noch etwas dabei. Meine Herren, der Kampf in aufgelöster Ordnung ist die das moderne Gefecht beherrschende Kampfart. Eine Treiber- linie hat eine ganz enorme Aehnlichkeit mit einer Schützenlinie, namentlich — und das ist sehr wichtig — wenn sie durch den Wald geht. Sie soll mit gleichem Abstande und in gleicher Ordnung herauskommen, wie sie hereinkam, sie soll nicht abreißen, und wenn sie das kann, so hat sie etwas gelernt. Wir können das auf unseren ebenen Exerzierplätzen nur unvollkommen üben. Es macht oft große Mühe, in den Wald zu kommen. Hat man also Gelegenheit, die Leute sechs, sieben, acht Mal als Treiber durch den Wald gehen zu lassen, so ist das lehrreich und nützlich, namentlich für die Rekruten, die viel Zeit im Exerzierhause zubringen. Es ist für die Leute eine angenehme Unterbrechung, wenn sie alle vierzehn Tage einmal eine Treibjagd mitmachen könnten. Das sind die Waldtreiben, — aber nun erst die Feldtreiben mit vorgenommenen Flügeln! Der Soldat, der von der Kriegskunst noch nichts versteht, bekommt da die richtige Anschauung von dem, was es heißt, einen umfassenden Angriff machen, wenn die Hasen laufen. (Heiterkeit Nun hat der Herr Abg. Bebel ge— sprochen von Leuten, die kommandiert werden nach dem Grunewald. Da kann ich auch wieder sagen: man kann es keinem Menschen recht machen. Kommandieren wir die Leute nicht, und das schaulustige Publikum von Berlin findet sich in sehr großer Zahl ein und es wird Einem in die Beine geschossen, dann schreit die ganze Presse Zetermordio. Nun befiehlt Seine Majestät, damit das nicht passiert, damit kein Berliner angeschossen wird — denn die laufen den kranken Hasen nach und schlagen sie einzeln todt, und da kann es sehr leicht vorkommen, daß ein eifriger Schütze anderen in die Beine schießt —, nun befiehlt Seine Majestät, es solle die Jagd ab⸗ gesperrt werden. Sie sollten dankbar sein und nicht darüber klagen! (Heiterkeit.
Nun hat der Herr Abgeordnete von den Feldwebeln gesprochen, die den Kommis und ich weiß nicht wem sonst noch in den Bank— geschäften Konkurrenz machen sollen. Ich weiß nicht, ob er gemeint hat diejenigen, die zur Probedienstleistung kommandiert sind. (Zwischen— ruf) — Er meinte andere. Nun, meine Herren, jeder Soldat muß das Recht haben, wenn er freie Stunden hat, sich auch noch etwas zu verdienen. Warum soll der Soldat nicht, wenn er freie Zeit hat, auch einmal zum Nachbarn gehen und Holz hauen? Warum soll er nicht der Köchin ein paar Eimer Wasser holen? Warum soll nicht ein Unteroffizier oder Feldwebel sich zwei oder drei Stunden hinsetzen, oder mal des Nachts ein paar Stunden Kopierarbeiten machen? Er verdient sich damit Geld. Das werden wir den Leuten nicht verbieten.
Er hat dann weiter von Lohndienern bei den großen Diners u. s. w. der Offiziere gesprochen — mit den Diners ist es nicht so weit her bei den Offizierkorps, so oft kommen sie nicht in die Lage, große Diners zu geben —, aber mir ist es noch nie passiert, daß wir am Offizierstisch Lohndiener gehabt hätten. So lange die Armee besteht, ist das Dienst der Mannschaften, die dort aufwarten. Eine Konkurrenz mit den Lohndienern kann also nicht eintreten. Vielleicht bringt der Kerr Abgeordnete noch etwas Anderes vor; ich stehe ihm gern zu Diensten. (Heiterkeit.)
Abg. von Kardorff (Rp.): Es ist eins der größten Ver—
gnügen für die Jäger, wenn sie mal treiben können, zehnmal lieber
als der langweilige Dienst.
Abg. Bebel (Soz; Ich bin im höchsten Grade erstaunt, daß der preußische Kriegs-⸗Minister als solcher so wenig Kenntniß hat von vielen Dingen in der Armee. Er hat nicht eine Thatsache be⸗ stritten von denen, die ich vorbrachte, er hat sie nur zu rechtfertigen versucht. Er kennt keine Konsumvereine; er kann aber höchstens sagen, er kennt sie in Preußen nicht. In Sachsen sind sie bei vielen Regimentern vorhanden. Kantinen sind . auf den Forts; aber, sie bestehen nicht bloß in den Forts, sie bestehen fast bei jedem Regiment, in der preußischen Armee fast 300. Sie beanspruchen eine ganz erhebliche Zahl von Mannschaften und verursachen, den bürgerlichen Kreisen starke Konkurrenz. Will der Kriegs⸗Minister diese Beschwerden nicht beseitigen, haben wir keinen Nachtheil davon. Das Volk wird desto deutlicher erkennen, daß man fortgesetzt große Theile der Armee zu Diensten benutzt, welche mit der militärischen Ausbildung nicht das mindeste zu thun haben. Der Kriegs⸗-Minister mag doch einmal eine Umfrage veranstalten, er wird erfahren, bei wie vielen Kantinenverwaltungen die Ueberschüsse zum Ankauf von Pferden, Wagen u. s. w. verwendet sind. Hoffentlich werden künftig in das Exerzierreglement Bestimmungen über die Theilnahme an Treibjagden hineingeschrieben werden, mit solcher Begeisterung hat er die bildenden Einflüsse der Treibjagden geschildert. Von der Freiwilligkeit der Meldung zur Treibjagd kann man im Ernst nicht reden; wir kennen diese Art der Freiwilligkeit. Bisher hat diese Verwendung nicht zu den dienstlichen Gepflogenheiten der Armee ge— hört; kommt es jetzt anders, dann werde ich mich bescheiden, dann soll der Kriegs-Minister einmal Recht gehabt haben. Warum er dann gerade die Berliner erwähnt hat, weiß ich nicht; es ist doch Sache der Berliner, ihre Beine in Acht zu nehmen. Daß die Armee diese Aufgabe hat, wird der großen Majorität dieses Hauses und dem Publikum bisher fremd gewesen sein. Früher wurde doch wenigstene eine Art Bedauern über derartige Vor— kommnisse vom Bundetzrathstische geäußert. Es handelt sich ferner nicht um die Beschäftigung von Unteroffizieren bei Banken auf Stunden, sondern auf Tage, auf viele Tage. Diese Kräfte sind eben, weil sie durch die Armeekasse versorgt sind, in der Lage, ihre Arbeitskräfte viel billiger zu verkaufen und den Bürgern eine tödtliche Konkurrenz zu machen. Kein Bangquier kann sich darauf einlassen, auf Stunden solche Leute zu beschäftigen. Es verhält sich hier ganz so wie mit der Konkurrenz der Militärmusik. In Straßburg, einer roßen Garnisonstadt, kommen allerdings Diners der höheren Sffiziere . vor, und dort haben stets die Lohndiener auch bei Offizier⸗ diners serviert, sind aber durch die neue aus Preußen eingeführte Einrichtung verkürzt worden.
Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Kriegs⸗Minister Bronsart von Schellendorff:
Meine Herren! Der Herr Abg. Bebel stellt immer eine große Zahl von Behauptungen auf, und wenn ich mir Mühe gebe, sie zu widerlegen, so sagt er jedesmal: ich habe Unrecht, und sagt von sich,
er habe Recht. (Heiterkeit links; Zuruf Da finde ich es sehr schwer, zu debattieren. (Zuruf links) Was ich über die Jagden und über die Theilnahme der Soldaten daran als Treiber gesagt habe, da muß er mich wieder ganz falsch verstanden haben; daß ich sie als eine nothwendige Sache hingestellt habe, das ist nicht der Fall. Ich habe nur gesagt: es ist eine ganz nützliche und angenehme Be⸗ schäftigung für den Soldaten, wenn er im Laufe des Winters einige Male Gelegenheit hat, aus dem Exerzierhaus in die frische Luft zu kommen, an einem solchen Vergnügen sich zu betheiligen, wo er das Nützliche mit dem Angenehmen verbindet. Denn ich selbst halte das für ein Vergnügen, an der Jagd theilzunehmen, and ich halte das für sehr nützlich, daß er auch noch eine kleine militärische Ausbildung dabei genießt.
Nun sagt der Herr Abgeordnete: es ist früher hier auch schon dieser Gegenstand kritisiert und verworfen worden als ungehörig; das ist nicht der Fall. Vor vier oder fünf Jahren, als noch der berühmte Führer der Zentrumspartei hier im Reichstage saß, erinnere ich mich ganz genau, daß er sich besonders für die Theilnahme der Soldaten an den Jagden aussprach und hervorhob, mit welcher Passion und mit welcher Lust er sich in seiner Jugend bei den Treibjagden als Treiber betheiligt hat. (Sehr richtig! rechts. Heiterkeit)
Der Herr Abgeordnete sagt sodann: ich wäre nicht sehr geistreich in meinen Bemerkungen. Ich bin gegen dergleichen Höflichkeiten durchaus nicht irgendwie empfindlich, im Gegentheil. Aber ist es geistreich, wenn er mir sagt: ich meinte, wir sollten das Treiben in einem neuen Paragraphen in das Exerzierreglement aufnehmen?
Was die Lohndienerfrage anbetrifft, — auf die übrigen Sachen will ich nicht weiter eingehen, Sie werden es auch nicht verlangen und auch nicht erwarten — lsehr richtig! rechts) in der Lohndiener— frage ist auch ein Mißverständniß unterlaufen. Ich glaubte, der Herr Abgeordnete meinte, daß bei den Offizierkorps, bei den Offizierstischen Lohndiener gewesen wären, und da habe ich erwidert, das wäre nie gewesen und das würde auch nie sein, da könnte also auch keine Kon⸗ kurrenz gegen früher eintreten. Was die verheiratheten und höheren Offiziere anbetrifft, so ist es allerdings bei uns in Preußen Gebrauch und wird es auch ferner bleiben, und ist es auch in Elsaß⸗Lothringen Gebrauch und wird es auch dort ferner bleiben, daß, wenn ein höherer General eine Gesellschaft oder ein Diner giebt, daß er sich die Lohn diener nicht aus der Truppe, sondern aus dem Zipilstande nimmt.
Königlich sächsischer Regierungskommissar, Major Graf Vitz—
thum von Eckstädt bemerkt, daß die in Sachsen bestehenden Militär⸗ konsumpereine von den Kommandeuren der betreffenden Truppentheile begründet sind, um den Truppen ihre Bedürfnisse möglichst billig und gut zu liefern. Von einer Konkurrenz ist keine Rede; sie wird auch in keiner Weise beabsichtigt. Die Kommandeure halten es für 36. , fit die Ueberschüsse den Mannschaften zu gute kommen u lassen. Abg. Gräfe (d. Refp.) bestreitet die Behauptung des Abg. Bebel, es sei u. a. in Döbeln die Bestrafung eines Soldaten r et worden, der anderswo als bei dem Konsumverein eingekauft ätte.
Abg. Bebel (Soz.): Die Bemerkung wegen der Berliner schien mir allerdings wenig geistreich zu sein; wenn nun der Kriegs— Minister diesen Vorwurf zurückgiebt, so habe ich nur zu erwidern, daß es mir nicht darauf ankommt, geistreich, sondern wahr zu sein.
Das Kapitel wird im preußischen Etat genehmigt.
Beim württembergischen Etat erwidert auf eine Anfrage des Abg. Beckh (frs. Volksp.) der
Königlich württembergische Bevollmächtigte zum Bundesrath, Oberst Freiherr von Watter: Das württembergische Kriegs—⸗ Ministerium hat keinen Einfluß darauf genommen, daß dem Militär bei der Enthüllung eines Kaiser Friedrich⸗Denkmals die Theilnahme untersagt worden sei, weil bekannt geworden, daß an dem Fuß des Denkmals ein Kranz mit schwarz⸗roth⸗goldener Schleife niedergelegt werden sollte. Auch stehe die gleichzeitig auf der Schlotwiese ab⸗ gehaltene Hofjagd mit diesen Vorgängen in keiner Verbindung. Ob der betreffende Regiments⸗Kommandeur in der gedachten Weise ein— gegriffen habe, sei dem Kriegs-Ministerium nicht bekannt, .
