J Elsas Lothringen.
Den Landesausschuß beschäftigte in seiner Sitzung vom 27. v. M. die erste Lesung des Entwurfs einer Gemeinde⸗ Eerdnung. Die Vorlage wurde von dem Staatssekretär von Putt kam er eingebracht und in warmer Weise empfohlen. Aus—⸗ gehend von der Reformbedürftigkeit des bestehenden Gemeinde⸗ rechts und der Nothwendigkeit einer e , . Kodifikation schilderte der 6 als Grundzüge des Entwurfs die Auf⸗ ebung der zu weit gehenden Bevormundung der Gemeinden und der bestehenden Vielschreiberei, sowie die Herbeiführung einer größeren . auf dem Gebiete der Gemelndeverwaltung und schloß nach Hervorhebung der einschneidendsten Einzel⸗ bestimmungen der Vorlage mit der Hoffnung, es werde ge⸗ lingen, eine Einigung über den Entwurf zu erzielen. An der Debatte betheiligten sich die Abgg. Petri, Gunzert und Winterer, von denen die beiden ersteren sich als grundsätzliche Anhänger der vorgeschlagenen Neu⸗ ordnung der Gemeindegesetzgebung bekannten und von den Zugeständnissen der Regierung bezüglich einzelner abzu⸗ ändernder Bestimmungen eine Einigung über den Entwurf erhofften, während der Abg. Winterer diesen in der jetzigen Gestalt als ungnnehmbar bezeichnete. Im einzelnen wandten sich alle drei Abgeordnete gegen die vorgeschlagene Art der Ernennung der Bürgermeister und des Wahlsystems für den Gemeinderath. Den Rednern antwortete der Unter⸗-Staatzz⸗ sekretär von Köller, indem er, nach Bekämpfung der un— richtigen Auffassung ö. Bestimmungen seitens des Abg. Winterer, in eingehender Weise die einzelnen kritisierten Bestim— mungen des Entwurfs beleuchtete, die Bereitwilligkeit der Regierung . einer Einigung betonte und die weitgehenden Befugnisse, ie den Gemeinden gegenüber dem bestehenden Rechtszustande durch den Entwurf verliehen werden, ausführlich schilderte. Was insbesondere die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofs anlangt, so erklärte der Unter⸗-Staatssekretär diefe mangels grundsätzlicher Einwendungen der Regierung lediglich als Finanz- ö von der es zweifelhaft sei, ob sie im gegenwärtigen
Augenblick befriedigend gelöst werden könne.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Wie mehrere Blätter übereinstimmend melden, werden sich die Minister Graf Kälnoky und Graf Wurmbrand dem— nächst nach Bu dapest begeben, um sich mit der ungarischen Regierung über die handelspolitischen Verhandlungen ö Oesterreich-⸗-Ungarn und Rußland zu ver— ständigen. ;
Im Budgetausschuß des Abgeordnetenhauses erklärte gestern, wie W. T. B.“ berichtet, der Handels-Minister Graf . in Beantwortung einer Anfrage über den Stand der Handelsvertrags-Verhandlungen mit Rußland, er müsse sich sehr reserviert verhalten, da die Ver⸗ handlungen erst im Zuge seien; von österreichischungarischer Seite würden die Verhandlungen auf dem Boden der Meistbegünstigung geführt. Rußland habe spezielle Anforderungen gestellt, die eine ein gehendere Erwägung erheischten; die Regierung lege übrigens großes Gewicht auf eine sehr rasche Abschließung der Ver⸗ handlungen. Im weiteren Verlaufe der Sitzung interpellierte der Abg. Klaie den Handels⸗Minister daruͤber, welche Stel— lung dieser bezüglich der Forderung Frankreichs einnehme, . die Vergünstigung der im Handelsvertrag mit
talien enthaltenen Weinzollklausel zu gewähren.
Im ungarischen Unterhause führte gestern der Minister⸗Präsident Hr. Wekerle auf die Interpellation des Abgeordneten Ugron aus, die Nachrichten über eine theilweise Mobilisierung oder über Truppenverschiebungen seien Aus— streuungen, denen gegenüber er auf das entschiedenste erkläre, daß weder von einer Mobilisierung, noch von irgend welcher, neuen Truppendislokation die Rede sei, sowie daß keinerlei Verfügung in dieser Hinsicht ge— troffen und auch keinerlei; derartige Maßnahme in Aussicht genommen sei. (Allgemeine Zustimmung). Die auswärtigen Verhältnisse Ungarns seien zur Zeit derartig, daß die Nothwendigkeit zu solchen Maßnahmen auch in der nächsten Zeit nach menschlichem Ermessen nicht eintreten werde. Er bedauere, daß diese Ausstreuungen in weitere Kreise ge— drungen seien, obschon sie weder in den auswärtigen Be— ziehungen Ungarns noch in dem wirthschaftlichen Leben des Landes größere Aufregung hervorgerufen hätten. (Allgemeine lebhafte k. Der Abg. Ugron erklärte, er nehme von der Erwiderung des Minister⸗Praͤsidenten, die vollkommen befriedigend und beruhigend sei, Kenniniß.
Das Leichenbegäng niß des verstorbenen Bürger— meisters Dr. Prix fand gestern Nachmittag in der feier— lichsten Weise statt. Der Dompropst Marschall nahm in dem mit Trauerabzeichen geschmückten Rathhaufe die Einsegnun der Leiche vor, worauf sich der imposante Trauerzug durch die von einer dichtgedrängten Menschenmenge besetzten Straßen nach dem Stefansdom bewegte. Hier erwarteten der Fürst⸗Erzbischof Gruscha, der Minister-Präsident Fürst Windischgrätz, der General⸗Adjutant des Kaisers General Bolfras, der Minister des Auswärtigen Graf Kalnoky, der Reichs⸗Kriegs— Minister von Kriegshammer, der Handels-Minister Graf Wurm— brand, der Landesvertheidigungs⸗-Minister Graf Welsersheimb, der Admiral Freiherr von Sterneck, der Chef des General— stabs JZ3M. Freiherr von Beck, der Korps⸗-Kommandant Frei⸗ herr von Schoenfeld, ferner die Generalität und die Präsidien des Abgeordnetenhauses und des Landtags die Leiche, die von dem Erzbischof Angerer nochmals eingesegnet wurde. Auf dem Zentralfriedhof hielt der Vize⸗Bürgermeister Gruebl am Grabe die Trauerrede. Außerdem sprachen noch der Präsident der Advolatenkammer Dr. von Muendel und namens der Freunde des Verstorbenen der Advokat Dr. Kunwald.
