1894 / 54 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Hundesrath General⸗ Lieutenank von Spitz: Bis fe t U. Anträge der Kommando⸗ behörden oder der Feldpröpste auf Vermehrung der Militärgeistlichkeit nicht abgelehnt werden. Die erwähnte Härte für die in ein Zivilamt übertretenden Geistlichen besteht allerdings; ihre Abstellung auf dem Verwaltungs wege hat sich als undurchführbar erwiesen. oh haben die Geistlichen durch die Bildung einer Genossenschaft eine be⸗ ö Lösung angebahnt.

ach einer kurzen Erwiderung des Abg. Schall wird das Kapitel bewilligt, und um Si, Uhr die Fortsetzung der Berathung auf Sonnabend 2 Uhr vertagt.

Nr. 9 der Versffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 28. Februar hat folgenden Inhäst: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten Cholera, In— fluenza u. s. w.). Zeitweilige Maßregeln gegen Cholera ꝛc. Gesetzgebung u. s. w. Sachsenj. Einfuhr von Nutz⸗ und Zucht⸗ rindern. (Baden). Typhus. (Bremen). Desinfektion bei an— steckenden Krankheiten. (Oesterreichsl. Einsendung von Wasser⸗ roben. (Deutsch⸗Ostafrika). Quarantäne⸗-Ordnung' Gang der hierseuchen im Deutschen Reich, Januar. Besgl. in Groß⸗ britannien, 1. Oktober bis 30. Bezember. Desgl. in Norwegen, viertes Vierteljahr. Zeitweilige Maßregeln gegen Thierfeuchen.

Deutsches Reich Bayern, Sachsen, Württemberg. Baden, Elsaß⸗

othrigen Preuß. Reg.-Bez. Aachen, Trier, Lübeck, Niederlande). Rechtsprechung. (Landgericht Lisfa). Thierheilmittel. Ver⸗ handlungen von gesetzgebenden Körperschaften., Vereinen, Kongressen u. s. w. XI. internationaler medizinischer Kongreß. (Preußen). Staatshaushalts⸗Etat 1894/95. Vermischtes. (Deutsches Reich Desterreich Ungarn). An der Grenze wohnhafte Medizinalpersonen. (Oesterreich. Wien). Wohnverhältnisse nach der Volkszählung von 1890. . Geschenkliste. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt, und Landbezirken. Witterung.

Nr. 9 des Zentralblatts der Bauperwaltung“, herausgegeben im Ministerium der ö5ffentlichen Ar— beiten, vom 3. März hat folgenden Inhalt: Gutachten der Akademie des Bauwesens, betreffend den Entwurf zur Westfront des Domes in Metz. Nichtamtliches: Die Preishewerbung um Entwürfe für ein Rathhaus in Elberfeld. III. Seibt'sche Schlauchwage für Brücken— prüfungen. Wettbewerb für ein städtisches Amtshaus in Nürnberg. Verstärkte Bauart von Sinkstücken. Vermischtes: Eröffnung der Linie Cardcas— Valencia. Ehrenbezeugung. Evangelische Kirche in Usedom. Hauptversammlung des Vereins deutscher 1 Lorenz Ritter's Radierung ‚Nürn⸗ erg vom Marktplatz aus.. Neue Patente.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Veranlaßt ein Geschäftsvermittler seinen Auftraggeber durch die betrügliche Vorspiegelung, daß er von seiner Provision an andere Personen, welche auf das Zustandekommen des Geschäfts einen Einfluß ausüben können, abgehen müsse oder durch die Vorspiegelung, daß dem Zustandekommen des Geschäfts noch Schwierigkeiten entgegenstehen, zu dem Versprechen einer erhöhten Provision, so ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, VI. Civilsenats, vom 23. November 18953, im Gebiete des Preußischen Allgemeinen Landrechts dieses Versprechen wegen Betrugs anfechtbar.

Die dem vertragsmäßig als Leiter der Filiale einer Aktiengesellschaft Angestellten von der Aktiengesellschaft ertheilte Vollmacht zur Geschäftsführung ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, J. Civilsenats, vom 25. November 1893, zu jeder Zeit widerruflich und eine diese Widerruflichkeit ausschließende Vereinbarung ist unverbindlich, unbeschadet des Entschädigungsanspruchs des Entlassenen aus dem Vertrage.

Entscheidungen des Königlichen Ober⸗Berwaltungs⸗ gerichts.

Erhebt in Preußen die vorgesetzte Provinzial⸗ oder Zentral— behörde bei gerichtlichen Verfolgungen von Beamten wegen Amtsvergehen den Konflikt, weil sie glaubt, daß die Belastungs— zeugen unglaubwürdig seien und dem Beamten eine Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse nicht zur Last falle, so gehört nach einem Urtheik des Qber⸗Verwaltungsgerichts, J. Senats, vom 9. Dezember 1893, die Prüfung der Beweisfrage mit zur Zuständigkeit des zur Entscheidung über den Konflikt berufenen Ober-Verrzaltungsgerichts. Zweifellos hat sich der Angeschuldigte bei der ihm zur Last gelegten

andlung in Ausübung seines Amts befunden; die Handlung bft würde

ch, wenn erwiesen, als eine nach 5 349 Strafgesetzbuchs strafbare und daher als Amtsübertretung darstellen. Daß die Prüfung der Beweis⸗ frage mit zur Zuständigkeit des zur Entscheidung über den Konflikt ö. Richters gehört, ist nicht minder zweifellos. Gegenüber der in des Gesetzes F 1 des Gesetzes bom 13. Februar 1854 in

erbindung mit § 11 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungs— gesetz, wonach die Behörde den Konflikt zu erheben hat, falls Fie glaubt, daß dem Beamten eine Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse nicht zur Last fällt entbehrt die entge . Auffassung des Staatsanwalts (welcher den Konflikt nicht r begründet erachtet, weil es lediglich Sache des Gerichts sei, festzustellen, ob der Beweis der Anklage gegen den Angeschuldigten geführt sei oder nicht, und der Konflikt durch Anfechtung der Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht be— gründet werden könne) der Begründung.“

