1894 / 26 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 30 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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Antheil zur Regulierung ihrer Finanzen an diesen indirekten Ein⸗ nahmen baben sollten. Daraufhin haben die Einzelstaaten auf Grund dieser Ueberweisungen erhebliche Entlastungen an Steuern einerseits eintreten lassen und andererseits eine ganze Anzahl neuer Staatsausgaben befriedigt und Ueberweisungen an die Kommunen gemacht.

Ich babe darüber, wie die Ueberweisungen aus den Zöllen und Steuern auf die Finanzverhältnisse der Einzelstaaten gewirkt haben, eine Zusammenstellung nach Maßgabe der Auskunft aus sämmtlichen Einzelstaaten anfertigen lassen. Danach ergiebt sich, daß seit dem Jahre 1379 in den Einzelstaaten über 454 Millionen an Steuern erlassen sind, daß seit derselben Zeit 95 Millionen neuer Steuern erhoben oder Steuererhöhungen eingetreten sind, und daß mithin ein Erlaß und Ueberweisungen von über 359 Millionen eintraten. Geht man auf die Verhältnisse zurück, wie sie gegenwärtig in den Einzelstaaten liegen, so ergiebt sich, daß über 54 Millionen jährlich an Steuern und Abgaben zur Zeit erlassen bezüglich Ueberweisungen erfolgt sind, daß über 12 Millionen jährlich neue Steuern und Steuererhöhungen zur Erhebung gelangt sind, und daß mithin der Erlaß bezüglich die Ueberweisungen noch über 423 Millionen jährlich betragen: also netto der Betrag, den wir ungefähr auf Grund des Reformgesetzes in Form der Pauschalierung, zunächst auf 5 Jahre, den Einzel staaten überweisen wollen! Diejenigen Mitglieder des hohen Hauses, die auf die Finanzreform nicht eingehen wollen, stehen also auf dem Standpunkt: obgleich die Voraussetzung der Bewilligung der erhöhten Steuern und Zölle, die quotenweise Betheiligung der Einzel⸗ staaten an den erhöhten Einnahmen war, obgleich die Einzelstaaten darauf hin über 42 Millionen jährlich an Steuern und Abgaben er lassen bezüglich überwiesen haben, sollen die Bundes staaten doch jetzt auf diesem Defizit sitzen bleiben. Das scheint mir, ich möchte fast sagen, nicht den Versprechungen zu entsprechen, die bei der Zollgesetzgebung und bei der Erhöhung der Verbrauchs⸗ abgaben seit 1879 unzweifelhaft gemacht worden sind.

Meine Herren, wir wollen durch das Finanzreformgesetz auch nicht die elausula Franckenstein aufheben, sondern wir wollen nur den Ertrag der Einzelstaaten aus der clausula Franckenstein pauschalieren. Gegenüber diesem Pauschalierungsvorschlag ist nun so hingeworfen worden, als ob wir mit den Einzelstaaten eine Art societas leonina eingehen wollten, als ob wir die angeblich kolossal wachsenden Einnahmen aus Ueberweisungssteuern und Zöllen, die angeblich bis auf 89 Millionen in den nächsten fünf Jahren anwachsen sollen, den Einzelstaaten gegen ein Linsen— gericht abkaufen wollten. Meine Herren, ich glaube, die einzelstaat⸗ lichen Herren Finanz⸗Minister haben sich die Frage auch sehr ein⸗ gehend überlegt; aber sie stehen auf dem Standpunkt, daß ihnen hier der Sperling in der Hand lieber ist als die Taube auf dem Dach, daß sie lieber eine etwas geringere feste Ueberweisung be— kommen wollen, als in dieser die Finanzen der Einzelstaaten zerrüttenden schwankenden Art und Weise einmal Fluth und dann wieder Ebbe; und ich glaube, meine Herren, die einzelstaatlichen Finanz. Minister sind doch nicht so harmlos, um ein so ungünstiges Geschäft mit dem Reich abzuschließen, wie Sie es darstellen. Ich glaube auch, der Preußische Herr Finanz⸗Minister hat die Frage sehr genau kalkuliert und überlegt. Ueberdem, meine Herren, ist die Differenz zwischen dem, was wir als Pauschquantum auf fünf Jahre den Einzelstaaten überweisen wollen und dem, was die Einzelstaaten im Durchschnitt der 10 Jahre seit 1882/83 bekommen haben, gar keine so bedeutende. Der zehnjährige Durchschnitt der Ueber= weisungen seit 1882, 83 beträgt netto 48,6 Millionen, und wir wollen durch das Finanzreformgesetz 40 Millionen, also 8.5 Millionen weniger, überweisen. Sollte aber die Majorität der Ansicht sein, es muß der zehnjährige Durchschnitt überwiesen werden, und es werden uns die Wege gewiesen, wie wir den Mehrbetrag bekommen können, so werden sich die verbündeten Regierungen gewiß gegen eine solche Erhöhung der Quote ablehnend nicht verhalten.

Es ist uns ferner suppeditiert, als ob wir eigentlich sehr schlimme Hintergedanken hätten mit dieser ganzen Finanzreform, als ob wir es nicht ehrlich meinten, daß wir die Finanzen der Einzelstaaten auf eine feste Grundlage stellen wollten, sondern als ob wir eigentlich den diabolischen Hintergedanken hätten, uns eine Art Schatzkammer, eine Art heimlichen Juliusthurm für erhöhte Militär- und Marineausgaben anzulegen. Meine Herren, zunächst frage ich den hohen Reichstag gegenüber diesem Einwande: steht ihm denn nicht das Ausgabe⸗ bewilligungsrecht zu, dürfen denn die verbündeten Regierungen auch nur einen Thaler ausgeben, den Sie nicht beschlossen und genehmigt haben! Ich habe das Gefühl, meine Herren, das Palladium des Budgetrechts liegt in der Ausgabe⸗ bewilligung. (Widerspruch links) Gewiß, meine Herren, die Ausgabebewilligung ist das wichtigste, und wenn Sie neue Aus— gaben beschließen, so darf man das doch nicht so darstellen, als ob der Reichstag in seiner Majorität den verbündeten Regierungen damit einen Gefallen thue; wenn Sie in Ihrer Majorität Aus- gaben beschließen, so genehmigen Sie dieselben, weil Sie sie im Interesse des Vaterlandes für nothwendig halten (sehr wahr! rechts), und so haben Sie auch die Militärvorlage nicht uns zu Ge— fallen, sondern im In teresse Deutschlands und jedes deutschen Staatsbürgers beschlossen.