Großbritannien und Irland.
Die Königin empfing gestern Nachmittag den Premier— Minister Gladstone im Buckingham-Palast. Wie das Reuter'sche Bureau“ erfährt, habe Gladstone bei dieser Lludlenz nicht seine Entlassung eingereicht, es habe sich nur um das legislative Programm der nächsten parlamentarischen Session gehandelt. Am 13. März gedenkt die Königin ihre Reise . lorenz anzutreten.
Das Oberhaus nahm gestern die vom Unterhause zur Kirchspielragths⸗-Bill beschlossenen Abänderungen mit den von Lord Salisbury beantragten Modifikationen an, sodaß die Vorlage an das Unterhaus zurückgehen muß. Die Regierung hatte die Modifikationen bekaͤmpft.
Frankreich. Der Minister des Auswärtigen Casimir Périer hat einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge nach Berathschlagung
mit dem Comité für die auswärtigen Angelegenheiten und Anhörung des Grafen d' Aunay ein Dekret unterzeichnet, wodurch der letztere, früher Gesandter in . Kopenhagen, seiner Stellung enthoben wird. Graf d 'Aunay hat nun in einem an die Agence Havas“ gerichteten Schreiben Protest gegen seine Amtsenthebung eingelegt, indem er darlegt, er sei nicht der Urheber eines im Figaro“ veröffentlichten Artikels über den früheren Marine⸗Attachs in Kopenhagen Beauchamp, dem darin vorgeworfen wurde, im Einverstaͤndniß mit dem Elysée, ohne Vorwissen des Gesandten, sich mit der Prinzessin Waldemar von Dänemark, geborenen Prinzessin von Orleans, in Verbindung gesetzt zu haben, um durch sie einen Einfluß auf den Kaiser von Rußland aus⸗ zuüben. Graf d'Aunay erklärt, an den Staatsrnth appellieren zu wollen. — Der „Figaro“ erklärt gleichfalls auf das entschiedenste, Graf dAunay sei nicht Urheber der den früheren Marine⸗Attachs betreffenden Mittheilungen.
In der gestrigen Sitzung der Armeekommission ver⸗ theidigten die Deputirten für Haute⸗Savoie ihren Antrag auf Bildung von zwei Bataillonen Alpenjägern in Chablais und
aucigny. Der Kriegs⸗Minister General Mercier erwiderte, . habe an dieser Grenze alles, was nothwendig sei, um jeder Eyentualität die Spitze i bieten. Niemand könne dort einer Mobilisierung Schwierigkeiten bereiten, welche sich daselbst ebenso wie auf anderen Punkten des Landes voll⸗ ziehen würde. p,, ⸗
Die äußerste Linke hat, wie die Köln. Ztg.“ erfährt, gestern beschlofsen, daß Pelletan am Sonnabend die Ange⸗ legenheit des Kammer⸗Präsidenten Dupuy und die Unter⸗ stützung des Journals „Cocarde“ in der Deputirtenkammer zur Sprache bringen solle. ö.
Das Panzerschiff „Jemappes“, das Schießversuche ge⸗ macht hatte, mußte nach einer Meldung aus Bre st gestern wegen Beschädigungen seiner Maschine in den Hafen zurück— kehren. — Der Kreuzer „Coetlogon“, an dessen Maschinen seit zwei Jahren Nepcigturarbelten vorgenommen werden, machte gestern eine Probefahrt, wobei sich die Nothwendigkeit abermaliger Reparaturen herausstellte. — Das neue Panzer⸗ schiff Du puny de LSme“ muß andere Kessel erhalten.
Gestern Vormittag sind in Paris neun weitere Ver⸗ haftungen von Anarchisten vorgenommen worden.
Rußland.
Nach dem gestern Abend 5 Uhr ausgegebenen Bulletin hatte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Minister des Auswärtigen von Giers innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden ungefähr neun Stunden Schlaf. Die Herzthätigkeit verbessert sich, Puls 70 bis 89, die Herzbeklemmungen sind seltener und schwächer, das Allgemeinbefinden ist besser.
Italien.
Der Senat verweigerte gestern, wie W. T. B.“ meldet, in geheimer Sitzung, die durch das Kabinet Giolitti erfolgte Ernennung der neuen Senatoren Colucci, Pellegrino und Olivieri für gültig zu erklären. . ;
Die Deputirtenkammer setzte gestern die Berathung über die innere Politik fort. Der Deputirte Spirito begründete seine Interpellation über die Absichten der Re⸗ eng hinsichtlich der Aufrechterhaltung des Be⸗
ggerungszustandes auf Sizilien und in der Provinz Massa⸗Carrara. Darauf entwickelte der Deputirte Farina seine Interpellation über die Maßnahmen zur Beseitigung der Ursachen von weiteren Unruhen in Sizilien. Hierauf nahm unter allgemeiner Aufmerksamkeit der Minister— . Crispi das Wort und erklärte, er werde zur Sache sprechen und Personen nicht berühren, außer wenn der Gegen⸗ stand dies nothwendigerweise erfordern sollte. Man habe die Bourgeoisie in düsteren Farben gemalt und doch sei sie es, der das Volk es verdanke, daß es heute eine Vertretung habe. Allerdings habe die Bourgeoisie unrecht daran gethan, die Schulen zu vermehren, ohne auf die Erziehung der niederen Volksschichten Bedacht zu nehmen. Das soziale Problem be— dürfe einer Lösung, aber nicht derjenigen, welche die Agitatoren den Massen predigten. Seit der Freimachung des Eigenthums und der Aufhebung der Fideikommisse ständen die Eigenthümer kraft eines legitimen Rechts im Befitze, jetzt aber erhebe man das Beraubungsrecht zur Wissenschaft, und die Versuche, diese Theorien zu verwirklichen, streiften hart an Verbrechen. Den Boden zur Verbreitung dieser Lehren habe man schlecht gewählt, denn auf Sizilien herrsche ein stark entwickeltes Gefühl für das Eigenthum und die Familie; ein Blick auf die Gemeinden, in denen die Un— ruhe ausgebrochen seien, genüge, um sich davon zu überzeugen, daß letz tere nicht durch Noth veranlaßt worden seien. In der Provinz Trapani und den Gemeinden der Provinz Palermo, in denen die Ruhestörungen vorgekommen, herrsche geradezu Wohlhabenheit. Die Bewegungen