Zu den etatsmäßig aus diesem Kapitel zu bestreitenden Ausgaben gehören auch die Manöverkosten und die Ent— schädigungen für Einquartierung. .
Abg. Broekmann (HSentr.) beschwert sich über zu große Be⸗ lastung armer Gemeinden seines Wahlkreises, so der Stadt Bitburg, durch die Einquartierungslast bei den Manövern. Die Zuschüsse seien viel zu niedrig, sodaß schon einige Kreistage sich gezwungen gesehen hätten, besonders bedürftigen Gemeinden Zuschüsse zu geben.
Bei Kap. 25 „Naturalverpflegung“ sind im preuhischen Etat an den Ausgaben fuͤr die Viktualien— verpflegung von 30 557 317 6 auf Grund veränderter Be⸗ rechnung der Durchschnittspreise und angesichts des Sinkens der Preise für mehrere Produkte 1702 092 6 durch die Kom— mission abgesetzt worden; die entsprechenden Abstriche betragen im sächsischen Etat 74 719, im württembergischen 65 220 6 Ferner sind an den Unterhaltungskosten der Magazingebäude bezw. 50 000, 3400 und 216 66 abgesetzt worden.
Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, General⸗ Lieutenant von Funck bittet, diese letzteren Abstriche nicht zu ge— nehmigen, da derartige Reparaturen, kleine Neubauten und Retablissementsbauten dauernd nothwendig seien und u. a. die Kon⸗ servenfabrikation und der Betrieb der Garnisonsbäckereien und Proviant⸗ ämter durch die Verminderung der Fonds für bauliche Unterhaltungen gestört werden könnten. Ein geordneter Wirthschaftsplan und eine geordnete Wirthschaftsführung seien garnicht möglich, wenn hier plötzlich ein derartiger Abstrich erfolge. Ersparungen an Reparaturen seien doch ganz unwirthschaftlich, und daher stelle sich der Abstrich als wirthschaftlicher Fehler dar, ebenso wie der ebenfalls von der Kom⸗ mission vorgenommene Abstrich bei den entsprechenden Fonds für Kasernenbauten.
Abg. Dr. Hammacher (nl): Mit diesem Abstrich führen wir keine Ersparniß, sondern eine Vermehrung der Ausgaben herbei, da der Abstrich die Unterlassung nothwendiger Reparaturen und kleiner Neubauten zur nothwendigen Folge haben muß, die Konsequenz davon aber nur die Vermehrung der Ausgaben für kostspielige Neu⸗ bauten sein kann. Die Zahl der zu unterhaltenden Gebäude ver— mehrt sich von Jahr zu Jahr, dennoch wird nur die bisher geforderte Summe von uns verlangt. Wie kann ein guter Familienvater gerade an der Unterhaltung der Substanz seines Vermögens zu sparen ver— suchen? Ich beantrage, diese Position unverkürzt zu bewilligen.
Abg. Dr. Lingens Gentr.) spricht sich mit dem Voxredner für die unverkürzte Bewilligung aus. Sparsamkeit will auch er üben, aber am rechten Orte.
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.) empfiehlt ebenfalls die volle Bewilligung. . .
Abg. Richter (fr. Volksp.): Neues für oder gegen die Absetzung ist heute nicht vorgebracht worden. In der Kommission hat auch das Zentrum für die geringere Summe gestimmt. Der Abg. Dr. Lingens pflegt überhaupt freigebiger als seine Fraktionsgenossen zu sein. Der gesammte Abstrich beträgt nur 8 og der geforderten Ge⸗ sammtsumme; dabei war die Absicht, daß an Reparaturkosten nichts abgesetzt werden sollte, sondern nur die Fonds für kleinere Neu⸗ und Retablissementsbauten verkürzt werden sollten. Die Verwaltung hat ja auch die großen extraordinären Pauschquanten aus Anlaß der Heeresverstärkung für diesen Zweck zur Verfügung. Ein guter Hausvater würde in einem finanziell ungünstigen Jahre einen solchen mäßigen Abstrich für selbstverständlich halten.
Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, General⸗ Lieutenant von Funck: Wenn Neubauten nöthig werden, können aus den kürzten Fonds die Gelder nur durch Unterlassung von Repargturen gewonnen werden. Die Fonds, welche aus Anlaß der Heeresverstärkung bewilligt sind, können uns hier bei den ordinären Ausgaben für die kleineren Neu⸗ und Retablissementsbauten nicht helfen.
Dem Kommissionsantrage gemäß wird mit geringer Mehrheit der Abstrich genehmigt; im übrigen wird das Kapitel bewilligt. ; ö
Beim Kapitel „Bekleidung und Ausrüstung der Truppen“ bemerkt auf eine Anfrage des Abg. Dr. Ham⸗ macher (nl,) der
Königli reußische Bevollmächtigte zum Bun arieg d hl er * 6. von 33 n . .
Ich bin dem Herrn Abg. Dr. Hammacher sehr dankbar, daß er mir Gelegenheit giebt, hier zu erklären, daß entsprechend dem Aller⸗ höchsten Befehl, die Entlastung der Infanterie anzustreben, ich Seiner Majestät Vorschläge gemacht habe, die darauf hinausgehen, daß die von dem Infanteristen zu tragenden Gegenstände an Ausrüstung, Waffen und Munition etwa um 13 bis 14 Pfund vermindert werden. (Beifall Wir können das natürlich nicht von heute auf morgen machen, sondern müssen erst sehen, ob im Laufe des Jahres, etwa bis zum Schlusse der Herbstmanöver, sich die von uns angestrebten Maß⸗ regeln praktisch bewähren. Ich glaube aber, es wird der Fall sein.
Das Kapitel wird bewilligt.
Dem Kapitel Garnisonverwaltungs- und Servis— wesen“ ist von der Kommission an dem Titel „zur baulichen Unterhaltung der Kasernengebäude“ u, s. w. ein Betrag von einer , Million an dem Gesammtbetrage von 6 823 815 i irn preußischen Etat abgesetzt worden.
Abg. Dr. Hammacher (nl) beantragt auch hier die unverkürzte Bewilligung, während
Volksp. )
Abg. Richter (fr. eintritt.
Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, General— Lieutenant von Funck verbreitet sich auch bei diesem Posten eingehend über die Unwirthschaftlichkeit der vorgeschlagenen Kürzung.
