1894 / 16 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

8 die

t ein Alter von ens 25 Jahren, für das passiwwe Wahlrecht ein Alter von min- destens 30 Jahren.

Vom Wahlrecht sind ausgeschlossen: . ehr e fanen welche nicht im itz der bürgerlichen Ehren-

e sind;

2) Personen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet ist, oder e, de der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung

erliegen.

ö . 3 ö den im § 5 enthaltenen Voraussetzungen sind wahlbere (

1 in selbständigen Gutsbezirken die Gutseigenthümer,

Y in Stadt und Landgemeinden die Eigentkimer und Pchter land · oder forstwirthschaftlich genutzter Gun fm deren Grundbesitz oder deren Pachtung in der betreffenden Gemeinde wenigstens den Umfang einer die Haltung von Jugvieh zu Bewirthschaftung er⸗ fordernden Ackernahrung bat, oder, für den Fall rein forstwirthschaft⸗ licher , zu einem ö Grundsteuer⸗Reinertrag von mindestens Einhundert und fünfzig Mark veranlagt ist.

Das Wahlrecht juristischer Personen, Genossenschaften, Altien⸗ gesellschaften oder unter Vormundschaft oder Pflegschaft stehender Per⸗ sonen wird durch deren gesetzliche Vertreter oder durch die von diesen zu bestellenden Bevollmächtigten ausgeübt.

Bei dem Staate, öffentlichen Korporatienen oder Stiftungen zu⸗ gehörigem Grundbesitz, dessen Nutznießung bestimmten Perfonen kraft eines von ihnen bekleideten öffentlichen Amts zusteht, tritt an Stelle des Eigenthümers für die Dauer der betreffenden Nutznießung der Nutznießer.

Durch das Statut kann die Berechtigung zum Wählen auch an die Eigenthümer, Nutznießer oder Pächter von kleinerem als dem zu Ziffer B angegebenen Grundbesitz verliehen werden.

5 * 2. den im S5 enthaltenen Voraussetzungen sind wählbar zu Mitgliedern der Landwirthschafts kammer:

; n, en. 58 6 Wahblberechtigten und deren Bevollmächtigte F 6 Abs. 2), . . Pächter solcher Güter, welche einen selbständigen Guts ejirk bilden,

3) im Bezirk der Landwirthschafts kammer wohnende Personen, welche in dem Bezirk nach 5 6 wahlberechtigt oder nach Ziffer 2 wählbar gewesen sind,

4 im Bezirk der Landwirthschafts kammer wohnende Personen derjenigen Berufe, welchen durch das Statut die Wählbarkeit aus- drũcklich beigelegt ist. .

§ 8. . sind die Landkreise. Stadtkreise können behufs Theilnahme an den Wablen mit benachbarten Landkreifen zu einem Wahlbezirk vereinigt werden. Die näheren Bestimmungen hierũber trifft der Minister.

In jedem Wahlbezirk sind mindestens zwei Mitglieder zu wählen. Von den in jedem Wahlbezirk zu wählenden Mitgliedern muß min⸗ destens eines nach den Bestimmungen der für den betreffenden Kreis gültigen Kreisordnung dem Wablverband der größeren ländlichen Grundbesitzer, in der Provinz Posen dem Stande der Ritterguts⸗ besitzer, ein anderes dem Kreise der übrigen nach 57 wählbaren Per⸗ sonen angehören.

§ 9. Die Wabl der Mitglieder erfolgt durch Wahlmänner, von denen je einer auf jeden selbständigen Gutsbezirk und auf jede Ge— meinde des Wahlbezirks entfallt. .

Wahlmann für den Gutsbezirk ist der Gutsbesitzer und, falls er das Recht nicht selbst wahrnimmt, der Guts vorsteher.

Fär jede Gemeinde wird von den Wahlberechtigten für die Dauer der Wahlperiode 15) aus den nach SF§5 5, G und? wähl⸗ baren Personen ein Wahl mann gewählt. Fallen? die Voraussetzungen der Wählbarkeit fort, so erlischt damit die Eigenschaft als Wahl⸗ mann. Jedem Wähler kommt bei der Wahlmännerwahl ein Stimm⸗ recht zu, welches dem Grundsteuer⸗Reinertrage des von ihm per- tretenen, in der betreffenden Gemeinde belegenen Besitzes unter Weg⸗ Mwfall der Thalerbruchtheile entspricht, jedoch ein Drittel aller Stimmen der Gemeinde nicht überfteigen darf. Bei verpachteten Grundstũcken kann das Wahlrecht von dem Eigenthümer oder Nußnießer ganz oder theilweise durch schriftliche, dem betreffenden Gemeindevorstande ein- zureichende Erklärung auf den Pächter übertragen werden. Sofern dies nicht geschehen, hat der Pächter nur ein dem Mindestmaß des Stimmrechts in dem Landwirthschaftẽ kamm rbezirke entsprechendes Stimmrecht.

§ 10. Die Wahlmãnnerwahlen erfolgen auf Grund von Wähler⸗ listen, welche für den Gemeindebejirk von dem Gemeindevorstand unter Anführung des auf jeden Wahlberechtigten entfallenden Grund= steuer⸗Reinertrags bezw. Stimmrechts aufzuftellen sind. Vor der Wahl müssen die Listen, nach vorheriger ortzüblicher Bekannt— machung, an geeigneter Stelle eine Woche lang öffentlich aus⸗ gelegt werden.

Sinwendungen gegen die Listen sind während der Offenlegung derselben an den Gemeindevorstand zu richten. Gegen dessen Ent⸗ scheidung, sowie beim Ausbleiben einer solchen gegen die Festsetzungen der Liste selbst, kann innerhalb drei Tagen nach beendeter Auslegung, unter Beifügung des erforderlichen Beweismaterials, bei dem Landrath Beschwerde eingereicht werden.

Der Landtath entscheidet über die erhobenen Einwendungen endgültig.

Der nicht rechtzeitig in die Wablliste Eingetragene ist für die betreffende Wahl von der Ausübung seines Wahlrechts ausgeschlossen.

511. Das Wablgeschäft leitet der Landrat. Er setzt auf Ersuchen der Landwirthschaftskammer für die Wahlmänner und Mitgliederwahlen die Termins fest und macht dieselben mindestenz zwei Wochen vor der Wahlmännerwahl öffentlich bekannt. Die Wahlen erfolgen nach absoluter Stimmenmehrheit, bei Stimmen— gleichheit entscheidet das durch den Vorsitzenden zu ziehende Loos. Ergiebt ein Wahlgang nicht die absolute Mehrheit, so findet eine Stichwahl zwischen denjenigen beiden statt, welche die meiften Stimmen erhalten haben.

