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wenn die gewählten Abgeordneten hatten nur die Pflicht, ihr Wort zu
zollern von Sieg zu
angeb iche Aeußerung von mir polemisiert, als ob London der Welt⸗
marktpreis von Roggen sei. Eine solche Behauptung habe ich nicht aufgestellt. Ich habe inhaltlich der Drucksache Nr. 234 in der Kom⸗ mission erklärt: 36 . ;
Daß für den Roggen der Londoner Weltmarktpreis entscheidend sei,
wird nicht behauptet. Die entscheidenden Märkte, namentlich für
Termingeschäfte in Roggen, sind Berlin und Amsterdam, und für den russischen Roggen sind speziell die Preise des Berliner Markts von großer Bedeutung. Also genau, das, was der Gewährsmann des., Herrn Grafen Arnim, nämlich Herr Kühnemann in Stettin, behcuptet.
Der Herr Abg. Graf Arnim ist einen Beweis schuldig geblieben, nämlich den Beweis, daß die Manipulationen, die ich in meiner ersten Rede bei der ersten Lesung des Vertrags als wahrscheinlich be⸗ zeichnet habe, nicht möglich seien, daß nämlich russischer Roggen nach solchen Ländern gebracht wird, die bei uns meistbegünstigt sind, daß er dort zu Mehl verarbeitet und daß das Mehl dann unter der Meistbegünstigung zu uns gebracht wird.
Der Herr Abg. Graf Arnim sprach von einem angeblichen Wider⸗ spruch bezuglich der Ursprungsatteste; von einem Widerspruch ist da nicht die Rede. Ich habe stets behauptet, daß die Ursprungsatteste auf eine gewisse Zeit hinaus vollkommen wirksam funktionieren, daß aber, wenn erst der Zollkrieg verewigt ist, der Kampfzoll zu einer beständigen Einrichtung wird, dann es Handel und Verkehr leicht werden wird, durch diese Ursprungsatteste auf legalem Wege vierspännig zu fahren und den russischen Roggen in Mehlform doch bei uns einzuführen; und ich wiederhole, was ich früher gesagt habe: wenn dies möglich ist, was haben wir denn dann? Dann haben
die fremden Schiffe die Fracht, der fremde Handel die Spesen, und
die fremden Mühlen haben die Arbeit, und wir haben für unsere Landwirthschaft lediglich nichts, und unsere Industrie noch die russischen Kampfzölle.
Meine Herren, wenn man so leichthin über den Zollkrieg spricht, was würde denn die Folge sein, wenn dieser Zollkrieg noch länger andauerte? Daß wir beide, Rußland und Deutschland, gegen⸗ seitig schweren wirthschaftlichen Schaden thun können, darüber besteht gar kein Zweifel, und es wird dann beiderseits ein wohlfeiler Trost sein, daß wir in Deutschland darauf hinweisen, daß es den Russen noch schlechter geht, und die Russen darauf, daß es den Deutschen am schlechtesten geht. Daraus wird niemand einen Vortheil haben, als unsere Konkurrenten. Die Engländer und andere werden in nicht langer Zeit den Markt in Rußland occupieren, den wir bisher inne gehabt haben; und wenn eines Tages die Zollschranken fallen, werden sie sich so festgesetzt haben, daß es unserer Industrie mit dem besten Willen nicht mehr gelingt, ein lukratives Geschäft nach Rußland zu machen.
Dann noch ein Wort über die Frage der Vorräthe, über die ich bereits gesprochen habe! Der Herr Abg. Graf Arnim hat aus Zei⸗ tungen verschiedenes vorgelesen. Ich konstatiere nochmals, daß die Behauptungen, die ich im Reichstag, hier im Plenum und in der Kom⸗ mission aufgestellt habe, auf amtlichen Berichten unserer Konsuln beruhen, und ich muß die Annahme des Abg. Grafen Arnim ganz entschieden zurückweisen, als ob irgendwie Börsenmanipulationen dabei eingewirkt hätten. Unsere Konsuln wissen die Wege zu finden, ganz unabhängig von der Spekulation diejenigen Zahlen zu ermitteln, die sie uns mittheilen. Meine Herren, ich bin damit mit meinen Bemerkungen zunächst zu Ende. Ich habe die feste Ueberzeugung, daß die Landwirthschaft diesen deutsch⸗ russischen Vertrag sehr bald mit anderen Augen ansehen wird (Wider spruch rechts), insbesondere dann, wenn durch die Aufhebung des Identitätsnachweises Deutschland wieder in die Lage gesetzt mird, sein überschüssiges Getreide nach dem Auslande zu schaffen, wenn für den Westen und Süden die Staffeltarife aufgehoben sind, wenn wir Einrichtungen getroffen haben, daß der Getreidezol auch überall im Getreidepreise seinen Ausdruck findet, und wenn wir endlich damit auf— geräumt haben, daß wir dem ausländischen Getreide Privilegien geben, die wir dem inländischen verweigern — dann, wenn der Schutz der nationalen Arbeit, wie ihn die verbündeten Regierungen durch alle diese Maßregeln anstreben, zu voller Wirksamkeit gebracht ist, wird die Landwirthschaft — das ist meine Ueberzeugung — auch bei dem 3,50 M -Zoll sich wohl befinden. (Bravo)
Abg. von Ploetz (dkons. ; Wer die Stimmung des Volks ver⸗ steht, der wird zugeben, daß die große Mehrheit des Volks gegen den Vertrag ist. h ch links.) Sie (links) allerdings würden einem noch viel schlechteren Vertrag die Zustimmung geben. Wer wird einen Vortheil haben? Die Industrie und ihre Arbeiter, denen wir den Vortheil ganz gern gönnen. Aber wird dadurch nur ein Pfifferling deutscher Produkte mehr verzehrt werden? Eg ist ja dafür gesorgt, daß fremde Produkte mehr eingeführt werden. Für die Land⸗ wirthschaft ist nichts Günstiges in dem Vertrage enthalten. Man findet einen Widerspruch darin, daß eine Ueberschwemmung mit Getreide statt⸗ findet und dennoch eine Verminderung der Zolleinnahmen. Die Ueber⸗ schwemmung wird bald nach der Ernte eintreten und dadurch die . drücken. Würde sich die Einfuhr vertheilen auf der ganze
ahr, so würde die Wirkung nicht so schlimm sein. Wenn die Steigerung der russischen Einfuhr in dem bisherigen Maße fortgeht, dann müssen wir überschwemmt werden. Wenn die niedrigen Getreide⸗ preise eine Folge der Ernten sind, so lassen wir sie uns gefallen; aber man soll in solchen Zeiten nicht auch noch die Getreidezölle herab⸗ setzen, Redner verweist auf die Aeußerung des „Sozialdemokrat“ über die niedrigen Weizenpreise in England, die die Agrarbewegung erklären und den Untergang der Landwirthschaft wahrscheinlich machen. Da sollte man nicht durch Handelsverträge die Nothlage noch verschärfen. Es handelt sich nicht bloß um die Ueberschwemmung mit Getreide, sondern es werden Vorbereitungen getroffen, um möglichst viele Pro— dukte: Felle, Fette, Butter, Schnaps, Hopfen, Vieh und Wolle durch Tariferleichterung nach der Westgrenze zu befördern. Daß wir jemals nach Rußland exportieren können, dafür fehlt uns der Glaube, trotzdem der Staatsekretär Freiherr von Marschall es beweisen wollte. Nach der Ueberschwemmung mit Getreide wird die Ueberschwemmung mit
den russischen Juden eintreten, die als die besseren Kräfte an die Stelle der Bauern treten werden. Aber meinem Herzen steht ein
deutscher Bauer hundertmal nähex als hundert russische Juden. Wenn der Reichskanzler gesagt hat. Rußland lasse sich nicht differenzieren,
so können wir nicht einmal das Vertrauen haben, daß z. B. Rußland
in . auf die Seuchengefahr anders behandelt wird als andere Staaten.
