1894 / 21 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 24 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Gemarkungskarten und Reinkarten in den Geschäftsräumen der Katasterverwaltung selbst entnehmen zu lassen. In diesem Fall hat der Unternehmer oder sein Beauftragter die tarif⸗ mäßigen Gebühren zur Staatskasse zu entrichten, wie wenn die Handzeichnungen durch die Katasterverwaltung angefertigt wären. Sonstige Bestimmungen über die Entnahme der Hand⸗ zeichnungen zu treffen, bleibt den Königlichen Regierungen vorbehalten.

Im Jahre 1893 waren der Prüfungskommission für höhere Verwaltungsbeamte 183 Referendare zur Ablegung der Prüfung für den höheren Verwaltungsdienst üÜber— wiesen worden. Ausfalls beider schriftlichen Arbeiten auf neun Monate an eine Regierung zur besseren Vorbereitung zurück— gewiesen, vier Referendare wurden auf ihren Antrag aus dem höheren Verwaltungsdienst entlassen. Die Zahl der Referendare, welche die mündliche und schriftliche Prüfung im Jahre 1893 abgelegt haben, beträgt 107 gegen 88 im Jahre 1892, 117 im Jahre 1891, 127 im ö 1890, 102 im Jahre 1889, 111 im Jahre 1888, 98 im Jahre 1887, 83 im Jahre 1886, 79 im Jahre 1885, 65 im Jahre 1884 und 50 im Jahre 1883. Es wurden im ganzen 18 Prüfungstermine abgehalten. Von den 107 Referendaren bestanden 13 die Prüfung mit dem Prädikat gut, s86 mit dem Prädikat ausreichend und acht be⸗ standen nicht. Der Prozentsatz der Nichtbestandenen be⸗ hug 833 gegen 152 im Jahre 182, 1405 im Jahre 1891, 14,2 im Jahre 1890, 18,75 im Jahre 1889, 26,2 im Jahre 1888, 26, im Jahre 1887, 25 im Jahre 1886, 21 im Jahre 1885 und 23 im Jahre 1884. Am Schluß des Jahres 1893 waren noch 71 der Kommission überwiesene Referendare vorhanden, deren Prüfung noch nicht abgeschlossen war. Von diesen haben 38 bereits beide schriftliche Arbeiten abgeliefert, 12 haben die zweite oder dritte und 21 die erste schriftliche Arbeit noch anzufertigen.

An den Kommunal-Landtag der Kurmark waren bis zum Schlußtermin am 20. d. M. noch sechs Sachen ein⸗ gegangen, von denen vier dem J. und je eine dem II. Aus⸗ schuß und dem ritterschaftlichen Konvent überwiesen wurden. Der Landtag verhandelte in seiner 4. Plenarsitzung am 22. 8. M. über neun Gutachten des J. und zwölf Gutachten des II. Ausschusses. Die ersteren Gutachten betrafen den Bericht der General⸗-Direktion der Land⸗Feuersozietät über die Feuer— wehr⸗Unfallkasse, ein Unterstützungsgesuch eines früheren Be⸗ amten, vier solche zu Feuerlöschzwecken und ein Entschädigungs⸗ gesuch für ein bei der Feuerlöschhilfe gefallenes Pferd; während diese sechs Gesuche bewilligt wurden, mußten zwei Entscheidungen von Kreistagen auf den Rekurs der General-Direktion auf— gehoben werden, und nur in einem der letzteren Fälle konnte eine theilweise Bewilligung eintreten. Nach dem Vorschlage des 1II. Ausschusses wurden acht milden Stiftungen zum theil namhafte Unterstützungen aus dem ständischen Dispositions⸗ fonds der Kurmärkischen Hilfskasse bewilligt. Vier derartige Gesuche unterlagen der Ablehnung: theils weil die Gründung der zu bedenkenden Unternehmungen im wesentlichen noch bevor— stand, theils weil die Zwecke außerhalb des Rahmens des da— für angegangenen Fonds lagen.

Bayern.

In der vorgestrigen Sitzung des Finanzausschusses der Kammer der Abgeordneten begründete der Abg. Frei⸗ herr von Stauffenberg seine in einer der letzten Sitzungen in Aussicht gestellte Anfrage an Finanz-Minister Dr. Freiherrn von Riedel über die Lage des Budgets und den Plan seiner Gestaltung unter den heutigen Verhältnissen. In längerer Ausführung erwiderte, den Münchener Blättern zufolge, der Finanz-Minister Dr. Freiherr von Riedel etwa Folgendes:

Bei Aufstellung des Budgets sei, wie schon früher betont, auf die Militärpvorlage keine Rücksicht genommen worden. Die Regie⸗ rung habe die Ueberzeugung gehabt, das Reich werde die Mittel zur Deckung der Militärvorlage den einzelnen Ländern zur Verfügung stellen. Auch die Reichs⸗Steuerreform sei unter der Annahme ge⸗ plant, das Reich werde die Kosten der Militärvorlage selbst decken. Falle eine der Steuern, so sei die Reichs-Steuerreform in Frage. 3. heute lasse er das Reformprojekt außer Be tracht und wolle nur über die Mittel sprechen, die zur Deckung der Militärvorlage nöthig seien. Die große Abneigung im Reichstag gegen Quittungs⸗ und Fracht⸗ briefstempel lasse erwarten, daß diese Steuer in Wegfall kommen und die Börsensteuer demgemäß nur 20 Millionen einbringen werde, da eine höhere Bemessung derselben als beabsichtigt, nicht angängig sei. Die Steuer aus Schaum⸗ und Kunstwein werde bei ihrer Annahme fünf Millionen erbringen. Ohne Steuerkontrole jedoch sei insbesondere der Kunstwein nicht zu treffen. Aus dem in Anregung gebrachten er⸗ höhten Zoll auf Tabackfabrikate vom Ausland seien höchstens zwei Millionen anzunehmen, sodaß damit ein Erträgniß von 27 Millionen gegeben sein würde. Eine Erhöhung der Tabackzölle würde nicht viel eintragen; bei allem Wohlwollen für die Landwirthschaft jedoch seien schwere Bedenken dagegen nicht zu unterdrücken. Uebrigens dürfte ein erhöhter Zoll im Reichstag kaum durchzubringen sein. So weit gingen seine Eindrücke in Berlin, die allerdings etwas trübe seien. Er habe jedoch die Ueberzeugung, daß die allgemeine Stimmung bezüglich der Taback⸗ fabrikatsteuer bereits in einer Aenderung begriffen sei. Gerade für den Tabackbauer, dem jede Steuer erlassen worden sei, sei die Jabrilatsteuer von außerordentlichem Vortheil. Die ausländischen e, sollten mit über vom Werth herangezogen werden; mög⸗ icherweise könne auch der Zoll auf ausländischen Taback, wenn der Vorlage wohlwollend nähergetreten werde, etwas erhöht werden. Es sollten verschiedene zolltechnische Dinge, die vorgesehen worden seien, fallen und lediglich die kostenlose Verwägung des Tabacks gefordert werden. Ebenso seien neuerdings Erleichterungen für den Rauchtaback geplant, überhaupt Verbesserungen an der ganzen Vorlage, die diese annehmbarer machten, und die Landwirthschaft sowie die kleinen Leute zufriedenstellten. Er hoffe, daß in maßgebenden Kreisen die Sache noch einmal angesehen werde, und da eine annehmbare Form für die Vorlage zu finden sei, so werde man, wenn auch nicht viel, so doch das Nöthige für die Bedürf⸗ nisse Bayerns erhalten. Der erforderliche Bedarf sei 66 Millionen; drei Posten hieraus würden steigen: 1) Pensionen, 2) Zuschuß für Invalidenrenten, 3) Verzinsung der vorbenannten Summen; und wenn diese drei Posten durch das natürliche Wachsen der Einnahmen gedeckt würden, so könne man zufrieden sein. Das Plus der Matritular⸗ beiträge für Bayern stelle sich unter diesem Gesichtspunkte auf etwa 9 Millionen. 4 Millionen habe er bei früherer Gelegenheit schon als vorgesehen bezeichnet; es würden sohin noch 5 6 Millionen zu decken sein. Würde nun die Tabackfabrikatsteuer in neuer

