1894 / 50 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 27 Feb 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Um 5! Uhr fand im Wilhelmspalast Familientafel zu . Ge⸗ decken statt, wobei der Herzog Wilhelm auf das Wohl des Königs trank. Der Festvorstellung im , , wo der erste Akt der Oper „Die Makkabäer“ und ein Festspiel „Der Geburtstag des Königs“ mit lebenden Bildern zur Aufführung kamen, wohnten Ihre Majestäten, umgeben von der Königlichen Familie, in der großen Hofloge von Anfang bis zum Schlusse an. Als der König das festlich beleuchtete, von einer glänzenden Versammlung gefüllte Haus betrat, wurde Allerhöchstderselbe mit dreimaligen begeisterten Hochrufen empfangen. Im gZwischenakt wischen der Oper und dem Festspiel hielt Seine Majestät im ö. Cercle und nahm daselbst die Glückwünsche der Staats-Minister, der Präsidenten der beiden Kammern, der Standesherren, der Mitglieder des diplomatischen Korps, der prinzlichen Hofstaaten und der Damen der Königlichen Hofstaaten, sowie der Vertreter der StadtStuttgart entgegen.

Baden.

Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin besuchte, wie die „Karlsr. 36g. meldet, am Sonntag zum ersten Male seit vielen Wochen den Gottesdienst in der Schloßkirche. Seine Königliche Hoheit der Großherzog ist durch einen starken Katarrh an das Zimmer gefesselt.

Samburg. Dem „Hamburgischen Korrespondent“ zufolge sind in

Hamburg zwei Czechen verhaftet worden, die unter dem Verdachte stehen, anarchistische Agitatoren zu sein und

anarchistische Flugblätter auf das eifrigste verbreitet zu haben.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Kaiser empfing gestern, wie „W. T. B.“ meldet, den serbischen Minister⸗Präsidenten Siümic in Privataudienz und nahm dessen Abberufungsschreiben von dem Posten als serbischer Gesandter entgegen. Vorgestern hatte Simic dem Minister des Auswärtigen Grafen Kälnoky einen einstündigen Besuch abgestattet. ( 4

Auswärtige Blätter, insbesondere französische, hatten allerlei Schlußfolgerungen an die willkürlich angenommene Thatsache geknüpft, daß der Kaiser auf der Reise nach der Riviera italienifches Gebiet vermeide. Das „K. K. Telegraphen⸗Korrespondenz⸗Bureau“ erklärt diese Kombination für vollkommen hinfällig, da der Kaiser, Allerhöchstwelcher sich zunächst nach München zum Besuch der Prinzessin Leopold begiebt, gemäß dem festgestellten Reiseprogramm von dort die Reise über die Gotthardbahn und sodann auf dem italienischen Gebiet über Alessandria fortsetzt.

In dem Befinden der Erzherzogin Maria Imma⸗ culaka ist gestern Morgen nach einer gut verbrachten Nacht Besserung eingetreten. ö . .

Der Minister⸗Präsident Fürst Windischgrätz hat gestern den Obmännern der koalirten Parteigruppen die leitenden Grundsätze über die Wahlreform mitgetheilt und die Ob⸗ männer zu Besprechungen eingeladen, die in den nächsten Tagen über diesen Gegenstand abgehalten werden sollen.

Im Abgeordnetenhause brachte gestern der Finanz⸗ Minister Pr. von Plener behufs Fortführung der Valuta⸗ regulierung drei Gesetzentwürfe ein. Der erste verfügt gemäß dem Uebereinkommen mit Ungarn die. Einziehung von 200 Millionen Staatsnofen, nämlich die ge—⸗ sammten Ein⸗Gulden⸗ und einen Theil der Fünf⸗ und der Fünfzig-Guldennoten. Die Einziehung erfolgt durch beide Regierungen mittels Ausgabe von 40 Millionen Ein⸗Kronen—⸗ stücken, ferner von Silbergulden und von Banknoten, welche von der Oesterreichisch- ungarischen Bank gegen Erlegung von Zwanzig-Kronenstücken in Gold bis zum Höchst⸗ betrag von 166 Millionen zu beschaffen sind. Die Bank darf das erhaltene Gold nur für die Deckung der tauschweise aus⸗ gegebenen Banknoten verwenden. Die Einlösungspflicht für die Ein⸗Guldennoten erlischt am 31. Dezember 1839. Der zweite Gesetzentwurf überläßt dem Finanz-Minister 12 Millionen Gulden aus den schon geprägten Zwanzig⸗Kronenstücken in Gold als auf die westliche Reichshälfte quotenmäßig entfallende Einlösungssumme. Der dritte Entwurf er⸗ mächtigt den Finanz-Minister, die schwebende Schuld in Partkalhypothekenanweisungen um 30 Millionen end— gültig zu vermindern, sobald er den Zeitpunkt für angemessen erachket, und die Zahlungsmittel durch eine höchstens vier— prozentige Rentenschuld zu beschaffen. In den Motinen dazu werden die vorgeschlagenen Maßnahmen für einen Schritt zur schließlichen Erreichung des von der Regierung unentwegt im Auge behaltenen Zieles der Herstellung der Metallzirkulation auf Gruͤnd der Goldwährung erklärt. Die Einlösbarkeit der Bank—⸗ noten gegen gesetzliche Münzen könne erst nach der vollständigen Abwickelung der Einlösung der Staatsnoten und Erreichung der Stabilität des gesetzlichen Werthes des Banknotenumlaufs ausgesprochen werden. Die bedauerlicherweise neuerdings ein⸗ getretene, die Lage des österreichischen Geldmarkts störende Igiobewegung lasse den baldigsten Beginn der Einlösung der Skaatsnolen' und die Durchführung derselben nach

