1894 / 58 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

und es ist mit Sicherheit zu hoffen, meine Herren, da der Malzzoll bekanntlich höher ist als der Gerstenzoll, daß die Malzindustrie ihren alten Exportmarkt wieder erwerben wird, sobald sie auf Grund der Ausfuhr ihrer Produkte nach einem bestimmten Rendementsverhältniß Einfuhrscheine auf Gerste bekommt und dieselbe also zollfrei nach Deutschland einführen kann. Die Interessenten der Malzindustrie sind der Ansicht, daß sie dann 2 bis 2,40 MS billiger produzieren können als jetzt und dadurch mit der österreichischen Malzindustrie nicht nur die Konkurrenz im deutschen Inlande, sondern auch im deutschen Auslande, erfolgreich werde aufnehmen können, und das bildet für West⸗ und Süddeutschland auch eine sehr erhebliche Frage.

Es sind nun noch gegen die Aufhebung des Identitätsnachweises zwei Einwände erhoben. Zunächst hat man gesagt, es würde damit eine Vertheuerung der Inlandspreise stattfinden. Ich glaube, mit solcher Sicherheit kann man das nicht sagen. Der Gedanke der Auf— hebung des Identitätsnachweises ist nur der, daß der Qualitäts preis unseres Getreides im Auslande plus Zoll voll eskomptiert werde. Nun ist unsere Ausfuhr gegenüber unserer Inlandsproduktion und Konsumtion doch eine verhältnißmäßig so geringe, daß es nicht wahrscheinlich ist, daß der höhere Preis, der beim Export auf diesem Wege erreicht wird, auch durchschlagend sein wird für den Inlandtz= preis. Ich will aber annehmen, es würde selbst durch diese gesetzliche Maßregel erreicht, daß der beabsichtigte Zollschutz dem Inlandspreise voll⸗ kommen zu gute kommt, so sage ich doch, es würde damit nur das erfolgen, was wir bei der Einführung des Getreidezolls haben erreichen wollen. (Sehr richtig! rechts) Und ich glaube, da kann man sich nicht auf die Konsumenten berufen. Es ist doch unzweifelhaft, daß die Getreide⸗ preise gegenwärtig so niedrig sind, daß damit die Landwirthschaft nicht existenzfähig bleiben kann (Sehr richtig h, daß sie damit zum theil in der That ihre Produktionskosten nicht decken kann; und ich meine, für jeden, der draußen im Lande diese Verhältnisse studiert hat, ist es klar, daß eine derartige Verminderung der Kaufkraft unserer deutschen Landwirthschaft, wie sie aus den niedrigen Preisen des Getreides noth—⸗ wendig folgt, auch für Handel und Verkehr von den aller— verderblichsten Folgen ist. Hier in Berlin, in einer großen Stadt, macht sich das nicht so geltend; aber wenn man herauskommt auf das Land, in die mittleren und kleineren Städte, dann hört man allgemein die Klage: unsere Geschäfte gehen zurück, die kleinen Städte müssen zurückgehen, weil die sie umgebende Landwirthschaft ihre Kaufkraft nicht mehr hat. Jeder beschränkt sich, so weit er kann.

Es ist aber auch ferner das Bedenken erhoben worden, daß zum Schaden unserer deutschen Volksernährung man das gute Getreide ausführen und auf Grund der Einfuhrvollmacht minderwerthiges Getreide einführen würde. Diese Befürchtung vermag ich garnicht zu theilen, es wird gerade der entgegengesetzte Fall eintreten. Gerade deshalb ist für unseren Osten, der vielfach unter den schwierigsten klimatischen Verhältnissen das Getreide einbringt, die Aufhebung des Identitätsnachweises so wichtig, weil unser Getreide sehr häufig klamm geerntet wird, in Deutschland schwer abzusetzen ist und erst in Ver⸗ mischung mit dem russischen Getreide exportfähig wird. Umgekehrt wird der Importeur und derjenige, der die Einfuhrvollmacht ver⸗ wendet, ein dringendes Interesse haben, möglichst gutes Getreide ein⸗ zuführen; denn je besser das Getreide ist, desto mehr Mehl erhält er daraus und desto weniger Getreide braucht er auf seine Einfuhrvollmacht einzuführen. Der Erfolg der Maßregel kann mithin keineswegs dahin führen, daß minderwerthiges Getreide eingeführt wird bei uns zum Schaden der deutschen Volksernährung. Ich habe bereits im Beginn meiner Rede ausgeführt, die verbündeten Regierungen besitzen auch kein Vademekum, um die krankende Landwirthschaft von heute auf morgen zu heilen; die verbündeten Regierungen haben aber die ehrliche und feste Absicht, dem unzweifelhaft vorhandenen Nothstande mit allen Mitteln entgegenzutreten (Bravo! rechts), und sie be— trachten diesen Gesetzentwurf hier, betreffend die Aufhebung des Identitätsnachweises, als ein wenigstens für einzelne Landestheile sehr wohlthätiges Mittel zur Hebung der Preise des heimischen Körnerbaus.

Wir bitten Sie, meine Herren, dem Gesetzentwurf Ihre Zu⸗ stimmung zu ertheilen. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Abg. Freiherr von Buol (Zentr): Die Frage der Aufhebung des Identitätsnachweises ist beim rufsischen Handelsvertrag schon er⸗ örtert worden. Vie Vorlage wird ohne Schädigung der Landwirth⸗ schaft des Westens nur dann durchgeführt werden können, wenn für die Einfuhrscheine nicht bloß eine Ermächtigung dem Bundesrath er— theilt wird, sie als kurantes Zollgeld zu verwenden, fondern wenn das gesetzlich festgestellt wird Und wenn die ganze Einrichtung mehr eine lokale bleibt. In der Handelsvertragskommiffion ist von seiten des Reichskanzlers mitgethesft worden, daß die preußische Regierung entschlossen sei, die Staffeltarife aufzugeben. Die weiteren Aus= führungen darüber können wir uns ja zur zweiten Lesung des russischen