orm angenommen, so sei das Gleichgewicht des Budgets är absehbare Zeit hergestellt; wenn nicht, so sei das Manko unvermeidlich. Der Minister gab des weiteren eine Reihe interessanter Aufschlüsse, die ihm in Fachkreisen begegnet

Von diesen wurde einer wegen ungenügenden

und geeignet seien, seine vorstehenden Ansichten zu stützen. Weiter führte er aus, daß bei Nichtannahme des Gesetzes hauptsächlich die Tabackbauer darunter leiden würden. Wenn man auch diesmal über eine Erhöhung der direkten Steuern wegkäme, so sei sie für das nächste Budget bei Scheitern des Steuerprojekts unvermeidlich. Redner kam sodann auf die oftmals ausgesprochend Ansicht von den reichen Leuten, die die Steuern zu tragen hätten, und behauptete, daß diese Schichten, an sich schon ziemlich belastet, bei einer Heranziehung zu weiteren Steuern, die ja möglich sei, nicht viel mehr leisten könnten. Er begründete dies an der Hand eines ausgiebigen Zahlenmaterials. Der Hinweis auf Reformen der Steuern durch den Wirthschafts—⸗ ausschuß sei in dieser Frage hinfällig; würden die Ab⸗ sichten des Ausschusses zur Thatsache werden, so kämen trotz einiger geplanter Erhöhungen durch die gewünschten Steuer—⸗ ermäßigungen noch 3 Millionen Plus in das Defizit. Nun ent⸗ stehe die Frage: Wie solle die Budgetabgleichung stattfinden? Er hege die Hoffnung, daß Reichs- und Landtag sowohl als das ganze Land in eine ruhigere Beurtheilung der Tabackfabrikatsteuer eintreten, und diese sympathischer beurtheilen würden. Das Bedürfniß aber bleibe immer entscheidend. Was nöthig sei, müsse bewilligt werden. Und wenn das Budget nicht reiche, so müsse eine Erhöhung der Steuern Platz greifen. Neue Steuern zu finden sei ihm nicht gelungen. Für die Einzelstaaten sei das indirekte Steuersystem erschöpft. Reichs— einkommen⸗ und Reichserbschaftssteuer würden diese beiden in Bayern bestehenden Steuerarten aufheben. Die Erbschaftssteuer könne man wohl reformieren; Bayern zahle jedoch bei Verwandten mit Ausnahme der direkten Descendenten jetzt schon 80 /o, eine Er⸗ höhung würde er nicht vorschlagen. Die . im Budget zu erhöhen sei kaum möglich. Diese würden in Rücksicht auf die Finanz⸗ lage bereits unter Wahrung gewissenhaftester Prufung bis an die mögliche Grenze festgesetzt. Er wolle ganz reinen Wein einschänken. Die Mehreinnahme des Jahres 1892 betrage 12 Millionen. Die Zölle und Steuern hätten bei einem Budgetansatz von 63 Millionen im genannten Jahre einen Ueberschuß von 4 Millionen ergeben, seien aber in diefem Budget bereits mit 66 800 000 M eingesetzt, sodaß das Plus bereits im Budgetansatz zum Ausdruck komme. Das gleiche Verhältniß treffe bei dem Forst⸗Ctat, bei den Ueberweisungen ze. zu. 1893 werde geringere Ueberschüsse bringen, vielleicht 10 Millionen. Es würde jedoch der Anfang einer Mißwirthschaft sein, wenn man dauernde Ausgaben auf zufällige Ein—⸗ nahmen basiere. Schließlich erinnerte der Minister daran, daß im Reichstag die Frage der Bierbesteuerung wieder in Anregung gebracht worden sei. Ob es nochmals gelingen werde, bei dem Scheitern der Reichssteuern die Biersteuer fur Norddeutschland hintanzuhalten, sei fraglich. Alledem würde abgeholfen sein, wenn die Tabackfabrikat⸗ steuer durchginge.

Sachsen.

Die Zweite Kammer nahm gestern die Kap. 38 bis 41 des ordentlichen Etats (Justiz-Etat) entsprechend den An⸗ trägen der Deputation an.

Baden.