in Sizilien seien durch Verschwörungen verursacht worden, welche die größten Uebel herbeigeführt haben würden, wenn die Re⸗ gierung ihnen nicht entgegengetreten wäre. Die Fasci di lavo- ratori hätten ihre Wirksamkeit im Jahre 1891 begonnen und anfangs den Anschein erweckt, eine wohlthätige Einrichtung zu sein. Im Jahre 1892 sei in Palermo eine nationale Äus⸗ stellung abgehalten worden; damals seien festländische Arbeiter nach Sizilien gekommen, welche die Ansteckung ins Land ge⸗ bracht hätten. Seit jener Zeit habe mit Hilfe von Kongressen und auf Anstiftung von im Auslande befindlichen Revolutionären thatsächlich die revolutionäre Organisation ihren Anfang ge—⸗ nommen. Es habe damals 166 Fasci mit 289 000 Mitgliedern ge⸗ gegeben; deren Führer hätten erklärt, daß sie ihr Vertrauen nicht in die Thätigkeit des Parlaments, sondern auf die Revolution setzten. Der Minister⸗-Präsident verlas einzelne Stellen aus , Briefen, aus denen dies hervorgeht. Man habe es auch versucht, sich mit einigen klerikalen Vereinen des Festlandes ins Einverständniß zu setzen; wofür schlagende Be⸗ weise vorhanden seien. Die letzteren Beschlüsse seien von einer in Marseille abgehaltenen Versammlung gefaßt worden, wo⸗ lbst verkündigt worden sei, daß ein neuer Garibaldi der Anarchie sich nach Palermo begeben werde, es solle bestimmt die Insurrektion gegen Mitte Februar ins Werk gesetzt werden. Da man jedoch später das Einschreiten der Regierung besorgt habe, so habe man beschlossen, die aufrührerische Bewegung früher beginnen zu lassen, und wenn es auch einen 4. April gebe, an dem kein neuer Garibaldi oder seine An— hänger theilnehmen würden. (Heiterkeit) Man habe den Bauern für 1894 eine Theilung der Grundstücke versprochen und auch darauf gerechnet, daß in diesem Jahre ein Krieg mit Hilfe Rußlands ausbrechen werde, welchem letzteren man einen Hafen abzutreten gesonnen sei. (Sensation . Um darzulegen, welchen Charakter die Bewegung gehabt habe,
verlas Crispi eine in einer Gemeinde veröffentlichte Pro⸗ klamation, worin es heißt: „Arbeiter! Söhne der Vesper! Schlaft ihr noch? Ziehen wir zum Gefängniß, um die Gefangenen zu befreien! Tod dem König! Tod den Beamten! Nieder mit den Taxen! Brand der Mairie und dem Ziyilkasino! . Wenn die Glocken läuten, werden wir nach dem Schloß ziehen, denn alles ist für die Freiheit bereit! Achtung auf das Signal!“ (Große Bewegung.) Der Sozialist w fragte, ob das Manifest eine Unterschrift trage.
er Minister⸗Präsident Crispi erwiderte darauf: „Sehr bedeu⸗ tend“ (lebhafte Heiterkeit) und fuhr fort: „In der Provinz Massa— Carrara brach die Revolution in allen ihren Formen aus und auch hier wie in Sizilien mußte der Belagerungszustand erklärt werden. Der Minister-Präsident vertheidigte darauf mit zahl⸗ reichen Beweisgründen die Verhän ung des Belagerungszustandes, der die Sicherheit für eine energische Intervention der Regierung zur Verhinderung weiterer Tumulte gegeben habe. Der Be lagerungszustand sei von der großen Mehrheit der Bevölke— rung mit lebhafter Zustimmung aufgenommen worden. So⸗ dann vertheidigte der Minister-Präsident die Gesetzlichkeit des Belagerungszustands und erklärte, es gebe über der Verfassung noch ein höheres Gesetz, nämlich jenes, das den Völkern das Recht gebe, ihre Existenz zu vertheidigen. (Bewegung.) Der Belagerungszustand sei politisch und rechtlich vollkommen ge⸗ rechtfertigt gewesen. Der Minister⸗Präsident wies sodann die Ge⸗ setzlichkeit der Verhaftung De Felice-⸗Giuffrida's nach, fragte, ob eine agrarische Frage auf Sizilien überhaupt existiere und ob auf Sizilien, solches Ewlend herrsche, wie mehrere Redner es geschildert hätten, und erklärte, daß die Verhäͤltnisse Siziliens von jenen anderer Theile Italiens nicht verschieden seien. Den Bedürfnissen der Arbeiterklassen werde man durch soziale Gesetze, die für ganz Italien Geltung haben würden, Rechnung tragen. Die Regierung, wolle behufs Hilfe⸗ leistung für Sizilien sogar Latifundien ankaufen und diese unter die Bauern vertheilen. Um die Ungerechtigkeit zu beseitigen, die in den kommunalen Verwaltungen besonders im Steusrwesen begangen würden, werde er bei der Kammer die Schaffung einer Behörde beantragen, die speziell mit der Auftheilung der Steuern betraut werden solle. Der Minister⸗ Präsident bemerkte dann, gegen Cavallotti gewendet: Derjenige, welcher liebt, fürchtet auch; er (Crispi)h liebe das Vaterland sehr, deswegen fürchte er, es bedroht zu sehen. (Lebhafter Beifall Am Schluß seiner Rede hob der Minister— Präsident noch hervor, Italien bedürfe der Konsolidierung und Festigung, dazu sei jedoch Zeit nethwendig. Er bitte das Haus, ihm in seinem Programm zu folgen. „Schließen wir uns enge an den Konig, das Symbol der Einheit an; er sei unser Hort! Ich sage dies heute, wie ich es 1864 gesagt habe; nur die Monarchie bezeichnet die Einheit und die Zukunft des Vaterlandes. (Sehr richtig.) In diesem Glauben, welcher der Glaube des Vaterlandes ist, müssen wir die Gefahren vermeiden, die innern und äußern Feinde be— kämpfen und Italien zu jener Größe erheben, die wir an— gestrebt haben und ohne welche wir nicht bestehen könnten.“ (anganhaltender, lebhafter Beifall) Hierauf vertheidigte der Justiz⸗Minist er die Gesetzlichkeit und Verfassungsmäͤßigkeit des Belagerungszustandes, sowie die Einhaltung desselben und die Einsetzung der Kriegsgerichte. Sodann wurde die Sitzung geschbsfse .
