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wurden nicht beanstandet. Einvernehmen bestand, den ersten Satz des 5 14765, der von der Prozeß ähigkeit des Ehe⸗ manns in dem Rechtsstreit über die Anfechtungsklage und von der Zulässigkeit der Erhebung der Anfechtungs⸗ klage durch den gesetzlichen Vertreter des geschäfts⸗ unfähigen Ehemanns handelt, mit der in letzterer Hinsicht aus dem Beschlusse zu 5 1474 sich ergebenden Aenderung in die Zivilprozeßordnung zu verweisen. Die Vorschriften des weiten und dritten Satzes des 8 1476 über die Wirkung er ; der Anfechtungsklage sowie über die
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Wirkung einer im Laufe des Rechtsstreits erfolgen⸗ den Anerkennung des Kindes durch den Ehemann wurden mit der Abweichung genehmigt, daß die Zurücknahme der Anfechtungsklage nicht das Erköschen des Anfechtungs⸗ rechts nach sich ziehen soll. Der 8 1477, der den subjektiven Umfang der Rechtskraft eines auf die Anfechtungsklage erlassenen Urtheils regelt, soll in die Zivilprozeß'ordnung eingestellt werden. Die Vorschriften des 8 1478 über die Anfechtung der An— erkenn ung des Kindes sowie die Vorschriften des 8 1479 über die Lösung der Unsicherheit, welche sich ergeben kann, wenn eine Ehefrau sich binnen des Zeitraums von dreihundert Tagen nach Auflösung ihrer Ehe wiederverheirathet und' inner— halb dieser Zeit ein Kind geboren hat, wurden fachlich in der Hauptsache nach dem Entwurf angenommen.
Die Berathung wandte sich sodann dem Titel über die Unterhaltspflicht (88 1480 bis 1496) zu.
Nach dem 8 1480 sind nicht nur Verwandte in gerader Linie, sondern auch Geschwister verpflichtet, einander nach den s5 1481 ff. Unterhalt zu gewähren. Ein Antrag, die gegenseitige Unterhaltspflicht auf Verwandte in gerader Linie zu beschränken, fand die Zustimmung der Kommision. Der sachliche Inhalt der S§ 1431, 1482, welche die Voraus— setzungen des Unterhaltsanspruchs (Bedürftig— keit des Berechtigten, Leistungsfähigkeit des Verpflichteten) näher bestimmen, erfuhr keine Anfechtung. Der 8 1482 Abs. soll jedoch eine Fassung erhalten, welche ergiebt, daß bei einem Streite über die Leistungsfähigkeit die Bewelslast — abweichend von dem Entwurf — insoweit denjenigen trifft, der als unter— haltspflichtig in Anspruch genommen wird, diesem mithin der Beweis seiner Leistungsunfähigkeit obliegt. Gegen die Vorschriften des 5 1483 Abs. 1, 2, welche die Fälle regeln, in denen der Unterhaltsanspruch eines Verwandten mit dem Unterhaltsanspruch eines anderen Verwandten oder eines Ehegatten zusammentrifft, erhob sich kein Widerspruch. Die Beschlußfassung über den Abs. 3, welcher den Fall behandelt, wenn der nach § 14564 einem geschiedenen Ehegatten zustehende Anspruch mit dem Anspruch eines gegen— wärtigen Ehegatten oder mit dem Anspruch von Verwandten zusammentrifft, wurde ausgesetzt, um in Verbindung mit dem zurückgestellten 58 14354 demnächst berathen zu werden. Die Verschriften des 5 1484 über das Verhältniß der Unterhaltspflicht der Verwandten zu der Untexhaltspflicht der Ehegatten gelangten sachlich nach dem Entwurf zur Annahme, ebenso die Vorschriften der s§8 1485, 148tz über die Reihenfolge, in welcher die Verwandten für die Unterhaltsgewährung haften, und über den Umfang der Haftung, wenn mehrere Verwandte zur Unterhaltsgewährung gleich— zeitig verpflichtet sind. Abgelehnt wurde ein Antrag, die Be— stimmung in § 1485 Satz 2, wonach die Mutter vor dem Vater haftet, wenn ihr die elterliche Nutznießung zusteht, durch die Bestimmung zu ersetzen, daß in einem solchen Falle der Vater nur insoweit vor der Mutter hafte, als die Erträgnisse der Nutznießung zur Gewährung des Unterhalts nicht aue⸗ reichen. Ebensowenig fand der Antrag Zustimmung, mehrere neben einander zur Gewährung des Unterhalts Verpflichtete statt nach dem Verhältnisse der ihnen gebührenden Erbtheile dem Berechtigten gegenüber als Gesammtschuldner haften zu lassen. Die Vorschriften des § 1487, wonach ein Verwandter, der zur Gewährung des Unterhalts nicht im stande oder gegen den die Rechtsverfolgung im Inland aus— geschlossen oder erheblich erschwert ist, für die Haftung der übrigen Verwandten nicht in Betracht kommt, wurden mit dem Zusatz genehmigt, daß in dem zweiten Fall der Anspruch, des Bedürftigen gegen den zunächst Verpflichteten auf den in Anspruch genommenen Verwandten übergeht, zum Nachtheil des Unterhaltsberechtigten aber nicht geltend gemacht werden kann. Zu dem 8 1488, der den Inhalt und das Maß der Unterhaltspflicht bestimmt, war beantragt, die Unterhaltspflicht auch auf den Unterhalt des Ehegatten und der minderjährigen unverheiratheten Kinder des Bedürftigen zu erstrecken, soweit dieser seinem Ehegatten Ünd seinen Kindern den Unterhalt zu gewähren ver⸗ pflichtet ist. Ein anderer Antrag ging dahin, dem Abs. 1 des Ss 1488 hinzuzufügen, daß der Unterhalt auch den Unterhalt der mit dem Berechtigten in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehefrau umfasse, sofern sie nicht sich selbst zu unterhalten im stande oder berechtigt sei, von ihren Verwandten die Gewäh⸗ rung des Unterhalts zu verlangen. Die Mehrheit trat jedoch unter Ablehnung der Anträge dem Entwurf bei, der den Unterhalt auf die Bedürfnisse der Person des Berechtigten beschränkt. Im übrigen wurde der 5 1488 nicht beanskaͤndet.