In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer begann die Generaldebatte über das Budget. Der „Frkf. Ztg.“ wird darüber Folgendes berichtet:

Der Abg. Hug, Präsident der Budgetkommission, eröffnete die Debatte. Das Budget sei ein Defizitbhudget, was vornehmlich auf das Verhältniß zum Reich zurückzuführen sei. Wenn die Reichs⸗ steuern fielen, würden sich die Matrikularbeiträge um mindestens 2 Millionen erhöhen. Das heutige Fazit des Budgets sei eine be⸗ trächtliche Steuererhöhung. Der Nachtrag zur Gehaltsordnung be⸗ laste das Budget jährlich um eine halbe Million. Solange die Deckungsfragze nicht geregelt sei, könne die Kammer nicht zustimmen. Der Abg. Fieser erklärte, im ganzen und großen dem Vorredner beistimmen zu können. Das Defizit betrage im ordentlichen Etat für zwei Jahre 3 Millionen. Steigerten sich die Matrikularbeiträüge, so würde das jährliche Defizit im Ordinarium 4 bis 5 Millionen betragen. Würde eine Steuererhöhung in der namhaften Art gefordert, so halte er eine Verlangsamung der Tilgung der Eisenbahnschulden für geboten. Redner plädierte für eine Abänderung des Steuerfystems in der rich⸗ tigen Progression, der seine Fraktion beistimme. Der Finanz⸗Minister möge Erhebungen darüber machen, welchen Effekt die Umwandlung der Ertragssteuer in eine Vermögenssteuer habe. Redner trat ferner für die Reichs⸗Finanzreform ein. Die weitere Belastung durch den Nachtrag zur Gehaltsordnung halte er zwar für bedenklich, doch hoffe er, daß es gehen werde. Der Abg. Muser meinte: das Budget habe wohl die Wenigsten überrascht. Das bezeichnende Merkmal früherer Budgetperioden sei die Ueberholung der Vor⸗ anschlagsätze durch die Rechnungsergebnisse gewesen. Es habe eine Ueberschußwirthschaft bestanden, sodaß der Betriebsfonds auf über 27 Millionen Mark angeschwollen sei. Lange Zeit seien Steuern über den Bedarf erhoben worden. Der letzte Landtag habe im Zeichen der Steuerermäßigung gestanden, der jetzige stehe in dem der Steuererhöhung. Die Regierung verdiene Tadel wegen der Haltung der badischen Bundesbevollmächtigten der Tabacksteuer gegenüber. Die Nationalliberalen hätten der Regierung in dieser Frage ein Ver⸗ trauensvotum ertheilt, damit aber den Willen des Volkes ignoriert. Der Gesandte von Jagemann habe im Reichstag wohl den Stand⸗ punkt der Regierung vertreten, von der Meinung des Volles und der Kammer aber kein Wort gesagt. Redner tadelte den Vertrag wegen der strategischen Bahn, deren Ge⸗ sammtaufwand für Baden 1 Million Mark betrage. Zur Finanzreform sei jetzt keine Zeit. Er sei mit Fieser für den Aus—⸗ bau der Einkommensteuer in eine progressive Erbschaftssteuer. Redner plädierte für eine Reichs Einkommensteuer, die auch den inneren Ge⸗ halt des Reichs auf feste Füße stelle. Gegenüber den Reichssteuer— entwürfen halte er die Erhöhung der Matrikularbeiträge für ein kleines Uebel. Das Volk werde dann sehen, was das Militär koste. Bezüglich der Eisenbahnpolitik sprach sich Redner für eine Tarif⸗ reform aus. Jede Tarifermäßigung steigere den Verkehr und mache die Freizügigkeit erst zur Wahrheit. Redner trat ferner für die Fixierung einer Maximalarbeitszeit für die Eisenbahnbediensteten ein und besprach das Beamtengesetz, befürwortete die Aufhebung der Unter⸗ scheidung zwischen akademischen und nichtakademischen Beamten und wollte die bessere Stellung der höheren Beamten mit Aus⸗ nahme der Mittelschul⸗Professoren nicht gutheißen. Seine und seiner Fraktion Stellung zu dem neuen Ministerium hänge von dessen Politik ab. Der Abg. Fischer (Zentr.) führte aus: Es handle sich nicht nur um ein finanzielles, sondern auch um ein politisches Defizit. Mit der Reichs⸗Finanzreform wolle der Minister Miquel aus dem badischen Leder preußische Riemen schneiden. Sie gewähre auch keine Stabilität zwischen dem Reich und den Einzelstaaten. Die Unzuläng⸗ lichkeit des gegenwärtigen Budgets betrage rechnerisch 97 Millionen. Er vermisse im ordentlichen Etat, der 2 Millionen mehr erfordere, weise Sparsamkeit. Die Deckung des Defizits durch eine Amorti⸗ sationskasse halte er nur ausnahmsweise für geboten. Mit einer progressiven Einkommensteuer bis zu Ho so sei er einver⸗ standen. Der Präsident des Ministeriums der Finanzen Dr. Buchen⸗ berger betonte, daß kein Anlaß zu einer tragischen Auffassung des Staatshaushalts vorliege, die Finanzzustände seien wohlgefügte und geordnete. Das Land verfüge noch über Betriebsüberschüsse und be⸗ sitze ein rationelles Steuersystem, dessen Reformbedürftigkeit er aner⸗= kenne. Baden habe keine Staatsschuld und in der Amortisationskasse eine werthvolle Reserve. Das finanzielle Verhältniß zum Reich habe sich seit dem letzten Budget um 3778 000 6 ver⸗ schlechtert; rechne man hierzu die ausgefallenen inländischen Steuern von 2430000 S, so würde bei Ablehnung der Reichs⸗ steuern eine jährliche effektive Verschlechterung von 6 200 000 S. eintreten. Die Folge davon würde nahezu eine Verdoppelung der Einkommensteuer sein. Würde ein Plebiszit in Baden ver⸗ anstaltet, so würde die Mehrheit statt für diese Verdoppelung für die Tabacksteuer eintreten. Redner stellte eine Steuerreform in Aussicht

im Sinne der Progression. Der Präsident des Ministeriums des Innern von Braxer erklärte, daß das Reich bei dem Vertrags— abschluß über den Bau der strategischen Bahn loyal gehandelt habe. Bezüglich der Wünsche in Betreff der Eisenbahnen sagte er eine Reform des Personentariss zu, der er sympathisch, aber auch kalten Blutes gegenüberstehe. Die Debatte wird morgen fortgesetzt werden.

Sessen.

Seine Königliche Hoheit der Herzog und Ihre Kaiser— liche Hoheit die Herzo gin von Sachsen⸗Coburg . Gotha trafen mit den Prinzessinnen Victoria Melita, Alexandra und Beatrice gestern Nachmittag in Darmstadt ein und wurden auf dem Bahnhof von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog empfangen. offenem Wagen durch die festlich geschmückte Stadt brachte das zahlreiche Publikum Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Victoria Melita lebhafte Ovationen dar.