Die Parlaments⸗Kommission beschloß gestern, in der Deputirtenkammer die Ermächtigung zur gerichtlichen Verfolgung des Deputirten De Felice-Giuffrida und die Aufrechterhaltung der Haft desselben zu be— antragen.
Der Gesetzentwurf, den Crispi der Kammer wegen der Vollmachten für die Regierung zur Durchführung der Verwaltungsreform vorgelegt hat, besteht, dem „Hann. Cdur.“ zufolge, aus drei Artikeln mit folgendem Wortlaut:
Art. J. Zum Zwecke der Umgestaltung des Staatsdienstes, der Vereinfachung der Geschäfte, der Verminderung der Militär. und Zivilbehörden und der Herabsetzung der Kosten wird der König unter Berantwortlichkeit seiner Minister mit unumschränkter Vollmacht bis zum 31. Dezember des laufenden Jahres betraut.
Art; 2. Die Königliche Regierung wird bei der Durchführung der erwähnten Reformen von einer Kommission unterstützt werden, welche aus fünf Senatoren, fünf Abgeordneten und fünf hom König ernannten Staatsbeamten bestehen wird.
Artikel 3. Bei der Wiedereröffnung des Parlaments im Januar 1895 wird die Königliche Regierung der Volksvertretung Rechenschaft über den Gebrauch ablegen, welchen sie von der ihr durch das gegen— wärtige Gesetz übertragenen Machtbefugniß gemacht hat.
Der Admiral Brin, der ehemalige Minister des Aus— wärtigen, ist nach der „Köln. Ztg.“ an einem Herzleiden nicht unbedenklich erkrankt.
Spanien.
In Madrid eingetroffenen Nachrichten aus Melillg zu⸗ folge haben die Kabylen am 25. Februar den Angriff auf die Fahrzeuge der spanischen Fischer erneuert, sodaß diese nach Mella zurückkehren mußten.
Schweiz. Das schweizerische Generalstabsbureau hat nach der „Köln. Ztg.“ an die Bundesregierung eine Denkschrift gerichtet, worin es die Schaffung eines Luftschifferpar ks verlangt, der von , 37 Luftschiffern und 33 Mann Train bedient werden soll.
Türkei.
Der „Agence de Constantinople“ zufolge entbehren die Meldungen der Blätter über angebliche Ruh estörungen im Hedschas und die Entsendung Ssman Nuri Pascha's dorthin jeglicher Begründung. Letzterer befinde sich auf seinem Gouverneurposten in Aleppo.
Rumänien.
Der deutsche Gesandte Graf Leyden wurde, wie „W. T. B.“ meldet, gestern vom König in Privgtaudienz empfangen und wird in der nächsten Woche sein Beglaubi⸗ gungsschreiben überreichen. . .
Die Kammer genehmigte in ihrer gestrigen Sitzung mit 76 gegen 4 Stimmen den Auslieferungsvertrag mit England.
Schweden und Norwegen.
Der Reichstag hat, wie „W. T. B.“ aus Stockholm berichtet, gestern den Gesetzentwurf angenommen, wodurch die Verfassung ah. abgeändert wird, daß die Zahl der Mitglieder der Ersten Kammer auf 159, die der Zweiten Kammer auf 230 festgesetzt wird, von denen 150 auf dem Lande, 80 in den Städten zu wählen sind.
Der Erste Hof⸗Marschall Graf von Rosen ist gestern gestorben.
Amerika.
Nach einem in Montevideo verbreiteten Gerücht be⸗ schössen die brasilianischen Insurgenten Santos.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die ag. Sitzung des Reichs⸗ tags befindet sich in der Er sten Beilage.
— In der heutigen 60. Sitzung des Reichstags, welcher der Reichskanzler Graf von Caprivi, die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Marschall und
Pr. Graf von Posadowsky, der Königlich preußische
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch und der Königlich preußische Finanz⸗Minister Dr. Miqueᷓ beiwohnten, wurde die erste Berathung des Handels⸗ und Schiffahrtsvertrags zwischen dem Reich und Ruß⸗ land fortgesetzt, und zwar in Verbindung mit der Berathung des Antrags Kardorff wegen Erhebung von Zoll— zuschlägen bei Val utadifferenzen.