Abg, Freiherr von Stumm tritt auch hier für den Antrag Hammacher ein. .
Nach wiederholter Auseinandersetzung zwischen dem Ge— neral-Lieutenant von Funck und dem Abg. Richter wird der von der Kommission vorgeschlagene Abstrich von der großen Mehrheit genehmigt, ebenso der entsprechende Abstrich von 50 000 66 bei dem Titel für Dienst- und Dienstwohnungs⸗ gebäude, desgleichen die Abstriche in den Etats für Sachfen 9 Württemberg, ferner die Ausgaben für das Garnisonbau— wesen.
Beim Kapitel „Militär⸗Medizinalwesen“ kommt
der Abg. Dr. Lingens auf die Selbstmorde in der Armee zurück und ersucht um Mittheilung einer exakten Tabelle über die Vertheilung der Selbstmörder auf die Konfessionen. .
Das Kapitel wird bewilligt, desgleichen die Kapitel: Traindepots, Verpflegung der Ersatz⸗ und Reservemannschaften, Ankauf der Remontepferde, Remonte⸗Depots“ .
Zum Kap. 34, „Neisekosten und Tagegelder, Vorspann— und Transportkosten· 7 656 941 6, beantragt die Budget— kommission folgende Resolution:
Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen a. Einleitung zu treffen, daß die Reisekosten und Tagegelder der Reichs beamten, der An— gehörigen des Reichsheeres und der Marine einer Regelung im Wege eines Reichsgesetzes unterworfen werden; p. dabei in Exr— wägung zu ziehen, auf welchem Wege für Dienstreisen auf Eisen— bahnen und Dampfschiffen die wirksamste Einrichtung zu treffen ist, daß die Reisekosten mit möglichster Berücksichtigung der wirklichen Auslagen zur Vergütung kommen.
Regierungskommissar, Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath im Reichs⸗ Schatzamt Plath: Die erste Resolution bezweckt eine Abänderung des bestehenden Rechts, da die Frage bis jetzt durch Verordnung des Bundes— raths geregelt wird; soweit militärische Perfonen in Betracht kommen, steht die Befugniß, die Tagegelder festzustellen, dem Kaiser zu. Dieses Recht ist in unbeanstandeter Geltung, ein Bedürfniß zur Aenderung vermag ich nicht zu erkennen. Der zweite Theil der Resolution hat die Sympathie der Reichsverwaltung insofern, als auch sie davon aus— geht, daß die Beamten aus Dienstreisen kein Geschäft machen sollen. Es haben in dieser Beziehung auch schon Erörterungen innerhalb der Reichsverwaltung und der preußischen Staatsverwaltung stattge— funden; ihr Ergebniß ging dahin, daß zur Zeit sich eine weitere Ver⸗ folgung dieses Gedankens nicht empfiehlt. Gegen die Annahme der Resolution hat die Reichsverwaltung aber nichts einzuwenden, da sie dieselbe Tendenz verfolgt.
Abg. Bebel (Soz): Die Kommission hat sich in zwei Sitzungen mit der Sache beschäftigt und hat die Ueberzeugung trotz der eben gehörten Erklärung gewonnen, daß mit dem bisherigen System ge⸗ brochen werden müsse. Ueber die wirklichen Kosten dürfen die Tage⸗ gelder nicht hinausgehen. Das jetzige System involviere eine Be—⸗ reicherung der Beamten. Die Regierung hat selbst anerkannt, daß sie höhere Reisekosten nur zahle, um den Offizieren damit indirekt höhere Gehaltsbezüge zuzuwenden. Die Entschädigungen sind so hoch bemessen., daß an jedem Kilometer 3—5 4 gespart werden können. Die Diäten sind in den ersten Klassen zu hoch, in den unteren so niedrig, daß die Kommission eine Erhöhung für absolut nothwendig hält. Ein höherer Offizier, der zum Vortrag beim Kaiser nach Potsdam fuhr, hat auf Grund des bestehenden Systems für einen halben Tag 43,027 Sι erhalten. Bei einer Reise nach Köln kann ein Offizier, der ein Retourbillet 2. Klasse benutzt, 160 d sparen. In anderen deutschen Bundesstaaten wird wenigstens das Nachtquartier nicht angerechnet, wenn es nicht benutzt wird. Da dieses System in der gesammten Reichspverwaltung maßgebend ist, so könnten hier Ersparnisse nach Millionen eintreten, ohne daß die Be— amten geschädigt werden. Die frühere Resolution des Reichstags hat man nicht berücksichtigt, sondern alles beim alten gelassen. Fast unglaublich ist eine mir gemachte Mittheilung, wonach einem Reserveoffizier, der als Kaiser— licher Beamter in China angestellt war, im vorigen Herbst zum 105. Regiment nach Leipzig einberufen wurde, über 4000 0 Reise⸗ gelder für die Hin⸗ und Rückreise gezahlt worden sind. Ein solcher Aufwand für einen einzelnen Beamten zum Zweck einer kurzen Reserve— übung ist eine Geldverschwendung. Abg. Richter hat früher einmal gewünscht, daß die Militärverwaltung den in bürgerlichen Verhält— nissen im Ausland lebenden Personen möglichste Erleichterung für die Erfüllung ihrer Reservepflicht gewähre; dennoch ist in einem mir bekannten Fall einem Kaufmann gegenüber, der in Nordschottland angestellt war und zur Uebung einberufen wurde, keine Rücksicht ge⸗ nommen worden.
Nach einer kurzen Erwiderung des Regierungskommissars, Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Raths im Reichs⸗-Schatzamt Plath wird die Resolution einstimmig angenommen und das Kapitel bewilligt.
Beim Kapitel „Bau und Unterhaltung der Festungen“ erwidert auf eine Anfrage des Abg. Schall (dkons.) der
Königlich preußische Bevollmächtigte zum Bundesrath, Genergl— Major von Goßler, daß die Frage der Heranziehung des Militär— fiskus zu den Kommunalsteuern nicht die Militärverwaltung, sondern die Reichs-Finanzverwaltung angehe, und eventuell durch die Gerichte zu entscheiden sei. - ; .
Beim Kapitel „Unterstützung für Militärs und Beamte, für welche andere Etatsfonds zu Unterstützungen nicht vor⸗ handen sind“, wird die von der Kommisston vorgeschlagene NResolution: .