Einer Hebam me, welche, den obrigkeitlichen Vorschriften für die Hebammen zur Verhütung des Kindbettfiebers zuwiderhandelnd, Gesundheit und Leben der ihr anvertrauten Personen gefährdet, kann, nach einem Urtheil des Ober ⸗Verwaltungsgerichts, III. Senats, vom 16. Oktober 1893, die Genehmigung zur weiteren Ausübung des HDebammenberufs entzogen werden. In dem zum Grunde llegen— den Falle hatte eine Hehamme eine von ihr entbundene Frau, welche an Kindbettfieber erkrankt war, gepflegt und während diefer Zeit ent— gegen der Anweisung des Kultus⸗Ministers vom 22. November 1888 die Entbindung einer anderen Wöchnerin vorgenommen. Diese erkrankte ebenfalls an Kindbettfieber und starb vier Tage nach der Entbindung. Dem Klageantrage des zuständigen Amts— vorstehers auf Zurücknahme des Hel feng gn fl entsprach der Bezirkszausschuß, und auf die Berufung der Beklagten bestätigte das Ober ⸗Verwaltungsgericht die Entscheidung des Dean fand e f, in⸗ dem es begründend ausführte: „Die Vorschriften der Anweisung vom 22. November 1888, die den Zweck verfolgen, die sich aus der Ver— breitung des Wochenbettfiebers ergebenden schweren Kalamitäten mög— lichst zu beschränken und insbesondere zu verhüten, daß die Krankheit durch die Hebamme von einer Wöchnerin auf die andere übertragen werde, sind solche, deren Beobachtung unerläßlich ist. Durch ihre Nichterfüllung beweist eine Hebamme, daß sie einer der bei Ertheilung des Prüfungszeugnisses vorausgesetzten Cigenschaften, der Berufstreue, ermangelt und kein Bedenken trägt, Gefundheit und Leben der ihr anvertrauten Personen zu gefährden ...*

sowie Gefäße konnten beiden Hügeln entnommen

Kunst und Wissenschaft.

In der . des Vereins für deutsches Kunst⸗ e werbe am ittwoch Abend sprach Herr . Julius essing über das amerikanische Kunstgewerbe mit befonderer Beziehung auf die zur Zeit im Königlichen Kunstgewerbe⸗Mufeum veranstaltete Ausstellung. Redner schilderte eingehend, wie in Amerika

die Lebensgewohnheiten und die Einrichtungen des Hauses auf die

Formen der Geräthe bestimmend einwirkten. Für gewssse Aufgaben fei

die Nachahmung der älteren europäischen Stllarten Mode, aber die

eigentlichen Gebrguchsmöbel und Geräthe, die Stühle, Tische und elektrischen Beleuchtungskörper, würden unabhängig von den hiftoörischen

Stilarten wesentlich aus dem Gebrauch heraus konstruiert und könnten

durch diese Unabhängigkeit in mancher Hinsicht auch für unser Schaffen

anregende Gedanken bieten. Als besonders hervorragend hob der

Redner die mannigfaltige und eigenartige Bearbeitung farbiger Gläfer

zu, Geräthen für den Gebrauch und für dekorative Zwecke .

Ein Antrag auf. Besprechung des gewerblichen Sonntagsunterrichts

wurde bis zur nächsten Sitzung verschoben.

4 Die Thätigkeit des Provinzial-Museums in Trier war im Jahre 1893 vornehmlich der Fortsetzung der Ausgrabung vorgeschichtlicher Grabhügel bei Hermeskeil (Hochwald) und der Untersuchung der römischen Stadtbefestigung von Trier gewidmet. Nachdem die Untersuchung der Grabhügel an der Straße von Hermeskeil nach Nonnweiler beendet war und wichtige Ergänzungen der Ausgrabungen des Vorjahres geliefert hatte, wurde eine große Hügelgruppe in Angriff genommen, welche etwa eine halbe Stunde nördlich von Hermeskeil in einem Buchenwalde liegt. Daselbst fesselten insbesondere zwei mächtige Hügel das Interesse, bei denen sich bald herausstellte, daß sie der Neugier oder Habsucht früherer Jahre nicht entgangen waren, sie waren nämlich beide trichterförmig von oben angebohrt worden, und dabei mögen die besten Fundstücke entfernt worden sein, aber in beiden hatten die früheren Schatzgräber doch noch wichtige Reste der Grabbeigaben übrig gelassen. Eiserne Schwerter, eines mit Bronzescheide, Bronze— zierrathen vom Wehrgehänge, eiserne Dolche und Lanzenspitzen werden. Ein verzierte Bronze⸗ armringe, drei Thongefäße, verschiedene Eisenwaffen und eine blauweiße Perle. Diese Fundstücke gehören, wie die früher genannten, sämmtlich der sog. La Tene-Seit an. Ueber— raschend waren zwei Hügel, welche nach ihrem Inhalt der älteren Halstatt⸗Zeit angehören dürften. Der eine enthielt ein Brandgrab, bestehend aus der Urne mit Knochen und Kohlen. Außerdem lag in der Urne ein Napf und ein zierliches Töpfchen mit zwei durch' bohrten Ohren und einem Deckelchen. Neben der Urne stand eine zweite ohne Inhalt. Der andere Hügel umschloß ein reich ausgestattetes Bestattungsgrab. In eingetiefter, zum theil mit Steinen umstellter Bettung hatte der bis auf wenige Reste verschwundene Leichnam mit dem Kopfe nach No gelegen. Zu Häupten stand eine verzierte Urne und ein Napf. Auf der Brust lagen zwei große Bronzereifen mit wechselnder Torston, den Hals schmückte ein mit Ringen, Buckeln und einem Bronzekettchen reich verzierter Bronzereif. Sieben verzierte Bronzeringe schmückten einst jeden Arm der Leiche. In geringer Tiefe fand sich in demfelben Hügel ein eiserner Hohlkelt. Bei der Untersuchung eines anderen in dem Staatswalde bei Hermeskeil gelegenen Hügels wurden zwei ver— zierte Urnen der La Tene-Zeit entnommen. Im ganzen lieferte die dortige Grabung 26 Thongefäße, 25 Bronzeringe, 2 Schwerter, 8 Dolche oder Messer, 4 Lanzenspitzen, eine Früb . 4 Dene-Fibel, . blauweiße Perle sowie Eisen- und Bronzereste von Gefäßen zu Tage.