Die Einjelheiten der Wahlen regelt eine von dem Minister zu erlassende Wahlordnung.

5 125. Die Wahlmännerwahl erfolgt unter der Leitung eines Wahlvoꝛstandes, welcher aus dem Gemeindevorsteber als Vorsitzenden und zwei von diesem bestellten Beisitzern besteht. durch Stimmabgabe zu Protekoll. In Stadtgemeinden wird der BVorfitzendẽ des Wahl— vorftands vom Gemeindevorstand bestimmt.

Der Wahlberechtigte kann sich durch einen schriftlich zu legiti⸗ mierenden Bevollmächtigten vertreten laffen.

Ueber die Legitimation der Wahlberechtigten oder ihrer Vertreter entscheidet der Wahlvorstand.

Der Wahlvorstand hat das Ergebniß der Wablmännerwahl unter Beifügung des Wahlvrotokolls scfort nach der Wahl dem Landratt mitzutheilen. Die Liste der Wahlmänner ist von dem Landrath zu verõffentlichen.

S8 13. Die Wabl der Mitglieder der Landwirthschafts kammer erfolgt unter der Leitung eines Wahlvorstandes, welcher aus dem Land⸗ rath als Vorsitzenden und jzwei von ihm aus der Zahl der Wahl⸗ männer zu bestellenden Beisitzern bestebt.

Ueber die Legitimation der Wahlmänner entscheidet die Wahl⸗ männerversammlung. Jedem Wablmann kommt bei der Mitgfieder⸗ wahl ein Stimmrecht zu, welches dem Grundsteuer Reinertrage des von ibm vertretenen Guts. oder Gemeindebezirks entspricht, jedoch ein Drittel aller Stimmen des Wahlbezirks nicht übersteigen darf. Die Stimmen werden für jedes zu wählende Mitglied gesondert zu Pro⸗ tokoll gegeben. Stellvertretung der Wahlmänner sst. vorbehaltlich der ö im zweiten 4 des § 9, nicht zulãssig.

S 14. Das Ergebniß der Mitgliederwahl ist von dem Wahl vorstande der Landwirthschafte kammer unter Beifügung des Rahl⸗ vrotokolls mitzutheilen. Gin sprũche 8 Landwirthschafts kammer end gultig nf h reden

5 15. Die

, cheidens.

stigen den Rest der Wahlperiode statt= j estens ein volles Jahr beträgt. Einer wahl muß eine Ergänzung der Wahlmänner durch Neu— wahlen für den Rest der Wahlperiode da vorhergehen, wo ein Wahl. mann durch den Tod oder sonstwie ausgeschichen und dies dem Tand⸗ rath angezeigt ist. .

§ 16. Jeder in der Person eines Mitglieds eintretende Umstand, welcher dasselbe, wenn er vor der Wahl vorhanden gewesen wäre, von der Wählbarkeit ausgeschlossen haben würde, hat das Erlöͤschen der Mitgliedschaft zur Folge. Die Landwirthschaftskammer kann ein Mitglied, welches nach ihrem Urtheil durch feine Handlungsweise die öffentliche Achtung verloren hat, nach Anhörung desfelben, durch Beschluß von wenigstens zwei Drittheilen ihrer Hein el aus der Kammer ausschließen.

In derselben Art kann die Landwirthschaftsfammer ein Mitglied, . welches ein gerichtliches Strafverfahren eröffnet wird, bis nach

schluß desselben von Feiner Stellung vorlãusñig entheben.

Gegen die Beschlüsse der Landwirthschaftskammer steßt den Be—⸗ troffenen die Beschwerde an den Provinzialrath zu, dessen Ent⸗ . endgültig ist. Die Beschwerde hat keine aufschiebende

n

g.

§ 17. Alle drei Jahre wählt die Landwirthschaftskammer aus ihrer Mitte einen Vorstand, welcher aus mindestens fünf Mitgliedern und fünf Stellvertretern bestehen muß. Diefer Vorstand if 23 seiner Mitt einen ersten und einen zweiten Vorfitzenden, welche gleichseitig Vorsitzender bezw. stellvertretender Vorsitzender der Land⸗ wirthschaftskammer sind.

Bei dauernder oder vorũbergehender Verhinderung eines Vorstands⸗ mitgliedes werden die Stellvertreter in der Reihenfolge ihres Lebens alters einberufen.

S 18. Die Landwirthschaftskammer ist berechtigt, einzelne Aus— schüsse aus ihrer Mitte zu kilden und mit besonderen, regelmãßigen oder vorübergehenden Aufgaben zu betrauen. Viese Ausschüsse haben ihrerseits das Recht, sich bis zu einer von der Landwirthschaftekammer festjusetzenden Zahl durch Nichtmitglieder der Kammer zu ergänzen. Sie fassen ihre Beschlüsse selbstãndig. dieselben sind aber, soweit die Landwirthschaftẽ kammer den Ausschüssen nicht bestimmte selbstãndige Aufgaben zugewiesen hat, der Landwirthschafts kammer oder dem Vor stand zur Bestätigung vorzulegen.

§z 19. Die Mitglieder und Stellvertreter versehen ihr Amt un—⸗ entgeltlich. Doch kann ihnen eine den bagren Auslagen für die Theil nahme an den Sitzungen und die Ausführung befonderer Auftrãge entsprechende Entschãdigung durch Beschluß der Landwirt schafts kammer gewãhrt werden.

§ 26. Der Geschäftsgang der Landwirthbschaftskammer wird in

einer ö. ihr festzusetzenden und zu veröffentlichenden Geschãfts ordnung geregelt. Die Sitzungen der Landwirthschafts kammer sind öffentlich. Gegenstãnde, welche sich nach Bestimmung der Landwirthschafts kammer zur öffentlichen Berathung nicht eignen, sowie diejenigen, welche von der Staatsregierung unter Beding der Geheimhaltung mitgetheilt werden, sind in geheimer Sitzung zu behandeln.

Ueber die Verhandlungen werden Protokolle geführt, welche inner⸗ halb vier Wochen dem Minister abschrfftlich einzusenden sind.

Die Tage der Sitzungen der Landwirthschaftskammer und des Vorstands sind rechtzeitig dem Minister und dem Ober⸗Präsidenten mitzutheilen. Die Vertreter der Staatsregierung sind jederzeit zum Wort zu verstatten.

