1894 / 78 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 03 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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Sachsen⸗Altenburg.

Das Befinden Seiner Durchlaucht des Prinzen Ernst hat sich, wie die Magd. Itg.“ erfährt, in der vergangenen Woche weiter gebessert; insbesondere konnte der Prinz seit Mittwoch täglich aus dem Bett in den Lehnstuhl gehoben wer— den und darin längere Zeit sitzend verweilen. Die Bewegungen im kranken . werden allmählich immer freier, die Schwellung des Beins ist so gut wie beseitigt.

Sach sen⸗Coburg⸗Gotha.

Im Riesensagle des Herzoglichen Residenzschlosses in Coburg fand gestern Mittag die feierliche Eröffnung des . Landtags der Herzogthumer

oburg und Gotha statt.

Seine Königliche Hoheit der Herzog hielt vom Thron aus folgende Ansprache:

Meine Herren Abgeordneten! .

Zum ersten Male, seitdem Ich die Regierung Meines Landes übernommen habe, heiße Ich Sie Persönlich willkommen.

Unter der Regierung Meines in Gott ruhenden Herrn Oheims haben alle Zweige des geistigen und wirthschaftlichen Lebens einen hocherfreulichen Aufschwung genommen. Ich hoffe, daß es auch Mir beschieden sein möge, unter verständnißvoller Mitwirkung der Landtage des Landes und die Zufriedenheit der Bevölkerung zu mehren.

Die zur Vertheidigung des Reichs unbedingt erforderlichen Aus⸗ gaben haben eine erhebliche Verschlechterung der seither blühenden Finanzlage zur Folge gehabt; Ich hoffe aber bestimmt, daß es dem einmüthigen Zusammenwirken der verbündeten dentschn Regierungen gelingen werde, die für Reichszwecke erforderlichen Mittel aus den dem Reich überlassenen Einnahmequellen vollständig zu decken und die Einzelstaaten zur energischen Förderung der ihrer besonderen Fürsorge verbliebenen Kulturaufgaben zu befähigen. .

Die Landwirthschaft befindet sich zufolge theilweiser Mißernte und außergewöhnlich niedriger Preise ihrer Hauptprodukte in schwieriger Lage; das Gedeihen dieses überaus wichtigen Erwerbszweiges wird Gegenstand Meiner besonderen Aufmerksamkeit sein.

Für dringend nöthig erachte ich die engere Verbindung beider Landestheile, die Ausdehnung des Kreises der gemeinschaftlichen An— gelegenheiten und die Vereinfachung der Verwaltung. Die hierauf unablässig gerichteten Bestrebungen Meiner erlauchten Vorgänger in der Regierung werde Ich aufnehmen und fortsetzen; Ich bin fest über⸗ zeugt, daß dieselben dem wirklichen Interesse beider Herzogthümer entsprechen und durch deren Verhältniß zum Reich erfordert werden, hoffe auch, daß Sie sich von der Nothwendigkeit dieser Entwickelung Unseres Stagtsweseng Überzeugen und Meine Regierung bei den darauf abzielenden Maßregeln kräftig unterstützen werden.

Außer Vorlagen von geringerer Bedeutung wird dem gemein— schaftlichen Landtag, seinem Antrag entsprechend, ein Gesetzentwurf zu⸗ gehen, bestimmt, das Gebührenwesen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und inneren Verwaltung umfassend und einheitlich zu regeln, zugleich auch, soweit dies ohne allzu harten Druck der Bevölkerung möglich ist, den durch wachsende Ausgaben belasteten Staats⸗ und Kommunal⸗ kassen eine neue Einnahmequelle zuzuführen. Sie wollen diese Vor— lage in Berathung nehmen, welche, wie Ich erwarte, zu voller Ver— n, mit Meiner Regierung führen wird. .

n einem gedeihlichen Zusammenwirken wird es nie fehlen, wenn allerseits das Interesse Einzelner, auch einzelner Stände und Körper— schaften dem gemeinschaftlichen und höheren des Staats und des Reichs untergeordnet wird; diese opferwillige und patriotische Ge— . glaube Ich bei einem jeden von Ihnen vorausfetzen zu ürfen. . Nach Beendigung der Thronrede brachte der Praͤsident des gemeinschaftlichen Landtags, Geheime Rath Berlet aus Gotha auf Seine Königliche Hoheit den Herzog ein Hoch aus, in welches die Versammlung begeistert einstimmte.

Der Stagts-Minister von Strenge erklärte hierauf im Namen und Auftrag Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs den gemeinschaftlichen Landtag der Herzogthümer Coburg und Gotha und den Speziallandtag für Gotha für eröffnet. Seine Hoheit der Herzog von Sachsen-Altenburg ist am Sonntag von Coburg wieder abgereist.