Meine Herren, man hat ferner von der Beschränkung des Budget- rechts gesprochen. Ich vermag wirklich nicht zu erkennen, wie darin eine Beschränkung des Budgetrechts des Reichstags liegen soll, daß wir unter Umständen weniger Matrikularbeiträge erheben dürfen, wie Sie uns etatsmäßig bewilligt haben. Darin scheint mir doch nicht eine Beschränkung des Budgetrechts des Reichstags, sondern eine Beschrãnkung des Ausgaberechts der verbündeten Regierungen, der Reichs⸗ Finanzverwaltung zu liegen. Und dann, was will denn jetzt, meine Herren, das Budgetrecht, soweit es sich um das Einnahme⸗ bewilligungsrecht für die Matrikularbeiträge handelt, heißen? Wenn Sie die Sache auf die einfachste Wurzel reduzieren, so heißt es doch nichts Anderes, als: wenn die Ausgaben bewilligt sind, wird fest gestellt, wie viel Einnahmen haben wir, und quod interest, muß auf Grund der Reichsverfassung in dem Etat als Einnahme aus Matrikularbeiträgen eingestellt werden. Ich kann dieser Form der Einnahmebewilligung keine so große Bedeutung beimessen, in der letzten Konsequenz ist das in der That eine Art Kalkulatur arbeit. Der Schwerpunkt liegt gerade gegenüber den Matrikular⸗ beiträgen in der Bewilligung der Ausgaben. Während also jetzt lediglich die Differenz zwischen Ausgaben einerseits und den Ein—⸗

nahmen aus Zöllen und Steuern andererseits in Form von Matrikularbeiträgen als Cinnahme in den Reichshaushalts⸗Ctat ein⸗ gestellt wird, soll in Zukunft, wenn der Etat nicht balanziert durch die eigenen Einnahmen und nicht balanziert durch die Summe der Matrikularbeitrãge plus 40 Millionen gegenüber der Summe der Ueberweisungen, ein Spezialgesetz ergehen, ein Spezial- gesetz, das bewegliche Zuschläge zu den Verbrauchsabgaben erhebt und das bei seiner Berathung sowohl finanzpolitische wie wirthschaftliche Erwägungen zur Voraussetzung hat: finanzpolitische und wirthschaftliche Erwägungen gegenüber dem jetzigen Verfahren, wonach das quod interest einfach auf die Einzelstaaten kontin⸗ gentiert wird, denen man die Sorge überläßt, wie sie sich damit in ihren Finanzverhältnissen zurechtfinden.

Es ist ferner darauf hingewiesen worden, daß viel richtiger wäre, wie ein Finanzreformgesetz zu erlassen, eine selbständige Reichs⸗ Finanzverwaltung mit einem Reichs⸗Finanz⸗Minister zu begründen. Ja, meine Herren, das gestehe ich Ihnen ohne weiteres zu, daß es im Interesse der Finanzen des Reichs außerordentlich erwünscht wäre, der etwas molluskenhaften Gestalt der Reichs- Finanzverwaltung ein festes Rückgrat zu geben. (Heiterkeit. Zurufe.) Ich werde Ihnen sofort antworten, Herr Abg. Rickert. Aber gegen den verantwort- lichen Reichs⸗Finanz-Minister neben dem verantwortlichen Reichs— kanzler liegen doch die allerschwersten verfassungsrechtlichen Bedenken vor; und ich glaube, meine Herren, die Trauben hängen zu hoch und werden von Ihnen nicht gepflückt werden.

Der Abg. Rickert hat die Güte gehabt, doch die Richtigkeit meiner Prämisse anzuerkennen, daß eine stärkere Ausbildung der Reichs⸗Finanzverwaltung erwünscht ist. Ich glaube, dem wird der Herr Abg. Rickert zustimmen. Dann können Sie nicht auf dem formalen Wege der Schaffung eines Reichs⸗Finanz⸗Ministers dazu kommen, sondern nur auf dem sachlichen Wege dieser Reichs⸗Finanz⸗ reform, und das will ich Ihnen nachzuweisen mir gestatten.

Meine Herren, wie steht jetzt die Reichs⸗Finanzverwaltung, bezüglich der Herr Reichskanzler und in seiner Vertretung der Reichs⸗ Schatzsekretär gegenüber den wachsenden Forderungen der Ressorts da? Es liegt ja zu nahe, meine Herren, daß, wenn jetzt die Reichs⸗Finanz⸗ verwaltung gegenüber wachsenden Anforderungen der Ressorts Einspruch erhebt, man sich doch dort sagt, eine gelinde Steigerung der Matri⸗ kularbeiträge dieser ewig rinnenden Quelle würde unüberwindbare Schwierigkeiten nicht haben. Entschließen Sie sich aber, meine Herren, dieses Reichs-Finanzreformgesetz anzunehmen, dann liegt die Sache wesentlich anders; balanciert dann der Etat nicht zwischen den Ausgaben einerseits und den eigenen Einnahmen des Reichs andererseits, dann wird die Reichs⸗Finanzverwaltung gegenüber weit gehenden Forderungen mit Recht den Einwand erheben und die Gegenfrage stellen können: wie soll das, quod interest, gedeckt werden, zu welchen Verbrauchsabgaben sind Zuschläge zu erheben, welche Zuschläge haben Aussicht, in diesem Reichstag eine Mehrheit zu erhalten?