S211. Die der Landwirthschaftekammer für ihren gesammten Geschäftsumfang entstehenden Kosten werden von ihr, soweit sie nicht durch anderweite Einnahmen gedeckt werden, auf die wahlberechtigten Eigenthümer bezw. Nutznießer ihres Bezirks nach dem Maßstabe des mit Wegfall der Thalerbruchtheile abzurundenden Grundfteuer: Rein⸗ ertrages der betreffenden Besitzungen vertheilt, von den Gemeinden und Gutsbezirken auf Anweifung des Regierungs-Präsidenten erhoben und durch Vermittelung der Kreis- (Steuer-) Kassen an die Land⸗ wirthschafts kammern abgeführt. Die Beitragspflicht für die Land⸗ wirthschaftskammer ist den gemeinen öffentlichen Laflen gleichzuachten. Rückstãndige Beiträge werden in derselben Weise wie Gemeindeabgaben eingezogen. Die Beschwerde gegen die eingeforderten Beitrãge ist innerhalb zwei Wochen nach der Zahlungsaufforderung an den Vor⸗ stand der Landwirthschaftskammer zu richten, der über dieselbe be⸗ schließt. Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen nach der Zustellung die Klage, in dem Bezirke der Landwirthschafts kammer für die Provinz Brandenburg beim Bezirksausschusse zu Potsdam, in den übrigen Landwirthschaftẽkommern bei dem Bezirksausschusse des⸗ jenigen Bezirks statt, in dem die Landwirthschafts kammer ihren Sitz hat. Gegen das Endurtheil des Bezirksausschusses ist nur das Rechts⸗ mittel der Rexision zulaͤssig.

Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

522. Die Landwirthschafte kammer hat ö einen Etat auf⸗ zustellen, öffentlich bekannt zu machen und dem Minister vorzulegen. Sofern die Umlagen ein Prozent des Grundsteuerreinertrags nicht überschreiten, sind die Landwirthbschaftskammern berechtigt, die Festsetzung der zu zahlenden Beiträge selbständig vorzunehmen; darũber inaus bedürfen sie der Genehmigung des Ministers. Ihr Kassen⸗ und Rechnungswesen ordnen die Landwirthschafts kammern selbftãndig. S253. Die Landwirthschaftskammer kat die rechtliche Stellung einer Korporation nach Maßgabe der im Allgemeinen Landrecht hier⸗ für gegebenen Bestimmungen. Sie wird nach außen vertreten durch ihren Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter. Alle Urkunden, welche die Landwirt bschaftskammer vermögensrechtlich verpflichten sollen, sind unter deren Namen von dem Versitzenden oder dessen Stellbertreter und noch einem Mitgliede des Vorstands zu voll ʒiehen.

Die Landwirthschaftskammer führt als Siegel den Preußischen

Adler mit der Umschrift:

Landwirt hschaftẽ kammer fũr Das staatliche Aufsichtzrecht über die Landwirtbschaftekammern wird durch . Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten ausgeübt.

S2. Alliäbrlich einmal und zwar bis zum 1. Mai haben die

Landwirthschaftkammern dem Minister ber die Lage der Landwirth⸗ schaft ibres Bezirks zu berichten. Von fünf zu fünf Jahren haben sie einen umfassenden Bericht über die gesammten landwirthschaftlichen Zuffände ihres Bezerke an den Minister zu erstatten. Alle Berichte an die Zentralbehõrden sind durch den Ober⸗Prãsit enten vorzulegen.

8 23. Auf den Antrag des Staats⸗Ministeriums kann eine gandwirthschaftẽ kammer durch Königliche Verordnung aufgelõst werden. Es sind sodann Neuwahlen anzuordnen, welche innerhalb drei Monaten, vom Tage der Auflösung an, erfolgen muüssen. Die neugewählte Land⸗ wirthschafts kammer ist innnerhalb fechs Monaten nach erfolgter Auf⸗ 1 zu berufen.

ber die zwischenzeitliche Geschäftsfübrung und Vermögen? verwaltung der Landwirthschafte kammer trifft der Minister die er⸗ forderlichen Anordnungen. 5.26. Nach Anhörung der Landwirthschaftskammer können durch den Ninifter für bestimmt: nach Wahlbenmnken abzugrenzende Theil des Gebiets der Landwirthschaftskammer Unterverbande der Dand— wirthschaftskammer errichtet werden. Das Verhältniß dieser Unter verbände zu der Landwirthschaftẽ kammer sst durch Statut zu regeln.

en die Wahl werden von der

Die Errichtung. Verfassung und Geschäftsfübrung er Unterverbände regelt sich nach den für die Landwirthschafts kammer geltenden Be⸗ stimmungen. Auf das Wahlrecht, das Wahlverfahren und die Auf⸗

Kreises der und an die Stelle des Landraths der Ober⸗

3 Wit der Jueführung dicses GesKes ist der Mhister Landẽeinthiche . om e. 83 2. er Minister für

Die Allgemeine Begründung hierzu lautet:

Das Verlangen nach Landwirthschaftskammern oder doch nach ähnlichen Ginrichtungen, welche auf eine wirkfame Vertretung des lanꝛwirthschaftli Berufsstandes abzielen, ist zuerst im Landes. Dekonomiekollegium aufgetreten. Im Jahre 1884 wurde die Frage zur Diskussion gestellt: Welche Maßnahmen sind zu ergreifen., um die Thätigkeit der landwirthschaftlichen Vereine neu zu beleben und namentlich um eine regere Betheiligung der bäuerlichen Landwirthe an den land— wirthschaftlichen Vereinsbestrebungen kerbeizufuühren?“ und hierzu der folgende Antrag eingebracht:

Das Landes Oekonomiefollegium wolle beschließen, den Land⸗ wirthschafts Minister zu erfuchen⸗

I) nach Anhörung der Vertretungen der landwirthschaftlichen Zentralorgane zu erwägen, ob es rathfam und ausfũhrbar, den landwirthschaftlichen Vereinen zur Förderung ihrer Be⸗ strebungen neben den Staats zuschüsfen durch Einrãumung eines Besteuerungsrechts größere Mittel, als bisher, zur Verfügung zu stellen; . das Ergebniß dieser Verhandlungen und Erwägungen dem Landes Dekoenomiekollegium in der nächsten Sitzung mitzu⸗ zutheilen. (Verhandlungen des Landes · Oekonomiekollegiums 1. Supplement des XIII. Bandes der Landwirthschaftlichen Jahrbücher S. 89.)

Das dandes · De konomiekollegium trat damals in eine sachliche Diskussion dieser Frage nicht ein, sondern beschloß, den Antrag kommissarisch vor⸗ berathen zu lassen. .

