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den der Herr Vorredner sich gestellt hat, indem er mich beispielsweise auf die Berichte über die Zustände in Berlin hingewiesen hat, so werden wir nie zu einer vollen Klarheit gelangen, und werden nament⸗ lich uns niemals verständigen über die Mittel und Wege, wie vor⸗ handenen Nothständen Abhilfe zu schaffen ist; denn wir gehen dann eben von einseitigen Betrachtungen aus. Ich habe nicht in Abrede gestellt, daß die Dinge in Berlin trauriger liegen in Bezug auf die Arbeit und die Beschäftigung der arbeitenden Klassen, als an anderen Orten. Das ist mir garnicht eingefallen. Und wenn ich gestern daran erinnert habe, daß in einzelnen Distrikten gewisse Erscheinungen ein⸗ getreten seien, welche auf eine Abnahme früher vorhandener Noth schließen lassen, so wird dies in keiner Weise widerlegt, wenn der Herr Vorredner mich darauf verweist, daß beispielsweise in Berlin das Armenbudget gewachsen ist, und nach einem Voranschlag die Ueberschreitung des Armenbudgets in Berlin in diesem Jahre etwa eine halbe Million betragen wird. Was will es denn überhaupt be⸗ weisen, wenn man Berlin zum Ausgangspunkt der uns jetzt beschäfti⸗ genden Bewegung macht! Was will es überhaupt heißen, wenn man speziell auf dem Gebiet der Armenpflege eine Ueberschreitung des Armenbudgets um eine halbe Million voraussieht! Darüber ist ja gar kein Zweifel, daß Berlin wöchentlich einen außerordentlichen Zu—⸗ wachs von Menschen hat, und wenn infolge dessen sowie infolge des nicht gleichzeitigen Zunehmens der Arbeits gelegenheit für alle Leute, die hier Arbeit suchen, auch die Armenpflege unter Umständen in erhöhtem Maße eintreten muß, so ist das garnichts Auffallendes und widerlegt nicht meine Behauptung, daß sich im Reich gewisse Anzeichen dafür ergeben, daß die Noth in den Bezirken, von denen ich gesprochen habe, in der Abnahme begriffen sei. Ebenso verfehlt ist es, wenn der Herr Vor⸗ redner mich auf die Schließung einer Ortskrankenkasse verweist. Ja, meine Herren, der Herr Vorredner hat sich gewundert, daß ich von dem Vorgange — ich glaube, es ist die Ortskrankenkasse der Maler, wenn ich recht verstanden habe — keine Kenntniß besitze, und hat es als meine Aufgabe und als die Aufgabe meiner Herren Mitarbeiter bezeichnet, daß man auf dem Gebiet der sozialen Be⸗ wegung im Reichsamt des Innern au fait sein müsse. Gewiß, ich theile diese Ansicht, und wir werden der Aufgabe, die wir in dieser Beziehung haben, auch durchaus gerecht. Wir verfolgen die Erscheinungen auf dem Gebiete unseres sozialen Lebens mit ganz außerordentlichem Eifer und ganz außerordentlicher Treue. Daraus folgt aber noch nicht, daß, wenn heute Morgen im „Vorwärts“ — oder gestern Morgen ist es gewesen — zuerst von dem Schicksal der Malerkasse, die ihre Zahlungen hat einstellen müssen, berichtet wird, wir heute Nachmittag schon Maßnahmen ergriffen haben müssen, um diesem Zustande ein Ende zu machen. (Sehr richtig) Und vor allen Dingen bestreite ich auch unsere Verpflichtung dazu, daß wir in jedem Spezialfall von Reichs
wegen einzugreifen haben, wenn ein Mißstand auf dem Gebiete des
sozialen Lebens sich zeigt. Es hat gestern schon aus den Ausführungen des Herrn Abg. Bebel herausgeklungen, und zwar gelegentlich der viel⸗ besprochenen Donnerstagsversammlung, wir hätten im Reich die Ver⸗ pflichtung, örtlichen Uebelständen entgegenzutreten, die sich im Einzel⸗ falle auf dem Gebiete des sozialen Lebens herausstellen. Das ist eine Auffassung, die sich durchaus nicht halten läßt und die, wenn sie die richtige wäre, uns eine Aufgabe stellte, die zu erfüllen wir außer stande sind. Die Sache liegt einfach so: wir verfolgen diese Er⸗ scheinungen, wir nehmen auch Veranlassung, wenn sich ergiebt, daß gegen Reichsgesetze verstoßen ist, darauf hinzuweisen, — das Uebrige, und namentlich die unmittelbare Remedur, überlassen wir den geord⸗ neten Landesinstanzen. Und auf diefen Weg verweise ich auch in Bezug auf die Malerkasse und in Bezug auf die Donnerstagsversammlung.
Wenn der Herr Vorredner — und damit will ich schließen — bei dieser Gelegenheit sich zu der Bemerkung veranlaßt gesehen hat, man solle sich nicht wundern, wenn gegenüber einem derartigen Vor⸗ gehen der Polizei, wie es am Donnerstag beliebt worden sei, die Ar⸗ beiter dazu übergehen würden, mit Revolvern in den Versammlungen zu erscheinen: so möchte ich doch die Bitte an die Arbeiter, die dabei etwa betheiligt sind, richten, dies Verfahren zu unterlassen. Daraus könnten doch sehr bedenkliche Folgen entstehen. Und auch dem Herrn Abg. Singer, von dem ich zunächst nicht annehme, daß er mit seiner Bemerkung eine direkte Aufforderung hat aussprechen wollen, könnten diese Folgen in sehr unangenehmer Weise fühlbar werden. Ich weise von vorne herein die Behauptung, daß die Polizei die Vorgänge, welche sich in der Nähe des Friedrichshains am vorigen Donnerstag abge⸗ spielt haben, provoziert habe, durchaus zurück. Ich habe aus keiner Zeitung und auch nicht aus den Ausführungen des Herrn Vorredners (abgesehen von der berühmten Pferdebahnunterhaltung und den Recherchen über den Raum, wo man zwanzig Schutzleute unter⸗ bringen konnte) irgend eine besondere Thatsache erfahren, auf welche die Behauptung gestützt werden könnte, daß die Polizei an jenem Tage provokatorisch aufgetreten sei. Die Berichte sind amtlich und bisher unwiderlegt, und ich mache die Herren darauf aufmerksam, daß Vernehmungen, soviel mir bekannt geworden, bisher noch gar nicht stattgefunden haben, wenigstens kenne ich deren Inhalt nicht. So lange der Inhalt dieser Berichte nicht durch stringente Beweis mittel als thatsächlich unrichtig nachgewiesen ist, muß ich ihn für wahr halten, und aus diesem Inhalt ergiebt sich, daß die Polizei gereizt worden ist, daß ihren Anordnungen nicht Folge geleistet worden ist und daß die Leute, die gereizt und den polizeilichen Anordnungen nicht Folge geleistet haben, die Folgen ihrer Handlungen geerntet haben.