Der 8 1489, welcher für den Unterhaltsanspruch der Geschwister nur die Gewährung des nothdürftigen Unterhalts vorsieht, wurde infolge des zu 8 1480 gefaßten Beschlusses ge⸗ strichen. Nach § 1490 beschränkt sich der Anspruch eines jeden Berechtigten dann auf Gewährung des nothdürftigen Unterhalts, wenn seine Bedürftigkeit auf eigenem sittlichen Verschulden beruht oder wenn er sich gegen den Pflichtigen in einer Weise betragen hat, die diesen zur Entziehung des Pflichttheils berechtigen würde. Unter Ablehnung eines Antrags, die Be— schränkung nur in dem zweiten Falle eintreten zu lassen, stimmte die Kommission dem 1490 zu. Auch die Vorschriften des § 1491 über die Art der Gewährung des Unter⸗ halts gelangten mit einigen nicht erheblichen Aenderungen nach dem Entwurf zur Annahme. Abweichend von dem Entwurf sollen inshesondere die Vorschriften des Abs. 4 und des Abs. 5 auf den Fall beschränkt werden, wenn Eltern ihren unver⸗ heiratheten Kindern Unterhalt zu gewähren haben. Auch soll die Entscheidung über den Antrag eines Kindes, daß ihm der Unterhalt in einer von der Bestimmung der Eltern ab⸗ weichenden Art gewährt werde, nicht dem Prozeß⸗ gericht, sondern dem Vormundschaftsgericht zustehen. Der 8 1491, welcher bestimmt, inwieweit der Berechtigte für die Vergangenheit Zahlung der Geldrente oder Entschädigung wegen Nichterfüllung der, Unterhaltspflicht verlangen kann, wurde unter Ablehnung eines auf Streichung gerichteten An⸗ trags gebilligt.
Die Nr. Z der „Amtlichen Nachrichten des Reichs⸗ Versicherungs amts“ vom 1. März 1894 enthält eine Bekanntmachung vom 5. Februar 1894, betreffend die Berechnung des Kapitalwerths der von der Tiefbau⸗ Berufsgenossenschaft und den Versicherungsanstalten dieser Genossenschaft und der ausschließlich dem Reichs Versicherungsamt unterstellten Baugewerks⸗ Berufsgenossen⸗ schaften zu zahlenden Renten. Ferner sind Ünfall— verhütungsvorschriften der Stein bruchs⸗-Berlufg⸗ genossen schaft für a. Steinbrüche und Gräberelen, b. unter— irdische Betriebe, é. Sprengarbeit, d. Unterhöhlungsarbeiten in Steinbrüchen, e. Unterhöhlungsarbeiten in den im Tagebau betriebenen Krotzenbrüchen, f. Transportbahnen mitgetheilt.
In der „Sonderausgabe der Amtlichen Nach— richten“, Invaliditäts- und Alters versicherung, von demselben Tage wird der Geschäftsbericht des Reichs— Versicherungsamts für das Jahr 1893 veröffentlicht. Außerdem sind darin folgende Revisionsentscheidungen und Bescheide mitgetheilt:
Die nachträgliche Verwendung von Beitrags⸗ marken für Zeiten versicherungspflichtiger Beschäftigung ist zulässig; der Rentenbezug hat alsdann im Regelfalle nach Zurücklegung derjenigen Kalenderwoche zu beginnen, für welche zur Erfüllung der vorgeschriebenen Wartezeit die letzte der nachträglich verwendeten Marken beigebracht ißt.
Der Rentenbewerber ist, nachdem er im Sinne des §z 9 Absatz 3 des Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes dauernd erwerbsunfähig geworden ist, nicht mehr berech— tigt, zur Begründung oder Steigerung seines Anspruchs auf Invalidenrente noch für die dem Ein— tritt der Invalidität vorhergehende Zeit die Selbstversicherung gemäß § 117 a. a. O. nachzu— holen. Die von einem an sich noch versicherungs⸗ fähigen Siebzigjährigen nach Vollendung des siebzigsten Jahres verwendeten Doppel marken sind dagegen für diejenigen Wochen anzurechnen, die unmittelbar auf den Eintritt des Versicherungsfalles, also bei der Altersrente auf die Vollendung des siebzigsten Lebensjahres folgen.
Lohnfuhrwerker, die mit eigenem Wagen und Gespann Fuhren für Dritte leisten und davon ihren Unterhalt be— streiten, unterliegen im allgemeinen nicht der Versicherung gegen Invalidität und Alter.
Die Ueber gangsbestimm ungen des Invaliditäts- und Alterspersicherungsgesetzes finden auch An— wendung aufdie Hausgewerbetreibenden der Taback— fabrikation. Als Zeitpunkt des „Inkrafttretens des Gesetzes“ im Sinne der S8 156 ff. a. a. O. gilt der 4. Januar 1822, der, Tag, des Inkrafttretens des Bundesraths— Beschlusses über die Erstreckung der Versicherungspflicht auf die vorgedachten Hausgewerbetreibenden. Dieser Grundsatz ist auch bei der Vertheilung der Renten gemäß § 1669 a. a. O. als maßgebend erachtet worden.
Der Einspruch gemäß § 90 des Invaliditäts- und lltersversicherungsgesetzes kann nur von derjenigen Ver⸗ icherungsanstalt oder Kasseneinrichtung erhoben werden, welche ich durch die Vertheilung der Rente für belastet hält.