Maßgabe der bereits vorhandenen Mittel um so rath⸗ samer erscheinen. Im weiteren Verlauf der Sitzung erklärte der Landesvertheidigungs-⸗Minister Graf Wel⸗ sersheimb in Beantwortung einer Interpellation des Jungezechen Krumbholß; die Beschuldigung wegen angeb⸗ sicher Beschimpfung czechischer Mannschaft durch militärische Vorgesetzte auf. Grund der Un tersuchung durch das Reichs— Kriegs⸗Ministerium für vollkommen unbegründet; ein be⸗ schimpfender Ausdruck sei garnicht gebraucht worden. Der Minister betonte ferner, in dem Bereich des betreffenden Kommandos befänden sich viele Agitatoren, die sich an die Mannschaft herandrängten und aus ihr allerlei hergus— zupressen suchten, was sie dann politisch in gehässiger und entstellter Form verwertheten. Der Minister des Innern Marquis Bacqueh em beantwortete eine Interpellation des Abg. Fürsten Johann Schwarzenberg wegen Lösung der Auswanderungsfrage dahin, daß die Auswanderung nur durch die Wehrpflicht beschränkt sei. Die Grenzüberwachung gegen eine unreelle Auswanderung sei in Vorbereitung; etwaige Gesetzes⸗ übertretungen der Auswanderungsagenten würden streng geahndet. Die Abgg. Tiani und Genossen fragten den Handels⸗Minister, ob es richtig sei, daß Frankreich die Forderung gestellt habe, ihm die Vergünstigung der im Handelsvertrage mit Italien ent⸗ haltenen Weinzollklausel zu gewähren, und was der Minister, wenn dies richtig sei, thun werde, um die arg geschädigte heimische Wein⸗Industrie zu schützen. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurden von klerikaler, antisemitischer und jung⸗

czechischer Seite drei Interpellationen wegen der durch Ferles bei der Staatsschuldenkasse begangenen Defrau⸗ dation eingebracht. .

Im ungarischen Unterhause entwickelte gestern bei der weiteren Berathung der Eherechts⸗-Vorlage der Minister⸗ Präsident Dr. Wekerle die Genesis der kirchenpolitischen Situation und hob hervor, das Uebel sei nicht durch den Februar⸗Erlaß entstanden, sondern dadurch, daß das Verhaͤltniß zwischen Staat und Kirche nie geregelt worden sei. Die Regierung habe sich auf den Standpunkt der ,, J. Wirkungskreise des Staats und der

irche gestellt, da die Palliativmittel nicht mehr zur Beschwich⸗ tigung ausreichten und die kompetentesten Faktoren der katho—⸗ lischen Kirche erklärt hätten, sie würden, wenn die Zivilehe schon nothwendig sei, es lieber sehen, daß neben den Staats⸗ matrikeln eine obligatorische Form gewählt würde. Die von der Regierung verlangte Reform sei nicht nur durch die politische Nothwendigkeit geboten, sondern besitze auch die Garantie der Durchführbarkeit. Die Regierung bereite die Autonomie der Katholiken vor und halte im Prinzip an der Nothwendigkeit der staatlichen Unterstützung der ärmeren Kirchen, namentlich der protestantischen fest. Im weiteren Verlauf der Sitzung brachte der Finanz-Minister Dr. Wekerle den Gesetzentwurf, betreffend die Einziehung eines Theils der Staatsnoten, ein.

Der Kaiser sowie der Erzherzog und die Erz—⸗ herzogin Rainer ließen der Wittwe des Bürgerxmeisters Pr. Prix ihr Beileid aussprechen. Der Minister⸗ räsident Fürst Windischgrätz sandte ein sehr r liches Beileidschreiben. Im Namen der Stadt Pest kondolierte der dortige Bürgermeister Kammermayer durch ein Telegramm an das Bürgermeisteramt. In einer außerordentlichen Plenarsitzung des Wiener Ge— meinderaths hielt der Vize⸗Bürgermeister Richter auf den verstorbenen Bürgermeister Dr. Prix eine Gedächtnißrede. Der Gemeinderath beschloß einstimmig die Beerdigung des Verstorbenen auf Kosten der Stadt und die Widmung eines Ehrengrabes.

Großbritannien und Irland.

Anläßlich des heute im Buckingham⸗Palast stattfindenden Damenempfangs sind Ihre Majestät die Königin, Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog von Hessen, der Herzog und die Herzogin von Connaught, sowie der Prinz und die Prinzessin Heinrich von Battenberg gestern früh von Windsor nach London abgereist. Gestern Nachmittag traf auch Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich aus Sandringham in London ein.

Das Unterhaus verwarf gestern, wie „W. T. B.“ meldet, mehrere Amendements des Oberhauses zur Kirchspiel⸗ rathsbill, nahm jedoch die Amendements üher den Boden⸗ erwerb für Kleinstellen, sowie ein Kompromiß hinsichtlich der Verwaltung milder Stiftungen an. Die neue Session

des Parlaments wird am 12. März beginnen; der Schluß

der jetzigen Session wird nicht vor nächstem Montag statt— finden. .

Der bisherige Gesandtschaftssekretär in Kairo Hardinge ist zum diplomakischen Agenten und General-Konsul in San— sibar ernannt worden.

Frankreich.

Die Deputirtenkammer beschloß gestern, wie W. T. B.“ berichtet, nach lebhafter Diskussion mit 455 gegen 2 Stimmen die Ungültigkeit der Wahl Wilson's.

Gestern eren tt sind in Paris neun Anarchisten verhaftet worden, bei denen zahlreiche Papiere und Broschüren beschlagnahmt wurden. Im Laufe des Abends wurden abermals zahlreiche Haussuchungen bei Anarchisten und mehrere Verhaftungen vorgenommen. Unter den Verhafteten be— findet sich auch die Frau von Constans Martin.

Italien.

Die Deputirtenkammer nahm nach einer Meldung des „W. T. B.“ gestern die Debatte über die innere Politik wieder auf. Der Deputirte Imbrianz brachte die Vorgänge zur Sprache, die sich im Januar in Corato (Pro— vinz Bari) ereignet haben. Der Minister-Präsident Crispi erwiderte: die ern enen Corato sei vorbedacht gewesen; man habe Brand legen wollen und die Truppen angegriffen, die sich auf die Vertheidigung beschränkt und keine Zeit gehabt hätten, die gesetzlichen Aufforderungen an die Ruhestörer zu richten, weil sie von den Angreifern förmlich überrumpelt worden seien. Der Deputirte Bovio begründete eine Interpellation über die innere Politik der Regierung und richtete gegen letztere heftige Angriffe. Der Deputirte Sacchi begründete eine gegen die Militärgerichte gerichtete Interpellation. Im weiteren Verlauf der Sitzung motivirte dann der Deputirte Na si seine Interpella⸗ tion über die Gründe, welche die Regierung zu ihrem Vorgehen in Sizilien veranlaßt hätten. Die Deputirten Nasi und Colajanni tauschten verletzende Worte aus, was zu einem lebhaften Zwischenfall Veranlassung gab. Der Deputirte Nasi fuhr dann unter wiederholtem Beifall der Kammer fort und erklärte, Crispi allein habe der Schwierigkeit der Lage in Sizilien die Stirn bieten können; kein anderer Politiker würde vermocht haben, so eindringliche Worte des Friedens in Sizilien zu sprechen. Hierauf wurde die Dehatte auf heute vertagt.