Abg. Hartmann (ssüdd. Volksp.) spricht als Vertreter des Klein⸗ bauern und. Hürgerstandes, der in Württemberg hauptsächlich ver⸗ treten sei, sich für den Handelsvertrag aus und nimmt für die Bürger⸗ und Bauern seines Wahlkreises dasselbe Verständniß der eigenen Interessen in Anspruch, wie sie der Bund der Landwirthe und die antisemitische Reformpartei für sich in Anspruch nehmen. Das Treiben des Bundes der Landwirthe finde bei den größeren Landwirthen Württembergs nur Widerspruch, wie eine Erklärung von Landwirthen bezeuge, an deren Spitze der Fürst von Hohenlohe-Langen— burg stehe. Die württembergischen Landwirthe haben nichts dagegen einzuwenden, daß ein Meistbegünstigungsvertrag auch mit Rußland ab—
eschlossen wird, nachdem solche mit anderen Staaten abgeschlossen ad Dadurch werde der Weltmarktpreis nicht alteriert werden und bie kleinen Landwirthe haben bei der Futternoth des letzten Jahres ge— sehen, wie nothwendig die fremde Einfuhr ist. Die füddeutsche Volks— partei wolle die Annahme des Handelsvertrags nicht von der Aufhebung der Staffeltarife abhängig machen, obwohl dieselben Ausnahmetarife sind und eine Schädigung Süddeutschlands herbeiführen können. Die Landwirthe in Württemberg und auch in anderen süddeutschen Staaten besitzen nur kleine Grundstücke; sie können meist Getreide kaum ver— kaufen, das ist nur einigen Wenigen möglich und diesen allein käme der Schutzzoll zu gute. Daß die russischen Produkte uns über den Hals kommen würden, ist schwerlich anzunehmen; die Landwirth— schaft wird einen besseren Absatz haben, wenn die Fabriken besser beschäftigt sind und dle Arbeiter mehr verdienen. Besonders sollte man aber bedenken, daß die Ermäßigung des Hopfen⸗ zolles für die Einfuhr nach Rußland ein großer Vortheil für die kleinen Landwirthe ist, den man nicht so verächtlich von der Hand weisen sollte, wie es der Abg. Lutz gethan habe. Es foll nicht be— stritten werden, daß auch der württembergische Bauernstand unter dem Druck der Zeit leidet; aber da spielen andere Faktoren eine Rolle als die Handelsberträge, namentlich die große Militärlast, welche die Arbeitskraft der jungen Leute zu lange Zeit der Wirthschaft ent⸗ zieht. Auch das Branntweinsteuergesetz schaͤdigt die Landwirthe Süd— deutschlands, weil ihre Ausbeute bei der Branntweinbrennerei wegen ihrer einfachen Apparate so niedrig ist, daß sie eine Steuer nicht tragen können. Aenderungen auf diesem Gebiet sind viel noth⸗ wendiger als die Doppelwährung und andere Dinge. Die Annahme des Handelsvertrags wird zur Stärkung des Friedens beitragen.
(Bei Schluß des Blattes hat der Abg. Graf von Kanitz das Wort.)
— Das Haus der Abgeordneten setzte in seiner heutigen 25. Sitzung, welcher der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse beiwohnte, die zweite Be—⸗ rathung des Staatshaushalts-Etats für 189495 bei dem Etat des Kul tus⸗-Ministeriums fort.
Die Einnahmen wurden ohne Debatte bewilligt.
Bei den dauernden Aus gaben, und zwar beim „Gehalt des Ministers“, beschwerte sich
Abg. Dr. Bachem (Zentr.) über disparitätische Behandlung der Kathonfen bei Besetzung der höheren Beamtenstellen und über das Gesetz über die kirchliche Vermögensperwaltung, welches gegen den Willen der katholischen Kirche gemacht sei. Der Geist aus der Kulturkampfzeit sei noch nicht ganz geschwunden. Daher komme es auch, daß die Forderung der Katholiken bezüglich konfeffioneller Kirch- höfe nicht erfüllt werde. Wenn man auch behaupte, daß keine Dis— parität bestehe, die Katholiken fühlten sie doch. So habe eine Rieder— lassung von Diagkonissinnen zehn Monate auf Bestätigung warten müssen. Aehnliche Klagen beständen über die Beauf' sichtigung der Vermögensverwaltung der Orden. Eine ganze Reihe katholischer Kirchen befänden sich noch in Haͤnden altkatholischer Gemeinden, die zehnmal schwächer seien als die katholischen Gemeinden an den betreffenden Orten. Auch der Ctat zeige die Ungerechtigkeit gegen die katholische Kirche; die Gehalts sätze der eye gel chen Pfarrer rechnen von der Ordination, die der katholischen Geistlichen erst vom Eintritt ins Pfarramt ab, der oft 10 bis 12 Jahre nach der Ordination erst erfolge. Allgemein seien die katholischen Geistlichen geringer besoldet aks die evangelischen. Bei allen anderen Beamten mache man im Wohnungsgeld⸗ zuschu keinen Unterschied zwischen verheiratheten und Unper— heiratheten, auch nicht bei den Militär⸗Geistlichen, aber die übrigen, katholischen, Geistlichen bekämen einen geringeren de h n ne, n f. weil, sie unverheirathet seien. Die Guter der katholischen Kirche feien säkularisiert und befänden sich in den Händen des Staats; bei der evangelischen Kirche sei das nicht annähernd in demsesben Maße der Fall. Die Aufwendungen des Staats für die evangelische Kirche seien gewaltig gestiegen, für die katholische nur um ganz geringe Summen. An Neuausgaben für evangelische Kirchenzwecke enthalte der Etat 44990 *, für katholische nur über 2000 6½ Das Zentrum habe bereit⸗ willigst die 19 Millionen für den protestantischen Dombau bewilligt ( Zuruf im Zentrum: Leider), das nicht geringere Bedürfniß von katholischen Kirchen in Berlin werde nicht befriedigt. Und doch gehöre das zu den besten Mitteln gegen die Sozialdemokratie. Aus den Dispositions⸗ sonds müsse die katholische Kirche mehr Zuwendungen fordern. Die latholischen Missionspfarreien seien schlechter befoldet als die Pfarreien der evangelischen Missionspereine, obwohl beide denselben Charakter haben. Die Ausführung des Jesuitengesetzes durch preußische Organe, entspreche nicht dem Gefft diefes Gesetzes, wenn man sogar rein, wissenschaftliche Vorträge gegen den Sofälsömus verbiete, nur weil die Vortragenden Jesuiten . Bei den Zuschüssen an Geist⸗ liche für Badereisen frage man nicht nach den Vermögenzumstanden, sondern der politischen Etch des Betreffenden. Auf dem Unter⸗ richtsgebiet herrsche dieselbe Disparität, wenigstens eine katholische Un iversität sollte man bewilligen; protestankische Gymnasten und Schulen übernehme der Staat, katholische nicht. In katholischen Landestheilen, wie z. B. Westpreußen, vernachläffige man die Errich= tung neuer Volkeschulen. Die evangelischen Geistlichen betraue man mit der Schulinspektion, den katholischen entziehe man fie ja vielfach werde die Lolal-Schulinspektion über katholische Schulen von epan— gelischen Geistlichen ausgeübt und in einem Fall von einem alt— katholischen Geistlichen. Kreis⸗Schulinspektoren im Nebenamt seien 845 evangelische Geistliche, aber noch nicht 50 katholische. Könne es eine he Disparität geben? Die katholischen Geistlichen würden dieses Amt mit derselhen Liebe und demselben Eifer verwalten wie die evangelischen. Bei den Reglerungen fungiere nicht ein einziger katholischer Regierungs⸗Rath für Schulangelegenheiten.