andelsvertrags aufheben, wenn der Wortlaut der Erklärung vor⸗ iegen wird. Wir dürfen die Hoffnung hegen, daß die Aufhebung der Staffeltarife andauern wird, fo lange die durch den Handels— vertrag geschaffenen Verhältnisse bestehen werden. Gerade die kleineren Müllerelen leiden jetzt durch die Konkurrenz der großen Etablissements, welche meist nur ausländisches Getreide verbrauchen. Redner ver⸗ weist auf eine Petition von kleinen Müllereien, welche die Abschaffung der Prämie verlangt, welche den großen Müllereien in der Auf⸗ hebung des Identitätsnachweises gewährt ist. Die Beschwerden der kleinen Müller werden beseitigt werden müssen, vielleicht nicht durch Abschaffung des Privilegiums, sondern durch Ausdehnung desselben auf alle Produzenten. Barüber kann wohl in der Kommission weiter esprochen werden, und wenn man keine Kommission einsetzt, wird man . darüber auch im Plenum einigen können; namentli muß unter⸗ ucht werden, ob das Ausbeuteverhältniß für die Mühlenindustrie richtig bemessen ist. Die Vorlage wird geeignet sein, die Nachtheile zu befeitigen, welche der Mühlenindustrie aus dem russischen Handels⸗ bertf g erwachsen. . bg von Puttkam er⸗Plauth (dkons): Die Rede des Reichs⸗ Schatz sekretärs hat auf dieser Seite des Haufez ganz angenehm be⸗ rührt, weil sie den Beweis erbrachte, daß in der Reichsregierung nicht nur Leute sitzen, die ein warmes Herz für die Landwirthschaft haben, sondern auch besonderes Verständniß für die Bedürfniffe derselben. Er hat sogar von dem Bunde der Landwirthe mit Ruhe und ohne Erregung gesprochen. n n wird das in Zukunft immer so bleiben und es wird eine fachlichere Würdigung des Bundes statt— finden. Bedauernswerth ist aber, daß pari passu mit dieser Vorlage die Staffeltarife, das Einzige, was in den letzten Jahren zu Gunsten der Landwirthschaft geschehen ist, aufgehoben werden follen. Die Vor⸗ lage behandelt kein unbekannte Thema; der Abg. Rickert hat ver— schiedene Anträge gestellt, aber fie waren ni t so, daß wir sie unterstützen konnten. Er wollte den Identitätsnachweis nur auf⸗ gehoben wissen für die Transportläger, wodurch ein Mono— pol für die Großhändler eingeführt wäre, pon? dem die Landwirthe keinen Vortheil gehabt hätten. Jetzt wird die Sache anders g leer sodaß die Landwirthschaft einen Vortheil davon haben wird. Man hat die Frage früher immer mit einem non liquet abgethan. Das ist heifte nicht mehr möglich. Auch der Vorredner, der früher ein Gegner dieser Maßregel war, hat sich ja jetzt für die Vorlage erklärt. Unter dem Privilegium der großen Mühlen haben

lägern ein schem Getreide dienen. Die

die kleinen Müllereien erheblich gelitten, und es wird ich vielleicht auch empfehlen, bei dieser Gelegenheit den sogen. gemischten Transtt⸗ Ende zu machen, weil fie Spekukationen mlt ausländi- Aufhebung des Identitätsnachweifes wird aber in ihrer , . doch überschätzt; das Gebiet der Wirk samkeit der Maßregel wird ein beschränktes sein, und die Grenze wird da sein, wo die Transportkosten nach der ausländischen Konsumtions⸗ stelle ebenso hoch werden, wie die nach der nächsten inländischen Konsumtionsstelle. Eine , e allgemeine Rebolution in den Marktber⸗ hältnissen des In und Auslandes wird nicht stattfinden. Die großen Befürchtungen von anderer Seite werden also auch nicht erfüllt werden. Daß die Zollscheine ein Objekt der Spekulation werden, daß sie den Zollschutz herabdricken werden, ist nicht zu befürchten, da die 3. auch für andere Waaren benutzt werden können. Vie cheine werden also fast ganz ihren vollen Werth behalten. Die HSerren im Süden verlieren die Konkurrenz, welche ihnen angeblich infolge der Staffeltarife die ostdeutfche Landwirthschaft n . hat. Die Danziger Mischung, welche früher eine so ich Rolle spielte, wird wieder aufleben, und die Preise für unser Getreide werden wieder etwas mehr ausgeglichen als früher. Man sa t, daß der Osten bei der Schutzzollgesetzgebung ein schlechtes Geschäft ge⸗ macht hat, weil er seine natürlichen , verloren hat. Die Benutzung des Seeweges war für die östkiche Landwirthschaft das Natürliche, und die Gesetzgebung muß die Sache so regeln, daß die östlichen Landestheile keinen Schaden leiden. Die Landwirthschaft hat früher nicht bloß ihre Produkte über See abgesetzt, sondern auch zu billigen Frachten Düngemittel über See bezogen, waͤhrend sie jetzt hohe Landfrachten dafür zahlen muß. Wir sind jetzt sehr froh daß die Stunde der Er—⸗ lösung kommt. Bei den früheren Verhandlungen über diese Frage machte der Abg. Rickert geltend, daß eine Vertheuerung der Getreide⸗ preise eintreten würde. Wir wollen ja Erhöhung der Getreldepreise, und damit kann auch Handwerk und Industrie zufrieden sein, denn dadurch wird die Kaufkraft der Landwirthschaft erhöht werden. Man fürchtete ferner, daß die Ausfuhr bewirkt, die . aber zurückgehalten würde zum Schaden der Volksernährung. enn eine solche Gefahr wirklich einmal eintreten sollte, fo gäbe es schließlich immer noch das Mittel, eines Ausfuhrverbots. Redner empfiehlt ebenfalls, ohne Kommissionsberathung die zweite Berathung der Vorlage im Plenum vorzunehmen.

Abg. Schippel (Soz) erklärt namens der Sozialdemokraten, daß sie die Aufhebung des Identitätsnachweises eingehend erwogen hätten ohne Porurtheil für die Vertreter der östlichen Landwirth⸗ schaft. Obgleich wieder ein Theil der alten natürlichen Wirthschafts⸗ beziehungen herbeigeführt werden könnte, fo werden die Sozial⸗ demokraten doch die Vorlage ablehnen, weil der Vortheil der Land—⸗ wirthschaft lediglich aus den Taschen der ostdeutschen Konsumenten gezogen würde.

