1894 / 16 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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recht hohe Schätzung. Es wird von den nächsten Monaten abhängen, ob selbst diese Zahl erreicht wird.

Nun ist das Ergebniß für das laufende Jahr aber vor allem beeinflußt durch die Thatsache, daß die Matrikularumlagen schon in diesem Jahre durch die Nachtrags-⸗Etats im Reich um 15 Millionen Mark erhöht worden sind. Ohne diese starke Anforderung seitens des Reichs bezw. die Minderleistungen des Reichs an die Einjelstaaten würde sich unsere Rechnung für das laufende Jahr erheblich viel günstiger gestalten.

Das Finanz Ministerium důrfte einen Minderbedarf von 1 Million Mark hauptsächlich infolge zinsbarer Belegung vorübergehend disponibler Bestände, und die Justizverwaltung einen Minderbedarf von gleichfalls 1 Million Mark ergeben. Ein Mehrbedarf wird bei der landwirthschaftlichen Verwaltung in Höhe von 600 000 , bei der Gestütverwaltung in Höhe von 260 000 6 und bei der Kultus verwaltung in Höhe von 330 000 ½ erwartet.

Bei den etatsmäßigen einmaligen Ausgaben wird ein Mehr— erforderniß von 840 000 MS erwartet. An außeretatsmãßigen Aus⸗ gaben werden in Betracht kommen 1 100 000 660. Diefe letzteren beruhen wesentlich auf der plötzlich hervorgetretenen Nothwendigkeit der Regulierung der Swine, welche eine Ausgabe von etwa 700 000 , verursachen wird, und auf einer Ausgabe von 230 00010 für Betheiligung der Porzellanmanufaktur und der Kultusverwaltung an der Chicagoer Ausstellung. Hiernach würde sich also die Rechnung um etwa neun Millionen günstiger stellen als der Etat, und der gesammte Fehlbetrag dieses Jahres sich etwa auf 48 Millionen belaufen. Ich hoffe dabei, daß der hier in Betracht gezogene Mehrüberschuß der Eisenbahn⸗ bahnverwaltung von 305 Millionen rund sich vielleicht noch günstiger gestalten wird. Das Ergebniß der letzten Monate, von welchen wir annahmen, daß sie sich nicht so gut stellen würden, ist doch erheblich günstiger gewesen, als man erwartete, und es kann sein, daß wir da zu einem Mehrüberschuß, der sich noch um einige Millionen höher stellt, gelangen werden.

Ich komme dann auf die Einzelbeiten des Staats haushalts für 1894595 und werde mich dabei möglichst kurz fassen.

Die Betriebsverwaltungen schließen im Ordinarium mit einem Mehrüberschuß von 32 966 000 0 ab. Dabei sind die direkten Steuern insgesammt, Ordinarium und Extraordinarium zusammengerechnet, ver⸗ anschlagt auf einen Mehrüberschuß ven 6427 000 4. Ich will nur einige Zahlen nennen. Die Mehreinnahmen der direkten Steuern betragen 9 256 000 ½ Zu dieser Mehreinnahme trägt die Gebäude⸗ steuer allein 3 421 000 M bei. Darin steckt nicht bloß die gewöhnliche regelmäßige Steigerung der Gebäudesteuer, sondern auch für drei Monate die Mehreinnahme, die sich aus der Revision der Gebäude—⸗ steuer ergiebt. Wir nehmen an nach den bisherigen Ergebnissen der noch nicht vollständig durchgeführten Revision, daß die Gebãudesteuer steigen wird um zwischen 5 bis 6 Millionen. Meine Herren, ich möchte in Erinnerung an alte Kontroversen, die wir hier über die bei der Steuerreform aufgestellte Bilanz geführt haben, darauf hinweisen, daß diese Steige rung aus der Revision der Gebäudesteuer dem Staat nicht zu gute gerechnet ist, daß dieselbe nunmehr den Kommunen überwiesen werden wird. Es ist das letzte Mal, daß wir eine solche Gebãudesteuer hier im Staatshaushalt veranschlagen, und es geht auch hieraus hervor, in welcher loyalen Weise damals die Bilanz zwischen Einnahme und Ausgabe bei der Steuerreform gejogen worden ist. (Heiterkeit) Meine Herren, dagegen kommt uns für dies eine Jahr auch noch die Steigerung der Gewerbesteuer infolge ihrer Neuveranlagung mit 2529 000 1 zu gute, indem bekanntlich die Bestimmung, daß bei einer Uebersteigung der Neuveranlagung um H o die Steuer auf den Betrag von rund 20 Millionen Mark zurückzuführen sei, füt dies eine Jahr aufgehoben ist. In Zukunft wird die ganze Ge⸗ werbesteuer, so wie sie sich jetzt gestaltet hat, auch allein den Kommunen zu gute kommen. Ich möchte hier einschalten, daß wenigstens die größeren Kommunen zeitig daran denken möchten, diese staatliche Gewerbesteuer wozu sie ja berechtigt sind in eine für sie zweckmäßige kommunale Gewerbesteuer umzuwandeln. Sie werden sehr bald bemerken, daß, so wie die staatliche Steuer liegt, sie für die Kommunal⸗Verwaltung sich nicht in allen Einzelstaaten eignet. .

Die Einkommensteuer ist mit 3 328 00 M0 nach Maßgabe der Be—⸗ stimmungen des Einkommensteuer esetzes höher angesetzt. Daraus ist natürlich nicht zu entnehmen, daß die Einkommensteuer selbst in ihrem Ge⸗ sammtbetrage für die diesjährige Veranlagung sich höher stellen wird, als sie in dem Vorjahre veranlagt wurde. Im Gegentheil, es ist bei den Gesammtverhältnissen eher anzunehmen, daß der Gesammtbetrag der Einkommensteuer zurückbleiben wird hinter dem Ergebniß der Vor⸗ jahre, wenn auch nicht in hohem Betrage. Meine Herren, auch hieraus geht hervor, wie irrthümlich die damals im ganzen Hause verbreitete Meinung war, daß die Einkommensteuer, die um rund 40 Millionen höher bei der ersten Veranlagung nach dem neuen System veranschlagt war, in permanentem Steigen bleiben würde. Ich habe damals genug darauf hingewiesen, daß diese An⸗ nahme sehr unsicher sei, und es hat sich schen gezeigt, daß in diesen ungünstigen wirthschaftlichen Jahren, in denen wir uns leider gegenwärtig befinden, eine solche steigende Tenden; der Einkommensteuer nicht vorhanden ist.