Infolge dieses Beschlusses wurden die landwirthschaftlichen Zen⸗ tralvereine zur Aeußerung aufgefordert; die erstatteten Berichte wurden einer Kommission vorgelegt. Im Plenum deg Kollegiums kam diese Angelegenheit sorann im Jahre 1885 zur Verhandlung (3. Supplement des XIV. Bandes der Landwirthschaftlichen Jahr⸗ bücher S. 287 u. f.). Aus den Verhandlungen ist hier hervor- zubeben, daß die landwirthschaftlichen Zentralvereine sich in ihrer großen Mehrzahl gegen die Verleihung eines Besteuerungsrechts an die landwirthschaftlichen Vereine ausgesprochen batten, zum theil allerdings in der irrthümlichen Auffaffung, es solle sich nur um ein Bestererungsrecht gegen ihre Mitglieder und nicht gegen die Land⸗ 2 im allgemeinen handeln. Angenommen wurde der folgende Antrag:

Das Landes. Dekonomiekollegium wolle beschließen, über den An⸗ trag auf. Gewährung des Besteuerungsrechts an die landwirth— wirthschaftlichen Vereine zur Tagesordnung überzugehen, weil

I) die Vereine selbst nach den von ihnen abgegebenen Erklärungen auf ein solches Recht, wenigstens zur Zeit, keinen Werth

legen, und weil

2) die in naher . anscheinend auch für das landwirthschaftliche Gewerbe in Aussicht stehende Bildung von Berufsgenossen⸗ schaften vielleicht geeignete Vertretungsorgane der Landwirth⸗=

* schaft schaffen wird, denen im Falle des Bedürfnisses ein

Besteuerungsrecht gewãhrt werden könnte.“

Hierauf ruhte diese Frage, bis im Jahre 1880 der landwirth— wirthschaftliche Zentralverein der Propin; Sachfen beantragte, im ane Dekonom ck legium folgenden Gegenstand zur Berathung zu stellen:

Die Frage der Vermehrung der Einnahme unserer Zentralvereine durch ein, selbstverftändlich nur beschränktes Besteuerungsrecht der Landwirthe, ähnlich wie es durch Gefetz im Königreich Sachsen für den Landes⸗Kulturrath durchgeführt ist und von den Handelskammern bei den im Handelsregister eingetragenen Kaufleuten eschieht.

Auf Grund eines diesem Antrage entsprechenden Beschlusses wurde sodann vom Landes⸗Oekonomiekollegium am 14. November 1896 beschlossen:

»den Minister für Landwirthschaft zu ersuchen, nach An— börung der landwirthschaftlichen Zentralvereine und kommissarischer Berathung der Berichte dieser Vereine durch eine Kommission des Kollegiums die Frage in geneigte Erwägung zu nehmen und dem Kollegium wieder vorzulegen, ob nicht die Wirkfamkeit und vor allem die finanzielle Selbständigkeit der landwirthschaftlichen Ver⸗ eine dadurch erheblich gesteigert werden könne, daß auf gesetzlichem Wege die Möglichkeit geschaffen werde, in denjenigen Provinzen, in welchen hierzu ein Bedürfniß hervortritt, den landwirthschaft⸗ lichen Vereinen eine Organisation ähnlich der der Handelskammern zu verleihen. .

Von den zur Berichterstattung aufgeforderten landwirthschaftlichen Zentralvereinen sprachen sich gegen den Antrag aus: die landwirth⸗ schaftlichen Zentralrereine für Ostpreußen, für Littauen und Masuren, für Westyren zen, für Posen, für Neuvorpommern, für Schlesien, für Weftfalen, für Nassau, für die Rbeinprobinz, für Sigmaringen; un⸗ entschieden äußerten sich die landwirthschaftlichen Jentralbereine für Hannover, für Schleswig⸗Holstein; für den Antrag erklärten sich die landwirthschaftlichen Zentralvereine für Hinterpommern, für die Mark Brandenburg, sür Sachsen und für Gaffel. Die Vereins berichte wurden einer Kommission zur Vorberathung vorgelegt. Die Kommission hielt es bei der ablehnenden Haltung der 5 der landwirthschaftlichen Zentralvereine nicht fur angejeigt, schon jetzt zu einer weiteren Verfolgung des sãchsischen ee, e. überzugehen und in eine Berathung der Einzelheiten der vorgeschlagenen DOrganisation einzutreten, sie konnte sich aber in ihrer Mehrheit auch nicht einem Antrage anschließ en. wonach überhaupt ein Bedũrfniß zu einer Aenderung der landwirthschaftlichen Vereinsorganisation nicht vorliege, sondern sie nahm mit allen gegen zwei Stimmen den nachfolgenden Antrag an:

„Die Kommission verkennt nicht die mannigfachen Schmwierig= keiten und Bedenken, welche sich dem Antrage des landwirthschaft⸗ lichen Zentralvereins für die . Sachsen entgegenstellen. Sie bält aber das Bedürfniß nach einer Vermehrung der Mittel Ter landwirthschaftlichen Vereine und einer Stärkung und allgemeineren. Ausbreitung ibrer Organisation für so dringend, daß sie empfiehlt. dem sächsischen Antrage wenigstens in der Form näher zu treten, daß eine Kommission des Kollegiums beauftragt wird. die dem sächsischen Antrag zu Grunde liegenden Gedanken zu einem ans⸗ führlichen Organisationsplan auszuarbeiten. U

Hierauf beschloß das Landes⸗Dekonomie⸗Kollegium am 16. und 17. November 1891, die Angelegenheit wieder an die Kommisston zurückzuverweisen, um in Form eines zu entwerfenden Organisations⸗ plans des landwirthschaftlichen Vereins wesens eine weitere Äusge⸗ staltung der dem sächsischen Antrage zu Grunde liegenden Gedanken zu versuchen.

Amtmann.

(Schlu5 in der Vierten Beilage)

M 16.

(Schluß der Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes über die ö aus der Dritten Beilage.)

Die Kommission beschloß, dem Plenum des Kollegiums den nach— folgenden Antrag zu unterbreiten; .

Das Landes⸗Oekonomie Kollegium wolle beschließen: .

J. Es ist dringend wünschenswerth, daß im Wege der Gesetz⸗ ebung die Möglichkeit eröffnet werde, den landmirtkschaftlichen

inen auf ihren Antrag eine Organisation und Zustãndigleit ähnlich derjenigen der Handelskammern zu verleihen.