Abg. Fuchs Zentt) hat für die Einrichtung von Lohnarbeits⸗ nachweisen groß Sympathie, besonders weil man dadurch auch zu einer besseren Arbeitslosenstatistik kommen würde. Die Diskassion habe heute für die Sozialdemokraten nicht sehr günstig abgeschnitten. Auf die eindringliche Anfrage des Abg. Dr. Kropatscheck habe der Abg. Singer nicht erklärt, worauf denn die Sozialdemokratie eigentli hinaus wolle. Nur in und mit dem Christenthume werde es ge⸗ lingen, die Noth der Zeit zu bezwingen; in alle unsere Institutionen müsse der Geist der christlichen er niich hineingetragen werden.
Abg. v. Kardorff (Rp.): Die Arbeitslosigkeit und der Noth⸗ stand geniert die Sozialdemokraten, und nun kommen sie mit solchen Interpellationen an den Reichstag. Je mehr das platte Land ver⸗ armt, desto mehr drängt die ländliche Bevölkerung in die Städte; dieser traurige Zustand ist durch den österreichischen ndels vertrag noch verschlimmert worden. Gleichwohl machen die Freunde dieses Vertrages jetzt die Regierung für diese Zustände verantwortlich. Dem Handwerker, kurz dem kleinen Manne in den Städten geht es
erade so schlecht wie dem Arbeiter. Das Elend liegt darin, daß ie Kaufkraft unserer ländlichen Bevölkerung um zwei Drittel vermindert ist. Und dabei steht uns die Verhandlung über einen
neuen Vertrag in Aussicht, durch welchen alle diese Uebelstände noch weiter vermehrt werden. Das Kontingent der ländlichen Arbeiter,
das in die Städte zieht, bildet eine sichere 6 der Sozial⸗ demokratie. Der Arbeiter auf dem Lande behält sein Christenthum, seinen Respekt vor der Obrigkeit; das geht aber in der Stadt schleunigst verloren. Das Verdienst des Schutzes der nationalen Arbeit gebürt ausschließlich dem Fürsten Bismarck. Die vorjährigen Verhandlungen in der bekannten Sozialistendebatte hatten nicht zum Vortheil der Sozialdemokratie geendet: Alles hatte im Hause das Gefühl, die Sozialdemokratie ist zu Boden geschlagen. Ich habe mir damals sogleich gesagt, daß das nach außen keinen Eindruck machen würde. Wir verbreiteten die ganze Verhandlung, die Sozialdemokraten aber nur ihre eigenen Reden, ohne die Gegen⸗ reden. Jedenfalls haben die Sozialdemokraten viel mehr Mittel als die anderen Parteien; was sie gethan haben, das lassen sie in allen Arbeiterkreisen eifrig verbreiten. Es war daher auch garnicht wunderbar, daß die Herren in vermehrter Anzahl hier wieder ein⸗ zogen. Der gute Rath, daß alle Parteien sich 6 die Sozigl⸗ demokratie zufammenschließen sollen, das gute Beispiel, was der Abg. Freiherr von Stumm gegeben hat, wenn er seine Arbeiterschaft von Sozialisten rein hält, wird ja nicht be⸗ folgt. Deshalb, kann ich nicht mit den Deutschkonservativen darin üÜbereinstimmen, daß man ein Sozialistengesetz nicht brauche. Man könnte sich auch mit einer Verschärfung des Straf⸗ gesetzbuchs, des Vereins, und Versammlungsrechts begnügen. Wenn wir nicht zu diesem Wege zurückkehren, werden alle Bemühungen kirchlicher oder parteipolitischer Natur umsonst sein; wir werden erleben, daß die Partei die Mehrheit im Hause erlangt. Was dann eintritt, werden wir ja abzuwarten haben. Denken Sie auch an den Kampf, der jetzt von den Einzel⸗Landtagen gegen den Reichstag eröffnet wird. er Abg. Freiherr von Stumm hat nicht die Armee als eine produktive Anstalt bezeichnet, sondern nur gesagt, wenn 19 000 Mann jetzt mehr ausgehoben werden als im Vorjahre, so wird das Angebof auf dem Arbeitsmarkt um ebenso, viel verringert. Wenn jemals in einem Lande eine Ochlokratie herrscht, so wird sehr bald im Lande der Wunsch nach der Beseitigung dieser willkürlichsten aller Herrschaften allgemein, und jedesmal ist der Ochlokratie die Diktatur gefolgt. 6 geschichtliche Erfahrung wird hoffentlich unserem deutschen Vaterlande erspart bleiben.
Abg. Galler (südd. Volksp.): Der Abg. Richter hat gestern mit Recht darauf hingewiesen, daß die Steuervorlagen geeignet sind, den Nothstand, der ziemlich allgemein anerkannt wird, zu verschärfen. Zu diesen schwarzen Wolken, die weite Erwerbskreise bedrohen, gesellt sich seit etwa einem Jahre die Bedrohung des deutschen Buchhandels. Wird der Antrag angenommen, so wird im Buchhändler⸗ und Buchdruckergewerbe ein Nothstand entstehen, gegen den derjenige der
Tabackindustrie nur ein Kinderspiel ist. Redner geht im einzelnen auf
die Verhältnisse dieser beiden Erwerbszweige ein, wird aber bei der zunehmenden Unruhe des Hauses auf der Journalistentribüne nicht mehr verstanden. (Präsident von Levetzow unterbricht ihn mit der Bemerkung, daß er ihn zwar kaum verstehen könne, daß er ihm aber nicht zur Sache zu sprechen scheine) Die weitere Erklärung des Redners, daß es in der Hand des Zentrums liege, durch Zurückziehung des Antrags die Beunruhigung von dem deutschen Kolportagebuch— handel wieder zu nehmen, erklaͤrt der Präsident für nicht zur Sache gehörig. Der Redner verzichtet darauf auf das Wort.