Auch die Untersuchung der römischen Stadtmauer von Trier war von Glück begünstigt. Es wurde der Anschluß der Süd— mauer an die Westmauer gefunden. Ein mächtiger Thurm hat einst das Ende der Südmauer nahe der Mosel gekennzeichnet, in stumpfem Winkel geht allmählich die Mauer in die Richtung über, welche ihr die Mosel im Westen vorschreibt. An dieser Stelle der römischen Stadt wurde eine ausgedehnte römische Töpferei entdeckt, welche dicht an der Südmauer auf der Stadtseite liegt. Es wurden zehn Töpferöfen frei⸗ gelegt, welche mit Ausnahme von dreien, deren Grundform gerundet ist, eine rechteckige Form haben. Sie sind aus Backsteinen ziemlich roh aufgemauert, der Feuerraum war mit Backsteinen in Keilform überwölbt, bei den breiteren Oefen ist er durch eine oder zwei Mittel mauern getheilt, welche als Stützmauern für die Gewölbe dienten. Die letzteren waren auf der Oberfläche geebnet und mit zahlreichen Löchern versehen, welche dazu dienten, die Hitze in den eigentlichen Ofen, wo die Gefäße gebrannt wurden, zu führen; dieser war aus Backsteinen aufgemauert, ist aber überall nur noch in geringer Höhe erhalten. Die Gewölbe über dem Feuerraum der Brennöfen waren meist eingestürzt, nur bei drei Oefen war noch theilweise Ueberwölbung vorhanden. Die Feuerkanäle waren fast überall noch vortrefflich erhalten. Sie waren aus Backstein roh gewölbt. Die Längsachse von fünf Oefen hat südnördliche Richtung, die Heizöffnungen ihrer Feuerkanäle liegen im Süden, vier der— selben kaum 1 m von der Stadtmauer entfernt. Die übrigen Oefen waren von West nach Ost gerichtet. Im Osten der Töpferei fand sich die Heizung eines Ziegelofens, zum theil durch eine später, aber noch in römischer Zeit hineingelegte Kalkgrube zerstört. Die Kalkgrube war angefüllt mit Kalkbrocken, theils in un— gelöschtem, theils in gelöschtem Zustande, darunter fanden sich viele Scherben und Stücke bemalten Wandbewurfs, zum theil mit sehr hübschen e, ,. Darstellungen und Pflanzenornamenten. Diese letzteren Reste ließen auf in der Nähe befindliche Wohnräume schließen, von welchen sich thatsächlich auch Reste vorfanden. Die reich⸗ lichen Cinzelfunde weisen für die Gründung der Fabrik auf eine sehr frühe Zeit. Nicht nur, daß unter den Scherben massen, welche rings um die Töpferei und in den Oefen zerstreut lagen, die älteren Typen sehr stark vertreten sind, der Zufall hat noch bestimmtere Anhaltspunkte in die Hand geliefert. Die beiden Feuerunggräume eines der zweitheiligen Oefen waren nämlich noch bis oben voll gefüllt mit etwa fünfzig großentheils wohl erhaltenen gebrannten Gefäßen. Es sind zum großen Theil ziemlich roh geformte Töpfe, mit wulstigem Rand. Daneben fanden sich eine Reihe von jenen gelblichen einhenkeligen Krügen, wie sie in Brand⸗ gräbern des ersten und zweiten Jahrhunderts vorkommen. Endlich auch Gefäße in Urnenform mit jenen eingeglätteten, noch der La Tene— Technik entnommenen Strichverzierungen, wie sie die römischen Grab—⸗ gel re aus Augustei'scher Zeit zeigen. Nebenbei fanden sich auch die Reste zweier ö wie sie auch sonst in römischen Töpfereien gefunden worden sind. Auch zwei Mittelerze, eines von Vespasian und eines von Hadrian vom Jahre 118 n. Chr., in einem der Defen gefunden) können jenen Zeitansatz bestätigen. Auch einer der nördlicher gelegenen Oefen enthielt frühe Waare, nämlich Scherben von jenen grauschwarzen und röthlichgelben flachen Tellern, welche den Stempel theils in der Mitte, theils irgendwo seitwärts auf der Bodenflaͤche tragen, wie in ganz derselben Form und Technik solche Teller in Gräbern des ersten Jahrhunderts gefunden werden. Anders ge⸗ staltet sich die Sache bei einem anderen der nördlicher gelegenen Oefen, dem größten bisher gefundenen. Er war von Schutt— massen von Backsteinen und gebrannten Lehinbrocken ausgefüllt, welche von seinem eingestürzten Oberbau herrührten. Treppenförmige Gewölbewiderlager verstärkten die Längsseiten seines Feuerraumg. Und in seiner nächsten Umgebung fanden sich massenhaft Scherben von allerlei feinerer Thonwaare des dritten Jahrhunderts, namentlich von den feinen schwarzen Trinkbechern und Krügen, auf welchen mit weißem flüssigen Thon Verzierungen und Trinksprüche (en barbotine) auf— getropft sind.

Im Anschluß an die Untersuchung der Stadtmauer an jener Stelle wurde etwa 100 m moselaufwärts an einer den Leinpfad be⸗ grenzenden Böschung eine Stelle aufgegraben, an der sich Spuren eines römischen Mauerwerks schon vor langer Zeit gefunden hatten. Es wurde daselbst eine ziemlich wohlerhaltene römische Grab⸗ kammer entdeckt. Dieselbe stellt sich dar als ein rechteckiger Raum von 3,14: 2,72 in lichter Weite und etwas über 2 m Höhe. Die Dicke

