1894 / 52 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 01 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

jeder durch Solovortrãge, die gleich der Sonate mit lebhaftem Beifall auf⸗ genommen wurden. Fräulein Deppe brachte 9 . sym⸗ pathische Sopranstimme sewie ihre seelenvolle ortragsweise in mehreren Liedern von Schubert, Schumann. Giehrl und Grieg, sowie in der Arie Kennst du das Land? aus . Mignon. von Thomas vor-

efflich zur Geltung. Nach , . Dervorruf sang sie noch

Schumann's , und Becker's rühlingolied Daß der Begleiter das schöne Nachspiel der Frü lings nacht“ nicht zu Ende spielte, war nicht zu billigen.

J Gl tn, gab im Saal Bechstein Frau Esperanza Kisch⸗ Schorr aus Liverpool einen Klavierabend. Die Künstlerin, die bereils vor etwa zwei Jahren hier konzertierte, spielte Werke von Bach, Beethoven, Moszkowski Chopin, Liszt und bekundete eine gut geschulte technische Fertigkeit Was die Vortragsweise betrifft, so war diese in

en modernen Stücken befonders lobend anzuerkennen, während in der ö. Phantasie von J. S. Bach manches zu wünschen blieb. Reicher Beifall folgte allen ihren Leistungen.

Königlichen Opernhause wird morgen Wagners Tann l suff? ö 9 Damen Sucher, Hiedler, den Herren Gudehns Betz, Stammer in den Hauptrollen unter Kapellmeister Dr. Mucks Leitung gegeben. Am 4. Gesellschafts⸗Abend (Montag 5. Mãrz) eht Üuber's „Fra Diavolo? in Scene. Der Königlich sächsische r n ger Herr Anton Erl aus Tresden tritt als Gast in der Titelrolle auf. 36 ; .

Im Königlichen Schauspielhause werden morgen die Lustsꝑiele Sie sst stumm“ und „Der Jourfix“ gegeben.

In Hamburg fand am Montag das vorletzte der Hermann Wofff'schen Abonnements-⸗Konzerte als Trauerfeier für Dr. Hans von Bülow statt, weßher diese Konzerte von ihrem Beginn an geleitet hatte. Nack dem einleitenden Choral Wenn ih einmal soll scheidenꝰ von Bach hielt Herr Dr. Behn eine tiefempfundene, formvollendete Gedenkrede. Der Chor unter Leitung des vortrefflichen Dirigenten Julius ESpengel brachte zwei Chorgesänge aus dem Brahms 'schen Requiem zum Vor⸗ trag, und den Schluß des Programms bildete Beethoven's Eroica', vom Kapellmeister Gustav Mahler in glänzender Weise dirigiert. Bülow'z Leiche wird nach den letzten Nachrichten zwischen dem 16. und 18. März in Hamburg eintreffen.

Die in England sehr bekannte Sängerin Madame Patey wurde, wie W. T. B. aus Sheffield berichtet, nach einem Konzert am Dienstag plötzlich von einer Ohnmacht befallen und ist gestern gestorben.

Mannigfaltiges.

Der Direktor der Königlichen Sternwarte zu Berlin, Geheime Regierungs Rath Professor Dr. Foerster, sprach gestern Abend innerhalb des Vortraͤgs⸗Cyelus hervorragender Gelehrten im wissenschaft⸗ lichen Theater der Urania über „Die Bewohnbarkeit der

Immelskörpern. Zunächst gab der Redner einige geschichtliche 6 über die Entwickelung des Gedankens der Bewohnbarkeit der Weltkörper, an deren Möglichkeit, wie die hinterlassenen Schriften aster Philosophen wie Cicero und Lukrez beweisen, schon im grauen Alterthum gedacht wurde. Auch im Mittelalter haben sich viele Ge⸗ lehrte, wie Dante, mit dieser Möglichkeit beschäftigt. Kepler hat. seine Ansicht darüber in dem Buch „Semnium astronomigum nieder⸗ gelegt, während Galilei, der erste. welcher Einblick in den Himmelsraum durch das Fernrohr hatte, keine Neigung hatte, f olchen Gedanken nach⸗ zuhängen. Später haben Fontenelle und Voltaire in witzigen Ver⸗

leichen und satirischen Bemerkungen über das Leben der Erden⸗ ewohner und das Leben ähnlicher Wesen auf den Himmelskörpern geschrieben. Des letzteren, nicht auf wissenschaftliche Untersuchungen glestätzte divingtorische Ideen haben sich als prophetische Worte er⸗ wiefen, die einen nicht unwesentlichen Einfluß auf die Entwickelung der astronomischen Wissenschaft ausgeübt haben. Genauere Kenntniß

Über die fremden Welten erlangten Wilhelm Herschel und der Astronom

Bode von der Berliner Sternwarte, namentlich aber. Gauß, der

bereits daran dachte, durch größere mathematische Gebilde auf der

Erde eine Art von Nachrichtendlenst mit den etwaigen Bewohnern

des Mondes einzurichten. Seit zwei Jahrzehnten sind besonders der

Franzofe Flammarion und der Italiener Schiaparelli mit

icht vom 1. März, r Morgens.

*

Stationen. Graeb.

red. in Millim.

7 Uhr.

Belmullet . Aberdeen. . openhagen. Stockholm aranda. t. Petersbg. Moskau ... Cork, Queens: toon... Regen Cherbourg. woltig T heiter K heiter amburg .. bedeckt ö ern, eufahrwasser edeckt: halb bed. h) wolkenlos wolkig heiter halb bed. heiter?) bedeckt Regens) wolkig ö bedeckt) Ile d'Atx .. ö. Mig .... 1 wolkig 26 ö ill bedeckt y Nachts Regen und Schnee. ) Nachts Regen. 3) Nachts Reif. Nachts Reif. ) Nachts Regen und stürmisch. ) Nachts Regen. I Nachts Regen. Uebersicht der Witterung. Ein tiefes Minimum von etwa 735 mm ist nörd— lich von Schottland erschienen und vergnlaßt in , , mit einem barometrischen Maximum, dessen Kern übe e l stürmische füdliche und südwestliche Winde über den Britischen Inseln, deren Ausbreitung über das Nordsee⸗

Schnee

bedeckt Medici.

75 Uhr.

Senator.

e, - e- = (

gebiet wahrfcheinlich ist. Die Theil depression, welche gläubige Thomas.