Vorgestern Abend wurde in Pisa im „Teatro nuovo“ während der Vorstellung des „Othello“ eine Petarde durch ein Fenster hinter der Bühne geworfen. Es erfolgte eine heftige Explosion, die Fenster zersprangen. Der Orchester⸗ dirigent ließ die Königshymne und die Garibaldihymne spielen. Das Publikum glaubte, es handle sich um einen zur benga⸗ lischen Beleuchtung gehörenden Effekt, ein Unglücksfall ist nicht vorgekommen. Der muthmaßliche Thäter wurde verhaftet. Einer Privatdepesche aus Acquaviva del fonte (Pro— vinz Bari) zufolge mußte ein Munizipalgardist, welcher ber einem gien lr! Ruhe stiften wollte, in ein Lesekabinet flüchten und durch Gendarmen in die Kaserne begleitet werden. Mehrere hundert Landleute überfielen das Lesekabinet, in welchem sie den Munizipalgardisten noch vermutheten, verübten darin sowie im Bureau der Munizipalpolizei Zerstörungen und zerschlugen viele Laternen und Fensterscheiben. Gegen⸗ wärtig ist die Ruhe wiederhergestellt. Neun Verhaftungen wurden vorgenommen.

Rumänien. .

Der Kabinets-Chef im Ministerium des Auswärtigen Floresco ist dem „W. T. B.“ zufolge zum Zweiten Ge⸗ sandtschafts⸗Sekretär in Berlin und Spiridion Bibesco zum Vize⸗Konsul in Budapest ernannt worden.

Amerika.

Wie das „Reuter'sche Bureau“ berichtet, hat der Gesandte Nicaraguas in Washington eine Depesche aus Tegucigalpa erhalten, die besagt, daß die Stadt sich in den Händen der Aufständischen und ihrer Bundesgenossen von Nicaragua befinde. Der Berichterstatter der New⸗Horker „World“ in Managua bestätigt diese Nachricht und fügt hinzu: Der Präsident Vasquez habe einen heldenmüthigen iderstand geleistet. Zur Zeit befinde er sich auf der Flücht, Es heiße, daß er verwundet sei. Nur wenige hundert Anhänger be⸗ gleiteten ihn.

Afrika.

Die Verproviantierungskolonne des frag oil chen Kom⸗ mandanten Joffre ist nach einer Meldung des W. T. B.“ aus Paris am 13. d. M. in Tim buktu eingetroffen. Joffre hat den Befehl in Timbuktu übernommen. Die Lage daselbst ist durchaus nicht beunruhigend.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige . des Reichs⸗ tags befindet sich in der Ersten, der Schlußbericht über die estrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten in der fen und Zweiten Beilage.

Der heutigen 58. Sitzung des Reichs tags wohnten der Reichskanzler Graf von Caprivi, die Staatssekretäre Pr. von Boetticher, Freiherr von Marschall und Dr. Graf von Posadowsky, der Königlich preußische Justiz⸗ Minister Dr. von Schelling, und der Königlich preußische Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch bei.

Eingegangen ist ein Gesetzentwurf, betreffend die Ab⸗ änderung des Zolltarifgesetzes (Aufhebung des Identitäts⸗ nachweise s). -. .

Die erste Berathung des Handels- und Schiffahrts⸗ vertrags zwischen dem Reich und Rußland wird fortgesetz; und zwar in Verbindung mit dem Antrage des Abg. von Kardorff (Rp.), betreffend die Vor⸗ legung eines Reichsgesetzes wegen Erhebung von Zoll⸗ zuschluͤgen für die Einfuhr von Roggen, Weizen und Mehl bei bestehendem Disagio in fremden Staaten. Der Zollzuschlag soll betragen bei mehr als 10 Proz. Disagio bei Getreide 1 6, bei Mehl 250 e, bei mehr als 20 Proz. Disagio für Ge— treide 2 M6, für Mehl 5 6. 9

Ein Aenderungsantrag des Abg. von Salisch (dkons.) will den Hafer in den Antrag einfügen und die Zollerhöhung für ihn auf. O, 89 ι bezw. 1589 6 feststellen. Abg. . Heyl zu Herrnsheim (nl. will die Zollerhöhung ei mehr als 20 Proz. Disagio auf 1,50 bezw. 3.75 6 festsetzen. ;

Abg. von Kardorff (Rp.): Der Zweck, des Antrags geht dahin, die Annahme von Handelsverträgen, gleichviel mit welchen Staaten, mit einer überwiegenden Mehrheit des Reichstags in sichern. Er bezweckt die Ausgleichung der Währungsdifferenzen. Der Staatssekretär hat meinen Antrag als eine gleitende Skala bezeichnet. Die gleitende Skala in England war derartig eingerichtet, daß der Zoll stieg mit sinkendem Preise, während er fiel mit steigendem Preise. Mein Antrag soll das Entgegengesetzte erreichen. Sb gerade die gleitende Skalg zu ungesunden Spekulationen Anlaß ge⸗

