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für die Kolonien aufzuwenden. Wir werden, wie immer, gegen den Etat stimmen.
Reichskanzler Graf von Caprivi:
Ich behalte mir vor, in der weiteren Diskussion auf die Kolonial⸗ politik im allgemeinen und die Bemängelungen, die schon jetzt gegen sie gerichtet sind, einzugehen. Ich möchte nur für heute noch der⸗ jenigen Fälle Erwähnung thun und meine Ansicht darüber äußern, die der Herr Vorredner berührt hat und die ja ein humanes Gefühl un⸗ angenehm berühren können.
Ich glaube, daß ich etwa ebenso gut Anspruch auf humane Ge⸗ sinnung machen kann, als der Herr Vorredner; trotzdem aber kann ich in sein verdammendes Urtheil nicht überall einstimmen, schon weil ich nicht die Gewohnheit habe, über dergleichen Dinge zu urtheilen, ohne nicht auch die andere Seite gehört zu haben.
Wenn die Prügelstrafe, die in Kamerun verhängt worden ist, erwähnt wird, und wenn dabei Brutalitäten vorgekommen sein sollten, die denen ähnlich sind, welche die Zeitungen geschildert haben, so wird zweifellos das geschehen, was die Regierung thun kann, um Abhilfe zu schaffen. Ob es nun nöthig war, das Bild, was der Herr Abgeordnete von diesen Scenen in Kamerun hier entrollte, noch durch die Zusage, hier eine besondere Peitsche vorzulegen, zu verstärken, das will ich anheimstellen; denn in dem Bericht des Gouverneurs, also in dem einzigen amtlichen Anhalt, den ich habe, steht von der Anwendung der Peitsche nichts; es ist an sich auch unwahrscheinlich, daß sie in Kamerun gebraucht sein sollte. Indessen, wie dem auch sein möge, auch das wird sich heraus- stellen. Ich nehme Anstand zu urtheilen, bis ich nicht weiß, wie es sich auch mit diesem Detail verhalten hat.
Daß wir in der Erziehung unserer neuen schwarzen Mitbürger oder Unterthanen, soweit wie möglich, die Milde walten lassen müssen, liegt auf der Hand, und ich stimme darin mit dem Herrn Vorredner vollkommen überein, daß hier sich ein Feld für die segensreiche Thätig⸗ keit von Missionen bietet, wie es besser nicht gefunden werden kann. Ich erkenne das so warm an, daß auch ich geneigt bin, obschon die ver bündeten Regierungen noch keine Stellung zu der Resolution in Bezug auf die Missionen genommen haben, mit allen meinen Kräften dafür einzutreten, daß den Vätern vom Heiligen Geiste ihre Thätigkeit er⸗ leichtert werde. (Bravo! in der Mitte.)
Nun Ost-Afrika! Es ist die Wahl des Offiziers, der da ist, als eine unglückliche bezeichnet worden. Ja, meine Herren, ich habe lange nach jemand gesucht, von dem ich glaubte, daß er dieses Amt gut und tüchtig verwalten würde. Einen Militär zu nehmen, dafür sprach der Umstand, daß, wenn der Gouverneur unterwegs ist, wie jetzt, wo er Monate lang Erpeditionen in das Innere macht, dann ein Stellvertreter da sein muß, der auch das Kommando über die Schutztruppen übernehmen kann, und umgekehrt: Wenn der Gouverneur zu Hause ist, in dem stellvertretenden Gouverneur einen Mann zu haben, der im stande ist, den Befehl über selbständige Expeditionen zu führen. Nun berührt es mich auf das schmerzlichste, einen ausgezeichneten Offizier der preußi⸗ schen Armee, einen Mann, der in bevorzugten Stellungen sich befunden hat, und den ich daraus weggenommen habe — man hat ihn mir gegeben, er war Adjutant bei einem General ⸗Kommando — auf solche Weise hier lächerlich gemacht und bloßgestellt zu sehen. Ich sollte meinen, die Herren, die darüber klagen, daß wir nicht die richtige Wahl von Offizieren träfen, sollten sich doch einmal die Frage vor⸗ legen, ob denn eine solche Kritik unserer Offiziere und Beamten im Auslande — eine Kritik, bei der die Betreffenden keine Gelegenheit gehabt haben, gehört zu werden, dazu beiträgt, die Neigung in unseren besten Offizieren und Beamten, über See zu gehen, steigern wird? Ganz gewiß nicht! Wenn solche Debatten, wie diese hier, sich wiederholen, dann weiß ich ganz genau, ich bekomme, wo ich auch anfrage, einen Korb. Also schon von diesem Standpunkt aus möchte ich bitten, die Sache etwas objektiver anzu⸗ sehen. Was hat nun der Major von Wrochem gemacht? Er hat einen Erlaß gegeben — ich will es militärisch bezeichnen, da einmal so viel über Militarismus geklagt wird — über Honneurmachen. Ja, wenn wir unsere Soldaten zum Gehorsam er— ziehen wollen, so wenden wir dieses Mittel der Ehren—⸗ bezeugung gegen Vorgesetzte an. Ich möchte glauben, daß, wenn das Mittel sich bei uns durch Jahrzehnte und Jahrhunderte bewährt hat, es nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist. Wir brauchen bei den Schwarzen Gehorsam, und finden wir den Gehorsam nicht durch ein so mildes Erziehungsmittel, wie es das Verlangen nach Ehrenbezeugungen vor Weißen und hohen Beamten der Kolonie ist, so könnten wir eben in die Lage kommen, gelegentlich schärfere Mittel anwenden zu müssen.
Nun die Hunde! Der Herr Vorredner sagt: Hunde in Afrika haben keine Herren. Woher weiß er denn das? Daß in Afrika die Mehrzabl der Hunde keine Herren haben, ist mir auch wahrscheinlich; daß es aber in Dar⸗es⸗Salam und in den anderen Städten an der Küste eine große Anzahl von Hunden giebt, die Herren haben, ist zweifellos, und weiter ist zweifellos — und ich beziehe mich dafür auf die Erklärungen eines unserer erfahrensten Afrikakenner —, daß nichts gefährlicher in Afrika ist als frei umherlaufende Hunde, und zwar deshalb, weil sie die Träger von Krankheiten sind. Der Hund und der Schmutz des Hundes unter der Tropensonne sind anders als hier. Er ist meist mit Ungeziefer von unten bis oben behaftet, und zwar mit Ungeziefer von schlimmerer Art als es bei uns giebt, was sich in seinen Körper einfrißt und Krankheiten auf andere Thiere und Menschen überträgt. Wenn nun gegen solche frei umherlaufende Hunde eine Verfügung erlassen wird, dann bin ich, selbst wenn diese Verfügung einen stilistischen Fehler hat, nicht geneigt, diese Verfügung a priori für einen Fehler zu halten.