Friedrich ·

Freitag: Brautjagd. Operette in 3 Akten von

geftern Morgen über der Kanalgegend lagerte, ist, be⸗ leitet von ergiebigen Niederschlaͤgen, ostwärts nach Hint feln fortgeschritten und verursacht daselbst Regenwetter. In Deutschland ist die Temperatur meist gesunken, 1, aber noch allenthalben über dem Mittelwerth. c ö

Niederschlag und magnetische Störung, Zu Hernö⸗

tende Erwärmung wahrscheinlich. H . Deutsche Seewarte.

Theater ⸗Anzeigen. Königliche Schnuspiele.

haus. 54. Vorstellung. Sängerkrieg auf Wartburg. ; in 3 Akten von Richard Wagner. Ballet von Emil Vorher:

In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur

Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Anfang Maximilian Bern. ihr. JJ . Sonnabend und folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Sonntag: Nachmittags ⸗Vorstellung zu ermäßigten

S i 61. Vorftellung. Sie ist stumm. 3 Schaufgie fan ,, . Preisen. Jugend. Anfang 29 Uhr.

Original · dust spiel in 1 Aufzug von F. Silesius (G. Kruse). In Scene gesetzt vom Ober⸗-Regisseur Max Grube. Der Jonrfix. Lustspiel in 3 Aufzügen von Hugo Lubliner. Regiffeur Max Grube. Anfang 73 Uhr, Sonnabend: Opernhaus.

tung und Musik von ; von Emil Taubert. Tanz von Emil Graeb. Anfang J Aft von H. Meilhac und Ludwig Halevy. Deutsch

Schauspielhaus. 6 , , nn. . 66 . Hage en

umppenberg. Verbotene Früchte. Lustspie f to. Anf 2 Uhr. in r ufzügen, nach einem Zwischenspiel des Cer⸗ Preisen. à aao Porto nfang 25 Uh vantes, von Emil Gött. Anfang 75 Uhr.

Nentsches Theater. Anfang 74 Uhr. Sonnabend: Der Herr Senator. Sonntag: Der Herr Senator. Montag: Romeo und Julia.

Berliner Theater. ments⸗Vorstellung. Narziß. Anfang 74 Uhr.

Sonnabend: Aus eignem Recht.

Sonntag, Nachm. 25 Uhr: Narziß.

Abends 75 Uhr: Aus eignem Recht.

Lessing · Thenler. Sonnabend: Madame Saus Gene. Sonntag: Madame Sans⸗Géone.

, Wallner Theater. r der Alpengegend liegt, stellenweise (Var erte Wied: toten)

ilhelmshaven meldet 20 mm 8 Hirschel. n Scene gesetzt von Julius Fritzsche.

and wurde Nordlicht beobachtet. Westostwärts fort⸗ Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 73 Uhr.] Sonnabend: Brautjagd.

teresse für die weitere Entwickelung dieser Frage thätig. beer nr. der Redner die Frage nach den Bedingungen, e . erforderlich find, um die Möglichkeit der BVewohnbarkeit der Himmels⸗ körper nicht durch lebende, sondern dun bewußte Wesen, die einer geistigen Kultur fähig sind, uns denkbar erscheinen zu lassen. Er meinte, daß, wenn wir uns Gedanken darüber auch nur nach der Entwickelung

ssftingen X Erde machen könnten, die Ansicht keines⸗ ,,, auf den anderen Weltkörpern sich

wegs ausgeschlossen wäre, daß . ö l 6 eistigen Kulturstufe befänden, als auf , . . ö. e. Lebens führte er die uns be⸗

de. Als Bedingungen ö gigen tze! an, die von dem Druck und der Temperatur herrührten. Bei steigender Temperatur stellen sich Bewegungs⸗

q n immer größerer Energie her. Ist Leben Bewegung, so , meisten . bei höchster Temperatur sein. Dem ist jedoch nicht so. Leben ist nicht nur Bewegung, sondern auch Ruhe, relatlve Ruhe. Bei sehr hoher Temperatur tritt der Zerfall ein, während bei stark sinkender Temperatur, nach unseren Erfahrungen auch jedes Leben aufhört. Die unt hiernach gesetzten Grenzen können wir mit einigen Erweiterungen nach oben wie nach unten auch als bedingend ansehen für die Bewohnbarkeit der Himmelskörper. Allgemein gilt es als ausgeschlossen, daß Körper mit ganz hohen Temperaturen, wie die Sonne, als Wohnplätze den bar sind, Fenn auch ihre Wärmestrahlen eine hohe Aufgabe für das Leben auf den abgekühlten Körpern haben. Achnlich wie mit der Sonne, verhält es sich mit der großen Zahl der Firsterne. Die uns bekannte Er—⸗ scheinung des Theilungsprinzips, der Verdoppelung der Zellen, scheint nach den Ausführungen des Redners auch bei den Himmels körpern eine häufige Erscheinung zu sein. Dafür sprechen die vielen Doppel⸗ sterne und Doppelnebel. Zwei Weltkörper, die sich von einander getrennt haben, üben nachgewiesenermaßen eine bedeutende Wechselwirkung auf, einander aus, wie z. B. Ebbe und Fluth beweifen. Auch in Bezug auf Gestaltsperänderungen und die Rotation ist der gegenseitige Einfluß bemerkbar. Anders verhält es sich bei denjenigen Körpern, wo keine Verdoppelung stattgefunden hat, wie beim Saturn, wo neue Körper entstanden sind durch Abstoßung ein⸗ zelner Theile. Zu diesem System, dem monadischen, scheint unser Sonnenfystem zu gehören. Die kleineren abgestoßenen Körper haben Kugelgestalt mit Abplattung an den Polen angenommen. Auf ihnen haf sich nach eingetretener Abkühlung vielleicht zuerst Leben entwickelt. Die noch nicht genügend abgekühlten größeren Planeten sind anscheinend bis jetzt noch nicht Träger des Lebens. Auch bei der Erde kann man sich einen vor langen Zeiten, vielleicht vor dunderten von Jahrtausenden, erfolgten Abstoßungsprozeß denken, dem der Mond seine Existenz als felbftändiger Körper verdankt. Die kleineren Planeten, Venus und Mars, zeigen Bedingungen, die für das Leben nach unseren Begriffen günstig sind, während der nur mit einer Seite der Sonne zugekehrte Merkur sich in einer ungünstigeren Lage befindet. Am vortheilhaftesten für das Leben scheinen die Verhältnisse auf dem Mars zu liegen. Er ist zwar anderthalbmal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde, hat auch nur die Hälfte des Erddurchmessers, kann aber 6 licherweise durch seine Atmosphäre, welche die Sonnenstrahlen auf⸗ nimmt und fie länger zum Schutz für die Oberfläche sesthãlt, einen Aut⸗ gleich finden. Was man auf dem Mars sieht, zeigt Veränderungen die mit einer gewissen Gesetzlichkeit vor sich zu gehen scheinen. Nach Schiaparelli' bedeutungsdollen Beobachtungen befinden sich an den Polen des Mars weiße am, die bald größer, bald geringer je nach den Jahreszeiten find und die man für bedeutende Schneefelder halten kann. Wie auf der Erde, sind die r . des Mars mehr auf der nördlichen Halbkugel, während die südliche Halbkugel fast ganz durch ein riesiges Meer ausgefüllt ist. Man bemerkt nun ungeheure Spaltbildungen in der Breite von mindestens 13 bis 20 Km, in der Länge von weit über 1009 km, die vermuthlich Kanäle sind und dazu dienen, das durch Schmelzung von Schnee und Eis entstandene Wafser von der nördlichen Halbkugel nach der südlichen abzuführen, wo es wieder zur Verdunstung kommt. Die merkwürdige Erscheinung, daß diese Kanäle sich zeitwelse, vermuthlich zur Zeit des größten Wasserandrangs, verdoppeln und dann Parallel kanäle zeigen die 100 bis 200 Km bon einander entfernt sind, ist vielleicht damit zu erklären, daß diese für gewöhnlich nicht bemerkten Spalten bereits vorhanden sind und nur durch Schleusen