*

benachbarter kleinerer Hügel lieferte vier

der Mauern wechselt zwischen 63 und 88 em. Das Bauwerk war mit, einem Tonnengewölbe überdeckt, welches großentheils ein- gestürzt ist. Das. Material ist rother Sandstein, nach außen war es mit Kalksteinen verkleidet. Boden und Wände im Innern sind mit einem sorgfältig geglätteten Verpuß überzogen, der aus Kalkmörtel mit feinem Ziegelzusatz besteht. Die Rückwand steht noch fast in ganzer Höhe, die Vorderwand, welche vermuthlich den Eingang enthielt, ist nur noch 9 em hoch erhalten. In den Seitenwänden sind je zwei Nischen mit halbkreieförmigem Grundriß und bogenförmigem oberen Abschluß angebracht. Die 6 der Wände gegen einander und gegen den Boden sind mit einem Viertelrundstab versehen, wie er von römischen Wasserbauten her bekannt ist. Als der Estrich durchgeschlagen wurde, fanden sich unter dem Boden die Gebeine von drei Leichnamen, welche mit dem Gewölbe in keinem Zusammenhang standen. Dasselbe war vielmehr wohl zufällig über älteren römischen Skelettgräbern er— richtet worden. Dieser Umstand weist für die zeitliche Feststellung des Bauwerks in verhältnißmäßig späte Zeit. Auch die Herftellung des Estrichs mit starkem Ziegelbrockenzusatz und des Wandverputzes ist diejenige, welche bei den . Bauwerken der Konstantinischen Zeit (Thermen, Kaiserpalast) beobachtet wurde.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

. Weinernte.

Von der Mosel wird geschrieben: Der Ertrag der Weinberge hat die im Herbste gehegten guten Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern stellenweise sogar übertroffen, indem der Weinftock eine außer⸗ ordentliche Menge von Trauben lieferte. Letztere waren besonders dünnschalig und saftreich und hatten ein sehr hohes Mostgewicht, welches in den besseren und besten Lagen 100 Grad Sechsle zum their nicht unerheblich überstieg. Die Güte des Wachsthums wird, wiewohl auch jetzt ein endgültiges Urtheil noch nicht abgegeben werden kann, als eine vorzügliche zu bezeichnen sein und meistens diejenige des 1892 er übertreffen, sodaß der 1893 er wohl zu den besten Jahrgängen zu rechnen sein wird. Der Stand des Weinstocks ist ein guter, da das Tragholz ausgewachsen und vollständig zur Reife gelangt ist.

Saatenstand in Rußland.

Ueber den Stand der Wintersaaten zu Ende Januar gehen uns aus einzelnen Gouvernements folgende Nachrichten zu (vergl. auch Reichs⸗Anz.“ vom 13. v. M):

In Kur- und Livland dürfte der anfangs Januar herrschende Frost auf den Stand der Wintersaaten stellenweise einen ungünstigen Einfluß ausgeübt haben. In den Gouvernements Wilna, Kow no und Grodno ist der Frost bei ungenügender Schneedecke eingetreten; wieweit dadurch Schaden verursacht worden ist, wird sich indessen erst im Frühjahr beurtheilen lassen. In Finland scheint der Frost weniger geschadet zu haben, als man anfangs annahm—

Aus dem Südwestgebiet lauten die Nachrichten wenig günstig. Dort hat die bis Mitte Januar anhaltende strenge Kälte bei nur geringer Schneedecke in den meisten Gegenden den Saaten erheb⸗ lichen Schaden zugefügt. Raps soll zum theil ganz zu Grunde ge⸗— gangen sein. Am wenigsten hatten noch die Rreise Berditschew, Lipowez und Swenigorodka des Gouvernements Kiew und die füd' lichen Theile von Podolien gelitten. Ende Januar trat wärmeres Wetter ein, wodurch die Gefähr des Ausfrierens vermehrt wurde, da nun auch die schwache Schneedecke verschwunden ist.

Auch im Süden Rußlands gab der Stand der Wintersaaten e, Mangels an Schnee bei starken Frösten zu Befürchtungen Anlaß.

In Zentral⸗Rußland ist der Winter bisher ungemein milde ge⸗ wesen, und es ist wenig Schnee gefallen; diese Umstände könnten, wenn sie andauern sollten, die diesjährige Ernte ungünftig beeinflussen. Eine besondere Veragnlassung zu Besorgnissen liegt indeß noch nicht vor, die Landwirthe halten die Aussichten eher für günstig.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Ab sper rungs⸗ . Maßregeln.

Cholera.

St, Petersburg, 2. März. Sämmtliche Gouvernements und Gebiete des Reichs, mit Ausnahme der Gouvernements Wol hynien, Kowno, Plotzk und Tschnernigow, werden, wie . W. T. B.“ berichtet, für frei von asiatischer Cholera erklärt.

Verdingungen im Auslande.

Niederlande.

Bis zum 14. März. Hollandsche Vzeren Spporweg Maant- Schaypy im Dienstgebäude am Droogbak zu Amsterdam:

Loos Nr. 58h: Lieferung von 3600 bis 6006 Eisenbahnschienen von Martin- oder Bessemerstahl während der Jahre 1894, 1895, 1896.

Bedingungen erhältlich für 1 Fl. an oben bezeichnetem Orte.

17. März, 113 Uhr: Bargemeester en wethouders der Ge— meinde Arnheim zu Arnheim.

Bau einer, Handwerksschule und einer Abendschule für Hand— werker, nebst Direktor und Portier⸗Wohnung. Schätzung 160000 Fl.

Anweisung im Rathhause 7. März um 14 Uhr. Ebenda vorber Information zu erhalten, . ö 10 bis 127 Uhr und 2 bis 4 Uhr.

Belgien. ;

9. März, 12 Uhr. Provinzial⸗Gouvernement in Mons: Liefe⸗ rung des Mobiligrs für 2 neue Klassen zur Vervollständigung der alten Schulen erster Ordnung und des Gemeindehaufeg von Mar— cinelle. Schätzungswerth 11 168,R33 Fr.

27. März, 11 Uhr. Probierbank für Handfeuerwaffen in Lüttich. Lieferung von:

1) 10 bis 12000 kg Minenpulver,

2) der für die Bedürfnisse des Instituts während eines Jahres erforderlichen Patronen, und zwar:

A. geladene Patronen verschiedenen Kalibers für Revolver und Kriegswaffen aller Systeme,

. . leere Patronenhülsen aus Pappe für Jagdgewehre jeden Kalibers.

Lastenhefte sind zum Preise von 1 Fr. im Bureau der Bank, 22 Rue Navette in Lüttich, zu haben.

30. März, 5 Uhr. Gemeindehaus von Gripegnée: Lieferung und Aufstellung des vollständigen Schulmobiliars für vier Klassen der e hin und einer Klasse des Kindergartens. Schätzungswerth

Fr.