Finen Zwang haben wir auf die Kandidaten nicht ausgeübt. Wir haben sie über ihre Stellung zum Handelsvertrage befragt, und e” eine befriedigende Antwort gaben, war die Sache abgethan;
halten. Vie Kriegsdrohungen sind sehr überfluͤssig. Größer als die Schäden eines Krieges ist der Untergang des deutschen Bauernstandes. Man ist noch heute dankbar dafür, daß wir unter Führung der Hohen⸗ Sieg gelangt sind; wir hoffen auch unter dieser Führung zu einer nationalen Wirthschaftspolitik zu gelangen. Man sagt uns, wir freuten uns, daß der Handelsvertrag ange⸗
nommen wird, während wir unsere Opposition ohne Gefahr zeigen
können. Wenn uns das außerhalb des Haufes entgegengehalten würde,
österrei mich a
dann würde ich das eine schmachvolle Verleumdung nennen. Wir
werden diese Wirthschaftsvolitik immer belämpfen. 8. einzelne
Schlacht entscheidet den Krieg noch nicht. Wir haben diese Schlacht
verloren; aber die Ehre ist gerettet.
Abg. Dr. Schultz⸗Lupitz (Rp.); Nach der Annahme des ö Handelsbertrags ist die Annahme des russischen für sz Landwirth und als Sachsen nur noch eine Ziveck mäßig
keitsfrage. Die Ablehnung des russischen Vertrags würde aber
auch der Landwirthschaft großen Schaden bringen, denn die
Mühlenindustrie würde dadurch ruiniert werden, welche die beste
Abnehmerin für die deutsche Landwirthschaft ist. ie rufsische
oduktion können wir nicht aus der Welt schaffen, auch den ortschritt der Kultur in Rußland nicht zurückhalten. Wir stehen auf dem Boden deutscher Wissenschaft und deutscher Arbeit, und von diesem Boden aus und auf Grund meiner Erfahrung spreche ich es auß: Mir ist nicht bange um die deutsche Landwirthschast, sie wird auch aus diesem Kampfe siegreich hervorgehen. Würde die
Landwirthschaft zu Grunde gehen, dann würde allerdings auch ich
sagen: Wehe unserem Vaterlande! . .
Abg. Burger (Zentr.) erklärt sich im Namen der an
Zentrumsmitglieder für den Antrag Frege. Die Wirthschaftspolitit
der Regierung gehe förmlich darauf aus, die Unzufriedenheit im Lande
zu vermehren; selbst bis in die Reihen der Nationalliberalen hinein mache sie sich in Süddeutschland bemerkbar. Redner erklärt sich namens seiner bayerischen Freunde gegen den Vertrag. .
Abg. Graf Holftein (dkons ):. Ich habe den österreichischen Vertrag seinerzeit gut geheißen, und eine Anzahl der Deutschkonser⸗ vativen mit mir. Dieser Vertrag ist im Laufe der Debatte über den russischen Handelspertrag scharf angegriffen und perurtheilt worden. Wir haben damals für den Vertrag gestimmt, weil wir der Industrie für eine längere Reihe von Jahren ein gesichertes Absatzgebiet ver⸗ schaffen, vor allem aber, weil wir die Hinterlassenschaft des großen Staatsmannes, den Dreibund, innerlich festigen wollten. Es ist damals von der Absicht, auch mit Rußland zu einem Haudelsvertrag zu ge⸗ langen, nicht die Rede gewesen. Wenn vom Bundesrathstisch die
offnung ausgesprochen wurde, es werde gelingen, auch mit anderen ändern diese Konventionaltarife zu vereinbaren, so habe ich dabei an kleinere europäische Nebenländer gedacht; ich weiß nicht, wie ich ge⸗ int haben würde, wenn man damals Rußland ausdrücklich genannt ätte. Nun ist aber die peinliche Wahrnehmung zu machen ge— wesen, daß sofort nach dem Inkrafttreten jener Verträge ein un— geheuerer Preisrückgang eintrat. Nach, der Auffassung eines großen Theils der Bevölkerung ist dieser e n, n. für die landwirthschaftlichen Produkte und die, landwirthschaftliche Noth eine Folge der Handelsverträge. Sollte diese Auffassung richtig sein, so würde der, der diesen Zustand nicht mit aller Kraft be— kämpft oder gar noch durch Annahme neuer Verträge fördert, eine ungeheure Verantwortung auf sich nehmen. Befände sich die Land⸗ wirthschaft in blühendem Hustand und bliebe sie darin, so. würde ich wohl dem Vertrage zuzustlmmen geneigt sein; politisch ist ja ganz gewiß der Vertrag auch von höchster Bedeutung. Aber die Zeiten . sich geändert. Zut Zeit des Abschlusses des öfterreichischen Vertrags galt der Doppelzentner Weizen 78, der. Doppelzentner Roggen 26 606; jetzt sind die Preise um die Hälfte und mehr gesunken. Die Produktionskosten übersteigen den Verkaufspreis, und das Eintreten des traurigen Endes kann man sich mit mathematischer Sicherheit ausrechnen. Ich lege auf Differential⸗ zölle keinen zu hohen Werth. glaube auch nicht, daß unsere Preise fehr darunter leiden, aber doch etwas, und auch das ist jetzt schon zu viel, denn wir haben nichts, wopbon wir geben können; Auch fünf Groschen auf den Doppelzentner ist schon zu viel. Wir sind jetzt auf einem tiefen Punkt angekommen, ich sehe kein Symptom der Besserung, wir müssen das letzte zurückhalten. So gern ich der Industrie helfen möchte, unter den heutigen Verhältnissen würde das Resultat eine Schädigung der Landwirthschaft sein. Die vom Körnerbau lebende und auf ihn angewiesene Landwirthschaft muß durch den Vertrag geschädigt werden, sie kann dieses Opfer nicht bringen, und deshalb komme ich dazu, mich gegenüber dem russischen Vertrag abweisend zu verhalten. .