Abg. Kühn (Soz.) tritt den Ausführungen der Abgg. von Kar⸗
dorff und Fuchs entgegen. Daß die ländlichen Arbeiter so stark an ihrer heimathlichen Scholle hängen, stehe fest; wenn sie dennoch in so . Anzahl ausrückten, so geschehe es eben, weil ihnen die Ver—⸗ ältnisse unerträglich geworden seien. Die alten Vorwürfe, daß die Sozialdemokraten hetzen, hätte der Abg. von Kardorff doch nicht wieder vorbringen sollen, seit man wisse, daß die Sozialdemokraten im Hetzen die reinen Waisenknaben sind gegenüber den Antisemiten und den Konservativen im Bunde der Landwirthe. Nicht die Reden der Sozialdemokraten allein, sondern die stenographischen Berichte von der Zukunftsdebatte seien durch die Sozialdemokratie im vorigen Jahre in mehreren hunderttausend Exemplaren verbreitet worden, während die anderen Parteien, Rechte und Zentrum, gerade nur ihre eigenen Reden verbreitet hätten; es sei also das Gegen⸗ theil von dem richtig, was der Abg. von Kardorff be⸗ hauptet habe. Das Zentrum wolle alles mit dem Christen⸗ thum kurieren; es habe versucht, eine arbeiterfreundliche Rolle zu spielen, habe aber in Wirklichkeit allen arbeiterfreundlichen Bestrebungen das Grab graben helfen. Auch der Abg. Dr. Kropat⸗ scheck habe durch das praktische Christenthum alle Noth beseitigen wollen; die Herren ,. eben überhaupt nicht, wie die Fabri⸗ kanten die Arbeiterschutzbestimmungen der Gewerbeordnung für ver⸗ heirathete Frauen und Arbeiterinnen auslegen. Vom praktischen Christenthum sei da nicht die Rede; im Gegentheil würden nicht nur diese Schutzbestimmungen einfach ignoriert, sondern auch in nichts— würdiger Weise Lohnverminderungen unter dem Namen von Lohnveränderungen vorgenommen. Die Sozialdemokratie könne gar⸗ nicht so viel Unzufriedenheit erregen, als die kapitalistische Gesell⸗ schaftsordnung durch ihre Auswüchse täglich erzeuge, Das Zu⸗ geständniß eines partiellen Nothstandes durch den Staatssekretär Pr. von Boetticher sei nur gemacht worden, um einen Hintergrund zu gewinnen, von dem aus sich das Lichtbild des Wiederauf⸗ schwunges der Industrie um so wirkungsvoller abheben sollte. Die Agrarier schreien über ihren Nothstand und erklären sich für nothleidende Landwirthe; wenn sie wirklichen Nothstand sehen wollten, sollten sie nach dem Eulengebirge gehen. An diesen Webern sollten die Großgrundhesitzer studieren, was Nothstand ist. Zu dem Auf⸗ züchten eines Millionärs werde eine große Menge tleiner Leute, Arbeiter und Handwerker und Existenzen aus dem Mittelstande verbraucht; die kleinen Fabrikanten würden durch die Großfabrikanten ebenfalls aufgesogen, diefe Wirkungen der kapitalistischen Produktions- weise seien die Hauptursache des wachsenden Nothstands. In nicht⸗ sozialdemokratischen schlesischen Blättern wird festgestellt, daß der Wochenverdienst einer Weberfamilie im Eulengebirge im günstigsten Fall bis zu 6 6 beträgt! Dieser Nothstand im Eulengebirge sei seit einem Menschenalter ein offenes Geschwür im Körper, des preußischen Staats. Der preußische Staat hätte längst die Pflicht gehabt, sich dieses Jammers einmal anzunehmen. Der Pastor Reinerz, der dies gethan hatte, wurde durch seine 64 Behörde plötzlich in seinem Liebes⸗ werke gehemmt; er wurde versetzt. Von den Eisenbahnen, von der Weberschule, die man dort habe errichten wollen, sei es wieder ganz stilQl geworden. Die ,, sei von Langen⸗ bielau ausgegangen und dur den ganzen Bezirk durch⸗ geführt worden. Der Appell an das Gefühl des Kapitalismus sei ein Widerspruch in sich. In seinen weiteren ausgedehnten Dar⸗ legungen kommt Redner auch auf die Vorgänge am Friedrichshain zurück; er verweist auf die übereinstimmenden Berichte aller Berliner Zeitungen, daß die Polizei der provozierende Theil gewesen ist, und verlangt erneut ernstliche Untersuchung.
Darauf wird ein Schlußantrag angenommen. Schluß 61/ Uhr.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
3. Sitzung vom 23. Januar 1894.
Bei i , der ersten Berathung des Staatshaus⸗ halts⸗-Etats für 1894/95 und des Gesetz entwurfs, be⸗ . die Ergänzung der Einnahmen in diesem Etat ls. den Anfangsbericht in der gestrigen Nr. d. Bl) nimmt nach dem Abg. Grafen Limburg⸗Stirum (kons.) das Wort der 66 Dr. Sattler (nl): Der Vorredne scheint doch etwas kampfeslustig zu sein, daß er solche Betrachtungen anstellt. Wir haben keinen Anlaß, über das Verhältniß der Krone zum Landtag uns zu unterhalten, wir sind mit den bestehenden Verhältnissen voll ständig zufrieden. In Bezug auf die Form und die Aufstellung des Etats sind manche 2 zu erkennen. Der Netto⸗Etat ist schon berührt worden. Ich freue mich, daß auch manche andere Forderungen,
die von unserer Seite gestellt wurden; erfüllt sind. Bei der Porzellan- manufaktur ist die kaufmännische Buchführung durchgeführt, und die eigenen Einnahmen der verschiedenen Verwaltungen sind jetzt im Etat zum Ausdruck gebracht. Aber die Hauptsache fehlt 5 noch: das Gesetz betreffend die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben. Wenn es nicht gelingt, in ungünstigen Finanzverhältnissen ker Vorlage zu stande zu bringen — bei günstigen Verhältnissen wird es erst recht nicht gelingen. Auch materiell sind einige Fortschritte vorhanden. Die Ausdehnung der Dienstaltersstufen entspricht einer alten Forderung. Die gewerblichen Schulen haben manche Zuschüsse erhalten, aber doch nur in sehr homöopathischer Dosis. Daß einmalige Ausgaben der Eisenbahnverwaltung aus den laufenden Mitteln bestritten werden sollen, ist erfreulich. Besonders erfreulich ist die Aversionierung des Portos. 3 ist eigentlich nur noch scheinbar eine Ueberschuß⸗ verwaltung des Reichs, eigentlich erfordert sie einen Zuschuß; denn die Eisenbahnen der Einzelstaaten müssen Leistungen im Werthe von mehr als 30 Millionen Mark ohne Entschädigung ge⸗ währen, während der Ueberschuß der Post nur 24 Millionen beträgt. Alle prächtigen Postgebäude werden auf Kosten der Einzel- staaten gebaut. Nur wenn das energisch betont wird, wird man bei dem Leiter der Postverwaltung erwirken, daß er diesen Dingen Unter- stützung zuwendet. In der Bern n fon ist bereits der Antrag gesfellt, die Leistungen der Eisenbahnen festzustellen, und es ist zu hoffen, daß die preußische Staatsbahn in Zukunft besser fortkommen werde als bisher. Betrübend ist das Defizit von 70 Millionen Mark, trotzdem die Eisenbahnen die gesammten Staatsschulden verzinsen. Vom Reich droht dem Vermögensstand des preußischen Staats eine Gefahr; denn die Schulden des Reichs fallen zu Rauf seine Schultern. Eine Finanzlage, welche seit vier Jahren Defizits ergiebt, kann nicht als günstig anerkannt werden. Der Fonds, der angesammelt ist aus den Ueberschüssen der Einkommensteuer, kann