eben hat, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls waren damals die Speku— ationen nicht so ungesund, wie die jetzigen an der Berliner Pro— duktenbörse, wo Getreidespekulationen init den Spekulationen in Rubelnoten Hand in Hand gehen. Man hat gefragt, warum der Antrag nicht auch auf Industrieprodukte ausgedehnt wird. Aber ich habe mir gesagt, daß bei der Zollabfertigung von Industrieprodukten zu große Schwierigkeiten entstehen können. Außerdem haben die Industriellen felbft keinen Werth auf eine solche Maßregel gelegt. Oesterreich gegenüber hätte die Regierung leicht auf gütlichem Wege in diefer Beziehung eine Einigung herbeiführen können; es, würde gern jeder Maßregel zugestimmt haben, durch welche ihm ein Vor— sprung vor Rußland gesichert werden würde. Mit den übrigen kleineren Staaten, z. B. Serbien, wäre eine Vereinbarung ebenfalls leicht gewefen, ebenfo mit Rumänien, welches jetzt eine vollwerthige Valuta hat. Gegenüber Rußland habe ich mir die Sache so gedacht, daß der Rubelkurs von 260 als normal angenommen wird; ein Sinken des Kurses unter 230 würde einen Zuschlag von 1 , ein weiteres Sinken unter 200 einen Zuschlag von 2 „S bedingen. Unser Antrag richtet sich nicht allein gegen. Rußland, sondern auch gegen andere Länder, wie Argentinien und Indien. Argentinien hat ein sehr hohes Goldagio, welches wie eine Prämie auf die Ausfuhr von Weizen nach dem deutschen Martt wirkt. In ähnlicher Weise ist der indische Weizen durch den großen Niedergang des Silberpreises bevorzugt. Die deutsche Landwirthschaft als Geschäft geht daran zu Grunde. Daß der russische Vertrag die Ge⸗ treidepreise nicht ändern wird, kann ich nicht für richtig halten, das ist die alte freihändlerische Argumentation aus den Zolldebatten von 1559 her. Der Roggen ist nicht in dem Maße Weltmarktartikel, wle der Weizen. Ich habe allerdings früher und auch neuer—⸗ dings Deduktionen gelefen, welche behauptet haben, daß die Roggen⸗ nahrung immer mehr aufhört für Deutschland die vorwiegende zu sein, daß immer mehr die Weizennahrung zunimmt. Aber Fůnfsechstel des Landes in unseren östlichen Provinzen sind nur roggenbaufähig, Wie kann man diese zum Weizenhau zwingen wollen! Man würde die Bevölkerung zur Auswanderung treiben. Das ist diejenige Bevölkerung, mit welcher Friedrich der Große einem großen Feinde die Spitze bieten konnte welche im An⸗ fang diefes Jahrhunderts die Lasten des Kriegs gegen Napoleon haupt⸗ sächlich getragen hat. Wollte man über . Bevölkerung zur Tagesordnung übergehen, so wäre das für mich der Uebergang zur Tagesordnung für das ganze Deutsche Reich. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das wäre kein Schade) Ich glaube, kein Zweiter in diesem Hause würde einem solchen Zuruf zustimmen. Die Be; ler ni, daß gerade der russische Handelsvertrag der . den Todesstoß versetzen würde, ist vielleicht übertrieben. en , Stoß hat sie schon durch den österreichischen Handelsvertrag bekommen.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten 1a in seiner heutigen 21. Sitzung, welcher der Finanz- Minister, Di. Miquel und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen beiwohnten, die zweite Berathung des Staatshaus, halts-Etats für 1894/95 bei den „einmaligen Ausgaben des Etats der indirekten Steuern fort. .

Zum Neubau eines Fienstgebäudes für das Haupt— Stederamt für in ländische Gegenstände in Berlia werden 180 600 6 gefordert. Dieses Amt befindet sich jetzt auf dem Terrain des alten Packhofs, das für spätere Nusenmẽ zwecke freigelegt werden soll. Dafür soll für das Steueramt ein Ersatzgebäude auf dem fiskalischen Grundstück, Dran en burgerstraße 76, errichtet werden für 313 00 S6, wovon jetz die erste Rate mit 180 000 „S eingestellt ist— .

Abg. von Buch (kons.): Auf die Gefahr, für einen . feindlichen Barbaren geh alten zu werden, beantrage ich namens meine

Freunde die Streichung der Position. Daz jetzige Dienstgebãude reicht für seine Zwecke vollkommen aus; es handelt si ö oe. nur um eine erste Rate für Museumszwecke. Unsere finanzielle wage ist zu schlecht, um neue Gebäude aufzuführen, die mehr oder weniger Luxusbauten sein und Millionen kosten werden. Allerdings reichen unsere Museumsgebäude nicht aus, aber die neuen Gebäude schweben ja noch in sehr weiter i. es soll nur nachher recht schnell gehen. Ein Plan für die Neubauten steht noch garnicht fest. Deshalb lehnen wir die Forderung jetzt ab, ohne sie damit für alle Zukunft abzulehnen. ier hat man Geld für solche Zwecke, aber am anderen Ende der Leipzigerstraße verweigert man anscheinend die Mittel zur Abhilfe der Noth der Landwirthschaft.

Abg. Hobrecht (n); Eine sparsame Finanzperwaltung müssen wir in allgemeinen üben, aber nicht an einzelnen Positionen, wenn wir nicht das Verhältniß zwischen unseren verschiedenen Staats⸗ ausgaben alterieren wollen. Der diesjährige Etat ist mit aller Spar⸗ samkeit aufgestellt worden. Wir werden durch Bewilligung dieser Position keineswegs für spätere Forderungen für Museumszwecke gebunden. Schon selt Jahren verfolgen wir den Plan einer Niederlegung des alten Packhofs. Die jetzige Aufbewahrung unserer reichen Museumsschaͤtze können wir nicht fortdauern lassen ohne Gefahr der Depravation unseres Besitzes. Die Mitglieder der Budgetkommission haben ja die elenden Räume e. wo unsere Schätze liegen und die kopierenden Künstler sich thatsächlich nicht einmal umdrehen können.

Abg. Im Walle (Zentr.): Wir bewilligen diese Forderung. Beim Anblick der unwürdigen Unterbringung unserer Museumsschätze muß jedem Nichtbarbaren das Herz bluten. Es handelt sich hier nur um 313 9000 ½ und keineswegs um einen Luxusbagu. Für die Kunst haben wir bisher wenig oder nichts gethan. Ich stehe nicht auf dem Standpunkt, Berlin immer als den Wasserkopf anzusehen. Wo sollten wir denn sonst die pergamenischen Alterthümer hinstellen? Ich bitte also um Genehmigung der Forderung.