Angebote sind auf belgischem Stempelbogen mittels eingeschrie⸗ benen Briefs spätestens zwei Tage vor dem Termin an den Bürger⸗ meister von Grivegnée zu richten. Pläne, Kostenanschlag und Lasfen= hefte sind im Gemeinde⸗Sekretariat zur Einsicht ausgelegt und können von dort gegen Erstattung der Kosten bezogen werden.

Verkehrs⸗Anstalten.

Die Säch sisch⸗Böhmische Dampfschiffahrtsgefell⸗ schaft eröffnete, wie, W. T. B. aus Dresden meldet, heute wieder ihre Fahrten auf der Elbe.

Bremen, 2. März. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd.

Der Schnelldampfer ‚Kaiser Wilhetm II. ist am J. März Vor—⸗ mittags von Genua nach New⸗York abgegangen. Der em, „Kronprinz Friedrich Wilhelm“ ist am 28. Februar Nach⸗ mittags von Neapel nach New. Jork abgegangen. Der . Baltimore“ ist am 25. Februar von Bahig nach der Wefer abgegangen. Der Postdampfer „Hannover“ ist am 24. Februar in Bahia angekommen. 3. März. (W. T. B.) Der Reichs⸗Postdampfer Sach sen“ ist am 1. März Abends in Antwerpen anzekommen. Der Reichs— Postdampfer Gera. ist am 2. März Vormittags in Aden an⸗ gekommen. Die Postdampfer Roland. und „Graf Bismarck haben am 2. März Morgens Dover passiert.

wissensfreiheit weder des Vaters noch des Kindes,

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 54.

184.

Preusßischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 26. Sitzung vom 2. März 1894.

In der fortgesetzten zweiten Berathung des Staats⸗ haushalts-Etats für 1894195, und zwar des Etats des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten, nimmt bei der Position „Gehalt des Ministers“ das Wort der

Abg. Traeger (frs. Vp). Redner kommt auf die Frage des Religionsunterrichts der Dissidentenkinder zurück, die gegen den Willen ihrer Eltern in einen konfessionellen Religionsunterricht hineinge⸗ zwungen würden. Ein Urtheil des Kammergerichts habe allerdings zu Gunsten der Schulbehörden entschieden, aber das Landgericht in Halle habe in einer Berufungssache anders entschieden. Für alle diejenigen, denen es mit ihren religiösen Ueberzeugungen Ernst sei, enthalte das Verfahren des Kultus⸗Ministers einen tiefen Eingriff in die Gewissens⸗ freiheit und widerspreche dem Allgemeinen Landrecht, wonach Kinder, deren Religion in der öffentlichen Volksschule nicht gelehrt werde, zum, Religionsunterricht nicht angehalten werden könnten. Daß die Religion zu den Gegenständen des öffentlichen Unterrichts gehöre, mache dabei keinen Unterschied; denn es gebe keinen allgemeinen Begriff „Religion“. Die Gewissensfreiheit sei nicht erst durch die Verfassung eingeführt worden, sondern sie sei schon im Allgemeinen Landrecht enthalten.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich zweifle keinen Augenblick daran, daß die An—

schauungen, die der Herr Vorredner hier soeben entwickelt hat, aus dem ernstesten religiösen Interesse hervorgegangen sind. Ich erkenne auch an, daß er den status causa et controversiae durchaus richtig und sachlich präzisiert hat. Aber in einem Punkt kann ich ihm nicht beipflichten, in dem er darzuthun versucht hat, daß gerade die Voraus— setzung, von der ich eine Aenderung meiner verfassungsrechtlichen Auf— fassung im vorigen Jahr abhängig gemacht habe, eingetreten sei, näm— lich eine Praxis des obersten Gerichts, die sich mit der von mir ver⸗— tretenen Anschauung in Gegensatz gesetzt hätte. Gerade umgekehrt, und der Herr Vorredner hat das ja auch zugegeben, das Kammer⸗ gericht als oberste Instanz hat den Standpunkt, den ich im vorigen Jahre hier vertreten habe, gebilligt. Nun sagt freilich der Herr Abg. Träger, dieses Erkenntniß des Königlichen Kammergerichts, das mir hier vorliegt, sei eine juristische Ungeheuerlichkeit. Ja, meine Herren, ich würde es nicht wagen, ein Erkenntniß unseres obersten Gerichts so zu bezeichnen. (Sehr richtig! rechts) Ich kann nur sagen, ich finde in dem Erkenntniß eine volle Bestätigung der recht⸗ lichen Ausführungen, die ich im vorigen Jahre hier gemacht habe. Ich will diese Ausführungen hier nicht wiederholen; denn sie sind sehr ausgiebig gewesen. Ich wiederhole nur, daß ich auf diesem streng verfassungsmäßigen Standpunkt, den ich im vorigen Jahre hier dar⸗ gelegt habe, auch heute noch stehe. Durch die oberinstanzlichen Entscheidungen ist dieser Standpunkt gebilligt, rechtlich anerkannt und nur eine einzige erstinstanzliche Entscheidung ist inzwischen in der Sache ergangen, die den entgegengesetzten Standpunkt vertritt. Aber auch diese Entscheidung sieht in dem Gesichtspunkte, den ich ver⸗ trete, nicht etwa einen Gewissenszwang, sondern lediglich einen über die landrechtlichen Vorschriften hinausgehenden Eingriff in das Er— ziehungsrecht des Vaters. Diese Präzision eigne ich mir vollkommen an. Es handelt sich hier nicht um Gewissenszwang, noch um Ge— sondern es handelt sich um einen Eingriff in das Erziehungsrecht des Vaters, und dieser Eingriff ist bei uns verfassungsrechtlich statuiert und gebilligt. Das gerade ist das juristische Bedenken, was allein mich abhält, dem Wunsche des Herrn Vorredners Rechnung zu tragen. Nun gebe ich dem Herrn Vorredner vollkommen zu, der Zustand, der dadurch herbeigeführt wird, ist kein besonders wünschenswerther; es ist nicht anzunehmen, daß der Religionsunterricht, in den das Kind eines Dissidenten hineingezwungen ist, diejenigen Früchte trägt, die er tragen sollte, wenn zu Hause von den Eltern dem Religionsunterricht entgegengewirkt wird, und daß das geschieht, dagegen haben wir selbstverständlich keine Gewähr. Nun habe ich aber auch schon im vorigen Jahre hervor⸗— gehoben und sage es nochmals, meine Praxis ist aus diesem Grunde eine thunlichst milde; ich verlange nicht den Nachweis eines konfessionellen Religionsunterrichts; ich verlange nur den Nachweis eines geordneten Religionsunterrichts, aber allerdings eines Religionsunter⸗ richts, und damit stehe ich auf den Boden der Verfassung. Daraus ergiebt sich, daß ich denn auch fast in allen Fällen, mit Ausnahme eines einzigen, die Anträge, die vor etwa einem halben Jahre an mich gelangten es waren höchstens zwei oder drei genehmigt habe. Die Dispense sind ertheilt. Nur in einem Falle hier in Berlin habe ich einen Dispens nicht ertheilt; denn ich habe nicht die Ueberzeugung gewinnen können, daß der Religionsunterricht, auf den Bezug genommen war, wirklich ein Religionsunterricht war, son⸗— dern es war ein sozialdemokratischer Vorbereitungsunterricht, und ich habe es für meine Pflicht gehalten, einen solchen nicht als Reli— gionsunterricht anzuerkennen (sehr richtig! rechts). Ich habe es also nicht gethan. Meine Herren, so stehe ich noch heute zu der Sache. Ich werde meinem Standpunkt Rechnung tragen in so milder Weise, wie nur möglich. Dieser Gesichtspunkt ist seiner Zeit vertreten von meinem Amtsvorgänger, dem Minister von Bethmann-Hollweg, im Herrenhause. Ich habe im vorigen Jahre auf die sehr ausgiebigen Verhandlungen hingewiesen, und diesen Standpunkt habe ich mir an— geeignet. Aber das muß auch der Herr Vorredner anerkennen, daß man rechtlich sehr erhebliche Zweifel haben kann, ob seine Auffassung richtig ist oder nicht; das wird doch bestätigt durch die oberinstanz— lichen Entscheidungen. Ich stehe ja nicht subjektiv willkürlich individualistisch, ganz auf mich allein, ich trete nicht mit einem juristischen Eigensinn Ihnen gegenüber, sondern auf meiner Seite habe ich unsere obersten Rechtsinstanzen, die meinen Standpunkt billigen. Ueber dieses mein juristisches Gewissen kann ich nicht hinaus, und deshalb muß ich auch jetzt noch bei dem im vorigen Jahre von mir vertretenen Standpunkt stehen bleiben. (Beifall.)