Abg. Rickert gi Vg.): Der Abg. Freiherr von Buol will die Aufhebung der Staffeltarlfe gesichert wissen für die Zeit der Dauer des russischen Handelsvertrags. In der Handelsvpertragskommission herrschte die . daß die Frage der Staffeltarife nicht prinzipiell entschieden werden solle; es wurde anerkannt, daß das Prinzip der⸗ selben ein richtiges sei vom eisenbahntechnischen Standpunkt aus. Ich habe 15 Jahre für die Aufhebung des Identitätsnachweifes gekämpft, nicht weil ich eine Vertheuerung des Setreides herbeiführen wollte, onder weil ich die natürlichen Absatzgebiete für die Landwirthschaft des Ostens wieder eröffnen wollte. Ich habe immer bedauert, daß mit Ausnahme des Grafen Udo Stolberg die Herren von der Rechten sich ablehnend verhielten. Sie . meiner Anträge hat dem Abg. von Puttkamer nicht gefallen; ich hatte auch andere Vorschläge gemacht, aber die Herren von der Rechten hatten noch nicht eingesehen, welche Schädigung die Schutzzollpolitik ihnen bringen würde. Für die Mühlen hat man mit großer Mehrheit die Aufhebung des Identitäts⸗ nachweises beschlossen, die man der Landwirthschaft und dem Getreide⸗ handel verweigerte. Zur Vertheuerung des Getreides infolge der Aufhehung des Identitätsnachweises liegt gar kein Grund vor, aber sicher ist, daß unserer Landwirthschaft der alte Markt, der ihr von der Natur gehört, wieder eröffnet wird. reilich 1879 war man sich nicht recht klar über diese Dinge. Fürst Bismarck hielt die Danziger und die Stettiner Mischungen für eine Verschlechterung, ja für eine Verfälschung der deutschen Produktion. Durch die Mischüng des deut⸗ schen und russischen Weizens erhält das Gemssch Eigenschaften, die den einzelnen Theilen fehlen. Die Engländer lieben den deutschen Weizen, weil sie ein feines, weißes Gebäck vorziehen. Wir fehen mehr auf den Nährstoff. und unser Auge wird nicht verletzt, wenn wir eine robuste Semmel vor uns sehen. Auch die Skandinavier ziehen den ost⸗ und westpreußischen Roggen dem russischen vor. Auch im Inter⸗ esse der Landeskultur liegt die Aufhebung des Identitätsnachweifes, denn das Interesse für den Bau der besseren Weizensorten würde all⸗ mählich verschwinden. Wie man hierbei die Beseitigung der ge⸗ mischten Transportlager in den Vordergrund stellen kann, verstehe ich nicht. Das bedeutet einfach die Streichung aller Vortheile der Vor' lage für die Landwirthschaft. Die Aufwerfung dieser Frage würde einen Zankapfel in diefes Haus werfen. Eine Sicherung möchte ich allerdings haben, daß nämlich, wenn eine Getreidesorte mehr aus- als eingeführt wird, man auf den Identitätsnachweis zurückgreift; es handelt sich da um eine Frage, bei welcher der Finanz⸗Minister mit⸗ zusprechen hat. Die Vorlage beschränkt die Transitlager auf Weizen, Roggen, Gerste, Hafer und Hülsenfrüchte, während sie früher für alle landwirthschaftlichen Erzeugnsffe zugelaffen waren. Das wird bei der zweiten Lesung geändert werden müssen. Für uns, die wir den rus⸗ sischen Handelsvertrag für ein bedeutendes Werk halten, muß die Auf⸗ hebung des Identitätsnachweises vor der dritten Lesung des Handels⸗ gerte erledigt werden; deshalb bitte ich um zweite Berat ung im

enum.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Ich habe die schwersten Bedenken gegen das Gesetz, wenn mir auch in der Theorie manche Gründe für dasselbe sympathisch sind. Bieher hat man uns fortgesetzt ver⸗ sichert, daß es auf den . Markt ankommt; der internaklonale Markt sei in seinem Werth schr problematisch, und man müsse des⸗ halb der deutschen Produktion den heimischen Markt erhalten. Und hier wird der ganz gemeine e c proklamiert: daß man dort verkaufen soll, wo am höchsten bezahlt wird, und daß man es er— leichtern muß, die deutsche Waare auf den ausländischen Markt zu bringen, wenn auch der heimische Absatz dadurch beschränkt wird. Es ist uns immer gesagt worden, wie schlimm es mit der Getreide⸗ spekulation stehe, und hier wird ein Gesetz eingebracht, das diese Spe⸗ kulation ganz außerordentlich erleichtern kann. Ganz VDeutsch— land wird durch dieses . für ein einziges großes Transit— lager erklärt. Die Ginführung des Getreidezolls befür⸗ wertete Fürst Bismarck damit, daß man der Speku⸗ lation einen Riegel porschieben müsse. Es triebe sich eine Menge aus— ländisches Getreide jahrelang im Lande umher und drücke die Free; daher müsse ein Ortnungszöll, ein Reugeld bezahlt werden bon dem, der nachher solches Getreide wieder ausführen wolle, weil es im In⸗ land keinen Absatz findet. Hier wird das Reugeld wieder bei Seite eschoben, eine gan andere Anschauung tritt auf. Man wollte Deutsch⸗ and in seiner Getreideproduktion immer ung hängig vom Auslande haben, jetzt denkt man andert. In Konsequenz der jetzigen Anschauung des Abg. von Puttkamer gelangt man dazu, der Börse ein augen⸗ blickliches Vertrauengzvotum zu geben. Man het wie weit die Herren kommen können, wenn sie mal die ganze Grundlage ihrer schützzöll⸗ nerischen Ideen verlassen. Ich werde Ihnen dieses Verlassen der ge⸗ sammten hut öllnerischen Theorien bei geeigneter Gelegenheit vor⸗ halten, wenn Sie dieselben Grundsätze zur Vertheidigung der Schutzzölle anziehen sollten. Ich kann zugeben, daß der Handel der Seestädte durch diese Maßregel ganz außerordentlich begünstigt wird. Aber das In⸗ teresse der Seestädte fällt nicht immer zusammen mit dem allge⸗ meinen Interesse. Die Maßnahme ist geeignet, den Getreidehandel zu verschieben zu Ungunsten des Absatzes von inländischem Yen sbt im Inlande. Durchschlagend ist aber für mig die Vertheuerung der Lehenshaltung für die Konsumenten im Ssten Deutschlands. . stimme ich überein mit dem, was der Abg. Schippel gesagt hat.

