w
Seine Majestät der Kaiser haben folgende Allerhöchste Ordre, betreffend Schießauszeichnungen für die Marine⸗Infanterie, erlassen:
Ich bestimme, daß die Marine⸗Infanterie an Stelle der biz herigen Schützenabzeichen Fangschnüre nach der für Meine Armee fest⸗ gesetzten Probe, jedoch mit der Kaiserkrone statt der Köxigekrone, an. zulegen hat. Die Gewährung von Abzeichen für gutes Schießen mit dem Geschütz, der Schnellladekanone, Revolverkanone und dem Ma⸗ schinengewehr behalte Ich Mir vor.
Berlin, den 27. Januar 1894.
Wilhelm.
In Vertretung des Reichskanzlers: Hollmann.
An den Reichskanzler (Reichs⸗-Marineamt).
In der am Montag, 19. d. M., unter dem Vorsitz des Vize⸗Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staatssekretãrs des Innern Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesraths wurde dem . und Schiffahrts⸗ vertrage zwischen dem Reich und Rußland die Zustimmung ertheilt. ie Vorlagen, betreffend die Ergänzung und Ab— änderung von Bestimmungen der Anlage B zur Eisenbahn⸗ Verkehrsordnung und betreffend das Uebereinkommen mit Rußland bezüglich der Uebernahme Auszuweisender, wurden den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Endlich wurde über die zollamtliche Behandlung der von der medizinisch⸗hy ienischen Ausstellung in Rom zurückgelangenden Güter Beschluß gefaßt.
Die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten heute eine Sitzung.
Seit mehreren Jahren hat die Kaiserlich r ussische Re⸗ gierung den Wunsch zu erkennen gegeben, mit Deutschland u einem Uebereinkommen dahin zu gelangen, daß jedes ö. beiden Länder auf Verlangen diejenigen seiner früheren Angehörigen wieder übernimmt, die ihre Staatsangehörig— keit durch Abwesenheit oder aus anderen Gründen verloren, eine neue Staatsangehörigkeit aber nicht erworben haben. Aehnliche Verträge hat das Reich bereits mit den meisten seiner Nachbarn abgeschloßen, so mit Italien am S8. August 1873 (3entral-⸗Blatt für das Deutsche Reich S. 281), mit Dänemark am 11. Dezember 1873 (Zentral⸗ Blatt für das Deutsche Reich 1874 S. 31), mit Oesterreich⸗ Ungarn am 4.26. Juli 1875 (Zentral⸗Blatt für das Deutsche Reich S. Nö) mit Belgien am 7. Juli 1877 (Zentral -Blatt für das Deutsche Reich S. 41), mit der Schweiz am 31. Mai 1890
Reichs⸗-Gefetzbl. S. 133) und schon früher am 27. April 1876
(Reichs⸗Gesetzbl. für 1877 S. 3). Außerdem besteht Frankreich gegenüber ohne Abkommen dieselbe Uebung. Nachdem die verbündeten Regierungen sich einverstanden damit erklärt haben, daß auf der bezeichneten Grundlage in Verhandlungen mit Rußland eingetreten werde, ist am 10. d. M. ein solches Ueber⸗ einkommen unterzeichnet worden. Das Uebereinkommen lautet
in der Uebersetzung:
Die Kaiserlich deutsche Regierung und die Kaiserlich russische Regierung haben sich zur Regelung der Frage, nach welchen Grund— 6. jeder Theil zur Wieder-Uebernahme seiner auf dem Gebiet des anderen Theils lebenden Angehörigen verpflichtet sein soll, über folgende Punkte geeinigt.
Artikel 1. .
Beide Theile verpflichten sich, diejenigen ihrer früheren An— ehörigen, welche ihre Staatsangehörigkeit durch Abwesenheit im Aus— ande oder durch förmliche Entlassung oder auf andere Weise verloren haben, zu übernehmen, falls jene nicht eine andere Staatsangehörigkeit
erworben haben. ; ;
Diese Uebernahmepflicht soll sich jedoch nicht erstrecken auf Personen, welche die von ihren Eltern verlorene Staatsangehörigkeit ihrerseits niemals besessen haben.
Artikel 2. ;
Die heimzuschaffenden Personen sollen übernommen werden auf Grund eines unmittelbaren Schriftwechsels der deutschen und russischen Grenzbehörden. .
Die Heimschaffung ist jedesmal der Grenzbehörde desjenigen Be⸗ zirks, in welchem die Uebernahme geschehen soll, vorher anzuzeigen, worauf diese nach Prüfung der Verhältnisse und der Ausweispapiere ihre Zustimmung dazu zu geben hat, daß die betreffende Person an einem bestimmten Ort übernommen werde.
Artikel 3. ;
Ein vorgängiger Schriftwechsel ist nicht erforderlich, wenn die heimzuschaffende Person mit Papieren versehen ist, die noch gültig oder doch erst seit einem Jahre abgelaufen sind, oder wenn kein Zweifel darüber besteht, daß sie dem übernehmenden Staat angehört oder früher angehört hat. .
In allen diesen Fällen sollen die Grenzbehörden die betreffende Person ohne weitere Förmlichkeit übernehmen.
—⸗ Artikel 4. ;
Eine diplomatische Verhandlung soll stattfinden in den Fällen, in denen die Grenzbehörden sich über die Uebernahmepflicht nicht einigen können, oder wenn die Entscheidung der Grenzbehörden von den höheren Behörden des Heimathsstaats nicht gebilligt wird.
Artikel 5.
Ueber die Grenzorte, wo die Uebernahme der heimzuschaffenden
Personen stattzufinden hat, werden sich die beiden Regierungen ver⸗
ständigen. Artikel 6.
Die beiden . werden einander die Grenzbehörden be⸗
zeichnen, in deren Hand die Uebernahmeverhandlungen gelegt werden
sollen. Artikel T. Die beiden Regierungen verpflichten sich, ihre Grenzbehörden an— zuweisen, alle Uebernahme⸗Anträge mit größtmöglicher Beschleunigung
zu erledigen. Artikel 8.