Meine Herren, ich verstehe geradezu nicht, wie die, welche diese Reichs⸗Finanzreform bekämpfen, nicht zu erkennen vermögen, welche Stärkung einerseits der Reichs⸗Finanzverwaltung und andererseits des Budgetrechts des Reichstags in dieser Reichs-Finanzreform liegen würde. Ich meine, diese Stärkung der Reichs⸗Finanzverwaltung ist eine größere, wie jeder Reichs⸗Finanz⸗Minister, der unter Umständen auch schwach werden kann.

Meine Herren, ich möchte sagen: das Staatsschiff des Deutschen Reichs leidet an zwei großen Lecken. Das eine Leck ist die unbe⸗ schränkte Möglichkeit der Erhebung von Matrikular— beiträgen; je höher der Betrag ist, um den sie die Ueberweisungen übersteigen, desto gefährlicher und verhängnißvoller ist das für die Finanzen der Einzelstaaten. Das andere Leck, was sich in unserem Staatsschiff befindet, ist meines Er⸗ achtens die wachsende Verschuldung ohne den Zwang einer geordneten Tilgung. Meine Herren, dieses Finanzreformgesetz bemüht sich, das eine Leck zu stopfen. Es ist im Abgeordnetenhause das Bild gebraucht worden: wozu überhaupt die ganze Finanz⸗ reform? warum soll man sich jetzt den Kopf zerbrechen, ob man sich einen schöneren Geldschrank anschafft, wenn man doch nichts hineinzulegen hat und nichts hineinlegen will? Ja, meine Herren, ich glaube, für diejenigen, die uns überhaupt neue eigene Einnahmen versagen, trifft dieses Bild vollkommen zu; für diejenigen aber, die grund⸗ sätzlich mit uns auf dem Standpunkt stehen, daß eine Scheidung zwischen den Finanzen der Einzelstaaten und des Reichs politisch und finanztechnisch nothwendig ist, trifft dieses Bild nicht zu.

Die verbündeten Regierungen sind der Ansicht, daß dieses Finanz⸗ reformgesetz eine weise, haushälterische Maßregel ist, und die Reichs⸗ Finanzverwaltung ist der Ansicht, daß dieses Reichs⸗Finanzgesetz ein nothwendiger Regulator für das Reichs⸗Finanzwesen überhaupt ist. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Lie ber (Zentr.): Ich habe zunächst namens meiner

Freunde folgende Erklärung labzugeben: Meine politischen Freunde und ich stehen nach wie vor auf dem Boden der Franckenstein'schen

Klausel und hegen den dringenden Wunsch, daß dieselbe nicht nur in

ihrer staatsrechtlichen Bedentung für das Reich und den Reichstag, sondern auch möglichst in ihrer finanzpolitischen Bedeutung für die Einzelstaaten erhalten bleibt. Wir verkennen nicht, daß die vor⸗ eschlagene Finanzreform in dem Bestreben, den Einzelstaaten über⸗ ö r, Ueberweisungen zu gewährleisten, sich in der Richtung der Franckenstein'schen Klausel be⸗ wegt; allein wir halten, von ernsten Bedenken gegen wesent. liche Einzelbestimmungen der Vorlage abgesehen, den gegen⸗ wärtigen Augenblick, für nicht geeignet zur Durchführung einer vollen Reform. Die Finanzreform, welche zudem bei der Ent⸗— wickelung des Reichs⸗Schuldenwesens unserer Ansicht nach vor der n,, . eine regelmäßige Schuldentilgung ins Auge zu fassen hätte, ist selbst in ihrem vorliegenden Umfang, soweit sich augenblicklich übersehen läßt, nicht ohne wesentliche Erhöhung der indirekten Steuern durchführbar; eine solche Erhöhung erscheint aber bei dem Darnieder⸗ liegen der Erwerbs⸗ und Wr r fh , hgaftei. in nahezu allen Berufszweigen, ganz besonders im Mittelstand von Landwirthschaft und Gewerbe, um so bedenklicher, als schon die Aufbringung der Mittel für die gegen unsere Stimmen bewilligte und vorwiegend die minder bemittelten Volksklassen belastende Heeresverstärkung, wie der Augenschein zeigt, mit den größten Schwierigkeiten verbunden ist. Gleich schwer fällt ins Gewicht, daß die Mittel zur Vermehrung der Reichseinkünfte, wie sie in den vorgeschlagenen Steuervorlagen bon den verbündeten Regierungen in Aussicht genommen sind, uns in der . als nicht geeignet erscheinen und daß wir eine dem Anwachsen der indirekten Steuern im Reich entsprechende Ausbildung der direkten Steuern, insbesondere genügender allgemeiner Einkommen und Vermögenssteuern in den meisten Bundesstaaten zur Zeit vermissen. Wenn jedoch die ver⸗ bündeten Regierungen oder maßgebenden Theile des Reichstags eine Kommissionsberathung wünschen, so werden wir entsprechend der

der beiden Grundgedanken

Kreisen des Volkes herrschenden

nen geen, be, nn, da. . , . e 2 ral r die Men er if, biz andere Reichseinnahmen ge

umlagen seien nur ein . . schaffen sind. In dieser Beniehung stehen . meine Freunde zu den verbündeten Regierungen im r on den hervorragenden

arteifũhrern Wer rr von Franckenstein und von Huene ist die

Aufrechterhaltung der Matrikularbeiträge als die Grundlage des föderativen Systems, als das einzige Finanzrecht des Reichstags be= zeichnet worden. Durch die Vorlage wird die Franckenstein sche Klaufel alteriert. Während die letztere die Einnahmen des Reichs festlegt

und den Einzelstaaten die Schwankungen zuweist, will die Vor— lage die Ueberweisungen der Einzelstaaten festlegen Schwankungen dem Reich zuweisen. Von der bat man immer den die Frangen⸗ stein'sche Klausel iti die Ein⸗