Abg. Brütt (frkons.) spricht sich gegen die Forderung aus,

General⸗Direktor der Museen, Wirklicher Geheimer Ober⸗Regie⸗ rungs⸗Rath Dr. Schöne: Der Bau des Steueramts an sich ist ja nicht nöthig; die Steuerverwaltung selbst hat ursprünglich die Verlegung nicht gewünscht, ihr aber doch schließlich zugestimmt. Zur Erweiterung der Museen sind schon 1873 und 1875 Mittel im Etat be⸗ willigt worden, die aber nicht verwendet wurden, weil das Stadt bahnprojekt dazwischenkam. Auch ein späteres Projekt wurde 1882 durch Verlegung des Packhofs wiederum alteriert. Aus alledem geht hervor, daß es sich Um eine anerkannte Nothwendigkeit handelt, die noch verstärkt ist durch den glücklichen Erwerb, der pergamenischen Denkmäler. Der jetzige enthtendb der Unterbringung dieser Schätze ist durchaus ein unwirthschaftlicher, weil die Schätze so ihren Zweck nicht erfüllen. . Regierung kann Sie nur dringend um Bewilligung der Position bitten.

Abg. Vopelius (frkons.) erklärt sich für seine Partei für die Bewilligung der Forderung; dem Hause werde dadurch nicht für spätere Entschließungen präjudiziert. Der jetzige Zustand in den Museen könne allerdings auf die Dauer nicht aufrecht erhalten werden.

Abg. leß JZentr.) ist wegen der ungünstigen Finanzlage gegen die Posstion. In der Bewilligung würden gefährliche Fußangeln für die Zukunft liegen. ö.

Abg. Hugo Hermes (frs. Volksp.) erkennt die Nothwendigkeit der K an. Wer dagegen wäre, würde sich den Un⸗ willen der ganzen gebildeten Welt zuziehen.

Abg. von Buch (kons.) weist darauf hin, daß der jetzige be⸗ schämende Zustand der Museen noch weiter bestehen bleiben würde; denn es solle nur ein Theil des alten Packhofsgebäudes für das Museum frei gemacht werden. ö.

Abg. Hauptmann GZentr.) ist gegen die Forderung, weil jetzt kein Geld für solche Zwecke da sei.

Die Position wird mit schwacher Mehrheit gegen die Stimmen der Freisinnigen und etwa je der Hälfte der Frei⸗ konservativen und des Zentrums sowie der großen Mehrheit der Nationalliberalen abgelehnt.

Der Rest des Etats wird ohne Debatte bewilligt.

Es folgt der Etat der Bauverwaltung. Die Ein— nahmen werden ohne Debatte bewilligt.

Bei den dauernden Ausgaben, und zwar bei dem „Ministergehalt“ wünscht

Abg. Hr. Lotichius (nu), daß zugleich mit der Korrektion der Mosel die Kanalisierung der Lahn vorgenommen werde. .

Abg. Wallbrecht (nl. beklagt sich darüber, daß für den Mittellandkanal nicht von vornherein generell die ganze, Linie fest⸗ gesetzt worden sei, sodaß bei Aenderung der Linie durch die späteren Instanzen alle einzelnen Projekte, für welche schon Vorarbeiten ge⸗ macht wären, unausführbar wür den. Unsere Wasserstraßen müßten so ausgebaut werden, daß man von einem Ende des Landes zum an— dern fahren könne, ohne umzuladen. Dazu müsse aber eine Zentral⸗ Baubehörde für Kanäle in Berlin geschaffen werden.

(Schluß des Blattes.)

In der Kommission des Reichstags zur Berathung der vom Zentrum beantragten Novelle zur Konkursordnung wurde heute 5 190 in folgender Fassung angenommen: Das Gericht kann auf Antrag des Verwalters oder eines Gläubigers das Konkurs— verfahren einstellen, sobald sich ergiebt, daß eine den Kosten des Ver⸗ sjahrens entsprechende gell nn ff oder eine genügende Vorschuß⸗ leistung nicht vorhanden ist. Findet das Gericht, den Antrag begründet, so sind die ihrem Wohnort nach bekannten Gläubiger von dem Antrag zu benachrichtigen mit dem Anfügen, daß, wenn nicht binnen einer Woche das Vorhandensein einer entsprechenden Konkurs⸗ masse nachgewiesen oder ein genügender Vorschuß geleistet werde, die Einstellung des Konkursverfahrens erfolge.! S 199 erhielt folgende Fassung; „I) Zu dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens im Falle der Zahlungsunfähigkeit ist jeder persönlich haftende Gesellschafter und jeder Liquidator berechtigt. 2) Zu dem Antrag verpflichtet ist jeder der persönlich haftenden Gesellschafter und der Liquidatoren im Falle der Ueberschuldung, sobald aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz sich ergiebt, daß die Schulden das Doppelte des Vermögens betragen. 3) Wird der Antrag nicht von allen persönlich haftenden Gesellschaftern oder allen Liquidatoren ge⸗ stellt, so ist derselbe zuzulassen, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Ueberschuldung der Gesellschaft glau bhaft gemacht wird. Das Gericht hat die übrigen persönlich haftenden Gesellschafter oder Liquidatoren nach Maßgabe des § 9; zu hören.“

Die. Wahlprüfun gskommission des Reichstags beantragt, die Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl des Abg. Greiß (-Zentr) im J. Wahlkreise des Regierungsbezirks Köln bis zum Eingang weiterer Ermittelungen auszusetzen.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

In Bezug auf die Bestimmung des § 21 Abs. 2 des Reichs⸗ Preßgesetzezs. wonach die Bestrafung wegen fahrlässigen Preß⸗ delikts für den Redakteur, Verleger, Drucker, Verbreiter aus— geschlossen bleibt, wenn er den Verfasser oder den Einsender bezw. seinen Vormann nachweist welcher in dem Bereich der richter⸗ lichen Gewalt eines deutschen Bundesstaats sich befindet, C hat das Reichs⸗ gericht, II. Strafsenat, durch Urtheil vom 13. Oktober 1893 ausgesprochen, daß dem Nachweis eines Vormanns durch den Nachmann der Fall gleich⸗ steht, wenn der Vormann der Strafverfolgungsbehörde auf anderem Wege bekannt geworden ist, daß ferner der gedachte Nachweis nicht ein gegen den Nachmann schwebendes . zur Vor⸗ aussetzung zu haben braucht, und daß ebensowenig die den Nachweis ersetzende Kenntniß der Behörde in einem solchen Verfahren erlangt zu werden braucht.