Dieses Uebereinkommen soll so lange in Kraft bleiben, als es nicht von einer oder der anderen Seite gekündigt wird. In diesem Fall soll es noch drei Monate über den Tag hinaus bestehen, an welchem die Kündigung des einen Theils dem anderen Theil angezeigt
sein wird. . Artikel 9. ⸗ Gegenwärtiges Abkommen tritt in Wirksamkeit 20 Tage, nach⸗ dem es in beiden Staaten vorschriftsmäßig veröffentlicht worden ist. Berlin, den 10. Februar / 29. Januar 1894. i von Marschall. raf Paul Schuwaloff.
In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ wird ein Aufsatz über die Nach⸗ ig, des Goldbergbaues in der südafrikanischen
epublik Transvaal veröffentlicht.
Der hiesige chilenische Gesandte Don Gonzalo Bülnes hat Berlin auf kurze Zeit verlassen, um sich nach Nom zu begeben, woselbst er gleichfalls beglaubigt ist. Während seiner Abwesenheit fungiert der Erste Legations-Sekretär Galo Irarraza val als Geschäftsträger.
Die Regierungs⸗Referendare Emil Venske aus Erfurt, Max von Puttkamer aus Stettin, Dr. jur. Fried rich Conze aus Stade, Dr. jur. 3 Wilke aus Merse⸗ burg und Dr. jur. Karl Kirchner aus Breslau haben die ,. Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst
estanden.
Laut telegraphischer Meldung an das Ober⸗Kommando der Marine ist S. M. S. „Möwe“, Kommandant Kapitän⸗ Lieutenant Hartmann, am 18. Februar in Bombay an⸗ gekommen.
Merseburg, 19. Februar. Der 14. Provinzial⸗ Landtag der Provinz Sachsen wurde gestern durch den Ober⸗Praͤsidenten von Pommer-⸗Esche mit folgender An⸗ sprache eröffnet: .
„Hochgeehrte Herren! Im Namen der Königlichen Staats regierung habe ich die Ehre, Sie bei Beginn Ihrer Verhandlungen zu begrüßen. Es gereicht mir zur besonderen Freude, den weitaus größten Theil der früheren Landtagsmitglieder heute hier wieder⸗ zusehen. Ihre Wiederwahl, nicht minder aber die Persönlichkeiten der neu gewählten Mitglieder bieten die Gewähr, daß die Verhandlungen des Seer. auch ieren von demselben versöhnlichen, stets auf das Sachliche gerichteten Geist, wie bisher, getragen sein werden. Mit gleichem Bedauern wie ich werden Sie den Vorsitzenden des Provinzialausschusses Herrn von Rauchhaupt heute unter uns vermissen. Ernstliche Erkrankung hält ihn, den reichbegabten, thatkräftigen, seiner selbst nicht, schonenden Mitarbeiter an dem Wohle der Provinz, die ihm viel verdankt, fern. Die in der letzten Tagung gefaßten Beschlüsse des Provinzial-Landtags haben, soweit dies nach den gesetzlichen Vorschriften erforderlich war, die staatliche Genehmigung erhalten. Das Gebäudesteuergesetz vom 21. Mai 1861 schreibt die Auswahl sogenannter Normalstädte vor, welche für die Veranlagung gewisser Gebäudearten des platten Landes als Norm zu dienen haben. Mit Rücksicht auf die in der Ausfüh— rung begriffene Revision der Gebäudesteuer wird Ihnen ein Ver— zeichniß der in Aussicht genommenen Normalstädte in der Provinz, sowie die Frage zur Aeußerung vorgelegt werden, ob etwa besondere provinzielle Einschätzungsmerkmale diesmal von Ihnen in Vorschlag zu bringen sind. Im übrigen wird die Staatsregierung voraussichtlich Ihre Thätigkeit nur noch für die Wahl der bürgerlichen Mit— glieder der Ober⸗-Ersatzkommissionen in Anspruch nehmen. Wie in den vorhergehenden Jahren werden Sie auch diesmal in der Haupt— sache den laufenden Geschäften der kommunalen Provinzialverwaltung Ihre Thätigkeit zu widmen haben. Der vorliegende Bericht des hrobinzialausschusses und der Voranschlag des Haushalts werden Ihnen einen klaren Einblick gewähren in die Ergebnisse und in die gegenwärtige Lage der kommunalen Prohinzialverwaltung. Die Rück= sichten der Sparsamkeit sind bei Aufstellung des Voranschlags nicht außer Acht gelassen worden; aber die steigenden Bedürfnisse auf verschiedenen Verwaltungsgebieten, namentlich die nöthig, ge⸗ wordenen Neubauten und Erweiterungen verschiedener Anstalten machen eine Steigerung der Provinzialabgaben nöthig. Wie ich nicht zweifle, wird es Ihrer einsichtigen Fürsorge für das Wohl der Provinz gelingen, ohne übermäßige Anspannung der Steuerkraft der Eingesessenen auch ferner ihrer Verwaltung diejenige Leistungsfähig⸗ keit und erfolgreiche Thätigkeit zu sichern, deren sie sich bisher zu er⸗ freuen gehabt hat. Neben der Prüfung und Feststellung des Haus—⸗ haltsplans wird Ihr Interesse vorzugsweise durch diejenigen Vor— lagen in Anspruch genommen werden, welche sich auf die Ausgestal⸗ tung einzelner Verwaltungszweige und die Neubegründung von Wohl⸗ fahrtseinrichtungen beziehen. Nachdem am 22. April 1892 das Ge⸗ setz wegen Entschädigung für an Milzbrand gefallene Thiere ergangen ist, wird Ihnen ein Reglement vorgelegt werden, welches bezweckt, die in jenem Gesetz angestrebten Wohlthaten auch den Viehbesitzern der Provinz Sachsen zu theil werden zu lassen. Ihre Beschlußfassung