kan wendet ein, wir bekommen mit dieser Maßregel nur unser

natürliches Recht, wieder auszuführen durch die Häfen, welche ; unserer Nachbarschaft liegen. Zu. Gunsten' aber den . Das ist ein ein seitiger Freihandel. Der Konfument hat auch ein natürliches Recht, durch die Häfen in der Nachbarschaft das G. treide zugeführt zu bekommen, billiger als 16 anderem Wege. Die k im Osten kann doch gar nicht geleugnet werden. Die Erhöhung der Preife im Osten wird ja bon den

reunden dieser Maßregel gerade erwartet. Das hat der Ober-

räsident Graf Udo zu Stolberg in dem Schreiben vom 23. Dezember 1893, durch welches er die k Reichs tagsabgeordneten fur diese Maßnahme und damit auch für den Handelsvertrag zu gewinnen sucht, offen anerkannt. Die Regierungsvorlage meint freilich, das Getreide brauche nicht vertheuert zu werden; der Konsument werde sich mit einer anderen Qualität begnügen. Das ist aber in der Haupt. sache dasselbe; die Ernährung Fer Bevölkerung verschlechtert sich. Gewiß haben die Leute im Osten meist ein Interesse an der Landwirth. schaftz aber höhere Getreidepreise gereichen dennoch nicht der gesammten Bevölkerung zum Vortheil. Diejenigen, welche eine Grundrente be—⸗ ziehen, haben einen Vortheil, aber die Kaufkraft aller anderen Leule wird vermindert. Die Preise sind jetzt allerdings niedrig, aber wir machen die Vorlage nicht bloß für den gegenwärtigen Preisstand. Der Gesetzentwurf bleibt eine Garantie für die Vertheuerung in der ganzen Höhe des Schutzzolls. Würden die Schutzzölle, immer so wirken, so würden die Verhaäͤltnisse in Deutschland sich ganz unerträglich gestalten. Wo die Konsumtion größer ist als die Produktion, wirkt der Schutz zol voll; nicht aher da, wo die Produktion größer ist als die Konsumtion. Ich bin zweifelhaft, ob diese Preiserhöhung im Osten eintreten wird; tritt sie nicht ein, so fallen alle Vortheile der Vorlage fort. Die Weltmarktverhäͤltnisse sind vielleicht nicht mehr so wie früher? Wird die Nachfrage nach deutschem Weizen noch vorhanden sein? Werden nicht andere Weizensorten als früher in Norddeutschland gebaut? Die größte Gefahr ist, daß Ausfuhrprämien entstehen, die nachher schwer zu beseitigen sind, und diefe Gefahr ist besonders gesteigert, indem die Ausfuhr und Einfuhr vollständig getrennt werden, wenn der Bundesrath erklärt, die Einfuhrschelne können auch bei anderen Waaren als landwirthschaftlichen Erzeugniffen verwendet werden. Ich vertraue dem Bundegrath in dieser Beziehung garnicht, denn er hat sehr wechselnde Anschauungen, aber immer einen agrarpolitischen Charakter, der uns nicht gefällt. Der Einfuhrschein wird dann einfach zu einer Reichsbanknote und da könnte man lieber leich baares Geld bei der Ausfuhr zahlen. Der Bundesrath behält sih vor, minderwerthige Waare bei der Ausfuhr auszuschließen. Die Sache wird also ganz in die Hand des Bundesraths gelegt. Wird der Einfuhrschein bei der Ausfuhr minderwerthiger Waare erthesst, so wirkt das wie eine Anbauprämie auf minderwerthiges Getreide. Warum foll die Maßregel auf die Hülsenfrüchte ausgedehnt werden? Für Mühlen ist allerdings 1882 der Identitätsnachweis aufgehoben; es wurde aber die Identitat der Person und des Lagers festgehalten. Diese Beschränkung fehlt aber hier vollständtg. Wenn der Identitäts nachweis aufgehoben wird für Getreide, warum nicht auch für Holz, für Oelfrüchte u. f. w.? Und wie wird das Ausland solche Maßnahmen aufnehmen? Auf die Einführung der titres d'acquits à caution antworteten wir mit der Wiedereinführung der Eisenzölle. Den Getreide aus— führenden Ländern wird die Vorlage vielleicht angenehm sein; anders dürfte vielleicht England zu der Sache stehen. Für den Handels⸗ bertrag wird man durch diese Vorlage niemand gewinnen. Die Mehrheit für den Handelsvertrag hat sich auch ohnehin schon ge⸗ funden, auch ohne Aufhebung der Staffeltarife, für welche die Auf⸗ hebung des Identitätsnachweises kein r gr ist. Die 6 bringt die Aussicht auf mögliche Vortheile, während die Aufhebung der Staffeltarife eine reale, den Bedürfnissen der Eisenbahn entsprechende Thatsache war. Die Aufhebung des Identitätsnachweises ist ein Linsengericht gegenüber dem Erstgeburtsrecht der Staffeltarife, Und gegenüber einer solchen Vorlage will man nicht einmal eine Kommis⸗ sionsberathung veranstalten. Man müßte uns doch wenigstens die Ergebnisse der Erhebungen mittheilen, die über diese Frage statt⸗ gefunden haben. Das ist aber nicht geschehen. Deshalb müssen wir eine Kommissionsberathung beantragen.

Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Herr von Puttkamer-Plauth hat sich einiger⸗ maßen darüber gewundert, daß dieser Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung des Identitätsnachweises, erst jetzt vorgelegt würde bei Gelegenheit der Berathung über den russischen Handelsvertrag. Dem⸗ gegenüber darf ich wohl bemerken, daß die Erfahrung doch schon be— wiesen hat, daß es rathsam gewesen ist, bis zu diesem Augenblick zu warten, gerade für diejenigen, welche für die Aufhebung des Identitätsnachweises sind. Ich bemerke dabei, daß das preußische Staats⸗Ministerium schon vor mehreren Jahren auf Anregung des damaligen Herrn Minister-Präsidenten einen solchen Gesetzentwurf beschlossen hatte, auf Grund dessen im wesentlichen der jetzige Gesetz⸗ entwurf weiter ausgearbeitet ist. Man hielt es aber für nothwendi und richtig, mit der Einbringung dieses Gesetzentwurfs in den Bundesrath zu warten, weil damals gerade die Verhandlungen mit Oesterreich begannen und weil man sich allerdings sagen mußte, daß inmitten dieser Verhandlungen, die an und für sich schon große Meinungsverschiedenheiten hervorrufen, und bei der Thatsache, daß die Anschauungen über die Rathsamkeit der Aufhebung des Identitäts⸗ nachweises noch keineswegs geklärt waren, weder bei den Regierungen noch im Reichstag, der Erfolg sehr zweifelhaft sein möchte, daß es somit klüger sei, den Gesetzentwurf zurückzuhalten und ihn erst jetzt einzubringen.