Empfängt jemand von einem Diebe eine gestoblene Sache zum Verkauf mit der Weisung, den Kaufpreis an den Auftraggeber (den Dieb) abzuliefern und führt er den Verkauf zu einem höheren Preise aus, als er sodann als angeblich empfangenen Kauspreis dem Diebe abliefert, so ist er, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 14. November 1893, wegen Be⸗ truges zu bestrafen.

sunst und Wissenschaft.

L— Kunstgeschichtliche Gesellschaft. Ordentliche Monats⸗ sitzung am 23. Februar im „Kaiserhof.“ Herr Dr. Ludwig Kaemm erer machte Mittheilung über einen Bildniß fund im Königlichen Kupferstichkabknet.“ Im Berliner Kahinet befindet sich eine der lombardischen Schule angehörende Bildnißzeichnung eines Mannes in

ereifteren Jahren, dessen Persönlichkeit bisher nicht festgestellt werden onnte. Der Vortragende wies nun nach, daß dieses Bildniß voll⸗ kommen übereinstimmt mit einer im Königlichen Münzkabinet auf— bewahrten Medaille, sowie mit mehreren Holzschnitten und einem im Besitze Firmin⸗Didot's befindlichen Kupferstich, die alle durch In⸗ schriften beglaubigte Porträts des berühmten venetianischen Druckers und Verlegers Aldo Pio Manuzio sind. Die genannte Medaille bildet die Vorlage für die Berliner Zeichnung, und dicse wiederum ist, von der Natur etwas retouchiert, der Archetyp für die Holzschnitte und Kupferstiche, welche die Zeichnung im Gegensinne wiedergeben. In Verbindung mit diesen beglaubigten Bildnissen des Aldo Manuzio brachte sodann der Vortragende einen alten italienischen Holzschnitt des Königlichen Kupferstichkabinets, der, vom Geheimen Regierungs⸗Rath Dr. Fr. Lippmann im Jahrbuch der Museen 1884 publiziert, durch seine ungewöhnliche Technik bemerkens— werth ist. Er ist offenbar in der Absicht angefertigt, eine Sepia⸗ zeichnungs-Vorlage zu imitieren. Der Vortragende suchte zu beweisen, daß wir hier einen frühen Versuch des Farbendrucks, des Drucks mit mehreren Platten, vor uns haben. Dieser Holzschnitt nun stellt wie die Vergleichung mit den beglaubigten Bildnissen des Manutius und mit der oben genannten Berliner Zeichnung ergiebt ebenfalls diesen Mann dar, nur in etwas jüngerem Alter, vielleicht in der Mitte der dreißiger Jahre. Es ergiebt sich daraus, daß wir unseren Holzschnitt um das Jahr 1485 anzusetzen haben werden. Aldus Manutius, dessen Lebens—⸗ lauf der Vortragende eingehend darlegte, befand sich in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts in Carpi. Bekannt sind seine viel⸗ fachen Verbindungen mit Küßstlern, die er für seine typographischen Zwecke , wußte, so Francesco Francia, Giulio Campagnola und andere. In Carpi wirkte nun eben zu jener Zeit, in welcher Manutius dort ansäfsig war, der Holzschneider Ugo da Carpi, der Erfinder des Helldunkelholzschnitts. Einem Experimentator, wie Ugo da Carpi liegt es nahe, ähnliche Versuche, wie der ist, der uns in dem Berliner Holzschnitt vorliegt, zuzutrauen. Ugo da Carpi, der später in Venedig seine Erfindung des Farbendrucks privilegieren ließ, stand mit Typographen mehrfach in enger Verbindung, er selbst schnitt Vorlagen für Schriftcharaktere. Es kann also recht wohl an— . werden, daß er in Beziehung zu Aldo Manuzio ge— treten ist.

Herr Dr. Hugo von Tschu di legte die unlängst erschienenen Studien von Wauters über Memling vor und unterzog sie einer eingehenden Kritik. Die deutsche Herkunft dieses hervorragenden Malers des 15. Jahrhunderts, welche schon früher mehrfach vermuthet wurde, ist nunmehr durch archivalische Forschungen festgestellt. Dankenswerth sind Wauters' daran geknüpfte Ausführungen, das Städtchen Mümlingen oberhalb Aschaffenburg als Geburtsort unseres Meisters nachzuweisen. Weniger befriedigend, als diese Seite seiner Arbeit, sind die eigentlichen kunsthistorischen und stilkritischen Folge⸗ rungen, zu denen Wauters in diesen vorbereitenden Studien gelangt. Fast durchweg lassen sie Feinheit und Richtigkeit des Urtheils, sowie Strenge der Beweisführung vermissen, wie sich aus den vielen falschen Zuschreibungen und der mangelhaften . der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur 4 Der in Aussicht gestellten Mono⸗ graphie Wauters' über Memling sehen wir mit nicht sehr hoch ge— stimmten Erwartungen entgegen.