nicht zur Deckung dieser Fehlbeträge dienen; denn über seine Zinsen ist bereits verfügt. An zwei Stellen finden Verzehrungen des Vermögens statt, wie wir sie bisher nicht gekannt haben. Aus dem Staatsschatz werden allein über 10 Millionen Mark entnommen. Deshalb muß bei der Prüfung des Staatshaushalts⸗Etats mit der größten Sparsamkeit verfahren werden. Ausgaben unproduktiver Natur soll man bei schlechter , nicht machen. Wo wir 10 Millionen für einen Dom jergeben und ein Landtagsgebäude bauen, will ich nichts für Museumsbauten bewilligen. Alle Betriebsperwaltungen des Staats sollten einer Prüfung auf ihre Renta—⸗ bilität unterzogen werden, um nachjuforschen, ob ihre Organisation ihrer Bedeutung entspricht. Unter den Betriebsverwaltungen erwähnte mit heller Freude der Finanz⸗Minister die Lotterie, der ich niemals mein Wohlwollen zugewendet habe. Die Mittheilung, daß alle Loose untergebracht sind, bedeutet hoffentlich nicht, daß wieder eine Ver⸗ mehrung derselben in Aussicht genommen ist. Daß die Domänen einen geringeren Ueberschuß ergeben, ist bei der schlechten Lage der Landwirthschaft begreiflich. Der Rückgang der Einnahmen der Bromberger Mühlen, der Seehandlung und der Bergwerksverwaltung, namentlich be⸗ züglich der Kohlen, ist auffallend. Wunderbar erscheint die Streichung der Bauprämien für die Bergarbeiter. Die ö, der Eisen⸗ bahn verwaltung erscheinen an sich recht günstig. Ob die Veranschlagung der Schienen- und Kohlenpreise richtig bemessen ist, wird man genau prüfen müssen. Wir haben seit zwei Jahren gesprochen über die Nothwendigkeit der Abänderung der Organisatlon der Eisenbahn⸗ verwaltung, die der Minister selbst für nothwendig hält. Wie steht es mit der Frage der Abänderung der Vorbildung der Eisen⸗ bahnbeamten? Der Minister ist, mit uns einverstanden darüber, daß für die Eisenbahnbeamten eine besondere technische Vorhildung nothwendig ist. Wie steht es endlich mit der ebenfalls als dringend nothwendig erkannten anderweitigen Organisation der Bauverwaltung? Die direkten Steuern liefern nicht ungünstige Ergebnisse. Wir könnten Mehrausgaben bewilligen, wenn nicht die Verhältnisse zum Reich sich erheblich geändert hätten. Unsere Ausgaben sind doch auch nicht in richtigem Verhältniß gestiegen; wenn auch die Ausgaben für die Schule in den letzten Jahren erheblich gestiegen sind, so sind wir doch der Meinung, daß auf diesem Gebiete zu viel geschehen ist. Ebenso ät es auf allen anderen Gebieten, welche eine Vermehrung der Ausgaben erfahren haben, so bei den Pensionen, bei den Ministerien des Innern, der Landwirthschaft und für Handel und Gewerbe, bei letzterem nament- lich zur Erfüllung der sozialpolitischen Aufgaben. Wir haben bisher uns fern gehalten von Erörterung der Reichs⸗-Angelegenheiten in diesem Hause, um der Entscheidung des Reichs nicht vorzu⸗ reifen und um einen Konflikt zwischen dem Reichstag und den , zu verhindern. Aber die finanziellen Nachwirkungen der Reichsgesetze auf uns müssen wir bei der Prüfung des Etats in Betracht ziehen. Neben den Ueberweisungen vom Reich kommen für Preußen auch die Ueberweisungen an die Kreise aus der lex Huene in Betracht, welche Preußen noch stellen muß; denn Preußen muß an das Reich 32 Millionen zahlen und an die Kreise 34 Millionen: das ist eine Differenz von 66 Millionen. Da müssen wir Abhilfe verlangen. Im Namen meiner sämmtlichen Freunde muß ich ver⸗ langen, daß die Einzelstaaten vor solcher finanziellen Verwirrun bewahrt werden, daß eine reinliche Scheidung zwischen un und Einzelstaaten erfolge, daß das Reich eigene Einnahmen suche. Aber wir müssen uns dagegen verwahren, daß eine Reichs ⸗ Einkommensteuer unsere Steuerreform stört, daß wir Zuschläge zu unserer neuen Einkommensteuer erheben sollen. Darauf sollte man im Reichstag Rücksicht nehmen, auch seitens der nichtpreußischen Mitglieder desselben. Wenn unsere Finanzen durch das Reich gestört werden, so kann das nicht dazu dienen, die Liebe zum Reich zu vermehren. Im Interesse des Reichs selbst liegt die Reichs⸗Finanzreform, die auch zur Sparsamkeit anregen wird. Eine verantwortliche Stelle für die Reichsfinanzen muß geschaffen werden. Wenn Graf Limburg aber sich gegen einen Reichs- Finanz -Minister wehrt, fo ist er inkonseguent. Unabhängig muß der betreffende Finanzleiter sein, unabhängig besonders vom Reichskanzler, dann mag er Minister oder Schatzsekretär heißen. Es kommt aber nicht bloß darauf an, sich von den Schwankungen aus dem Rei loszulösen, sondern auch von denen der Betriebsverwaltung. Theoretis ist es leichter, bei ungünstigen Verhältnissen sich über solche Dinge zu einigen. Es muß festgestellt werden, daß die Finanz verwaltung nicht über alle Einnahmen der Eisenbahnen verfügen darf, daß dieselben vielmehr möglichst zu wirthschaftlichen Ausgaben ver⸗ wendet werden sollen. Man hat die Ueberschüsse der Staatsbahnen zu allgemeinen Ausgaben verwendet; der Widerstand dagegen hat stetig zugenommen, denn man will die Eisenbahnen nicht bloß dahin ver— wenden, daß sie möglichst hohe Ueberschüsse ergeben. Wir muͤssen bei unseren Berathungen in Betracht ziehen, wie der Staat den ungünstigen wirthschaftlichen gin n beseitigen kann. In erster Linie darf er nicht an unrichtiger Stelle sparen, z. B. bei dem gewerblichen Unter⸗ richtswesen; er muß schneller mit dem Bau von Bahnen und Wafferstraßen vorgehen. Die Entfaltung der wirthschaftlichen Kräfte muß gefördert werden. Wir müssen daran denken, daß die Land⸗ wirkhschaft eine Grundlage des Staats ist, aber wir müssen bei der Berathung der Vorlagen auch die Verhältnisse der anderen Interessen in Betracht ziehen. ; J 66 Freiherr von Zedlitz (frkons.) bestreitet, daß eine dis paritätische Behandlung der Kathosiken stattfinde; es hätte der Beweis erhra t werden missen, daß bei fonst gleichen Verhältnissen ein katholischer Beamter von einer . wegen seines Bekenntnisses ausgeschlossen worden sei. Wenn Graf Wintzingerode von Herrn von Strombe etadelt ist, fahrt Redner fort, so ist daran zu erinnern, daß Graf 26 erode besonders zu leiden gehabt hat unter harten Angriffen von katholischer Seite. Unsere Stellung zur Krone ist dieselbe wie früher. Bei aller Ehrfurcht haben wir uns doch stets den offenen Frei muth und volle Unabhängigkeit bewahrt. Sieht man von dem VBer—= hältniß zum Reich ab, so haben sich unsere e,, . Verhãltnisse gegenüber dem Vorjahr erheblich ib este t edenken gegen die Ver⸗ 3 der Fisenbahneinnahmen find bisher nicht laut geworden. Die übrigen zu gewärtigenden Mindereinnahmen werden aue ge lien, durch die Cinnahmen aus dem Staatsschatz und aus den direkten Steuern; die letzteren sind allerdings nur vorübergehender Natur.