An den Kultus, Minister selbst hätten die Katholiken nichts auszusetzen, ze kämen ihm mit Vertrauen entgegen, aber seine Beiräthe im
inisterium für katholische Angelegenheiten müßten Katholiken sein. Redner giebt eine Uebersicht über die Besetzung der höheren Beamten⸗ stellen in den überwiegend katholischen Provinzen: Rheinprovinz, Westfalen, Schlesien, Posen, Westprerßen, zum Beweis, daß die katholischen Beamten völlig unter der Zahl der evangeli— schen, verschwaͤnden. In Posen beginne Tie Vertretung des latholischen Elements. überhaupt erst beim Kreisfekretär. Eine solche Disparität sei nur 2*raus zu erklären, daß die höchsten entscheidenden Behörden nur mit Protestanten besetzt seien; aber es müsse Abhilfe geschaffen werden, die katholische Kirche habe ein Recht, dies zu, verlangen. Von der Regierung müffe man den staattz= männischen Blich verlangen, daß . die Nothwendigkeit einer Ver⸗ tretung des katholischen Polksgeistes in der Regierung einsehe, denn das Vertrauen zwischen der Rezierung und dem katholischen Volk könne nur hierdurch hergestellt werden. Bei den Amtsrichtern finde man eine der katholischen Bevölkerungszahl entsprechende Anzahl Katholiken, bei den Amtsgerichts, Räthen sei e schon anderg, und je höher es hinauf⸗ gehe, desto mehr verschwänden die Katholiken. Kein katholischer Schulmann könne höher aufsteigen als bis zum Regierungs⸗Rath, es gäbe keinen katho⸗ lischen Ober Regierungs⸗ Rath im Schulfach. All das könne nur ge— bessert werden, wenn die katholische Abtheilung im Ministerium, die sich früher wohl bewährt habe, wieder errichtet werde. Die Katholiken seien gerade so hingebend an den Staat, gerade so patriotisch wie die Evangelischen. Beide seien darauf angewiesen, Hand in Hand zu gehen zum Besten des Vaterlandes.
(Bei Schluß des Blattes spricht der Staats ⸗Minister Dr. Bosse.)
— Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderun 9g des Zolltarifgesetzes vom 15. Juli 1879 (Aufhebung des Identitätsnachweises), ist dem Reichstag in folgender, vom Bundes⸗ rath beschlossenen Form zugegangen:
Die Vorschriffken in 57 Ziffer 1, 3 und 4 des Zolltarifgesetzes vom 15. Juli 1879 (Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 24. r J Reicht⸗Gesetzblatt S. 111) werden durch folgende Bestimmungen ersetzt:
1) Bei der Ausfuhr von Weizen, Roggen, Hafer, Hülsenfrüchten und Gerste aus dem freien Verkehr des fig werden, wenn die ausgeführte Menge wenigstens 500 Kg beträgt, auf Antrag des Waarenführers Bescheinigungen (Einfuhrscheine) ertheilt, wesche den Inhaber berechtigen, innerhalb einer hom Bundesrath auf längstens sechs Monate zu bemessenden Frist eine dem Zollwerth der Einfuhr⸗ scheine entsprechende Menge der nämlichen Waarengattung ohne Zoll⸗ entrichtung einzuführen. Abfertigungen zur Ausfuhr mit dem Anspruch auf Ertheilung von Einfuhrscheinen finden nur bei den vom Bundes rath zu bestimmenden Zollstellen statt.
Für die vorbezeichneten Waaren, wenn sie ausschließlich zum Absatz in das Zollausland bestimmt sind, werden Transitlager ohne amtlichen Mitverschluß, in welchen die Behandlung und Umpackung der, gelagerten Waaren uneingeschränkt und ohne Anmeldung und die Mischung derselben mit inländischer Waare zulässig ist, mit der Maß⸗ gabe bewilligt, daß die zur Ausfuhr abgefertigten Wagrenmengen, soweit sie den jeweiligen Lagerbestand an ausländischer Waare nicht überschreiten, von diesem Bestande abzuschreiben, im Übrigen aber als inländische Waaren zu behandeln sind.
Für Waaren der bezeichneten Art, welche zum Absatz entweder in das Zollausland, oder in das Zollinland bestimmt sind, können solche Lager mit der ferneren Maßgabe bewilligt werden, daß die aus dem Lager zum Eingang in den freien Verkehr des Zollinlands ab— gefertigen Wagrenmengen, soweit sie den jeweiligen Lagerbestand an inländischer Waare nicht übersteigen, von diesem Bestande zollfrei ab— zuschreiben, im übrigen aber als ausländische Waaren zu be⸗ handeln sind.
Im Sinne der vorstehenden Bestimmungen steht die Aufnahme in eine öffentliche Niederlage oder in ein Transitlager unter amtlichem Mitverschluß der Ausfuhr gleich.
3) Den Inhabern von Mühlen oder Mälzereien wird für die Ausfuhr der von ihnen hergestellten Fabrikate eine Erleichterung dahin gewährt, daß ihnen der Eingangszoll für eine der Ausfuhr entsprechende Menge des zur Mühle oder Mälzerei gebrachten ausländischen Ge— treides nachgelassen wird. Der Ausfuhr der Fabrikate steht die Nieder⸗ legung derselben in eine Zollniederlage unter amtlichem Ver— schluß gleich. Ueber das hierbei in Rechnung zu stellende Ausbeute— verhältniß trifft der Bundesrath Bestimmung. Das zur Mühle oder Mälzerei zollamtlich abgefertigte ausländische, sowie auch sonstiges Getreide, wesches in die der Steuerbehörde zur Lagerung des erst— bezeichneten Getreides angemeldeten Räume eingebracht ist, darf in unverarbeitetem Zustande nur mit Genehmigung der Steuerbehörde veräußert werden. Zuwiderhandlungen hiergegen werden mit einer Geldstrafe bis zu ein Tausend Mark geahndet.