ö

usführung., Aber der Zweck der Franckenstein'schen Klausel ist nicht überall erreicht worden. Die preußische Finanzreform ist erst möglich geworden durch die Erhöhung der Einkommensteuer um 40 Millionen und die neue Vermögenssteuer. Noch schlechter ist es in einigen Einielstaaten mit der Durchführung der Franckenstein schen Klausel ewesen. In der ersten Zeit wurde die finanzpolitische Seite der ie, immer betont; als es sich immer schlechter damit stellte, sprach man nicht mehr davon. Schon 1887 und 1888 haben Windthorst und von Huene darauf hingewiesen, daß es mit der indirekten Besteuerung ein Ende nehmen und daß das Reich sich einschränken müsse, daß die direkten Steuern in den Einzelstaaten gleichmäßig ausgebildet sein müͤssen. Das müssen wir erst abwarten und deshalb lehnen wir jetzt die Reformporlage ab. Es ist bekannt, wie schlecht die Erwerbs. und Wirthschaftsverhältnisse sind, und wenn auch Anzeichen der Besserung vorhanden sind, so wollen wir doch erst abwarten, ob diese Anzeichen sich auch weiter als verheißungkvoll ausweisen. Auf die Zukunft dieser Entwickelung wollen wir nicht zu viel vertrauen. An der in weiten Verstimmung ist zu einem gewissen Theile eine verwerfliche Agitation schuld, aber auch die wirkliche Nothlage weiter Kreise hat einen wesentlichen Antheil an dieser Mißstimmung. Angesichts dieser Nothlage solche Pläne durch⸗ zuführen, fehlt uns der Muth, zumal weder die Weinsteuer noch die Tabacksteuer in der vorgelegten Form unsere Zustimmung finden können. Bezüglich der Weinsteuer ist ja für uns, die wir eine föderative Partei sind, noch ein wichtiges politisches Motiv hinzu⸗ etreten. Wir sind der Meinung, daß der Widerspruch einer ervorragenden Regierung, die sich berief auf die Verhand⸗ lungen von 1870, von uns nicht unbeachtet bleiben darf. So sehr bereit meine politischen Freunde waren, wenigstens einer Kunst. und Schaumweinsteuer zuzustimmen, so weni sind sie jetzt dazu bereit nach diesem Vorgange von höchst politischer Bedeutung. Wir werden uns alle Mühe geben, in der Steuerkommission möglichst so viel zu beschaffen, um die nothwendigen Ausgaben zu decken. Wir werden aber auch durch Ab⸗ striche am Reher nals Cr möglichste Ersparnisse zu machen versuchen und überhaupt mit dem größten Nachdruck auf den Beginn der Sparsamkeitsära dringen, von der so viel geredet ist, mit welcher aber endlich einmal der Anfang gemacht werden muß. Die verbündeten Regierungen haben gewiß geglaubt, durch die Be fristung der Vorlage auf fünf Jahre dieselbe uns angenehm zu machen. Das Gegentheil ist der Fall. Wenn wir Steuern auf ewig be—⸗ willigen sollen, dann werden wir auf den Boden der Finanzreform nur treten, wenn auch diese auf ewig gemacht wird, und wenn nicht nach fünf Jahren die Reichsbegehrlichkeit wieder zur Geltung kommen lan, um den Einzelstaaten die ihnen gewährten Vortheile zu ent⸗ reißen.

Abg. Rickert (frs. Vg.); Ich hatte gehofft, daß erst ein . der Vorlage sprechen würde; was ich zu sagen habe, bewegt ich in demselben Gedankengang, den der Vorredner entwickelt hat. Ich werde die Vorlage unter keiner Bedingung annehmen. Der preußische Finanz Minister Dr. Miquel wird wohl seinen Ausspruch, den er im preußischen Abgeordnetenhause gethan hat, daß außer dem Abg. Rickert kein Mensch gegen die Vorlage wäre, zurück= nehmen müssen. Diese Vorlage ist wohl erledigt. Wenn eine Reichs nn nn 190 Millignen erfordert, dann müssen sie vorhanden ein. Aber wesentliche Theile der Steuervorlage werden nicht die Genehmigung der Mehrheit des Reichstags finden. Sehr gefreut habe ich mich darüber, daß der Abg. Pr. Lieber energische Abstriche am Reichshaushalts⸗-Etat in Aussicht gestellt hat. Der Abg. Graf Limburg Stirum hat etwas Aehnliches in Aussicht; gestellt. Ich bedauere, daß die Finanzreform mit der Militärporlage verquickt worden ist. Ich bin fest entschlossen, das Versprochene zu halten: Wir werden keine Steuer zur Deckung der Militärvor⸗ lage bewilligen, welche die unteren Volkeklassen belasteöt. War es nicht ein Fehler, daß die verbündeten Regierungen Vorlagen ein brachten, welche im Reichstage fast gar keine 3 fanden? Wiebiel Stimmen wird denn die. Weinsteuer finden? In einem konstitutionellen Staat gehen doch die Dinge so nicht; die Regierung muß im Interesse ihres eigenen Ansehens mit dem Reichstage i n nehmen, wenigstens soweit, daß sie eine ansehnliche Stimmenzah auf ihre Vorlage vereinigt. Weshalb gerade in diesem Moment, wo die Militärvorlage nur unter gewissen Bedingungen zu stande ge— kommen war, diese Reichs-Finanzreform mit dieser grohen Mehraus⸗ gabe?! Auf die stagtsrechtlichen Fragen einzugehen, ist eigentlich nicht nöthig, da ich eine Finanzreform 14 will, sondern nur die Del ung der fte der Militärvorlage durch Belastung der leistungs fähigen Schultern. Gegner der Franckenstein'schen, Klausel sind wir