Sachsen. In der Sitzung der Zweiten Kammer vom 27. v. M.
gelangte bei der Berathung des Etats des Ministeriums des Innern, und zwar bei Kap. 53 Gendarmerie— anstalt, die bereits in der Ersten Kammer behandelte Pe⸗ tition von 42 Gemeindevorständen der Umgebung Dresdens, die Unsicherheit des Verkehrs und sonstige Mißstände betreffend, zur Berathung. Die Erste Kammer hatte die Petition, insoweit sie einen allgemeinen Nothruf gegen die Ausschreitungen der Sozial demokratie enthält, der Königlichen Regie— rung zur Erwägung überwiesen und hierbei die Er—⸗ wartung ausgesprochen, daß die Regierung mit allen zulässigen Mitteln dem Umsichgreifen und den Aus— schreitungen der staatszersetzenden Elemente entgegentreten werde. Die Finanzdeputation A empfahl der Zweiten Kammer, diesem Beschlusse voll und ganz zuzustimmen, war jedoch noch weiter gegangen in der Berxücksichtigung des eigentlichen Inhalts der Petitionen, indem sie der Ansicht war, daß da, wo
Ausschreitungen, welche den Landfrieden bedrohten, statt— fänden, die Staatspolizei einzutreten und der Gemeindepolizei zu Hilfe zu kommen habe, und da derartige Ausschreitungen, wie sie in der Umgebung von Dresden stattfanden, auch ander wärts im Lande nicht ausgeschlossen, ja bereits vorgekommen seien, halte sie es für geboten, Abhilfe durch zweckentsprechende Einrichtungen bei der Staatspolizei zu suchen. Hiernach komme es darauf an, der Regierung die Mitkel zu bewilligen, um jeweilig durch Zusammenschluß einer größeren Anzahl von Gendarmen und Enisendung derselben, unter geeigneter Führung in ein gefährdetes Gehiet die Autorität der Obrigkeit zur Geltung bringen, sowie Ruhe und Vertrauen der belästigten und aufgeregten Bevölkerung zurückgeben zu können. Die Deputation habe daher kein Bedenken getragen, dem Antrage der Regierung entsprechend, die Be— willigung eines Berechnungsgeldes in Höhe von 30 000 ½ zu empfehlen, auf das sowohl die Anstellung weiter erforder— lichen Gendarmeriepersonals, sowie dessen Ausstattung, als auch die Gewährung von Auslösung bei Abkommandierungen und sonstige, aus Anlaß erforderlich gewordener Zusammen— ziehungen von Polizei⸗Exekutivorganen in einzelnen Theilen des Landes nothwendige Ausgaben anzuweisen sein würden.
Die Deputation beantragte demgemäß:
„Kap. 53 in den Einnahmen nach der Vorlage mit 13 650 ½ zu genehmigen, in den Ausgaben unter Tit. 21 zur Bestreitung des Auf⸗ wands für außerordentliche Vermehrung der Gendarmerie transitorisch 30 0900 6 mehr, im übrigen aber die Gesammtausgaben von Kap. 55 mit 962 336 6 zu bewilligen.“
Weiter beantragte die Deputation:
Die Petition der Gemeindevorstände der. Umgebung Dresdens, insoweit sie einen allgemeinen Nothruf gegen die Ausschreitungen der Sozialdemokratie enthält, der Königlichen Staatsregierung zur Er⸗ wägung zu überweisen und hierbei die Erwartung auszusprechen, daß die Königliche Regierung mit allen zulässigen Mitteln dem Umsich⸗ greifen und den Ausschreitungen der staatezersetzenden Elemente ent— gegentreten werde, im übrigen aber durch die zu Kapitel 53 gefaßten Beschlüsse für erledigt zu erklären.“
Die Anträge der Deputation wurden mit allen gegen 13 Stimmen angenommen.
Sir W. Harckurt für den Posten des Premier-Mini
Württemberg.
Dem Präsidium des ständischen Ausschusses ist, wie der St.⸗A. f. W.“ mittheilt, der Entwurf eines Gesetzes wegen Abänderung einiger Bestimmungen der Gesetze über die Volksschulen vom 29. September 1836, vom 6. No⸗ vember 1858 und vom 22. Januar 1874, sowie des e ef vom 30. Dezember 1877 über die Rechtsverhältnisse der Volksschullehrer zur weiteren Behandlung zugegangen.
Braunschweig. Seine Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von
Preußen Regent des Herzogthums Braunschweig, sist von Schloß Reinhardshausen wieder in Braunschweig ein—
getroffen. ; ;
Der Landtag trat, wie der „Hann. Cour.“ berichtet, vor⸗ gestern in seiner ersten Sitzung nach der im Februar er⸗ folgten Vertagung in die Berathung des Berichts der Finanz— kommission über den Etat der Herzoglichen Kammerkafsfe vom 1. April d. J. bis ult. Maͤrz 1896 ein. Für die Finanz⸗ periode 1890/92 war der an die n, ,, abzuliefernde Ueberschuß mit 2 000000 6 eingestellt, wä hrend der wirkliche Ueberschuß 2 945731 , also nahezu eine Million über den Voranschlag, betragen hat. In dem Bericht der Finanz- kommission ist ausgeführt, wie die Reinerträge des Kammer⸗ vermögens in den letzten zwanzig Jahren gestiegen sind.
Elsasz⸗Lothringen.
In der vorgestrigen Sitzung des Landes ausschusses wurde der vom Abg. Köchlin und Genossen eingebrachte Initiativ— gesetzentwurf über die Besteuerung des Bergwerkeigen— thums nach Begründung durch den genannten Abgeordneten und einer kurzen Debatte der vierten Kommission überwiesen. Zweck des Entwurfs ist, neben der Bergwerksteuer eine Be— steuerung des verliehenen Bergwerkeigenthums in den Fällen einzuführen, in denen ein Jahr nach der Verleihung die Inbetriebsetzung noch nicht erfolgt ist. Nächstdem wurden die Etats der Verwaltung für Handel und Ge— werbe, der Landwirthschaft und der Forstverwaltung mit Ausnahme der an die Spezialkommission über wiesenen Positionen in zweiter Lesung den Kommissionsanträgen ent— sprechend angenommen. Dem Abg. Bägert wurde vom Regierungsvertreter wohlwollende Erwägung seines Wunschet auf,. Einführung einer periodischen Nachaichung der Wein— gefäße ꝛc. zugesagt und auch dem Antrag des Abg. H öff el auf Einführung einer fortlaufenden Statistik der Tuberkulose beim Vieh vom Unter-Staatssekretär von Schraut thun— lichste Berücksichtigung zugesichert.