Neuß; ä. L.

Vorgestern Abend sind Ihre Durchlauchten der Prinz . und die Prinzessin Elisabeth von Schönburg⸗ Waldenburg nach mehrtägigem Besuch am Fürstlich reußischen Hofe wieder nach Droyssig zurückgekehrt.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Der Minister des Auswärtigen Graf Kalnoky begiebt sich wie „W. T. B.“ meldet, heute zur ken nn ig 1 Geschäfte an das Hoflager nach Bud apest.

Der Kaiser hat der „Politischen Korrespondenz“ zufolge den Gesandten Grafen Kuefstein zum bevollmächtigten Dele— gierten bei der internationalen Sanitätskonferenz in Paris ernannt.

Der „Budapester Korrespondenz“ zufolge hat eine zahl⸗ reich besuchte Versammlung katholischer Stadtreprä—⸗ sentanten die Einberufung von Versammlungen be— schlossen, die sich gegenüber dem jüngsten Katholikentag für die kirchenpolitischen Vorlagen aussprechen sollen.

In dem Omladina⸗Prozeß fand gestern das Verhör der Hauptangeklagten: Redakteur Ska ba, Journalist Sokol und Advokgtur⸗-Konzipist Dr. Naschin statt. Ersterer wollte gar keine Omladina kennen; Sokol gestand zu, sie zu kennen, behauptete aber, sie bestände bereits seit 1865 und sei daher keine neue Gründung. Raschin wollte keine Omladina, sondern eine Fortschrittspartei gelten lassen, die ins Leben gerufen zu haben er stolz sei. Er stehe auf dem radikalen Flügel der Jung⸗ ezechen und werde es sich zum Verdienst anrechnen, wenn er verurtheilt werden sollte. Bei dem gestern Nachmittag ab⸗ gehaltenen Verhör leugneten die vernommenen Angeklagten, sich an verbrecherischen Handlungen betheiligt zu haben. Der Eine wollte vertraulichen Versammlungen beigewohnt haben, um sich für die Journalistik auszubilden; der Ändere wollte gus einer Schriftsetzerei Lettern gestohlen haben., um sie als Spielzeug für seine kleinen Brüder mit nach Hause zu nehmen; ein Dritter behauptete, an Versammlungen auf dem Schlachtfelde am Weißen Berge theilgenommen zu haben, um die im Jahre 1620 gefallenen Helden zu ehren, und ein Vierter wollte gehört haben, wie vorgeschlagen worden sei, die Johannesstatue von der Brücke zu stürzen; er wisse aber nicht, von wem der Vor⸗ schlag ausgegangen sei, weil es am Versammlungsort finster gewesen sei. Heute wird das Verhör der Angeklagten beendet werden.

Frankreich.

Das Bureau der Deputirten kammer wählte, wie .W. T. B.“ berichtet, gestern die Heeres⸗ und die Marin e⸗ kommission, deren jede 33 Mitglieder zählt. Unter den Mitgliedern der ersteren befinden sich Brisson, Jules Roche, Cavaignac und Meziéres. Mehrere Mitglieder der Kommission drangen darauf, das XII. und das XV. AÄrmee⸗ Korps zu verstärken, indem sie den Nachweis zu erbringen versuchten, daß der Effektivbestand des französischen Heeres ein geringerer sei als der des deutschen.

In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag ist auf die Treppe der Hauptthür des „Magasin du Printemps“ eine Bombe gelegt worden. Die Zündschnur war schon erloschen, als der dienstthuende Feuerwehrmann die Bombe entdeckte. Im städtischen Laboratorium wurde gestern Vormittag fest— gestellt, daß die Bombe außer Knallpulver noch Nägel und Eisenstücke enthielt; sie glich der von Vaillant geschleuderten Bombe.

Italien.

In Massa herrschte gestern, wie „W. T. B.“ meldet,

andauernd Ruhe. Verhaftete Individuen wurden weiter ein— gebracht. Die Untersuchung wurde arg engt Auch in Sizilien war alles ruhig. In Turin ist infolge von Ausschreitung en, die Studenten begingen, weil ihnen ein außerordentlicher Prüfungstermin verweigert wurde, die Universität geschlossen worden. Die von der „Italie“ veröffentlichte Mittheilung von einem leichten Unwohlsein des Papstes ist, wie die „Agenzia Stefani“ meldet, unbegründet. Der Papst em⸗ pfing heute mehrere Prälaten.

Spanien.

Der Minister des Auswärtigen hat dem, W. T. B.“ zufolge durch . die enn, Botschafter be⸗ nachrichtigt, daß der Marschall Martinez Campos von Marokko eine Kriegsentschädigung von 380 Millionen Pesetas verlangen werde. Wie der „Temps“ aus Madrid erfährt, werde als Garantie für die Zahlung dieser Ent⸗ schädigung die Intervention Spaniens bei der Erhebung der Zölle in dem Territorium zwischen Ceuta und dem Muluyafluß gefordert werden. Die Intervention würde eine zeitweilige Okkupation dieses Territoriums bedingen. Da der Sultan eine lange Frist für die Zahlung der Entschädigung verlangen werde, beabsichtige die Regierung, die Kosten für die Expedilion nach Melilla durch außerordentliche Steuern und durch Kreditoperationen zu decken.

Schweiz.

Wegen zahlreicher Fälle von Einschleppung der Maul⸗ und Klauenseuche durch französisches Vieh hat, wie die „Köln. Ztg., erfährt, der Bundesrath jede Einfuhr von Klauenvieh französischer Herkunft vom 25. Januar an verboten. . sind nur unter ganz bestimmten Bedingungen gestattet.

Serbien.

Der König hat nach einer Meldung des W. T. B.“ aus Belgrad von heute die Demission des Kabinets

Bei der Fahrt in.

Gruie angenommen. Das neue Kabinet ist gestern ebildet worden und wie folgt zusammengesetzt: Simic Prä—⸗ dium, Aeußeres und interimistisch Finanzen, General

. Bauten, Staatsrath Nikolajevic Inneres, berst Milovdan Pa vlovic Krieg, Hochschul⸗Professor

Lozanie Handel und Ackerbau, e g chin n essor Andra

Gjorgjewie Justiz und interimistisch Unterricht. Die serbi⸗

schen Gesandtschaften und Konsulate sowie die Kreispräfekten

wurden noch im Laufe der Nacht von der erfolgten Bildung des Kabinets Simic telegraphisch verständigt.