Dentsche Kolonien,

Ueber den weiteren Verlauf der Expedition des Gou⸗ verneurs von Deutsch⸗Ostafrika Freiherrn von Schele hat der stellvertretende Gouverneur auf Grund ihm zugegangener, bis zum 25. Dezember 1893 reichender Nachrichten, dem „D. Kol-⸗Bl.“ zufolge, Nachstehendes berichtet:

Die Expedition hat die Gebiete der Mahenge und Mafiti durch—⸗ zogen und glaubt durch Hinrichtung mehrerer der bedeutendsten Häupt— linge, die dem Sklavenraub gewohnheitsmäßig oblagen, zum theil auch auf frischer That gefaßt wurden, die Macht und Raublust diefer Stämme endgültig gebrochen zu haben. Am oberen Ruaha wie auch am oberen Ülanga hat die Expedition ein dicht bevölkertes, rei angebautes, besonders fruchtbares Land gefunden, dessen HVaupterzeugnisse Reis, Mtama, Mais, Taback und Kaut— schuk bilden. Nach Unterdrückung der Raubzüge soll dort das Aufblühen eines fleißigen, Ackerbau treibenden Volks zu erwarten sein. Die Raubzüge dieser Stämme haben übrigens lediglich den

weck, Weiber und Sklaven zu stehlen, deren sie zur Bearbeitung der

elder bedürfen. Die Feldarbeit findet mit schweren Hacken in forg— ältigerer Weise als an der Küste statt; der Boden wird tiefer be— arbeitet, und regelmäßige, erhöhte Beete werden auf den Feldern an— e auch werden Wasserläufe häufig zur Berieselung nutzbar gemacht. r Die Sklaverei ist auch bei diesen Stämmen eine durchaus milde. Die Sklaven werden gut behandelt und ernährt. Es ist ihnen völlig gleichgültig, ob sie befreit werden oder nicht; arbeiten müßten sie zu Hause ul. Nahrung finden sie in der Gefangenschaft oft reichlicher als in ihrer Heimath, und Anhänglichkeit an Eltern, Geschwister oder Kinder kennen sie nicht.

Kiwanga, woher die letzten Nachrichten stammen, hat die Expe— dition sehr gut aufgenommen. Sie befand sich dort etwa 10 bis 14 Tagereisen vom Nyassa entfernt. Von dort beabsichtigte Freiherr von Schele in der Nacht vom 25. zum 26. Dezember nach der Nord— spitze des Sees auzubrechen, um die Station Langenburg zu besichtigen und Einblick in die dortigen Verhältnisse zu gewinnen. Der Marsch führt mehrere Tage durch Uhehe, wobei etwa 50 Krieger des Kiwanga die Aufklärung übernehmen sollen. Der Rückweg ist einstweilen auf derselben Straße bis zu Kiwanga, von da über Schabruma nach der Küste bei Kiswere geplant.

Die Hitze wird als außerordentlich groß geschildert: mittlere Temperatur im Schatten 3336 C.; bei einer Tiefe von einem Zoll unter der Erdoberfläche steigt die Temperatur auf hzo, sodaß die Träger vielfach von Brandblasen an den Fußsohlen zu leiden hatten; bei Mondschein wurde deshalb vielfach Nachts marschiert. Befonders lästig soll ein sich oft bis zur Sturmstärke sleigernder sehr heißer Wind gewesen sein, der einen feinen schwarzen Staub, von den Steppen . herrührend, mit sich führt und in die Poren der Faut eindringt.

Trotzdem ist der Gesundheitszustand unter den Europäern gut.

Wie der stellvertretende Gouverneur, Kanzler Leist be— richtet, hat am 27. Januar die feierliche Enthüllung des auf der Joßplatte in Kamerun zum Andenken an den Königlich bayerischen Hauptmann Freiherrn von Graven— reuth errichteten Denkmals in Gegenwart der Gou⸗ vernementsbeamten, des H ö „Hyäne“ sowie der deutschen issionare und Kauf⸗

leute stattgefunden. . die Kapelle S. M. S.

Hyäne“ einen Choral gespielt hatte, fiel nach einer kurzen Ansprache des stellvertretenden Gouverneurs die Hülle des Denkmals unter praͤsentierten Gewehr und dreimaligem Salvenfeuer einer aus der Besatzung des Kriegsschiffs ge⸗ bildeten Ehrenkompagnie. Das von der Proͤfessor von Miller'schen Erzgießerei in München in Bronze aus eführte Denkmal stellt einen ruhenden Löwen dar, der, in . Stellung mit erhobenem Kopfe in die Ferne blickend, mit den Vordertatzen die deutsche Kriegsflagge schützt. Das auf zwei Stufen sich erhebende Postament ö. aus karrarischem Marmor hergestellt; an der Vorderseite befindet sich ein Bronze—⸗ Medaillon mit dem wohlgetroffenen Bildniß des gefallenen

Helden. Die Gesammthöhe des weithin sichibaren Denkmals

beträgt etwa 3,60 m. ;

Die Anlage einer Gesundheitsstation im Kamerun— ebirge ist der Verwirklichung näher gerückt. Der Präfekt ieter von der Mission der Pallotiner gedenkt noch in dieser

Trockenzeit in Bus ein Sanatorium, zunächst für erholungs— hedürftige Missionare, zu gründen. Auch die Baseler Mission scheint, neueren Nachrichten zufolge, ihre Bestrebungen, für ihre Missionare im Kamerun⸗ gebirge eine Erholungsstätte zu begründen, wieder aufgenommen zu haben. Der Leiter der bekannten großen Kaffeeplantagen in San Thomé, Vize⸗Keonsul Spengler, hat sich bereit erklaͤrt, das Kamerungebirge behufs Untersuchung seiner Anbau? fähigkeit zu besuchen.

Desterreich⸗ Ungarn.

Bei der gestern vorgenommenen Wahl zum Reichsrath für Wien (Innere Stadih wurde, wie ‚W. T. B.“ berichtet, der Deutsch⸗-liberale Nos ke mit 2173 Stimmen gewählt Der Demokrat Ofner erhielt 1017, der Antisemit Rabenlechner 532 Stimmen.