Abg. Freiherr von Zedlitz⸗-Neukirch (fr. kons) stimmt dem Minister zu und wendet sich dann egen die gestrigen Ausführungen des Abg. Dr. Bachem. Als solche Angriffe, führt Redner aus, zuerst in der ultramontanen Presse erfolgten, nahm man an, daß es sich nur

darum handle, den etwas schwankend gewordenen Heerbann des Zen⸗ trums wieder zu sammeln. Ich sehe darin aber nur den Einfluß der Gewohnheit, alles von dem konfessionellen Gesichtspunkte aus zu be⸗ trachten. Es ist eine Beleidigung fowohl für die katholischen wie für die evangelischen Beamten, anzunehmen, daß sie je nach ihrer Kon⸗ fession die Amtsgeschäfte anders erledigen würden; sie haben in erster Linie die Interessen des Staates zu wahren und nicht die der nach Weltherrschaft strebenden Kirche. Die katholische Abtheilung im Kultus- Ministerium war eine Quelle des Kulturkampfes, und. des⸗ halb ist es erfreulich, daß der Minister ihre Wiedereinrichtung abgelehnt hat. Daß die Zahl der katholischen Referendare eine so geringe ist, liegt nicht an der Nichtberücksichtigung der Katholiken, sondern daran, daß aus katholischen Kreisen nicht Aspiranten genug hervorgehen. Die, mechanische Vertheilung der Beamtenstellen nach den Konfessionen wäre die größte Ungerechtigkeit. Redner widerspricht auch der Einrichtung einer besonderen katholischen Uni⸗ versität, denn die Wissenschaft sei nicht konfessionell, und eine katholische Wissenschaft sei keine, Wissenschast mehr. Daß Herr Kropatscheck sich im Gegensatze zu seinem Verhalten in der Volksschul⸗ kommission jetzt zur fachmännischen Schulaufsicht an Stelle der geist⸗ lichen bekannt hat, fährt Redner fort, ist erfreulich; ebenso daß die Frage des polnischen Sprachunterrichts nicht mit politischen Fragen in Verbindung stehen soll: das Gegentheil wäre auch eine Depravation des politischen Lebens. Auf diesem Gebiet der Sprachenfrage sollte man nicht allzusehr hin⸗ und herschwanken. Wenn in den polnischen Verhältnissen eine Besserung eingetreten ist, so ist das eine Folge der Gesetzgebung von 1886. Ob die Maß⸗ regel des Ministers, die Ersetzung des Privatunterrichts durch einen fakultativen Unterricht in der polnischen Sprache, den beabsichtigten Erfolg haben wird, ist zu bezweifeln. Die Auffassung des Ministers ist eine zu optimistische. Die Polen werden mit den ein oder zwei Stunden, mit der Dauer des Unterrichts von zwei Jahren nicht be⸗ friedigt sein; dann wird eine Ausdehnung des Unterrichts , und schließlich lernen die Kinder nicht mehr genügend deutsch. Der Kultus⸗Minister mag die Absicht haben, die Grenze festzuhalten; aber Herr Dr. Bosse wird nicht immer Kultus⸗Minister sein. Die Eltern werden ihre Kinder in den polnischen Religionsunterricht bringen wollen, damit sie an dem polnischen Sprachunterricht theilnehmen können, und schließlich kommt man wieder zu dem früheren Zustand zurück. Die polnischen Bestrebungen werden dadurch geradezu aufs neue belebt. Die Staatsregierung übernimmt damit eine schwere Verantwortung.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Die Königliche Staatsregierung ist sich der schweren Verant⸗ wortung, welche sie mit der beabsichtigten Maßregel übernommen hat, vollkommen bewußt, aber ich hoffe, die Ausführung der Sache wird den Herrn Vorredner und auch die Landesvertretung überzeugen, daß der Weg, den sie beschreitet, der richtige ist.