wird ferner darüber erbeten werden, ob, in welcher Art und in welchem Umfange die Provinz in die Förderung und Unterstützung von Kleinbahnen nach dem Gesetz vom 28. Juli 1892 eintreten, und unter welchen Bedingungen insbesondere die Ueber⸗ lassung von Provinzialstraßen für die Zwecke derartiger Unternehmungen erfolgen soll. Bei der Bedeutung, welche die Anlage von Klein⸗ bahnen für die dem Verkehr bisher weniger aufgeschlossenen Landes theile hat, empfehle ich diese Angelegenheit Ihrer wohlwollenden Prüfung. Von den übrigen Gegenständen, welche Ihnen der Provinzialausschuß zur Beschlußfassung unterbreitet, erwähne ich sodann noch die Verwendung eines Theils der Mittel der Ver⸗ sicherungsanstalt Sachsen⸗Anhalt zur Förderung von Arbeiter⸗Wohl. fahrtseinrichtungen. Auf Anregung der DirektorialRäthe der Land⸗ Feuersozietät des Herzogthums Sachsen und der Prooinzial⸗Städte⸗ Feuersozietät wird Ihnen eine Vorlage wegen Vereinigung der Leitung beider Versicherungsanstalten und der Wahl eines gemein— samen General⸗Direktors unterbreitet werden, durch welche eine Ver⸗ einfachung des Geschäftsganges und eine erhöhte Gewähr für die Einhaltung einheitlicher Grundsätze geschaffen werden soll. Indem ich Sie hiermit einlade, in Ihre Arbeiten mit gewohnter Hingebung einzutreten, erkläre ich im Namen Seiner Majestät des Kaisers und Königs den 14. Provinzial⸗Landtag von Sachsen für eröffnet.“
Der Ober⸗Präsident ersuchte hierauf den Abgeordneten, Bürger⸗ meister a. D. Sach se (Neuhaldensleben), der im Jahre 1815 geboren und das älteste Mitglied des Landtags ist, das Alters⸗ präsidium zu übernehmen. ö.
Abg. Sachse: „Wie schon vom Herrn Ober⸗-Präsidenten erwähnt worden ist, besteht der diesmalige Landtag zum theil aus neuen Mitgliedern. Wir freuen uns aber auch darüber, daß viele der früheren Mitglieder hier erschienen sind, und sind über⸗ eu daß mit ihnen auch die neuen Mitglieder kräftig mitwirken werden zum Wohle der Provinz. Bevor wir in die Erledigung unserer Geschäfte eintreten, drängt es jeden von uns, unseres jugend⸗ lichen Kaisers zu gedenken, der in unermüdlicher Thätigkeit das Wohl seines Volks wahrt und befestigt, und bestrebt ist, den Frieden seinem Lande und Volk zu erhalten, der als echter Sproß des Hohenzollernhauses und würdiger Nachfolger seiner hohen Vorgänger, deren Andenken bei uns allen in hohen Ehren steht, keine Mühe scheut, wenn es das Beste seines Volks gilt. Ihm wollen wir zuerst unser Hoch darbringen, und ich bitte Sie, alle, mit, mir einzustimmen in den Ruf: „Seine Ma jestät, unser geliebter Kaiser, Er lebe hoch!“ Die Mitglieder er— hoben sich und stimmten dreimal begeistert in das Hoch ein.
Durch Acclamation wurde sodann der Fürst zu Stol⸗ berg-Wernigerode zum Vorsitzenden gewählt.
Hannover, 19. Februar. Der Provinzial⸗Landtag nahm heute den Gesetzentwurf über die Kleinbahnen mit einigen Abänderungen an und erledigte sodann die Wege⸗ gesetznovelle in zweiter Lesung.
Sachsen.
Die Besserung in dem Befinden Seiner Majestät des Königs hat, wie das „Dr. J.“ schreibt, auch in den letzten
Tagen angehalten, und es hat daher auch zur Aus gabe weiterer ärztlicher Bulletins kein Anlaß vorgelegen. Der König empfängt täglich Besuche von den Mitgliedern der Königlichen Familie und nimmt die Vorträge der Staats⸗-Minister und der Ober⸗ Hofchargen entgegen. Es steht zu hoffen, daß Seine Majestät in den nächsten Tagen das Bett wird verlassen dürfen.
Sessen.
Die Vermählung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs findet, wie die „Darmst. Ztg. meldet, den neuesten Bestimmungen zufolge nunmehr definitiv am 19. April in Coburg und zwar in Gegenwart Ihrer Majestät der Königin von Großbritannien und Irland statt. Die Hohen Neu—⸗ vermählten werden sich voraussichtlich am 20. nach dem Schloß Rosenau bei Coburg begeben. Der Einzug des Großherzoglichen Paares in Darmstadt wird etwa am 21. oder 22. April statt⸗
finden. - . Sach sen⸗Weimar⸗Eisenach.
Der Landtag hat die Regierungsvorlage wegen Aenderung des Gesetzes über das Kostenwesen in Gerichts⸗ und Verwaltungssachen mit verschiedenen sachlichen und redaktionellen Modifikationen, die zum theil vom Rechtsgesetz⸗ ö vorgeschlagen waren, genehmigt und die Staateregierung ermächtigt, den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes, jedoch nicht über den 1. Januar 1895 hinaus festzusetzen und in das Gesetz selbst einzufügen.
Anhalt.
Der Landtag ist gestern von dem Staats-Minister
Dr. von Koseritz mit folgender Ansprache eröffnet worden: Hochgeehrte Herren! .
Auf Höchsten Befehl Seiner Hoheit des Herzogs habe ich den Landtag des Herzogthums unter Entbietung des Höchsten landesherr— lichen Grußes und unter Ueberreichung meiner Vollmacht als landes— herrlicher Kommissar, wie hiermit geschieht, für eröffnet zu erklären.