II. Fur diese Gesetzgebung empfiehlt das Landes⸗Oekonomie⸗Kolle⸗ gium, von nachfolgenden grundlegenden Gesichtẽ punkten auszugehen:

IN) Unter Landwirthschafts kammer ist eine solche staatlich aner⸗ kannte Gesammtvertretung der Landwirthe eines beftimmten Bezirks verstanden, welche, aus Wahlen hervorgegangen, dazu berufen ist, die Gesammtinteressen der Landwirthschaft ihres Bezirks zu vertreten und durch zweckentsprechende Einrichtungen zu fördern.

2) Die Einrichtung von Landwirthschafts kammern muß sich der bestehenden landwirthschaftlichen Vereins organisation anschließen.

Die Rechte und Pflichten einer Landwirthschaftskammer können solchen landwirthschaftlichen Zentralvereinen übertragen werden, welche den Bezirk einer Provinz umfassen. Aus besonderen Gründen können ausnahmsweise bestehende landwirthschaftliche Zentralvereine, welche sich nur auf Theile einer Provinz erstrecken, in Landwirthschafts⸗ kammern umgewandelt werden. . ; ;

3) Die Umwandelung eines landwirthschaftlichen Zentralvereins ij 3 Landwirthschaftẽ kammer darf nur auf Antrag desselben

olgen. . ;

Dem Antrage ist ein den Vorschriften des Gesetzes entsprechendes, ordnungsmãßig beschlossenes Verfassungestatut anzuschließen. .

Der Entwurf Des neuen Vereinsstatuts muß mindestens drei Monate vor der Beschlußfassung den angeschlossenen Haupt- und Zweigvereinen mitgetheilt und auf geeignetem Wege zur öffentlichen Kenntniß gebracht werden. ö.

) Ueber den Antrag des landwirthschaftlichen Zentralbereins be⸗ schließt der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten.

Das Statut und alle späteren Aenderungen desselben bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Bestäligung des Ministers.

5) Durch das bestätigte Statut werden die Verfassung der Land— wirthschaftskammer und ihre Rechte und Pflichten festgestellt. ö

6) Die Mitglieder der Landwirthschafts kammern werden gewählt. Die Wabl ist eine direkte. Indirekte Wahlen sind ausgeschlofsen.

Jeder. Landwirth, welchem durch das Statut eine Beitragspflicht auferlegt wird, ist, vorbehaltlich der in analogen Fällen üblichen Aus⸗ nahmen, pafsiv wählbar und berechtigt, bei den Wahlen mindestens eine Stimme zu führen. Durch das Statut kann die passive Wähl⸗ barkeit auch nicht beitragepflichtigen Personen beigelegt werden. Ueber die Abstufung der Stimmberechtigung nach Maßgabe der statuten— mäßigen Beitragsleistung bestimmt das Statut, Es darf jedoch kein Stimmberechtigter mehr als ein Drittel aller Stimmen auf sich ver— einigen.

93) Die Wablbezirke für die Landwirthschafts kammern bilden die ihrem Bezirke angehörigen Kreise. Jeder Kreis soll in der Kammer Durch mindestens ein Mitglied vertreten sein. Aus besonderen Gründen können ausnahmsweise mehrere Kreise zu einem Wahlbezirke verbunden oder einzelne Kreise in mehrere Wahlbezirke getheilt

werden.

8) Die den vorstehenden Bestimmungen entsprechend errichteten Landwirthschaftskammern sollen ermächtigt sein, die Berufsgenossen innerhalb der gesetzlich festgestellten Grenzen zur Deckung der aus ihrer Thätigkeit entspringenden Kosten im Wege der Besteuerung heranzuziehen. . . .

Das Statut bestimmt über den Beitragsmaßstab, über die Ab⸗ stufung der Beitrage leistung, sowie darüber, welche Berufs genossen von der Beitragsleistung befreit werden sollen. Die Gesammtsumme der in einem Jahre zu erhebenden Beiträge darf ohne ausdrũckliche Genehmigung des Ministers 5 c der im Bezirke der Landwirthschafts⸗ kammer aufzubringenden Grundsteuer nicht übersteigen. .

9) Die Ausführung des bestätigten Statuts liegt dem Vorstande des Zentralvereins ob. Mit der Umwandlung eines landwirthschaft⸗ lichen Zentralvereins in eine Landwirthschaftckammer gehen das ge— sammte Attiv. und Passivpermögen des Vereins zu bestimmungs⸗ mäßiger Verwaltung und Verwendung auf die Landwirthschafts⸗ kammer über. . .

III. Das Landes⸗Oekenomiekollegium richtet an den Minister die Bitte, im vorstehenden Sinne die Bildung von Landwirthschafts⸗ kammern ins Auge fassen zu wollen.“ . ö .

Von diesem Antrage wurde im Plenum des Kollegiums am 15. und 16. November 1893 in namentlicher Abstimmung der prinzipielle Absatz I mit 18 gegen 8 Stimmen angenommen. Die übrigen Ab— sätze wurden mit den Amendements in II1 statt Landwirthe zu sagen: Land. und Forstwirthe, und statt Landwirthschaft zu sagen: Land— und Forstwirthschaft, und am Schlusse hinzuzufügen: sowie bei allen die Landwirthschaft berührenden Gesetzentwürfen gehört zu werden“ angenommen. . -) K

Inzwischen hatte sich in den landwirthschaftlichen Kreisen eine lebhafte Bewegung für und gegen die Errichtung von Landwirth⸗ schaftkammern erhoben, und mehrfache Eingaben landwirthschaftlicher Vereine gelangten an das landwirthschaftliche Ministerium, in welchen die baldige Errichtung solcher Kammern beantragt wurde. Auch das Abgeordnetenhaus hat sich am 3. und 4. Juli 1893 mit dieser Frage beschäftigt und auf Antrag des Ab eordneten Freiherrn von Los und Genossen den nachfolgenden Veh le gefaßt J

die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, die korporative Orga⸗ nisation des Berufsstandes der Landwirthe unter Beschaffung eines besonderen, der Natur dieses Standes entsprechenden und die ihm eigenthümlichen Verhältnisse berücksichtigenden Agrarrechts vor⸗ zubereiten und den Häusern des Landtags möglichst bald dahin zielende Vorlagen zu machen. . .

In dem Verlangen nach Landwirthschaftskammern begegnen sich nach dem vorstehend Mitgetheilten zwei Richtungen.