Die verbündeten. Regierungen zu ersuchen, für die Hinter—⸗ bliebenen solcher , des Aktivdienstes und des Beur—⸗ laubtenstandes, welche infolge der bei Friedensübungen erlittenen Beschädigungen gestorben sind, eine entsprechende Fürsorge treffen zu
wollen“, einstimmig angenommen.
Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Kriegs⸗Minister Bronsart von Schellendorff:
Meine Herren! In der Sitzung vom 7. Dezember v. J. wurde
für den Kommissionsbeschluß
bei der Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Gewährung von Unterstützungen an Invaliden vom Jahre 1870 und deren Hinter—⸗ bliebenen, hier auch zur Sprache gebracht, was für die Hinterbliebenen der Mannschaften des Beurlaubtenstandes von Reichs wegen vorgesehen wäre, und was auch für die Hinterbliebenen der Mannschaften des aktiven Dienststandes geschähe, — ich glaube, der Herr Abg. von Schöning hat sich auch besonders für diese Frage interessiert.
Bei dieser Gelegenheit wurde von dem Herrn Abg. Dr. Bachem ausdrücklich die Bitte an die Militärverwaltung gerichtet, doch gelegentlich darüber Auskunft zu ertheilen, wie sich im Laufe der Kaiser⸗Manöver im Elsaß die Krankheits- und Todesfälle gestaltet hätten bei denjenigen Truppentheilen, die Landwehrleute eingezogen hatten. Der Herr Ab⸗ geordnete hatte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich hervorgehoben, daß er aus Zeitungsnachrichten und von anderer Seite Kenntniß davon erhalten hätte, daß eine große Zahl von Landwehrleuten bei den Uebungen gestorben, den Strapazen erlegen wären. Der Herr Ab⸗ geordnete hatte selbst — ich glaube, als Offizier — das Manöver mitgemacht und selbst wiederholt den Eindruck gewonnen, daß viele Leute aus Erschöpfung zusammengesunken wären, und daß ihm auch von Aerzten gesagt worden wäre, einzelne von denen seien so gut wie aufgegeben zu betrachten. Nun, meine Herren, es ist ganz un— zweifelhaft, daß der Herr Abg. Bachem nur bona fide seine Aeußerungen gemacht hat, und daß er auch nur das gesagt hat, was er wirklich gesehen, und die Eindrücke geschildert hat, wie er sie ge— habt hat. Ich habe nun darüber Erhebungen anstellen lassen und ausführliche Berichte von den einzelnen Truppentheilen eingesehen. Daraus geht Folgendes hervor.
Wir haben im Verlauf des vorigen Jahres im ganzen drei Bri— gaden aufgestellt von Landwehrtruppen. Die Stärke der Landwehr— truppen war im ganzen 15 958 Mann, davon 13 444 Landwehrleute. Von diefen Landwehrleuten sind nun, wie ich Ihnen zu meiner großen Freude mittheilen kann, im ganzen nur zwei verstorben, keiner infolge von Strapazen; der eine ist aus dem Fenster gefallen — er ist wahrscheinlich angetrunken gewesen, das ist die Annahme —, und ein anderer ist am zweiten Tage nach seinem Eintreffen in Königsberg an Lungenentzündung gestorben. Es geht daraus hervor, daß auch die Leute, die der Herr Abg. Bachem gesehen hat, sich glück— licherweise wieder erholt haben. Aber ich glaube es ganz bestimmt, daß eine sehr große Zahl von Leuten wirklich erschöpft zusammen— gesunken ist. Und das ist wohl auch mit der Grund, weshalb Seine Majestät der Kaiser nach Allerhöchstseinen Wahrnehmungen mir be⸗ fohlen hat, Ihm nun endlich Vorschläge zu machen, wie die Leute mehr entlastet werden könnten, und daß ich danach trachten müßte, Wandel zu schaffen — (Bravo h. Da rauf ist es also zurückzuführen, daß das Gewicht des Gepäcks der Leute um 13 bis 14 Pfund ver— ringert werden soll.
Es wird die Herren vielleicht interessieren, zu erfahren, was wir von sonstigen Dienstbeschädigungen bei den Landwehrleuten zu ver— zeichnen hatten. Es sind im ganzen von den eingezogenen Landwehr— leuten 14 Mann ausgeschieden, davon 7 infolge Dienstbeschädigung im Verlaufe der Einziehungszeit, 4 durch Dienstunbrauchbarkeit und 3 auf andere Weise. Nun gebe ich zu: es kann die Zahl derer, die Invalidenbenefizien bekommen, sich noch vermehren, da innerhalb Jahresfrist es jedem Landwehrmann freisteht, die Leiden, die er in⸗ zwischen bekommt, als Dienstbeschädigung nachzuweisen.
Ich will auch noch über die Reservisten Auskunft geben, weil das alles bei der gestellten Frage mit in Betracht kommt, und weil ich annehme, daß es gleichfalls die Herren interessieren wird. Wir haben im ganzen während des vorigen Jahres gegen 170 000 Mann des Beurlaubtenstandes eingezogen gehabt, und da ist die Zahl der im Dienst Beschädigten und Gestorbenen im großen und ganzen gering. Es sind natürlich bei den Reservisten, die die größere Zahl der Eingezogenen bilden, einige Todesfälle mehr vorgekommen. Es ist auch möglich, daß einige davon verheirathet sind, deren Hinter— bliebene dann unter das erwünschte Gesetz fallen würden, das in der Resolution beantragt wird. Es sind nur zwei Todesfälle durch Hitz⸗ schlag herbeigeführt, und die würden als infolge des Dienstes ent— standden zu betrachten sein. Die größere Zahl der Todesfälle ist auf Verunglückungen zurückzuführen, auf Typhus und andere Krankheiten. Es sind im ganzen 15; die Zahl ist also nicht erheblich.
Abg. Dr. Bachem Gentr.) mißt natürlich den Angaben des Kriegs⸗Ministers größeren Glauben bei als den Zeitungsberichten, wünscht aber gleichwohl auch für die wenigen Fälle, wo Landwehr— männer den Strapazen der Manöver erliegen, den Erlaß eines Gesetzes, welches ihren Hinterbliebenen eine auskömmliche Entschädigung gewährt.
Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Kriegs-Minister Bronfart von Scheklendorff:
Ich kann dem Herrn Abgeordneten die Versicherung geben, daß wir schon seit Jahren nach dieser Richtung hin thätig gewesen sind. Der Rest des Extraordinariums des Militär⸗Etats und die Einnahmen desselben werden ohne weitere Debatte ge⸗ nehmigt, ebenso die bayerische Quote. Die (vor einigen Tagen ausgesetzte) Abstimmung über die erste Rate von 14 000 ür ein neues Generalkommando in Metz, veranschlagt auf 600 C00 , ergiebt die Ablehnung der Forderung.
Damit ist die Berathung des Militär⸗-Etats erledigt. Gegen 6 Uhr vertagt sich das Haus.
Preusischer Landtag.
Haus der Abgeordneten.
29. Sitzung vom 6. März 1894. Bei Fortsetzung der zweiten Berathung des Etats des inisteriums der geistlichen 2c. Angelegenheiten, und zwar der Position? „Gehalt des Ministers“ tritt der Abg. Stötzl (Zentr ) für die Zulaffung der Srden ein (s. den An- fangsbericht in der Dienstags⸗Nummer d. Bl.). Ihm erwidert in folgender (gestern nur im Auszug mitgetheilter) Rede der
Minister der geistlichen ze. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Meine Herren! Der Herr Abg. Stötzel hat anerkannt, daß ich in dieser Essener Frage nach bestem Ermessen gehandelt habe. Ich aeceptiere dieses Anerkenntniß; es ist vollkommen zutreffend. Er hat richtig herausgefunden, daß ich ihm einwenden würde, ich sei an das Gesetz gebunden. Ich bin an das Gesetz gebunden; meine Aufgabe ist e nur, das Gesetz niemandem zu Leide und niemandem zu Liebe anzuwenden. Dieses Gesetz verlangt den Nachweis eines Bedürfnisses zur Aushilfe in der Seelsorge. Wenn also ein Antrag auf Zulassung einer neuen Niederla fung an einem neuen Orte an uns herantritt, so sind wir
genöthigt, dieses Bedürfniß zu prüfen. Dies geschieht durch Rück⸗ frage bei den betreffenden Behörden. Nun ist hier das Bedürfniß einer dauernden Aushilfe einstimmig von allen darüber gehörten Be⸗ hörden in Abrede gestellt worden, und zwar mit ausdrücklicher Bezug⸗ nahme darauf, daß die erzbischöfliche Behörde selbst die Aushilfe in der Seelsorge durch Vermehrung der geordneten Seelsorge, der geordneten Pfarrgeistlichen, herbeiführen wolle. (Hört, hört!) Dem gegenüber, meine Herren, konnte ich doch hier eine dauernde Niederlassung eines Ordens nicht genehmigen. Ich habe gegen die Franziskaner garnichts; ich habe das auch dadurch bewiesen, daß wir in Westfalen neue Niederlassungen von Männerorden genehmigt haben da, wo das Bedürfniß im Sinne des Gesetzes nachgewiesen war.
Die Bezugnahme auf die Stadtmission der evangelischen Kirche trifft hier garnicht zu, das sind ja keine Orden; das ist allerdings eine außerordentliche Aushilfe bei vorübergehendem Bedürfniß. Nun ist es mir sehr zweifelhaft, ob es richtig wäre, für vorübergehende Bedürfnisse — wie es doch nach dem Befinden der erzbischöflichen Behörde, die die Pfarrgeistlichkeit vermehren will, vorliegt — Niederlassungen zu genehmigen; denn die Franziskaner gehen nicht wieder weg, wenn sie einmal genehmigt sind (Heiterkeit), sie bleiben, die Niederlassungen sind dauernde. Nein, meine Herren, ich konnte nicht anders handeln, wie ich gehandelt habe, und ich kann Sie ver⸗ sichern, daß mein katholischer Referent mir die Ueberzeugung selbst ausgesprochen hat: für die Niederlassung liegt das im Gesetz vorge⸗ sehene Bedürfniß nicht vor. (Hört! hört!)
Meine Herren, wenn ich mich an das Gesetz binde, — täuschen Sie sich doch darüber nicht — so ist das auch im Interesse der katholischen Kirche viel besser, als wenn ich nach Stimmungen handele. Diese Gesetze sind vereinbart mit der Landesvertretung und sie sind unter Ihrer Zustimmung so, wie sie jetzt bestehen, zu stande gekommen. Es ist für mich der einzig feste Halt und Maßstab bei einer gerechten Behandlung der katholischen Kirche, daß ich mich an das bestehende Gesetz halte. Sie kommen damit viel weiter, als wenn der Minister nach Stimmungen handeln oder darauf Rücksicht nehmen wollte, ob er es etwas besser und bequemer hier bei der Etatsberathung be⸗ kommen würde, falls er Ihnen ohne weiteres nachgeben würde. Das könnte für mich augenblicklich ohne Zweifel sehr bequem sein, auf die Dauer würde ich dabei ebenso schlecht fahren, wie Sie. (Bravo!)
Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Der Minister ist vollständig gesetz⸗ mäßig verfahren, aber auf das Bedürfniß der Bevölkerung hat er nicht Rücksicht genommen. Der Minister hat zufällig erfahren, daß der Erzbischof die Zahl der ordentlichen Seelsorger vermehren will; damit hat er aber nicht die Anschauung des Erzbischofs über die Ordensniederlassung erfahren. Der Erzbischof kann garnicht andere als ordentliche Seelsorger berufen. Wenn eine fo große Zahl von angesehenen Männern einer Stadt eine Niederlassung beantragen, so kann der Minister in diesem Wunsche wohl schon den Nachwels eines Bedürfnisses erkennen. Die nichtkatholischen Behörden sind doch dafür nicht maßgebend, und wenn da keine Aenderung der Praxis eintritt, werden wir eine Aenderung der Ordensgesetzgebung beantragen müssen. Bezüglich Oberschlesiens bittet Redner den Minister, den Ausführungen des Grafen Ballestrem, der immer in Ohberschlesien gelebt habe, mehr zu trauen, als denen des Herrn von Heydebrand, der nur vorübergehend dort gewesen sei und die Verhältnisse nicht gründlich kenne. Die Sprachunterrichtsverfügung des Ministers, fährt er fort, müßte auf Oberschlesien ausgedehnt werden. Die Kinder können nicht einmal so viel Polnisch, um beim Gottesdienst die Kirchenlieder singen zu können. Es wird mitgetheilt, daß in den evangelischen Schulen 5 Stunden, in den katholischen nur 4 Stunden wöchentlich Religionsunterricht ertheilt werde, während man doch in den katholischen Schulen in gemischten Be⸗ zirken gerade mit Rücksicht auf die sprachlichen Schwierigkeiten eher mehr als weniger Religionsstunden ansetzen müßte. Redner nimmt den verstorbenen ehemaligen Schulrath Bogedain gegen die Vorwürfe in Schutz, daß er durch Vermehrung der polnischen Unterrichtsstunden eine Degorganisation der oberschlesischen Schulen herbeigeführt haben solle. Nach den Akten, bemerkt er, wird wahrscheinllch die Bio⸗ graphie dieses Mannes sehr unrichtig geschrieben worden sein, wie wir überhaupt den Verdacht haben, daß die Berichte die Re— gierung nicht mehr vollständig richtig über die Perfonen informieren. Redner Heriweist auf zwei Schriften, welche über den Mann Auskunft geben. Bogedain, erklärt er, bezeichnete es als unrichtig und unver⸗ ständig, einem Volke seine Muttersprache nehmen zu wollen. Solche Aeußerung von einem Sachverständigen sollte man nicht mißachten. 1858 ging Herr Bogedain ab und 1863 wurde über den k richt eine Verfügung erlassen, die uns vollständig befriedigen würde. Der Minister hat sich auf die Revision der Schulen durch die Fürst⸗ bischöflichen Kommissare berufen; aber die Berichte dieser Kommissare sind nicht vorgelegt; daß gar keine Schule zu Ausstellungen Ver— anlassung gegeben i können wir nicht glauben. Die Revision hat 1883 stattgefunden. Seitdem haben sich die Zustände erheblich ver⸗ ändert. Redner kommt dann noch auf die Frage des Vermögens⸗ berwaltungsgesetzes zurück und fragt, welche Auskunft die kirchlichen Behörden darüber gegeben hätten; der Minister habe darüber ge⸗ schwiegen.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Meine Herren! Ich bin in der That in Verlegenheit, wie ich es machen sollte nach einer so ausgiebigen Enquste, wie wir sie über die katholische Kirchenvermögensverwaltung angestellt haben, nun noch einmal eine neue Enquste vorzunehmen. Ich habe kein Hehl daraus gemacht, daß auch die Herren Bischöfe über das Gesetz gehört worden sind, daß sie eine Reihe von Wünschen, die auf die Abänderung des Gesetzes hinzielen, geäußert haben, daß auch eine große Anzahl von katholischen Kirchen⸗ vorständen, die darüber gehört sind, gesagt haben: die Gemeinde— vertretung erscheint uns als ein Institut, mit dem wir sehr wohl zu⸗ frieden sind. Ich habe nur gesagt, daß ich daraus entnehme, daß auch in der katholischen Kirche Kreise vorhanden sind, die auf die doppelte Kontrole, die wir bei allen Körperschaften im ganzen Staat bei der Vermögensberwaltung haben, einen gewissen Werth legen.
Was nun die polnische Sprachenfrage in Oberschlesien angeht, so hatte ich geglaubt, ich würde nicht nöthig haben, darauf heute noch einmal zurückzukommen. Ich habe mich darüber so klar und deutlich ausgesprochen, daß ich eigentlich nicht in der Lage bin, meine Er⸗ klärung ergänzen zu können. Nur nach zwei Seiten hin möchte ich Herrn Abg. Dr. Porsch doch antworten. Einmal habe ich ausdrück— lich hervorgehoben, daß wir einen Mangel von Lehrern, die beider Sprachen mächtig sind, in Oberschlesien anerkennen, und daß ich sofort, nachdem dies zu meiner Kenntniß gekommen ist, Maßregeln getroffen habe, um in den Seminarien dafür zu sorgen, daß wir eine ausreichende Anzahl utraquistischer Lehrer bekommen. Ich halte das für nothwendig wegen der Ertheilung des polnischen Religionsunterrichts auf der Unterstufe, an der ich nichts ändern will, und wegen der Zuhilfenahme des Polnischen zum Verständniß auf der Mittelstufe, an der ich ebenfalls nicht ändern will. Also nach dieser Richtung hin bin ich bereit, dem Wunsche des
Herrn Abg. Dr. Porsch entgegenzukommen.
Ebenso werden wir auf der andern Seite das Erlernen polnischer Kirchenlieder unterstützen. Ich habe ausdrücklich angeordnet: die Kinder sollen auf der Unterstufe und auf der Mittelstufe das Singen polnischer Kirchenlieder lernen, weil ich hier ein religiöses Bedürfniß für die Kirche anerkenne, der die Schule in dieser Be⸗ ziehung ohne jegliche Frage hilfreiche Hand leistet.
. Ja, wenn Herr Dr. Porsch die Zustände in Oberschlesien zum theil darauf zurückführt, daß die Berichte der Beamten die Zustände, wie sie dort bestehen, nicht zutreffend zu würdigen wüßten, und zwar um deswillen nicht zu würdigen wüßten, weil die Beamten sich mit der Bevölkerung in der Muttersprache nicht unterhalten könnten — so mag das zum theil richtig sein. Es giebt aber doch auch bei der Regierung in Oppeln Beamte, die allerdings des Polnischen mehr oder weniger mächtig sind. Wenn ich aber Beamte bekomme, die polnisch verstehen, so werde ich sie, wenn sie sonst tüchtig sind mit Freuden acceptieren, und es soll mich freuen, wenn ich recht zutreffende Berichte von ihnen bekomme. Ich kann mir die Beamten doch nicht schaffen, die polnisch reden; ich muß warten, ob polnisch redende Beamte sich ausbilden, und wenn ich sie habe, werde ich sie mit Freuden verwenden.
Was nun aber die Resultate des deutschen Unterrichts anlangt, so stelle ich fest, daß die Revisionsberichte, die wir haben, dafür sprechen, daß die Resultate des deutschen Unterrichts befriedigende sind, auch in kirchlicher Beziehung. Ich habe hier einen Revisions⸗ bericht vom Jahre 1884. Da heißt es am Schluß folgendermaßen:
Das Gesammturtheil über die hiermit beendete Revision sprach der bischöfliche Kommissarius dahin aus, daß die Leistungen von 4 Schulen ungenügend, in den übrigen 32 revidierten Schulen be⸗ friedigend und gut gewesen seien und daß der Religionsunterricht, wie es die Verordnungen der Königlichen Regierung vorschreiben, auf der Mittel⸗ und Oberstufe in der deutschen Sprache ertheilt werden könne und zwar ohne Nachtheil für die religiöse Bildung der Schuljugend.