Meine Herren, wenn wir annehmen dürfen und das, glaube ich, wird nach den Ergebnissen der Einnahmen der Getreidezölle des vorigen Jahres und des laufenden Jahres wobl berechtigt sein, daß bei steigender Bevölkerung die dauernde und durchschnittliche Einnahme aus den Getreidezöllen etwas höher als auf 24 Millionen Mark sich stellen werde so kann das doch wohl, in der gegenwärtigen Zeit be⸗ sonders und namentlich gegenüber den eben geschilderten Verhãltnissen bei der Gewerbesteuer und bei der Gebäudesteuer, als eine sehr be⸗ rechtigte Kompensation für die Staatskasse angesehen werden, und ich hoffe, daß sich schließlich zeigen wird, daß diese Steuerreform wirklich durchgeführt ist in dem Sinne nicht einer Erzielung von? Mehreinnahmen für die Staats kasse; daß aber andererseits auch die Staatskasse für die Hingabe der ge⸗ sammten Realsteuern in der Vermögenssteuer und in der Steigerung der Einkommensteuer bezw. in der Einziehung der Ueberweisungen an die Kreise vollen Ersatz finden wird.

Meine Herren, die indirekten Steuern sind um 210 00 46 höher veranschlagt, indem namentlich die Vergütung für Erhebung der Reichssteuern sich höher stellt, die Erbschaftssteuer und die Brücken— und Hafengelder höher angenommen sind, dagegen das Ertrãgniß der preußischen Stempelsteuer um 1 Million niedriger beranschlagt werden muß.

Die gotter ce nalhun ist infolge der 3 . Coose

mit einem Plus von 772 000 M gegen das Vorjahr eingestellt. Ich will dabei bemerken, daß die sämmtlichen Loose leicht untergebracht werden konnten, und daß vielfach noch starke Nachfrage nach mehr Loosen vorhanden war, die natürlich nicht befriedigt werden konnte. ö .

Dagegen sind die Ueberschüsse von den Domänen um 646 000 (Hört! hört h, von den Forsten um 1 733 000 46, von den Ablõsungen von Domänengefällen u. s. w. um 250 000 M und von der Berg⸗ werksverwaltung um 2 650 000 M (Hört! hört! rechte) niedriger ver⸗ anschlagt. Bei der Domänenverwaltung liegen die Gründe wes⸗ entlich in dem Rückgang verschiedener Hebungen und Renten, sowie in dem geringeren

Ertrage aus den Verpachtungen von Domänenvorwerken (Hört! hört!

rechts), bei der Forstverwaltung allein in dem geringeren Absatz und in den niedrigeren Preisen (hört! hört! rechts), während die Werbungs⸗ kosten nicht in demselben Maße heruntergegangen sind als die Ein⸗ nahmen, da ja die niedrigeren Preise der Produktion naturgemãß auf die Werbungskosten keinen Einfluß haben.

Was die Eisenbahnverwaltung betrifft, so sind im Ordinarium die Einnahmen um 25 Millionen Mark höher veranschlagt, die Aus⸗ gaben dagegen trotz dieser erhöhten Einnahmen um 33 Millionen niedriger. Darnach und unter Mitberücksichtigung ihres gegen das

laufende Jahr höheren Extraordinariums würde die Eisenbahn

verwaltung für das Jahr 1894/95 einen Mehrüberschuß liefern gegen den laufenden Etat von 28 444 000 ,

Meine Herren, hier und da habe ich in der Presse die Meinung aussprechen hören, daß Preußen eigentlich in Rücksicht auf seinen Eisenbahnbesitz noch immer in einer gan; gesicherten Finanzlage sei. Gewiß, meine Herren, trotz aller Schwierigkeiten, die uns die Anforderungen des Reichs bereiten, sind die Grundlagen des ganzen preußis chenFinanzwesens noch immer durchaus gesunde und im Vergleich mit den Finanzzustãn⸗ den anderer, auch Großstaaten, geradezu glänzend. Darüber kann gar kein Zweifel sein. Aber, meine Herren, die Aufgabe wird sein, diese gesunden Grundlagen auf die Dauer zu erhalten. (Sehr richtig!)

Wir überreichen Ihnen diesmal, entsprechend dem Wunsch des Hauses, einen sogenannten Netto⸗Etat, und ich empfehle den Herren diesen Netto⸗Etat zum sorgfältigen Studium. Wer unsere ganzen Finanzen genügend kennt, der wird daraus sehr interessante Schlüsse herleiten können, die aber doch, glaube ich, zu dem Ergebniß führen, daß die eigenen Einnahmen, namentlich aus Besitzthümern, Betriebs— verwaltungen u. s. w., wenn man damit die steigenden Ausgaben der letzten zehn Jahre vergleicht, und wenn man annimmt, daß diese Ausgaben in gleicher Weise weiter stiegen, nicht im stande sind, Schritt zu halten mit der Vermehrung der Ausgaben, daß wir also bedacht bleiben müssen, einmal auf eine thunlichst sparsame Bemessung der Ausgaben, dann aber auch auf eine thunlichst weitgehende Flüssigmachung und Rentabilitäts⸗ vermehrung derjenigen Einnahmequellen, die wir besitzen, daß uns aber selbst dies alles nicht dazu führen würde, zu einer Balance zu kommen, wenn die Verhältnisse des Reichs so weiter sich entwickeln, wie sie bisher sich entwickelt haben. (Sehr richtig! rechts) Gewiß bin ich überzeugt, daß, wenn das ganze Gewerbsleben sich wieder hebt, wenn Handel und Verkehr sich vermehren, das eine sehr günstige Rückwirkung auf unseren ganzen Etat haben wird, nicht bloß auf den Eisenbahn⸗Etat, sondern auch auf die übrigen Betriebsverwaltungen, namentlich auch auf die Forst⸗ und auf die Bergwerks verwaltung. Darüber kann ja gar kein Zweifel sein, daß wir gegenwärtig in dieser Beziehung in einem sehr gedrückten Zustande leben, und ich erkenne vollständig an, daß die Hoffnung ja zweifelles berechtigt ist, daß in den nächsten Jahren sich in dieser Beziehung die Dinge günstiger gestalten werden. .