nicht. Wir hätten gern die RMatrikularbeiträge ersetzt durch

und die linken Seite

beweg ; wie sie der preußische Finanz⸗ . Dr. Miquel einmal , . hat, Solange das nicht a werden wir für die . eintreten. Won dieses fũnstliche Machwerk, wird Jeder, der die Finanzen klar übersehen will. sagen. Wozu die Ueberweisungen und die Matrikular⸗ beiträge beibehalten und eine Differenz zwischen beiden festftellen? Solche Resewwefonds sind bei Aktiengesellschaften üblich, aber für einen Gtat schickt sich das nicht. Darin liegt auch keine föderative Garantie; denn darauf könneg Sie sich verlassen: nach fünf Jahren sind die , todt, wenn Sie auf die Brücke dieser Vorlage treten. Bewegliche Steuern sind eine viel größere Sicherheit für den Reichstag als die Vorlage. Auf die einzelnen Theile der Vorlage einzugehen, widerstrebt mit; sie ist ja eigentlich erledigt. Lieber würde ich die Vorlage in zweiter Lefung im Plenum weiter berathen sehen, als in der Kommission. Man foll die Einzelstaaten nicht im Defnzit sitzen lafsen. Wenn alles fo bleibt, wie bis jetzt, werden sich die Einzelstaaten in den nächsten Jahren besser stehen, wenigstens nach den Angaben des früheren Schatzsekretärs. Wenn die Einzel⸗ regierungen den Sperling in der Hand vorgezogen haben, so haben sie eben Angst vor sich selber, daß sie durch Bewilligung die Matrikular⸗ beiträge erhöhen. Aber wir werden ihnen helfen, die Mehrbewilligung zu hintertreiben. Das Defizit in Preußen ist nur ein rechnungs⸗ mäßiges. Der Schatzsekretär hat verwiesen auf die Hilfe, welche der Finanz⸗Minister im preußischen Landtag gefucht und gefunden hat. In Baden und Bayern sind die Steuerprojekte nicht mit dem⸗ selben Wohlwollen aufgenommen wie im preußischen Landtag. Wir befinden uns in Preußen in einem Uebergangsstadium, nicht be⸗ züglich der Eisenbahnen. sondern auch bezüglich der Einkommensteuer und Vermögens steuer. Werden diese Steuern nicht erhebliche Ueber— schüsse ergeben? Die J,, der Liebesgabe bekämpft der Schatz⸗ sekretãr. Sein Vorgänger wollte ja einen Theil derfelben einziehen. Der Schatz sekretär sprach von der Nothlage der Landwirthschaft. Will man eine ntersuchungs kommission einsetzen von unparteiischen Männern jeder Richtung, wir sind einverstanden damit. Was man an einzelnen Ziffern angeführt hat, hat keine Bedeutung. Ein Reichs⸗Finanz⸗ Minister ist jetzt nicht durchzufetzen. Aber daß das Reichs-⸗Schatzamt durch diese Vorlage gestärkt werden solle, ist mir unklar ge

Ob der preußische kularbeiträge oder

lieben. teuern verweist, ist doch schließlich dasselbe. Wir

müssen diese Vorlage aus finanz ⸗technischen und konstitutionellen

Gründen ablehnen. Vor allen Dingen aber wünsche ich, daß die

Ausgaben für die Militärvorlage vollständig getrennt gehalten werden von dieser Finanzreform. Nach Ablehnung! der Militärvorlage war eine Bewegung unter den vermögenden Leuten, die Kosten der Mili tärvorlage auf ihre Schultern zu nehmen. Auf diesem Standpunkte heute noch und ich habe mich davon nicht abbringen laffen.

stehe ich Es wäre ein Bruch des Vertrauens großer Volkskreife, wenn von diesem Standpunkt abgegangen würde.

Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundes gina l em r rr e. J ö.

Meine Herren! Herr Abg. Rickert, an dessen Ausführungen ich anknüpfen will, meinte, im preußischen Abgeordnetenhause hätten sich für die Nothwendigkeit der Auseinandersetznng des Reichs und der Einzelstaaten nur die Agrarier entschieden. Ich wundere mich darüber, da der Herr Abg. Rickert selbst an diesen Debatten theilgenommen hat und also wissen muß, daß gegen die Nothwendigkeit einer solchen grundlegenden Auseinandersetzung zwischen Reich und Einzelstaaten nur er und seine Freunde und Herr Abg. Richter und seine Freunde sich erklärt haben (Hört! hört! rechts) Denn nicht bloß die Nationalliberalen sind mit größter Entschieden⸗ heit eingetreten für diese Reform, sondern grundsätzlich, wie heute, auch im wesentlichen Herr Abg. Dr. Lieber, der die ganze Frage be— handelt hat vom Standpunkt im übrigen der Opportunität. Woher also die Behauptung stammt gegenüber einem Ereigniß, das eben erst Passiert und noch in so Vieler Erinnerung ist, ist mir völlig un— verständlich.

Meine Herren, der Herr Abg. Rickert sagt: Diese Vorlage ist todt! Ja, warum hat denn der Herr Abg. Rickert so eingehend über die Vorlage gesprochen? Er konnte sich ja die Sache viel bequemer machen und sagen: sie ist schon gestorben, was soll ich den Todten noch tödter machen? (Heiterkeit)

Meine Herren, er hat eine Behauptung, die er schon im preußischen Abgeordnetenhause aufstellte, hier wiederholt: daß die Einzelregierungen, die Einzelstaaten sich bei Ablehnung einer solchen Reichs. Finanzreform eigentlich viel besser ständen. Ich habe schon darauf erwidert, daß die einstimmige Anschauung aller verbündeten Regie⸗ rungen nach der entgegengesetzten Richtung hingeht, und Herr Abg. Rickert wird es vielleicht nicht für unhöflich und unbillig halten, wenn ich die Autorität aller Finanzverwaltungen im Deutschen Reich höher schätze, wie die seine. (Bravo! rechts. Zuruf links.)