Meine Herren, aus dem Staatshaushalts Etat für das Jahr 1894595, welchen ich mit dem Haupt⸗Finanzabschluß und dem Abschluß der Staatsschulden verwaltung für 1892,93 Ihnen vorzulegen die Ehre habe, werden Sie ersehen, daß unser finanzielles Verhältniß zum Reich leider eine abermalige Verschlechterung erfahren und somit die Befürchtung, welcher im vergangenen Jahre an dieser Stelle Ausdruck gegeben wurde, sich bewahrheitet hat. .
Zwar ist der Antheil Anhalts an den Reichssteuern um 34 390 0 höher als im Vorjahre veranschlagt, aber es haben sich die Matrikular— beiträge, hauptsächlich infolge der Heeresverstärkung, um den be— deutenden Betrag von 273 173 6 gesteigert und die Verwaltungs⸗ kostenvergütungen für die Erhebung der Reichssteuern um 42 284 66 verringert, sodaß ein Mehraufwand für das Reich in Höhe von 281 157 ½ hat etatisiert werden müssen, eine Summe, deren Deckung mehr als fünf Einheiten unserer Einkommensteuer erfordert. .
Der Etat des Saljwerks Leopoldshall schließt gegen das Vorjahr mit einer Mindereinnahme von 174 809 M ̃und einer Mehrausgabe von 182400 M ab. Die Mindereinnahme hat ihren Grund darin, daß der Absatz an Förderkarnallit im Vergleich zu dem reichlicheren Ansatz der letzten Jahre nach Maßgabe der inzwischen gesammelten Erfahrungen wesenklich knapper hat bemessen werden müssen, und daß der Antheil unseres Salzwerks an der Sylvinitförderung infolge der Mitbetheiligung einiger anderer Syndilatswerke sich ver— ringert hat. Die Mehrausgabe ist in der Hauptsache her— vorgerufen durch das Hinzutreten des auf den Salzwerke—⸗ Etat übernommenen Fortbetriebs der Versuchs⸗. Aus⸗ und Vorrichtungsarbeiten in den Reserveschächten IV und V. .
Die Staatsschul den Verwaltungs kasse bedarf eines Mehrzuschusses von 56 000 ƽ zur Tilgung der Prämijenanleihe am 1. April 1895 und zur Deckung des Zinsenausfalls, welcher ihr durch die in Aussicht genommene Verstärkung des Betriebsfonds der Landes ⸗Hauptkasse erwächst. .
Auch die Ausgaben für das Unterrichtswesen weisen gegen das Vorjahr eine haupfsächlich beim Personalaufwand für die Volksschulen eingetretene Steigerung von 60 O00 „ auf.
Trotz der erheblichen Mehrforderungen des Reichs und der sonstigen den Etat in ungünstiger Weise beeinflussenden Umstände ist es der Staatsregierung doch gelungen, sich mit der Forderung von 14 Steuer⸗Einheiten begnügen, also die . der Steuer⸗ zahler gegenüber dem Vorjahre auf drei Einheiten beschränken zu können. Dies ist möglich geworden einerseits durch die Erzielung einiger Mehreinnahmen, von denen allein 53 000 „S6 auf den Unter— richts⸗Etat entfallen, andererseits durch die Beschränkung der Aus— gaben, insbesondere durch die Herabsetzung des außerordentlichen Bau— aufwands auf die der Staatskasse zur Last fallende Summe von rund d 660 0 .
Zur Einschränkung der außerordentlichen Ausgaben auf das äußerste Maß des Nothwendigen, hauptfächlich in den früher besonders reichlich bedachten Ressorts der Schul- und der Wasserbauverwaltung, hat sich die Staatsregierung verpflichtet gefühlt aus Rücksicht auf die Inter⸗ essen der Steuerzahler, namentlich auch aus Rücksicht auf die fort⸗ dauernd ungünstige Lage der Landwirthschaft, deren Bedrängniß durch die Trockenheit des vergangenen Jahres und durch das weitere . ö. Preise für landwirthschaftliche Erzeugnisse noch verschärft worden ist.
Das Bestreben nach thunlichster Sparsamkeit und Einschränkung durfte aber nicht so weit gehen, daß die Staatsregierung, unter Außer⸗ achtlassung der ihr obliegenden Fürsorge für das Wohl der Beamten, die zur anderweiten Regelung der Gehaltsverhältnisse derselben er— forderlichen Vorlagen noch länger hätte zurückhalten sollen.
Mit der Einbringung dieser Vorlagen erfüllt die Staatsregierung bezüglich der Verwaltungsbeamten und der nicht richterlichen Justit = beamten eine dem Landtage bereits im Jahre 1890 ertheilte Zusage, bezüglich der Richter eine von diesen längst gehegte Erwartung, und hinsichtlich der akademisch gebildeten . nicht unberechtigte Verlangen nach Gleichstellung mit den preußischen Amtsgenossen. Da bei den Gehaltsbemessungen nirgends das Maß des Berechtigten und Nothwendigen überschritten, und, was das Verwaltungs⸗ ressort anbelangt, die Aufbesserung im wesentlichen 4ul die Subaltern. und Unterbeamten beschränkt geblieben ist, so hat es die Staatsregierung auch ermöglichen können, den fur die Besoldungen erforderlichen Mehraufwand unter der in der Landtagesitzung vom 5. März vorigen Jahres angegebenen Grenze zu halten. — Die für Gehaltszulagen in den Etat eingestellte Gesammt⸗ summe beträgt 196 710 S6 In diefer Summe find die für die Be— amten der Verwaltung der indirekten Steuern in Aussicht genom— menen Gehaltszulagen nicht mit enthalten; die Staatsregierung beab⸗ sichtigt, die Cinkommeneverhältnisse dieser Beamten, wie bisher, . Wege der landesherrlichen Verordnung entsprechend zu regeln, und be hält 6 wegen der Bewilligung der dazu erforderlichen, nicht Tbeb⸗ lichen Geldmittel ihren Antrag bis zur Beschlußfassung des Landtag über den revidierten Normal⸗Besoldungstarif für die übrigen Ver— waltungsbeamten vor. .