Auf der einen Seite will man eine bessere Vertretung der Interessen der Landwirthschaft bei allen Maßnahmen der Gesezgebung und Verwaltung erreichen, auf der anderen Seite wünscht man größere Mittel zur Förderung des technischen Fortschritts der Land⸗ wirthschaft zu gewinnen, in beiden Fällen follen auf die Landwirth= schaftẽkammern die Aufgaben übergehen, welche bis jetzt den land. wirthschaftlichen Vereinen obgelegen haben. Denn diese seien zu einer genügenden Interessenvertretung nicht befähigt, da sie nur etwa des hier in Betracht kommenden Theils der ländlichen Be völkerung umfaßten, also um so weniger den Anspruch erheben könnten, die ganze Landwirthschaft zu vertreten, als die verschiedenen Besitzklassen in jenem Drittel nur sehr ungleichmäßig vertheilt seien. Die landwirthschaftlichen Vereine seien auch nicht, wie die Er⸗ fahrung gezeigt habe, in der Lage, sich die zu einem erfolgreichen Eingreifen in die Verbesserung des landwirthschaftlichen Betriebes erforderlichen Geldmittel aus eigener Kraft durch freiwillige Beiträge zu verschaffen, und ihre gemeinnützige Wirkfamkeit sei in hohem Grade abhängig von staatlichen Zuwendungen. Es sei ein auf die Dauer unhaltbares Verhältniß, daß die Minderheit der Landwirthe Zeit, Geld und Arbeitskraft in gemeinnützigen Bestrebungen opfere, welche dem ganzen Stande der Landwirthe zu gute kommen, und es sei mindestens zu verlangen, daß die zahlreichen, jetzt dem Vereinsleben

V i erte Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Freitag, den 19. Januar

fernftebenden Landwirte, wenn man sie auch jut Mitarbeit nicht zwingen könne, wenigstens mit zu den Kosten jener gemeinnũtzigen

Bestrebungen beitrũgen.

Wenngleich diesen Ausführungen ein hohes Maß von Berechtigung nicht abzusprechen ist so würde darin doch nur die Veranlaffung zu einer fakultativen Umwandlung der landwirthschaftlichen Vereine in Landwirthschafts kammern mit ber mn, Aufgaben erblickt werden können. Die in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagene allge⸗ meine obligatorische Einführung von 2 ndwirthschaftẽ kammern als einer korporativen Organisation des ganzen landwirthschaftlichen Berufsftandes bedarf einer, weitergehenden Begründung. Cine sosche findet die Staatsregierung in der gesammten Lage der Landwirthschaft und der Nothwendigkeit der Ergreifung umfasfender Maßregeln zur Gesundung derselben. Die gegenwärtige Lage der Landwirthschaft verlangt eine wirksamere Zusammenfassung der landwirthschaftlichen Kräfte, um der Landwirthschaft die Vortheile zugänglich zu machen, welche die gemeinsame Organisation für wirthschaftliche Zwecke aller Art allein zu gewähren im stande ist. . .

Das Interesse des Staats an gefunden landwirthschaftlichen Ver⸗ hältnissen ist ein doppeltes. Eine möglichst hohe landwirthschaftliche , ,,. auf dem vaterländischen Boden fördert nicht nur den

ationalreichthum direkt, sondern gewährt auch der übrigen Güter⸗ erzeugung eine sichere Grundlage und macht in dem Maße, wie sie zur Ernährung der eigenen Bevölkerung ausreicht, von der Versorgung aus dem Auslande unabhängig. Wichtiger aber noch als die Höhe der landwirthschaftlichen Produktion an sich ist für den Staat die Lage der landwirthschaftlichen Bevölkerung. Denn gerade der moderne Staat mit der Neigung zur Steigerung der städtischen und industriellen Entwickelung kann immer weniger, nicht nur im Interesse der Landes⸗ vertheidigung, sondern auch zur Erhaltung der ganzen Volkskraft der roßen Quellen physischer und moralischer Kraft entbehren, welche die ändliche Bevölkerung darbietet, wenn sie in gedeihlichen Verhältnissen sich befindet. Hierzu gehört voör allem eine richtige Besitzpertheilung und ein Befreitbleiben von erdrückenden Lasten und Verpflichtungen.

Die preußische Agrargesetzgebung hat diese Ziele nie aus den Augen verloren, nur über die besten Mittel und Wege zum Ziele haben verschiedene Auffassungen Platz gegriffen. Darũber hat kein Zweifel bestanden, daß die Aufgaben der Landwirthschaft und der Landwirthe sowohl in Beziehung auf die landwirthschaftliche Pro⸗ duktion, wie in Bezug auf alle sozialen und politischen Funktionen vollkommen zufriedenstellend nur von in jeder Beziehung unabhãngigen freien Besitzern auf eigener Scholle erfullt werden könnten. Allein während man dementsprechend alle Feudallasten nicht nur zwangsweife ablöste, sondern auch ihrer freiwilligen Wiedererstehung gesetzliche Hemmnisse und Beschränkungen der Vertragsfreiheit entgegenstellte, glaubte man eine richtige Besitzvertheilung und Schuldenfreiheit am kesten dadurch zu sichern, daß man eine möglichst freie Verfügungs⸗ befugniß in Bezug auf Vertheilung und Verschuldung einführte. Ge⸗ wiß verkannte man nicht die Gefahren einer zu weit gehenden Ver⸗ schuldung, aber aus den eigenen Worten des Landeskulturedikts vom 14. September 1811 (GefetzSamml. S. 300 ff.) geht es deutlich her⸗ dor, daß man zu der wirthschaftlichen Einsicht der Landwirthe das Vertrauen hatte, sie würden die Verkaufsfreibeit stets benutzen, um durch Abverkauf einzelner Besitztheile den Rest schuldenfrek zu ge⸗ stalten. Die jetzt nahezu hundertjährige Erfahrung hat gezeigt, daß diese Erwartungen nicht in Erfüllung gegangen sind, und daß als Er⸗ gebniß der wirthschaftlichen Entwickelung unter der bestehenden Gesetz⸗ gebung eine immer weiter gehende Verschuldung eingetreten ist, welche bei sinkenden Erträgen den Charakter einer nationalen Kalamität an zunehmen droht. . -

Nach den neuerlichen Erhebungen des statistischen Bureaus über die Hypothekenbewegung in Preußen“) ist anzunehmen, daß der ge— sammte ländliche Grundbesitz mit einem Grundsteuerreinertrage von rund 409 Millionen Mark mit etwa 1093 bis 114 Milliarden Mack Bvpotheken beschwert ist, und zwar hat die Verschuldung seit 1886 um 900 Millionen, seit 1882 um etwa 15 Milliarden Mark, also um das 3 fache des gesammten Grundsteuerreinertrages zugenommen. Auf den bäuerlichen Besitz mit einem Grundsteuerreinertrage von rund 260 Millionen Mark jener Schuldenlast etwa 6 Milliarden Mark entfallen. Die Belastung r und kleinbäuerlichen Besitäz auf das annähernd 2 e, bei dem allodialen ĩ s f das 32 fache des Grundstener⸗ reinertrages ' Nimmt man an, daß im großen Durchschnitt etwa der 60 fache Srundsteue einertrag dem Verkehrswerthe entsprach, und daß eine Verschuldung zur Hälfte, also zum 30 fachen Ertrage, schon bedenklich ist, o ergiebt sich aus Vorstehendem, daß das erste und beste Werthsdrittel des bäuerlichen Grundbesitzes bereits ver⸗ schuldet ist, der größere Grundbesitz aber die Verschuldungsgrenze überschritten kat, innerhalb deren der Grundbesitzer noch den Räck⸗ schlägen, wie sie das Schwanken der landwirthschaftliche Produktiont⸗ bedingungen mit sich bringt, gegenüber Stand zu halten vermag.