trãgt.

kein Leben.

Wenn man auch

9 *

ein wenden und That zur

Familie damit ge

und zu welchem

schreiten mußte.

oder ähnliche Vorrichtungen geöffnet werden, wenn die

Drehung mitmachen zu lassen, wird es möglich . 3 auf ihm zu machen. Die übrigen Planeten, wie Uranus und Neptun, sind zu weit von der Sonne entfernt und haben wahrscheinlich Dagegen ist die Annahme nicht abzuweisen, daß uns vielleicht noch fehr interessante Kenntnisse über den Mond bevorstehen.

Charlottenburg, 28. Februar, . tve Verfammlung hat, wie ‚W. T. B.“ meldet, in ihrer heutigen Sitzung beschlossen, zum Bau der Kaiser Wilhelm⸗Gedächtniß⸗ kirche 40 000 M zu spenden.

London, 1. März. 66 us Sha hat in einer Kohlengrube bei Santung in Ching eine Exrx⸗ plofion stattgefunden, durch welche eine große Anzahl Arbeiter das

Leben eingebüßt hat.

Paris, 28. Februar. Der neue Akademiker Brunetisre, der heute seine Vorlesungen an der Sorbonne beginnen wollte, wurde, laut Meldung des . W. T. B. «„ durch heftiges Lärmen der Studenten daran gehindert. Zahlreiche Studenten riefen „Vive, Tola! auch wurden mehrere Gegenstände beschädigt, sodaß die Polizei ein⸗

Wasserverhältnisse ihre ö erforderlich erscheinen lassen. Ge⸗ s hat bisher darüber ni ; r in,, . daß hier vielleicht auch die Natur für Be—⸗ . . 2 Wa elbst geholfen hat. rs i d eine schnelle Umdrehung, die 145 Grad in einer Stunde be— . ef ö. es gelingt, den photographischen Apparat diese

ermitteln lassen und ist deshalb der

Bildung von Kanälen

massen sich dur i e ars ist sehr erschwert

Die Beobachtung des

sein, genauere

glauben muß, daß zur Zeit kein Leben auf ihm

möglich ist, fo ist man doch berechtigt zu hoffen, . spãteren eiten vorbehalten sein wird, festzustellen, daß hier in früheren, viele Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung zu iege .

Tebensbedingungen günstigere waren und sich vielleicht Spuren einer damaligen hohen geistigen Kultur werden entdecken lassen, die uns dann auch Aufschluß geben könnten über die Zustände Erde zu diesen 3 eine große Zahl von Abbildungen von interessanten Gebirgsland⸗

zurückliegenden Zeiten die 9

auf der eifen. Zum Schluß zeigte der Professor Foerster

schaften auf dem Monde mit den ungeheuren Kratern und sprach die Hoffnung aus, daß es gelingen möge, no Kenntniß der unbekannten Weltkörber kämen, daß die von uns he— wohnte Erde durch die Wissenschaft mehr erschlossen und mit Be— nutzung der vorhandenen Naturkräfte durch den menschlichen Geist ge⸗ zwungen würde, selbst an den unwirthlichsten Stellen, wie an den Polen, das Leben der Menschen zu gestatten.

ch ehe wir zu einer größeren

Der kaufmännische und gewerbliche ‚Hilfsperein für weib⸗ liche Angestellte“ hat die Einrichtung von Ferienkolonien für junge Mädchen ins Werk gesetzt. schäften angestellten jungen Mädchen gehören gebildeteren, aber minder wohlhabenden Klassen an. Sie können keine theuren Pensionen zahlen und wissen keinen Ort, wo sie für weniges Geld einige Wochen der Ruhe und Erholung pflegen könnten. ñ NRitgli⸗ des genannten Hilfsbereins, der 6000, also mehr als die Hälfte aller Berliner Handlungsgehilfinnen, sie sich, der den

Seite steht, und der Verein n wendet sich an die Familien, die für bescheidene Preise in ihrer Häuslichkeit achtbaren jungen Mädchen einen Platz gewähren wollen. Da mancher dient sein dürfte, zugleich mit einem angenehmen Sommergast Gelegenheit zu einer Nebeneinnahme zu erhalten, wird gebeten, Mittheilung darüber sobald wie . an den Hilfsverein fur weibliche Angestellte, Berlin , Oberwasserstraße 19. mit Empfehlungen, genauer Beschreibung der SDäutlichkeit und An gabe, wieviel junge Mädchen Aufnahme finden können, zu welcher Zeit

Viele der in Berliner Ge⸗

Zumeist sind sie Mitglieder

umfaßt. An diesen Ver⸗ jungen Mädchen mit Rath Verein wiederum wendet

erstraße 109, einzusenden

Preis. Daß völlig unentgeltliche Aufnahme bei

wohlhabenden Familien ebenfalls nicht unwillkommen wäre, braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden.

Die Stadtversrdneten

Wie der „Standard“ aus Sbanghai meldet,

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Zum 11. Male.

burg. Freitag: Schwank

Freitag: Opern⸗ ball (Vezlione).

omantische Dper von Benno Jacobson.

In Scene gessßt vom Ober⸗ Freitag: Zum 16. Male.

Emil Dürer.

Leoncapallo. Uebersetzung Lautenburg.

s2. Vorstellung. Die Minne don Josef Grünstein. Anfang 74

Viktoria · Thegter.