Der Herr Vorredner hat dann einen Fall angeführt, in dem der Major von Wrochem beschuldigt wird, einen jungen Berliner, der herausgekommen ist, Namens Klemm, insultiert und unfreundlich be—⸗ handelt zu haben. Dieser Herr Klemm — darin hat der Herr Abg. Bebel ganz Recht — hat auch an mich geschrieben, und ich habe darauf das gethan, was ich thun konnte und mußte. Ich habe das Gouvernement zum Bericht aufgefordert, und ehe der Bericht nicht da ist, bin ich nicht im stande, an das Schreiben des Herrn Klemm irgend eine Bemerkung oder irgend eine Schlußfolgerung zu knüpfen; denn, meine Herren, darauf möchte ich mir doch auch er⸗ lauben aufmerksam zu machen, in einer wie schlimmen Lage unsere Beamten in den Kolonien sind. Auf Wohlwollen haben sie wohl bei wenigen Menschen zu rechnen. Da sind die Deutschen, die draußen sind, herausgekommen zum theil mit übertriebenen Erwartungen, sie
wurden enttäuscht. Da sind Händler, sie haben Handelszweige wählen wollen, an deren Betrieb sie gehindert werden; es geht nicht vorwärts mit ihnen. Naturgemäß suchen sie die Schuld nicht in sich, sondern in den Verhält⸗ nissen, vor allen Dingen an der Regierung; daran sind sie als gute Deutsche einmal gewöhnt und daran halten sie auch jenseits des Ozeans fest. (Heiterkeit. Sie ärgern sich, sie füblen sich benach⸗ theiligt. Nichts einfacher: es wird ein Brief geschrieben an irgend einen Verwandten, an irgend eine Zeitung, und schließlich wird eine Kritik durch ganz Deutschland verbreitet, die unerwiesen ist, die aber eine große Anzahl von Gläubigen ohne weiteres findet, weil sie ja auf eine anklingende Stimmung in der Heimath stößt. Nun bitte ich, überlegen Sie sich einmal, wie schwer ist es in einer solchen Lage, noch einem Amt vor⸗ zustehen. Ich will Südwest⸗Afrika annehmen. Herr von Frangois — wir kommen gewiß auch noch auf ihn, und es wird auch noch sein Sündenregister entrollt werden — bekommt frühestens, wenn es regel mäßig geht, alle fünf Wochen eine Post. Nun kommen alle fünf Wochen eine Unmenge deutscher Zeitungen, aus denen er ersieht, daß er eigentlich ein ganz beschränkter, unfähiger, unthätiger — und nun können Sie ein ganzes Heer von Adjektiven noch wählen — Mann wäre. Glauben Sie, daß den Männern draußen dadurch ihre schwierige Aufgabe erleichtert wird? Sie werden doch daraus, daß sie selbst so viele Fälle von nach ihrer Ansicht verfehlter Pflichterfüllung anführen, auch entnehmen können, daß es schwer ist, seine Pflicht dort zu erfüllen. Also ich möchte doch rathen, im Interesse unserer Kolonien und ihres Ge⸗ deihens Maß zu halten und nicht leichtgläubig alles aufzunehmen, was von draußen kommt und gegen die betreffenden Offiziere und Beamten gerichtet ist.
Der Herr Abgeordnete hat sich auf einen Bericht oder Brief eines Herrn Kallenberg bezogen, der aus Südost⸗Afrika über die Prügelstrafe auch entsetzliche Dinge berichtet hat. Ich vermuthe, daß es derselbe Herr ist — denselben Namen trägt er wenigstens — wie Einer, der sich um Anstellung in Ost-Afrika beim Auswärtigen Amt beworben hat. Ich möchte annehmen, ganz so schrecklich kann dem Herrn die Sache nicht erschienen sein, wenn er die Neigung hat, wieder herauszugehen oder draußen zu bleiben.
Also, ich komme in der weiteren Debatte auf die Sache zurück; aber ich möchte noch einmal dringend um Zurückhaltung bitten, ich nehme die Verantwortung auf mich, und wenn Dinge geschehen, die mit den Gesetzen nicht im Einklang stehen, die nicht recht sind, so werde ich dafür sorgen, daß das geschieht, was geschehen muß; aber erschweren Sie den Männern draußen und auch mir diese Aufgabe nicht, indem Sie eine Kritik selbst da üben, wo ihr die sachliche Be⸗ gründung fehlt. (Bravo! rechts.)
Abg. Graf Arnim (Rp.): Ganz so milde wie der Reichskanzler kann ich das Verhalten der Kolonialbeamten nicht beurtheilen, wenn ich auch zugebe, daß sie mit ganz eigenartigen Verhältnissen zu thun haben. Man würde vielleicht besser fahren, wenn man bei der Wahl der Beamten solche jungen Kaufleute bevorzugte, welche in englischen, französischen oder anderen Kolonien Erfahrungen gesammelt haben.
Um 4 ½ Uhr wird die weitere Berathung auf Sonnabend
1 Uhr vertagt.
Prenszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
I7. Sitzung vom 16. Februar 1894.
Aus der Debatte, die sich in der fortgesetzten zweiten Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1894/95 und zwar des Etats der Justizverwaltung an das Kapitel „Landgerichte und Amtsgerichte“ knüpfte (s. den An⸗ fangsbericht in der Freitags Nummer d. Bl.), tragen wir noch die Rede im Wortlaut nach, mit welcher der Justiz-Minister Dr. von Schelling dem Abg. Schmitz⸗Erkelenz (Zentr.) ant⸗ wortete.
Justiz⸗-Minister Dr. von Schelling: .
Meine Herren! Es freut mich, dem Herrn Abg. Schmitz (Erkelenz) in Bezug auf den ersten Gegenstand, den er berührte, mittheilen zu können, daß die Frage der Haftung des Grundbuchrichters sich im Flusse befindet. Die Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs hat sich eingehend mit dieser Frage be— schäftigt, und sie wird durch den ja in wenigen Jahren zur Verabschie⸗ dung gelangenden festgestellten Entwurf dieses Gesetzes ihre Erledigung finden.