Meine Herren, der Herr Abgeordnete sagte: Wie viele werden denn für die Weinsteuer stimmen? ist es denn konstitutionell, daß die verbündeten Regierungen eine solche Steuer vorschlagen, ohne irgend welche Fühlung mit angesehenen Parteien oder wenigstens mit einzelnen Personen genommen zu haben? Nun, wir haben hier schon mehrfach gehört, wie den Rednern der konservativen Parteien, aber auch den Rednern von den anderen Parteien bei der Empfehlung ihrer Kandidaturen aus den Volksmassen entgegengerufen ist: warum macht ihr nicht die Weinsteuer? (Zuruf) Das natürliche Gefühl im Volke geht dahin: wenn alle anderen Getränke so hoch besteuert sind, darf der Wein als Luxusverbrauchsartikel nicht freibleiben. (Sehr richtig! rechts) Aber noch mehr! Ich wäre bereit, dem Herrn Abg. Rickert privatim und vertraulich diejenigen Männer aus fast allen Parteien, mit denen ich Fühlung genommen, wie er sagt, zu nennen, die mir sämmtlich diese Weinsteuer als nothwendige Luxussteuer empfohlen haben. (Hört, hört! rechts.) Heute allerdings, da diese Agitation in die Massen geworfen ist, da man die Winzer hat glauben machen, sie trügen die Weinsteuer und nicht die Trinker, da steht allerdings die Sache anders, und man bringt diese sogenannte Fühlung in Vergessenheit.

Herr Abg. Rickert hat die Ordnung, die diese Vorlage mit sich bringt zwischen dem Finanzwesen der Einzelstaaten und dem Reich eine automatische genannt. Ich werde auf diese Bezeichnung die nur die Unkenntniß dieser Vorlage verräth, zurückkommen bei Ge— legenheit der Besprechung der Aeußerungen des Herrn Abg. Dr. Lieber, die mir bedeutsamer in der ganzen Frage überhaupt zu sein scheinen. (Heiterkeit links.)

Meine Herren, der Herr Abg. Lieber konkludierte schließlich auf einen praktischen Gedanken und das, muß ich sagen, hat mich sehr verwundert; denn er sagt unter Berufung auf die Autorität des verstorbenen Herrn Abg. Dr. Windthorst: ehe man die indirekten Steuern weiter entwickelt, müssen die direkten Steuern in den Einzel⸗ staaten vorher entwickelt sein. Ich frage ihn als einen Vertreter des Föderalismus, wie er das wohl anfangen will. Können wir und sollen

wir mittels der Reichsgesetzgebung einen Zwang gegen die Einzelstaaten

iu einer bestimmten Gestaltung ihres direkten Steuersystems üben, bei⸗ spielsweise gegen Bayern? Wenn wir aber warten wollen mit

der Ordnung

inanz⸗Minister auf die Vermehrung der Matri⸗

.

unseres Finanzwesens im Reich, bis dies mäglich gewesen ist und von den Einzelstaaten, die darüber souverän verfügen, wie sie ihr direktes Steuersystem gestalten wollen, die Reform der direkten Steuern durchgeführt ist behufs der nothwendigen Ergänzung der Mittel des Reichs, wie lange sollen wir überhaupt dann noch warten? (Sehr richtig! rechts) und welches Unrecht thut man denn denjenigen Einzelstaaten, die auch nach den Wünschen des Herrn Abg. Dr. Lieber ihr direktes Steuersystem seit langer Zeit oder seit längerer Zeit bereits reorganisiert haben? (Sehr richtig! rechts) Gewiß ist die zitierte Aeußerung damals vollkommen zutreffend gewesen, die der Herr Abg. Dr. Windthorst that, und ich habe im Jahre 1887 genau dasselbe gesagt. Ich sagte: Die Ent⸗ wickelung muß so vor sich gehen, nicht, daß man den unmöglichen Versuch macht, im Reich das direkte und bewegliche Steuersystem herzustellen, sondern das muß man in den Einzelstaaten thun, wo es allein praktisch durchführbar? ist (Sehr richtig! rechts), und demgemäß hat man in Preußen und in einer Reihe anderer Staaten gehandelt. Heute aber liegt die Frage ganz anders. Denn die Einnahmen and die Art der Einnahmen, die Formen der Steuer hängen ab auch von der Höhe der Ausgaben. Heute sind 60 Millionen neue Ausgaben vom Reichstag bewilligt und etwa 35 Millionen Zoll⸗ einnahmen ausgegeben. Heute würde der Herr Abg. Dr. Windthorst eine ganz andere Sprache führen können und doch konsequent sein mit seiner damaligen Aeußerung. Hiermit also glaube ich, können wir uns nicht trösten.

Der Haupteinwand, den der Herr Abg. Dr. Lieber, der im übrigen ja im großen und ganzen die Gesichtspunkte, die bei dieser Reform maßgebend gewesen sind, billigt und für nothwendig hält, der Haupteinwand liegt in der Zeit. Er sagt: in der Zeit einer großen wirthschaftlichen Depression kann man nicht die Einnahmen in einer solchen Weise erhöhen, wie das hier vorgeschlagen ist. Man muß warten. Nun, meine Herren, die verbündeten Regierungen haben sich, ehe sie an diese grundsätzliche Regelung des Finanzwesens des Reichs und seines Verhältnisses zu den Einzelstaaten herangetreten sind, dasselbe Bedenken gemacht. Sie wußten sehr wohl, wie un— günstig der gegenwärtige Augenblick für eine solche Reform ist; sie wußten sehr wohl die Bedenken, die aus dieser allgemeinen Lage in der Volksstimmung auch gegen einen solchen Versuch einer dauernden Heilung der schweren Schäden unserer Finanzzustände sich entgegen stellen würden. Aber, meine Herren, wir haben uns die einfache Frage vorgelegt: welche Garantie haben wir aber, daß es in Zukunft besser und leichter wird? In welcher Lage befinden wir uns finanziell heute und wie wird sich die Lage aller Wahrscheinlichkeit nach in der nächften Zeit gestalten? Wenn wir in einer aufsteigenden Linie wären, wenn die Ueberweisungen die Matrikularumlagen übersteigen, wenn Aussicht wäre, daß diese entweder noch mehr in Zukunft fallen oder wenigstens sich gleich bleiben, oder nur mäßig steigen würden: dann, meine Herren, wäre die Sache allerdings nicht dringlich, und dann wäre die Sache später vielleicht besser durchzuführen.