Freitag:

Ballet. Anfang 73. Uhr. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr, Lumpaci vagabundus.

Freitag: N. Abonne⸗

Der Obersteiger.

Adolph Ernst Theater. Charley 's Tante. Schwank Brandon Thomaß.

J . 6 P. , nnn, ere f. und Benno Jacobson. Roth. In Scene gesetzt von Ab.

Freitag: Heimath.

Sonnabend: Ein Blitzmädel.

Wilhelmstädtisches Theater. Kren.

Taunhäuser und der von Alexandre Bisson und Albert Cars. ;

Regie: Hermann Haack. Vermischte Anzeigen. wa L Akt, nach dem Französischen des R. Dreyfuß, von Anfang 75 Uh

55. Vorstellung. Die 8 Fognerti. Jist i sch en. n' Atren, Bich= 3 Akten von Goffredo Cognetti

Theater Unter den Linden. Anfang 73 Uhr.

Vorher: arodistische Posse mit Gesang in 1 Akt von Duft von Franz

Residen · Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗

Der Masken⸗ in drei Akten Deutsch Schwank in

1

Nenes Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ A Kasse Porto.

Scenen aus dem neapolitanischen Volksleben in

Deutsch von

In Scene gesetzt von Sigmund Vorher: Lolotte.

Schwank in Uhr

Sonnabend und folg. Tage: Diefelbe Vorstellung. Sonntag: Nachmittags⸗Vorstellung zu ermäßigten

Belle ⸗Alliancestraße 7 / 8. ; 5 reitag: Gastspiel der Prima Ballerina Marietta 2e enn . Mit vollständig neuer Ausstattung. Der Südstern. Ausstattungsstück mit Gesang und großem

ermäßigte Preise:

Freitag:

Freitag, 75 Uhr: in 3 Akten von Die ua. d.

Ernst.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

BFentral - Theater. Alte Jakobstraße Nr. zo. Freitag: Ein Blitzmädel, Posse mit Gesang in

Sonntag: Unter vier Augen. Der un. 4 Akten von Carl Costa. Anfang 73 Uhr.

In Vorbereitung: Novität! Ein gesunder Junge. Posse mit Gesang und Tanz in 3 Akten von Jean

Chausseestraße 25. Konzerte. Nanzert Haus. Zreitag:

ufik von Franz von Supps. Dirigent:

ö. Diavolo“ von Auber.

Konzert. Oup. „Mignon“ von Thomas. Ung. Tänze Nr. 5 u. 6 von

garl Mehyder⸗ Fra

Brahms. Straußenfede tn. Walzer von . Phantasie aus La Traviata“ von Verdi. Phantasie aus ‚Die Medici“ von Leoncavallo. „O Cara me, moria“ für Cello von Servais (Herr Smit). Sei nicht bös“ für Piston von Zeller (Herr Werner).

Zirhus Renz (Karlstraße). Freitag. Abends 74 Uhr: Große Komiker⸗Vorstellung. Auftreten der neuen Spezialitãten: Gebr. Detrolt, Handakrobaten sans concurrance; Troupe Daineff, unũbertreffl. Lustpotpourri. Ferner: die großen Tremplinsprünge mit dem Riesensprung über 40 Soldaten; der Clown Merkel mit dem Esel Pipifax; der urkom. Imitator⸗ Flomn Mr. IYbbs ꝛc. Zum Schluß: Auf auf zur fröhlichen Jagd. Parsorce und Kaskadenritt. Ballet von 160 Damen. Meute von 40 Hunden.

Sonnabend: Auf auf zur fröhlichen Jagd.

d . Familien ⸗Nachrichten.

Verlobt: Gräfin Marie Finckenstein aus dem Hause Simnau mit Hrn. G. von Stein ⸗Grasnitz Potsdam). Frl. Auguste von Sobbe mit Hrn. Neut. Hans von Dstau (Braunschweig Hannover). Frl. Kathi von Brietzke mit Hrn. Nitterguts⸗ besißzer Wollank (Kemnitz =- Groß⸗Glienicke!— Frl. Thea Westphal mit Hrn. Landrath Werner von Weiher (Stolp-Rummelsburg). Irl. Marie Schroeter mit Hrn. Hauptmann Carl von Dobschütz Breslau Düsseldorhf. ;

Verehelicht: 3 Prem. Lieut. Karl Ewald von

in

Koff mit Frl. Agathe von Wilezewski (Zelasen).

& Tln. Se , Hrn. Ernst Frhrn. von Herzenberg (Heuckewalde) Eine Tochter: ö Pastor Fruhner (Schwanowitz). HYrn. Herichkg⸗Assessor Kramer (Beuthen D. ⸗S..

Gestorben: Hr. Frhr. Hans Benno Edmund von Gickstedt (Krugsdorf bei Pasewalk). Hr. Prem. Lieut. Bruno Krause (Marienwerder). Hr. Pfarrer merit. Eduard Giese (Langendorf). Hrn. Hauptmann ze D. Kühn Tochter Lotte Schweldnitz). = Hr. Rittergutsbesitzer Maximilian von Stegmann und Stein (Breslau).

Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor.

1 . 2 Verlag der Expedition (Scholy.

c der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlaqe⸗ Driys / ef, Berlin S., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen (elnschließlich Börsen ·˖ Beilage), und die Gewinnliste ver Lotterie zur Frei

legung der St. Marienkirche zu Massow.

Er st e Beilage um Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

zl 52.

Berlin, Donnerstag, den J. März

Deutscher Reichstag. 59. Sitzung vom Mittwoch, 28. Februar, 1 Uhr.

Der Reichstag setzt die erste Berathung des russischen Handelsvertrags und des Antrags von Kardorff wegen Erhebung von Zollzuschlägen bei Valuta— differenzen fort.

Ueber den ersten Theil der Rede des Abg. Richter, welcher zunächst das Wort hatte, ist bereits in der Nummer vom Mittwoch berichtet worden. Der Schluß seiner Rede hat folgenden Inhalt: .