Unsere eigenen Verhältnisse gestalten sich also um 40 Millionen beffer als im Vorjahre. Die laufenden Ausgaben sind sparsam be⸗ messen; meist handelt es sich um die Ausführung bestehender Gesetze, wie des Schulkostengesetzes, des Pensionsgesetzes, des Polizeikosten⸗ gesetzes u. . w. Nur in wenigen Fällen sind ganz neue Ausgaben gemacht. Auch im Extraordinarlum hat man neue Ausgaben möglichst vermieden. Die Forderungen für den Ankauf eines Grundstücks in der Wilbelmstraße und wegen Beseitigung eines Gebäudes auf der Museumsinsel müssen genau geprüft werden, obgleich aus der letzteren kaum schon jetzt große Mehrausgaben ent—⸗ stehen werdẽn. Unser preußischer Etat wird wegen unserer großen Betriebs verwaltungen abhängen von den. Wellenbewe⸗ ungen des wirthschaftlichen Lebens; auch bei der Einkommen- und e n enssteuer wird das der Fall sein. Die schlechten wirthschaft⸗ sichen Verhältnisse zeigen sich an dem Rückgange der Einnahmen aus den Bergwerken und befonders aus den Domänen; auch die Forstverwaltung befindet sich nicht mehr in der alten Blüthe wegen des Rückganges der Bauthätigkeit und der sinkenden Preise des Bauholzes. Trotzdem soll man nicht allzu sehr sparen mit den Ausgaben, die das wirthschaftliche Leben zu heben geeignet sind. Auf die Vorlage wegen der Landwirthschafts kammern gehe ich nicht ein; aber sollte es, wie Herr von Manteuffel im Herrenhaus angedeutet hat, beabsichtigt sein, die Gläubiger zu einer Konversion ihrer Hypo⸗ theken in Renten zu zwingen, so würde das den Kredit der Landwirth⸗ schaft aufs erheblichste benachtheiligen. Der Staat kann vielleicht in anderer Weise den Kredit der Landwirthschaft aufbessern. Auch auf. die Handelsverträge gehe ich nicht ein; man wird sich auf eine Ermãhi⸗ gung der Getreidezölle gefaßt machen müssen. Man muß ich darauf einrichten, daß man diese Ermäßigung ertragen kann. Dahin gehört die Aufhebung des Identitätsnachweises; wir werden auch im Interesse der Westprovinzen zu einer Modifikation der Staffeltarife für Getreide und Mehl kemmen müssen. Der Ausbau der Klein—⸗ bahnen muß von Staatswegen gefördert werden; denn wenn auch einige Provinzen sich der Sache sehr angenommen haben, so wird es doch ebenso gehen wie bei gewissen Meliorationen. Wasfer⸗ enossenschaften haben sich erst gebildet, nicht schiffbare Flüsse en erst reguliert worden; nachdem der Staat Fonds dafür geschaffen hatte. Nicht bloß der gewerbliche sondern auch der landwirthschaftlichꝛ Unterricht muß gefördert werden, denn die landwirthschaftliche Technik liegt noch in manchen Gegenden im argen. Eine feste Regelung unserer allgemeinen Finanzen gegenüber den Eisenbahnen ist nothwendig, aber ich glaube, wir werden schwer zu einer Vereinbarung kommen, wenn nicht eine schiedliche Aus— einandersetzung mit dem Reich vorangegangen sein wird. Wenn trotz der Verbesserung unserer eigenen Finanzen das Defizit sich ver— größert hat, so ist das Reich daran schuld. Den Bundes⸗ staaten muß ein gewisser Betrag von den Ueberweisungen. ge⸗ laffen werden, denn dieselben sind gedacht als eine Beihilfe zur Durchführung der Steuerreform. Wir haben die untersten Stufen der Klassensteuer aufgehoben und die Schullasten er⸗ seichtert unter der Voraussetzung, daß vom Reich die Mittel dazu gewährt werden. Was die preußische Regierung vom Reich ge⸗ fordert hat: ein Betrag von 24 Millionen, ist das mindeste, was verlangt werden muß. Das neu zu schaffende Verhältniß muß aber ein dauerndes sein, das Reich darf nicht wieder störend eingreifen; das würde die Liebe zum Reich nicht fördern und organisatorisch nicht richtig sein. Der Reichstag wird sich, wenn er seiner Aufgabe gewachsen sein will, nicht dem entziehen können, daß das Reich feine Ausgaben durch, eigene Einnahmen deckt und den Einzelstaagten noch Ueberweisungen beläßt. Das halten meine Freunde für eine politische Nothwendigkeit ersten Ranges. Wir haben Schulden gemacht, um unsere laufenden Ausgaben zu decken. Wenn damit ein Ende gemacht werden soll, dann müssen die eigenen Einnahmen des Reichs 6 vermehrt werden. Wenn der Reichstag unsere Hoffnung täuschen sollte, dann dürfen wir nicht durch Anleihen den Fehlbetrag decken, sondern wir müssen neue Einnahmen beschaffen durch Zuschläge zur Einkommensteuer, und zwar für alle Stufen gleichmäßig. Auf diese Weise muß das Volk darüber aufgeklärt werden, welche Folgen das ablehnende Verhalten den Steuervorlagen gegenüber für den Geldbeutel der Steuerzahler haben wird. Wir hoffen aber, daß der Reichstag Patriotismus genug zeigen und die Finanzreform genehmigen wird. .
Abg. Pleß (Zenkr.): Das Zentrum wird sich an Loyalität und an Treue und Hingebung für die Krone von keiner Partei über⸗ treffen laffen. Zur Besserung der Finanzlage gehört vor allen Dingen, daß keine Ausgabe beschlossen wird, für welche nicht Deckung vorhanden ist. Das Gegentheil ist eine unvorsichtige Finanz⸗ politik. Die preußische Regierung, sollte ihren Vertretern im Bundesrath einschärfen, sich gegen eine solche unvorsichtige Finanz politik zu wehren. Man verlangt im Reich 40 Millignen Mark mehr, als für die Milltärvorlage erforderlich sind; man sollte nicht bloß auf die Einzelstaaten, sondern auch auf den Steuerzahler Rücksicht nehmen, der sein Geld besser zu verwenden weiß, als daß Reich. Namentlich können solche sogenannten Reformen nicht bei schlechten Zeiten gemacht werden. Man hat vor fünfzehn Jahren auch gesagt, das Reich solle nicht mehr ein Kost— gänger der Einzelstaaten sein; das Geld wurde damals bewilligt, und trotzdem stehen wir vor dem Defizit. Die Ausgaben vermindern, das ist die Hauptsache. Die Erhöhung der Personentarife, die Graf Limburg angeregt hat, wird nicht Mehreinnahmen ergeben; die Ermä⸗ ßigung des Portos auf zehn Pfennig hat keinen Ausfall, sondern
eberschüsse mit sich gebracht. Uebrigens sind die Staffeltarife ermäßigte Tarife für den Osten. Die Regierung sollte sich einer Tarifreform gegenüber nicht ablehnend verhalten. Wir sind davon überzeugt, daß der Staat bezüglich der Parität nicht nach gleichem Maße mißt. Wir werden auf Abhilfe dringen.