Meine Herren, wer die Berathungen über diesen Vorschlag der verbündeten Regierungen im Gedächtniß hat, wird zugeben, daß kaum eine Frage länger dunkel geblieben, wie diese, und in ihren Kon— sequenzen mißdeutet oder mißverstanden ist. Vielleicht hat dazu der etwas sonderbare Name des Gesetzentwurfs beigetragen. Allmählich erst, wie das so oft geht, daß die Dinge durch Liegen reif werden, sind auch in dieser Beziehung die Anschauungen nach und nach reif geworden. Man braucht jetzt nach meiner Meinung eine eingehende Kommissionsberathung nicht mehr ssehr richtig! rechts); man weiß schon, was man will, man ist über die Tragweite sich völlig klar.

Nun muß ich zugeben, daß die Ausführungen des Herrn Abg. Richter, wenn eine klare Frage nun wieder zweifelhaft gemacht werden könnte, dazu allerdings in hohem Grade geeignet sind. (Sehr gut! rechts Denn was irgendwie noch zusammengetragen werden kann an Bedenken, Zweifeln und Einwendungen, um eine an sich klare Sache wieder schwierig und zweifelhaft zu machen, das, muß man zugeben, ist dem Herrn Abg. Richter gelungen. (Sehr richtig! rechts) Ich will gar nicht verkennen, daß unter seinen Ausführungen sehr beachtenswerthe Gesichtspunkte sind, wenn ich die Richtigkeit derfelben auch nicht anerkenne. (Heiterkeit rechts.)

Meine Herren, die erste Behauptung das ist wohl der Kardinaleinwand des Herrn Abg. Richter daß unzweifelhaft eine Vertheuerung des Getreides eintreten werde in den östlichen Theilen der Monarchie, kann ich nicht als richtig anerkennen. Ich sehe die Sache so an: dadurch, daß dies Gesetz die freie Bewegung des Handels wieder gestattet in Beziehung auf den Vertrieb der ver schiedenen Getreidesorten an diejenigen Orte und in diejenigen Länder, welche die betreffenden Sorten besonders zu haben wünschen und da⸗ für auch höhere Preise zahlen das ist die Bedeutung dieses Ge⸗

stzes wird zwar zweifelt darin gebe ich dem Herrn Abg. Richter vollständig recht der Handel unmittelbarer begünstigt als die Landwirthschaft. Ob die Landwirthschaft Vortheil hat durch ein Steigen der Preise, mag zweifelhaft sein. Es ist schwer in dieser Beziehung, so sicher in die Zukunft zu sehen. Sicher ist jedenfalls nach meiner Meinung das noch nicht.

Den Vortheil der Landwirthschaft in Ost, und Wesipreußen, theilweise vielleicht auch in Pommern und Posen, erblicke ich haupt⸗ säͤchlich darin, daß das Getreide, was dort produziert wird, sicherer ver— käuflicher wird, wenn auch nicht gegen höhere Preise. (Heiterkeit! links.) Das lehrt doch die tägliche Erfahrung, daß das Getrelde unter ge⸗ wissen Bedingungen und Verhältnissen oft überhaupt unverkäuflich

ist. Sprechen Sie nur einmal mit unseren Bauern, die sehr häufig

sagen: selbst gegen die billigsten Preise können wir das Getreide nicht los werden. (Sehr richtig) Darin liegt nach meiner Meinung das Wesentliche, daß der Absatzmarkt, der jetzt beschränkt ist durch die Transportkosten, im Inlande, erweitert wird auf die überseeischen Absatzmärkte und die Garantie der jederseitigen Möglichkeit des Verkaufs durch dieses Gesetz wieder gewährt wird. Darin aber würde schon ein sehr be— deutender Vortheil auch für die Landwirthschaft liegen, selbst wenn die Preise nicht stiegen. (Sehr richtig! rechts) Wir können doch nur das Bestreben haben, dahin zu wirken, daß große Maßregeln wirthschaftlicher Art möglichst gleichmäßig wirken auf die verschiedenen Landestheile Deutschlands. Der Herr Ab⸗ geordnete von Puttkamer hat mit Recht ausgesprochen, daß, wenn dieser natürliche Anspruch in einem einheitlichen, von der einheitlichen Gesetzgebung abhängigen Wirthschaftsgebiet an sich berechtigt ist, er doppelt berechtigt ist für die östlichen Landestheile. Der Herr Abg. von Puttkamer hat recht, daß der Osten Nachtheile vieler Art durch den Schutzzoll in Beziehung auf die Industrieartikel hat, und daß daher um so mehr der Anspruch berechtigt ist, daß die übrigen deutschen Landestheile ihm nun dahin helfen, daß er wenigstens die— selben Vortheile hat in Beziehung auf den Schutz für die ländliche Produktion. Das ist ein Satz, der nicht widerlegt werden kann. Sehr wahr!)

Nun sagt der Herr Abg. Richter, indem er diese Frage nach meiner Meinung hier in unberechtigter Weise einwirft, daß die Auf— hebung der Staffeltarife viel nachtheiliger sei für die östlichen Pro— vinzen, als der Vortheil, den dieses Gesetz hier bringt. Darüber brauchen wir nicht zu streiten. Das ist eine Frage, die hier gar nicht in Betracht kommt; wenn es nur richtig ist, daß dieses Gesetz einen gerechten wirthschaftlichen Anspruch der östlichen Provinzen erfüllt. Das ist hier allein zu entscheiden; wenn dies Gesetz nicht käme und die Staffel⸗ tarife dennoch aufgehoben würden, so wäre die Lage für die östlichen Provinzen jedenfalls noch schwieriger. (Sehr wahr!) Der Herr Abg. Richter meint, es müsse nothwendig eine Verschlechterung der Lebens— haltung der dortigen Bevölkerung durch dieses Gesetz eintreten, denn man würde die guten Qualitätrn ausführen und die schlechteren wieder einführen. Diese Ansicht halte ich auch für unrichtig. Nicht schlechtere Sorten führt man ein, sondern andere. (Sehr richtig) Der richtige Austausch zwischen den verschiedenen Sorten wird in Zukunft wieder stattfinden können, und eine Nahrung aus trockenem russischen Weizen ist genau ebenso kräftig, als ein Brot aus dem weichen ostpreußischen Weizen.