Der radikale Klub beschloß, an den König eine Depu⸗ tation zu entsenden, die ihm den Ernst der Situation aus— ee und jede Verantwortung für die Folgen ablehnen soll. Der König gab Gruic bekannt, er werde ihn heute verständigen, wann er die Deputation empfangen werde.

Amerika. ;

Das Repräsentantenhaus hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Washington einen Unterantrag zur Tarif vorlage angenommen, wonach Rohzucker und raffinierter Zucker auf die freie Liste gestellt werden.

Afrika.

Dem „Reuter'schen Bureau“ zufolge verlaute in Kairo, der Khedive werde, um den Zwischenfall zu beseitigen, der durch seine ungünstigen Bemerkungen über den Zustand der uin Armee entstanden ist, in, einem Tagesbefehl seine

efriedigung über die egyptische Armee aussprechen und den Unter⸗Staatssekretär im Kriegs⸗Ministerium aher Pascha verabschieden.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden

sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen 34. Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär Dr. von Boetticher beiwohnt, stehen zur ersten Berathung die von den Abgg. Dr. Lieber, Hitze, Spahn (Zentr.), Langerfeldt und Gen. (fr. Ver.) eingebrachten Gesetzentwürfe, betreffend die eingetragenen Berufs— vereine.

Nach 8 1 der beiden gleichlautenden Entwürfe soll den

Vereinen, welche die Förderung der Berufsinteressen und die Unterstützung ihrer Mitglieder bezwecken, durch Eintragung in ein beim Amtsgericht zu führendes Vereinsregister die Rechts⸗ fähigkeit verliehen werden.

Abg. Spahn Gentr.) verweist darauf, daß die beiden Anträge einfach eine Wiederholung des früher bereits vom Abg. Hirsch ein⸗ gebrachten Entwurfs sind und diejenigen Verbesserungen auf⸗— genommen haben, welche die vom vorigen Reichstag nieder— gesetzte Kommission an den letzteren vorgenommen hat. Die Gesetzgebung habe bis jetzt nur solche. Vereinigungen be⸗ vorzugt, welche Wirthschafts⸗ und Geldinteressen Nachdem aber durch das geltende Recht die Staatsbürger in Bezug auf das Vereinigungsrecht an sich völlig gleichgestellt seien müsse endlich auch dazu übergegangen werden, den Arbeitern und allen Berufsständen überhaupt die Verfolgung gemeinsamer Fach⸗ und Berufsinteressen durch fördernde Akte der k zu erleichtern, und diesem Zweck entspreche der vorliegende Entwurf. Zu den Einrichtungen, welche die Vereine in die Hand zu nehmen hätten, zählen beide Ent⸗ würfe unentgeltliche Rechtsberathung und Rechtsschutz, Arbeitsnach⸗ weisung und Unterstützung bei Reisen, bei Arbeitslosigkeit, Strikes und Sperren, Förderung der Berufsbildung, Vorträge, Unter⸗ richt, Fachschulen und dergleichen, Schiedes und Einigungsämter. Alle diese Einrichtungen sollen auch auf die Familienangehörigen der Mitglieder ausgedehnt werden können. Die gegen die vorgeschlagene rechtliche Gestaltung dieser Vereine, namentlich aus Bedenken über die Vermögensverwaltung und die Sicherung der Ansprüche der Vereinsmitglieder hergeleiteten Bedenken weist der Antragsteller kurz zurück, ebenfo die aus politischen Gründen gegen eine derartige Privi⸗ legierung der Arbeitervereine erhobenen Anstände. . .

Abg. Rickert (fr. Ver) hat dieser Begründung nichts hinzu⸗ zufügen und bittet angesichts des Umstandes, daß im vorigen Jahre eine gründliche Kommissionsberathung stattgefunden, um die zweite Berathung im Plenum. . . ; .

Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl) bestreitet, daß Handwerk und Landwirthschaft irgend ein Bedürfniß nach der bier vorgeschlagenen Organisation empfinden würden; wäre dies der Fall, so würden sie andere Organisationen vorziehen. Es handle sich also nur um die Gewerkvereine, die Fach vereine, kurz die Organisationen des Arbeiterstandes. Wenn man glaubt, daß in diesen neuen Vereinigungen die Pflege des Standesbewußtseins am zweckmäßigsten erfolgen könne, so sei er auch darin anderer Meinung. In der internationalen Arbeiterkon ferenz von 1890 habe man deutscher⸗ seits festgestellt, daß Deutschland leine Veranlassung habe, sich auf die Nachahmung der Trades Unions einzulassen. Man habe mit Recht ausgeführt, daß es sich dabei bloß um große Wahlverein gungen handeln würde. Diese damalige Stellungnahme sei sehr schnell durch die Ereignisse als richtig erwiesen worden: im Herbst b. J. haben die Trades Unions auf ihrem Kongreß in Belfast das sozialdemo⸗ kratische Programm angenommen.

(Schluß des Blattes.)

In der heutigen 4 Sitzungldes Hauses der Abgeord—⸗ neten, welcher der Justiz-Minister Dr. von Schelling, der Finanz⸗Minister Dr. Miquel und der Minister der öffent⸗ lichen Arbeiten Thielen beiwohnen, wird die erste Berathung des Staatshaushalts⸗Etats für 1894ꝭ95 fortgesetzt. Abg. von Kroecher (kons.) erklärt., daß er nicht im Namen seiner Freunde, sondern nur für seine Person sprechen wolle. Was zunächst die , ,. des Reichs betreffe, so habe Graf Limburg nicht einen Reichs-Finanz⸗Minister verlangt, sondern nur eine größere Einwirkung der Einzelstaaten auf das Reich. Wenn er (Redner) sich jetzs zu SDerrn Rickert's Aeußerungen wende, so geschehe, das nicht, weil er ihm eine große Bedeutung als Politiker und als Parteiführer zuschreibe, sondern um einige Be⸗ merkungen daran ju knüpfen, die sonst gesucht erscheinen würden. Herr Rickert, fährt Redner fort, wirft der rechten Seite vor, daß sie zu viel Reichstagsreden hier halte; er antwortete aber in ausgiebigem Maße auf diese Reichstagsreden, ja vielleicht mehr als der Angriff eigentlich nöthig machte. Herr Rickert meinte ferner, nicht bloß die Landwirthe litten noth, sondern auch die Arbeiter. Das ist richtig; das ist eben der Beweis dafür, daß das Sprichwort richtig ist: Hat der Bauer Geld, hat's die ganze Welt! Herr Rickert wirft uns vor, daß die Landwirthe Sta ch ff verlangen, während die Rheder und die Kaufleute zu stolz dazu seien. Wenn man etwas hat, ist es leicht, stolz zu sein; wenn man nichts mehr hat, ist der Stolz vorbei. Uebrigeng verlangen wir vom Stgat weiter nichts als gleiches Recht. Die Aufhebung der Grundsteuer ist durchaus keine Vergünstigung für die Landwirthe, sondern schafft nur eine Doppelbesteuerung aus der