Was sodann den zweiten Punkt der Ausführungen des geehrten Herrn Abgeordneten anlangt, so bin ich mit ihm damit einverstanden, daß es zur Ausbildung der Referendarien durchaus nothwendig ist, daß sie die ländlichen Verhältnisse kennen lernen und sich nament— lich in das ländliche Grundbuchrecht hineinleben. Gerade von diesem ausgehend, ist die Bestimmung getroffen, daß die Referendarien gleich bei Beginn ihres Vorbereitungsdienstes während einer neun⸗ monatlichen Zeit bei einem tleinen Amtsgericht zu beschäftigen sind, also dort ihren Aufenthalt zu nehmen haben. Meines Wissens wird streng darauf gehalten, daß diese Vorschrift nicht umgangen wird. Sollte es dennoch in einzelnen Fällen vorgekommen sein, daß der Referendarius, anstatt am Sitz des Amtsgerichts seine Wohnung zu nehmen, in einer benachbarten großen Stadt wohnen bleibt und seine Geschäfte beim Amtsgericht von der großen Stadt aus zu besorgen sucht, so würde ich dagegen als gegen einen Mißbrauch einzuschreiten nicht ermangeln.
Im weiteren Verlauf der Berathung (s. die gestrige Nr. d. Bl.) nahm nach dem Abg. Grafen zu Limburg⸗Stirum (kons.) das Wort der —
Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.): Der Herr Graf hätte diese Rede nur gestern im Reichstag balten sollen. Wäre er dort an meiner Seite gewesen, so wären manche Postgebäude nicht bewilligt worden; denn es handelte sich nur um wenige Stimmen. Eine Benachtheiligung der Beamten dürfe, so führt Redner weiter aus, durch die Dienstaltersstufen nicht berbeigeführt werden.
Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Lehnert betont wiederholt, daß daran nicht gedacht werde. Das Haus habe selbst die Einführung der Dienst⸗ alterszulagen gewünscht, und jetzt tauchten mit einem Male lauter Bedenken auf.
Abg. Im Walle Gentr.) stimmt in dieser Frage dem Abg. Schmidt zu.
Abg. Schmidt ⸗ Warburg (Zentr.): Auch die Eisenbahnbeamten befürchten theilweise, daß sie durch die Dienstaltersstufen vorüber⸗ , im Aufsteigen zu höheren Gehaltsstufen benachtheiligt werden önnten.
Abg. Krause⸗Waldenburg (fr. kons.) bemängelt, daß etwa
ein Drittel der Staatsanwaltsstellen nicht mit etatsmäßigen Staats
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anwalten, sondern mit nichtetatsmäßigen Hilfsbeamten besetzt sei⸗ Nicht nur im Interesse der Staatsanwaltschaft, sondern befonders auch im Interesse einer geordneten n, sei eine Aenderung dringend nöthig. Eine gute Vorbereitung der trafsachen im Vor= verfahren sei werthvoller, als die Wiedereinführung der Berufung. Der Justizberwaltung müsse die Pflicht abgenommen werden, alle die, welche das Staatsexamen gemacht haben, auch zu beschäftigen; die Justizverwaltung müsse wie die anderen Verwaltungen das Recht haben, unter den Assessoren sich die geeigneten Beamten auszuwählen, die sie anstellen will. Dadurch würden von vornberein manche Elemente von der juristischen Laufbahn abgehalten werden.
Geheimer Ober Justiz⸗ Rath Dr. Lucas: Wir sind bestrebt, die etatsmäßigen Staatsanwastsstellen zu vermehren; wegen der Finanzlage ist es aber noch nicht möglich gewesen. Hoffentlich wird es im nächsten, spätestens übernächsten Etat möglich sein.
Abg. Dr. Lot ich iu s (nl) tritt dafür ein, daß die Gerichts ˖ Atuare schon nach fünfjähriger Dienstieit zur etatsmäßigen Anstellung gelangen und daß dazu die etatsmäßigen. Stellen vermehrt werden mochten.
Geheimer Justiz-Rath Vierhaus sag möglichste Einschränkun der Zahl der Hilfsarbeiter auch in diesem Dienstzweige zu, wenn si auch die Sicherheit der etatsmäßigen Anstellung nach funf Jahren nicht e, lasse.
bg. Nadbyl (Zentr.) dankt für die Erböhung des Maximal⸗ gehalts der Gerichtsschreiberassistenten auf 200 0, hätte aber eine Erhöhung auf 2300 4 gewünscht.
Geheimer Ober. Finanz Rath Lehnert; Eine höhere Dotierung sei mit Rücksicht auf die Assistenten der Eisenbahn nicht möglich ge⸗ wesen.
Abg. Dziorabek (Pole) beklagt den Mangel an Dolmetschern sowie die . Remuneration derselben und wünscht, außer Besser⸗ stellung dieser Beamten, ferner in den polnischen Landestheilen eine Mehranstellung solcher Richter, die des Polnischen mächtig sind.
Geheimer Justiz⸗Rath Vierhaus stellt sich den Wünschen auf Hebung des Dolmetscherstandes sympathisch gegenüber, hält aber im Gegensatz zu dem Vorredner die jetzige Organisation, wonach die Dolmetscher nach Maßgabe ihrer jeweiligen Leistung remuneriert werden, für zweckdienlich, zumal die Dolmetscher nur im Nebenamt als solche fungierten und im Hauptamt Gerichtsschreiber seien.
Die Abgg. Dr. Krause⸗Königsberg (nl) und von Strom⸗ beck (Zentr) wünschen eine umfangreichere etatsmäßige Anstellung der Amtsanwalte im Hauptamt,
Geheimer Ober -Justiz-Rath Dr. Lucas: Mit Rüchsicht auf die Finanzlage hat die Justizverwaltung auf die Erfüllung dieses Wunsches im laufenden Jahre noch verzichtet.
Abg. von Buch (kons.) bemängelt es, daß die Referendare zur Entlastung der Gerichtsschreiber mit Geschäften dieser Beamten beschäftigt würden. Ebenso unzulässig sei die Fübrung der Pro⸗ tokolle im Strafprozeß durch junge, ungewandte Referendare.