Alg. Rich ker (fr. Volksp.): Der Abg. Dr. von Bennigsen schilt die frivole Presse, welche die Noth der Landwirkhschaft und die Schwierigkeit ders elben in der Konkurrenz mit der überseeischen Landwirthschaft verkennt. Mir ist nicht bekannt, daß die Presse auf dieser Seite das verkennt; im Gegentheil, wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, daß diese neu auftretende Konkurrenz durchgreifende Veränderungen der Landwirthschaft in Form des Besitzes und der technischen Produktions- weise erfordert; aber von dieser Selbsthilfe ist die Landwirthschaft durch den Ruf nach Kornzöllen und Staatshilfe abgeleitet worden. Aber wiederum ist es der Abg. Dr. von Bennigsen gewesen, der, indem er auf den Fünfzigpfennigzoll sich einließ, die ganze Kette jener Maßnahmen mit eröffnen half, die doch das nicht treffen, worauf es ankommt, die die Landwirthschaft von der Selbsthilfe abziehen und ihre Interessen in Widerspruch setzen mit denen der Allgemeinheit. Er spricht von Kompen— sationen. Wie kann man bei einem Handelsvertrag mit so wichtigen Interessen seine Abstimmung noch von irgend welchen Kompensationen abhängig machen! Giebt es denn ein wohlerworbenes Recht auf Kornzölle? Kompensationen, die an sich richtig sind, muß die Re— gierung durchführen, mag der Handelsvertrag angenommen werden oder nicht. Von Kompensationen, die nicht richtig sind, kann man die Annahme des Vertrages nicht abhängig machen. Sonst macht man einen Schritt vorwärts und zwei zurück. Sie sprechen von der Kompensation durch Aufhebung der Staffeltarife. Was ist das für ein nationaler und patriotischer Sinn, der seine Abstimmung davon abhängig, macht, ob das Korn pro Kilometer zu 4 oder 35 3 ge— fahren wird! Der Abg. Dr. von Bennigsen ist selbst im Zweifel, ob diese Agitation zur Aufhebung der Staffeltarife berechtigt ist. Ich bin nicht der Ansicht, daß der blinde Hödur maßgebend sein kann für die wirthschaftspolitische Richtung. Wenn es richtig wäre, daß die Staffeltarife einzelnen Landestheilen eine schwere Konkurrenz bereiten zu Gunsten derjenigen, aus denen mittels der Tarife verfrachtet wird, was würde es für ein Standpunkt sein, deshalb auf Aufhebung der Staffeltarife zu dringen! Der russische Handelsvertrag er— leichtert den internationalen Handelsverkehr. Es wäre un— erhört, darauf zu dringen, daß die Verkehrsanstalten theuerer fahren, als es in ihrem eigenen Interesse liegt. Was wäre das anders als die Errichtung eines Binnenzolles? Das ist ein öder Partikularismus, wie er nie dagewesen ist seit der Zeit, wo die kleinen Staaten protestierten gegen die Schaffung des ZJoll— vereins. Es ist bezeichnend, daß der Mann, der zu den Gründern des Nationalvereins gehörte, sich zum Wortführer eines solchen Par— tikularismus macht. Darin täuscht der Abg. Hr. von Bennigfen sich ganz außerordentlich, daß für den Osten durch Aufhebung des Identitätsnachweises eine Kompensation für die Staffeltarife gewonnen werden könnte. Er meint, die Aufhebung des Identitätsnachweises sichere nur die gleiche Wirkung des Schutzzolles in allen Landestheilen. Kein Schutzzoll, übt die gleiche Wirkung aus, weil Deutschland kein einheitliches Wirthschaftsgebiet ist. Die Aufhebung des Identitäts— nachweises wäre das allerverkehrteste, ein Sprung ins Dunkle, wie der Reichstag leider schon viele gemacht hat. Der Abg. Graf Mirbach glaubt auf die Blüthe von Handel und Industrie hinweisen zu können, indem er die hohen Dividenden von Aktiengesellschaften anführte. Als ob es nicht andere Aktiengesellschaften gäbe, die ohne Gewinn oder sogar mit Verlust arbeiten! Weiß der Abg. Graf Mirbach nicht, daß die Einkommensteuer gerade deshalb erheblich zurückgegangen ist, weil die Einschätzung der Aktiengesellschaften ein erhebliches Minus ergeben hat? Rur den Kaviar brauchen wir, meint der Abg. Graf Mirbach. Da würde man auch den österreichischen Handelsvertrag nur nach den Ungar— weinen, den französischen nach der Einfuhr des Sektes und einen holländischen nach, der Einfuhr von Austern bemessen können. Der Abg. Graf Moltke sprach von der Erhebung in den Freiheits— kriegen, die im Osten begann. Die Erhebung wurde von Rußland unterstützt, sodaß man eher auf den Gedanken der Wiederherstellung der heiligen Allianz kommen könnte, als auf einen Zollkrieg mit Rußland. So viel Armee⸗Korps, wie Rußland hinter der Grenze hat, 3 Frankreich auch, und trotzdem, genießt Frankreich die Meistbegünstigung infolge der Meistbegünstigungsklausel, die Fürst Bismarck in den Friedensvertrag setzte. Er wird wohl gewußt haben, was er that. Der Abg. Graf Kanitz meint, wir könnten mit kurzen Kündigungsfristen zufrieden sein. Mit Frankreich hat Rußland auch einen Handelsvertrag ge— schlossen, in welchem über Getreidezölle nichts enthalten ist; trotzdem hat Rußland mit der Kündigung des Vertrages gedroht, wenn Frank— reich in Bezug auf die Getreidezölle zu weit ginge. Also die kurze Kündigungsfrist hat Gelegenheit gegeben, sich in die Autonomie des französischen Zolltarifs einzumischen. Der Abg. Dr. von Bennigfen hat bedauert, daß der Bund der Landwirthe fo spät erst entstanden sei, während Handel und Industrie ihre Vertretung schon früher ge⸗ habt hätten. Die landwirthschaftlichen Vereine haben eine viel größere Bedeutung als Vertretung der Landwirthschaft, als alle Handels— kammern. Gerade der hannoversche landwirthfchaftliche Zentralberein hat sich gegen die Einführung der Landwirthschaftékammern ausge— sprochen. Der Bund der Landwirthe hat mit einer geordneten Interessenvertretung garnichts gemeinsam. Er geht darauf aus, der Gesetzgebung ein improvisirtes Programm durch eine wilde Ilgita⸗ tion aufzuzwingen. Deutschland hat unter dem Fürsten Bismarck sich einen verderblichen Autoritätskultus angeeignet. Fürst Bismarck hat diesen Kultus selbst nach seiner Entlassung abzuschwächen gesucht; der Bund der Landwirthe hat diese Abschwächung des Autoritätskultus in die Reihen der Landwirthe getragen. Aber man wird sich vielleicht auch bald überzeugen, daß ebenso wenig wie der Reichskanzler die Landräthe unfehlbar sind. Ein weiterer Vorzug ist die Opposition gegen die Krone, wodurch der emporwuchernde Byzantinismus etwa abgeschwächt wird. Wenn vir wieder einmal gegen die Meinung der Krone auftreten, so werden Sie (rechts) es hoffentlich unterlassen, uns daraus einen besonderen Vorwurf zu machen. Den Schutzzoll— tarif von 1879 verdanken wir der Koalition des Großgrundbesitzes und der Großindustrie. Der allergrößte Theil der Industrie braucht keinen Schutzzoll, sie leidet ebenfo wie das Handwerk unter der Vertheuerung der Lebensmittel ihrer Arbeiter, um so mehr, als andere Staaten unserem schutzzöllnerischen Beispiel gefolgt sind. Das unnatürliche Bündniß ist durch den Bund der Landwirthe gelockert worden, und dieses Verdienst werde ich dem Bunde der Landwirthe nie vergessen. Der Abg. Graf Mirbach 4 sich lieber gleich mit uns Freihändlern gegen, die Industriezölle verbinden, er braucht dazu nicht erst die Auflösung, abzuwarten! Wir wollen nicht bloß die Zölle auf die landwirthschaftlichen Prrhe gn. beseitigen, sondern auch die Zölle auf andere Konsumartikel. Der Handelsvertrag muß