Abg. Dr. Bachem entr.): Nachdem wir uns bis hierher zur ick ck alten und die Gründe der Regierung für, die der Gegner gegen den Vertrag angehört haben, müssen wir jetzt positiv für den Vertrag eintreten; denn ein Differentialzoll würde der Landwirth⸗ schaft nichts nützen, wohl aber den ewigen Zollkrieg bringen, der der Landwirthschaft keinen Nutzen, der Industrie aber eine Potenzierung des Schaden bringen würde, den sie jetzt schon hat. Würde der Differentialzoll aufrecht erhalten, so würde russisches Mehl in anderen europäischen Staaten vermahlen und von dort zum ermäßigten Satz als belgisches, niedersändisches u. s. w. Mehl eingeführt werden. Wir würden unsere Mühlenindustrie also einfach an das Ausland abtreten. Ueber 10 Jahre, wenn der Vertrag abgelaufen ist und die Schutzzölle für die Landwirthschaft sich als ungenügend erweisen, dann wollen wir erwägen, wie geholfen werden kann., Ich glaube, wir haben in der Vergangenheit genügend Beweise dafür geliefert, daß wir alles für die Landwirthschaft thun.
Damit schließt die Diskussion.
Die Abgg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.. und Zimmermann (8d. Refp.) führen Beschwerde darüber, daß ihnen durch den Schluß der Debatte das Wort abgeschnitten ist.
Die Position „Flachs, zollfrei“ wird angenommen; ebenso „Weizen 350 „S“ In namentlicher Abstimmung wird der Zoll von 550 „S6 für Roggen mit 2065 gegen 151 Stimmen
angenommen. ö. .
Die übrigen Positionen von Erzeugnissen der Landwirth— schaft werden genehmigt.
Bei Nr. 3, „Holz“, und zwar bei der Position „Bau⸗ und Nutzholz, erklärt sich der .
Abg. Freiherr von Hammerstein (dkons.) gegen die Herab⸗ setzung der Holzzölle; damit sei das Schicksal der deutschen Forstwirth= schaft besiegelt. Aber nicht bloß die Forstwirthschaft werde davon betroffen, sondern auch, die Industrie der, Sägemühlen, welche landwirthschaftliche Arbeiter während des Winters beschäftigen. Es sei ein Irrthum, von einem Raubsystem in der russischen Wald- wirthschaft zu sprechen. Das Gegentheil, die Verjüngung des Waldes, vollziehe sich in Rußland schneller als in Deutschland, und die deutsche Forstwirthschaft werde niemals darauf hoffen Dürfen, bessere Zeiten zu erleben. Das ist auch bedenklich für die Steuer⸗ zahler, denn z. B. in Preußen sind die Einnahmen aus den Forsten sehr stark gesunken.
Abg. Krö ber (südd. Volksp) bestreitet, daß die Annahme des
Vertrags für Süddeutschland nachtheilig sein würde; russisches Holz würde auf dem Wasserwege namentlich nach Norddeutschland bezogen. Den Süddeutschen würde es angenehm sein, billige Tarife zu haben, um n Norddeutschland den Kampf gegen das russische Holz auf unehmen. Regierungskommissar, Geheimer Regierungs-Rath im Reichs— Schatzumt Henle erklärt, daß ein . mit, Rußland ohne Ermäßigung der Holzzölle nicht möglich gewesen wäre; denn neben Getreide sei Holz der enn nn, für Rußland. Regierungskommissar, General⸗Konsul Freiherr von Lamezan: So groß, wie der Abg. Freiherr von Hammerstein die Gefahr ge— schildert hat, ist sie nicht. In Rußland sind die Wälder an den großen Verkehrsstraßen so ziemlich abgeholzt. Das meiste Holz geht über die polnische Grenze. Die weiter rückwärts liegenden Wälder an der Wolga kommen nur in sehr geringem Maße in Betracht, Abg. Freiherr von Hammerst ein (dkons): Wenn Rußland ein
so großes ie g. an der Holzausfuhr hat, dann muß es doch große Holjvorräthe ha . Holzhändler sich für die Einfu
en; das ist ja auch allgemein bekannt. Daß die 9. erklären, ist sehr , .
Bei Nr. 25: „Ausgeschlachtetes und frisches Fleisch“ be⸗
dauert der .
Abg. von Sa lisch en die Ermäßigung des Zolles, Die
Einfuhr von frischem Fleisch habe sich imzletzten Jahre erheblich ge⸗
steigert, zum Schaden namentlich der kleinen Landwirthe. Die gr .
Landwirthe können sich helfen durch die Züchtung besonderg ö. Qualität. Der kleine Landwirth aber werde durch die Ei ihn drückt werden.
Staatssekretär Freiherr von Marschall:
Der Herr Vorredner hat seine Ausführungen, soweit sie sich auf die Pos. 25 gl bezogen, auf die Behauptung gestützt, daß in den letzten Jahren die Einfuhr von ausgeschlachtetem Fleisch aus Rußland fortwährend zugenommen habe. Dem gegenüber will ich folgende Zahlen dem hohen Hause mittheilen. Die Einfuhr von ausgeschlach, tetem Fleisch aus Rußland hat im Jahre 1890 betragen g0 024 Doppelzentner, im Jahre 1391 32 157 Doppelzentner und im Jahre 1892 15 033 Doppelzentner. (Große Heiterkeit links.)
Da somit die Grundlage, auf die der Herr Vorredner seine Be, hauptung stützt, eine irrthümliche ist, so habe ich kaum Anlaß, mich mit den weiteren Deduktionen des geehrten Herrn zu beschäftigen.