Wenn der Herr Abg. Freiherr von Zedlitz die Besorgniß geäußert, hat, daß diese Maßregel dazu dienen könnte, daß deutsche Gemeinden nunmehr polonisiert werden, so ist diese Besorgniß völlig ausgeschlossen, denn in deutschen Gemeinden existiert ja kein polnischer Religions unterricht, wie auch für diese Gemeinden der polnische Privatunterricht nicht existiert; folglich kann auch diese Maßregel, die wir jetzt treffen, diese eine oder zwei Stunden fakultativen Lese⸗ und Schreibunterrichts, für diese deutschen Gemeinden keine Wirkung äußern; also die deutschen Gemeinden scheiden aus der Maßregel ganz aus, und es mag eine Regierung sein, welche es will, sie wird nicht dazu kommen, auf die deutschen Gemeinden diesen Unterricht auszudehnen.

Ueber die Frage, ob nun wirklich ein richtiger und in den rechten Grenzen gehaltener Ersatz geschaffen wird, kann man ja zweifelhaft sein, und ich bin auch zweifelhaft darüber gewesen, und weil ich es gewesen bin, habe ich die deutschen Behörden und Schulorgane in der Provinz Posen darüber gehört. Ich habe das gestern auseinander— gesetzt, und ich kann versichern, daß alle diese Herren mit mir ein— verstanden waren, die Maßregel schaffe keine Lücke in dem System des bisherigen deutschen Unterrichts in der Provinz, und sie sei für dieses System vollkommen zulässig und ungefährlich. Dies hat für mich den Ausschlag dafür gegeben, sie in der Form, die ich dargelegt habe, in Aussicht zu nehmen. Daß die Kinder das Deutsche künftig sollten nicht mehr ordentlich lernen können, das wäre freilich der größte Ver⸗ lust, den wir haben könnten; wenn die Maßregel wirklich dazu führte, den deutschen Unterricht und seine Erfolge zu beeinträchtigen, so würde ich sie nicht ausführen. Das wird aber nicht geschehen.

Ein Moment ist bisher vielleicht nicht scharf genug hervorgehoben worden. Der Unterricht soll ja nicht auf der Unterstufe beginnen, sondern die Kinder müssen erst zwei bis drei Jahre auf der Unter⸗ stufe gewesen sein, wo sie ausschließlich deutschen Unterricht bekommen, allerdings mit Zuhilfenahme des Polnischen, soweit es zum Ver⸗ ständniß des Deutschen nothwendig ist. Die Kinder haben also das Deutsche schon so weit in sich aufgenommen, daß sie nunmehr diese zwei Stunden polnischen Schreib⸗ und Leseunterrichts ohne jede Beein⸗ trächtigung ihres deutschen Denkens und Wissens empfangen können. Es ist das mit ein Grund gewesen, die neue Regelung zu treffen, weil der Privatunterricht schon die Kinder der Unterstufe mit heranzog; es war ja da kein Unterschied gemacht. So trat der üble Zustand ein, daß die Kinder nun wieder gleichzeitig bei ihrem Schul⸗ eintritt im Privatunterricht polnischen Unterricht empfingen und in der Schule deutschen. Es ist aber eine pädagogisch zweifellose That⸗ sache, daß ein Kind den Schulunterricht nicht mit zweisprachigem Unterricht beginnen darf, wenn überhaupt aus dem einen oder dem anderen etwas Vernünftiges werden soll. Deshalb haben wir das ab⸗ gestellt. Die Kinder werden in der Schule deutsch unterrichtet, und wenn sie im Deutschen so weit gekommen sind, daß für sie keine

Gefahr mehr bestehen kann, dann werden sie auf der Mittelstufe

im Lesen und Schreiben des Polnischen unterwiesen.

Nun ist mir gestern schon vom Herrn Grafen Limburg gesagt worden: Wäre es nicht richtiger gewesen, die ganze Maßregel zu unterlassen? Hätte man nicht den alten Zustand, wie Herr Graf von Limburg ⸗Stirum sich ausdrückt, wiederherstellen können, nämlich daß man diesen polnischen Unterricht überhaupt verbot und beseitigte? Ja, meine Herren, dazu muß man die Verhältnisse in der Provinz Posen ins Auge fassen. Wenn wir das gewollt hätten, so wäre die nothwendige Voraussetzung dazu gewesen, daß wir überhaupt den polnischen Religions—⸗ unterricht hätten aufgeben müssen. So lange wir auf dem polnischen Religionsunterricht bestehen bleiben, müssen wir auch dafür sorgen,