Ich habe schon mein Bedauern ausgesprochen, daß man in der Zeit der großen Ueberweisungen diese Reform nicht in Angriff ge— nommen hat. Wie wird sich nun jetzt die Lage gestalten! Wir werden in kurzer Zeit eine Steigerung von rund 60 Millionen Matrikularumlagen haben, und diese Steigerung wird aller Wahr⸗ scheinlichkeit nach fortdauern. Ich will Ihnen die Rechnung hier nicht aufmachen, weil ich gern in den allgemeinen, entscheidenden Gesichtspunkten bleiben möchte. Ich bin aber gern bereit, in der Kommission zu zeigen, daß aller Wahrscheinlichkeit nach das Ueber— gewicht der Matrikularumlagen über die Ueberweisungen in Zukunft sich noch ungünstiger gestalten wird, als es heute schon der Fall ist. Folgeweise verschieben Sie einfach die Reform in dem Sinn, daß entweder das Defizit durch Anleihen gedeckt wird im Reich oder in den Einzelstaaten. (Sehr richtig! rechts). Mit jedem Jahr wird sich die Lage erschweren, nicht erleichtern, und diejenigen, die lediglich aus diesem Grunde diesen, wie ich vollkommen anerkenne, schweren Entschluß einer durch⸗ greifenden Reform nicht fassen können, werden später bedauern, daß sie heute nichts weiter wußten, als die Sache auf unbestimmte Zeit zu vertagen.

Was wird nun aber in der Zwischenzeit eintreten? Das möchte ich den Herren vom Zentrum namentlich noch einmal vor Augen führen. So viel steht doch fest, und Sie selbst scheinen es anzuerkennen, daß nach der ganzen historischen Entwicklung unseres Finanzwesens im Reich und der Stellung der Einzelstaaten dazu, nach Maßgabe des Inhalts der Reichsverfassung, nach der föderatiben Natur unseres Staatswesens der fragliche Einnahmeverlust und die hier vorliegenden Ausgabe— vermehrungen naturgemäß durch das Reich gedeckt werden müssen.

Die Einzelstaaten werden es unzweifelhaft nicht verantworten können, in der Zwischenzeit auf unbestimmte Zeit hin denn sie wissen ja dann nicht, wann denn nun eine solche Reform im Reichstag möglich sein wird durch Anleihen die entstandenen Defizits zu begleichen, sondern sie werden zu einer Steuererhöhung, einer direkten oder indirekten Steuererhöhung in den Einzelstaaten übergehen müssen. Dann kommt dieser verhängnißvolle Zustand, daß die Einzelstaaten das Reich nicht als einen Wohlthäter, sondern als einen Gegner ansehen möchten, daß sie selbst in ihren Finanzen schwer geschädigt werden für Aus⸗ gaben, die sie direkt nicht berühren, und die Gefahr liegt doch sehr nahe, daß, wenn auf die Weise einmal die Ausgaben in den Einzel— staaten gedeckt worden sind durch eine Erhöhung der Steuern, es in Zukunft noch viel schwerer werden wird, im Reich die erforderlichen Mehreinnahmen zur Entlastung der Einzelstaaten zu bekommen. Mit anderen Worten: die Mehrausgaben, die hier das Reich beschlossen hat, sind dauernd, aller Gefahr nach auf die Einzelstaaten abgewälzt, und wenn Sie das diesmal thun, wo Sie mit einem Schlage eine große Militärvorlage angenommen haben, die künftig 50 60 Millionen Mehrausgabe verursacht wie soll es dann wohl möglich sein, eine Einnahmevermehrung kleineren Grades, wie sie sich allmählich von Jahr zu Jahr in einer großen Verwaltung nothwendig macht, auf eine andere Weise auszugleichen als nur einfach wie bisher durch Ver⸗ mehrung der Matrikularumlagen? Mit anderen Worten: Diese Ent⸗ wicklung muß dahin führen, daß in immer stärkerem Grade der eine die Ausgaben dekretiert und der andere für die Einnahmen zu sorgen hat.

Meine Herren, der Punkt ist wohl noch nicht genügend berührt: Wenn die Matrikularumlagen dauernd die Ueberweisungen übersteigen, dann ist die ganze Franckenftein'sche Klausel dahin, darüber kann nicht der geringste Zweifel sein (Sehr richtig! rechts), und es hat das ja auch in ausführlicher Weise und durchaus zutreffend Herr Dr. Lieber ausgeführt, der uns ja nachgewiesen hat, wie der

424 wesentliche Zweck der damaligen Steuer⸗ und Zollerhöhungen dahin ging, daß die Ueberweisungen die Matrikularumlagen dauernd über⸗ steigen sollen.

Was nun hier insbesondere diese Vorlage anlangt, so wollen wir die Franckenstein'sche Klausel nur ausbilden, ihrem ursprünglichen Zweck entsprechend, wir wollen den Einzelstaaten die Garantie mäßiger Mehrüberweifungen geben, wir stellen den Satz auf, daß in dem Jahre 1879,80, im Jahre 18865, im Jahre 1887 nur unter diesen Gesichtspunkten vom Reichstag und vom Bundesrath die Mehrein⸗ nahmen des Reichs bewilligt sind, daß das Reich an diesen Mehreinnahmen nicht allein partizipieren sollte für seine Zwecke, sondern daß auch die Einzelstaaten mitgenießen sollten. Die Gesammtlasten der deutschen Bevölkerung und die daraus resultierenden Einnahmen sollten vertheilt werden zwischen Reich und Swnzelstaaten. Das ist jetzt dahin und ohne wesentliche Vermehrung der Reichseinnahmen wird es auch in Zukunft dahin sein, und wir sind es gerade, die heute eintreten für das eigentliche Ziel, was die Franckenstein'sche Klausel wollte. Gerade die verbündeten Regierungen sind es, die den eigentlichen Gedanken derselben vertreten. (Lachen links. Sehr richtig! rechts) Gewiß, denn der entscheidende Gedanke lag in der Garantie einer Mehrüberweisung.