Wenn Sie aber, meine Herren, die Nettoeinnahme aus diesen Verwaltungen in den günstigsten Jahren vergleichen mit dem heutigen Stande unserer Ausgabe⸗Etats, dann werden Sie sich, glaube ich, überzeugen müssen und die Budgetkommission wird ja gut thun, sich gerade in diesem Jahre mit dieser Frage eingehend zu beschäftigen daß die Hoffnung und der Glaube nicht berechtigt wären, daß wir allein durch eine Vermehrung der Nettoũberschüsse der Betriebsverwaltungen diesen außerordentlichen Anforderungen im Ausgabe⸗Etat entsprechen könnten. Gegenüber den vielfachen Zweifeln und den verschiedenen Meinungen über die Finanzlage Preußens kann es der Staatsregierung nur erwünscht sein, wenn die Budgetkommission sich mit der Gesammtfinanzlage des Staats und der Bilanz genau beschäftigt, um zu sicheren Ergebnissen zu kommen. Denn was die Budgetkommission sagt und was der Landtag hinterher billigt, das hat ja eine viel größere Bedeutung, als was heute irgend ein Finanz⸗ Minister sagt, dem bei jeder Gelegenheit vorgeworfen wird, er färbe absichtlich schwarz, nur aus dem Vergnügen, um mehr Steuern zu bekommen. (Heiterkeit) Als wenn es ein persönliches Vergnügen wäre, den Kampf um mehr Steuern zu führen und als wenn irgend ein Finanz⸗Minister im ganzen Deutschen Reich gefunden werden könnte, der in einen solchen Kampf hineinginge ohne die dringendste Noth, ohne daß er erkennt, daß es seine höchste Pflicht ist, einen solchen Kampf aufzunehmen, und daß er dabei die allgemeinen Inter⸗ essen allein im Auge behalten darf.

Meine Herren, die Dotationen und die allgemeine Finanzver⸗ waltung erfordern einen Mehrbetrag von 30 Millionen Mark rund, darunter die öffentliche Schuld mehr 2 821 000 M und die allgemeine Finanzverwaltung 27 Millionen. Der Antheil am Eirtrage der Zölle und der Tabacksteuer und der Antheil an der Branntweinver⸗ brauchsabgabe sind noch höher veranschlagt, um rund 55 Millionen Mark, in diesem Etat. Ich werde mich sehr freuen, meine Herren, wenn dieser Anschlag verwirklicht wird. Was die Verhäͤltnisse der Reichseinnahmen im laufenden Jahre betrifft, so haben sich die Einnahmen aus Zöllen bis inklusive November um einen Betrag von etwa 22 Millionen niedriger gestellt als die Einnahmen aus den gleichen Monaten des Vorjahres. Namentlich sind die Einnahmen aus Getreidezöllen und Viehjöllen um rund 160 Millionen Mark zurückgegangen. (Hört! hört! rechts.) Der Import von Weizen und Roggen hat sich sehr erheblich ver⸗ mindert, und wenn der Import von Hafer, Gerste und auch Mais nicht sehr erheblich gestiegen wäre, so würde das Manko noch sehr viel größer sein. Offenbar beruht dies wesentlich auf den ver— hältnißmäßig guten Ernten der beiden letzten Jahre. Vielleicht werden diese Differenzen sich einigermaßen ausgleichen in den nãchsten Monaten, wie es bis auf eine gewisse Grenze den Anschein hat. Da namentlich die ersten Monate, die Sommermonate des Jahres 1892 besonders starke Importe aufweisen, ergiebt sich natürlich in den ersten Monaten eine ungüũnstigere

Vergleichung mit denselben, während die starken Importe des Jahre 1892 nachließen in den Herbst⸗ und Wintermonaten, nachdem die neue in. ländische Ernte auf den Markt gekommen war. sich die Vergleichung in den nächsten Monaten gůũnstiger stellen als in den ersten Monaten degz Etats jahres. Wenn aber die Ergebnisse der Ginfuhr von Getreide in den bevorstehenden Monaten nicht noch ausgleichend wirken, so wird der laufende Etat des Reichs wohl kaum erreicht werden, und werden daher die Ueberweisungen an die Kreise aus dem Jahre 1893 / ga sich wahrscheinlich noch niedriger gestalten, als ich vorhin mir zu bemerken erlaubte.

Ich darf bei dieser Gelegenheit wohl darauf hinweisen weil ich glaube, es wird für die Kreisverwaltungen von Nutzen sein daß im Jahre 1895 den Kreisen ja auch die Freigabe der Realsteuern als staatliche Steuern zu gute kommen wird und daß sie in demselben Jahre auch noch einmal die Ueber⸗ weisungen aus den Getreide- und Viehzöllen erhalten. Sie werden dadurch bei einer zweckmäßigen Verwendung und Verwaltung in die Lage kommen, den Uebergang aus dem einen System in das andere sich sehr wesentlich zu erleichtern.

Was die Staatsverwaltungsausaben betrifft, so erfordern diese gegen den laufenden Etat im Ordinarium und Extraordinarium einen Mehraufwand von 12 680 090 6 Ich will hierbei nur die wichtigsten Veränderungen hervorheben.