Abg. Rickert (frs. Vg: Der Finanz-Minister hat bei Vor⸗ legung des Etats angeregt, eine gründliche Prüfung des Etats und der ganzen Finanzverhältnisse in der Kommission vorzunehmen. Das habe ich immer gefordert, aber das Ergebniß wird ein anderes sein, als der Minister annimmt; es wird nicht so grau in grau gemalt fein. Man hat es berfucht, sich hier als Reichstag, ja als Richter über den Reichstag aufzuspielen. Bilden Sie sich doch nicht ein, daß der Reichstag sich dem Votum des auf einem längst verurtheilten Wahlsystem J,, Landtags fügen werde. Das ist kein gutes Vorbild, in einem Landtage Reichstagsreden zu halten; wenn das zur Gewohnheit wird, dann ist für Lippe und Waldeck recht, was für Preußen billig ist. Der konstitutionelle Finanz · Minister soll nicht Steuervorlagen machen, die keine Aussicht auf Annahme“ haben. Auf die leistungsfähigen Schultern sollten die Steuern gelegt werden; warum hat der preußische Finanz. Minfsfler das nicht geltend gemacht? Die Weinsteuer hat vielleicht nur ein Dutzend Stimmen für sich; sogar aus dem Bundesrath wurde lebhafter Widerspruch erhoben, was sonst selten vorgekommen ist. Wenn eine Champagnersteuer herauskommt, kann der Finanz. Minister zufrieden sein. Vom e tend wird hier wie im Reiche tag gesprochen. Warum sollen die Arbeiter nicht ebenso schreien wie die Landwirthe? Andere Kreife leiden auch Noth, so z. B. die Rhederei, aber die Rheder sind zu stolz, um nach Staatshilfe zu schreien. Daß einzelne Landwirthe Noth leiden, erkenne ich mit dem Landwirthschafts Minister an; aber wenn ein so großes Geschrei darüber erhaben wird, dann schädigt man den Kredit der Landwirthe, das wird sich bald bemerkbar machen. Den Landwirthen wird nicht geholfen, durch die Ableh⸗ nung des russischen Handelsvertrags oder durch Aenderung der Wäh⸗ rung. Graf Limburg rühmte das Wahlergebniß; er sollte nur erst die Wahlstatistik abwarten, dann würde er nicht mehr so stolz als Vertreter des Volks sich brüsten. Die Wahlbetheiligung war eine beklagenswerth geringe, 5 die Landräthe sich dem gegen die Regierung opponierenden Bunde der Landwirthe anschlossen. Die ersten Handelsberträge sind von der Mehrheit der Konservativen im Reichetag unter Führung des Herrn von Manteuffel. angenommen, und es ist nachgewiefen worden, daß der Vertrag mit Rußland die Landwirthschaft nicht schädigen wird. Sachverständige nehmen an, daß die Annahme dieses Vertrags zur Hebung der Getreidepreise bei⸗ tragen wird. Was soll denn die Reglerung thun, um den
kann nicht hyperloyal sein und doch die Minister b
ganze Provinzen schädigenden Zollkrieg zu ee, Wer gegen den Vertrag stimmt, schädigt die östlichen Provinzen. Et handelt sich garnicht mehr um den 3 elsvertrag: Weg mit Caprivi! ist die Lofung. Wenn ein inister Ihre Wünsche befriedigte, würden Sie dem russischen Vertrage zujubeln. .
kämpfen. as parlamentarische System wird nun nicht mehr das Schreckbild sein, mit dem man Kinder ins Bett jagt. Wenn der von Ihnen ge— wünschte Mann Reichskanzler wird (Zuruf rechts: Wer ist denn das ?), dann werden Sie nun auch uns dereinst die Opposition er- lauben müssen. Graf Limburg spricht von dem Ressortpatriotismus im Reich, namentlich im Postressort. Ist die Allmacht des Kultus, Ministers in Preußen, der durch kein Gesetz gebunden ist, nicht viel größer? Was hat Graf Limburg denn in der Budgetkommission des Reichstags gemacht? er will das Denkmal ablehnen und hat einen Unter⸗Staatssekretär gestrichen. Wir dürfen noch weitere Thaten von ihm erwarten. Seine Rede werde ich ihm im Reichs tage vorhalten, wenn er nicht diligentiam prästiert. Von einem Reichs ⸗Finanz⸗Minister will Graf Limburg nichts wissen; er will die schaͤrfere Finanzkontrolle in den Bundesrath legen. Das ist unmöglich; das Reichs- Schatzamt müßte in eine dem preußischen Finanz⸗Ministerium ähnliche Behörde umgewandelt werden. Wir sind immer sparsam gewesen; aber da kamen wir schön an: wegen eines abgelehnten Direktors erhob sich ein großer Entrüstungssturm. Graf Limburg hat zwei Direktoren abgelehnt, ohne daß man darüber Auf— hebens macht. Herr von Plötz hat auch von Sparsamkeit gesprochen und dieselbe für den Marine⸗Etat in Aussicht gestellt. Wir werden ihm gern helfen. Die r und die Lage der Landwirthschaft ist nicht bloß trübe, sie hat auch Lichtseiten. Kein Erwerbszweig hat ein Recht auf immer steigende Einnahmen. . die Domänen nicht früher sehr schöne Einnahmen abgeworfen? Der Landwirthschafts⸗Minister sucht den Agrariern möglichst entgegenzukommen; daß er im Reichstag nicht gegen die Handelsverträge gesprochen hat, nicht weil er nicht durfte, sondern weil er nicht wollte, rechne ich ihm hoch an. Auf die Eisenbahnverwaltung will ich nicht eingehen, weil der Minister der öffentlichen Arbeiten nicht anwesend ist. Eine Erhöhung der Per⸗ sonentarife wäre die ungesundeste Finanzpolitik. Es ist bedauerlich, daß die von der Verstaatlichung erhoffte Tarifreform vom Finanz⸗ Minister verhindert wird. Die Staffeltarife, wie sie jetzt bestehen, sind ein zweifelhaftes Geschenk; sie müßten verallgemeinert werden, davon würde auch der Finanz-Minister Vortheil haben. Das Defizit von 70 Millionen schreckt mich nicht; wer 109 Millionen Ueberschuß erlebt hat, den läßt ein veranschlagtes Defizit von 70 Millionen kalt. Rechnungsmäßig hätte man 1893,94 ein Defizit von 74 Millignen haben müssen; es beträgt aber nur 48 Millionen. Wenn im Reich keine Steuern bewilligt werden, wenn die Eisenbahnen den An. schlag nicht überschreiten, dann haben wir rechnungsmäßig ein Defizit von 70 Millionen. Was zwingt bei dieser Sachlage den Finanz- Minister jetzt zur Reichs⸗Finanzreform? Die Vorgange im Reichs— tage follten die Regierung zur Zurücknahme der Vorlage veranlassen. Neue Steuern müssen im Reich beschafft werden; aber sie müßen leistungsfähige Schultern treffen nach den Versprechungen des Reichs⸗ kanzlers. Warum treten Herr Sattler und Herr von Zedlitz für die Reichs Finan reform ein? Fürst Bismarck hat doch nur eine Verminderung oder allenfalls die Beseiti⸗ gung der Matrikularbeiträge verlangt, aber niemand hat daran gedacht, den Einzelstaaten große Summen zu überweisen. Jeder sollte für sich forgen. Die Militärkesten wollen wir decken, aber nicht den Einzelstaaten 40 Millionen überweisen, weil das zur Verwirrung führen müßte. Der Finanz⸗Minister hat selbst. tadelnd hervorgehoben, daß man sich leider eingebildet habe, daß Die Ueber⸗ weisungen dauernd sein würden. 