Oefterreich⸗ Ungarn.
ir Minister des Auswärtigen Graf Käl noky hat sichM,
8. T. B.“ meldet, gestern Abend nach Buda pest be— geben, woselbst morgen ein gemeinsamer Ministerrath über die österreichisch⸗russischen Handelsvertrags⸗ verhandlungen abgehalten werden wird. An den Berathungen werden auch die beiderseiligen Handels— und Ackerbau⸗Minister theilnehmen. Wie die „Poli⸗ tische Korrespondenz“ meldet, hat Graf Kälnoky bei seinem vorgestrigen Gegenbesuch bei dem serbischen Minister-Präsidenten Simie auch die Gerüchte über die militärischen Vorkehrungen in Kroatien und Slavonien erwähnt und bestimmt erklärt, daß sie durchaus unbegründet seien; für Oesterreich-Ungarn liege keinerlei Anlaß zu der⸗ artigen Maßnahmen vor.
In der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses erklärte in Beantwortung der Interpellation wegen der De fraudation bei der Staatsschuldenkasse der Finanz Minister Dr. von Plener: der ehemalige Hauplkassierer Ferles habe es verstanden, alles zu verbergen, was Mißtrauen zu er⸗ regen geeignet gewesen wäre. Die Leitung eines Kaffeehauses durch die Frau, eineg Kassenbeamten sei unzuläsfig; von einem zweckwidrigen Vorgehen der Kontrolorgane sei keine Rede. Die schuldigen Beamten würden zur Verantwortung gezogen werden. Der Abg. March et (deutsch⸗liberal) inter⸗ pellierte die Regierung über das Verhalten, das sie gegenüber dem Ansinnen Frankreichs bezüglich der Gewährung von Wein— zollbegünstigungen zu beobachten gedenke.
Meldungen aus Prag zufolge ist gegen mehrere czechische Mittelschüler Untersuchung eingeleitet worden, weil sie verdächtig seien, Zettel hochverrätherischen Inhalts ver— breitet zu haben; zwei Schüler wurden verhaftet.
In Budapest veranstalteten gestern über tausend Studenten Kundgebungen vor dem Hause des Grafen Apponyi und vor der Redaktion des „Pesti Naplo“, woselbst sie Exemplare dieses Blattes verbrannten. Die Studenten zogen hierauf vor das Haus des liberalen Klubs und acclamierten dem Präsidenten des Klubs Podmanitzky sowie dem Justiz⸗ Minister von Szilagyi. Letzterer erklärte: „Wir werden trotz aller Anfeindungen tapfer ausdauernd für die Kirchen— reformen kämpfen.“ Sodann brachte der Minister ein „Eljen“ auf den Sieg aus, das mit stürmischem Beifall aufgenommen wurde. Die Studenten gingen unter fortwährenden Eljenrufen auseinander.
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Grosßbbritannien und Irland.
Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ waren der Premier⸗Minister Gladstone und Gemahlin gestern zum Diner bei der Königin in Windsor. Die Königin habe die Entlassung Gladstone's angenommen und dieser die Wahl des Earl of Rosebery zu seinem Nachfolger em— pfohlen. Lord Rosebery sei bereit, den Posten des . Ministers anzunehmen und zu heute nach Windsor ge⸗ laden worden. Man glaube, daß nur zwei Veränderungen im Kabinet eintreten würden. Der heutigen „Times“ zufolge hätte die ärztliche Untersuchung ergeben, baß Gladstone sich wahrscheinlich einer Staaroperakion werde unterziehen müssen. .
Der Abg. Labouch«re hat an den offiziellen Sekretär der liberalen Partei Majoribanks ein Schreiben gerichtet, worin er hervorhebt, die Liberalen sowie die Radikalen seien entschieden gegen die Ernennung eines Pairs zum , das Haus der Gemeinen büße durch eine Abwesenheit des Premler-Ministers an Würbe ein; den Volksvertretern fehle die Kontrole über die Exekutive, falls der Regierungschef nicht unter ihnen sei. Labouchére klagt ferner Jarüber, daß die Partei über die Wahl eines Parteileiters nicht befragt worden, fei und empfiehlt ö
ters.
Frankreich.
Der Prinz von Wales traf gestern in Paris ein und stattete, wie W. T. B.“ berichtet, Mittags dem Präsidenten Carnot einen Besuch ab, den dieser später erwiderte. .
Die außerparlamentarische Marinekommission beschloß, nächsten Dienstag eine Abordnung nach Toulon zu entsenden, welche die Frage, betreffend die Torpedoboote, sowie den Zustand des Panzerschiffs „Magenta“ untersuchen soll. . beschloß die Kommission, infolge eines in der gestrigen
itzung vorgekommenen Zwischenfalls wegen der Reparaturen des Kreuzers „Cecille“, eine Unterkommission mit der Unter— suchung über diese Angelegenheit zu beauftragen.
Gestern Vormittag wurden in Paris 22 Anarchisten verhaftet, darunter zwei Deutsche.
Rußland.
Die Besserung in dem Befinden des Ministers des Aus— wärtigen von Giers ist, wie „W. T. B.“ aus St. Petertz⸗ burg erfährt, so weit vorgeschritten, daß nunmehr keine Bulletins mehr ausgegeben werden.
Italien. .
Nachdem, wie ‚W. T. B.“ berichtet, in der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer die Interpellanten ihre Repliken fortgesetzt und beendigt hatten, sprachen noch zahlreiche andere Deputirte, die in die Liste der Redner zu den von Crispi abgegebenen Erklärungen der Regierung eingetragen waren.