(Heiterkeit links.) —
Der deutsche Tarif wird darauf genehmigt, einschließlich der Bestimmungen des Schlußprotokolls dazu,
Zu Art. 7, zu welchem die Tarife die Anlage bilden, be— merkt der ö
Abg. Leuschner (Rp.), daß die Industrie keinen erheblichen Vortheil haben werde. Jedenfalls habe die Kupferindustrie, welche er vertrete, nur einen ganz minimalen Vortheil erlangt. Aber auch Industrieen, die mehr erlangt haben, werden nicht viel Freude daran erleben angesichts der Währungsverhältnisse. Redner würde nicht für den Vertrag stimmen, wenn er die Landwirthschaft schädigen würde; die Landwirthschaft sei schon so geschädigt, daß eine weitere Schä. digung nicht mehr möglich sei. Aber die Thatsache, daß viele Tausende von Arbeitern von dem Vertrage einen Vortheil haben werden, lasse ihn die Bedenken gegen den Vertrag überwinden.
Abg. Graf Kanitz (dkons.) kommt auf die Frage des Zollaus=
falls zurück. Man habe einen Widerspruch darin finden wollen,
daß Rußland uns mit Getreide überschwemmen wird, während gleich— zeitig ein Ausfall an Zolleinnahmen eintreten soll. Der Reichskanzler sprach von einem Ausfall an Zolleinnahmen von 17 bis 18 Millionen Mark, während der preußische Finanz-⸗Minister Dr. Miquel schon einen Ausfall von 35 Millionen Mark angab. Der Fehler, den der Reichskanzler bei der Berechnung gemacht hat, ist leicht zu finden. Bei einem Differentialzoll steigt die Einfuhr aus den Vertrags— ländern, während die aus den Nicht-Vertragsländern zurückgeht. Da— durch vermindert sich scheinbar der Einnahmegusfall. Ich bitte den Reichskanzler, wenn er sich wieder solche Zahlen berechnen läßt, sic direkt an mich zu wenden. In Bezug auf die Einfuhr von Getreide wird sich die Berechnung sehr viel leichter aufstellen lassen, well hier der Zolltarif nach dem Inkrafttreten des russischen Handelt vertrags generalisiert sein wird, lund da komme ich nun auf. einen ,, von 27 Millionen jährlich, nach dem 10 jährigen Durchschnitt. Rechnen wir alle Artikel hinzu, deren Zölle ermäßigt worden sind, so kommen wir weit über 40 Millionen. Nun ist daz Reich heute schon nicht im stande, aus den Erträgen der Steuern die laufenden Ausgaben zu decken. Heute hat die Steuerkommission eine recht wichtige Steuerforderung der Regierung abgelehnt und Tabacks- und Weinsteuer sind sehr unsicher. Da wird es heißen: Ethöhung der Matrikularbeiträge. Ich möchte aber doch dringend dahor warnen, noch die allgemeinen Steuern zu erhöhen. Wird die Ein— kommensteuer erhöht, dann müssen wir Landwirthe ja mitbezahlen. Wie kommen wir dazu? Die Vortheile des Vertrags fallen doch ausschließlich der Industrie zu, sie mag auch die Kosten des Ver— trags tragen. Es würde zu den bedenklichsten Verstimmungen im Lande führen, wenn diese Zollausfälle auf die ganze Bevölkerung einschließlich der ländlichen gewälzt, würden. Ich frage deshalb die verbündeten Regierungen, wie sie über diese schwierige Frage hinweg kommen und ob sie etwa die Matrikularbeiträge erhöhen wollen.
Staatssekretär Freiherr von Marschall:
Ich muß den Ausführungen des Herrn Vorredners gegenüber darauf bestehen bleiben, daß, wenn sich die Prophezeiungen der Gegner des Vertrags bewahrheiten, wenn wir nämlich mit billigem Getreide, Holz u. s. w. von Rußland aus über— schwemmt werden, dann die nothwendige Folge dieses Ver— trags eine Steigerung der Einnahmen ist. (Sehr richtigh Daß dagegen umgekehrt, wenn eine Mindereinnahme zutage tritt, dies eine Widerlegung der Behauptungen der Gegner des Vertragt ist. (Sehr richtig) Eine sichere Berechnung läßt sich überhaupt nicht aufstellen. Das ist vollkommen unmöglich. Wir haben nach dreijährigem Durchschnitt ein Defizit von 35 Millionen Mark in den Zolleinnahmen, aber das rührt doch nicht allein von den Handelsverträgen her. Wenn man einfach die zwei Zahlen in Betracht zieht, daß im Jahre 1892 etwa 12 Millionen Doppel⸗ zentner Weizen eingeführt worden sind und im vorigen
Jahre etwa 6 Millionen, also etwa die Hälfte, daß im Jahre 1835
an Roggen eingeführt worden sind, ich glaube 5 bis 6 Millionen Doppelzentner und im vorigen Jahre nicht viel über 2 Millionen, so können doch die Ausfälle, die durch die Mindereinfuhr von Getreide hervortreten, nicht den Handelsverträgen zur Last gelegt werden. (Sehr richtig) Die Herren kommen da in einen vollkommenen Widerspruch. Auf der einen Seite behaupten sie, seht ihr, die leichtfertige Regierung schließt Verträge, daß wir überschwemmt werden mit fremdem Getreide. Wenn das Gegentheil eintritt, sagen sie: seht, die leichtfertige Regierung schließt Verträge, auf Grund deren weniger eingeführt wird und die Zolleinnahmen sinken.
Mir ist es überhaupt zum ersten Mal im Leben vorgekommen, daß man die Behauptung aufstellt, der Schutzzoll sei deshalb zu niedrih bemessen, weil er zu wenig Einnahmen giebt. (Sehr richtig) Nach den national⸗6konomischen Kenntnissen, die ich mir erworben, ist es nicht die Aufgabe eines Schutzzolls, große Einnahmen zu schaffen. Es ist gerade ein Beweis, daß er richtig bemessen ist, wenn er keine großen Einnahmen liefert. (Sehr richtig!)