werden; es ist nur Zweifel darüber, ob nach der Auflösung, des Reichstages. Der Abg. Bennigsen hat ein Schreckensbild von der Auf⸗

angenommen vor oder Dr. von

lösung und ihren Folgen entworfen. Es ist nur zweifelhaft, ob er die Konservatlven für den Handelspertrag gewinnen oder die Regierung von, der Auflösung abschrecken wollte. Er stellte es so dar, daß ohne die Konservativen der Reichstag außer Rand und. Band sein würde. Von der werbenden Kraft des Nationalliberalismus scheint der Abg. Dr. von Bennigfen garnichts gehalten zu haben, er hat ihn garnicht erwähnt. Melner Meinung nach würde der Reichstag nach einer Äuflösung dem von 1850 gleich sein, mit dem die Regierung noch viel zu gut ausgekommen ist. Würde der Reichstag etwas liberaler ausfallen, so kann das doch den Abg. Lr. von Bennigsen nicht schrecken, der vor wenigen Jahren noch ausgeführt hat, daß das liberale Bürgerthum zu wenig Einfluß auf die Gesetzgebung hat. Auch ein anderer Reichskanzler als Graf Caprivi wäre gezwungen, vom Reichstage die Annahme des Handelsvertrages Mu verlangen, auch wenn er mehr als tausend Ar besitzen würde. Was denken Sie, welcher Sturm von Entrüstung sich in Handel und Industrie erheben würde bei Ablehnung des Handelsvertrages! Wenn der Zollkrieg fortgesetzn wird und die Konkurrenz anderer Länder in Rußland zunimmt, welcher Sturm von Entrüstung würde sich erheben! Und dann gegenüber dem Aus— land! Die Vertragsverhandlungen sind eingeleitet auf Grund einer Vollmacht, die der Reichstag gegeben hat einschließlich der Konservativen und mit der Vollmacht, daß die Regierung' die Differentialzölle aus eigener Macht abschaffen kann. Die inter nationale Ehrlichkeit, die völkerrechtliche Loyalität verlangen, daß der Handelsvertrag zur Annahme gelangt. Die Konfervativen wünschen selber sehnlichst aus der Sackgasse herauszukommen, und den Handelsvertrag angenommen zu sehen. Die Nation verlangt die An⸗ nahme des Handelsvertrags, und zwar möglichst schnell, und deshalb bedauere ich, daß der Reichstag sich in einem unbewachten Augen— ö. hat verleiten lassen, den russischen Handelsvertrag mit dem An rag Kardorff zu bepacken, trotzdem dieser Antrag nur einmalige Berathung erfordert, während die Vorlage eine dreimalige Lesung nöthig macht. Wird der Antrag der Kommission Üüberwiesen, so kommt dadurch der Handelsvertrag in Gefahr, daß die Frist für die Ratifikation abläuft. Wenn nicht am Freitag nächster Woche die Kommissionsberagthung erledigt wird, dann kann die dritte Lesung erst nach Ostern stattfinden. (Zuruf rechts: Was schadet das? Dann hat das Land drei Wochen länger den Zoll⸗ krieg und welche Millionen gehen dadurch verloren! Eine Kom— missionsberathung hat überhaupt keinen Sinn, da der Vertrag doch nicht geändert werden kann. Im Plenum können auch die Inter— essenten besser Aufklärung geben. Es giebt wohl im Reichstag nur zwölf Personen, welche nicht ganz genau wissen, wie sie zum Vertrag stehen. Schicken Sie nur diese zwölf Abgeordnete in die Kommission! Das Interesse von Handel und Industrie verlangt, daß der Vertrag so schnell als möglich zu stande kommt; deswegen stimmen wir gegen die Kommissionsberathung und verwahren uns gegen die Folgen, welche eine solche haben kann.