Justiz-Minister Dr. von Schelling:
Mir ist nicht bekannt, in welchem Umfang der vom Herrn Abg. von Buch hervorgehobene Mißstand besteht. Ich bin aber dankbar dafür, daß ich auf denselben aufmerksam gemacht bin. Im wesent⸗ lichen bin ich mit dem Herrn Abgeordneten einverstanden. Das Diktat⸗ schreiben zu Protokoll ist ein sehr wichtiges Ausbildungsmittel für Referendare. (Sehr richtig!) Ich kann aber den Herren auch nicht die Unbequemlichkeiten ersparen, wenn sie erst eine gewisse äußere Fertigkeit erlangt haben, dann auch bei der mündlichen Ver⸗ handlung als Gerichtsschreiber zu fungieren. Diese Be⸗ schäftigung ist vielleicht in Bezug auf den Ausͤbildungsdienst noch höher anzuschlagen als das Diktatschreiben. Ich kann die Be⸗ denken des Herrn Abgeordneten auch nicht theilen, daß in dieser Weise Aussagen zu Protokoll genommen werden können, die der wirklich ge—⸗ machten Aussage nicht entsprechen; denn die Vorsitzenden sind ver⸗ pflichtet, die Protokolle zu rektifizieren. Es kann sich natürlich der Vorsitzende dieser Verantwortlichkeit nicht dadurch entledigen, daß er sich als Gerichtsschreiber eines Referendars bedient. Immer darf aber die Heranziehung der Referendarien nur zum Zwecke der nöthigen Ausbildung im Vorbereitungsdienst erfolgen. Geschieht dagegen die Heranziehung zu dem Zwecke, um die Gerichtsschreiber, die zur Füh⸗ rung der Protokolle zunächst verpflichtet sind, zu entlasten, so kann ich dies nicht billigen. Ich werde Umfrage halten, ob solche Fälle vor⸗ gekommen sind, und werde dafür sorgen, daß, wenn dies geschehen ist, in Zukunft Abhilfe geschaffen wird.
Zwei Petitionen von Gerichts-Sekretären in Köln und Krefeld um Bewilligung von Ortszulagen an die mittleren und Unterbeamten und um Gleichstellung der Gerichtsschreiberei⸗ beamten der Land- und Amtsgerichte mit denen der Ober—⸗ Landesgerichte, beantragt Abg. Br. Bach em (Sentr), der Re⸗ gierung zur Berücksichtigung zu überweisen, während die Budgelkommission Uebergang zur Tagesordnung beschlossen hat.
Geheimer Ober-Finanz-⸗Rath Lehnert: Neben dem Wohnungs« geldzuschuß noch Lokalzulagen einzuführen, ist unstatthaft; der Wohnung. geldzuschuß ist ja schon die nach der Theuerung verschiedener Orte bemessene Lokalzulage. Führen wir noch Lokalzulagen ein, so würde ein Wettrennen von Petitionen aus allen Orten stattfinden, weil man es überall theuer fände. Die früheren Lokalzulagen sind mit Zu— stimmung des Hauses bei der Gehaltsaufbesserung vor einigen Jahren eingezogen worden. ᷣ
Abg. Jerusalem (Zentr.) unterstützt den Antrag Bachem und beantragt dessen Ausdehnung auf eine gleiche Petition aus Düsseldorf. Abg. Dr. Sattler (n.) glaubt, daß den vorhandenen Uebel⸗ tänden nicht durch Ortszulagen, sondern nur durch Aufrücken der be— treffenden Orte in eine höhere Servisklasse abzuhelfen sei.
. Das Haus geht über die Petitionen zur Tagesordnung über. —
Nach unwesentlicher weiterer Debatte wird das Kapitel „Land- und Amtsgerichte“ bewilligt. ;
Beim Kapitel „Unterhaltung der Justizgebäude“ be⸗ mängelt
Abg. von Werdeck (kons.) die Zustände des Amtsgerichts ,. in Kottbus und namentlich des Untersuchungsgefängnisses daselbst.
Geheimer Ober-Justiz Rath Dr. Starke kann die gerügten Mängel des Amtsgerichts gebäudes nicht anerkennen.
Auch dieses Kapitel und der Rest des Ordinariums werden bewilligt. . . .
Bei den einmaligen Ausgaben bemängelt ⸗
Abg. Seyffardt⸗Magdeburg (nl.) die Beschaffenheit des Gericht gebäudes in Magdeburg. ö
Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Dr. Starke erwidert, daß Erörte⸗ rungen über die Abbilfe zwischen den betheiligten Ressorts und der Stadt Magdeburg, namentlich hinsichtlich der Beschaffung eines Platzes für einen Neubau im Gange sind. ö ö;
Abg. Groth (nl. spricht seine Befriedigung darüber aus, daß der Etat die Forderung für den Neubau des Ober- Landesgerichts in
Kiel enthält, und tritt für den Neubau eines Amtsgerichtsgefãngnisses in Neumünster ein. . .
Geheimer Sber-Justiz-Rath Dr. Starke erwidert, daß Erma. gungen über den letzteren Wunsch schon schweben, daß aber in anderen Städten Schleswiß - Holsteins ähnliche Bedürfnisse beständen, un
keine Bevorzugung stattfinden dürfe. Durch den im Etat stebenden Neubau des Gerichts gefängnisses in Kiel würden die kleineren Gefängni e entlastet werden. . ö
Abg. Jürgen sen (ul.) betont die Nothwendigkeit eines neuen Gefängnißbaues in Rendeburg.
Abg. Sander ⸗Elze (nl) wüũnscht einen Neubau für das Amts⸗ gericht in Alfeld. . . k
Gebeimer Ober Justiz⸗Rath Dr. Starke kann das Bedürfniß dafür nicht anerkennen. ö ; ; .
Abg. Weibezahn (nl) wünscht ein neues Gerichtsgebäude in Harburg.
* eimer Ober⸗Justiz Rath Dr. Starke stellt ein solches nach Abschluß der schwebenden Verhandlungen in Aussicht.
Abg. Haacke (nl) spricht gegen die Position „Neubau eines Gefängnisses in Burgsteinfurt' weil er ein Gegner dieser kleinen Gefängniffe sei, in denen der Aufenthalt keine Strafe, sondern eine Grholung sei, so daß man darüber schreiben könnte: „Den müden Wanderern gewidmet ) ö
Geheimer Ober⸗Justiz Rath Dr. Starke erwidert, daß jedes Amtsgericht gesetzlich ein Gefängniß für Untersuchungsgefangene haben
2 6. Der Antrag Haacke auf Streichung der Position wird abgelehnt. . .
Um 4 / Uhr wird die weitere Berathung auf Sonn⸗ abend 11 Uhr vertagt. dem der Etat des Ministeriums des Innern.)