Abg. Graf Kanitz (dkons.): Es handelt sich hier nur darum, wie die Jollausfaͤlle gedeckt werden können. Ich habe nur zu beweise gesucht, daß das russische Getreide auf den deutschen Getreidepretz
drücken muß. ; Art. 7 wird darauf angenommen; ebenso Art. 6, der die Meistbegünstigung enthält. . Darauf wird das Schlußprotokoll berathen. Beim vierten Theil desselben, dem Zollreglement, bedauert der Abg. Hr. Margour (Zentr.), daß nicht wie von seiten Rußland so auch von seiten Deutschlands für die katholischen Feiertage besset Fürsorge getroffen sei. Rußland habe für Polen Feiertage, wie Aller⸗ eiligen und . berücksichtigt, Veutschland nicht. h egierungskommissar, Geheimer Regierungs⸗Rath im , Schatzamt Henle bemerkt, daß diese katholischen Feiertage eben ni . offiziell gefeiert werden. Den katholischen Beamten würde aber a diesen Feiertagen Urlaub zum Kirchgang ertheilt. p Dle Abgg. Dr. Mar gour (gZentr.) und Dr. Bachem ent. halten das . für ausreichend.
Staatssekretär Freiherr von Marschall: . Ja, meine Herren, ich erkenne ja den Wunsch des Herrn . rednerg für einen durchaus berechtigten an. Ich möchte nur datg
aufmerksam machen, daß es sich hier um preußische Gren ʒzollãntt ͤ
a der russischen Grenze handelt, und daß im Vertrag nur
der bestehende Zustand fixiert wird. Im übrigen, glaube ich,
mird auch die Erklärung deß Herrn Negierungekommissarg vom Reichs
s
Schatz amt genügen, daß den katholischen Beamten an den Feiertagen Urlaub zum Kirchenbesuch gegeben wird. Wenn diese Einrichtung bis jetzt noch nicht zu Mißständen geführt hat, so weiß ich nicht, warum sie es in Zukunft thun soll. Uebrigens, meine Herren, ist das eine Sache, über die man sich doch schließlich mit der russischen Regierung verständigen kann. (Bravo! in der Mitte. Zuruf rechts.)
Meine Herren, warum denn nicht? Es ist ein Schlußprotokoll über Reglements an der Grenze, und ich glaube in der That, daß es nicht unmöglich ist, wenn in dieser Beziehung von seiten der preußischen Regierung eine Verständigung gewünscht wird, sich darüber zu verständigen. (Bravo! in der Mitte.)
Das Schlußprotokoll wird darauf genehmigt. Bei den beiden Noten, betreffend die Zollvexhältnisse in Finland, bemerkt der ;
Abg. Görtz-Lübeck fr. Vg): Der Abg. Dr. von Bennigsen hat als unterstuͤtzendes Moment für den Vertrag angeführt, daß der Zucker in Finland einen erheblichen Abnehmer finden würde. Das frifft nicht nur für Zucker zu. Nach, einer mir vorliegenden, Statistik beträgt der deutsche Export nach Finland gegen 49 Millionen, der Import von Finland nach Deutschland 11 bis 12 Millionen. Fin—⸗ sand ist deshalb für unsere Handelspolitik vielleicht nicht unwichtiger als Mexiko. Die deutschen Beziehungen zu Finland sind ganz eigenartiger Natur. Ich könnte Ihnen ein Stück deutscher Kultur⸗ geschichte in Finland hier entrollen, wenn nicht die Berathungen um Ende drängten. Schon der hanseatische Kaufmann war im Wettbewerb mit dem englischen gezwungen, die finnischen Verhältnisse
zu studieren. Finland hat seinen autonomen Zolltarif, der allmahlich
mit dem russischen in Einklang gebracht werden soll. In dem Moment, wo der Zollkampf eintrat, war die Situation für uns Tinland ge⸗ genüber eine sehr ungünstige. Der ganze Handel mit Deutschland stockte. Bei Fortdauer des Zollkrieges wäre uns unzweifelhaft dieses Handelsgebiet für alle Ewigkeit verloren gegangen. Wir können es daher nur mit Freude begrüßen, daß der Vertrag auch mit Finland abgeschlossen ist. Vielleicht kann von seiten eines Regierungs⸗ vertreters eine Erklärung erfolgen, was der russischen Regierung zu diesen Bestimmungen über Finland Anlaß gegeben hat.
Regierungskommissar, General⸗Konsul Freiherr von Lamezan: Den Herrn Vorredner kann ich über diese Bestimmungen vollstaͤndig beruhigen. Es handelt sich hier um Bestimmungen, welche der finnische Senat selbständig zu treffen hat. Die kleinen Erleichte⸗ rungen sind durch lokale Herh it berechtigt. Von der russischen Regierung werden im wesentlichen diejenigen Zolländerungen garan⸗ tiert, welche der Genehmigung des Kaisers von Rußland bedürfen. Der finnische Senat durfte in seinen Rechten nicht beschränkt werden, und bei der Loyalität und Korrektheit der finnischen Regierung ist zu keinerlei Beunruhigung ein Anlaß vorhanden.
Abg. Schulze⸗Henne (nl. weist hin auf die Schädigungen der deutschen Landwirthschaft dadurch, daß andere Länder durch hohe Zuckererportprämien die deutsche Zuckerindustrie lahm legen.
Damit ist die zweite Berathung des russischen Handels⸗ vertrags erledigt. Schluß nach 5i/ Uhr.
Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 35. Sitzung vom 13. März 1894.
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Berathung des Etats des Ministeriums der geist⸗ lichen ꝛc. Angelegenheiten, und zwar des Kapitels „Kultus und Unterricht“, Titel: „Einkommen der Geist⸗ lichen“ nebst dazu vorliegenden Anträgen.
Zu dem Anfangsbericht in der Dienstags⸗Nummer des Blatts ist zunächst die Rede nachzutragen, mit welcher der Staats⸗Minister Dr. Bosse dem Abg. von Strombeck (Zentr.) er⸗ widerte, der die Theilung des Titels in mehrere verschiedene Titel forderte und seinen Antrag, die Missionspfarrer den katho⸗ lischen Geistlichen gleichzustellen, begründete.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Meine Herren! Ich habe im Lauf der Debatte wiederholt hören müssen, daß die Regierung zwar für die Bedürfnisse der katholischen Kirche, die hier zur Sprache gebracht sind, schöne und wohlwollende Worte gehabt habe, aber keine Thaten. Der Vorwurf ist in der That recht ungerecht; ich mache die Herren nur darauf aufmerksam, daß Sie die Aenderung des Vermerks zum Kap. 1242 doch erreicht haben. Das ist doch ein großes Zugeständniß für Sie, ein Zugeständniß, dessen finanzielle Bedeutung sich darin kundgiebt, daß dadurch eine Mehrausgabe von jährlich 400 000 M herbeigeführt wird, — und von diesen 400 000 , kommen 380 000 MS auf katholische Geistliche und 20 000 M auf evangelische Geistliche. (Hört! hört! rechts.) Ja, meine Herren, es ist ja für mich eine überaus peinliche Lage, wenn ich hier immer auf⸗ zählen soll, was wir gethan haben, um den Bedürfnissen der katholischen Kirche gerecht zu werden, um Gerechtigkeit zu üben. Es ist das für jeden anständigen Mann ohnehin eine sehr peinliche Sache, aber für mich um so mehr, als ich darin gar kein besonderes Verdienst sehe.