Herr Dr. Jaro Springer hielt einen Vortrag über den Maler und Radierer Herkules Seghers. Von seinem Leben ist außer⸗ ordentlich wenig bekannt. Vor einer Generation glaubte man mehr über ihn zu wissen. Die heutige Forschung hat auch dieses Künstler— leben der üblichen Anekdoten entkleidet. Um 1620 sollte er geboren sein er war damals aber schon etwa 30 Jahre alt; ein Schüler Rembrandt's sollte er gewesen sein in Wahrheit ist Rembrandt auf dem Gebiete der Landschaft sein Nachfolger gewesen. Aktenstücke, die de Roever in der Zeitschrift Oud⸗Holland“ veröffentlichte, legen die Annahme nahe, daß Seghers in den achtziger Jahren des 16. Jahr⸗ hunderts geboren wurde, bei Gillis van Conincxlog in Amsterdam seine Kunst erlernte und von 1607 ab selbständig thätig war. Die Vermuthung, Daniel Seghers, der bekannte Blumenmaler, sei sein jüngerer Bruder gewesen, entbehrt der Wahrscheinlichkeit. Von Herkules Seghers haben sich bloß drei Gemälde erhalten: zwei davon besitzt die Berliner Königliche Gemäldegalerie, das dritte be— findet sich in den Uffizien zu Florenz. Ueberaus selten sind auch die Zeichnungen dieses Meisters, von denen das Berliner Kabinet und das Ryks⸗Prenten⸗Kabinet zu Amsterdam charafteristische Beispiele aufzuweisen vermag. Wichtig ist Seghers namentlich durch seine Vadierungen, die sich nur, in wenigen Sammlungen befinden. Frensel im Kunstblatt zählte deren 20, Nagler im Kunst— lexikon ebensoviel. Der Vortragende, der seit Jahren mit einer Monographie über Seghers beschäftigt ist, hat an 60 Num⸗ mern aufgefunden, in etwa 150 Exemplaren. Viele davon sind Unica. Man nimmt an, daß Seghers Italien bereiste und die Alpen kennen lernte: man schließt das aus dem Charakter der Land⸗ schaften, die er darstellt. Daneben kultiviert Seghers die flachen Landschaften seiner eigenen Heimath. Eigenthümlich ist die stecherische Technik, in der Seghers arbeitet. Besonders seine farbigen Radie—⸗ rungen nehmen unser Interesse in Anspruch. Die Herstellung des Farbendrucks mit mehreren Platten kennt er noch nicht, er kann also nicht als der Erfinder des Farbendrucks bezeichnet werden. Seghers druckt seine gewöhnlich sehr tief geätzten Platten in schwarz, grün oder blau, immer aber nur in einer Farbe. Den fertigen Ab druck hat er dann noch vielfach mit dem Pinsel übergangen, so ist der Vordergrund gern dunkel gefärbt oder im Hintergrund ein blauer Höhenzug angebracht worden. Ob er gelegentlich auch, wie Ph. von der Kellen behauptet, die auf, die gewöhnliche Weise eingefärbte und gewischte Platte mit dem Pinsel eingetuscht habe, bleibt fraglich; jedenfalls ist dieses Verfahren, mittels einer Platte Farbendruck her⸗ zustellen, bei ern. noch nicht ausgebildet. Einen be— sonderen farbigen Reiz verschafft er seinen Radierungen viel⸗ sach noch dadurch, daß er sie auf, grundiertes und in verschiedenen Tönen gefärbtes Papier oder Leinewand abdruckt. Eine Anekdote behauptet, seine i habe Klage darüber geführt, daß er auf diese Weise alle verfügbare Wäsche im Hause bedruckt und sie dann nicht die Mittel gehabt habe, für neue Leinewand für den Haus⸗ gebrauch sorgen zu können. Seghers geht in der freien Art der Auf— fassung der Landschaft weit über Coninexloo hinaus; er hat alles Konventionelle abgestreift und ist darin ein wichtiger Vorläufer Rembrandt's.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Saatenstand in Serbien. Da infolge des warmen Wetters zu Anfang dieses Monats der

Schnee vollständig geschmolzen und darauf starker Frost eingetreten ist, so haben sich die Ernte⸗Aussichten wesentlich verschlechtert. Saatenstand in Norwegen. Im südlichen Norwegen sind die Saaten mit Schnee bedeckt, der,

obgleich stellenweise wenig tief, dieselben bisher vor Schaden bewahrt zu haben scheint.

26 * *

Handel und Gewerbe.

Das russische Finanz⸗Ministerium hat auf Antrag des Departements für Eisenbahnen die Transitbeförderung von Eisenerz von den Zollämtern Peisern, Szczypiorno, Slupce, Praszka und Wieruschow, sowie von dem Nebenzoll⸗ amt Grodzisk und dem Grenzübergangspunkte Podlenschsk aus über Preußen nach dem Zollamt Sosnowice gestattet.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 26. d. M. gestellt 11 455, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In DOberschlesien sind am 24. d. M. geftellt 2526, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wägen. *.

Zwangs-⸗Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin standen am 24. Februar die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Das zur Konkursmasse des Rudolf Sternecker gehörige, im Grundbuch von Weißensee Band 2 Blatt z1 auf den Namen des Stern⸗ ecker eingetragene, zu Weißensee, Berlinerstr. 36 belegene Grundstück; Fläche 34,04 a, Nutzungswerth 120 „; Mindestgebot 314 ; für das Meistgebot von 25 500 ½½ wurde der Bierverleger Leopold Siewert zu ö. Königs⸗Chaussee 18, Ersteher. Das im Grundbuch von Hohen-Schönhausen Band 7 Blatt Nr. 194 auf den Namen des Telegraphenbeamten Carl Müller eingetragene, zu Kolonie Neu⸗Hohen⸗Schönhausen 18. belegene Grundstück; Fläche 7, ol a; Nutzungswerth 212 66; Mindestgebot 150 ; für das Meist⸗ . von 9150 S wurde der Restaurateur Ignatz Antkowiak zu Berlin, Mauerstr. 9, Ersteher.

Liquidationskurse der Berliner Börse für Ende Februar 1894. 3 0ͤ⸗9 Deutsche Reichs-Anleihe 87, 90, 3 Cο. Preuß. Konsols 87 00, 3 0/0. Deutsche Reichs⸗Anleihe u. Preuß. Konsols, gem. Stücke 87, 60, Oesterreichische Kredit⸗Aktien 225,75, Lombarden 48,10, Franzosen 133,R25, Berliner Handelsgesellschaft 133,75, Darmstädter Bank ⸗Aktien 139,50, Deutsche Bank⸗Aktien 169,25, Diskonto⸗ Kommandit-Antheile 191A, 5, Dresdner Bank 140,50, National⸗ bank für Deutschland 110,9, Russische Bank für auswärtigen Handel 9990, Wiener Bank ⸗Verein 130,5, Aachen⸗ Maastricht 62,25, Dortmund-Gronau 119,50, Lübeck-Büchener 114,50, Mainz Ludwigshafener 116350, Marienburg⸗Mlawka 87,50, Ostpreußische Südbahn 91,00, Werrabahn 5600. Böhmische Nordbahn 1654,25, do. Westbahn 188,00, Buschtehrader 223,75, Kanada Pacifie 69,50, Dux⸗Bodenbach —, ö Karl⸗ Ludwigsbahn —, Gotthardbahn 158,75, Italienische Meridional 165,56, do. Mittelmeer 78770, Jura⸗-Simplon 61, 0, Defterr. Nord⸗ westbahn 10700, do. do. Elbethal 121,25, Oesterr. Lokalbahn 102,00, . Henri 67,?5, Russ. Südwestbahn⸗Aktien 76,50, Schweizer