Im Finanz⸗Ministerium beträgt der Mehrbedarf 8718 000 Es hat zwar sich als durchaus unerläßlich herausgestellt, den Diäten⸗ fonds für die Assessoren um 100 000 0 zu erhöhen. Die Assessoren werden jetzt bei den gestiegenen Anforderungen in den verschiedensten Verwaltungen viel stärker zur Mitarbeit an den Geschãften heran. gejogen, wie das jemals früher der Fall war. Es wird durch diese Erhöhung des Diätenfonds der Assessoren um 100 000 doch nur erreicht werden, daß ein Theil der Assessoren wenigstens in zweiten Jahre nach Eintritt in ihren Dienst Diäten erhält. .

Wir haben daher geglaubt, daß dies doch ein dringendes Be— dürfniß sei, dessen Befriedigung billigerweise nicht länger hinaus⸗ geschoben werden kann.

Die Ausgaben für Zivilpensionen und für Wittwen- und Waisen⸗ gelder sind wiederum um 2 700 000 4 erhöht worden.

Dann ist aber neu etatisiert ein Portoaversum im Finanz Ministerium von 6 Millionen Mark. Wir haben mit der Kaiserlichen Postverwaltung eine Aversionalvergütung verabredet an Stelle der einzelnen Portoauslagen, welche die Verwaltungen bisher zu leisten haben. Es werden dadurch außerordentlich viel Weiterungen abgeschnitten und die Kosten der Verwaltung nach meiner Meinung im ganzen sehr wesentlich vermindert werden. Es beruht die Aversionalvergütung auf sehr genauen Berechnungen, nach Maßgabe der Gesammtdurchschnittsleistung der Vergangenheit. Den Herren wird eine besondere nähere Mittheilung gemacht werden und Sie finden natürlich in den einzelnen Etats der einzelnen Verwaltungen die ent⸗ sprechenden Ausgabeverminderungen bei den betreffenden sächlichen Ausgabetiteln.

Die Bauverwaltung erfordert insgesammt ein Mehr von dob 000 ν, das Extraordinarium der Bauverwaltung ist um 2 562 000 M gestiegen und beträgt gegenwärtig 16 235 000 ,

Im Ministerium für Handel und Gewerbe sind höher ver— anschlagt der Titel für Gewerbe⸗Räͤthe und Inspektoren, welche wiederum vermehrt werden sollen, um 55 800 1, daneben noch insbesondere Remunerationen für fünfzehn neue Gewerbe⸗Inspektoren 54 000 , Ebenso sind die Bureaukosten derselben mit 90 000 4M höher angesetzt. Das gewerbliche Unterrichtswesen erfordert 185 000 S mehr und die Porzellanmanufaktur 27 000 S0

Die Justizberwaltung hat dagegen einen Minderbedarf von 3 942 300 (Hört hört! links. Die ordinären Einnahmen sind um 3 000 0090 ½ rund höher angenommen, während die ordinären Ausgaben sich um 2 000 000 6 ermäßigt haben, wesentlich infolge der Herabsetzung der Portoausgaben. Das Extraordinarium ist um 1305 000 höher veranschlagt. An neuen Stellen sollen kreieit werden für die Ober -Landesgerichte 1 Senats⸗Präsident, 7 Räthe und 9 Unterbeamte, für die Land⸗ und Amtsgerichte 5 Direktoren, 59 Richter, 1 Staatsanwalt und 45 Unterbeamte. Meine Herren, Sie sehen, daß wir trotz der bedenklichen Finanzlage fortfahren, die Richterstellen, so weit nöthig, Schritt vor Schritt zu vermehren, und daß wir sebr bald zu dem gewünschten Zustand der vollen Besetzung der dauernd nöthigen Stellen mit etalsmäßigen Richtern gelangen werden.

Wenn ich soeben neben mir den Ruf „Hört, hört!“ wahrwehme, so möchte ich bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß die Mehr— leistungen des Staats an die Justiz gegenüber den eigenen Einnahmen der Justizverwaltung meines Wissens in keinem größeren deutschen Staat größer sind als in Preußen. (Hört, hört! rechts) Die Mehrausgaben betragen jetzt rund 36 000000 , d. h. fast mehr als die gesammte Einnahme von den Domänen und Forsten, während in anderen deutschen Staaten die Zuschüsse aus der allgemeinen Staatekasse zur Justizverwaltung gering sind. Es geht daraus klar hervor, daß die Gebühren, namentlich auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Preußen keineswegs zu hoch be— messen sind, und andererseits, daß man nicht säumig gewesen ist, die Bedürfnisse der Justizverwaltung an Einrichtungen aller Art und Stellenbesetzungen ausreichend zu berücksichtigen.

Für das Ministerium des Innern ist ein Mehrbedarf von 1130000 M veranschlagt, darunter namentlich für die Polizeiver⸗ waltung in Berlin, nachdem der nächtliche Sicherheitsdienst nunmehr auch in Berlin auf den Staat übergehen soll, eine Mehrausgabe von 537 000 A, während für die Polizeiverwaltung in den Provinzen eine Mehrausgabe von 472 000 M und für die Landgendarmerie eine solche von 111 000 4 veranschlagt worden ist. Eine Ersparniß it hier infolge der Festsetzung der Pauschalvergütung an die Post ein⸗ getreten in Höhe von 364 000 M bei den landräthlichen Behörden.

Meine Herren, ich möchte auch hier daran erinnern, daß man selbst im Landtage und namentlich seitens der Nächstbetheiligten bei jeder Finanzmaßregel sehr geneigt ist, immer weniger zu Gunsten der Finanzlage der Allgemeinheit zu rechnen und gewissermaßen die Finanzen des Staats als eine Institution, die man möglichst beschnei⸗ den müsse, zu behandeln. Das trifft auch zu auf die hier damals so vielfach erhobenen Klagen, es würde das neue Gesetz wegen Tragung der polizeilichen Lasten in den Städten zu einer bedeutenden Uebervor⸗ theilung dieser Städte führen, es würde die Staatskasse dabei einen sehr bedeutenden Gewinn machen. Diese Klagen haben sich bei der praktischen Ausführung des Gesetzes als gänzlich irrig gezeigt.