daß die Kinder diesen Unterricht so weit verstehen, daß sie den Memorierstoff wenigstens zu Hause lesen und verstehen können. Das ist der innerliche Grund der Sache. Wir können aber zur Zeit ganz gewiß den polnischen Religionsunterricht in der Volksschule nicht be⸗ seitigen. Er besteht, und ich bitte die Herren, sich zu vergegen⸗ wärtigen, welchen Kriegszustand wir in der Provinz Posen hervor⸗ rufen würden, wenn wir versuchten, den polnischen Religions⸗ unterricht zu beseitigen. Wir haben nicht die Macht, die Geistlichen der Provinz Posen zu zwingen, daß sie ihren Beicht⸗ und Kommu⸗ nionsunterricht und ihre Predigten nicht in polnischer Sprache halten. Deshalb muß der Religionsunterricht wenigstens in so weit polnisch er⸗ theilt werden, als er sich an polnische Kinder wendet, die nicht deutsch verstehen. Wollten wir da eingreifen, da würden wir in die Gefahr kommen, die mir vorhin vorgeworfen ist: wir würden einen Gewissenszwang begehen und tief in die Gewissensfreiheit der Polen eingreifen. (Sehr richtig im Zentrum und bei den Polen.) Das wollen und können wir nicht, und weil wir das nicht können, ist die weitere Konsequenz, daß man einen Ersatz für den in der Praxis nicht bewährten Privatunterricht haben muß. So bin ich auf diese Maßregel nach wohlerwogenem sachverständi⸗ gen Beirath gekommen. Die Sache hat sich sehr lange hingezogen, und ich bedauere, daß sie gerade in diese politisch etwas erregte Zeit fällt, und daß dadurch der Gedanke, der auch gestern ausgesprochen ist, entstanden ist, es könnte dabei noch irgend eine Abmachung mit unter⸗ gelaufen sein, die auf ganz anderem Gebiet liegt. Nein, meine Herren, das ist nicht der Fall. Ich kann wahrheitsgemäß ver— sichern, daß weder von parlamentarischer, noch von nichtparla⸗ mentarischer polnischer Seite auch nur irgend eine Anfrage an mich gerichtet ist, was wir in dieser Sache thun. Wenn die Polen wirklich irgend welche Konsequenz an diese Sache haben knüpfen wollen, haben sie jedenfalls sehr zurückhaltend gehandelt. Denn ich weiß von der Sache nichts, und ich kann Sie versichern, daß derartige Rücksichten für mich nicht bestimmend gewesen sein würden. Ich stelle mich vollständig auf den Standpunkt des Herrn Abg. Freiherrn von Zedlitz: ich würde es wie er für durchaus falsch, ja für unver— antworlich halten. Wir haben diese Abmachung nicht getroffen. Wenn aber die Sachen so liegen, meine Herren, dann darf man auch das Vertrauen hegen, daß diese schultechnisch von den Sach verstän⸗ digen, von unseren deutschen Kreis-Schulinspektoren gebilligte Maßregel in diesem Umfange zu dem Ziele führen wird, zu dem sie führen soll. Es werden dagegen gewiß Bedenken geltend gemacht worden sein, wenn man sie vom schultechnischen Standpunkte aus begründen könnte. Das ist nicht der Fall gewesen, und deshalb bin ich der Zu⸗ versicht, daß ich mit gutem Gewissen die Maßregel ins Werk setzen kann. Ich hätte ja gestern noch schweigen können, ich hätte auf die Anfrage des Herrn Abg. von Jazdzewski irgend eine ausweichende Antwort geben können; ich habe das wohl erwogen und bin zu dem Entschluß gelangt, das nicht zu thun. Es wäre dies ein Versteckenspiel gegenüber der Landes—⸗ vertretung gewesen, was mir nicht zusagt; es gehört sich, daß die Landesvertretung weiß, was die Regierung in einer so wichtigen Frage, wie diese ist, zu thun gedenkt. (Bravo! Deshalb habe ich offen und ehrlich Auskunft gegeben über die Sache, wie sie liegt, und das um so mehr, als der 1. April, der Anfang des neuen Schuljahres, nahe ist, und wenn aus der Sache überhaupt etwas werden soll, dann müssen die nöthigen Vorbereitungen getroffen werden; die Sache muß hinausgehen an die Behörden, um ihr Inkrafttreten bei Beginn des neuen Schuljahres zu ermöglichen. Das hat mich bestimmt, gestern mit der Offenheit und Ehrlichkeit, wie ich sie mir überhaupt vor⸗ gesetzt habe, in der Landesvertretung die Sache hier zu erörtern, und ich hoffe, es noch zu erleben, daß die Landesvertretung mit mir ein⸗ verstanden sich zeigen wird in dem Anerkenntniß: die Maßregel ist richtig gewesen, sie führt zum Segen und zur Beruhigung und nicht zur Agitation. (Bravo h Abg. Ricke rt (frs. Vg.) führt aus, daß der Minister bei früherer Gelegenheit schon eine Maßregel, wie die jetzt in Aussicht genommene, angedeutet habe; auch Graf Zedlitz habe ahnliche Maß— nahmen beabsichtigt, aber damals hätten die Konservativen keinen Widerspruch erhoben. Der Staat könne mit seinen Machtmitteln das Deutschthum nicht heben, die Deutschen felbst müßten stark genug sein zur Abwehr des Polenthums. In Bezug auf den Religions⸗ unterricht der Dissidentenkinder ist Redner mit dem Minister nicht einverstanden. Man habe leider dem Minister gegenüber keine Machtmittel; die Frage müsse im Schulgesetze erledigt werden und werde hoffentlich in dem Sinne erledigt, wie sie vom Minifter von Mühler gehandhabt worden. Auf die Paritätsfrage geht Redner nicht ein; er bedauert aber, de man vor dem Erlaß des Schulgesetzes kaum zu einem chuldotationsgesetze kommen werde. Hoffentlich gelinge es bald wieder, Gelder zur Förderung des Schulwesens flüssig zu machen. Erfreulich sei, daß der Minister erklärt habe, es sei zweckmäßig, die Lehrer zu Mit liedern der Schulverwaltung zu machen; hoffentlich würden sich die tädtischen Verwaltungen danach richten. Unerfreuklich fei aber die Bevorzugung der Geistlichen im Schuldienst; f würden nicht nur bon den Prüfungen, sondern auch von dem praktischen Vorbildungs— dienst entbunden, sodaß sie zum Schaden der Lehrer in die höheren Stellen und in den Aufsichtsdienst hineinkämen. Uebrigens würden für den Aufsichtsdienst durch Fachmaänner leicht die nöthigen ersonen gefunden werden. Ueber die Dauer der Schulpflicht musse Beruhigung geschaffen werden. Es müsse festgestellt werden, daß darüber keine, Ministerialverfügung bestehe. Die Verfügungen der Regierungen in Oppeln und Liegnitz führten dazu, daß Kinder mit 53 Jahren schon eingeschult würden. Man sollte im Interesse der Gesundheit der Kinder nicht vor dem siebenten Jahre mit dem Unterricht beginnen. Redner bittet schließlich den Minister, die beiden Regierungen zur Zurücknahme ihrer Verfügungen zu ver⸗ aer een und eine gesetzliche Regelung dieses Punktes in Betracht zu ziehen.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ich bin sehr gern bereit, dieser Frage, ob man eine gesetzliche Regelung der Schulpflicht jetzt wieder aufnehmen solle, näher zu treten und sie zu erwägen, Weiter möchte ich aber auch nichts ver⸗ sprechen; denn die Verhältnisse liegen in den einzelnen Landestheilen sehr verschieden. Ich habe die Frage schon einmal bei mir im Ministerium zur Anregung gebracht und damals haben sich erhebliche