Außer jenen Vorlagen wird Ihnen noch ein Gesetzentwurf be⸗ treffend? die Abänderung des Berggesetzes vom Gesichtspunkt des Arbeiterschutzes, nebst einigen anderen kleineren Gesetzentwürfen . gehen; ferner eine Vorlage, betreffend die Verstärkung des Betriebb⸗ fonds der Landes⸗-Hauptkasse, und eine Vorlage, betreffend die Er⸗ weiterung des Grunderwerbs für die Referveschachtanlage hei Leopoldshall. Endlich sieht sich die Staatsregierung zu ihrem leb haftesten Bedauern genöthigt, um die abermalige außeretatsma ige Bewilligung einer Summe von 315 000 SS. na in zu müssen, welche wider alles Erwarten zur völligen betriebsfähigen Fertigstellung der Reserveschächte in Leopoldshall noch hat aufgewendet und aus den laufenden Einnahmen bestritten werden müssen. ⸗ .
Die Staatsregierung hofft, daß sie zu diesen sämmtlichen e. lagen die Zustimmung der Landesbertretung finden wird. Sie glau
sich auch der Hoffnung hingeben zu können, daß die Finanzlage des Landes, welche übrigens im Vergleich zu derienigen anderer Staaten immer noch als eine günstige bezeichnet werden kann, sich
fünftig wieder besser gestalten werde. Die Bestrebungen der ver⸗
bündeten Regierungen unter Preußens Führung, durch eine Neu⸗ ordnung der finanziellen Verhältnisse des Reichs und eine angemessene Vermehrung seiner eigenen Einnahmen die bisherige Unsicherheit zu beseitigen und durch die Herstellung eines festen Verhältnisses der Reichs finanzen zu den Finanzen der Einzelstaaten die den letzteren er= wachsenden Schwierigkeiten zu heben, werden sicherlich noch zu einem erfolgreichen Ziele führen, wenn auch nach dem bisherigen Gange der Verhandlungen die Durchführung des Reformplaus in seiner jetzigen Gestalt bezw. in seinem icin Umfange zweifelhaft sein mag.
Jedenfalls wird die Staatsregierung auch für die Zukunft ihr ernstliches Bestreben darauf richten, in allen Zweigen der Staatsver⸗ waltung Sparsamkeit walten zu lassen. Insbesondere wird sie be⸗ müht sein, den Bauaufwand auch fernerhin zu beschränken und das Wiederanschwellen desselben zu der früheren Höhe zu vermeiden. Sie hofft dies, wenn nicht besondere Unglücksfälle eintreten, bhne Benachtheili⸗ gung der öffentlichen Wohlfahrt und ohne Unterlassung nöthiger Landes— meliorationen dadurch erreichen zu können, daß sie für eine planmäßige Vertheilung der in den einzelnen Ressorts hervortretenden Bau—⸗ bedürfnisse und für thunlichste Einfachheit und Sparsamkeit bei den Bauausführungen Sorge trägt. Nicht minder wird es sich die Staats. regierung kö sein lassen, die Ausgaben für das Salzwerk Lebxpoldshall stets innerhalb der Grenze des unbedingt Nothwendigen zu halten, damit die Erträge des Werks künftig möglichst unverkürzt der Staatskasse zu gute kommen.
Der Präsident Lezius dankte für den Gruß Seiner Hoheit des Herzogs und forderte das Haus auf, in ehrfurchts⸗ voller Erwiderung desselben die Liebe und Treue zum ange— stammten Fürstenhause zu bekunden durch den Ruf: Seine Hoheit der Herzog, Ihre Hoheit die Herzogin, Seine Hoheit der Erbprinz und Seine Hohe Gemahlin, sowie das ganze Hohe Herzogliche Haus, sie leben hoch! hoch! hoch! (Die Ver— sammlung stimmte begeistert in diesen Ruf ein.)
Oefterreich⸗ Ungarn.
Der Landtag von Niederösterreich nahm, wie W. T. B.“ berichtet, gestern nach längerer, theilweise sehr erregter Debatte einen agrarische Operationen betreffenden Antrag des Finanzausschusses an. Bei der Debatte beschuldigte der Abg. Gregorig mehrere Zusammenlegungsbeamte der Bestechlichkeit und wurde deshalb vom Landmarschall zur Ordnung gerufen. Die Beschuldigungen wurden von dem Statthalter Grafen Kielmannsegg unter Vorlegung von Akten widerlegt. Mehrfach wurde die Debatte seitens der Antisemiten unter— brochen und durch anhaltenden Lärm gestört. Zwischen den Abgeordneten Gregorig und Richter, sowie zwischen dem Landmarschall Freiherrn von Gadenus und dem Abgeordneten Lueger fanden gereizte, scharfe Auseinandersetzungen statt. Der Statthalter sicherte die schnelle Durchführung der agrari⸗ schen Operationen zu. — Der Justizausschuß des Landtags hat einstimmig eine Vorlage über die Privilegien der kroatisch⸗slavonischen Hypothekenbank angenommen. Der Bericht wird am Montag dem Landtag unterbreitet und dürfte am Donnerstag zur Verhandlung kommen. — Der zur Unter—⸗ suchung der vom Abg. Gregorig gegen die Donauregulierungs⸗ Kommission erhobenen Beschuldigungen eingesetzte Ausschuß erklärte die Anschuldigungen für unbegründet.
In Laibach sprach sich der Landtag in seiner Schluß⸗ sitzung nach dem Referat des Abg. Suklje bezüglich der Steuerreform für Ueberweisung eines Theils des Erträgnisses der Realsteuer an den Landesfonds aus, um den Ausfall in— folge Verzichts auf die Erhebung von Umlagen von der Personaleinkommensteuer zu decken. Nach einem Referat des Abg. Baron Apfaltrern stimmte der Landtag weiter den Be⸗ schlüssen des österreichischen Agrartages theilweise zu und gab weitere Anregungen zum Schutze der Landwirthe bei Durchführung der Steuerreform. Endlich wurde der Landes— ausschuß beauftragt, für Herausgabe slovenischer Lehrbücher für die 5. und 6. Gymnasialklaffe Sorge zu tragen sowie beim Handels⸗Ministerium die Berücksichtigung der slovenischen Sprache bei der Post⸗ und Telegraphen⸗-Direktion in Triest und die Anbringung sslovenischer Aufschriften an dem Amts⸗ gebäude der Postdirektion in Triest zu erwirken. Hierauf wurde der Landtag unter den üblichen Formalitäten mit be—⸗ geistert aufgenommenen Hochrufen auf Seine Majestät den Kaiser geschlossen.