Ich thue einfach meine Pflicht, wenn ich hier Gerechtigkeit walten
lasse, und ich lasse sie walten, soweit ich dies ohne Gewissensbedenken oder ohne Rechtsbedenken thun kann. Also darin haben wir den Herren bereits eine erhebliche Konzession gemacht; es sind nicht bloß bier gute Worte geredet, sondern hier hat die Regierung gezeigt, daß es ihr Ernst damit ist, auch thatsächlich ein Entgegenkommen zu be⸗— weisen, wo sie es irgend kann.
Nun freilich, meine Herren, kann ich auf die anderen Anträge nicht mit demselben Entgegenkommen eingehen. In einer Beziehung will ich wenigstens eine Erwägung der Sache in Aussicht stellen. Das ist die Trennung des Titels in Bezug auf die auf rechtlicher Verpflichtung beruhenden Ausgaben und in Bezug auf die anderen. Das wird sich vielleicht machen lassen. Ich sehe nicht ein, warum wir, wenn Sie das wünschen, das nicht thun sollen, wenn ich auch nicht gerade sagen lann, daß ich darin eine sehr wesentliche Verbesserung der Lage Ihrer Geistlichen erblicken kann. Aber, wenn Sie diesen Wunsch haben, so werde ich an den Herrn Finanz⸗Minister mit der Anfrage heran⸗ treten, ob aus Etats, oder finanziellen Gründen etwa Bedenken da⸗ gien obwalten, und werde im nächsten Jahre, so Gott will, über die Auskunft Ihnen Mittheilung machen.
ö. Dagegen bin ich nicht in der Lage, zuzusagen, daß wir jetzt ein⸗ seitig eine Aenderung in der Bemessung der Zulagen für die katho— ichen und für die evangelischen Geistlichen eintreten lassen können. Ich habe schon bei der Generaldebatte ausgeführt: es handelt sich dabei ö. ein Durchschnittebedürfniß Dieses Durchschnittsbedürfniß ist bei 9 evangelischen Geistlichen großer als bei den katholischen, weil ; llere Deistlichen das Cölibat nicht haben. Ich sehe deshalb darin
eine Parität, sondern die richtige Parität ist die, daß wir das rechte
Verhältniß in der verschiedenen Lage der Geistlichen hier auch zum
Aushnuc bringen und darnach die Zuschüsse betneffen,
Wenn der Herr Abg. von Strombeck mit anscheinender Berechtigung darauf aufmerksam gemacht hat, daß doch im Anfang
bei der Feststellung des Minimalgehalts von 1500 und 1800 4.
das Verhältniß ein günstigeres wäre, so muß ich das zugeben. Aber das hat auch in dem Durchschnittsbedürfniß der Geistlichen seine volle Begründung; denn im Anfang des Amtes sind für den jungen Geist⸗ lichen, der keine oder kleine Kinder hat, natürlich die Bedürfnisse, die durch die Familie herbeigeführt werden, gering. Sie steigen aber und steigen prozentual nach dem alten Satz: kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen. (Sehr richtig) Wir müssen dafür sorgen, wenn die Kinder heranwachsen, wenn sie auf das Gymnasium und in eine Pension gebracht werden müssen, daß dann in bescheidenem Maße auch die Zuschüsse steigen.
Nun freilich kann man ja darüber reden, ob es nicht wünschens⸗ werth wäre, daß überhaupt eine Verbesserung des Einkommens der Geistlichen eintritt. Dann muß sie aber auf beiden Seiten eintreten, und das, glaube ich, können wir jetzt nicht herbeiführen, so lange die Besoldungsfrage der Beamten noch aussteht, so lange wir nicht in der Lage sind, diese so lange versprochene Besoldungsverbesserung zu ge— währen. Kommt dieser Zeitpunkt einmal, dann wird auch zu erwägen sein, ob man nicht in der Lagé ist, den Geistlichen eine etwas erhöhte Zuwendung zu machen.
Was die Missionspfarrer anlangt, so irrt sich der Abg. von Strombeck, wenn er meint, daß in unserer Weigerung, auf die Missions⸗ pfarreien diese Alterszulagen auszudehnen, sich der Mangel eines Interesses dafür kundgebe, daß die Katholiken auf diesem Gebiete ver⸗ wildern. Nein, wir wünschen und wollen gern dazu helfen, daß auch die Katholiken auf diesem Gebiete so gut, wie nur irgend möglich, pastoriert werden. Der Grund aber, weshalb wir hier nicht zu⸗ stimmen können, liegt darin, daß die Missionspfarreien gar keine wirklichen Pfarreien sind. Das sind überhaupt keine festen Ge⸗ staltungen, das sind ganz irreguläre Provisorien, das sind provisorische Nothbehelfe, die gerade dazu gemacht werden, um wenigstens eine noth⸗ dürftige Pastorierung der Katholiken in diesen Gebieten herbei⸗ zuführen. In diesen sogenannten Missionspfarreien ist erstens mal der Sprengel nicht sicher eireumskribiert, er kann jeder Zeit geändert werden; sie erstrecken sich über sehr weite Gebiete, in denen auch die Bevölkerung fluktuiert, die Bedürfnisse ändern sich und der Pfarrsprengel kann jederzeit geändert werden. Ferner ist der Geist⸗ liche amovibel; er ist nicht fest angestellt, er kann jeden Augenblick weggeschickt werden; es fehlt dem Geistlichen die congrua, und des⸗ halb haben wir uns dafür ausgesprochen: der richtige Weg, hier eine Besserung einzuführen, ist der, der auch schon von einem Theil der Herren Bischöfe eingeschlagen ist, nämlich die Missionspfarreien in ordentliche Pfarreien zu verwandeln; und dazu werden wir die Hand bieten, soweit es möglich ist. Das ist der richtige Weg; aber die Missionspfarreien, diese unständigen Gebilde ad hoc, deren rechtliche Lage und deren Rechtsverhältnisse in die allerfeinsten kirchenrechtlichen Schwierigkeiten hinein⸗ führen, hier in den Vermerk des Etats aufzunehmen, meine Herren, davon können wir nur auf das allerdringendste abrathen. Ich fürchte, wir bringen die ganze Sache hier in Verwirrung, ganz abgesehen davon, daß es mit dem Zweck dieses Titels garnicht übereinstimmen würde, aus dem Unterstützungs⸗ und Unterhaltungstitel einen Pfarr⸗ gründungsfonds zu machen. Das wäre nicht richtig; das würde zu Reklamationen von der anderen Seite Anlaß geben: auf evangelischer Seite würden ähnliche Ansprüche erhoben werden, und wir würden dabei den konfessionellen Frieden nicht fördern, sondern wir würden ihn schädigen und würden nur neuen Anlaß zum Streiten geben.