309 Millionen. haben die Ueber⸗ weisungen mehr betragen als die Matrikularbeiträge; jetzt sind die letzteren in einem Jahre 32 Millionen höher, und. da schreit man, als ob das Reich unterginge! Der Finanz Minister fährt natürlich alle seine Kanonen auf, wenn er Vorlagen ein⸗ bringt. Man will die Währung verschlechtern, damit die Landwirthe ihre Schulden billiger bezahlen können; man will sogar die Hy⸗ pothekengläubiger zwingen zu einer Preisgabe ihres Kapitals. Wir stehen auf dem alten konservativen Boden, daß wir Zuschläge zur Einkommensteuer in Nothfällen einer indirekten Belastung vorziehen. Wir verlangen Trennung der Finanzen des Reichs und der Einzel⸗ staaten und bewegliche Steuern im Reich und in den Einzelstaaten. Aber man will dem Landtage nicht geben, was die kleinste Dorf— gemeinde hat. Von einem Minister mit dem Namen Miquel hätte ich erwartet, daß er seinen Stolz darein setzen würde, das konstitu⸗ tionelle System durchzuführen.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Herr Abg. Rickert hat soviel Fragen an mich gestellt, daß les wirklich schwer ist, auch soviele Antworten zu geben; aber ich werde doch soviel als möglich das Meinige thun, um die er— wünschte Klarheit in die Dinge zu bringen.
Zuvörderst möchte ich aber meine Freude aussprechen, daß die Redner von drei großen Parteien im Namen derselben, die die große Mehrheit des preußischen Landtags bilden, sich mit der von den ver⸗ bündeten Regierungen vorgeschlagenen Auseinandersetzung zwischen Reich und Einzelstaaten in vollem Maße einverstanden erklärt haben und dieselbe für eine Nothwendigkeit und für eine heil same Maßregel sowohl für das Reich als für die Einzelstaaten, ins⸗ besondere auch für Preußen, halten.
Ich möchte ferner konstatieren, daß auch die Berechtigung fixierter Ueberweisungen seitens des Reichs an die Einzelstaaten von diesen großen Parteien gleichfalls in der nachdrücklichsten Weise anerkannt ist. Ich will nun sehen, ob es so gleichgültig ist, daß die aus dem Dreiklassenwahlrecht hervorgegangene preußische Landesvertretung in dieser Frage gegenüber der preußischen Staatsregierung eine solche Stellung einnimmt. Ich habe auch noch immer die Hoffnung, daß, in der Erwägung, daß die Sicherung des Föderalismus in Deutschland eine Hauptaufgabe des Zentrums seit der Begründung des Reichs gewesen ist, in der Erwägung, daß seine bedeutendsten parlamentarischen Führer von Anfang an seit der Existenz des Zentrums gerade diese Aufgabe in den Vocdergrund gestellt und bei jeder Gelegenheit angenommen haben, in der Erwägung, daß diese Frage aufgenommen ist einmüthig von allen deutschen Regierungen, und daß es kleinlich und sehr wenig geschmackvoll ist, wenn man hier von der Finanzreform „Miquel“ spricht, während noch keinmal ein einmüthigeres Vorgehen aller Regierungen vorhanden gewesen ist, als in dieser Frage (sehr richtig!̊ rechts, — daß, sage ich, in der Er— wägung dieser Dinge ich noch immer die Hoffnung festhalte, daß schließlich die Herren vom Zentrum, nicht bloß aus Preußen, sondern aus ganz Deutschland, auf den gleichen Boden (hört! hört). vor⸗ behaltlich ihrer naturgemäßen Meinungsverschiedenheiten in Einzel⸗ heiten, auch bezüglich einzelner Steuern sich grundsãtzlich stellen werden. Meine Herren, in dieser Hoff nung und gegenüber der seine bezeichneten Thatsache, daß die große Mehrheit der preußischen dandes vertretung das Vorgehen Preußens in Uebereinstimmung mit ihren Verbündeten auf diesem Gebiet der Reichsreform billigt und gutheißt, kann ich mich wirklich leicht darüber trösten (Abg. Rickert: natürlich!) daß, wie ich es auch nicht anders erwartet habe, Herr Rickert wie seine wenigen Freunde (große Heiterkeit rechts) einen abweichenden Standpunkt einnimmt. (Zuruf: Gründe!) . .
Auf Gründe werde ich auch noch kommen. — Meine Herren, ich konnte das ja um so mehr sagen, ohne einen zu schroffen Ton an⸗
zuschlagen, weil — die Herren haben es ja gehört — der Herr Abg. Rickert mich mit einer solchen Sicherheit seines negativen Sieges auf die paar Menschen — zwölf, glaube ich, meinte er — im Reichstag, die für die Weinsteuer und vielleicht noch zwölf andere, die auch für die Tabacksteuer stimmen würden, hingewiesen hat. Nun, ich habe schon im Reichstag Herrn Rickert und seine Freunde, wie die übrigen abweichenden Parteien dringend gebeten, nun auch ihrerseits mal einen Versuch zu machen. Herr Rickert sagt: ich erkenne die Ver⸗
pflichtung des Reichstags an, die durch die Militärvorlage entstandenen
Kosten zu decken. Das ist ein sehr werthvolles Anerkenntniß (Heiterkeit), und ich acceptiere es, juristisch und moralisch, hiermit auf das aus⸗ drücklichste. Aber, dieses Anerkenntniß kann mir leider doch noch nicht viel helfen, denn ich habe. gegen Herrn Rickert und seine Freunde kein Exekutionsmittel, wenn sie diese übernommene Verpflichtung nicht erfüllen. (Heiterkeit Diese Reichs⸗Einkommensteuer — das war sein einziges Programm. (Widerspruch!)