Nr. 1 des Ministerial⸗Blatts' für die gesammte innere Verwaltung in den Königlich preußischen Staaten“, berausgegeben im Bureau des Ministeriums des Innern, vom 31. Januar 1894, hat folgenden Inhalt: J. Organisations Sachen. Geschäftsgang und Ressortverhältnisse., — Zirkular betr. den Gebrauch eines Stempels für die Namensunterschrift der Landräthe in Dienst⸗ fachen. — Zirkular, betr. die Anmeldung von Todtgeburten bei den Standes ämtern. — Verfügung, betr. die Einrichtung der standesamt⸗ sichen Heirathsregister. — II. Medizinal⸗Angelegenheiten. Zirkular, betr. die Vorschriften über die Einrichtung und den Betrieb von Apo⸗ theken. — III. Verwaltung der Kommunen, Korporationen und In siitute. Verfügung, betr. die Gemeinde⸗Vorstands⸗ ꝛc. Wahlen bei Vereinigung von Gemeinden. — Verfügung, betr. die Zuständigkeit des Kreisausschusses ꝛc. bei Durchführung kommunaler Bezirksver⸗ änderungen 2c. — Zirkular, betr. die Gewährung von Amortisations Darlehen aus öffentlichen Sparkassen. — I7. Polizeiverwaltung. Sicherheitspolizei. Polizeiverordnung, betr. die Versendung von Sprengftoffen ꝛccc.— V. Verwaltung sür Handel und Gewerbe. Ver—⸗ gung, betr. das Strafverfahren bei Errichtung gewerblicher Anlagen ohne die vorgeschriebene besondere Genehmigung. — Zirkular, betr. die Sammlung der Inventarienzeichnung aller bedeutenden öffent⸗ lichen Bauten. — VI. Verwaltung für Landwirthschaft, Domänen und Forsten. Zirkular, betr. das Verfahren bei der Beschlag⸗ nahme ꝛc. von Fanggeräthen, welche zu Fischereivergehen benutzt worden sind.
Nr. 7 der ‚Versöffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 14. Februar hat solgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten Cholera, In⸗ ssuenza u. s. w.). — Zeitweilige Maßregeln gegen Cholera ꝛc. — Gefundheitswesen im Staate Hamburg 1892. — Gesetzgebung u. s. w. Preußen. Reg. Bez. Oppeln) Maul⸗ und Klauenseuche. —
bammen⸗Nachkurse. = (Reg.; Ben. Cassel.) Giftverkehr. — Reg. ⸗Bez. Düsseldorf.) Schweinefleisch⸗Untersuchung. — (Bayern. Maul⸗ und Klauenseuche. — Influenja. — (Elsaß Lothringen.) Chemisches Laboratorium der Polizei⸗Direktion in Straßburg. — (Frankreich.) Uebertragbare Krankheiten. — (Belgien. Tuberkulöses Rindvieh. — (Vereinigte Stagten von Amerika. Ohio.) Ansteckende Krankheiten. — Gang der Thierseuchen in Ungarn, 4. Vierteljahr. — Maul—⸗ und Klauenseuche in Schweden. — Zeitweilige Maßregeln gegen Thierfeuchen. (Preuß. Reg.⸗Bez. Hildesheim, Elsaß⸗-Lothringen. — Rechtsprechung. (Schöffen. und Landgericht Berlin, Anpreisung von Schweizerpillen in einer Berliner Zeitung. — Kongresse. Deutsches Reich) 19. Versammlung des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege. — Vermischtes. (Preußen. Berlin.) Todtenscheine. — ((DOesterreich. Wien.) Ansteckende Krankheiten. — Riederlande.) Irrenstatistik 1888/30. — Geschenkliste. — Wochen⸗ tabelle über die Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl, in größeren Städten des Auslandes.!. Erkrankungen in ö deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt. und Landbezirken. — Witterung. — Beilage. Titelblatt und Inhaltsverzeichniß zum II. Bande der Auszüge aus gerichtlichen Entscheidungen zum Nahrungsmittelgesetz.
Statistik und Volkswirthschaft.
Zum deutsch-russischen Handelsvertrag.
Aus Stettin berichtet die N. St. Z.“, daß die dortige Stadtverordneten⸗Versammlung am Donnerstag mit 44 gegen 7 Stimmen folgenden Antrag angenommen hat: Die Stadt- berordnetenVersammlung begrüßt mit Freuden den Abschluß des . Handelsbertrags. Sie hält die Annahme dieses Ver ⸗ trags durch den deutschen Reichstag im Interesse der Stadt Stettin wie im Interesse des gesammten Vaterlands für geboten und ersucht den Magistrat, in Gemeinschaft mit den Stadtverordneten an den Reichstag ein Gesuch um Annahme des Vertrags zu richten.“ .
Die Handelskammer für den Regierungsbezirk Münster beschloß in ihrer gestrigen Plenarsitzung einstimmig, für die Annahme des deutsch⸗russischen n ,. einzutreten. Die Handelskammer in B be . einstimmig, für die Annahme des deutsch⸗russischen Handelevertrags vorstellig zu werden. Im Anschluß an die Sitzung der Handels⸗ kammer fand der TFrkf. Ztg.“ zufolge eine öffentliche Versammlung der Gewerbetreibenden des Bielefelder Handels⸗ kammerbezirks statt, die sehr zahlreich besucht war. Auch diese Versammkung nahm einstimmig eine Entschließung zu Gunsten des russischen Handelsvertrags an. Aus dem Bielefelder Industrie⸗ bezirk ist befonders die Maschinenindustrie, speziell die Nähmaschinen⸗ und Fahrradbranche, wie überhaupt die Fabrikation von Spezial⸗ maschinen, weiterhin zum theil auch die Textilindustrie direkt an dem russischen Handelsvertrag interessiert. 3. .
Aus Dortmund schreibt man der Köln. 3. daß die dortige Getreidebörse am Donnerstag eine telegraphische Bitte um An— 6 ö. deutschrussischen Handelspertrags an den Reichstag ge— richtet hat.
Die Handelskammer zu Posen beschloß, wie die Voss. Z. berichtet, eine Petition an den Reichstag zu Gunsten des deutsch⸗ russischen , , abzusenden. . .
Aus Sorgu telegraphiert man der Köln. 3. daß die Handels- kammer der Niederau fitz beschlossen hat, den Reichstag um un⸗ bedingte Annahme des russischen Kö zu bitten.