Nun ist von mehreren Seiten gewünscht, man möge die Bestim—⸗ mung, daß der Bundesrath ermächtigt sei, nicht Roggen gegen Roggen, Weizen gegen Weizen zu kompensieren, sondern als allgemeines Zoll— geld die Ausfuhrscheine gelten zu lassen diese Bestimmung möge man ins Gesetz selbst obligatorisch schreiben. Daneben hat Herr Abg. Rickert, und nach meiner Meinung mit Recht, auf die theoretisch denkbare Möglichkeit hingewiesen, daß mal in einer gegebenen Zeit die Ausfuhr die Einfuhr in irgend einer bestimmten Ge— treidesorte übersteigen würde. Wenn Sie das Gesetz unverändert lassn, dann ist weder die eine Befürchtung noch die andere begründet; denn daß der Bundestath von der Möglichkeit, diese Scheine zu ver— wenden als Zollgeld, keinen Gebrauch machen würde in einem Zeit⸗— punkt, wo die Ausfuhr die Einfuhr überschreitet und baares Geld aus der Reichskasse zugezahlt werden müßte, darüber kann doch nicht der mindeste Zweifel sein. In einem solchen Falle würde das Gesetz ja überhaupt ganz seinen Zweck verfehlen, und wir würden dann aller— dings ganz unberechtigte Ausfuhrprämien gewähren, während, wenn Sie das Gesetz so gestalten, wie das hier vorgeschlagen ist, jeder Vor— wand des Auslands, welcher durch die Ausführungen des Herrn Abg. Richter verstärkt werden könnte, daß man nämlich in dieser ganzen Einrichtung eine Ausfuhrprämie findet; während, wenn der Gesetz⸗ entwurf so bleibt, wie er ist, eine solche Behauptung nicht mehr als ein auch nur plausibler Vorwand gelten kann.

Eine Ausfuhrprämie besteht doch darin, daß für die Ausfuhr eines Artikels ein Zuschuß aus der Staattkasse gegeben wird, der nicht wieder einkommt, der nicht wieder zurückgezahlt wird. Wenn dieser Ueberschuß, wie er jetzt im Entwurf steht, bestehen bleibt, so ist ein solcher Einwand, daß hier eine wirkliche Ausfuhrprämie vorliege, daher in keiner Weise begründet. Ich kann Ihnen daher nur empfehlen, daß Sie den Entwurf so lassen, wie er ist, Sie erreichen Ihren Zweck vollständig; und daß Sie namentlich nicht im Gesetz obligatorisch für alle Zeiten die Verwendung der Ausfuhrzettel als Zollgeld aufnehmen; denn dann könnte man allerdings ja eher den Einwand machen, daß, wenn maͤl beispielsweise Roggen in einem Jahre mehr ausgeführt als eingeführt würde, dennoch dieser Charakter des Zollgebiets bestehen bliebe, und darin allerdings eine Ausfuhr⸗ prämie liegen würde. Wenn Sie aber dennoch ein solches Amende⸗ ment anzunehmen wünschen, dann müssen Sie wenigstens dem Bundes⸗ rath die Befugniß geben, zeitweilig unter der fraglichen Voraussetzung diese gesetzliche Bestimmung wieder außer Kraft zu setzen, dann hat aber andererseits die Aenderung des Gesetzes wiederum keinen rechten Zweck.

Der Herr Abg. von Puttkamer hat darauf hingewiesen, daß man bei dieser Gelegenheit auch der Frage der Transitläger näher treten müsse, und er hat die Meinung ausgedrückt, daß die weite Ausdehnung der Transitläger allerdings bedenkliche Folgen un Belichung auf die Anregung zur Getreidespekulation habe, daß damit ein Druck auf die Inlandhreise auzgeuübt werden könnte. Ich will darauf erwidern, daß die Frage der Ausdehnung oder Ein⸗ schränkung der gemischten Transitläger allerdings gegenwärtig in Er— terung sich befindet. Es hat sich herauegesteßt, urhts ert erf

rund neuer Konzessionen, (Hört! hört! rechts) sondern meistentheils auf Grund von alter Zeit her bestehender Konzessionen, eine Reihe

Transitläger bestehen, die überhaupt nach dem Auslande nicht expor⸗ tieren (Hört! hört! rechts5 und daß so allerdings ein unberechtigter Zollkredit gewährt wird, der eine Anregung gewähren kann zum spekulativen Import ausländischen Getreides. (Sehr richtig! rechts.

Anderntheils, und darin ist gewiß dem Herrn Abg. Rickert bei⸗ zutreten, für gewisse Städte, z. B. für die zweifellos auf Export an⸗ gewiesenen Städte Danzig, Königsberg ꝛc. sind solche gemischten Transitläger vollkommen unentbehrlich.

Man erwägt nun die Frage, was hier zu thun ist, um einem Mißbrauch einer Institution, welche nur da gerechtfertigt ist, wo die thatsächlichen Bedürfnisse des Handels die freie Wahl erfordern, nach dem Inland oder nach dem Ausland zu exportieren aus dem betreffenden Lager, was zu thun ist, um einen solchen Mißbrauch abzuschneiden. Einen unmittelbaren Zusammenhang aber mit der hier vorliegenden Frage kann ich auch hier nicht finden. Man würde diese Frage entscheiden müssen, gleichwohl ob wir die Aufhebung des Identitätsnachweises beschließen oder nicht beschließen. Der Herr Abg. Richter meint: Wenn man hier die Identität, die doch ein wesentlicher Grundsatz unserer ganzen Zollgesetzgebung ist, nicht mehr berücksichtigt, so würde das keine Grenze haben, man könnte beispielsweise für Oelsaaten oder für Holz oder für andere Artikel genau ebenso von dem Nach⸗ weise der Identität absehen. Was die Oelsaaten betrifft, so werden ja die verehrten Herren sich darüber entscheiden, ob sie es für nothwendig und rathsam halten, die Oelsaaten hiermit aufzunehmen. Ich glaube, die verbündeten Regierungen würden eine entscheidende Frage aus einer solchen Ausdehnung nicht machen.

Was das Holz betrifft, so ist die Sache auch schon mehrfach in Anregung gekommen, es hat sich aber technisch die Sache als un— durchführbar erwiesen, und der Hauptgrund, in diesem Falle den Nachweis der Identität aufzuheben, kann auch bei Holz garnicht vor⸗ liegen; denn wesentlich liegt der Grund doch in der Nothwendigkeit der freien Mischung, was bei Holz wenigstens in dieser Weise durch⸗ aus nicht in Betracht kommt.