elt. Herr Rickert meint, die vielen Klagen würden den Kredit ver⸗ derben. Das wäre vielleicht nicht so übel, denn vor vierzig Jahren haben sich die Landwirthe doch nur verschuldet, weil man ihnen so leicht Kredit gab. Herr Rickert behauptet, daß wir nur durch das Dreiklassen Wahlsystem so stark hier vertreten seien. Vor einigen Jahren prophezeite Herr Rickert, daß

verfolgten.

wir nicht mehr so stark wiederkommen würden. Derr Rickert verweist auf die Urwahlstatistit. Aus meinem Wahlkreise weiß ich, daß die konservativen Wahlmänner überall einstimmig gewählt sind, und da in den übrigen Wahlkreisen die Zahl der konservativen Wahlmänner zugenommen hat, so wird es da auch nicht so schlimm stehen. Daß wir auf dem Boden des Erlasses vom 4. Januar 1882 stehen, hat Graf Limburg schon dargelegt. Wenn konservative Be⸗ amte von der Regierung gemaßregelt worden sind, ist in der konser⸗ vativen Presse: niemals darüber ein Ton des Widerspruchs laut geworden. Die Konservativen sollen ausgerufen haben: Fort mit Caprivi! Wir halten das nicht für richtig, nicht für konservativ. Aber, wenn der Ruf ergangen ist, und wir desavouieren ihn, so können wir eben nicht mehr thun. Unzufriedenheit sollen wir erregen dadurch, daß wir auf Dinge aufmerksam machen, Thatsachen konstatieren, welche Unzufriedenheit erregen. Die Freisinnigen sind aber mit der Erregung von Unzufriedenheit mindestens ebensoweit ge— . wie wir; aber die Leute lassen sich von Herrn

ickert und seinen Freunden nicht mehr zur Unzufriedenheit aufreizen. Herr Rickert meinte, daß das Kultus Ministerium bei uns mindestens ebenso mächtig wäre wie der General-Postmeister. Davon ist mir nichts bekannt. Das Kultus-Ministerium hat einige Dispositions⸗ fonds mehr; aber wenn es einen Bau ausführen will, muß es ebenso wie jedes andere Ressort mit dem Finanz⸗Minister verhandeln. Graf

Limburg ist mindestens ebenso sparsam wie Herr Rickert; ja jeder

von uns würde vielleicht noch sparsamer sein, wenn er im Reichstag gesessen hätte, als Herr Rickert durch Zustimmung zu den Handelsverträgen auf sichere Einnahmen für das Reich ver— zichtete. Eine schnelle Eisenbahnfahrt z. B. von Berlin nach Ham— burg, wobei man nur in Wittenberge hält, ist ja sehr angenehm, aber die Strecke Berlin Hamburg hat davon nur wenig, nur die beiden Endpunkte freuen sich darüber; deshalb glaube ich, daß man hierbei sparen könnte. Bei der Währungsfrage wollen wir nach Herrn Rickert nur unsere Schulden vermindern auf Kosten der Gläubiger. Durch die Goldwährung sind eben unsere Schulden zu unseren Ungunsten ver⸗ mehrt worden, und das soll redressiert werden. Daß die Getreide- preise beim Abschluß des russischen Handelsvertrags steigen werden, ist möglich; aber das wird nur vorübergehend sein, und jedenfalls werden die Landwirthe dann, wie immer, wenn die Preise steigen, nichts mehr zu verkaufen haben. Herr Richter warnt uns vor Hwperloyalität; wir sind immer loyal gewesen und werden es immer bleiben.

Abg. von Eynern (nl): Ich freue mich, daß durch die Rede des Finanz-Ministers sich die dunklen Wolken des Pessimismus etwas gelichtet haben. Er hat die Grundlagen der Finanzen als gute an“ erkannt. Dadurch wird sich ja der Kurs der Staats⸗ und Reichs— anleihen, über dessen niedrigen Stand sich gestern Graf Posadowsky in der Steuerkommission des Reichstags beklagte, wohl heben. Ueber die thesaurierten Beträge will ich nicht sprechen; diese Beträge fallen erst am 1. April 1895 zur Staatskasse. Ob das Defizit daraus gedeckt wird oder aus einer besonderen Anleihe, ist ziemlich gleichgültig. Wir sind nicht der Anschauung, daß die Abgrenzung der allgemeinen Finanzen von denen der Eisenbahnen der Aus⸗ einandersetzung der Einzelstaaten mit dem Reich folgen muß. Wir wünschen die erstere Regelung sehr beschleunigt zu sehen. Die Eisenbahnverwaltung wird uns auch größere Einnahmen zu verschaffen wissen, indem sie es fertig bringt, daß das Gegen⸗ einanderarbeiten der verschiedenen Verwaltungen in Preußen und im Reich aufhört. Ferner wünschen wir, daß die deutschen Aufträge wieder mehr im Inlande vergeben werden, nicht nach Belgien. Das ging sogar so weit, daß unsere Marine mit englischen Kohlen fuhr, wodurch die Eisenbahn große Frachtbeträge verlor. Nur bei uns herrscht ein solcher kosmopolitischer Sinn; die Folge davon ist die zunehmende Arbeitslosigkeit und die Ermäßigung der Rente der Unternehmungen. Für die Herstellung von 1000 kg Schienen ist eine Bewegung von 10000 kg auf den Eisenbahnen erforderlich. Wird im Auslande bestellt, so geht der inländischen Arbeit sehr viel verloren. Zum Nord⸗Ostsee⸗Kanal werden schwedische Granitblöcke verwendet, während wir dieselben ebenso gut im Fichtelgebirge haben. Die Ersparnisse des Reichs werden auf⸗= ewogen durch den Verlust an Eisenbahnfrachten. Wenn die preußische