Als Gründe der überhandneh menden Verschuldung fallen die Kre⸗ ditierung von Restkaufgeldern und die Eintragung von Erbantheilen entscheidend in daz Gewicht, während auf Mellorationsgelder oder auf zu hohe Lebenshaltung der Bestßzer nur ein geringerer Bruchtheil der dorhandenen Verschuldung zu rechnen ist. Die Verkaufspreife und die Uebernahmewerthe im Erbfalle stellen sich deshalb so hoch und namentlich in letzterem Falle meistens zu hoch, weil den Abmachungen der Verkehrswerth und nicht ein auch unter ungünstigen Verhältnissen noch zutreffender Ertragswerth zu Grunde gelegt wird.

Der Verschuldung durch Erbgang leistet das zur Geltung ge⸗ kommene römische Recht Verschub, welches den Grundbesitz nicht anders behandelt, wie jede bewegliche Sache und den gleichberechtigten Mit⸗ erben die Bewerthung auch des Grundbesitzes durch Verkauf theilungs⸗ halber gestattet. In weiten Landestheilen hat sich zwar die in der Natur des ländlichen Grundbesitzes begründete Sitte bisher dieser Rechtsordnung gegenüber ablehnend verhalten, sie wird aber immer mehr dem Eigennuße weichen müssen, wenn nicht die Gesetzgebung wieder mit ihr in Uebereinstimmung gebracht wird. ;

Der Druck dieser Verschuldung wird um so härter empfunden, als dieselbe zu dem bei weitem größten Theile in der Form der künd⸗ baren Hypothek auftritt, während der lãndliche Grundbesißz seiner Natur nach nur Rentenquelle ist und deshalb nur mit unkündbaren Amorti⸗ sationsrenten belastet werden sollte. ö .

Diesen schwerwiegenden Uebelständen gegenüber kann die Staats- regierung nicht eine zuwartende Stellung einnehmen, sie hat vielmehr die Verpflichtung, Maßregeln der Gesetzgebung und Verwaltung vor⸗ zubereiten und durchzuführen, welche auf die Verbesserung des Kredit- wesens und die Beseitigung der Uebelstände gerichtet sind, die auf der übermäßigen Verschuldung des Grundbesitzes und den ungeeigneten Formen derselben beruhen. Auch wird in Betracht zu ziehen sein, durch ein den ländlichen Verhältnissen anzupassendes Erbrecht eine der Hauytursachen der Verschuldung zu verhüten.

Die großen Schwierigkeiten dieser Aufgaben können nur unter der Mitarbeit selbständiger, auf Henn n em, Grundlage ruhender Organe der Berufégenossen überwunden werden.

Denn auf die vorhandenen Organe allein gestützt, würde es der Staatsregierung schwer fallen, den bestehenden Zuffand überall mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen und solche Mittel zur Ab⸗

) Vergl. .Die Hypothelenbewegung im vpreußischen Staat . e eg , res 1891/92. in der Zeitschrift des König⸗ lich preußischen statistischen Bureaus, Jahrgang 1892.

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hilfe zu finden, welche nicht nur theoretisch richtig, sondern auch nach Lage der Berhältnisse und der Ansichten in den Kreisen der Bethei⸗ ligten selbst vraktisch durchführbar sind. ; Die Herstellung einer allgemeinen korporativen Bertretun der ist daher der erste nothwendige Schritt zu Rem bezeichneten iele. Die besondere Begründung hat folgenden Wortlaut:

§ 1. Die Landwirthschafte kammern sollen nicht eine mehr oder minder lose Vereinigung von Personen darstellen, sondern sie haben

die Aufgabe, die Gesammtheit der Landwirthe als Korporation zur

dauernden und festgegründeten Vertretung zusammenzufassen.

Sie sollen sich in ihrem räumlichen Umfange in gleicher Weise

wie die meisten landwirthschaftlichen Zentralvereine grundsãtzlich an die politische und wirthschaftliche Verwaltungseinheit der Proßin; an⸗ schließen. Bei der großen Ausdehnung einzelner Provinzen und der Verschiedenheit der landwirthschaftlichen Verhältnisse in denselben muß indeß die Möglichkeit der Errichtung mehrerer Kammern für den Be⸗ reich einer Provinz offen gehalten werden, wie denn auch in Ost⸗ preußen, PPáwúyfuuwßß Hessen⸗Nassau je zwei landwirthschaffsiche Zentralvereine vorhanden sind. Daß solche Landwirthschafts kammern stets ein geographisch fest umgrenztes Gebiet umfassen müssen, und daß die Gebiete zweier Landwirthschaftskammern nicht ineinander über- greifen dürfen, ist selbstverständlich. ; S2. Die Landwirthschaftskammern sollen der Förderung der Landwirthschaft auf breitester Grundlage dienen. Es soll ihnen dem⸗ gemäß unverwehrt sein. nicht nur alle die Aufgaben zu verfolgen, welche man gemeiniglich unter dem Namen der Interessenvertretung zufammenfaßt, sondern auch alle solche Maßnahmen und Einrichtungen in Angriff zu nehmen, welche die Landwirthschaft dadurch zu fördern geeignet sind, daß die geeinigte Kraft der Berufsgenossen an die Stelle der Bemühungen der einzelnen Landwirthe tritt. Es bleibt, foweit nicht später durch besondere Gesetze den Landwirthschaftsfammern be⸗ stimmte Aufgaben in dieser Beziehung gestellt werden, ihrům Ermessen vorbehalten, ob und wieweit sie innerhalb der durch den Etat gezogenen Grenzen auf diesem Gebiete genossenschaftlicher Thätigkeit vorgehen und bezügliche Einrichtungen nur anregen, unterstũtzen oder selbst in die Hand nehmen wollen. .