Maßregeln, die auf den einen Fall passen, passen nicht auf alle anderen Fälle, und es ist ja Sache der Gesetz⸗ gebung, klarzustellen, für welche Fälle ein solches Bedürf— niß nachzuweisen ist. Würde für irgend einen anderen Gegen— stand ein ebenso dringendes und berechtigtes Bedürfniß nachgewiesen werden, nun, so kann die Gesetzgebung hierüber frei entscheiden. Im großen und ganzen ist doch der Herr Abg. Richter der überzeugteste Anhänger der Nothwendigkeit der freien Bewegung des Handels, und ich behaupte, hier liegt eine Maßregel vor, welche gerade die verloren gegangene und durch die Gesetzgebung verloren gegangene freie Be— wegung des Handels wieder herstellt. (Sehr richtigh

Es liegt hier ein Fall vor, wo es glücklicherweise klar auf der Hand liegt, daß das Interesse des Handels und der Rhederei überein⸗ stimmt mit dem Interesse der Landwirthschaft (sehr richtig! rechts), und wir sollten gerade in einem solchen Falle das um so mehr ergreifen, als ja so oft nur scheinbare Interessengegensätze zwischen diese großen Erwerbszweige gebracht werden und zu Verstimmungen führen, die in sich keine Begründung haben. (Bravo! rechts.)

Abg, Bassermgnn (nl. : Die Aufhebung der Staffeltarife und des Identitätsnachweises hängen in gewisser Beziehung zusammen. In Südwestdeutschland ist wohl kaum eine landwirthschaftliche Ver⸗ sammlung vorübergegangen, welche nicht protestiert hätte gegen die unnatürliche Maßregel der Staffeltarife, welche nur für die Ver⸗ stopfung der früheren natürlichen Absatzgebiete einen Ersatz bieten sollte. Die Aufhebung der Staffeltarife erleichtert einem Theik meiner Freunde die Annahme des russischen Handelsvertrages. Die Bedenken gegen die Aufhebung des Identitätsnachweifes sind bei uns hauptsäch⸗ lich verschwunden, da für die Ausfuhr hauptsächlich der Norden in Betracht käme; Süddeutschland würde nur bei der Ausfuhr von Gerste betheiligt sein. Ob es möglich sein wird, die alten Abfatz⸗ gebiete wieder zu erobern, das kann man wohl dem Urtheil der Handelskammern überlassen, welche die Frage meiftens bejahen.

Abg. Meyer⸗Danzig (Rp.) tritt für die Vorlage ein, zumal durch die Gewährung der Befugniß an den Bundesrath, die Einfuhr⸗ scheine auch für andere Waarenmporte in Zahlung zu nehmen, alle Bedenken geschwunden seien, die man früher gehabt habe.

Darauf wird die Diskussion geschlossen.

Abg. Aichbich ler (Zentr.) beschwert sich, daß ihm durch den Schluß der Debatte die Möglichkeit abgeschnitten sei, gegen die Vorlage

u sprechen. . 2. Antrag auf Kommissionsberathung wird abgelehnt.

Schluß 5 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

30. Sitzung vom 7. März 1894.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Berathung des Etats des Ministeriums der geistkichen 26 ö

Zu dem Anfangsbericht in der Mittwochs-Nummer des Blatts sind zunächst zwei Reden des Staats-⸗Ministers Pr. Bosse nachzutragen.

Dem Abg. Mooren (Zentr.), welcher in der Berathung über das Kapitel „Bisthümer“ eine bessere finanzielle Ausstat⸗ tung der Erzdiözese Köln bezw. eine Theilung derselben wünschte und über disparitätische Behandlung der dortigen Katholiken klagte, erwiderte der

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Die Gewährung der Parität ist mein ernstes Bestreben. Ich habe das bereits erklärt und will auf diesen Punkt nicht noch einmal zurückkommen. Ich will auch dem Herrn Vor— redner versichern, daß ich seine Ausführungen über die Bulle de salute animarum und alle seine Anregungen in wohlwollende Er— wägung ziehen werde, wie dies überhaupt geschieht. Selbst diejenigen Punkte, die hier angeregt werden, ohne daß auf sie eine spezielle Antwort erfolgt, werden im Kultus,Ministerium nach dem Abschluß der Etats⸗ debatte einzeln aus dem stenographischen Bericht zusammengestellt und dann einer ernsten Erwägung unterzogen, sie werden zum Gegenstande der Berichterstattung gemacht, soweit dies nöthig erscheint; und Sie können sich darauf verlassen, daß ich mit dem größten Wohlwollen, dessen ich fähig bin, begründeten Beschwerden gegenüber Abhilfe schaffen werde. Ich will nur hervor heben, daß bis jetzt vom staatlichen Gesichtspunkt aus die Nothwendigkeit, eine neue Zirkumskription der Erzdiözese Köln vorzunehmen, nicht hervorgetreten ist. Ich gehe deshalb auf den An⸗ trag, um den es sich hier handelt, nicht noch einmal ein. Ich glaube, daß mein Herr Kommissarius gestern die Gesichtspunkte, von denen die Staatsregierung ausgeht, zutreffend hervorgehoben hat, und ich will nur wiederholen: in jedem einzelnen Falle, wo uns nachgewiesen

wird, daß das Einkommen einer Stelle ungenügend ist, werden wir mit Freuden bereit sein, zu helfen.

Aber ich möchte um die Erlaubniß bitten, in einem einzigen Punkt einen Irrthum zu berichtigen, den ich unwissentlich gestern be⸗ gangen habe. Ich muß deshalb mit Erlaubniß des Herrn Prãsidenten auf die gestrige Debatte zurückgreifen. Ich habe in der Erörterung über die Essener Ordensangelegenheit gestern gesagt, daß ich meine ablehnende Entscheidung, die Entscheidung, daß ich ein Bedũrfniß für die Aushilfe in der Seelsorge durch eine Ordensgesellschaft in Essen nicht anzuerkennen vermöge, auf den Rath und Vorschlag und unter Zustimmnng meines katholischen Herrn Referenten getroffen hätte. Darin habe ich mich geirrt. Ich habe festgestellt, daß mein katholischer Herr Referent damals dafür votiert hat, daß man wohl das Bedürfniß anzuerkennen vermöge. (Beifall im Zentrum.)