Der jungczechische Reichsraths⸗ und Landtags⸗Abgeordnete Schwarz hielt in einer in Pilsen abgehaltenen Wähler— versammlung eine Rede, worin er ausführie, die Koalitions— regierung werde vermuthlich von langer Dauer sein. Es sei nicht leicht, einer solchen Regierung, deren Kassen intakt seien und deren Kriegsmacht von keiner Seite bedroht werde, Opposition zu machen. Die jungezechische Opposition müsse so eingerichtet sein, daß ein künftiges Kabinet auf die czechischen Ansprüche Rück— sicht nehmen könne. Nachdem der Vorsitzende der Versamm— lung Bürgermeister Petak erklärt hatte, mit prahlenden, drohenden Schlagworten werde der Nation nicht genützt, ihr fromme nur rechischaffene Arbeit, wurde eine Resolutlon im Sinne des Redners angenommen.

Großbritannien und Irland.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses theilte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Parlaments⸗Sekretär des Aus⸗ wärtigen Sir E. Grey auf eine Anfrage mit, die Wirkung des deutsch-russischen Handelsverkrags auf den eng⸗ lischen Handel werde in der am 15. d. M. erscheinenden Aus— gabe des Board of Trade⸗Journal“ dargelegt werden. Auf eine weitere Anregung erklärte Sir E. Grey, gegenwärtig sei kein englisches Kriegsschiff in Samoa. Der dortige englische Konsul habe am 32. v. M. telegraphisch gemeldet, daß Un— ruhen stattgefunden hätten. Gleichzeitig habe aber der Konful hinzugefügt, daß die Entsendung eines Kriegsschiffes nicht nöthig sei, da die Ruhe wiederhergestellt und der Abschluß eines befriedigenden Friedens gesicherk sei. Im weiteren Ver— laufe der Sitzung beantragte der Sekretär für Schottland Sir G Trevelyan die Ernennung eines großen, aus sämmtlichen Abgeordneten Schottlands und fünfzehn anderen Abgeord⸗ neten bestehenden Ausschusses, dem alle Schottland aus— schließlich betreffenden Vorlagen zur Spezialdebatte überwiesen werden sollten. Die Regierung betrachte diesen Antrag nicht als eine Parteisache, sondern als eine Maßregel zur Beschleu⸗ nigung der Geschäfte. Der Abg. Bal four bekämpfte diesen Antrag, der die Gebräuche des Unterhauses umstürze und das Nationalitätsprinzip in die Zusammensetzung der großen Aus— schüsse einführe. Er beantrage daher, in einem Unterantrage zu erklären, das Haus lehne die Vorlage, die nur auf einen Theil des Königreichs sich beziehe, ab, bis es Gelegenheit gehabt haben werde, einen allgemeinen, auf alle Theile des Vereinigten Königreichs sich erstreckenden Plan zu erwägen.

Ru sßzland.

Nach einer Meldung der „Pol. Korresp.“ aus St. Peters— burg ist die Vermählung der Großfurstin Fenia Alexandrowna mit dem Großfürsten Ale ander Michai⸗ lo witsch endgültig für den Monat Juni f ge!

Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg erfährt, ist gestern amtlich der Kaiserliche Befehl veröffentlicht worden, wonach gegenüber den österreich- ungarischen Boden- und k die ermäßigten Tarifsätze angewendet werden, die durch die russisch⸗französische Konven— tion vom 17. Juni 1893 und den russisch⸗-deutschen Handels- vertrag vom 10. Februar 1894 festgesetzt worden sind. Desterreich⸗Ungarn wendet während des . gegen⸗ über den russischen Boden- und Industrie⸗Erzeugnissen die ermäßigten Zölle seiner Konventionaltarife an mit gegenseitig vereinbarten Ausnahmen, die sich nicht auf andere meist= begünstigte Staaten beziehen.

Eine Verordnung des Finanz⸗-Ministers hebt die obliga— torische Forderung von Ursprungszeugnissen aller Im— portwaaren seitens der Zollämter auf, mit Ausnahme der Ursprungszeugnisse für Arak, Rum Ac. (siehe Art. 27 des Zolltarifs), für Wein in Flaschen, Fischkonserven, Blei in Rollen ꝛc. (siehe Art. 1465 Punkt 3 des Jolltarifs) und für Zink.

Nach dem vorläufigen Reichskassenbericht pro 1893 be— laufen sich die gesammten Einnahmen, ordentliche wie außer— ordentliche, auf 1 20 590 000, die gesammten Ausgaben auf 1055 909 000 Rubel. Der Ueberschuß beträgt mithin 164 600 000 Rubel. Die ordentlichen Einnahmen pro 1893 überstiegen diejenigen des Jahres 1892 um 67 700 060 Rubel.

Italien.

Die Deputirtenkamm er trat gestern wieder zu einer Sitzung zusammen. Der Präsident widmete, dem „W. T. B.“ zufolge, Kossuth einen Nachruf und erhielt die Ermächtigung, dessen Hinterbliebenen das. Beileid, der Kammer auszu— sprechen. Der Minister⸗Präsident Crispi legte einen Gesetz⸗ entwurf wegen mehrfacher Abänderungen der Gesetze über die politischen und Munizipalwahlen, sowie einen Gesetzentwurf über Explosivstoffe vor.

Der P apst empfing gestern den Kardinal Dunajewski in Audienz.

Epanien.

Der Ministerra th beschäftigte sich gestern, wie, W. T. B.“ meldet, mit der andalusischen Arbeiterfrage und beschloß die Ausführung öffentlicher Arbeiten in den Provinzen Cadix . um den Arbeiterklassen Beschäͤftigung zu ver⸗

affen.