Nachdem man aber bemerkt hat, daß die Zahl der Abgeordneten für die Reichs⸗Einkommensteuer auch vielleicht nur ein paar Dutzend sein würde, ist auf einmal die Erbschaftssteuer zum Vorschein ge⸗ kommen. Ich will erwarten, ob der Abg. Rickert derartige Anträge auf Einführung der Erbschaftssteuer im Reichstag stellen wird, und wieviel Stimmen er dafür findet. (Heiterkeit) Das wird sich finden. Darauf kommt es mir aber hier nicht an, ich wollte nur charakterisieren, daß mit all diesen Gegenvorschlägen noch nichts gewonnen ist, trotz der Anerkenntniß, daß diese Ausgaben doch einmal bereits gemacht sind, daß es sich hier nicht um Herbeischaffung von Mitteln für zukünftige Ausgaben handelt, sondern nur um die Frage, wer die gemachten und vom Reichstag beschlossenen und im Interesse des Reichs und der deutschen Nation beschlossenen Ausgaben zu zahlen hat, und in welcher Form sie zu zahlen sind; und daß wer sich einer solchen Situation gegenüber selbst überzeugen muß, daß die Vorschläge, die er selbst macht, gar keinen Boden im Reichstag haben, daß mit ihnen überhaupt nicht durchzukommen ist, verpflichtet ist, diejenigen Mittel, auch wenn sie ihm nicht gefallen, sich anzueignen, die zur nothwendigen Erreichung dieses Zwecks er⸗ forderlich sind. (Sehr richtig! rechte.)
Meine Herren, der Herr Abgeordnete sagte, diese Steuͤervorlagen seien in Widerspruch mit den Zusicherungen des Reichskanzlers: die derselbe im Namen der verbündeten Regierungen gegeben hätte: die Lasten so zu vertheilen, daß sie thunlich wenig die schwächeren Schultern treffen. Nun wenn die Politik der Herren Rickert und seiner Freunde den nothwendigen Erfolg haben müßte, daß im Reichstag nichts zu stande kommt, dann ist die un⸗ ausbleibliche weitere Konsequenz die Belastung der Einkommen⸗ steuer in Preußen und den Einzelstaaten. Und da 95 oOs aller Einkommensteuerpflichtigen eingeschäößt sind mit einem Einkommen von 900 bis 8500 „, folglich also gerade in diesen Klassen der Mittelstand liegt, so würde eine Zwangssteuer zu der schon an sich nicht niedrigen Yreußischen Steuer, namentlich wenn ich die Mitbelastung durch die Juschläge der Kommune in Anschlag bringe, an die Stelle der Besteuerung des Taback treten. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, ich behaupte, in tausend, ja Millionen Fällen ist es viel härter, daß diese Kriegskosten gedeckt werden durch eine solche Zwangssteuer, zu welcher jeder kontribuieren muß — einerlei ob er die Mittel hat, überhaupt zu rauchen oder welche Zigarren oder welchen Taback zu rauchen — welche die Frauen und Männer gleichmäßig trifft, als eine indirekte Steuer auf den Taback nach Werthklassen gegenüber einer jetzt bestehenden Steuer nach dem Gewicht, wo die theuersten Zigarren behandelt werden wie die billigsten. Da, sage ich, ist es nicht richtig, daß diejenigen, die eine solche Einkommensteuererhöhung von 50 / vorschlagen, humaner sind als diejenigen, welche mit dem Taback gerade auch die aller⸗ opulentesten, leistungsfähigsten Schultern treffen. Nein, in solchem Fall ist eine solche Luxussteuer, denn das ist sie in Wahrheit, welcher man sich durch Einschränkung entziehen kann, viel humaner und gerechter. (Sehr richtig! Bravo! rechts.) .
Aber es handelt sich auch gar nicht um solche Dinge allein. Herr Rickert selbst erkennt ja die Verpflichtung des Reichs an, die von ihm beschlossenen Ausgaben zu decken; folglich muß er es doch selbst für falsch halten, wenn der Reichstag so operieren sollte, was ich durchaus nicht glaube, daß noth⸗ wendig diese Ausgaben infolge der Matrikularumlagen auf die Einzelstaaten geworfen werden. Das wäre eine Verkehrung des rechtlichen Verhältnisses des Reichs zu den Einzelstaaten. Herr Abg. Rickert deutete nun so dunkel an, ich male — und das wird ja auch in den freisinnigen Blättern jeden Tag ausgeführt — die preußischen Finanzen grau in grau, nur um möglichst viel Steuern zu erlangen. (Zuruf des Abg. Rickert: Nein, das habe ich nicht gesagth
Ich glaube, die drei Herren Redner der großen Parteien, die ich vorher genannt habe, sind noch grauer in ihren Darstellungen gewesen. Während ich nur von einem Defizit von 70 200 000 4. spreche, rechnet der Abg. Sattler beispielsweise heraus, daß das Defizit eigentlich über 80 Millionen betrage. Mag doch der Herr Abg. Rickert in der Budgetkommission diese Frage einmal eingehend erörtern. Ich scheue das nicht; ich wünsche es. Ich habe darum gebeten bei meiner ersten Einführung des Etats. Mag die preußische Bilanz einmal gezogen werden und unsere Finanzlage geprüft werden, und zwar nicht mit hingeworfenen Worten und mit einem gewissen Indiebrustwerfen über die Scheußlichkeit des Finanz⸗Ministers (Heiterkeit), sondern mit genauen Nachweisen, mit Zahlen und Thatsachen. Da wird sich die Sachlage leider nicht besser darstellen, als ich sie vorgetragen habe.
Der Herr Abg. Rickert sagt: warum bestehen denn gerade jetzt die verbündeten Regierungen, oder, wie er sich immer auszudrücken be⸗ liebt, Herr Miquel auf der Durchführung der Finanzreform? Das ist sehr einfach! Weil in diesem Augenblick die Ueberweisungen, die wir bisher genossen, in das Gegentheil verwandelt worden sind, durch die Beschlüsse des Reichstags zu mehr Matrikularumlagen in Höhe von 32 Millionen. Daß man da anfängt, die Finanzfrage lebhaft zu er⸗ örtern, wenn man auf einmal unerwarteterweise 32 Millionen be⸗ zahlen soll, statt vorher Ueberweisungen zu erhalten, ist doch wohl ganz natürlich. Und würde denn durch das Warten diese Reform leichter? Glauben Sie nicht, daß ich sehr wohl weiß, daß eine solche Reform durchzuführen in einer wirthschaftlich so drückenden Zeit wie heute, außerordentlich schwierig ist, daß es viel angenehmer gewesen wäre, meine Vorgänger hätten diese Reform zu der Zeit gemacht, wo Preußen viele Millionen Mehrüberweisungen erhielt? Damals war
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