Infolge dessen wir

b gt, wenn wir schließlich einmal die Schlußabrechnung machen, so wird sich herausftellen, daß die betheiligten Städte vielfach dabei ein sehr gutes Geschäft gemacht haben, (Hört! hört) und daß jedenfalls, sofern das nicht der Fall sein sollte, infolge dieses Gesetzes die Ausgaben seitens des Staats für die Polizei sehr erheblich ge⸗ stiegen sein werden.

Was die landwirthschaftliche Verwaltung betrifft, so erfordert

dieselbe ein Mehr von 7598 0090 16. Darunter kommen namentlich die

Generalkommissionen in Betracht, deren Geschäfte sich in einer ganz außerordentlichen Weise vermehren, besonders infolge der Durchführung des Gesetzes über die Bildung von Rentengütern. In diesem Augen- blicke sind bereits seit dem Jahre 1891, wo das Gesetz in Kraft trat, 300 Rentengüter thatsächlich in Besitz genommen (Bravo) und eine sehr große Anzahl neuer Rentengüter in der Bildung begriffen. Infolgedessen find nun die Geschäfte der Generalkommissionen außer⸗ ordentlich gewachsen und wachsen weiter. Ich glaube kaum, daß wir mit dem hier veranschlagten Mehrbetrage von 69 000 S dauernd auskommen werden. Ja, es ist nech neuerdings wieder eine sehr drin- gende Anforderung gestellt, die vielleicht Veranlassung geben kann, bier im Landtage noch eine kleine Modifikation in Beziehung auf die Besetzung einer General Kommission eintreten zu lassen,

Für die landwirthschaftlichen Schulen sollen 69 000 M mehr ausgegeben werden, und im Extraordinarium ist speziell die Position für Hebung der Landwirthschaft in den östlichen Provinzen trotz der schwierigen Verhältnisse unserer Finanzen um 100 000 , erhöht.

Die Kultusberwaltung verlangt 2787 000 0 mehr, und zwar beläuft sich im Ordinarium der Mehrbedarf auf 1697 000 S; für die Unixversitäten sollen 67 000 , für höhere Lehranstalten 290 000 0 und für die Elementarschulen 1 0 000 M mehr zur Verausgabung gelangen. In der Position: für Kultus und Unterricht gemeinsam“ hat der Patronatsbaufonds, der sich schon seit mehreren Jahren als unzureichend erwiesen hat, um 100 000 ½ erhöht werden müssen, und zu demselben Zweck sind außerdem in das Extraordinarium 400 000 M eingestellt worden. Auch die Kosten des Medizinalwesens sind um 94 000 gestiegen, namentlich infolge der zur Abwehr der Cholera nothwendigen Maßregeln.

Meine Herren, die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben sind insgesammt um 8 826 976 M höher veranschlagt als im laufen⸗ den Jahre; sie betragen 58 O36 981 6, und zwar für die Betriebs— derwaltungen rund 26 417 000 , für die eigentlichen Staats verwal⸗ tungen rund 29 619 000 M Sie sehen daraus, daß der Finanz⸗ Minister auch von der Ansicht ausgegangen ist, daß trotz der beengten Finanzlage es doch nicht gerathen sei, Ausgaben für Meliorationke— jwecke, namentlich für Verbesserung unserer Institutionen und Einrichtungen, übermäßig zu beschränken. Wir haben für derartige Zwecke mehr eingestellt acht Millionen Mark. Daß wir natürlich durchaus nicht alles thun konnten, was in dieser Richtung als wünschenswerth, ja auf manchen Gebieten geradezu als nothwendig angesehen werden muß, werden Sie nachfühlen, meine Herren. Es bleibt in solchen Zeiten doch nichts Anderes übrig, als im großen Ganzen sich nach der Decke zu strecken.

Wenn ich im Eingang meiner Bemerkungen mir gestattet habe, ge⸗ wissermaßen bilanzmãßig die Einnahmen und Ausgaben zusammenzustellen, so charakterisiert dies unsere eigentliche Finanzlage noch nicht. Denn, meine Herren, wenn die Ressort.Minister eine Steigerung der Aus gaben bis zu einem Fehlbetrage ven 120 Millionen anfordern und wir genöthigt sind, diese Ausgaben so weit zu vermindern in den Vor— berathungen, daß wir auf ein Defizit von 70 Millionen kommen: so kann ich garnicht leugnen, daß dabei die Verminderung vieler Ausgaben oder ihre Zurückweisung oder ihre Zurück— stellung mir vpersönlich außerordentlich schwer geworden ist, weil ich das Wünschenswerthe solcher Ausgaben vielfach in vollem Maße anerkennen mußte. Wir sind in dieser Beziehung schon an die äußerste Grenze gekommen, und es würde auf die Dauer bedenklich sein, wenn aus Mangel an den nöthigen Mitteln eine so karge Finanzverwaltung geführt werden müßte. Nichts ist irriger, als zu Alauben, daß die Vermehrung der staatlichen Mittel stets ein Verlust für die Nation sein könne. Häufig ist eine so karge Bemessung der Ausgaben ein schwerer Schaden für die Gesammtheit, (sehr richtig) und ich hoffe, daß Sie auch dies bei allen Ihren Erwägungen in Betracht ziehen. Die Kunst aber, die von mir so vielfach verlangt wird, daß ich die Ausgaben vermehren und zugleich die Einnahmen vermindern lasse, (Heiterkeit) die Kunst derstehe ich nicht. Das können wohl gewisse Organe jeden Tag von mir fordern, die mich fortwährend angreifen, weil ich nicht genügendes in den Ausgaben thue, und die sich gleich- zeitig mit Entrüstung in die Brust werfen, wenn ich sage: Dann liefert mir auch die Mehreinnahmen, denn der Etat hat nur durch⸗ laufende Posten. Um solche Stimmen kann ein gewissenhafter Finanz⸗ Minister sich nicht künmern. (Sehr richtig) Aber nicht bloß ich, sondern auch Sie selbst sind in der gleichen Lage: Sie werden sich auch in Ihren Wünschen beschränken müssen, Sie werden auch viele Doffnungen vorläufig unerfüllt sehen. Sie werden den Finanz- Minister bei seinem Bestreben, unsere Finanzzustände gesund zu erhalten, unterstützen müssen, statt seine Stellung zu erschweren. Wir haben uns hier ja in dieser Beziehung in den Vorjahren, wo wir uns noch für besser situiert hielten, manches erlaubt, und ich fürchte, trotz aller Entschlüsse wird es auch heute nicht ganz gelingen, alle Wünsche zurückzustellen; aber das dürfen wir hoffen, daß eine an⸗ gemessene Beschränkung wenigstens eintreten wird.