egierung dahin wirkt, daß in den andern Einzelstaaten die Praxis beseitigt wird, daß die preußischen Werke dort auch als ausländische Werke gelten, so könnte unser Nationalgefühl dadurch gewinnen. Wenn ferner dafür gesorgt würde, daß die Grubenhölzer aus den Wäldern östlich von Berlin nach dem Westen kommen können, so würde das für unsere Bergwerke und für die Forstverwaltung nicht ohne Bedeutung sein. Herr Richter berichtet in seiner „Freisinnigen Zeitung“ von der Gereiztheit des Finanz- Ministers im Reichs tag. Wir haben wohl sonst nichts davon gemerkt; ein Anlaß zur Gereiztheit liegt auch nicht vor, denn der Finanz⸗Minister weiß, daß die Eiche nicht schon auf den ersten Streich fällt. Kommt die Reform jetzt nicht zu stande, so wird das im nächsten Jahre ge⸗ schehen. Welche neuen Steuern hat man im Reichstag ausgedacht? Reichseinkommensteuer, Reichs erbschaftssteuer, Wehrsteuer u. s. w.; aber man hat dabei übersehen, daß eine reinliche Scheidung eingetreten ist, daß dem Reich die indirekten, den Einzelstaaten die direkten Steuern gehören. Der ,. soll sein Wort nicht gehalten haben; ist denn der Taback, der in Deutschland in Zukunft nur 2 S6 pro Kopf Steuer tragen soll, während die Steuer in Spanien 5 (S beträgt, kein leistungsfähiges Steuerobjekt? Unser Fraktions⸗ genosse Weber⸗Heidelberg hat die Agitation gegen die Mehrbesteuerung des Tabacks eine jämmerliche genannt. Die verbündeten Regierungen sollten sich nicht beirren lassen weder bei der Tabacksteuer noch bei der Weinsteuer. Wenn Herr Rickert andere Steuervorschläge gemacht hat, von denen er weiß, daß sie keine Aussicht haben, durchzugehen, so verhält er sich nur negativ wie Herr Richter. Wenn er auf die Matrikularbeiträge verweist, so bedeutet das nur einen Zuschlag zur Einkommensteuer. Ueber 3000 66 Einkommen haben nur 316 000 Zensiten; die übrigen, die große Masse, welche den Haupttheil der Steuer aufbringt, also bis in die Kreise der Arbeiter hinunter, würden durch diese Zuschläge belastet werden. Das entspricht nicht den Versprechungen des Grafen Caprivi. Und werden sich denn die Landtage bereit finden lassen, die inneren Steuern zu vermehren für Reichszwecke? Herr Rickert wird hier mit seinen sechs Freunden allen übrigen n ge fn zusammen gegenüberstehen. Die Finanzreform, das muß fe tee. werden, wird vom jpreußischen Landtag nicht zurückgewiesen. Andere Einzelstaaten haben ihre Reserbatrechte, Bayern z. B. seinen Malzaufschlag; sie können gut Zuschläge zur Einkommensteuer verlangen, während bei uns die Einkommensteuer schon durch die Gemeinden beson— ders belastet ist, sodaß man dafür sorgen zu müssen glaubt, den Gemeinden indirekte Steuerquellen zu eröffnen. Hoffent⸗ lich hat der Finanz-⸗Minister die vom Hause verlangten Verhandlungen mit den anderen deutschen Staaten wegen der Beseitigung der vertragsmäßigen Beschränkungen der Bier⸗ und Weinsteuer schon eingeleitet. Der Finanz⸗Minister meinte, bei der Ausführung des de e n, , würden die Gemeinden wahr— scheinlich ein gutes Geschäft machen. Das verstehe ich nicht. Die Städte müssen ja doch den gesetzlich vorgeschriebenen 5 leisten, den sie früher leisteten. Vielleicht wollte der Finanz-Minister nur darauf vorbereiten, daß der Beitrag, den Berlin mit 1,50 6 pro Kopf ahlt, ein zu niedriger ist gegenüber den großen Kosten, welche entstehen. Ei Einkommensteuer ist etwas zurückgegangen. Wenn man das ab⸗ rechnet, was einkommt aus der neuen rern der Aktiengesell⸗ schaften und aus der Erhöhung der Steuer in den obersten Stufen von 3 auf 4 9, so ergiebt sich nur eine Mehreinnahme von 15 Millionen gegenüber dem letzten Jahre vor Erlaß des , dabei sind die gesteigerten Ver⸗ anlagungskosten noch nicht in Betracht gezogen. Das sind die Ergebniffe einer Gesetzgebung, von welcher man annahm, daß die Selbsteinschätzung auf Treu und Glauben die e en l einfach machen werde. Aber mit dieser Selbsteinschätzung n, sich ja die Bureaukratie nicht. Sie belästigt die Steuerzahler mit allerlei Anfragen, die in die Verhältnisse eindringen, sodaß man ihnen nur genügen könnte, wenn man eine vollständige Bilanz vorlegte. Da es

Herrn Eugen Richter als Impresario gewonnen.