Der Papst empfing gestern Mittag anläßlich der Feier seines Geburtsfestes und seiner Krönung das Heilige Kollegium und erwiderte auf die vom Kardinal Monach La Valletta zum Ausdruck gebrachten Wünsche:
Am Abend unseres Lebens stehend, werden wir uns gleichwohl bis zum letzten Tage der Aufgabe widmen, den wohlthätigen Einfluß der Kirche allgemein zum Bewußtsein zu bringen. Das Bedürfniß darnach ist ein um so größeres, als die Begriffe von Recht⸗ schaffenheit und Gerechtigkeit, Autorität und Freiheit und von den sozialen Rechten und Pflichten auf den Kopf gestellt worden sind. Die Kirche ist daher bestrebt, bei den Nationen die Grundsätze des Glaubens und der Moral zu festigen, die wahren Ursachen der bestehenden Uebel zu zeigen, die reimaurerischen Pläne aufzudecken, die nützlichen Einrichtungen mit der Wahrheit und Gerechtigkeit in Einklang zu bringen, im christlichen Familien leben aller Gesellschaftsklassen den Sinn für Billigkeit und Nächstenliebe, unter den herrschenden Klassen den Sinn für Lauterkeit, unter den Völkern den Sinn für Unterthänigkeit und bei Allen das Verlangen nach dem von Gott kommenden Frieden zu wecken. Ebenso stellt sich die Kirche, die Aufgabe, die Studien durch die Regeln der christlichen Weisheit zu läutern, wie dies in der jüngsten Encyklika über die Aus legung der heiligen Schriften geschehen ist. Wir flehen, daß die durch das Wirken der Kirche ausgestreute Saat eine reichliche Ernte geben möge, und ertheilen Euch als Unterpfand hierfür unsern Segen.“
Der Papst, der sich des besten Wohlseins erfreut, hielt diese Rede ohne Zeichen von Ermüdung.
Die in Rom zum Generalkapitel versammelte Kon— gregation der Redemptoristen wählte den luxem— burgischen Pater Matthias Reus, welcher seit dem Tode des General-Superiors Mauron die Funktionen eines General— Vikars ausübte, zum General-Superior.
Serbien.
Die „Politische Korrespondenz“ meldet aus Belgrad, in dortigen Hofkreisen verlaute, der König Milan beabsichtige im Laufe des Monats März nach Paris zurückzukehren.
Bulgarien. Die „Agence Balcanique“ bezeichnet die Meldung mehrerer
Blätter üher eine im April beabsichtigte Reise des Prinzen und der Prinzessin Ferdinand von Sachsen⸗-Coburg nach Abbaziag als unrichtig. In kompetenten Kreisen sei von einem solchen Reiseprojekt nichts bekannt.
Amerika.
In Paris eingetroffenen Meldungen aus Buenos Aires zufolge, wären die brasilianischen Aufständischen von Rio Grande bei Sarandi geschlagen worden. Vierhundert Mann seien gefallen und zahlreiche Gefangene gemacht worden.
Aus Montevideo wird gemeldet: Angesichts des negativen Lesultats der Präsidentenwahl hat der Senats-Präsident Duncan Stewart provisorisch die Präsidentschaft übernommen. Die Kammern traten vorgestern Abend behufs Wiederholung des Wahlganges zusammen. In diesen wurde, wie das „Reuter'sche Bureau“ erfährt, Dr. Joss Ellauri mit 54 Stimmen zum Präsidenten ge⸗ wählt. Dieser lehnte aber die Wahl ab, und der Kongreß vertagte sich bis heute. Zwischen der Polizei und den An⸗ hängern Taje's ist es zu einem Zusammenstoß ge⸗ e, ,,. wobei eine Person getödtet und fünf verwundet wurden.
Asien.
Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Kalkutta von gestern, es verlaute, daß der feindliche Aborstamm, gegen den jüngst eine Expedition nach der Nordostgrenze gesandt worden war, den in Bordax zurückgelassenen Posten von 15 Sepoys und eine gleiche Anzahl der im Lager zurück⸗ gelassenen Angehörigen niedergemacht habe.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tags befindet sich in der Ersten, der Bericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten in der Zwelten Beilage.
— In der heutigen (62.) Sitzung des Reichstags stand auf der Tagesordnung die zweite Berathung des Ent⸗ wurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichs⸗ haushalts-Eta ts für das Etatsjahr 1894195. Die Be—⸗ rathung sollte fortgesetzt werden bei dem Ctat für Die r , when Reichsheeres, und zwar mit dem Kapitel 18: Militär⸗Ju . Auf Antrag des Abg. Gröber wurde jedoch beschlo sen, zunächst in die Berathung des Extraordina⸗ riums einzutreten, weil die für dasselbe bestellten Referenten in der nächsten Heit voraussichtlich verhindert sein werden, ihrer Referentenpflicht zu genügen. Das Wort erhielt zunächst der Abg. Gröber, um uͤber die Verhandlungen in der Kom— mission zu berichten.
(Schluß des Blattes.)
— In der heutigen 27. Sitzung des Hauses der Abge⸗ ordneten, welcher der Staats-Minister Pr. Bosse mit Kommissarien beiwohnte, wurde die Spezialberathung des
Etats des Ministeriums der geist lichen 26. Angelegen⸗ heiten bei der Position „Gehalt des Ministers“ weiter fortgesetzt.