Meine Herren, wir haben unter diesen Umständen namentlich auch wiederum zu unserm tiefen Bedauern verzichten müssen auf die Fortführung der durchaus berechtigten Aufbesserung unserer Beamten⸗ gehälter; wir haben aber doch soviel, als in der gegenwärtigen dage überhaupt möglich war, für die Beamten auch in diesem Etat thun zu müssen geglaubt. Das System der Dienstalterszulagen soll nunmehr ausgedehnt werden auch auf die höheren Beamten und auf eine Reihe von mittleren Beamten, die bis dahin noch nicht unter dieses System gestellt waren. Das neue System des Aufrückens nach Dienstalterestufen wird dann ausgedehnt sein auf 4721 höhere Beamte, einschließlich 978 Gisenbahnbeamte, auf 49 861 mittlere Beamte, ein- shließlich z1 182 Eisenbahnbeamte, auf 2928 Kanzleibeamte, einschließ⸗. lich 108tz Eisenbahn ⸗Kanzleibeamte und auf 91196 Unterbeamte, ein⸗ schließlich 63 os Eisenbahnbeamte, also insgesammt auf 148 706 Beamte. Es sind nur noch wenige Beamtenklassen zurückgestellt, wo besondere Schwierigkeiten sich ergaben und eine Einigung noch nicht erzielt war.

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Für die Eisenbahnbeamten sollen fortan bei dem neuen System auch dieselben Grundsãtze eingeführt werden, welche für die übrigen Beamten angenommen sind, und es wird sich bierdiäcch, sowie durch das regelmäßige Aufsteigen im Dienstalter, ferner aber durch die weiter getroffene Einrichtung, daß bei der Festsetzurg des Dienstalters bei allen mittleren und unteren Beamten die über fünf Jahre hinaus⸗ gehende Dienstzeit als Diätar mit zur Anrechnung kommen soll, eine Gesammtmehrausgabe von 3 222 000 4 für die Beamten der Eisen⸗ bahnverwaltung ergeben. Ich erblicke namentlich in der Einrichtung, die wir nunmehr getroffen haben, daß eine bestimmte Anrechnung der Dienstzeit als Diätar gleichmäßig in allen Verwaltungen eingeführt werden soll, einen erheblichen Vortheil und eine große Beruhigung der betreffenden Beamten, die sich über das Gegentheil und die un⸗ gleiche Lage der Diätare in den verschiedenen Verwaltungen lebhaft beschwerten. ; ;

Meine Herren, indem ich Ihnen den Etat hiernach übergebe, glaube ich nicht, daß selbst dann, wenn die Beschlüsse des Reichstags eine Verbesserung unserer Finanzlage herbeiführen sollten, diese Be⸗ schlüsse schon wesentlich einwirken können auf den kommenden Etat; verschiedene der vorgeschlagenen Steuern würden eine Wirkung für das kommende Etatsjahr noch nicht haben; andere allerdings könnten, namentlich die Veränderung der Reichs ⸗Stempelabgaben, schon früher in Kraft treten. Soweit sie aber auf unseren Etat eine günstige Wirkung üben sollten, wird es ja immer noch möglich sein, in Betreff der Bemessung der Höhe der Anleihe zur Deckung unseres Fehlbetrages das Erforderliche hier schließlich herbeizuführen. Wir haben uns natürlich gegenwärtig nur halten können an die Fest⸗ setzungen des jetzt vorgelegten Reichs⸗Etats. Modifikationen werden aber leicht in der bezeichneten Richtung stattfinden können, und ich glaube, Sie brauchen daher vorerst auch bei der Berathung des Etats auf die Beschlüsse des Reichstags noch kein Gewicht zu legen. Die Konsequenz wird zeitig gezogen werden können, und wir wollen hoffen, daß diese Folgerungen, die wir aus den Beschlüssen des Reichstags ziehen dürfen, für uns günstige sein werden. (Bravo

Der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden

begründete den von ihm eingebrachten (in der Dritten Beilage

zur heutigen Nummer d. Bl. vollständig mitgetheilten) Gesetzentwurf über die Landwirthschafts kammern wie folgt:

Meine Herren! Mit Allerhöchster Ermächtigung erlaube ich mir, dem hohen Hause den Entwurf eines Gesetzes über die Landwirth⸗— schaftskammern zu unterbreiten, und werde mir nachher gestatten, ihn dem Herrn Präsidenten zu übergeben zur verfassungsmäßigen Be⸗ handlung. .

Meine Herren, dieser Entwurf sieht die obligatorische Errichtung von Landwirthschaftskammern vor. (Bravo ) Meine Herren, die Rücksicht auf die Vorgeschichte, welche die Errichtung von Land⸗ wirthschaftskammern hat, veranlaßt mich zu einigen begleitenden Aeußerungen.

Es ist Ihnen bekannt, daß die Frage einer organisierten Ver⸗ tretung der Landwirthschaft bereits seit einer Reihe von Jahren die landwirthschaftlichen Kreise, vorzugsweise die landwirthschaftlichen Vereine beschäftigt. Das Verlangen trat hervor von einem zwie⸗ fachen Gesichtspunkt aus. Zunächst von dem der Beschaffung weiterer Mittel zur Förderung der technischen Aufgaben der Landwirthschaft unter Verbesserung der Produktion; sodann aber von dem einer besseren Vertretung der Interessen der Landwirthschaft. Während an= fänglich die von mir zuerst erwähnte Richtung fast allein herrschend war, ist mehr und mehr in den letzten Jahren die Forderung nach einer besseren Vertretung der Landwirthschaft in den Vordergrund getreten.