Jentralbahn 120,75, Schweizer Nordostbahn 111,75, Schweizer Union 80,00, Warschau⸗Wiener 23500, Egyptische Anleihe 40l0 unifiz. 104,25, Italienische 509 Rente 75, 00, Mexikaner é / o Anleihe 61,09, do. v. 1890 60, G60, Oesterr. Silberrents Desterr. 1860er Loose 144,809, Russische 40/0 Konsols 101,25, Russische 40/0 1880er Anl. 100,25, Russ. 5 o,o Orient⸗Anl. (II. Emission) 68,75, Russ. 5H 0so Drient⸗-Anl. (III. Emission) 68,75, Türken konv. 23,90, Türken⸗Loose 99,75, Türkische Tabackregie 210,50, do. Zoll⸗Obligat. ——, Un⸗ garische 4 09 Gold⸗Rente 96.10, Ungarische Papier⸗Rente —, Ungarische Kronen Raite 91,75, Bochumer Gußstahl 133,75. Kon solidation 168,00, Dannenbaum 92, 00, Dortmunder Union 60½ Stamm⸗ Prioritäten 62,30, Gelsenkirchen 152.00, Guano 162,75, Hamburg. Packetfahrt⸗Akt. 106,90, Harpener 137,00, Hibernia 12137565, Königs⸗ und Laurahütte 124,ů75, Norddeutscher Lloyd 116,550, Trust Komp. 133,80, Russische Banknoten 21875. Heutiger amtlicher Durchschnitts⸗ kurs für deutsche Fonds und Eisenbahn-AUktien. . Durch⸗ schnittskurs vom 27. d. M. für Oesterr. Noten, Wechsel auf Wien und St. Petersburg.

Verkehr s⸗An stalten.

Der . „Am sterdam“ der Niederländisch⸗Ameri⸗ kanischen Dampfschiffahrts⸗Gesellschaft ist am 25. d. M. in New⸗ York angekommen.

Hamburg, 26. Februar. (W. T. B.) Ham burg⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt⸗Aktien⸗Gesellschaft. Der Postdampfer „Gellert hat gestern Mittag Lizard passiert.

Triest, 26. Februar. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Hungaria!“ ist, von Konstantinopel kommend, gestern früh hier ein⸗ getroffen.

London, 26. Februar. (W. T. B.) Der Union⸗ Dampfer German“ ist am Sonnabend auf der Ausreise von Southampton abgegangen, der Union⸗-Dampfer „Trojan“ auf der Heimreise in Southampton angekommen. Der Castle⸗Dampfer Dunbar Castle“ ist gestern auf der Ausreise bei den Canarischen Inseln angekommen. Der Castle⸗Dampfer Hawarden Castle“ ist am Sonnabend auf der Ausreise von Southampton abgegangen. Der Union⸗Dampfer ‚Scot“ ist heute auf der Heimreise von Madeira abgegangen.

Theater und Musik.

Konzerte. .

Das Konservatorium Klindworth-⸗Scharwenka, an welchem außer den genannten Direktoren noch die Herren Professor H. Genß, Br. Goldschmidt und die Damen Moskowski und Fuhrmann im Gesang, sowie die Herren Leipholz und Dr. Jedlitzka im Klavier⸗ spiel Unterricht ertheilen, gab am Sonnabend mit seinen Eleven in der Sing⸗Akademie ein Konzert, in welchem die Vortragenden mit Rücksicht auf die freilich dem Zuhörer nicht immer bekannt gewordene Zeitdauer des genossenen Unterrichts recht Anerkennenswerthes leisteten. Das Programm enthielt klassische und geschmackooll ge—⸗ wählte moderne Kompositionen, an deren Ausführung sich auch ein gut geschulter Frauenchor betheiligte. .

Die kleine 10 jährige Pianistin Stephanie Steyfi aus Lem— berg, welche sich am Sonntag im Saal Bechstein hören ließ, trug mehrere Klavierstücke von Beethoven, Chopin, Mozart und anderen vor und zeigte darin eine entschieden musikalische Be⸗

abung, doch fehlte dem Vortrag noch das nöthige Verständniß des nhalts der gewählten Piècen, auch waren manche technische Uneben⸗ heiten zu bemerken. Erst nach gründlichem und methodischem Unter— richt dürfte ein ferneres öffentliches Auftreten anzurathen sein. „Das Konzert der Frau Amalie Joachim und ihrer Tochter ö Maxie Joachim, das gestern im Saal der Phil armonie stattfand, hatte schon durch sein sehr interessantes Pro⸗

. eine große Anziehungskraft, wie sich in dem Besuch des ublikums, das Saal, Logen und Orchestertribüne dicht besetzt hatte, erkennen ließ. Duette von Schubert, Cornelius, Schumann, Rubin⸗ stein, Grimm und Dvorak wechselten ab mit Einzelvorträgen mehrerer Lieder von Schubert, Brahms und anderen. Frau Joachim war an diesem Abend ganz besonders gut disponiert; der schmelzende Wohllaut ihrer Stimme und der seelenvolle Ausdruck

setzten alle , ins glänzendste Licht. Daß ihre Tochter dieses berühmte Vorbild wenigstens in Bezug auf den Vortrag noch nicht vollends erreicht hat, wird die einsichts⸗ volle hochbegabte Künstlerin wohl selbst nicht bezweifeln. Unter den mit rauschendem Beifall aufgenommenen Gesängen wurden „Die Schwestern“, Duett von Cornelius, und ein „Volksliedchen“ von Schumann, von Marie Joachim gesungen, auf Wunsch wiederholt. Daß das Künstlerpaar noch außerdem mehrere Zugaben einlegte, ließ seine unermüdliche Kraft und Ausdauer erkennen. Die Klapier⸗ an rn des Herrn Ernst Wolff ist noch ganz besonders lobend zu erwähnen.

6 6 5 e * K.

e