Meine Herren, ich bin es der Wahrheit, dem hohen Hause und meinem Herrn Referenten schuldig, das hier offen anzuerkennen: Es macht das ja in der Entscheidung keine Unterscheidung; die Entschei⸗ dung liegt bei mir, und ich bin mir der vollen Verantwortung bewußt, die ich dafür zu tragen habe. Sie ist mir durch das ablehnende Votum des katholischen Herrn Referenten nur noch schwerer geworden, als wenn er mir zugestimmt hätte; denn ich mußte erwägen, ob ich trotz des Votums die Ueberzeugung, daß es sich hier um ein dauern des Bedürfniß nicht handele, gewinnen konnte. Nun, meine Herren, ändert das also in der Sache selbst nichts; aber ich will nicht, daß eine von mir irrthümlich abgegebene Erklärung hier unerwähnt bleiben sollte, weil daraus falsche Schlüsse gezogen werden könnten, und deshalb habe ich um die Erlaubniß gebeten, diese thatsächliche Berichtigung eintreten zu lassen.

Zu dem Kapitel Katholische Geistliche und Kirchen (Be⸗ soldungen und Fußhusßh brachte der Abg. Schmidt⸗ Warburg (Hentr.) die Beschwerde vor, daß bei der auf⸗ gehobenen Benediktinerabtei Marienmünster im Kreise Höxter ein Kaplan nur 750 S Einkommen beziehe, obwohl er die Funktion eines Pfarrers ausübe. Die deshalb vorbereitete Eingabe empfahl Redner zur geneigten Berücksichtigung. Ihm entgegnete der

Minister der geistlichen 2. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ganz soweit will ich noch nicht genickt haben. Eine geneigte Berücksichtigung, das ist ein Bischen zu viel, ehe ich die Sache ge⸗ prüft habe. Aber eine sehr wohlwollende Erwägung will ich ver⸗ sprechen. Wenn dem Mann zu helfen ist und geholfen werden muß, so wird es von unserer Seite gern geschehen.

Ich möchte mit einem Worte zurückkommen auf die hier an⸗ geregte Aufrollung der gesammten Sperrgelderfrage seit 1875. Das ist ein sehr gefährlicher Weg, den Sie beschreiten. Ich mache darauf aufmerksam, daß bei Zustandekommen des Sperrgeldergesetz es gerade aus den Reihen des Zentrums ausdrücklich anerkannt worden ist, daß, wenn die Ausschüttung der Kapitalbeträge erfolgen würde, damit die Sache abgemacht sei. Es ist kaum möglich, alle die ein⸗ zelnen Fragen, die von der Sperrgelder⸗Verwendungskommission ge⸗ prüft sind, nochmals einer staatlichen Nachprüfung zu unterwerfen. Sie würden, wenn Sie diesen Weg beschreiten, hier sich vor Petitionen gar nicht zu retten wissen. Meine Herren, das ist den Sperrgelder⸗ Verwendungskommissionen nach dem Gesetz übertragen worden, diese haben ihre Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen ge⸗ troffen. Dabei wird man es in der Hauptsache müssen bewenden lassen. Ich fürchte, daß wir durch solche allgemeine Bewegung von Dingen, die zu einem gesetzlichen Abschluß gebracht sind, nicht zu einem gedeihlichen Resultat kommen werden.

Im weiteren Verlauf der Berathung spricht bei dem Kapitel „Provinzial-Schulkollegien“

Abg: Krawinkel (nl) den Wunsch aus, daß die Provinzial⸗ Schulräthe öfter, als es jetzt geschehe, die höheren Lehranstalten revidieren und an den Examinatorien theilnehmen möchten. Die geringe Besoldung der Schulräthe sei allerdings kein Kompelle für tüchtige Schulmaͤnner, sich dieser Karrisre zu widmen. Redner wünscht ferner eine etwas lebhaftere Unterstützung der gehobenen nichtstaatlichen Schulen in den kleinen Städten und auf dem Lande, auch durch Gewährung der Berechtigung zum einjährigen Dienst.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Wir haben in den Provinzialschulräthen, mit denen sich mein Herr Vorredner beschäftigt hat, eine Kategorie von verdienten Beamten, die der höchsten Anerkennung werth sind. Ich stelle nicht in Abrede, daß ich allerdings in schwerer Sorge darüber gewesen bin, ob es uns auf die Dauer gelingen wird, bei den heutigen Gehaltssätzen für diese Stellen die tüchtigen Kräfte, die wir brauchen, zu bekommen und den Inhabern dieser Aemter die Freudig⸗ keit zu erhalten, deren sie für ihr schweres Amt bedürfen. Aber ich habe mit einer Forderung in dieser Beziehung, abgesehen von der Vermehrung durch vier Stellen, nicht hervortreten mögen und können, weil ich mir selbst habe sagen müssen, daß angesichts unserer heutigen Finanzlage auch die Unterrichtsverwaltung mithelfen muß, sich zu be⸗ schränken, soweit es ohne wirkliche Schädigung hoher geistiger Inter⸗ essen möglich ist. Es giebt für mich auf diesem Gebiet zwei Wege. Ich kann an die Finanzverwaltung herantreten und möglichst viel auf allen Gebieten verlangen, ohne es mit den Bedürfnissen sehr genau zu nehmen, dabei von dem Gedanken ausgehend: je mehr Du forderst, desto mehr wirst Du bekommen. Das ist aber kein gesundes Verhältniß. Ich gehe vielmehr davon aus, daß es meine Pflicht ist, auch in meinem Ressort Rücksicht zu nehmen auf die allgemeine Lage der Staatsfinanzen und meinem Herrn Kollegen im Finanz⸗Ministerium thunlichst entgegenzukommen dadurch, daß ich nur bei durchaus begründeten Mehransprüchen über⸗ haupt an ihn herantrete, dann aber auch mit desto größerer Energie und Ernst und, wie ich hoffe, auch mit größerem Erfolge. Das ist der Grund gewesen, weshalb wir auch die Provinzialschul⸗ räthe gleich vielen anderen Beamten vorläufig im Gehalt nicht haben verbessern können, sondern wir müssen in Bezug auf diese Kategorie die im allgemeinen ins Auge gefaßte Aufbesseruug der Beamten ab—= warten.

Was nun die Förderung der gehobenen Stadtschulen, von denen der Herr Vorredner gesprochen hat, anlangt, so erkenne ich im vollsten Maße an, daß diese gehobenen Stadtschulen nament- lich in kleinen Orten ein durchaus nützliche; Glied in der Reihe unserer Lehranstalten sind, daß sie dazu bei⸗ tragen, ein gewisses Maß von Bildung, welches über die Volkt⸗ schule hinausgeht, in weitere Kreise zu tragen und dadurch fehr nützlich zu wirken. Wir haben sie deshalb auch in dem jetzt dem hohen Hause

vorliegenden und demnächst zur Berathung kommenden Gesetzentwurf