Aus Thorn wird der ‚Voss. 3. geschrieben: Am Donnerstag fand hierselbst eine von der Handelskammer einberufene Ver— samm lung von Vertretern des Handels, der In dustrie, des Gewerbes und der Landwirthschaft statt, um zu dem deutsch. russischen Handelsvertrage Stellung zu nehmen. Gegen 300 Herren aus der Stadt und Umgegend waren, er⸗ schienen und beschloffen, in einer Petitien den Reichstag zu bitten, dem Handelsbertrag die Annahme nicht zu versagen. In der Petition wird hervorgehoben, daß das Zustandekommen des Ver⸗ trags besonders für die östlichen Provinzen des Reichs eine Lebens⸗ frage ist, weil sie mehr als die übrigen Theile des Reichs auf den
erkehr und einen friedlichen Austausch von Waaren mit dem Nach= barreiche, das ihr natürliches Hinterland bildet, angewiesen sind
In Lübeck wurde gestern in einer Versammlung der Kauf⸗ mannschaft eine Entschließung zu Gunsten des deutsch - russischen ed flbvertrag⸗ angenommen, in welcher die Kaufmannschaft
übecks den Vertrag mit lebhafter Freude und großer Befrie—
(Auf der Tagesordnung steht außer⸗
ielefeld beschloß am Mittwoch
digung begrüßt. Ferner wurde, wie ein Wolff sches Tele⸗ gramm meldet, beschlossen, ein Dankes. Telegramm an den Reichskanzler Grafen Caprivi abzusenden, welches besagt, daß die Lübecker Kaufmannschaft einstimmig ihren Dank ausspricht für das Zustandekommen des Handelẽvertrags, in welchem die Kaufmannschaft die Krönung der Handelsvertragspolitik der Reichsregierung erblickt, und von dem sie einen gewaltigen Aufschwung von Handel und Industrie zum Gedeihen des Vaterlandes und der Stadt Läbeck erhofft.
Aus Konstgnz schreibt man der „Frkf. Itg. : Die hiesige Handels genossenschaft bat sich in ihrer Monatsversammlung am Mittwoch nach einem eingehenden Vortrag des Vorsitzenden, in dem die wirthschaftliche und politische Seite der Sache beleuchtet wurde, für den Abschluß des deutsch⸗russischen Handelevertrags ausge⸗ sprochen und sich im übrigen der auf dem kürzlich in Karlsruhe ab⸗ gehaltenen badischen Handelstag angenommenen Enischließung an⸗ geschlossen. Außerdem wurde der Beschluß gefaßt, an den Reichstags Abgeordneten fur Konstanz Herrn Hug, das Ersuchen zu richten, im Reichstag für den Handelsvertrag zu stimmen.
In Aschaffenburg fand am Donnerstag, wie dasselbe Blatt berichtet, im Rathhaussaale auf Einladung des Gremiums für Handel und Gewerbe eine Versammlung statt, um Stellung zu nehmen zum russischen Handelsvertrag. Es erfolgte einstimmige Annahme der Frankfurter Resolutionen. (Vgl. Nr. 357 d. Bl.)
Beförderung deutscher Ansiedelungen in den Provinzen Westpreußen und Posen.
Dem Abgeordnetenhause ist, wie üblich, wiederum eine Denkschrift über die Ausfübrung des Gesetzes vom 26. April 1886 zugegangen, die sich auf die Thätigkeit der Ansiedelungskommission im Jabre 1893 beziebt. Hiernach wurden der Kommission in diesem Jahre zum frei⸗ händigen Ankauf angeboten 135 Güter und 29 bäuerliche Grundstücke; davon aus polnischer Hand 52. Güter und 22 bäuerliche Grundstücke, aus deutscher Hand 83 Güter und 7 bäuer⸗ liche Grundstücke. In 13 Fällen von Zwangs verkäufen hat die Kommission Werthserhebungen veranlaßt, ohne jedoch die Zwangsversteigerungstermine wahrzunehmen. Thatsächlich wurden im Jahre 18593 für Ansiedelungszwecke angekauft: 13 größere Güter (Haupthöfe, mit oder ohne ausgebaute Vorwerke und theilweise mit zugeschriebenen, früher angekauften bäuerlichen Grundstücken) und ein kleines, zur Arrondierung einer großen fiskalischen Besitzung er— forderliches Grundstück. Von den angekauften Gütern sind 9 in die staatliche Verwaltung übernommen, während bei den übrigen 4 Gütern die Uebernahme im Monat Januar 1894 erfolgt ist.
Unter Hinzurechnung der Erwerbungen aus den sieben Vor⸗ jahren umfaßt der Gesammterwerb der Änsiedelungskommission am Schluß des Jahres 1893 .
a. an Gutsareal 74025 ha 13 a 44 4m zu einem Kaufpreise von 45 053 g36 6 62 3. ö
b. an bäuerlichem Areal 1351 ha 41 a 57 m zu einem Kauf⸗ preise von 910 510 Æ 25 4.
Zusammen wurden also angekauft rund 75 376 ha zu einem Preise von 45 964 446 6 Der Flächeninhalt der Erwerbungen von i893 umfaßt 8424 ha, also gegen das Vorjahr, das einen Grund⸗ erwerb von im ganzen 8422 ha aufzuweisen hatte, ein Mehr von 2 ha. Der durchschnittlich für den Grunderwerb im Jahre 1893 gezahlte Preis stellt sich auf rund 626 6 für UL ha, während er sich im Jahre 1892 auf 549 4 für 1 ha belief. Der Gesammt. Durchschnittspreis für sämmtliche, bisher von der Ansiedelungskommission erworbenen Liegen⸗ schaften beträgt 609 Æ für 1 ha. Die höheren ö der Er⸗ werbungen des Jahres 1893 erklären sich aus den besseren Boden⸗ Jualitäten; die angelegten Preise schwanken zwischen dem 47 fachen bis 85 fachen Grundsteuer⸗Reinertrag und liegen zumeist zwischen dem bo⸗ bis 70 fachen Grundsteuer⸗Reinertrag. .
In der zwischenzeitlichen Verwaltung der Kommissien standen im Jahre 1893 35 Gutsverwaltungen mit einem Gesammt⸗ areal von rund 65000 ha; sie erforderten einen baaren Zuschuß aus den Mitteln des Ansiedelungsfonds von 623 518 M gegen 042 615 M bei 78 Gutsverwaltungen mit einem Gesammtareal von 54 916 ha im Vorjahre. Den Haupttheil der Zuschüsse verzehrt die erste Retablissementsperiode, die im Jahre 1895 für 17 neu⸗ erworbene Güter 459711 erforderte.