Es sind umfassende Vorsichtsmaßregeln getroffen, um die Sicherheit des Parlaments gegen anarchistische Um⸗ triebe zu schützen. ;

In Madrid eingetroffenen Meldungen zufolge plünder⸗ ten am Sonntag ungefähr 1000 Arbeiter die Bäckereien in San Lucar; die Gendarmerie konnte nichts dagegen thun. Auch in Ecija (Provinz Sevilla) fanden Aus⸗ schreit ungen statt.

Belgien.

Die Regierung hat, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, in einer bei dem Minister⸗Präsidenten de Burlet abgehaltenen Versamm— lung der Rechten die Mittheilung gemacht, daß sie den Gesetz⸗ entwurf über die verhältnißmäßige Vertretung zurückziehe und keine neue Vorlage einbringen werde, sodaß also a das Wahlgesetz das bisherige System der absoluten Mehrheit beibehalten bleibt. Die Regierung kündigte ferner an, daß die Kammersitzungen nicht länger als bis Mitte Juli dauern werden, daß sie, die Regierung, aber vorher noch die

Einführung von Zöllen beantragen werde, die „für den

Augenblick auf nicht als Nahrungsmittel dienende landwirth⸗ schaftliche Erzeugnisse, auf Hafer und Butter, beschränkt werden 1 Im Einverständnisse mit der Rechten beschloß ferner ie Regierung, daß die Pro vinzialrathswahlen zwar noch in diesem Jahre stattfinden, aber unter Anwendung des bisherigen Wahlgesetzes abgehalten werden sollten, so zwar, daß man zur nämlichen Zeit, wo die 1209000 Wähler des erweiterten Stimmrechts die Abgeordneten und Senatoren erwählen würden, die 400 000 Zensuswähler und die 86 000 „Kapazitätswähler“ des Gesetzes vom Jahre 1883 zur Wahl der Proövinzialräthe berufen werde, die dann ihrer— seits, dem neuen Wahlgesetz zufolge, einen Theil der Senatoren. ernennen müssen. Diese Beschlüsse werden voraussichtlich den Hauptinhalt einer auf heute angekündigten Erklärung des neuen Ministeriums an die Kammer bilden, nach deren Ver⸗ lesung der liberale Abgeordnete Bara die Regierung wegen der jüngsten Ministerkrisis zu interpellieren beabsichtigt.

Serbien.

Infolge der aus persönlichen Motiven eingereichten Demissign des Finanz-⸗Ministers Mijatovic trat gestern Mittag eine Ministerkrise ein, welche mit dem Rück— tritt des Kabinets Simic abschloß. Mit der Bildung des neuen Kabinets wurde der bisherige Minister des Innern Nikolajevice betraut. Das neue Kabinet ist wie folgt zusammengesetzt: Nikolajevic Präsidium und Inneres, der bisherige Handels⸗Minister Lozanic Aeußeres, der bisherige Justiz-Minister Gjorgjevic Unterricht, Vukacsin Petro vic Finanzen, der bisherige Sektionschef im Handels-Ministerium Jovanovic Handel, der Rath am Kassationsgericht Antonovic Justiz. Der Bauten⸗Minister Zoravkovic sowie der Kriegs-Minister, General Pavlovic behalten ihre bisherigen Portefeuilles bei. Simic und die anderen ausscheidenden Minister sind vorläufig zur Disposition gestellt worden. Die politische Richtung des neuen Kabinets bleibt in allen inneren und äußeren Fragen unverandert die— selbe, wie die des Kabinets Simic.

Amerika. Der Senat hat, nach einer Meldung des „W. T. B.“, gestern die Berathung der Tarifvorlage begonnen. Der mexikanische Kongreß ist gestern eröffnet worden. Die Botschaft des Präsidenten besagt, daß das Ergebniß der neueren Steuern und Ersparnisse den Voraussetzungen der Regierung entspreche, und daß ohne die inzwischen eingetretene Verschlechterung des Wechselkurses und die daraus resultierenden Mindereinnahmen aus Einfuhrzöllen das Gleichgewicht im Budget für 1824,95 hergestellt worden sein würde. Diese durch die Münz⸗ politik verschiedener Länder und deren Haltung in der Silberfrage hervorgerufenen Störungen hätten die Berechnungen der Re— ierung alteriert und zwängen sie im Interesse des Landes zur Auf⸗ . neuer Lösungen. Indem die Regierung sich dieser Aufgabe unterziehe, sei sie in gleicher Weise entschlossen, den Kredit und die Ehre des Landes zu schützen wie sie sich bewußt sei, un⸗ mittelbar nach Votierung des Budgets den Steuerzahlern und Staatsbeamten neue Opfer nicht auferlegen zu können. Wie dem „New-JYork Herald“ vom Sonntag aus Rio deGaneiro gemeldet wird, hätten die dortigen Gesandten

Effßlands und Italiens kürzlich den nordamerikanischen Staatssekretär Gresham ersucht, dem nordamerikanischen Gesandten in Rio de Janeiro Tho nipson Anweisung zu geben, gemeinsam mit ihnen bei der brasilianischen Regierung dahin vor⸗ stellig zu werden, daß Brasilien die an Portugal gerichtete Forderung. auf Auslieferung da Gama's zurückzie he. Der Staats⸗ sekretär Gresham habe erwidert, es liege kein Grund zu einer Intervention vor, da da Gama Insurgent sei. Nach Mel⸗ dungen gus Buenos Aires sei der Gesundheitszustand auf den portugiesischen Schiffen ein schlechter. Der Admiral Saldanha da Gama habe telegraphisch der portugiesischen Regierung seinen Dank ausgesprochen für das hm gewährte Asyl und dleichzeitig die Ermächtigung nachgesucht, die brasilianischen Truppen ans Land zu setzen.