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nicht gelungen ist, die Geheimhaltung der Steuerveranlagung herbei⸗ zuführen, sodaß man die Steuerverhältnisse jedes einzelnen genau er⸗ kennen kann, ist es da nicht begreiflich, daß die Unzufriedenheit wächst? Ich komme nun zur Schürung der Unzufriedenheit durch den Bund der Tandwirthe. Mir fällt dabei der verstorbene Herr von Meyer ein, der einmal sagte: Die Konservativen hätten eine Niederlage erlitten, weil sie noch nicht so gut agitieren könnten, wie die Fortschrittler; aber sie würden es lernen. Der Bund der Landwirthe hat es ge⸗ lernt, sodaß ich beinahe auf den Gedanken gekommen wäre, er hätte . t Die Noth der Landwirthschaft ist nicht überall zu bemerken. Im Westen 1 sind doch noch ziemlich gesunde Verhältnisse vor⸗ anden. Der kleinere Grundbesitz, der seine Erzeugnisse zum größten Theil selbst verzehrt, wird konkurrenzfähig bleiben. Herr von Kröcher hat im vorigen Jahre die r, , . Groß⸗ grundbesitzes geschildert. Wenn es wirklich so an Kapital mangelt, daß die Kultur großer Bodenflächen darunter leidet, dann ist das eine bedenkliche Erscheinung. Es muß darauf gesehen werden, daß die Landwirthschaft in kapitalkräftige Hände kommt. Die Re⸗ gierung macht jetzt bestimmte Vorschläge, und nun wird es für die Agrarier heißen: hie Rhodus, hie salta! Der Fragebogen, den Sie uns vorgelegt haben (die Interpellation von Kröcher, s. Nr. 20 d. Bl.), den Sie vielleicht selbst nicht beantworten können, wird nicht ausreichen. Wir müssen praktischere Vorschläge fordern. Mit den Landwirthschafté kammern sind wir im großen und ganzen ein⸗ verstanden, obwohl damit ein schwerfälliger Apparat geschaffen wird. Jedoch eins möchte ich bemerken: Wir haben die Handelskammern; aber daneben bestehen die freigebildeten Vereine der Industrie und des Handels, die viel mehr gewirkt haben, als die Handels⸗ kammern, weil sie' viel mehr. Agitationskraft besitzen. Was die Verwandlung der kündbaren Hypothekenschuld in eine unkünd⸗ bare Rentenschuld bedeuten soll, verstehe ich nicht. Unkündbare, also Amortisationsrenten, sind doch nur zu höheren Zinsen zu haben, deren Höhe sich nach dem jeweiligen Markte richtet. Es könnte also die Aenderung nur eine Verschlechterung unseres Hypothekenmarktes herbeiführen. Auf die Währungsfrage gehe ich nicht ein, weil darüber eine Untersuchung angestellt werden soll. Die Regierung giebt sich nach der Auslassung des Herrn von Heyden im Herrenhause der Hoffnung hin, daß sie auf die Silberpreise einwirken könnte. Bei den wirthschaftlichen Fragen wollen wir nicht vergessen, den Blick auf das Ganze zu werfen. Handel, Industrie und Landwirthschaft sollen auch in der gegenwärtigen Legislaturperiode im richtigen Ausgleich behandelt werden. Wir würden uns freuen, wenn sich die Nachricht bestätigt, die das ganze Volk mit Freude erfüllt hat, daß Fürst Bismarck nach Berlin kommen wird, um den Kaiserlichen Herrn zu begrüßen. Wir hoffen, daß dadurch manche Wirrnisse beseitigt werden, die in der letzten Zeit aufgetaucht sind.

Bei Schluß des Blattes spricht der Abg. von Kar⸗ d orff (fr. kons..

Die VI. Kommission des Reächstags trat heute unter dem Vorsitz des Abg. Dr. Ham macher zusammen, um das Ueber⸗ einkommen mit der Schweiz, betr. den gegenseitigen Patent⸗ Mu ster⸗ und ö zu berathen. Nach längerer Debatte wurden die ersten drei Artikel unverändert Aànge⸗ nommen, ebenso nach unwesentlicher Debatte die übrigen Artikel. Schließlich wurde auch das Uebereinkommen im ganzen fast ein⸗ stimmig angenommen. Abg. Dr. Paasche wird dem Plenum schrift⸗ lichen Bericht erstatten.

Das Verzeichniß des Gesammtvorstandes und der Mitglieder des Hauses der Abgeordneten ist mit dem gestrigen Tage ab—⸗ geschlossen worden und nunmehr im Druck erschienen. Beigefügt ist eine, nach Provinzen und Wahlbezirken geordnete Nachweisung der Mitglieder des Hauses.

Der frühere Bureau-Direktor des Reichstags, Geheime Kanzlei⸗Rath Bernhard Happel ist in der vergangenen Nacht im 83. Lebensjahre nach kurzem Leiden verschieden. Er gehörte ursprünglich als Beamter dem Königlichen Kriegs⸗ Ministerium an, wurde in den ersten vereinigten Landtag 1847, später in die Nationalversammlung als Bureaubeamter und dann im Jahre 1850 in das Abgeordnetenhaus berufen, welchem er bis zu seiner Ernennung zum Bureau⸗Direktor des Reichstags im Jahre 1872, zuletzt als Bureau⸗ Chef, angehörte. Im Herbst 1879 trat er aus seinem Amt zurück und wurde vom 1. Mai 1880 ab in der ehrenvollsten Weise in den Ruhestand versetzt. Vierzehn Jahre hat der Geheime Kanzlei⸗Rath Happel, der mit reichen Auszeichnungen von seinen Königen, den deutschen und fremden Fürsten geschmückt worden war und in allen Kreisen die größte Hochachtung und Anerkennung gefunden hat, die Ruhe ge⸗ nossen, die ihm nach einem schweren, arbeitsvollen und geseg⸗ neten Leben, wie es der Verewigte genossen hatte, gebührte. Sein Nachfolger im Amt war sein Freund und Amtsgenosse, der Geheime gr n ,, Knack.

Verdingungen im Auslande.

Italien. ;

29. Januar, 11 Uhr. Stadtrath von Nocera Inferiore (Salerno): Errichtung einer Wasserleitung. Voranschlag 229 506 Fr. Kaution 12 500 Fr. Ausführungsfrist 14 Monate.

Rumänien.

12. Februar. Magistrat zu Vaslui. , ,,, Kostenvoranschlag 99 000 Lei. Stelle.

14. März. Verwaltung des St. Spiridon⸗Stifts Jassy. Bauunternehmung eines Kurhauses im Badeorte Slanic. Kosten⸗ voranschlag 350 600 Lei. Kaution 17 500 Lei. Näheres an Ort und Stelle.

Bulgarien.

27. Januar, 10 Uhr. Kriegs⸗Ministerium in So fig; Lieferung von 80 000 m Leinwand für Blousen, 100 000 m Hanfleinwand für Futter, 150 900 m Kattun für Hemden, 1200 m rothem Tuch, 300 m welßem Tuch, 1900 m gelbem Tuch, 200 m Karmoisin⸗Tuch. 300 m olivgrünem Tuch. Definitiver r g am 1. Februar. Die erste gie f ifm am 27. Dezember v. J. verlief ohne Resultat.

Dänemark.

31. Januar, 1 Uhr. Staatsbahn ⸗Verwaltung ((Maskinatde- lingens Gontoir, Colbjörnsensgade No. 6) Kopenhagen.

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ca. 6400 Kubikfuß Eichenholz, 2350 Stück Planken von Fichtenholz, n pierre ö ö anken , pitch-pine, en, helz,

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21 000 Säcken.

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Verwaltung der Eisenbahnen, der Telegraphen und eichenen