Abg. Dr. Sattler (l.): Herr Stöcker nahm die , die Namen derjenigen zu nennen, die nachher den von ihnen mit— gemachten Sturm gegen das Schulgesetz bereut haben, anscheinend übel; ich wollte seinen Worten dadurch, daß er Namen nannte, nur einen tieferen Inhalt geben, denn fonft wiegen solche Andeutungen, wie er sie gemacht hat, federleicht. Die liberale Gesetzgebung, die Herr Stöcker beklagte, haben die meisten Konservativen unter dem Fürsten Bismarck mitgemacht. Die Wiedervorlegung des Zedlitz 'schen Volksschulgesetzes hat Herr Stöcker noch für diese Session verlangt; die Konservativen haben das bei den Wahlen niemals gefordert, sondern sie haben ein Schulgesetz für später ver⸗ langt, aber von dem Zedlitz'schen Entwurf haben sie nicht gesprochen. Warum hat Herr Stöcker nicht vor den Wahlen seine Worte über die Lehrer gesprochen? Herr Porsch hat die Ärt des Scheiterns des Volkeschulgesetzes bellagt. Wenn ein Fehler gemacht worden ist, so ist er bei der Einbringung des Gesetzes gemacht, und als seine Folgen hervortraten, da nahm die Krone ihr hohes Vorrecht wahr und warf, wie Hobrecht sich ausdrückte, den weißen Stab zwischen die streitenden Parteien. In wirthschaftlichen Fragen ist das Zentrum gespalten, aber die Gunst der Stunde ift für das Zentrum. Während im Reichstag der russische Handelsvertrag verhandelt wird, kommt hier der Kultus⸗Etat zur Verhandlung und bietet dem Zentrum Gelegenheit, seine Generalforderungen anzumelden und seine Noth⸗ wendigkeit für die Wahrung der katholischen Intereffen za bekunden. Was Herr. Bachem über die Imparität gesagt hat, hat sich vielfach schon als irrthümlich erwiesen. Daß die Katholiken nicht in staat⸗ liche Stellungen gehen, liegt an der ganzen Anschauungsweise der Katholiken, denn danach ist der Staat ein unvoll— kommens Gebilde und soll dazu ausgestaltet werden, daß er die Befehle der Kirche vollzieht. (Widerspruch im Zentrum.) Das sollten die Herren Bachem und Fuchs wissen, daß die Herren das leugnen! Ist es da nicht natürlich, daß die Katholiken nicht gern dem paritätischen Staate dienen? Das Zentrum verlangt eine Schonung seiner Gefühle; solche Gefühle haben wir auch; schonen Sie unsere Gefühle! Wir halten die ganzen Orden für eine An⸗ griffsorganisation gegen den Protestantismus; also verlangen Sie nicht die Rückberufung der Orden. Daß die Zustände des pol⸗ nischen Privatunterrichts nicht erträglich waren, mag richtig sein, aber dann sollte der Minister nicht ein neues Experiment machen, sondern zu dem früheren Zustand zurückkehren. Bezeichnend ist doch, daß die Polen mit der neuen Maßregel zufrieden sind, daß sie die Ausdehnung derselben auf Westpreußen und Oberschlesien ver⸗ langen. Diesem allgemeinen Ansturm wird schließlich der Minister nicht widerstehen können. Die früheren Minister wehrten sich gegen eine Einführung des polnischen Unterrichts in die Schule, gegen die Aufwendung staatlicher Mittel dafür. Der fakultative Unterricht wird ebenso sich gestalten wie ein obligatorischer. Mit diesem Zugeständniß wird allgemein die veränderte politische Haltung der polnischen Abgeordneten in Zusammenhang gebracht, trotz aller gegentheiligen Versicherungen des Ministers. Es scheint ein Unstern über diesen Dingen zu walten, daß jeder Minister einen neuen Versuch macht, damit der spätere Minister sich von der Erfolglosigkeit
überzeugt. Wir haben keine feste dauernde nationale Politik gehabt.
Eine Bevölkerung fühlt sich besser unter einer gerechten, wenn auch harten Regierung, als unter so schwankenden Verhältnissen.
Abg. Knörcke (fr. Vp.) hält die Klagen der Polen zum theil für berechtigt und bemängelt die Verschiedenartigkeit der Ferien in den Volksschulen und den höheren Schulen, die vielen Familien, welche Kinder in beiden Schulen haben, Unbequemlichkeiten bereite. Daß die Lehrer von den Gemeinden in die Schulvorftände gewählt werden sollen, sei allgemein als berechtigt anerkannt; der Minister sollte nun auch seine Autorität geltend machen, daß die Gemeinden danach verfahren. Wenn in Berlin schon danach verfahren wäre, würden manche Miß⸗ verständnisse und Schwierigkeiten vermieden worden sein. Auch die Schulaufsicht soll möglichst den seminaristisch gebildeten Personen übertragen werden. Daß Herr Sattler den Standpunkt des Ministers tadelt, weil die Polen damit zufrieden sind, kann man nicht als richtig bezeichnen. Denn es kann doch nicht die Aufgabe der Verwaltung sein, die Polen unzufrieden zu machen. Die Zufriedenheit wird die Polen veranlassen, sich dem Staat enger anzuschließen. Das Schulgesetz wird von Herrn Stöcker noch für die gegenwärtige Legislaturperiode verlangt. An und für sich wünscht Redner ein solches Gefetz auch, aber er fürchtet, daß schon ein bloßes Dotationsgesetz großen Schwierigkeiten be— gegnen werde. Nothwendig sei, aber eine Feststellung der Lehrergehälter, die zum großen Theil ungenügend seien. Daß die Geistlichen nicht für die Schulaufsicht qualifiziert seien, behaupte niemand; aber die Volksschullehrer seien es ebenfalls und deshalb sollte man sie auch zu Kreis-Schulinspektoren und Schulräthen machen, das würde der Entwickelung der Schulen nur förderlich sein. Den Lehrern mache man allerlei Vorwürfe, daß sie die Schule entchristlichen wollten ꝛc. Dem widerspreche der Ausspruch eines Führers der Lehrerschaft auf einer Lehrerversammlung; unter lebhaftem Beifall habe dieser gesagt: Die deutschen Lehrer wollen den Religionsunterricht in der Schule behalten. Wenn der Minister Gerechtigkeit und Wohlwollen nach allen Seiten walten laffe, dann werde seine Verwaltung dem Vaterlande zum Segen gereichen.
Im weiteren Verlauf der Berathung, über welche wir in der Montagsnummer berichten werden, nahmen bis zum Schluß des Blattes noch der Minister der geistlichen 2c. An⸗ gelegenheiten hr. Bosse, sowie die Abgg. Riesch (fr. kons.), Johagnnsen (Däne), Graf zu Limburg-Stirum (kons.), Dr. Porsch (Zentr), Dr. von Heydebrand und der Lasa
(kons. und Dr. Dittrich (3entr.) das Wort.