Im ungarischen Unterhause hat gestern die Debatte über die Eherechtsvorlage begonnen. Eine vor dem Parlamentsgebäude angesammelte große Menschenmenge begrüßte die Minister, namentlich den Minister⸗Präsidenten
und den Justiz⸗-Minister, mit begeisterten Zurufen. Der Referent
Teleszky leitete die Debalte ein und beglückwünschte das Kabinet zu der Inaugurierung einer liberalen Kirchenpolitik. Der Abg. Polonyi von der Unab⸗ hängigkeitspartei motivierte das Separatvotum dieser Partei, durch welches dem Justiz-Minister wegen der mangelhaften Ausarbeitung des Cherechtsentwurfs Mißtrauen ausgesprochen wird. Der Redner schlug sodann eine Reihe von Abände⸗ rungen vor, von deren Annahme er die Zustimmung zu der Vor⸗ lage abhängig machte. Infolge eines a n. Ro⸗ honczy's, den der Präsident zur Ordnung rief, entstand eine lebhaftere Kontroverse ., Bartha (Linke) und Rohon czy (Rechte). Die Weiterberathung wurde schließlich auf heute vertagt.
In dem gestern begonnenen e gegen die Wiener Anaxrchisten erschienen 14 Angeklagte, sämmtlich Handwerks⸗ gehilfen. Die Anklage lautet auf das Verbrechen des Hoch⸗ verraths bei 13, auf das Verbrechen gegen das Sprengstoffgesetz bei 12 und auf Verleitung zur Desertion, Verletzung der an⸗ gelobten Treue der zum Kriegsdienst , . Personen und Aufruf zum Bürgerkriege bei 7, auf das Vergehen gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung bei 3. Vorgeladen sind 21 Zeugen. Die Begründung der Anklage stellt ein umfang⸗ reiches Memorandum dar, in welchem die anarchislische Be⸗ wegung in Wien seit Beginn der achtziger Jahre bis zur Gegenwart eingehend beleuchtet wird. Die Angeklagten bildeten kleine anonyme Klubs, die durch Vertrauensmänner verbunden waren, betrieben die Aufstellung von rennen Druckpressen und die enn von Sprengmitteln zu er , Zwecken. Zu Ostern des Vorjahres sollte bei einem Ausflüge nach Biesing eine . mit letzteren auf freiem Felde ver⸗ anstaltet werden. Von den Angeklagten ist Hahnel geständig, mit Haspel beschlossen zu haben, ihre Umsturzideen durch Flug— blätter zu propagieren, fowie ferner solche Flugblätter gedruckt und durch Personen, die er nicht nennt, heimlich in den Straßen und Häusern ausgestreut zu haben. Haspel behauptet, die in der gemeinsamen Wohnung gefundenen Utensilien müßten bei seiner
erhaftung durch die Polizei eingeschmuggelt worden sein.
Hahnel behauptet, sie hätten bloß probiert, oh sie Spreng—⸗ versuche machen könnten, leugnet aber, daß es auf terroristische Attentate gegen einzelne abgesehen war, indem er bloß zu⸗ gesteht, zal die Anwendung der Bomben gegen Militär und Polizei im Falle des Ausbruchs einer Revolution beabsichtigt war. Die bei heiden vorgefundene Arsenikmenge hätte genügt, eine große Zahl Menschen zu tödten. Die Anklage ninimt an, daß eine Organisation kleiner anarchistischer Klubs noch in Wien besteht, welche getreu dem anarchistischen Prinzip einer einheit⸗ lichen Leitung entbehrt, aber in gelegentlichen Zusammen⸗ künften der Vertrauensmänner ihre 1 faßt. Hierauf geht die Anklage in die Details ein und erörtert die Be⸗ theiligung der einzelnen Angeklagten an den inkriminierten
akten. Die Bene rer verlangten für einzelne Theile der
erhandlung die Oeffentlichkeit aufrecht zu erhalten. Der Gerichtshof beschloß jedoch vollkominenen Ausschluß der Oeffentlichkeit. Der r, Haspel erklärte bei dem Ver⸗ hör, er sei Anarchist und wolle seine Ziele durch Anwendung von Gewalt erreichen. Der Angeklagte leugnete jedoch, in Versamm⸗ lungen Vorträge über Bomben gehalten zu haben, worauf ihm der Präsident die gegentheiligen Aussagen der Mitangeklagten vorhielt. Nach dem Verhör Haspel's wurde die Verhandlung unter brochen. In der Nachmittags wiederaufgenommenen Ver⸗ handlung wurden die Angeklagten Hahnel und Stikula dem Verhör unterzogen. Hahnel gestand die Herstellung von Flug— schriften und Sprenggeschossen zu, leugnete aber, deren Ver⸗ wendung beabsichtigt zu haben. Stikula gab die Theilnahme an den ö Versammlungen zu. Von dem Inhalt der inkriminierten Flugschriften habe er keine Kenntniß gehabt, weil er nicht lesen könne.
Großbritannien und Irland.
Der Prinz von Wales hielt gestern im Saint James— palast einen Herrenempfang ab, dem der Großherzog von Hessen, der Herzog von Connaught, die Prinzen Heinrich und Ludwig von Battenberg, der Rrinz Eduard von Sachsen— Weimar, sowie die Botschafter Deutschlands, Oesterreichs, Rußlands, der Türkei und der Vereinigten Staaten beiwohnten.
