wirklich glauben, daß er im stande ist, der Armee eine neue, bessere

Organisation zu geben, daß er im stande ist, sie über Taktik und Truppengebrauch zu belehren? Nein, meine Herren, da halte ich den Herrn Abg. Bebel doch für zu klug, das glaubt er selber nicht. Was er aber glaubt und will, ist, daß er Menschen finde, die ihm glauben, und daß, wenn diese Menschen sich in den Reihen der Armee befinden, durch sie die Disciplin, das Vertrauen in die Vorgesetzten, das Vertrauen zur Führung im Kriege erschüttert wird. Das ist das, was die Herren wollen. Nun machen Sie sich aber klar, daß, wenn Sie dieses Ziel erreichen, der Preis Ihrer Thätigkeit nicht die Armee, sondern Deutschland ist. Ich halte des⸗ halb diese fortgesetzte Agitation für im höchsten Grade bedenklich und habe diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen wollen, ohne auch vor dem Lande zu constatiren, wie ernst und wie bedenklich dies Treiben der Herren ist.

Ich will mich mit dem Abg. Bebel nicht weiter beschäftigen ich überlasse das gern dem Herrn Kriegs⸗Minister, es werden ja selbst⸗ redend alle diese Dinge noch einmal von jener Seite bei der Be—⸗ rathung des Etats des Kriegs. Ministeriums vorgebracht, und ich möchte dem Herrn Kriegs-Minister nicht vorgreifen ich will nur auf eine Bemerkung des Abg. Liebknecht eingehen, die mich frappirt hat. Der Herr Abgeordnete hat gesagt: wenn nur die Kraft der Herren Offiziere tüchtig ausgenutzt würde, dann bliebe ihnen keine Zeit übrig. Wenn ich Herrn Liebknecht nur eine sechs Monate zum Reitinstitut com mandiren könnte! (Heiterkeit)

Der Herr Abgeordnete sagt: das deutsche Volk hat sich gegen den Militarismus erklärt. Es kommt ja doch darauf an, was man unter Militari t Herr Abgeordnete nun aber glaubt, daß das zur Armee verloren hätte, dann will ich ihm sagen, daß das noch heute nicht der Fall ist, und will mich für diese A ßen auf die Eindrücke, die ich in dem neuesten deutschen Lande, Elsaß⸗Lothringen, in jenen deutschen Ländern, die am kürzesten die preußische ilitärverfassung haben, in diesem Herbst gewonnen habe. Herr Liebknecht kann ganz ruhig sein: das deutsche seine Armee und wünscht seine Armee erhalte zu sehen, und vertraut auf seine Armee (Bravo!), und das werden Sie nicht ändern.

Nun war überraschend in dem politischen Theil der Rede, wie energisch der Herr Abg. Liebknecht sich bemühte, den anarchistischen Theil der Soeialdemokraten von sich abzustreifen. Er sagte, er habe die Tendenz, den Leuten das, was er

i 13 * Volk liebt

ür nöthig hält, mit Hämmern ins Gehirn zu schlagen so war es ungefähr. Nun das, Herr Lieb⸗ knecht, schlagen Sie mir, und ich glaube, der Mehrzahl dieses Hauses, mit allen Ihren Hämmern niemals ins Gehirn, daß Sie nicht die Verantwortlichkeit für die Anarchisten tragen. Sie haben die Anar⸗ chisten gerufen, jetzt sind sie Ihnen unbequem; erst kamen die Alten, dann kamen die Jungen, dann kamen die Anarchisten, und jetzt sind Sie soweit gediehen, daß Sie von den Anarchisten nichts mehr wissen wollen. Die Mehrzahl der deutschen Nation glaubt Ihnen das nicht, Herr Liebknecht, und macht Sie für alles, was da geschieht, verant⸗ wortlich mit Ihrem ganzen destructiven Treiben.

Ich will mich auf diese Bemerkungen beschränken und nur noch hinzufügen: Wenn es erst so weit wäre, daß die deutsche Armee zu ihrer Existenz der Rathschläge der Herren Liebknecht und Bebel be—

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