Abg. Dr. Lieber (entr. : Ich kann doch nicht anerkennen, daß die Nation oder Handel und Industrie einen Anspruch darauf hätten, daß die Sache so schnell wie möglich entschieden werde; sie haben nur den Anspruch, daß der Reichstag feines Amtes walte und seine Entscheidung nach reiflicher Ueberlegung fällen soll. Wir würden eine Ueberstürzung der Sache als eine capitis deminutio des Reichstags betrachten. Die Meinung im Lande ist gar nicht so allgemein für den russischen Handelsvertrag. Wenn ich wirklich schen dafür wäre, die Rede des Abg. Richter hätte mich stutzig gemacht. Denn nach solchen leidenschaftlichen Erörterungen können wir im Plenum nicht die nöthige Ruhe gewinnen zur sachlichen Prüfung. Deshalb wünschen wir den Vertrag der früheren Handels— vertragskommission zu überweisen und dieselbe um sieben Mitglieder zu verstärken. Ich muß es ablehnen, von dem Abg. Richter Be⸗ hehrung; über die Weisheit der Gesetzgebung entgegenzunehmen. Die Berechtigung zu solchen Belehrungen kann ich nicht herleiten von der Stärke seiner Partei, und von seinem guten Beispiel noch viel weniger. Wenn ich namens aller meiner Parteifreunde spreche, fo bringt das natürlich mit sich, daß ich sowohl Gründe für als Gründe gegen den Handels bertrag vorbringe. Wenn es anders wäre, würde ich mich an Ihrer Stelle darüber wundern. Eine Partei, aus allen Landestheilen und allen Berufsständen hervorgegangen, wird dieselben Gegensätze der Anschauungen repräsentieren, die überall im Lande hervortreten. Der Handelsvertrag ist ein Werk von ungeheurer Tragweite und wir würdigen vollkommen alle Gesichtspunkte der äͤußeren und inneren Politik, welche dabei in Frage kommen. Der Herbeiführung einer europäischen Friedensära sind auch wir geneigt, und sdeshalb freue ich mich, daß der Reichskanzler am Dienstag ein Wort, welches ich einmal gesprochen habe, nämlich das Wort von den vereinigten Staaten von Europa wiederholt hat. Wir sind zu der Erkenntniß gekommen, daß die Rüstung des Reichs allgemach zu schwer geworden ist. Die Annahme und die Ablehnung des Vertrags kann trennende Momente hervorrufen zwischen den verschiedenen Gruppen des Landes, die sonst auf demselben Boden miteinander stehen. Deshalb müssen alle Schärfen aus den Erörterungen fern gehalten werden. Wir werden nicht einstimmen in den Ton, welchen der Abg. Richter gegen die Rechte angeschlagen hat. Für einen großen Theil meiner Freunde ist es bedenklich, daß nach Annahme des Handelsvertrags die Staffeltarife ihre für den Westen schädlichen Wirkungen erst recht äußern werden; wir müßten die Sicherheit haben, daß die Staffeltarife abgeschafft und niemals wieder eingeführt werden. Bei, der Aufhebung des Identitätsnachweises sind wir bereit, mit- zuwirken. (Zuruf des Grafen Mirbach: Und Kanäle zu bauenh Das wird sich finden. Daß bei Aufhebung des Identitätsnachweifes die Einfuhrscheine auch bei anderen Waaren als Getreide verwendet werden sollen, muß gesetzlich festgelett werden. Der Bundes⸗ rath soll davon nur Ausnahmen zuzulassen berechtigt sein. Ich bin nicht so mißtrauisch gegen die Männer des neuen Kurfes, wie der Abg. von Kardorff, der. kein Vertrauen zu den Zusicherungen dieser Männer in Bezug auf die Kompensationen hat; wir nehmen solche Zusicherungen als hinreichend hin. Im Gegensatz zu dem Abg. von Kardorff sind wir der Meinung, daß die hohe Politik und die Wirthschaftspolitik nicht auseinander gehalten werden können. Der Antrag Kardorff ist unannehmbar, wir haben etwas Aehnliches schon einmal berathen, und damals hat der frühere Abg, Delbrück so überzeugend dagegen gesprochen, daß alle Welt über⸗ zeugt war. Moralisch wäre auch die Annahme des Antrags Kardorff ein Vertragsbruch. Wenn ein großer Theil meiner Freunde die wirthschaftlichen Vortheile des Handelsvertrags genau so schätzt wie die Regierung, so wollen wir doch die Gründe für und gegen in aller Gründlichkeit erschöpfen. Wenn der Abg. Dr. König am Dienstag den Bund der Landwirthe als die Vertretung des Bauern⸗ standes bezeichnete, so hat er dazu ebenso wenig ein Recht, wie die Sozialdemokraten, wenn sie sich als Vertreter der Arbeiterschaft be⸗ zeichnen. So erregt ist der deutsche Bauernstand noch nicht, wie der Bund der Landwirthe es vielleicht wünscht. Das wird die Kom— missionsberathung vielleicht ergeben. Es wird aber Ernst gemacht werden müssen, mit der Beseitigung der berechtigten Klagen der kleinen Landwirthe, soweit die Gefetzgebung dazu im stande ist. Das würde eine Ausführung dessen fein, was bei den früheren Handelsverträgen in meiner leider od nicht berathenen Resolution niedergelegt ist.

Abg. Schultz e- Königsberg (Soz.) erklärt sich für den Handels vertrag, aber gegen jede Kommissionsberathung, weil der Vertrag lange

aul bekannt sei und weil das Volk wünscht, den Vertrag möglichst schnell fertiggestellt zu sehen. Jeder weiß auch wohl, wie er zu stimmen hat. Für den Vertrag stimmen wir nicht etwa, weil wir ihn für genügend halten, wir wünschen vielmehr noch eine weitere Herabsetzung der Getreidezölle. Die deutsche Industrie muß konkurrenzfähig erhalten werden auf dem Weltmarkt und die Landwirthschaft verdient nicht den. hohen Schutz, den sie verlangt, weil sie die an sie gestellten Ansprüche nicht befriedigt, weil sie nicht allein für die Ernährung des Landes zu sorgen im stande ist. Die Schutzzollpolitik hat dahin geführt, daß die Ausfuhr Deutschlands zurückging, während die Ein⸗ fuhr stieg; andere Staaten folgten unserem Beispiel und unter ihren Reyressalien hatte die deutsche Industrie und in erster Linie die Arbeiter⸗ schaft zu leiden. Wenn man bedenkt, daß Deutschlands Handel nach Rußland und Rußlands Handel nach Beutschland größer ist, als der aller anderen Staaten, so ist es begreiflich, daß Rußland es sich nicht gefallen lassen will, differentiell behandelt zu werden, und Oer! land hat auch kein Interesse daran, daß infolge des Zollkrieges andere Staaten bei der Einfuhr nach Rußland an seine Stelle traten. Die Landwirthschaft ist zurückgeblieben, sie hat die Entwickelung des Verkehrslebens nicht schnell genug mitgemacht. Die Bauernbefreiung im Anfange des. Jahrhunderts war nicht eine Folge besonderer Bauernfreundlichkeit, sondern eine staatliche Nothwendigkeit, weil die Ausbeutung der Hörigen durch die Junker eine übermäßige war. Daher das mangelnde Inkeresse an der Landwirthschaft, welches ein Darniederliegen der Landwirthschaft mit sich bringen mußte. Interesse an der Landwirthschaft an sich haben die Agrarier nicht mehr; sie wollen nur möglichst viel Geld herausschlagen, gleichgültig auf welche Weise. In Ostpreußen giebt es überhaupt fast gar keinen Bauern⸗ stand mehr, wie er sich in Westpreußen noch erhalten hat. Es handelt sich bei diesem Handelsvertrag um einen Kampf zwischen den Agrariern und den Großindustriellen; und dieser Kampf muß zum Austrag kommen, und wenn der Reichstag wegen Ablehnung des Handels— vertrags aufgelöst werden sollte, so werden die Agrarier die Zeche zu bezahlen haben. Die Junker haben allerdings im Kriege die Bauern, die Soldaten, geführt, aber nicht bloß zu Siegen, sondern auch nach Jena und Auerstädt. Die Arbeiter, welche auf den Schlachtfeldern geblutet haben, haben keinen Vortheil von den Kriegen gehabt, sondern die Unternehmer, welche durch die Schutz⸗ zölle begünstigt worden sind. Daß Fürst Bismarck Rußland nicht o erhebliche Konzessionen gemacht haben würde, möchte ich bestreiten. Wer hat denn die russischen Ausweisungen gebilligt und nachgeahmt? Und haben die Konservativen dagegen irgend welchen Widerspruch er⸗ hoben? Die Landwirthschaft bekämpfen wir nicht, wie der Abg. Graf Mirbach meint, sondern die Auswüchse des Agrarierthums. Wir wollen die Landwirthschaft auf die Höhe bringen, daß sie die Produkte, die wir brauchen, hervorbringt. Aber die Zucker⸗ und Branntwein prämien hindern den Getreidebau. Daß die Herren aus dem Westen die Slaffeltarife verurtheilen, ist begreiflich. Wenn aber der Abg. Graf Mirbach meint, man könnte gleich einen Russen als Präsidenten in Ostpreußen einsetzen, so kann ich sagen: In Ostpreußen bestehen schon russische Verhältnisse in Bezug auf die Arbeiterverhältniffe. Wie klagen die Leute über die Behandlung durch die Großgrundbesitzer Auch die Behandlung der ganzen Provinz durch die höheren Beamten ist eine russische. (Präsident von Levetzow: Das gehört nicht zum Handelsvertrag.) Die östlichen Provinzen haben besonders durch den Zollkrieg gelitten und zwar nicht nur die Industriebevölkernng, sondern auch die landwirthschaftliche Bevölke— rung. Der Schiffs- und Eisenbahnverkehr ist von Jahr zu Jahr zurückgegangen. Die meisten deutschen Industrien sind auf den Ex⸗ port angewiesen, und wenn ihnen der Export abgeschnitten wird, wird eine noch viel größere Arbeitslosigkeit als jetzt die Folge sein. Die Zahl der Arbeiter in den Fabriken der östlichen Provinzen ist ver— mindert worden und soweit sie beschäftigt sind, sind ihre Löhne er— heblich ermäßigt, sodaß sie angesichts der hohen Lebensmittelpreise kaum davon leben können. Wir werden deshalb für den russischen Handelsvertrag stimmen; aber wir sind damit nicht zufrieden, wir müssen die Beseitigung sämmtlicher Getreidezölle verlangen. Wenn man sich vor einem russischen Kriege fürchtet, so sind wir daran schuld durch die Politik der 70er Jahre, welche Deutschland und Frankreich entfremdet und das unnatürliche Bündniß zwischen Frank— reich und Rußland geschaffen hat. ; ö