Ferner wurden im Jahre 1893 15 Besiedelungspläne mit einem . 8958 ha ausgearbeitet. Hiermit ist bisher der planmäßigen Parzellierung unterworfen worden eine Gesammtfläche von rund 50 509 ha, die in 83 Feldmarken gesondert liegen. 2
Einschließlich der in der ersten Zeit erworbenen und sofort be—⸗ gebenen 25 Bauerngüter, die eine Fläche ven 91621 ha aufzuweisen haben, beläuft sich das in dem Umwandlungsprozeß zu Ansiedlerstellen befindlich gewesene oder noch befindliche Areal auf etwa 41 40 ha, das heißt 68, des gesammten Grunderwerbs der Ansiedelungs— kommisston. Neben den genannten 25 Bauerngütern sind an Ansiedler vollständig vergeben 38 Güter mit 18 278,377 ha Fläche und zu mehr als 23 begeben 12 Güter mit 8677,51 ha. . ö
Auf Kosten der Ansiedelungskommission wurden im Berichtsjahr 1751 ha auf 12 einzelnen Gükern mit 294 099 6 Kosten drainiert. Im ganzen belaufen sich die Drainageanlagen bis jetzt auf 21 058 ha in 95 einzelnen Belegenheiten zu einem Kostenaufwand von rund 3 633 500 60 Eine befondere Förderung haben die Moorkulturen er— fahren. Ferner wurden auf IS Ansiedelungsgütern Ziegeleien fiska— lischerfeits betrieben. Die Hochbauthätigkeit der Kommission erstreckte sich im vorigen Jahre namentlich auf Bauten für Gemeinde-, Schul: und Kirchenzwecke; es wurden dafür 563 360 „6 verausgabt.
Von Ansiedlern gingen im] Jahre 1893 ein 1291 Ansiedelungs⸗ anträge, d. i. 55 mehr als im Vorjahte; zur Notierung in die Ansiedlerlisten gelangten 653 Anträge. Abgeschlossen wurden 268 Punktationen (gegen 309 im Vorjahre). Nach Erfüllung der Ansiedelungsbedingungen haben den Zuschlag erhalten 241 Ansiedler (gegen 6 im Vorjahre). Die Stellennachfrage aus Sachsen, Schleswig⸗Holstein, Hannover und der Rheinprovinz ist gestiegen, da⸗ gegen ist die Anmeldungsfrequenz von Ansiedelungslustigen aus den Provinzen Brandenburg, Pommern, Schlesien und Posen zurũck⸗ gegangen. Daß die östlichen Provinzen weniger Ansiedelungslustige abzugeben hatten, erklärt sich wohl ausreichend aus der Befriedigung der dortigen Landnachfrage durch die Rentengüterauftheilung. Zweifellos ist, daß die Qualität der Ansiedler als Landwirthe und deren Kapitals⸗ kraft zunimmt.
Bisher wurden begeben: .
a. zu Rente 20 0989 9294 ha zum Werth von 12614 291.42 .,
b. zu Pacht 30603771 ha zum Werth von 1702 2765,16 „, zusammen also 23 149, 4065 ha zum Werth von 14316 367458 6 an 1357 AÄnsied ler. Hiervon sind 534 Ansiedler aus den Ansiedelungs. provinzen felbst, 789 aus dem übrigen Deutschland, 64 außerhalb Deutschlands; 1257 sind evangelisch, 130 katholisch.
Die finanzielle Lage der Ansiedler hat sich im Jahre 13893 gegen früher entschieden gebessert; das beweisen die Zunahme des Viehinventars auf den Änsiedelungen sowie die gesteigerten Ernteerträge. Die
ahlungsleistungen der sämmtlichen zahlun pflichtigen Ansiedler im tarsjahr 1892593 erreichten S8 ο des Solls der Verbindlichkeiten,
während diefe Leistung im Etatsjahr 1891/3892 30 ½ unter dem Soll geblieben war. .
Die Eisenbahnen der Erde. ö
Nach einem Aufsatz des Archivs für Eisenbahnwesen“ belief sich die Gefammtlänge der Eisenbahnen der Erde am Schlusse des Jahres 1891 auf 635 023 km, eine Länge, die nahezu dem 16 fachen des Erdumfangs gleichkommt. Den größten Antheil an dieser Länge hat von den funf Erdtheilen Amerika, das für sich allein fast 48 0090 km Eisenbahnen mehr besitzt als die übrigen Erdtheile zusammen.
Amerika hatte im Jahre 1887 291 349 km im Betriebe be⸗ findliche Eisenbahnen, im Jahre 1891 341 393 km (Zuwachs 4 50044 km oder 17,2 / besaß. Hiervon entfielen auf die Ver⸗ einigten Staaten 241 210 Km bezw. 274 497 km. .
Nach Amerika kommt Europa mit dem größten Eisenbahnnetz, das im Jahre 1887: 208 265 km, im Jahre 1891: 227 995 km
— *.
(Zuwachs 19 730 Km oder 9,5 c. Hiervon entfallen auf Deutsch- land — wir tbeilen in Folgendem meist nur die Zablen von 1891 mit — 43 421 km; Desterreich⸗Ungarn hatte 28 966 km, Groß⸗ britannien 32 487, Frankreich 37 945. Rußland 31 071, Italien 13 186, Spanien 10 131, Belgien 5307, Niederlande 3079, Schweiz 3279, Portugal 2293. Dänemart 2008, Norwegen 1562, Schweden S279, Serbien 540. Rumänien 2543, Griechenland 915, euroxräische Türkei und Bulgarien 1769, Malta und Jersey 110 km. In Deutschland bat der Zuwachs seit 15887 4 639 km be⸗ tragen; er blieb um etwas hinter dem von Frankreich S 3719 km) zurück. Innerhalb Deutschlands hatte Preußen das größte Cisenbabn= netz mit 25 801 Rm (der Zuwachs gegen 1887 beträgt 2138 Rm). Auf Bayern entfallen 565 km, auf Sachsen 2499, auf Württem- berg 1532, auf Baden 1583, auf Elsaß⸗Lothringen 1570, auf die übrigen deutschen Staaten 4780 km. In Bezug auf die Dicheigkeit des Eisenbahnnetzes stebz in allen Ländern der Erde das Königreich Belgien obenan, wo auf 109 4kRm Landfläche 18 Rm Eisenbabnen kommen. Ihm zunächst steht das Königreich Sachsen mit 16, km, dann folgen Elsaß-Lothringen mit 10 8,ů Baden mit 1035. Großbritannien mit 103, Holland mit 87, Württemberg und die Schweiz mit 7.9, Bayern mit 75 und Preußen mit 74 Km auf 100 km Lardfläche. In Frankreich beträgt die Dichtigkeit nur 790, in Vanemart el, in Italien 46, in Oesterreich⸗ Ungarn 4,1, in Rumänien 1,ů9, in Schweden 1,8, in Griechenland 1,4, in Rußland und der europäischen Türkei nur je O6 km auf 199 4Em. Neben den gewaltigen Eisenbahnlängen Amerikas und Eurepas erscheinen die übrigen drei Erdtheile nur geringfügig. Obenan steht Asien mit 35 396 km (Zuwachs seit 1887: S449 Km). Der über— wiegende Theil hiervon kommt auf Britisch⸗Indien, das am Schluß des Jahres 1891: 27 808 km Eisenbabnen im Betrieb und seit 1887 einen Zuwachs von 5143 km hatte. Dann folgt Japan mit 47 km fertiger Eisenbahnen. China hatte nur 200 km, Niederländisch⸗ Indien 1541 km, Kleinasien 78 km, Ceylon 308, Persien 24. Australien hatte am Schluß des Jahres 1891 19743 km Afrika hatte die kleinste Eisen⸗