Der Herr Dr. Lieber sagt nun, die Matrikularumlagen seien konstitutionell unerläßlich für den Reichstag. Nun, meine Herren, das ist eben der Grund, warum wir diese Form der Aus— einandersetzung gewählt haben, weil wir diese Anschauungen, auch wenn die verbündeten Regierungen sie nicht theilen, zu berücksichtigen so weit als möglich, für unsere Pflicht hielten. Man hatte hier drei Wege: man konnte einfach, um das Ziel der dauernden Auseinandersetzungen zu erreichen, die Ma⸗ trikularumlagen streichen, die gesammten Einnahmen aus Zöllen und Gebrauchsabgaben und sonstigen Quellen dem Reich belassen, aber dem Reich eine feste Rente an die Einzelstaaten auferlegen. Dann waren die Matrikularumlagen auch äußerlich verschwunden.

Man konnte zweitens die Matrikularumlagen und die Ueberweisungen in bestimmten benannten Zahlen ausdrücken, welche in ein mathematisch festes Verhältniß gegen einander zu stellen waren. Dann war die Einnahmebewilligung, für welche vielfach im Reichstag diese Bewilligung der Matrikularumlagen an⸗ gesehen wird, auch dahin. Statt dessen wählten wir den sogenannten automatischen Weg, gerade im Entgegenkommen gegen den Werth, den erhebliche Parteien auf die fortdauernde Bewilligung der Matrikular⸗ umlagen legen. Wir wollten die Matrikularumlagen in ein bestimmtes Verhältniß bringen, wobei Matrikularumlagen und Ueberweisungen sich jährlich in den einzelnen Summen ändern können, wenn nur das Verhältniß zwischen beiden ein gegebenes bleibe. So ist nach der Richtung von den verbündeten Regierungen alles ge⸗ schehen, um gerade die Wünsche der Herren im Zentrum möglichst zu befriedigen, und ich sehe daher nicht ein, wie dieser Einwand, wenn es ein solcher gewesen sein soll darüber bin ich im Zweifel gegen diese Vorlage geltend gemacht werden kann.

Meine Herren, es ist von den verschiedensten Seiten und, soviel ich verstanden habe, auch von Herrn Dr. Lieber ausgesprochen, daß man nicht hundert Millionen bewilligen könnte; man würde sich bemühen, so viel Einnahmen zu bewilligen, als zur Deckung der Militärausgabe erforderlich seien. Allerdings würden damit die verbündeten Regierungen schon viel schlechter gestellt sein als vor Abschluß der Militärvorlage und der Handels verträge. Nun fragt es sich, wenn die verbündeten Regierun— gen 40 Millionen Ueberweisungen in der Vorlage gefordert haben: sind diese Ueberweisungen grundsätzlich unzertrennlich zu betrachten von dem übrigen Inhalt der Reform? Ich stehe nicht an, mit der größten Offenheit zu erklären, daß das nicht der Fall ist. Denn was ist der Grundgedanke der ganzen Vorlage? Er ist der, daß jeder Theil, Reich und Einzelstaaten, für seine eigene Handlungen, für die von ihm beschlossenen Ausgaben allein die Ver— antwortung tragen muß, mit einer Modifikation zu Gunsten der Einzel⸗ staaten, worauf ich gleich noch komme. Ich brauche Ihnen das garnicht auseinander zu setzen, daß es finanziell nicht gut ist, wenn man in einer großen Verwaltung ; tausend wirkliche Bedürfnisse hat, wo die Wünsche von allen Seiten auftauchen, nicht bloß von den Ressorts, sondern selbst auch aus den Vertretungskörpern, stets parate Mittel besitzt. Steuern auf Vor⸗ rath, von denen Herr Abg. Richter immer spricht, will ich auch nicht entfernt. Aber wie muß diese Gefahr mangel⸗ hafter Finanzverwaltung wachsen, wenn man nicht nur die eigenen paraten Mittel verbraucht, sondern in der Lage ist, die paraten Mittel anderer zu verbrauchen und das sind die Matrikularumlagen; sie sind viel schlimmer als unnöthige Fonds, die keinen anderen Zweck haben, als für allgemeine Bedürfnisse verwendet zu werden, viel schlimmer als überschüssige Steuern, die keinen rechten Zweck haben. Die Uebel, die in diesen Dingen liegen, verdoppeln und verquadruplieren sich so.

Aber weiter, wenn derjenige Vertretungskörper, der die Ausgaben bewilligt und ausschließlich die Verantwortlichkeit haben sollte für die Art und Weise, wie die Einnahmen aufgebracht werden, bei unserer Verfassung keinerlei Einwirkung hat, wie in den Einzelstaaten die Matrikularumlagen gedeckt werden: ob in einer nach der Anschauung der Mehrheit des Reichstags gerechten oder ungerechten Weise, ob mit einer Ueberlastung der Realabgaben, oder mit innerstaatlichen indirekten Steuern, oder mittels einer zweckmäßig konstruierten Ein⸗ kommensteuer! diesen fortdauernden Zustand der Deckung der Aus⸗ gaben des Reichs durch Matrikularumlagen, dem wir entgegengehen würden, wenn die Ansicht der Herren von der Linken Wahrheit würde, kann man wirklich nur als einen antediluvianischen Zustand bezeichnen, auf welchen die Grundlage eines modernen Reichs auf die Dauer nicht gestellt werden kann! (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, für das Reich ist dieser Zustand zwar bequem aber gefährlich, für ganz Deutschland doppelt gefährlich, für die Einzelstaaten auf die Dauer unhaltbar.

Wenn die Matrikularumlagen fixiert wären, nicht wie hier vorgeschlagen wird in einem bestimmten Verhältniß zu den Ueber⸗ weisungen ständen, wenn sie selbst hoch fixiert wären, so wäre dabei wenigstens eine geordnete Finanzberwaltung in den Einzelstaaten möglich; dann wüßte man, obwohl die Reichsverfassung dem Reich und den Einzelstaaten abgegrenzte bestimmte Aufgaben und folglich auch bestimmte Ausgaben zugewiesen hat, und obwohl es doch das Ziel sein muß, mit diesem politischen Zustand der Vertheilung

der nationalen Regierungsaufgaben das Finanzwesen in Einklang