Es lag nahe der Vergleich mit dem Handelsstande, welcher in seinen Handelskammern eine organisierte Vertretung besitzt, und mit der Industrie, welche in ihren Verbänden eine wirksame Vertretung hat, während die bestehenden landwirthschaftlichen Vereine ihrer ganzen Entstehung nach sich ausschließlich mit der Förderung der Technik der Landwirthschaft befaßten und grundsätzlich die Erörterung öffentlicher Angelegenheiten über wirthschaftspolitische Fragen von Anfang an von ihrer Zuständigkeit ferngehalten haben.

Wenn man nun darüber schlüssig war, daß man dem Verlangen der landwirthschaftlichen Vereine entsprechen und ihnen durch Ein⸗ räumung eines beschränkten Besteuerungsrechts eine vermehrte Ein— nahmequelle zuwenden wollte, obwohl man sich nicht verhehlen konnte, daß gerade dies eine vermuthlich sehr wenig günstige Aufnahme in den betheiligten Kreisen finden würde; wenn man ferner darüber sich einig war, daß eine bessere und festere Organisation des Berufsstandes der Landwirthschaft mit Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse noth— wendig ist, weil erst, seitdem wir zu einem Getreide importierenden Lande geworden sind, alle Zoll. und Tarif fragen in demselben Maße an Bedeutung für die Land— wirthschaft gewonnen haben wie für Handel und Industrie, wenn man über dieses sich einig war so ließe sich dies erreichen, eine bessere Interessenvertretung und auch eine vermehrte Einnahme für land⸗ wirthschaftlich technische Zwecke, wenn man den ursprünglichen Ge— danken verfolgte, die bestehenden landwirthschaftlichen Zentral⸗ vereine auf ihren eigenen Antrag in Landwirthschafts kammern umzubilden, indem man annehmen konnte, daß überall da, wo das Bewußtsein von der Nothwendigkeit einer derartigen Maßnahme vor—⸗ handen war, alsbald diese Umbildung sich in Vollzug setzen werde, und im übrigen nicht zweifelhaft sein konnte, daß, wenn von dem einen oder dem anderen landwirthschaftlichen Zentralverein ein der⸗ artiger Schritt geschehen war, dann sehr bald die übrigen Vereine wegen der größeren Bedeutung, die den Landwirthschaftskammern beiwohnen mußte, diesem Schritte folgen würden. ;

Wenn trotzdem die Staatsregierung den Gedanken der fakultativen Bildung von Landwirthschaftskammern verlassen hat und Ihnen vor⸗ schlägt, mit obligatorischer Einrichtung dieser Organisation vorzugehen, so bedarf dies einer Begründung.

Meine Herren, der Gesichtspunkt, von dem die Staatsregierung sich hat leiten lassen, ist die Würdigung der gesammten Lage der Land⸗ wirthschaft. Soweit ich es zu übersehen vermag, wird heute von keiner Seite eigentlich mehr bestritten, daß sich zahlreiche Grundbesitzer der verschiedensten Besitzabstufungen in sehr schwierigen Verhältnissen befinden. (Sehr richtig! rechts) Meine Herren, es besteht kein Zweifel darüber wenigstens besteht er bei der Königlichen Staats regierung nicht = daß der Bestand eines leistungs fähigen und unabhängigen ländlichen Grundbesitzerstandes für den Gesammtstaat und für die Verhältnisse unseres gesammten Vaterlandes unentbehrlich ist. (Bravo!

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rechts) Meine Herren, wenn sich jetzt Anzeichen finden, daß die Gefahr vor liegt, daß die wirthschaftlichen Verhältnisse zahlreicher Grundbesitʒer schlechter werden, daß die wirthschaftliche Unabhängigkeit eines Theils der Grundbesitzer im Schwinden begriffen ist, so kann sich die Staats. regierung der Verpflichtung nicht entziehen, den Gründen dieser Er= scheinung nachzugehen und ihrerseits da, wo sie glaubt, daß sie zur Abhilfe einsetzen kann, auch einzusetzen. Es ist selbstverstãndlich, daß die Regierung sich nicht erst von gestern oder heute mit diesen Fragen beschäftigt. sondern daß sie beständig von ihr im Auge behalten worden sind.