Ja, meine Herren, darauf fußen wir, und ich sehe nicht ein, wes⸗ halb ich bei solchen Ergebnissen des Unterrichts dazu kommen sollte, die ganze Ordnung des Schulunterrichts zu ändern. Mit Rücksicht darauf will ich noch einmal auf die Frage Bogedain zurückkommen. Ich bin in dieser Beziehung in der umgekehrten Lage, wie der Herr Abg. Dr. Porsch. Herr Porsch gab mir die Person des Schulraths Bogedain preis, hielt sich aber ausdrücklich an dessen Urtheil über die polnische Sprache. Ich dagegen erkenne vollkommen an, daß der Schulrath Bogedain ein tüchtiger, respektabler und achtungswerther Mann war. Meine Quelle ist nicht das Buch von Humbert, auf die sich Herr Dr. Porsch beruft, sondern eine andere, und zwar eine katholisch unverdächtige Quelle, nämlich die „Lebensmeinungen“ des Geheimen Regierungs-Raths Kellner, der mit Bogedain noch eine Zeit lang zusammen gewesen ist, und gerade diese seine Eigenthümlichkeit in der polnischen Sprachenfrage hervor⸗ gehoben hat. Also der Schulrath Bogedain ist nach diesen Mittheilungen ein durchaus achtungswerther Mann gewesen, aber in Bezug auf die Behandlung der Sprachenfrage hat er eine Maxime befolgt, die ich weder als richtig anerkenne, noch die von anderen sachverständigen Seiten als richtig anerkannt worden ist. In dieser Beziehung muß ich ihm entgegentreten, und nur in dieser Be— ziehung habe ich von ihm gesagt, daß sein Einfluß auf die ober schlesische Schule kein günstiger gewesen ist. Er hatte die Maxime, die ich hier aus einem Berichte, allerdings aus den Akten des Kultus⸗ Ministeriums, die doch hoffentlich nicht gerade suspekt sein werden, ersehe. Es heißt in demselben:
Die deutsche Sprache soll nicht mehr Unterrichtssprache, sondern lediglich Unterrichtsgegenstand sein. Aller übrige Unterricht sollte dem Zwecke humaner Geistes⸗ und Herzensbildung untergeordnet werden.
Das, meine Herren, ist doch etwas Anderes, als was wir er⸗ streben und woran wir festhalten. Wir stellen den Satz auf: die deutsche Sprache soll und muß die Unterrichtssprache sein. Soweit wir dann helfen können und müssen, daß zur Befriedigung des reli⸗ giösen Bedürfnisses auch auf die Muttersprache Rücksicht genommen werde, soweit wollen wir helfen; aber an diesem Grundziel und an diesem Grundgedanken, daß die deutsche Sprache die Unterrichtssprache ist und bleibt, werden wir festhalten, und davon kann ich mir nichts abhandeln lassen. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)
Abg. Letochg (Zentr.) spricht sich wie die Abgg. Dr. Porsch und Graf, Ballestrem für die Ausdehnung der Sprachenverfügung auf Oberschlesien aus.
Abg. Herrmann (Zentr.) tritt ebenfalls für den Religions⸗ unterricht in der Muttersprache ein. Die Mängel des jetzigen Systems zeigten sich besonders, wenn die Kinder sich für den Kommunion unterricht melden. Sie hätten keine genügende Kenntniß der Religion; weder in der deutschen, noch in der polnischen Sprache könnten sie sich frei bewegen. Die jetzige Unterrichtsmethode führe zum UÜnglauben und zur Sozialdemokratie. Man habe bisher, wie auf die Aufhebung mancher Kulturkampfgesetze, auch auf die Aufhebung dieser Maßregel er w. Das müsse aber bald geschehen, denn sonst werde man auf olche Konzessionen gar keinen Werth mehr legen. Es wäre eine eminent patriotische That, das polnisch sprechende Volk zu beruhigen. Abg. Stanke (entr.) schließt sich den Ausführungen der übrigen oberschlesischen Abgeordneten namentlich bezüglich der maͤhrischen Einwohner Oberschlesiens an.
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Wenn es sich um eine rein oberschlesische Angelegenheit handelte, würde ich das Wort nicht ergreifen. Aber selbst die Herren vom Zentrum werden es kaum bestreiten können, daß die Polonisierung in Dberschlesien große Fortschritte gemacht hat. Das muß uns stutzig machen. Die Frage ist eine wesentlich politische. Die Herren wollen einen berechtigten Anspruch der national - polnischen Agitatoren erfüllen und damit die Erregung beseitigen. Wir halten aber den Anspruch nicht für berechtigt, und seine rf wird die Bekämpfung dieser Bestrebungen er⸗ schweren. Es wird behauptet, daß der Religionsunterricht leidet; dem widerspricht aber das Urtheil des Fürstbischöflichen Kommissars; der Minister ist auch bereit, eine größere Anzahl utraquistischer Lehrer anzustellen. Die Bewegung ist den Herren vom Zentrum selbst schon unbequem geworden; sie fühlen sich verpflichtet, ihr gewisse Kon⸗ zessionen zu machen, die wir für zweckwidrig halten.
Abg. Dr. Porsch (3entr.) : Die Herren verwechseln Ursache und Wirkung. In der Entwicklung zum Deutschthum ist ein Rückschlag eingetreten, das ist aber eine Folge der falschen Schulpolitik, die in den letzten Jahren eingeschlagen wurde. Deshalb warnen und bitten wir in der zwölften Stunde, die Sache noch einmal ernsthaft in Er⸗ wägung zu nehmen. Wir wollen nicht einer uns unbequemen Agitation ein Opfer bringen, sondern wir wollen die religiöse Ausbildung der Kinder ae. erhalten, nicht eine Konzession an das Polenthum machen. In früherer Zeit wurde auf den Gymnasten Schleftens Polnisch gelehrt, weil, die Beamten damals die Kenntniß des . für nothwendig hielten. Jetzt würde das als staatsgefährlich erscheinen.