Inhabern von Mühlen oder Mälzereien, welchen die vorbezeichnete Erleichterung gewährt ist, werden bei der Ausfuhr ihrer Fabrikate Einfuhrscheine (Ziffer l) über eine entsprechende Getreidemenge ertheilt, sofern sie diese Vergünstigung an Stelle des im Abs. 1 vorgesehenen Erlasseß des Eingangszolls für eine der Ausfuhr entsprechende Menge zur Mühle oder Mälzerei gebrachten ausländischen Getreides be⸗ antragen.
4) Die näheren Anordnungen, insbesondere in Bezug auf die Form der Einfuhrscheine, auf die Beschaffenheit (Mindestqualitäͤt) der mit dem Anspruch auf Ertheilung von Einfuhrscheinen aus— geführten Waaren und auf die an die Lagerinhaber zu stellenden Anforderungen, trifft der Bundesrath.
Derselbe ist ermächtigt, die Verwendung der Einfuhrscheine nach Maßgabe ihres Zollwerths auch zur Begleichung von Zollgefällen für andere als die in Ziffer J! genannten Waaren unter den von ihm festzusetzenden Bedingungen zu gestatten. ö
Dieses Gesetz tritt am 1894 in Kraft.
— Die X. Kommission des Reichstags hat den von der Re⸗ gierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des 5 41 der Konkurs ordnung, in unveränderter Form ange— nommen.
Kunst und Wissenschaft.
Der Verein bildender Künstler Münchens“, welcher jetzt den kürzeren Titel ‚Sezession München“ angenommen hat, veranstaltet im laufenden Jahre seine II. Internationale Kunst— ausstellung. Diese findet wiederum in dem Ausstellungspalast des Vereins, an der Prinz-Regentenstraße in München statt; fie wird am 1. Juni eröffnet und Ende Oktober geschlossen werden. Die An⸗ meldung der Kunstwerke hat in zwei gleichlautenden Exemplaren bis 1. Mai an das Bureau des Vereins zu erfolgen. Die Einlieferung muß, spätestens am 15. Mai bewirkt sein. Zugelassen sind Werke lebender Künstler aller Länder aus dem Gebiete der Malerei und Bildhauerei. Ein gleichzeitiges Ausstellen von Kunstwerken in einer anderen Münchener Kunstausstellung ist jedoch unstatthaft. Aus dem Gebiet der zeichnenden Künstler können nur Originalwerke zugelassen werden. Ausgeschlossen bleiben mit Rücksicht auf den vor⸗ handenen Raum architektonische Pläne und Ansichten; ferner Kopien, anonyme Arbeiten und solche Kunstwerke, welche bereits auf einer Münchener Jahres, oder internationalen Ausstellung figuriert haben. Von jedem Künstler können, vorbehaltlich besonderer Verein barung, nur jwei Werke gleicher Gattung ausgestellt werden. Die über die Aufnahme beschließende Jury besteht aus dem Ausschuß des Vereins, der zur Plaeierung der . eine Kommission ernennen wird. Der Ausschuß setzt sich folgendermaßen zusammen: EVorstand: Bruno Piglheln, 1IJ. Vorstand: Hugo Freiherr von Habermann, Schriftführer: Paul Höcker; Mitglieder: Ludwig Dill,
Albert Keller, Wilhelm Keller⸗Reutlingen, Gotthard Kuehl, Arthur Tanghammer, Franz Stuck, Fritz von Uhde, Heinrich Zügel, Bernhard Buttersack, Ludwig Herterich, e We ö ureau⸗Chef: Königlicher wirklicher Fath“ Adolf Panlug. Ile näheren e Dingungen sind aus dem vom „Bureau Sejession r München, . erhältlichen Programm zu ersehen. — Wie es in der Einladung heißt, will die Sejesston sedeg Jahr auf ihrer internationalen Augsstellung ein Bild der jeweiligen Höhe der Kunst in allen Ländern geben und nur das Beste en en, was von zeitgenössischen Künstlern geschaffen wird“. Denn das Inkeresse des kunstsinnigen und kaufenden Publikums könne mur dadurch rege erhalten werden, daß ihm ausgereifte und eigenartige Kunstwerke geboten werden. Auf der vorjährigen Ausstellung, welche 83 Nummern umfaßte, sind von den 724 verkäuflichen Werken 146, also beinahe der fünfte Theil verkauft worden. Von dem alten Brauch der Ver— leihung von Medaillen hat der Verein infolge zahlreicher Kund= gebungen einheimischer und fremder Mitglieder abgesehen.— Außer der oben angekündigten II. internationalen Sommer-Ausstellung ver⸗ anstaltet die Sezession vom 15. März bis Ende April noch eine 6. Aus stellung 1894 (ohne Frachtfreiheit). Diese ist
esonders für die Münchener Mitglieder bestimmt, um ihnen Gelegen⸗ heit zu geben, solche Werke, welche nicht für die Sommer⸗-NRugstellung bestimmt sind oder nach auswärts gesandt werden, vorher in München Auszustellen. Es können aher auch alle anderen Mitglieder daran theilnehmen, welche gewillt sind, die Frachtkosten und sonstige Spesen für ihre Werke selbst zu tragen.
Theater und Musik.
Königliches Schauspielhaus.
Das kleine Lustspiel Sie ist stumm“ von F. Silesius ¶ G. Kruse) das gestern zum ersten Mal aufgeführt wurde, begegnete bei den Zuschauern einer recht beifälligen Aufnahme. Ez handelt sich in dem harmlosen kleinen Stück um einen unbedeutenden Streit zwischen zwei jungen Eheleuten, den der Verfasser scenisch geschickt, wenn auch ohne besondere Originalität, verarbeitet hat. Die junge Frau will nämlich ihren Mann von der schlechten Meinung heilen, die er über das ganze weibliche Geschlecht nach seinen gelegentlichen Bemerkungen besitzen muß; namentlich will sie ihn dadurch, daß sie felbst acht Ta e lang nicht sprechen wird, davon überzeugen, daß die . nicht schwatz haft sind. Es ergeben sich dann durch die unbermuthete Ankunft der Schwiegereltern allerhand kleine Mißverständnisse, da die Magd die junge Frau für stumm!“ hält ; aber natürlich löst sich schließlich alles glücklich und luftig auf. Gespielt wurde von allen Mitwirkenden bortrefflich. Fräulein von May burg erfreute als die junge Frau durch die Frische und Anmuth ihres Wesens und spielte die begeisterte Vertheidigerin ihres Geschlechts sehr geschickt. Fräulein Abich gab ein ländliches Stubenmädchen sehr gefällig und natürlich. Frau Schram m hatte als Schwiegermutter einige sehr komische Worte und Augenblicke. Von den Herren zeichnete sich als junger Ehegatte Herr Arndt und als ein unverheiratheter Freund Herr Hertzer durch launiges Spiel aus.