Bei den engen Beziehungen zwischen Land⸗ und Forstwirthschaft konnte die Forstwirthschaft hier um so weniger außer Acht gelasfen werden, als in den Landwirthschaftskammern der gesammte laͤndliche Grundbesitz seine Vertretung finden soll, einerlei, ob er land⸗ oder forstwirthschaftlich benutzt wird; wenn in den folgenden Paragraphen nur von der Landwirthschaft die Rede ist, so soll hierunter immer die gesammte ländliche Bodenbenutzung, also auch die eigentliche Forst⸗ wirthschaft mitverstanden sein.

Die Landwirthschaftékammern sollen nicht nur die Interessen der Landwirthschaft gegenüber allen Maßnahmen der Gesetzgebung und Verwaltung vertreten, soawie sich den nur durch gemeinsame Thatigkeit zu lösenden Aufgaben Fes landwirthschaftlichen Berufs widmen, sie sollen auch in der Art, wie dies bisher die landwirthschaftlichen Vereine thun, der Förderung des technischen Fortschrittes der Land— wirthschaft dienen. Denn nur durch eine solche Zusammenfassung aller auf die Hebung der Landwirthschaft abzielenden Bestrebungen können die Landwirthschaftskammern eine wirkliche Gesammtvertretung der Landwirthschaft bilden und von der Gefahr befreit bleiben, einseitige Agitationsverbände zu werden. Während die Interessen vertretung ein je nach Zeit und Verhältnissen wechselndes Maß von Thätigkeit be⸗ ansprucht, ist die genossenschaftlich⸗ Arbeit und die Förderung der landwirthschaftlich technischen Entwickelung eine unerschöpfliche Auf⸗ gabe, welche, wie keine andere, geeignet ist, alle Landwirthe zu gemein⸗ samer nutzbringender Thätigkeit zu vereinen. Die landwirthschaftlichen Zentralvereine haben auf diesem Gebiete Bedeutendes geleistet und würden sicher noch größere Erfolge erzielt haben, wenn sie in ihren nur durch freiwillige Beiträge aufzubringenden Mitteln nicht beschränkt gewesen wären. Es wird daher zu erstreben sein, daß zum mindesten die landwirthschaftlichen Zentralvereine in den Landwirthschafts⸗ kammern aufgehen und auf diese Weise die nunmehr auf Beitragen aller Landwirthe berubenden Mittel und die persönlichen Kräfte am jweckmäßigsten in den Dienst der Landwirthschaft gestellt werden.

Die landwirthschaftlichen Zentralereine können weder zur Auf⸗ lösung noch zur Entäußerung ibres Vermögens zu Gunsten der Land— wirthschafts kammern gejwungen werden. Allein es steht von der Ein= sicht der betheiligten Landwirthe zu erwarten, daß sie freiwillig zur Verhütung einer Zersplitterung der Kräfte und Mittel die bisherigen Aufgaben der landwirthschaftlichen Zentralvereine den Landwirthfchafts⸗ kammern übertragen und damit eine im eigensten Interesse der Land⸗ wirthschaft liegende kräftige Entwickelung der Landwirthschafts kammern fördern werden. Die Organisation der Landwirthschaftskammern bietet nach jeder Richtung hin die ausgiebige Möglichkeit, alle Aufgaben der landwirthschaftlichen Vereine in gleicher Weise zu verfolgen; die Land⸗ wirthschaftskammern werden aber hierüber hinaus in der Lage sein, diesen Bestrebungen mehr Nachdruck zu geben, da sie materiell sicherer begründet sind. Der späteren Entwickelung kann es vorbehalten bleiben, ob die Landwirthschaftskammern mit ihren Unterverbänden überhaupt das ganze landwirthschaftliche Vereinswesen aufsaugen werden, oder ob die jetzigen landwirthschaftlichen und zweckverwandten Zweigvereine bestehen bleiben und zu den Landwirthschaftskammern in nähere oder weitere geschäftliche Beziehungen treten werden. In letzterem Falle soll es den Landwirthschaftẽkammern unbenommen sein, dise Vereine, wie alle anderen Einrichtungen zur Förderung der Land⸗ wirthschaft mit ihren Mitteln zu unterstützen. Bei der Wichtigkeit einer angemessenen Einrichtung und Geschäftsführung der Produften⸗ börsen und Märkte für den geschäftlichen Erfolg der Landwirthschaft, muß den Landwirthschafts kammern, als der Vertretung der Gesammt⸗· interessen der Landwirthschaft, die Möglichkeit eröffnet werden, bei der Verwaltung dieser Institutionen insbesondere bei den Preisnotirungen mitzuwirken.

n 3. Bei der Verschiedenheit der landwirthschaftlichen Verhält⸗ nisse in den einzelnen Provinzen ist es nicht möglich, alle Grundlagen der Organisation der Landwirthschaftskammern gleich durch das Gesetz festzulegen. Einen nicht unwichtigen Theil, namentlich die untere Grenze für die Theilnahme an den Wahlen und die Beitragspflicht zur Landwirthschaftskammer, wird man nur durch besondere Statute regeln können. Da die Landwirthschaft eine organisierte Vertretung erst durch die Landwirthschaftskammern erhalten soll. so besteht keine landwirthschaftliche Körperschaft, welcher man die Abfassung solcher Statuten übertragen könnte. Wollte man zu diesem Behuf eine solche Körperschaft auf Grund von Wahlen der landwirthschaftlichen Be- völkerung konstituieren, so müßte man vorher eine Wahlerdnung er⸗ lassen, und in ihr gerade über diejenigen wichtigen Punkte vorweg Bestimmung treffen, welche dem Statut vorbehalten bleiben sollen. Es erscheint daher richtiger, gleich das der Landwirthschaftskammer zu Grunde legende Statut zu entwerfen, dann aber durch die vorherige Anhörung des Provinziallandtages und durch die auch im übrigen der Bedeutung der Landwirthschaftstammern entsprechende Ferm der Er⸗ richtung derselben durch Königliche Verordnung alle Garantien zu bieten, daß die Bestimmungen des Statuts, soweit sie nicht schon durch dag Gefetz gegeben sind, den besonderen landwirthschaftlichen Verhält- nissen des betreffenden Bezirks angepaßt werden. .

Die Königlichen Verordnungen sind in der hierfür vorgeschriebenen Weise, außerdem nach der besonderen Bestimmung des Entwurfs auch durch den Staatsanzeiger zu veröffentlichen.

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