Dem „Reuter'schen Jureau“ wird aus Lima gemeldet: Der Vize⸗Präsident del Solar habe sich geweigert, die Prä⸗ sidentschaft zu übernehmen, die darauf der Zweite Vize⸗-Prä⸗ sident Borgosto übernommen habe. Das Kabinet habe. demissioniert. In dem neuen Kabinet habe Garcia Urrtia' den Vorsitz und das Ministerium des Auswärtigen, der Ge⸗— neral Ant ayo das Departement des Krieges, Dulano das der Justiz, Ferreros das des Inneren, und Delapuenta das des Handels übernommen. Die Stadt sei ruhig, die Banken seien jedoch geschlossen; die Geschäfte stockten. Einer Meldung der Agenzia Stefani“ zufolge sei es wahrscheinlich, daß der Zweite Vize⸗Präsident Borg ono an Stelle des ver— storbenen Präsidenten Bermudez zum Präsidenten der— Republik werde gewählt werden.

. Afrika.

Wie dem „Reuter'schen Bureau“ aus Kairo gemeldet wird, sind die Gerüchte von einer bevorstehenden Minister⸗ krisi s, die durch die Berufung der Minister nach dem Land⸗ i. . w wurden, n,, unbegründet.

Eöihe habe die Minister nur zur Erledigung der laufen⸗ den Geschäfte zu sich berufen. ö. ö.

Parlamentarische Nachrichten.

Auf der Tagesordnung der heutigen 39. Sitzung des auses der Abgeordneten, welcher der Justiz⸗Mlnister * von Schelling und der Finanz-Minister Dr. Miquel beiwohnten, stand zunächst die erste und zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung der im Gel⸗ tungsbereich des Rheinischen Rechts bestehenden Vorschriften über die in die Geburtsregister ein⸗ zutra enden Vornamen.

Abg. Bött ing er (nl.), der die hierauf bezüglichen Be⸗ schwerden beim Etat des Justiz-Ministeriums zur Sprache gebracht hatte, empfiehlt den Gesetzentwurf zur Annahme.

Abg. Ol zem (nl) beantragt, die Regierung aufzufordern zur Beseitigung allzu französischer Bestimmungen über die in preis ung von Geheimmitteln, die besser durch Polizei⸗ vorschriften ersetzt werden könnten.

Der Antrag wird angenommen und in zweiter Berathung auch der Gesetzentwurf genehmigt.

In Bezug auf den 45. Bericht der Staatsschulden⸗ kommission für das Rechnungsjahr 1892 93 wird von seiten des Hauses Decharge ertheilt.

Die Rechnungen der Kasse der Ober-Rechnungs— kammer für das Jahr vom 1. April 1892 93 werden der Rechnungskommission überwiesen.

Es folgt die Berathung des Antrags des Abg. Dr. Gckels und Genossen: .

Die Königliche Stagtsregierung zu ersuchen, eine gesetzliche

Aenderung des 5 39 Abs. i der Vorm undschaftsordnung vom 3. Juli 1875 dahin gehend herbeizuführen, daß die dauernde Belegung von Mündelgeldern bei den Sparkassen kommunaler Korporationen für zulässig erklärt wird.

Abg. Dr. Ecke ls (nl) empfiehlt den Antrag mit Rücksicht auf die Wünsche des Hannoverschen Sparkassenverbandes, der sich wehre gegen eine Verfügung des Ober⸗Landesgerichts⸗Präsidenten von Celle, welcher die Belegung von Mündelgeldern bei Sparkassen als unzulässig bezeichnet habe. Das Kammergericht . diese Gesetzesauffassung gebilligt, während verschiedene Amtsgerichte bisher die Belegung der Mündelgelder bei Srar⸗ kassen noch zugelassen hätten. Dadurch entstehe eine gewisse ,, ,, heit. Das neue Bürgerliche Gesetzbuch wolle die Frage allerdings im Sinne der Sparkassen regeln, aber bis dieses Gesetzbuch fertiggestellt sei, würde noch manches Jahr vergehen, und es wäre wünschenswerth, diese Frage baldigst zu regeln.

Justiz⸗Minister Dr. von Schelling: Ich stehe insofern auf dem Standpunkt des Vorredners, als auch ich die Benutzung der Sparkassen bei Belegung von Mündelgeldern, namentlich von geringerem Betrage, für zweckmäßig halte. Etwas Anderes aber ist es, ob diese Frage durch ein besonderes Landesgesetz geregelt werden soll. Ich habe aus Anlaß früherer Kommissionsberathungen eine Umfrage bei den Ober-Landes⸗ gerichten gehalten. Es sind dabei verschiedene Ansichten geltend gemacht wor⸗ den, namentlich auch der niedrige Zinssatz der Sparkassen. Ich habe mich mit dem Minister des Innern, der für die Sparkassen die Haupt⸗ instanz ist, in Verbindung gesetzt und auch den Finanz⸗Minister zu einer Aeußerung veranlaßt, weil vielleicht durch Zuströmen der Mündel gelder die Sparkassen die Kurse der Konsols beeinflussen könnten. Die Verhandlungen haben aber noch nicht zu einem solchen Er— gebniß geführt, daß ich darüber Mittheilungen machen könnte. Da aber der Antrag sich in der von mir gebilligten Richtung bewegt, so habe ich nichts gegen seine Annahme einzuwenden.