In der gestrigen Sitzung des Ünterhaufes erklärte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Staatssekretär des Innern Asquith, die meisten Staaten des Festlandes besäßen das Recht der Ausweisung, das die Verfassung Englands nicht gewähre. Infolge der Ausweisungen auf dem Festlande fänden von Zeit zu Zeit gefährliche, unerwünschte Persönlichkeiten den Weg nach England und zwar nicht selten, ohne daß die englischen Behörden von den ausländischen gewarnt würden. Die Regierung sei nicht der Ansicht, daß es nöthig geworden sei, die Gesetze Englands, die sowohl für den eigenen Schutz, als auch für die Erfüllung der internatioWnalen Pflichten hinreichten, abzuändern. Die Regierung sei bereit und wünsche, mit den andern Ländern gemeinsame Maßregeln zur Bekämpfung der Anarchisten und ähnlicher Feinde der Gesellschaft zu er— greifen, habe aber die Ansicht, diese internationalen Bemühungen müßten nicht so sehr auf eine Erweiterung der Ausweisungs— gewalt, durch welche Unschuldige mit Schuldigen verwechselt werden könnten und die Last und Gefahr von einem Lande auf das andere abgewälzt würden, als vielmehr darauf hin⸗ zielen, daß ein konstanterer Austausch von Informationen und gemeinsamen Aktionen, sowohl behufs der Entdeckung, als auch der Bestrafung der Schuldigen zwischen den Re⸗ gierungen und Polizeibehörden der verschiedenen Länder stattfinde.
Gestern fand in Greenwich die Leichenschau im Falle Bourdin statt. Die Leiche wurde von Bourdin's Bruder identifiziert. Als die Geschworenen den Schauplatz der Ex— plosion besichtigten, stieg ein französischer Anarchist unter aufrührerischen Ausrufen auf das Gitter des Parks und ver— suchte, eine Anrede an die Anwesenden zu halten. Als die Polizei Ruhe gebot, ließ er sich in unziemlichen Worten über den tin n des Innern Asquith aus.
Frankreich.
Heute früh 11 Uhr fand in Paris, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, in einem Zimmer eines Hötel garni in der Rue St. Jacques die Explosion eines Sprengkörpers statt, der von einem Reisenden dort zurückgelassen war. Letzterer war gestern früh in dem Hotel eingetroffen und hatte es bald darauf wieder verlassen. Die Besitzerin des Hotels, Frau Calabresi, die den Reisenden nicht wieder zurückkehren sah, versuchte die Thür zu öffnen, stieß aber dabei auf ein Hinderniß und rief deshalb einen Polizeiagenten herbei. Gleich⸗
Hotel. Frau Calabresi öffnete die Thür, und zwei Minuten dar⸗
auf explodierte die Maschine, die mittels eines Fadens der— gestalt an der Thür befestigt worden war, daß der Faden reißen mußte, sobald die Thür geöffnet wurde. Frau Calabresi wurde schwer am Leib durch Spreng—⸗ stücke, die bisher noch nicht entfernt werden konnten, verwundet, ein Miether, Namens Israel, wurde an den Beinen verwundet und dessen Frau erlitt Ver— letzungen am Arm und im Gesicht. Der Polizei⸗Präfekt und ein Polizei⸗Kommissar begaben sich sofort nach dem Thatort, um die Untersuchung einzuleiten. Der Materialschaden ist ge⸗ ring und beschränkt . auf die zertrümmerte Thür, zer⸗ brochene Fensterscheiben, . Wände und verdorbene Möbel. — Man hofft, daß der unbekannte Reisende bald ent⸗ deckt werden wird, da sein Signalement bekannt ist.
Gestern Vormittag wurde in Paris bei achtzehn Anarchisten Haussuchung gehalten. Wichtige Papiere wurden bei Sebastian Faure aufgefunden, der verhaftet wurde. Auch in der Provinz haben Haussuchungen stattgefunden. Eine Depesche aus St. Quentin meldet die dort erfolgte Verhaftung von zehn Anarchisten. In Valence und Reims wurde je ein, in Romans und Umgegend zehn und in Lyon sieben Anarchisten verhaftet. Der Präfekt von Marseille hat einen Aus⸗ weisungsbefehl gegen sechs Italiener unterzeichnet, die am 24. Januar eine französisch⸗italienische Versammlung ver⸗ anstaltet hatten. ö.
Die Deputirtenkammer setzte gestern die Diskussion über die Getreidezölle fort. Die Deputirten Léon Say und Méeline wiesen den Gegenvorschlag des Deputirten Jaurès zurück und bekämpften dessen sozialistische Theorien. Der Deputirte Guesde sagte, die Arbeiter hätten weder von den Schutzzöllnern, noch von den Freihändlern etwas zu erwarten. Die Sozialisten wiesen , Eingreifen des Staats in die Gesellschaft zurück. . auf der äußersten Linken. Der Deputirte Jules Roche kritisierte die Schutzzollpolitik, die den enn g und die
Industrie Frankreichs ruiniere und es Deut 12 mache, . den schweizerischen und bald vielleicht au den russischen Mark zu entreißen.
zeitig mit letzterem begaben sich mehrere Personen in das
Rußland.
Der Kaiser hat sich, wie ‚W. T. B.“ meldet, heute in
das Alexander⸗Newski Kloster begeben. Spanien.
Wie dem „W. T. B. aus Pampelona gemeldet wird, nahm die gegen den Eingriff der Cortes in die Rechte der baskischen Provinzen veranstaltete Ma nifestation einen leb⸗ haften Verlauf. Dreihundert Munizipalitäten betheiligten sich daran. Die Ruhe wurde nicht gestört.
Belgien.
Die Kammer hat, wie der Frkf. Ztg.“ berichtet wird, die zweite Lesung des neuen Wahlgesetzes bee wet und dasselbe schließlich mit 54 gegen 31 Stimmen angenommen. Die ganze Linke stimmte dagegen.
Bulgarien.