Aus diesen Gründen, meine Herren, möchte ich bitten, daß Sie den Anträgen auch diesmal nicht zustimmen, sondern daß Sie es dabei lassen, wie es bisher gewesen ist.
Im weiteren Verlauf der Berathung nimmt nach dem Abg. Brandenburg (Zentr.) das Wort der
Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.): Mein Antrag (s. den An⸗ sangsbericht in der Dienstags, Nummer) soll keinen der anderen aus⸗ schließen, ich stehe auf dem Boden der anderen Anträge. Die ungleiche Behandlung der katholischen und evangelischen Geistlichen ist und ber. eine Anomalie, denn bei der Berechnung des Wohnungsgeldzuschusses der Beamten macht der Staat auch keinen Unterschied zwischen Verheiratheten und Unverheiratheten. Will der Minister seinem Zitat etwa hinzufügen: „Keine Kinder, keine Sorgen“? Wenn ein Geistlicher außerhalb Wenn angestellt wird und später nach Preußen zurückkehrt, soll ihm dir Dienstzeit außerhalb Preußens nicht angerechnet werden. Das ist
ungerechtfertigt, denn sie werden nicht nach ihrem Ermessen, sondern nach dem Ermessen der Bischöfe versetzt. Und dafür sind lediglich
kirchliche Umstände maßgebend; unsere Bischöfe sind nicht so findige
Geschäftsleute, daß sie wegen einiger hundert Mark die Geistlichen hin und her schicken. Es handelt sich bei meinem Antrag ja nur um deutsche Bundesstaaten. Den evangelischen Geistlichen steht ja schon n, was mein Antrag für die katholischen wünscht. Wird mein Antrag abgelehnt, so hoffe ich wenigstens nach dem neulichen Versprechen des Ministers, daß er mit seinen sonstigen Unterstützungsfonds ein⸗ greift, wo sich Uebelstände zeigen. Redner bittet h falls sein Antrag nicht angenommen werden sollte, wenigstens den betreffenden Geistlichen Mittel aus diesen Fonds zu gewähren.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Ganz gewiß, meine Herren! Wenn die Sache so liegt, so werde ich dem Mann helfen und zwar aus dem Unterstützungsfonds. Ich habe in der Generaldebatte ausdrücklich anerkannt, daß allerdings für diese Geistlichen, die dem Herrn Bischof unterstellt sind und die nicht zu Preußen gehören, unter Umständen bei Versetzungen Unzuträglich⸗ keiten eintreten können, und wo solche Unzuträglichkeiten und Härten für den Geistlichen eintreten, da helfen wir und wollen wir helfen aus unserm Unterstützungsfonds. Prinzipiell die Sache durch den Etat zu machen, geht meines Erachtens um deswillen nicht an, weil wir damit die negotia eines fremden Staates führen würden (sehr richtig! rechts) und zwar auf Kosten der preußischen Steuerzahler. Das empfiehlt sich gewiß nicht. Sie sagen: die Gefahr ist so groß nicht, daß die Herren Bischöfe ihre Geistlichen herüber und hinüber versetzen. Das ist ja möglich, aber sie kann doch jeden Augenblick eintreten, und dazu würden wir, wenn Sie das in den Etat hineinschreiben, dem Groß⸗ herzogthum Weimar, dem Großherzogthum Oldenburg, dem Fürsten⸗ thum Lippe oder wie die Bundesstaaten heißen mögen, geradezu die Last abnehmen, die wir unseren Geistlichen gegenüber anerkennen, die jene Staaten aber zum theil nicht anerkennen. Deshalb, glaube ich, geht das nicht; es bleibt nichts Anderes übrig, als hier in jedem einzelnen Falle, wo es nothwendig ist, mit Unterstützungen einzugreifen.
Nun ist gesagt worden vom Herrn Abg. Brandenburg, die An⸗ rechnung der auswärtigen Dienstzeit könne doch stattfinden bei den
die Königliche Regierung befriedigt worden sind.
Pensionen der Lehrer. Ich mache darauf aufmerksam: die Anrechnung der auswärtigen Dienstzeit bei der Penstonierung ift von jeher boll-= kommen anders behandelt worden als die Anrechnung der Dienstzeit beim aktiven Gehalt. Beim aktiven Gehalt und bei den Dienstalters
zulagen wird unseren Lehrern die Dienstzeit, die sie auswärtigen
Staaten geleistet haben, auch nicht angerechnet. Schon deshalb paßt dieser Grund nicht und wir können beim besten Willen nicht helfen, so gerne wir es wollten. Ich glaube, es paßt prinzipiell nicht, in den Etat eine solche Verpflichtung einzusetzen, da wir damit hinein⸗ greifen würden in ein Rechtsgebiet, das uns gar nicht untersteht.
Abg. von Buch skons): Die Einbeziehung der Missions⸗ pfarrer halten wir nicht für gerechtfertigt. Das Maximalgehalt der katholischen Geistlichen wollen wir gern auf 2700 6 erhöhen, sobald die Finanzen es erlauben. Wegen der Finanzlage können wir jetzt nicht dafür stimmen. Der zweite Theil des Antrages v. d. Acht ist an die falsche Adresse gerichtet; die Herren müßten erst in den anderen Bundesstaaten es durchsetzen, daß dort die katholischen Geist⸗ lichen so günstig gestellt sind wie bei uns. Wir stimmen also gegen alle Anträge . 6465
Abg. Dasbach gSentr;) spricht für die Anträge des Zentrums. Wenn schon einmal Konzessionen gemacht seien, so sei das kein Grund, noch andere Wünsche zu erfüllen. Redner beschwert sich über ein⸗ zelne . in welchen Geistliche wegen ihrer Opposition bei Wahlen ꝛc. keine Unterstützungen erhalten hätten, wie aus einer Verfügung der Regierung von Koblenz hervorgehe.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Die Verfügung der Regierung zu Koblenz ist nicht auf meine Anweisung erfolgt. Ich kann dem Herrn Abgeordneten nur erwidern, daß wir allerdings auch dann, wenn wir die politische Gegnerschaft eines Geistlichen kennen, ihm Unterstützung gewähren, sofern ein Be⸗ dürfniß vorliegt. Aber wenn seine Deduktion richtig wäre, so würden wir genöthigt sein, unter allen Umständen jedem Geistlichen, der das Minimalgehalt hat, ohne weitere Prüfung des Bedürfnisses eine Unterstützung zu gewähren, wenn er überhaupt damit kommt. Das können wir nicht, dazu reichen auch unsere Fonds nicht aus.