Abg. Freiherr von Stumm (Rp: Für den deutschen Arbeiter kommt es nicht so sehr darauf an, möglichst billiges Brot zu essen sondern soviel Geld zu verdienen, daß er möglichst viel Brot essen kann. Die maßlosen Angriffe des Abg. Richter auf den Bund der Landwirthe möchte ich nach meiner Kenntniß der Verhältnisse zurück⸗ weisen. Der Bund ist entstanden durch die Noth der Landwirthe, als die Landwirthschaft sich in schlechterer Lage befand als jeder andere Erwerbszweig, und weil die Landwirthschaft sich durch den Abschluß der Handelsverträge geschädigt glaubte. Ich finde es natürlich, wenn die Tonart des Bundes an einer gewissen Gereiztheit leidet. Daß seit dem allgemeinen Wahlrecht der Grundsatz: Autorität nicht Majorität, nicht mehr gelte, kann ich dem Abg. Grafen Mirbach nicht zugestehen. Im Gegentheil, dieser Grundsatz muß jetzt erst recht aufrecht erhalten werden; nicht bloß die Autorstät des Monarchen, sondern auch der Personen, welche in seinem Namen regieren, muß bor allen Anfechtungen bewahrt werden. Darin ist der Abg. Graf Mirbach mit mir auch einverstanden; er will nur eine fachliche Diskussion haben. Aber der Abg. Lutz hat diesen Standpunkt nicht mehr festgehalten, namentlich durch seine Berufung auf Herrn von Thüngen. Trotzdem erkenne ich an, daß der Bund der Tand—⸗ wirthe sich große Verdienste errungen hat, und die Konzessionen Rußlands sind hauptsächlich seiner Agitation zu danken. Das ist nicht sein Verdienst, er hat es wider Willen gethan. Aber daß der Bund der Landwirthe für die Militärvorlage eingetreten ist, das ist ein unbestrittenes Verdienst. Ebenso wie die Ängriffe gegen den Bund der Landwirthe, muß ich auch die Angriffe gegen das Junker⸗ thum zurückweisen; denn das preußische Junkerthum ist noch heute das Rückgrat des Deutschen Reichs und des preußischen Staats. Die Junker haben die Siege erfochten. (Zurufe: Jena) Daß sie auch einmal geschlagen werden können, ist richtig! Daß die Mitglieder deg Bundes der Landwirthe gegen den rufsischen Vertrag stimmen, weil sie eine Schädigung der Landwirthschaft befürchten, ist begreiflich. Ich würde in einem solchen Fall auch gegen den russischen Vertrag stimmen. Aber er enthält Kompensationen und keine neue Schädigung der Landwirthschaft. Für Weizen ist der Differentialzoll vollstäͤndig gleichgültig; aber bezüglich des Roggens stimme ich nicht den Aus= führungen der Regierung bei, daß der Weltmarktpreis dafür ent- scheidend ist, weil Deutschland der Hauptroggenkonsument ist. Das ist richtig, daß der russische Roggen in die Lander gehen wird, welche keine Getreidezölle haben. Aber dazu gehören erst große Transporte und dadurch wird, die Sache doch etwas verschoben. Aber auch in dieser Beziehung giebt wohl das Schreiben des Ober⸗Präsidenten von Ostpreußen an verschiedene Landwirthe die nöthige Beruhigung. Von einer plötzlichen Ueberschwemmung Deutschlands durch . Ge⸗ treide ist nach meinen Erkundigungen über die Vorräͤthe in Rußland durchaus keine Rede. Es handelt sich nur darum: unter welchen Be— dingungen kann man der Landwirthschaft die kleinen Opfer zumuthen, welche der Handelsvertrag verlangt? Die Aufhebung des Identitäts«

nachweises würde eine vollständige Kompensation sein, denn die

Landwirthe bekommen jetzt die Garantie, daß sie den Weltmarkt⸗ preis bekommen ö dem vollen Zoll. Das war bisher nicht der Fall; denn im Osten kam der Zoll nicht voll zur Geltung. Daß

1894.

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