Nach weiterer Berathung (über die wir morgen aus⸗ führlich berichten werden) wird der Antrag mit der Aenderung, ihn der Regierung als Material für die Revision der Spar— kassengesetzgebung zur Erwägung zu überweisen, angenommen.

(Schluß des Blattes.)

Entscheidungen des Reichsgerichts. Unter Sekundant“ im Sinne des § 209 des Strafgesetzbuchs

(welcher Sekundanten für straffrei erklärt) sind, nach einem Urtheil

des Reichsgerichts, IV. Strafsenats, vom 16. Januar 1894, diejenigen Personen zu verstehen, welche den Duellanten bei der Austragung des Zweikampfes selbst Beistand leisten. Ein Sekundant aber, welcher vorher im Auftrage des Herausgeforderten von dem Kartellträger des Herausforderers die Bedingungen des Zweikampfes an— nimmt und seinem Auftraggeber übermittelt, ist wegen Bei⸗ bil fe zum Zweikampf zu bestrafen. ‚Der Begriff des Sekundanten nach § 209 Str.⸗G. B. ist auf diejenigen von den Duellanten erwählten Personen zu beschränken, welche fenen bei der Austragung des Zweikampfes selbst Beistand leisten und deren Auf⸗ gabe im wesentlichen darin besteht, die Beobachtung der verabredeten oder k Kampfesregeln auf dem Kampfsplatze zu sichern. Das Straf⸗ gesetzbuch scheidet ausdrücklich den Kartellträger, d. h. denjenigen, welcher den Auftrag zu einer Herausforderung übernimmt und ausrichtet (5 203 Str.⸗G.⸗B.), von dem Sekundanten. Daraus folgt, daß der Begriff des Sekundanten nach dem Gesetz nicht auch die Vermittelung unter den Gegnern und die Verabredungen über die Wahl der Waffen, geit, Ort und Bedingungen umfaßt, wenn auch in der gewöhnlichen Rede⸗ weise das Wort „Sekundant“ nicht selten in dieser weiteren Be⸗ deutung gebraucht wird. Die erweiterte Anwendung des Wortes be⸗ ruht darauf, daß diejenigen Personen, welche mit der Vermittelung der Erklärungen zwischen dem Herausforderer und dem Heraus—⸗ geforderten sowie mit der Vorbereitung des Zweikampfes nach Art, Zeit und Ort betraut werden, herkömmlicher Weise in der Regel zugleich als erwählte Beistände bei Ausführung des Zweikampfes selbst fungieren. 4042/93.)

Die Bestimmung des § 22 der Zivilprozeßordnung, wonach gegen den Inhaber einer Geschäftsn iederlas sung, von welcher aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, Filiale Klagen die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gerichte des Orts erhoben werden können, wo die Niederlassung sich befindet findet nach einem Urtheil des Reichsgerichts, VI. Zipil⸗ senats, vom 22. Januar 1894, keine Anwendung auf eine dauernde Geschäfts vertretung an einem anderen Orte, welche jedoch in jedem erheblichen Falle an die Genehmigung des Prinzipals ge⸗ unden ist. ‚Wenn der Gerichtsstand des 5 22 Zivilprozeßordnung⸗ begründet sein soll, so müssen un mittelbar von der Niederlassung aus Geschäfte geschlossen werden. Nach den Motiven zur Zivilprozeß ordnung ist der Gerichtsstand der Niederlassung dem forum doꝛnicilii nachgebildet. Das Etablissement wird, was die auf den Geschäfts⸗ betrieb desselben bezüglichen Klagen anbelangt, dem Wohnsitz gleich geachtet. Ein dem Domizil entsprechendes Verhältniß ist aber nicht vorhanden, wenn der Vertreter, durch dessen Vermittelung ein Geschäftsunternehmer an einem anderen Ort Geschäfte . läßt, in jedem einzelnen Fall von . an die Genehmigung des Prinzipals gebunden ist, mag auch die Geschäftsvermittelung des Vertreters eine regelmäßige und dauernde sein. (287,93)

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Dat bei, den Stadtverordnetenwahlen ein Wähler n en gen, welchen er wählen will, irrthümlich mit einem unrichti⸗ gen Namen oder auch nur mit einem unrichtigen Vornamen be⸗ zeichnet, ohne sich zu berichtigen, so ist, nach einem Urtheil des Ober Verwaltungsgerichts, IJ. Senats, vom 14. Nobember 1893, die Wablstimme nicht demjenigen anzurechnen, welchen der Wähler in Wirklichkeit zu wählen beabsichtigt hatte. Die von dem Wähler

gleichzeitig abgegebene Stimme für einen zu wählenden zweiten Stadt⸗ verordneten wird aber dadurch nicht ungültig, daß seine erfle Stimmabgabe wegen der falschen Namentnennung ungültig ist. Bei der Wahl zweier Stadtverordneten in einer westpreußischen Stadt wurden für den Kaufmann Julius B. und den Uhrmacher N. je 20, für die Kaufleute K. und X. je 19 Stimmen abgegeben, und die beiden Ersteren für gewählt erklärt. Die Wahl des Julius B. wurde sodann von einem Gemeindemitgliede deshalb angefochten, weil ein Wähler bei der Wahl nicht, wie das Protokoll besage, den Namen des Julius B., sondern den eines längst verstorbenen Zo uis B. genannt habe. Der Bezirksausschuß stellte durch Beweisaufnahme fest, daß jener Wähler zwar den Julius B. zu wählen beabsichtigt, thatsächlich aber den Namen Louis B. genannt, sich auch nicht berichtigt habe. Die Wahl wurde demzufolge vom Bezirksausschuß für ungültig erklärt. Gegen dieses Urtheil legte die beklagte Stadtverordneten⸗Versammlung Be— rufung ein, mit dem Antrage, die Wahl des Julius B. für gültig zu erklären, event. aber ebenfalls die Wahl des Uhrmachers N. für un⸗ gültig zu erklären. Das K bestätigte jedoch die Vorentscheidung, indem es begründend ausführte: „Die Städteordnung vom 30. Mai 1853 bestimmt über den Wahlakt nur Folgendes:

§z 25. Jeder Wähler muß dem Wablvorstand mündlich und laut

zu Protokoll erklären, wem er seine Stimme geben will.

Hiernach wird der Akt mit der Stimmabgabe und ihrer Proto⸗ kollierung geschlossen. Der Wähler, dessen Rechtsausübung e ih auf den einen Moment der Stimmabgabe konzentriert wird, muß si somit für diesen Augenblick gesammelt halten und wird durch das Gesetz noch besonders auf die Nothwendigkeit einer lauten Erklärung bingewiesen offenbar, damit insbesondere bei dem aus mehreren Personen bestehenden Wahlvorstand kein Zweifel darüber entstehen könne, wem die Stimme gegeben wurde. Dabei kommt keine um⸗ fassende und mehrdeutige Willenserklärung in Frage, sondern kurz und bündig die Nennung eines Namens oder auch mehrerer Namen. Da diese einfache Namenznennung den ganzen Akt ausmacht, ergiebt sich von selbst, daß nicht etwa hinterher, wie Beklagte auszuführen versucht, bei dem Zusammenzählen der Stimmen irgend welche Konstatierungen bezüglich des geschlossenen Akts vorgenommen werden können. Mag auch der Wähler noch im Augenblick der Stimmabgabe sich verbessern und namentlich zwecks einer genauen Protokollierung die Klarstellung des Namens des Gewählten herbeigeführt werden dürfen, so ist doch mit der Protokollierung und dem Uebergang zu einer ferneren Stimm— abgabe jedenfalls die Grenze für die Ausübung des Wahlrechts gegeben. = Die Gleichzeitigkeit der Wahl des N. hat nicht den von der Beklagten behaupteten engen Zusammenhang derart, daß die Ungültigkeit der einen Wahl die der gleichzeitigen Wahl nach sich zöge. Diese fernere Wahl ist vielmehr unabhängig und neben der B.'schen Wahl vollzogen, hat 20 Stimmen für N. ergeben und ist auch formell unangefochten geblieben. ((II. 1252.)

Die Bestimmung des § 10 des Preußischen Einkommensteuer— gesetzes vom 24. Juni 1891, wonach ihrem Betrage nach un bestimmte oder schwankende Einnahmen nach dem Surch— schnitt der drei bejw. zwei der Veranlagung unmittelbar voran— gegangenen Jahre zu berechnen sind, findet, nach einer Entscheidung des Oher⸗Verwaltungsgerichts, V. Senats, vom 20. November 1895, keins Anwendung bei einer Do mizilveränderung des Steuer— pflichtigen während dieses Zeitraums, dessen Geschäft infolge dieser Veränderung die bisherigen Beziehungen mit dem Publikum, die alte Kundschaft verloren hat und eine neue gewinnen muß. In diesem Falle sind nur die Einnahmen nach dem Durchschnitt des Zeitraums nach der Domizilveränderung, nöthigenfalls nach dem muthmaßlichen Jahres⸗ ertrage in Ansatz zu bringen. Ein Rechtsanwalt und Notar war bis zum November 1890 in einer Stadt als solcher thätig. Mitte November 1890 verlegte er sein Domizil und seine Berufsthätigkeit nach einer anderen Stadt. Am 12. September 1891 verlegte er fein Domizil und seine Berufsthätigkeit nach einer dritten Stadt. In seiner Steuererklärung pro 1893/93 am 11. Januar 1892 gab er den Verdienst aus seiner Praxis, diesen lediglich nach der Zeit seiner Thätigkeit in dem letzten Domizil vom 12. September 1891 bis 11. Januar 1892 auf ein Jahr berechnend, zu 3700 M an. Dagegen veranlagte ihn die Steuerbehörde unter Zugrundelegung des weit höheren Durchschnitts seines Einkommens aus seiner Praxis während der beiden Jahre 1890 und 1891 in den verschiedenen Domizilen. Hieran hielt auch die Berufsentscheidung fest. Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts wies das Ober⸗Verwaltungsgericht die Sache zu anderweiter Entscheidung an die Berufungskommission zurück, indem es begründend ausführte: Es muß für den vorliegenden Fall anerkannt werden, daß das Einkommen zum Zwecke der Besteuerung nicht nach dem zweijaͤhrigen Durchschnitt zu berechnen ist. Es hat während dieser Zeit ein zweimaliger Wechsel des Orts der erwer⸗ benden Thätigkeit stattgefunden und zwar, wie mit dem Beschwerde⸗ führer anzunehmen ist, in einer Weise, daß die alten Beziehungen mit dem Publikum, die alte Kundschaft verloren gegangen ist und eine neue gewonnen werden mußte. Wenn auch die persönliche Befähigung zum Erwerbe dieselbe geblieben ist, so sind doch die nothwendigsten Grundlagen für die Ergiebigkeit der Praxis durch die Ortswechsel vollständig verändert worden, sodaß auch der Effekt der Thätigkeit, wie die Ausführungen des Beschwerdeführers in glaubhafter Weise er⸗ geben, nothwendig nach dem Ort derselben verschieden sein mußte. Die Erwerbsthätigkeit war thatsächlich, wenn auch nicht der Art und dem Namen nach, so doch unter ganz verschiedenen örtlichen Bedingungen neu zu begründen; die Quelle des steuerpflichtigen Einkommens ist somit, worauf es hier ankommt, seit der Thätigkeit des Jenstten in seinem letzten Domizil materiell eine andere als in den Vorjahren. Folglich kann für die Besteuerung nur mit der Zeit nach dem 12. Sep⸗ tember 1891 gerechnet werden .. .. (33/93.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Ansprägungen von Reichs-Gold⸗ und Silbermünzen. Im Jahre 1893 sind auf den deutschen Münzstätten an Gold⸗ münzen 4011 385 Doppelkronen und 3019 326 Kronen, zusammen im Betrage von 110 426960 Æ mit einem wirklichen Gewicht von 87 949,686 Pfund (gesetzliches Sollgewicht 87 949,788 Pfund) aus⸗