im Betrieb waren. bahnländer das Congogebiet und Deutsch⸗Ostafrika. 2
In Europa beträgt das Anlagekapital für die Eisenbabnen ins⸗ gesamint rund 69 197 Millionen Mark; davon in Deutschland 10 665 Millionen Mark, in Oesterreich⸗Ungarn 6222 Millionen Mark, in Großbritannien 18 388 Millionen Mark, in Frankreich 12024 Millionen Mark. Das größte Anlagekapital auf 1 Em beläuft sich auf 566 026 S½ in England; es folgen Belgien mit 332202 4, Frankreich mit 319 183 6, die Schweiz mit 265 895 „t, Deutschland mit 252 707 6, DOesterreich⸗ Ungarn mit 247 238 6, Italien mit 237 630 M, Spanien mit 225 16 6, Rußland mit 222 828 1
Für alle übrigen Erdtheile ist ein Anlägekapital von 65 450 Millionen Mark zu berechnen. Das Gesammtanlagekapital der Ende 1891 in Betrieb gewesenen Eisenbahnen der Erde (für 635 023 Em) stellt sich hiernach überschläglich auf rund 135 Milliarden Mark (durchschnittlich für 1 k᷑m 212 000 )
In Europa giebt es 68 400 Lokomotiven, in den übrigen Erdtheilen 48 800, insgesament rund 117 200 Lokomotiven mit 3650 Millionen Zugkilometer. .
Zur Arbeiterbewegung. -
Aus Hagen berichtet der Vorwärts“, daß die Arbeiterschaft der Fußangelschen Buch druckerei infolge von Streitigkeiten die AÄrbeit eingestellt hat. Die Bemühungen des Gauvorstandes, eine Einigung herbeizuführen, blieben erfolglos.
In Burg bei Magdeburg würde nach demselben Blatt der von den dortigen Sozialdemoktaten über sämmtliche Lokale verhängte Boykott aufgehoben. ö
Hier in Berlin haben sämmtliche Bandagisten der Werkstatt von Schmidt u. Baruch die Arbeit niedergelegt. Als Grund wird im „Vorwärts“ schlechte Behandlung angegeben.
Der Präsident des Internationalen Bergarbeiter⸗ Comités beruft eine Comité⸗Sitzung zum 26. März nach London, in welcher über das Programm und alle Vorarbeiten für den in Berlin am 14. Mai d. J. geplanten Internationalen Bergarbeiter⸗-Kongreß verhandelt werden soll.
Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 4. Februar bis inkl. 10. Februar er. zur Anmeldung gekommen: g930 Lebendgeborene, 236 Cheschließungen, 30 Todtgeborene, 585 Sterbefãlle.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Rubr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 16. d. M. gestellt 11 452, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. . In Oberschlesien sind am 15. d. M. gestellt 3075, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. (
Zwangs ⸗Versteigerungen. .
Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin standen am 16. Februar die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung; Das im Grundbuch von Weißensee Band 33 Blatt Nr. 969 auf den Namen des Viehhändlers Carl Gensel eingetragene, zu Neu: Weißen fee, Königs- Chaussee 9g0 belegene Grundstück; Fläche 13546 a; Nutzungswerth 4232 6; Mindestgebot 950 M; für das Meistgebot von 45 000 S6 wurde der Kaufmann Heinrich Katzen⸗ ellenbogen zu Berlin, Keithstraße 21, Ersteher. — Das im Grundbuch von Weißenfee Band 34 Blatt Nr. 76 auf den Namen des Malermeisters Karl Golumbowsky eingetragene, zu Veu⸗ Weißen fee, Pistoriusstraße 142 belegene Grundstück; Fläche 1L15 a; Nutzungswerth 2260 ; Mindestgebot 776 ; für das Meistgebot von 35 110 6 wurde der Tauchermeister Jo h. Kock zu Neu⸗Weißensee, Lothringerstraße 23, Ersteher.
Berlin, 16. Februar. Amtliche Preis feststellung für Butter, Käse und Schmalz. Butter. (Preise im Berliner Großhandel zum Wochendurchschnitt per komptant.) ver 50 kg. Hof- und Genossenschafts Butter la. 110 M. IIa. 102 ν, IIIa. — — do. abfallende 95 6, Land⸗, Preußische 88 — 90 (6, Netzbrücher 8s 0 16, Pommersche 90 —) 7 *. Polnische — — “., Baherische Sennbutter 536 —=98 6, do. Landbutter 83 38 Schlesische 9 — 92 S6, Galizische 80—85 , Margarine 3 68 g — Käse: Schweizer, Emmenthaler 87 —– 90 , Baverischer 60 = 658 S6, Ost. und Westpreußischer Ia. 68- 715 M do. IIa. 58 - 62 S, Holländer 83 — 88 , Limburger 39— 42 6, Quadrat⸗Mager kãse La. 23 —28 46, do. ILa. 12 - 15 M — Schmalz: Prima Western 17 0 Tara 48 6, reines, in Deutschland raffiniert 50 S6, do. Berliner Bratenschmal; 52 1 — Fett, in Amerika raffiniert 41 S, do. in Deutschland raffiniert 37 Tendenz: Butter: fest. Schmalz: fest.
— In der gestrigen Sitzung des Aufsichtsraths der Deu tschen Genossenschaftsbank von Soergel, Parrisius u. Co. in Berlin wurde von den persönlich haftenden Gesellschaftern der Ab⸗ schluß für das Rechnungsjahr 1893 vorgelegt. Das Gewinn⸗ und Verlust⸗Konto zeigt folgende Ziffern: In der Einnahme:
Gewinn auf. Diskonto- Konto 325 867 6 (1882 239 955 M6), Gewinn auf Zinsen⸗Konto 352115 4 (1892 398 507 ),