— Die XIII. Kommission des Reichstags zur Vorberathung des Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen dem Reich und Ruß land besteht aus folgenden Abgeordneten: Dr. Ham- macher, Vorsitzender; Freiherr von Stumm-Halberg, Stellvertreter des Vorsitzenden; Dr. Bachem, von Salisch. Schippel, Schriftführer; Aichbichler, Ancker, Dr. von Bennigsen, Freiherr von Buol⸗Beren⸗ berg, Dr. von Frege, Freiherr von Hammerstein, Dr. Freiherr Heere⸗ man von Zuydwyk, Herbert, Holtz, von Kardorff, Klose, von Koscielski, Lenzmann, Dr. Lieber (Montabaur), Lotze, Freiherr von Manteuffel, Graf von Mirhach, Möller (Dortmund), Rickert, Schultze (Königs⸗ berg), Schulze ⸗ Henne, Weber (Bayern), Weidenfeld.
— In der heutigen ersten Sitzung der Kommission zur Berathung des Handelsvertrags mit Rußland wurde sofort in die Berathung des Artikels 1 des Vertrags eingetreten, der nach längerer Diskufsion über die etwaige Verstärkung der Einwanderung russischer Juden mit 13 Stimmen (Nationalliberale, Centrum, Freifinnige, Sozialdemokraten, Polen und Freiherr von Stumm) gegen 8 Stim men (der Konser⸗ pativen, Reformpartei, der Abgg. von Kardorff und Holtz von der Reichspartei und des Abg. Aichbichler vom Zentrum) an“ genommen wurde. Bei der Abstimmung fehlten: vom Zentrum die Abgg. Lieber, von Heereman, Weber und Klose; von den Konservativen Abg. Frege, von den Sozialdemokraten die Abgg. Schultze und Herbert. — Zur Debatte gelangte sodann Artikel 3 welcher von den Erwerbsbefugnissen der beiderseitigen Staats- angehörigen handelt. Nach längerer Diskussion wurde der Artikel mit 12 gegen 9 Stimmen angenommen. Welter wurden Artikel 3. 4 und H, leßzterer mit 13 gegen 9 Stimmen ange—⸗ nommen, ebenso Artikel 6, welcher von der gleichartigen Behandlung der Boden und Gewerbeerzeugnisse handelt. Ueber 6 7, welcher Bestimmungen über die Verzollung enthält, wurde die Abstimmung ausgesetzt. Artikel 8 (Gleichartige Belastung durch innere Abgaben), 9. (Ausgangsabgaben). 10 (Abgabenbefreiung des Transithandelsz, 11 (Ausnahmebestimmungen) und 12 (Behandlung der Kauf⸗ leute u. s. w. bei Ausübung ihres Geschäfts; wurden ohne Debatte angenommen und die Berathung der weiteren Artikel
, um das Schlußprotokoll in Diskussion zu ziehen. Von diesem wurden die ersten 13 Punkte angenommen, dar⸗ unter die Bestimmung, daß Rußland bei Zolljahlungen deutsche Gold= münzen durch die Zollämter annehmen läßt und zwar 100 Gold als Gegenwerth von 308 Rubel Gold. —Die Fortsetzung der Debatte wurde sodann auf Montag vertagt.
— In der Kom mission des Reichstags zur Berathung der vom Zentrum beantragten Novelle zur Konkursordnung wurden gestern die K Paragraphen in folgender Fassun angengmmen: F 208 f. Nach Beendigung des Konkursverfahren i die Wiederbefähigung zu ertheilen, wenn der Gemeinschuldner nach⸗ weist, daß sämmtliche in dem Konkursverfahren angemeldete Forde⸗ rungen der Konkursgläubiger an Hauptsumme, Zinfen und Kosten durch Zahlung, Erlaß oder in anderer Weise vollständig getilgt sind. Ist in dem Verfahren ein Zwangsverglesch zu stande gekommen, so muß der Nachweis geführt werden, daß die nach dem Vergleich zu be⸗ friedigenden Forderungen der Konkursgläubiger durch Zahlung oder in anderer Weise vollständig getilgt sind. 5 208 g. Zur Gr einen der Wiederbefähigung ist das Konkursgericht zuständig, welches die Eröffnung des Konkursverfahrens bezw. wegen mangelnder Konkurs⸗ masse die Ablehnung der Konkurseröffnung verfügt hat. Der Gemein⸗ schuldner hat mit dem Gesuch um Ertheilung der Wiederbefähigung die Quittungen der Gläubiger und die fonstigen Beweisstücke dem Gericht einzureichen und, soweit er die Befriedigung einzelner seiner Gläubiger nicht nachzuweisen vermag, den Besitz der zur Befriedigung dieser Gläubiger hinreichenden Mittel darzuthun. Daß Gesuch ist den Gläubigern, deren Aufenthalt bekannt ist, mitzutheilen und außerdem öffentlich bekannt zu machen, daß jeder Gläubiger das Gesuch auf der Gerxichtsschreiberei einsehen und, falls er fär sein Guthaben noch nicht vollständig besriedigt ist, binnen zwei Monaten Einspruch gegen die Ertheilung der Wiederbefähigung erheben kann. § 268 h. Nach Ablauf der Frist hat das Gericht die erforderlichen Erhebungen durch Vernehmung des Gemeinschuldners und der Einspruch erhebenden Gläubiger vorzunehmen und über das Ge⸗ such durch Beschluß zu entscheiden. Gegen den Beschluß ist die so⸗ fortige Beschwerde unter entsprechender Verwendung des § 147 zu⸗ lässig. Wird dem Gesuch stattgegeben, so ist der Beschluß öffentlich bekannt zu machen und, sofern der Gemeinschuldner ein zur Führung von Handelsbüchern verpflichteter Kaufmann ist bezw. war, der Be hörde für die Führung des Handelsregisters mitzutheilen. Wird das Gesuch verworfen, so kann der Gemeinschuldner dasfelbe nicht vor Ablauf von zwei Jahren seit der Abweisung des Antrages wiederholen. S 2081. Die Kosten des Verfahrens hat der Gemeinschuldner zu tragen, soweit dieselben nicht durch den unbegründeten Einspruch eines Gläubigers verursacht sind, in welch' letzterem Falle die Kosten des Einspruchs⸗ verfahrens dem mit seinem Einspruch abgewiesenen Gläubiger zur Last fallen. 