Meine Herren, fragen wir uns nach den Gründen der Noth⸗ lage der Landwirthschaft, oder ich will nicht sagen der Nothlage der Landwirthschaft, sondern der schwierigen Lage zahlreicher Lankwirthe (Abg. von Schalscha: Immer dreist! Heiterkeit, so will ich die einzelnen, um Sie nicht zu ermüden, nicht alle aufführen. Das Schwergewicht der einzelnen Gründe wird von verschiedenen Seiten verschieden gewürdigt, aber darüber sind alle, die sich ernsthaft mit der Frage beschäftigen, einig, daß die Ueberschuldung des ländlichen Grund⸗ besitzes einer der schwerwiegendsten und unerträglichsten Gründe für die derzeitige schwierige Lage ist. Meine Herren, die Frage der Ver⸗ schuldung und der durch die Verschuldung auf der Landwirthschaft lastenden festen Zinsen steht anders wie alle sonstigen Gründe, welche man für die ungünstige und ungesunde Lage der Land⸗ wirthschaft anführen kann. Wenn es möglich wäre, alle übrigen Gründe, welche auf der Landwirthschaft lasten, nach dem Wunsche und dem Sinne der Landwirthe zu beseitigen, wozu, wie ich betonen will, die Regierung nicht im stande ist, all diese Quellen und diese Gründe abzustellen aber wenn das geschähe, so würde die Abstellung dieser Belastung der Landwirthschaft zweifel los zu einer Erhöhung des Werths des Grund und Bodens führen. Diese Erhöhung des Werths würde zum Ausdruck kommen in der Bewerthung des Grund und Bodens bei den Restgeschäften; und es würde die Folge sein, wenn infolge der Restgeschäfte eine Ver⸗ schuldung des Grund und Bodens eintritt, daß mit der Beseitigung der sonstigen Belastungsgründe gerade die Frage der Verschuldung einen stets einflußreicheren Charakter erhielte. Meine Herren, es be⸗ steht nun kein Zweifel darüber bei allen Herren, welche diese Verhält⸗ nisse aus der Praxis kennen und sie unbefangen würdigen, daß ernsthaft und entscheidend als Gründe der Verschuldung nur die Restkaufgelder und die Erbantheile in Betracht kommen. Es mögen ja erhebliche Summen für Meliorationen, Bauten u. s. w. verwendet werden; es mag ja in manchen Fällen die Verschuldung vorkommen infolge zu hoher Lebenshaltung der Besitzer; aber darüber kann kein Zweifel be⸗ stehen, daß der Hauptgrund der landwirthschaftlichen Verschuldung besonders resultiert aus Restkaufgeldern und Erbantheilen. (LLebhafter Widerspruch rechts) Sie sagen Nein. Ich halte diese Behauptung trotzdem aufrecht. Die Verschuldung hat sich besonders vermehrt, seitdem für unsern ländlichen Grundbesitz die vollständige Verschuldungs⸗ freiheit besteht. Diese Periode fiel zusammen mit einer Zeit der größten wirthschaftlichen Entwickelung aller Verhältnisse in unserem Vaterlande, mit einer hohen Steigerung des Er⸗ trage aus dem Grundbesitz. Diese Steigerung der Ver— schuldung, wie sie thatsächlich vorliegt denn wenn wir auch über den Gesammtumfang der Verschuldung keine bestimmte Kenntniß haben, so wissen wir doch, daß die Verschuldung nicht unerheblich sondern ziemlich erheblich von Jahr zu Jahr fortschreitet ich sage, die Periode dieser Steigerung fiel zusammen mit einer Zeit hoher landwirthschaftlicher Entwickelung. Wenn eine steigende Verschuldung erträglich ist, so lange die Gutserträge steigen, so wird sie unertrãäg⸗ lich, sobald die Gutserträge fallen, und es muß schließlich der Besitzer das Feld räumen. j

Es ist nun nicht bloß die Höhe und die Masse der Schulden, sondern auch die Art der Verschuldung, welche auf der Landwirth⸗ schaft lastet. Wir haben eigentlich bloß die Form 1der kündbaren Hvpotheken. Es ist der Versuch gemacht worden, durch das Renten⸗ gütergesetz die Rentenverschuldung einzuführen. Wir haben damit keinen Erfolg erzielt, soweit nicht durch das Gesetz, betreffend die Beförde— rung der Errichtung von Rentengütern, staatsseitig eingegriffen ist. Ist nun die Verschuldung und das Lasten der Hypothekenzinsen auf der Landwirthschaft bei fallendem Ertrage, wie ich anerkenne, das⸗ jenige Moment, welches auf die Dauer auf den Bestand eines unab— hängigen Grundbesitzerstandes am nachtheiligsten wirkt, so kann das Ziel nur sein, welches man ins Auge fassen muß, auf eine Be⸗ seitigung der kündbaren Hypothek zu drängen und eine Amortisations—

rentenverpflichtung an deren Stelle zu setzen. Meine Herren, es liegt

auf der Hand, daß dies ein so weit gehendes Gebiet ist, daß wan nicht daran denken kann, der Verwirklichung desselben in vollem Umfange auf einem Mal näher zu treten, und es mag dahingestellt sein, ob ein derartiges Ziel überhaupt erreichbar ist.

Wenn man jedoch den Gedanken ernsthaft verfolgt, auf dem Gebiet der Zinsbelastung der Landwirthschaft Wandel zu schaffen, so muß man unterscheiden die bestehende Verschuldung und die Verhütung einer künftigen Verschuldung. Bei der künftigen Verschuldung treten wieder die Fragen der Restkaufgelder und der Erbantheile in den Vordergrund. Wenn ich die Restkaufgelder voll⸗ ständig aus dem Spiel lasse und mich darauf beschränke, daran zu denken, ob und wie man der künftigen Verschuldung durch Erbtheilung entgegentreten kann, so drängt sich von vornherein eine ganze Reihe von Fragen auf. Man muß sich darüber klar sein, daß, wenn man einen leistungsfähigen Grundbesitzerstand erhalten will, mit diesem Ziel der Gedanke unvereinbar ist, daß man im Erbfalle sãmmtliche Erben an dem ländlichen Grundbesitz gleich beantheilen will; es ist unmöglich, diese beiden Ziele miteinander zu erreichen.

Ich erkenne an, und es ist ja Thatsache, daß bisher die Sitte in weiten Distrikten einer übermäßigen Verschuldung des ländlichen Grundbesitzes sich noch entgegengestemmt hat; aber das herrschende Erbrecht mit der Behandlung des Grundbesitzes wie sonstigen Kapitals und beweglicher Sachen wirkt dieser Sitte entgegen, und es wird wohl Veranlassung vorliegen, darüber nachzudenken, daß die Gesetzgebung wieder mit der Sitte mehr in Uebereinstimmung gebracht wird.

Verfolgt man also den Gedanken der Abgrabung der Ver⸗ schuldungsquellen des ländlichen Grund und Bodens durch Erbantheile weiter, so kommt man von selbst darauf, daß der Gutabnehmer das Gut zu einem mäßigen Anschlage erhalten muß, bei welchem er bestehen kann, daß nicht der Ankaufswerth bei der Auseinandersetzung zu Grunde gelegt wird, sondern der Ertragswerth. Es folgt weiter die Frage, ob die übrigen Erben mit Kapital was ich verneine oder mit Rente abzufinden sind. Wenn