Was die politische Seite der Sache anlangt, so will ich nur hervorheben, daß wir eine abweichende politische Meinung nicht zum Gegenstande einer kleinlichen Entgeltung machen; wohl aber kommt es vor und ist es vorgekommen, daß einzelne katholische Geistliche in einer so unerhörten Weise der Regierung Opposition gemacht haben (hört! hört!) nicht bloß durch Unterschreibung des Wahlaufrufs des Zentrums, sondern in ganz anderer agitatorischer Weise, daß wir genöthigt waren, uns deshalb mit dem Herrn Bischof in Verbindung zu setzen. Das ist geschehen, und die Sache ist noch nicht erledigt.
Nun hat ein solcher Geistlicher — nicht derjenige, soviel ich er⸗ sehen kann, von dem der Herr Abg. Dasbach gesprochen hat — die — ja, wie soll ich es nennen? — Unbefangenheit gehabt, 14 Tage nachher, nachdem diese Dinge vorgekommen waren, an die Regierung mit dem Antrage heranzutreten, ihm wiederum zu einer Badereise Unterstützung zu gewähren, und da hat die Regierung Bedenken ge⸗ tragen. Ja, meine Herren, das kann ich wirklich nicht mißbilligen; das mag untersucht werden, und wir wollen abwarten, wie der Bischof die Sache ansieht; dann wird sich darüber reden lassen. Wir werden keine nothleidenden Priester im Stich lassen; aber wenn wir so pro⸗ voziert werden, können Sie sich nicht wundern, wenn die Regierungen auch einmal sich sagen: sint certi denique fines. (Bravo! rechts.)
Abg. Dasbach (Zentr.): Wenn der Minister die Verfügung nicht veranlaßt hat, sollte er Remedur schaffen, damit die Koblenzer Regierung weiß, daß solcher Unfug nicht gestattet ist. Redner be⸗ spricht nochmals den Fall, wo eine politische Maßregelung vorliegen soll, obgleich der betreffende Geistliche ein guter Patriot sei.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Meine Herren! Ich kenne den Fall nicht, den Herr Abg. Dasbach soeben zur Sprache gebracht hat. Läge es wirklich so, daß er Grund zu einer Beschwerde böte, so hätte doch nichts näher gelegen, als daß die Beschwerde an mich herangebracht wäre; dann hätte ich sie ge⸗ prüft und mich über den Fall aussprechen können, und ich kann Sie versichern, daß das mit aller Gerechtigkeit und mit allem Wohlwollen geschehen wäre. Ich muß aber auch Herrn Abg. Dasbach darauf auf⸗ merksam machen, daß die Regierung in Koblenz nicht über die po⸗ litische Gesinüung, sondern über die politische Haltung und Stel lung der Leute und namentlich darüber Auskunft ver⸗ langt hat, ob sie agitatorisch gegen die Staatsregierung auf⸗ getreten sind Und da muß ich allerdings sagen: so sehr ich es mißbillige, die politische ‚Gesinnung“ eines Mannes erforschen und danach ihn beurtheilen zu wollen, so sehr muß ich darauf halten von Staatswegen, daß die politische Haltung, die politische Handlungsweise und namentlich ein maßloses Agitieren gegen die Königliche Staats⸗ regierung für die Staatsbehörden allerdings Dinge sind, die sie wissen müssen, wenn sie gewisse Anträge sachgemäß behandeln sollen.
Es thut mir leid, daß die Sache hier wieder zur Sprache ge⸗ kommen ist. Es sind einzelne Fälle genannt, die wieder eine prinzipielle Beurtheilung garnicht zulassen, und es wird wieder eine Verschärfung in unsere Debatte getragen (sehr richtig! rechts), die ich nicht ge⸗ wünscht habe, und ich konstatiere, daß sie von mir nicht ausgegangen ist. (Bravo)
Abg. Dr. Sattler (n.): Ich will nur bemerken, daß der Abg. Dasbach lediglich auf den Verdacht politischer Maßregelung hin hier lange Reden hält.
Abg. von Stromb eck (Zentr.) versichert, daß es nicht seine Ab⸗ sicht gewesen sei, eine Verschärfung der Debatte herbeizuführen. Er habe den Minister durch die Bitte, statt schöner Worte Thaten zu zeigen, nicht verletzen wollen.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Meine Herren! Ich möchte nur hier aussprechen, daß ich Herrn Abg. von Strombeck dankbar für diese Auffassung bin. Ich bin weit entfernt gewesen, anzunehmen, daß seine Rede gegen mich persönlich gerichtet sein sollte, sodaß ich dadurch hätte verletzt werden können; das ist ja bei dem Verhältniß, in dem wir beide zu einander stehen, ganz unmöglich. Ich habe nur bedauert, daß ich vielleicht hier in die Lage kommen kann, Dinge, die ich pflichtmäßig gemacht habe, und die auch den katholischen Mitbürgern zu gute gekommen sind, ausdrücklich, gewissermaßen indem ich sie für nich selbst auf mein eigenes Konto schreibe, zur Sprache zu bringen. Das widerstrebt mir, darauf ver⸗ zichte ich lieber. Ich könnte eine ganze Reihe von Sachen hier vor⸗
bringen, wo ich Ihnen nachweisen könnte, daß mit läußerstem Wohl
wollen und größter Weitherzigkeit die kirchlichen Bedürfnisse durch Abg. Hansen (fr. kons.) erklärt, daß seine Partei auf demselben Boden wie Herr von Buch stehe und die Anträge ablehne. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Schmidt⸗War⸗ burg (Zentr), Das bach (Gentr.) und Im Walle (Zentr.) . werden sämmtliche Anträge gegen die Stimmen des Zentrums