5 208 4. Die Wiederbefähigung tritt ohne gerichtliche Ent⸗ scheidung in allen Fällen ein mit dem Ablauf von fünf Jahren, vom Tage der Eröffnung des Konkursverfahrens bezw. vom Tage der Ab— lehnung der Konkurzeröffnung wegen mangelnder Konkursmasse an ge⸗ rechnet, mit dem Ablauf von zehn Jahren im Fall des § 2066 Abs. l, und wenn der Gemeinschuldner wegen betrügerischen Bankerutts bestraft ist. — 5210 erhielt folgende Fassung: Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen ein⸗ fachen Bankeruttßz mit Gefängniß bestraft, wenn sie 1) durch übermäßigen Aufwand, durch Spiel oder Wetten übermäßige Summen verbraucht haben oder schuldig geworden sind, 2) aus Leichtsinn ihren Erwerbsbetrieb vernachlässigt haben, 3) obwohl sie ihre Ueberschuldung kannten, Vermögensstücke von erheblichem Werthe um Schleuderpreise veräußert, Waaren von erheblichem Werthe auf Borg gekauft, um dieselben zu verpfänden oder zu geringeren Preisen als den laufenden Marktpreisen wieder zu verkaufen oder an Zahlungs⸗ statt hinzugeben, Wechselreiterei getrieben oder ähnliche, den Gläubigern verderbliche Mittel angewendet haben, um sich Gelder oder Geldwerthe zu verschaffen; 4) Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder dieselben verheimlicht, vernichtet oder so unordentlich geführt haben, daß sie keine Uebersicht ihres Vermögenszustandes gewähren, oder 6) es gegen die Bestimmung des Handelsgesetzbuchs unterlassen haben, die Bilanz ihres Vermögens in der vorgeschriebenen Zeit zu ziehen; 6) durch Differenzhandel mit Waaren oder Börsenpapieren übermäßige Summen verbraucht baben oder schuldig geworden sind.“
— Von den Abgg. Hr. Osann, Dr. Paasche und Möller (Dortmund) (nl.) ist im Reichstag folgende Interpellatkon ein- gebracht worden: Durch Satz 2 und 3 des ersten Absatzes des 5 120 des Gesetzes vom 1. Juni 1891 ist der Fortbildungsunterricht an Senntagen nur gestattet, wenn die Unterrichtsstunden so gelegt werden, daß die Schüler nicht gehindert werden, den Haupt-Gottesdienst oder einen mit Genehmigung der kirchlichen Behörden für ie eingerichteten besonderen Gottesdiensft ihrer Konfession zu besuchen. Aus⸗ nahmen sind für nicht obligatorische Fortbildungsschulen bis zum 1. Oktober 1894 gestattet. Die Unterzeichneten fragen hierdurch an: N Erkennen die verbündeten Regierungen an, daß nach den an vielen Orten hervorgetretenen Schwierigkeiten vom 1. Oktober 1894 an der Fortbestand und die gesunde Entwickelung der für den gewerblichen Mittelstand unentbehrlichen Fortbildungsschulen * in vielen Theilen Deutschlands ernstlich gefährdet ist? 3) Beabsichtigen die verbündeten Regierungen noch in dieser Session dem Reichstag eine Gesetzes vorlage zu unterbreiten, welche diefe Gefährdung des Fort⸗ bildungsunterrichts an Sonntagen bef
beseitigt, ohne die religiöfen Inter⸗
essen zu schädigen? — Aus Königs berg i. Pr. meldet ein Wolff'sches Telegramm: In einer gestern abgehaltenen Versammlung der Wähler des Reichs“ tagswahlkreises Königsberg (Land) Fischhaufen hiest der Abge⸗ ordnete Graf Dönhoff Friedrichstein einen Vortrag, in welchem er für den deutsch-russischen Handelsvertrag eintrat. Es wurde darauf von der Versammlung eine Entschließung angenommen, die den Grafen Dönhoff von einem Versprechen, gegen den Vertrag zu stimmen, entbindet und ihm bei der Abstimmung im Reichstag freie Hand läßt.
Theater und Mufik.
Residenz⸗Theater.
Gestern Abend wurde der Schwank Vermischte A nzeigen“, nach dem Französischen des R. Drey fuß bearbeitet von Marim klian Kern, auf dieser Bübne zum ersten Mal gegeben Und von den Zuschauern freundlich aufgenommen. Das durch eine in falsche Dãnde gerathene. Zeitungsanzeige hervorgerufene Mißderständniß, welches einem leichtsinnigen Lebemann Veranlaffung glebt, an der Tugend einer jungen Frau zu zweifeln, hat viele komische Situativnen zur Folge, die noch verwickelter werden dadurch, daß der Ede— mann der für ledig gehaltenen Dame während ihres Gesprächs unerwartet dazu kommt und nun selbst glaubt, ein Recht n baben, an der Treue seiner Gattin zweifeln zu können. 3u allgemeiner Befriedigung klärt sich jedoch bald alles auf und auch dem Gatten, welcher hinter dem Rücken seiner Frau auf Abwege ge- rathen war, wird von der Gattin gegen das Versprechen der Besserung die erbetene Verzeihung bewilligt. In der Rolle der jungen Frau Leonie Fourinet entwickelte Fräulein Forten viel Anmuth, während ihr Kammermädchen Juliette von Fräulein Brock mit ansprechendem Dumor gegeben wurde. Die Verlegenheiten des jungen Ebemanncg Verrn Fourinet kamen in der geschickten Darstellung des Serrn Aderer gut zur Geltung. Herr Paggv bewies durch die gelungene Charak- terisierung des abgewiesenen Versuchers don neuem fein Talent ür komische Rollen
Ver darauf folgende Schwank Der Maskenball (vegkone) von Alerander Bisson und Albert Carrs. dent sch von Benno Jacobson, versetzte durch seine übermüthige Laune, wie allabendlich seit der ersten Aufführung, die Juschauer in andauernde