Das Gutachten der Wiener Professoren über das Be⸗ finden der Prinzessin Marie Louise konstatiert dem „W. T. B.“ zufolge Symptome einer begrenzten Entzündung, durch welche die wiederholten Fiebererscheinungen hervorgerufen worden sind, und giebt der festen Hoffnung Cuf eine baldige vollständige Genesung Ausdruck.
Bei der fortgesetzten Verhandlung der Appellation des Metropoliten Clement hielten gestern Nachmittags die Ver⸗ theidiger Markow und Tontschew ihre Plaidoyers. Ersterer stützte sich auf die Thatsache, daß Clement nicht persönlich dem Verhör bei dem Appellgerichte habe beiwohnen können, während Tontschew das Urtheil aus juridischen Gründen be⸗ kämpfte. Beide bestritten die Gesetzlichkeit der Urtheile der Ge⸗ richtshöfe erster und zweiter Instanz und betonten, daß nach der historischen Tradition und den kirchlichen Statuten ein Metropolit für eine in der Ausübung seiner kirchlichen Funktionen begangene Handlung nicht durch ein Zivilgericht abgeurtheilt werden könne. Ferner habe ein Richter des Ge— richtshofes der ersten Instanz an den Demonstrationen gegen den Metropoliten theilgenommen, und sowohl die Gerichtshöfe erster wie zweiter Instanz hätten es abgelehnt, Zeugen zur Vertheidigung des Metropoliten zu vernehmen. Man glaubt, daß der Kassationshof morgen oder übermorgen das Urtheil fällen werde.
Amerika.
Aus Cintinnati von gestern wird dem „W. T. B.“ gemeldet, die Polizei habe gestern dort einen Anarchisten, Namens Temmen, verhaftet und bei, ihm eine Namenliste von 120 Anarchisten vorgefunden. Die Polizei überwache die letzteren.
Nach einer Depesche des „New⸗Hork Herald“ und der New⸗Horker „World“ aus Rio de Janeiro ist der Regie⸗ rungskreuzer Nietheroy“ ohne die übrigen Kriegsschiffe dort eingetroffen. In Paris eingetroffenen Meldungen zufolge hätte das Bombardement von Rio de Janeiro wieder begonnen. Gerüghtweise verlaute, der Regierungs⸗ kreuzer „Nictheroy“ beabsichtige, die Flotte der Aufständischen zu bekämpfen und habe Freiwillige aus Bahia außerhalb der Bai gelandet. Die Kaffeepflanzer seien unzufrieden, da die Aushebung der National-Garde die Arbeiten hindere.
, Afrika.
Der Herzog Ernst Günther zu Schleswig⸗Hol⸗ stein ist, wie das „Reuter 'sche Bureau“ meldet, in Kairo eingetroffen und hat daselbst gestern den Besuch des Ober⸗ Kommissars der Pforte Mukhtar Pascha empfangen. Später wohnte der Herzog einer Revue über die englischen Truppen bei.
Der am Sonntag-Abend in Kairo eingetroffene General⸗ Konsul Freiherr von Heyking empfing gestern den Besuch Mu khtar Pascha's.
Eine in Paris eingetroffene Depesche des Gouverneurs des Sudan meldet, die Truppenabtheilung Joffre's habe am 23. v. M. die Ortschaft Niafouine, deren Haltung eine feindliche gewesen sei, bombardiert; etwa hundert Einwohner seien getödtet worden. Alsdann habe Joffre seinen Marsch auf , fortgesetzt, wo er am 28. v. M. habe eintreffen sollen.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichstags befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen 54. Sitzung des Reichs tags, welcher der Reichskanzler Graf von Caprivi und der Dirigent der Kolonial-Abtheilung, Wirkliche Geheime Legations-Rath Dr. Kayser beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Kolonial-Etats fortgesetzt und die gestern nicht zu Ende geführte Debatte über den Spezial⸗Etat für Kamerun wieder k Es sprachen zunächst die Abgg. Dr. Lieber und Schall.
(Schluß des Blattes.)
— Auf der Tagesordnung der heutigen 19. Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Handels⸗Minister Freiherr von Berlepsch und der Finanz-Minister Dr. Miquel beiwohnten, stand die erste Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Aufsuchung und Gewinnung der Kali⸗ und Magnesiasalze (s. Nr. 36 d. Bl.). Handels ⸗Minister Freiherr von Berlepsch: Auf eine An—⸗ regung des Abg. Schultz⸗-Lupitz, daß für eine Verbilligung der Kali⸗ salze und für den Schutz der Produktion derselben Sorge getragen werden möge, habe ich Erwägungen angestellt; in Bezug auf den ersten Punkt hat das Syndikat der vereinigten Kaliwerke beschlossen, für die weiteren Entfernungen Staffelpreise zu gewähren und zwar bei Entfernungen von 400 km für je 20 km für Rohsalze von 13, für Fabrikate von 2 F; außerdem sind den ländlichen Bezirken, welche unter dem Nothstand litten, weitere Ermäßi⸗ gungen bis zu 15 für den Zentner Kali gewährt worden. In Bezug auf den zweiten Punkt schweben die Erwägungen schon seit längerer Zeit, weil durch das Studium der Akten, durch eine Hesichtigung an Ort und Stelle und durch die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses von 1890 eine Anregung dazu gegeben war. Das Haus hatte damals beschlossen auf Antrag des Abg. Schultz= Luvitz, eine Sicherung der Lagerstätten ger e ale? zu verlangen. Die Vorlage soll eine Sicherung der Kalisalze vor Wasserzuflüssen herbeiführen. Diese Sicherung, ist nur im Wege der Gesetz⸗ gebung, vollkommen und ausreichend zu erlangen. So ist es zur Vorlage des Gesetzentwurfs über diese Frage, die in technischer und rechtlicher Beziehung sehr schwierig ist, ge⸗ kommen. Die Veranlassung für die Vorlage ist in keiner Weise in fiskalischen, sondern lediglich in volkswirthschaftlichen Gründen zu suchen. Von den großen Salzlagerstätten gehört der größte Theil Privaten, die in der Lage sein werden, neben dem