Lessing⸗Theater.
Oscar Blumenthal's Lustspiel Die große Glocke hat sich gestern bei der Wiederaufnahme in den Spielplan ebenfo unter— haltend und wirkungsvoll gezeigt wie früher. Das Lustspiel ist zwar nicht Träger hochwichtiger . noch dringt es mit seiner Handlung in die Tiefen des Menschenherzens, aber als gesellschaftliche Satire betrachtet, die über die Schwächen und kleinen Intriguen der sogenannten Gesellschaft, lächelnd spottet, kann es einen gewissen literarischen
erth nicht verlieren und wird dauernd feine Wirkung üben. Den heftigen Wettkampf der beiden Frauen, von denen jede ihren Schützling als Sieger aus der Preisbewerbung hervorgehen sehen möchte, hat der Dichter aus der nie dersiegenden Quelle . Ironie und des treffenden Spottes mit fröhlschen Scherzen und scharfen Witzen reichlich ausgestattet und dabei noch so viele kleine unterhaltende Nebenintriguen eingefügt, daß das Lustspiel die 5 schauer bei bester Laune und behaglichfter Stimmung erhält. — Mit der Darstellung konnte man zumeist zufrieden sein. Denn wenn Fräulein Jordan in der Rolle der streitbaren Frau Konsul Gunder⸗ mann den Ansprüchen an Vornehmheit des Wesens und Schärfe des Vortrags, die, man an eine solche gesellschaftlich einflußreiche Dame stellen muß, nicht voll entsprach, fo war dagegen Fräulein Kesfen⸗ hofer als ihre Gegnerin, Baronin von Solden, ganz vorzüglich. Frau von Pöllnitz strahlte im ersten Akt in rührender, glůckseliger Mutterliebe. Die kleinen, koketten Künste Elly's, der zweiten Konsuls⸗ tochter, wurden durch Fräulein El singer's liebenswürdiges Spiel fast zu anmuthig für des Dichters Absichten dargestellt. Bel Fräulein Waldegg (Ottilie) kommt die echte Natur noch nicht immer zu ihrem Recht. Von den Leistungen der Herren sind besonders die der Herren Guthery und Schönfeld hervorzuheben; der erstere gab wie so oft einen harmlosen, etwas einfältigen Pantoffelhelden, den Konsul Gundermann, und der zweite einen kecken fröhlichen Künstler und Liebhaber mit gutem Erfolge. Herrn Precht ler, der den zweiten Liebhaber, Eberhard Wilfried, spielte, fehlt es an Warme und Beseelung des Tons und Freiheit der Bewegungen. In der Rolle eines ältlichen Zeichners, des Martin Murner, leistete Herr Vorwerk Tüchtiges.
Konzerte.
Eine junge, sehr begabte Altistin Fräulein Margarethe Du 89e ließ sich am Montag zum ersten Mal im Sa al Bechstein mit Liedern von Loöwe, Schumann, Brahms, Bungert, Hildach, Schubert und Rubinstein hören. Ihre gut geschulte, in der Viese besonders wohlklingende Stimme, sowie die eingehende und belebte Art des Vortrags brachten die Lieder ganz vortrefflich zur Geltung. Die vollkommene Reinheit der Intonation und die Deutlichkeit der Aussprache sind noch außerdem lobend hervorzuheben. Schubert z Doppelgänger, Löwe's Uhr“, ‚Fluthenreicher Ebro“ und „An den Sonnenschein' von Schumann, ‚Die Asra“ von Rubinstein und die Kartenlegerin von Schumann, welches letztere Lied auf Wunsch wieder holt wurde, erweckten besonderen Beifall im Publikum. Der stets gern gehörte Pianist Herr Felix Dreyschock unterstützte das Konzert durch einige sehr gelungene Klaviervorträge, die gleichfalls wohlverdiente Anerkennung fanden.
Das Konzert, welches Herr Tor Aulin Violine) und 9 Wilhelm Stenhammar Klavier), beide aus Stockholm, vorgestern im Sagal Bechstein veranstalteten, war sowohl durch eine Anzahl werthvoller, hier noch unbekannter Werke der Kammermusik, wie auch durch deren vortreffliche Ausführung von hohem Interesse. Ein Trio für Klavier, Violine und Cello von dem schwedischen Komponisten Franz Berwald (geb. 1796), ein sehr klares und stilboll
ehaltenes Werk, eröffnete den Abend; ihm folgte eine Sonate für Violine „Le tombeau“ betitelt, von dem französischen Komponisten Leelaire (geboren 1697), ein ernstes Werk, das an den Stil Bach's erinnert. Die dritte, in freierem und romantischem Stil gehaltene Komposition, eine Violinsonate, war von Emil Sjögren, einem Schweden. An der Ausführung der Werke nahmen die Konzert= geber unter Mitwirkung des Hof⸗Cellisten Herrn Heinrich Grün⸗ feld theil. Der Pianist erfreute außerdem durch den gediegenen Vor⸗ trag der Bach'schen Toccata (D-dur). Den gesanglichen Theil den Konzerts hatte die Altistin Frau Davida Afzelius übernommen, welche mit sehr starker, in der Tiefe jedoch etwas rauh klingender Stimme Lieder in schwedischer und deutscher Sprache sang und ierin gleich ihren Kunstgenossen sebhaften Beifall errang. Daz Publsfum war leider nicht sehr zahlreich erschienen. . .
Zum Besten der Amerikanischen Kirche fand gestern in der Sin gakademie ein Konzert 66 zu welchem sich die Hof= Dpernsängerin Fräulein Marie Deppe und. die Professoren Emanuel Wirth (Violine) und Ernst Jedliezkg vereinigt hatten. Die beiden Herren begannen mit der Rs dur- Sonate für Piano und Violine von Beethoven, die sie mit musterhafter Präziston und feinsinniger Auffassung ausführten. Außerdem erfreute noch ein