geprägt worden. . . An Silbermünzen wurden geprägt 534 319 Fünfmarkstücke, 1644 605 Zweimarkstücke, 2 836 305 Einmarkstücke im Betrage von 397 114 mit einem wirklichen Gewicht von 97 44 174 Pfund (gesetzliches Sollgewicht 97 745,11 Pfund). Fünfzig⸗ und Zwanzig—

pfennigstücke (in Silber) sind im Jahre 1893 nicht geprägt worden.

Verein für Sozialpolitik. .

Der Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik hat, wie die Nat.“ Itg. erfährt, beschlossen, die nächste Generalversammlung am 2. und 29. September d. J. in München abzuhalten. Auf die Tages⸗ ordnung ist gesetzt worden: 1) die industriellen Kartelle: 2) das ländliche Vererbungsrecht. Bezüglich des ersten Gegenstandes werden von dem Verein zwei Bände Beschreibungen verschiedener in⸗ und aus⸗ ländischer Kartelle vorbereitet, die im Juni erscheinen werden. Mit der zweiten Frage hat sich der Verein bereits mehrfach in seinen Schriften beschästigt. Bezüglich der speziellen Referenten werden noch weitere Bestimmungen von dem Vorsitzenden getroffen werden. Als Ort der Versammlung ist München, besonders mit Rücksicht auf die österreichischen Volkswirthe gewählt worden, seitens deren ein zahl⸗ reicher Besuch in Aussicht steht.

Zur Arbeiterbewegung. . Der Beschluß der Deutschen Textilarbeiter, den inter nationalen Kongreß in Manchester nicht zu beschicken (vgl. Nr. 77 d. Bl.) wurde von der in Hof in Bayern am 25. und 26. Mär abgehaltenen Generalversammlung der deutschen Textilarbeiter gefaßt. Auch zu dem Kongreß der Arbeiter der Bekleidungsindustrie, der noch in diesem Jahre in Gotha oder Erfurt tagen wird, werden,

wie die Berliner Volks⸗Z3.“ mittheilt, die Tertilarbeiter Delegirte nicht entsenden. . Hier in Berlin soll, wie im ‚Vorwärtg. mitgetheilt wird, zu . ein Kongreß sozialdemokratischer Radfahrer attfinden. Aus Wien berichtet W. T. B. zum Ausstand der Ar beiter der Gasan stalten, daß die Ausständigen in einer neuen Versammlung gestern beschlossen haben, den Ausstand fortzusetzen. Der Voss. 3. wird gemeldet, daß die Gasgesellschaft ihre Arbeits- kräfte bereits vervollständigt habe. Aus Zürich berichtet der Berner Bund“, daß der Stadt⸗ e, Pestalozzi für den drohenden Ausstand der Zim mer⸗ eute seine Vermittelung angeboten hat. Die Züricher Glaser⸗ gehilfen hegen mit der Forderung um neunstündige Arbeitszeit und Abschaffung der Aecordarbeit an die Meister, die Meinung, die Sache auf friedlichem Wege erledigen zu können. 37 Mitglieder deg Züricher Schneidermeister⸗Vereins bestätigen im Amts- und Tagblatt mit. Unterschrift ihre Solidaritätserklärung mit den Berner Meistern. Zugleich gewähren sie den ausständigen Gesellen drei Tage Bedenkzeit zur Wiederaufnahme der Arbeit, widrigenfalls sich die Unterzeichner derpflichten, keinen der Ausständigen mehr in ihren Geschäften anzustellen. Der Zentralvorstand des chweizerischen Schreinermeisterverbandes ladet alle schweizerischen Schreinermeister in einem Rundschreiben ein, keinem von Zürich kommenden Schreiner Anstellung und Arbeit zu geben. Fin genaues Verzeichniß der Namen der Ausständigen wird auf den J. April versandt werden. . Aus St. Gallen schreibt man dem Berner Bund“: Die organisierten Schneidergehilfen des Platzes St. Gallen erklärten sich am Donnerstag solidarisch mit den strikenden Berner Berufz—⸗ genossen. Es wurde beschlossen, keine von Bern übernommene Arbeit auszuführen und die Namen der Meister, die Berner Arbeit Über⸗ nehmen, in den Arbeiterblättern zu veröffentlichen.

Kunst und Wissenschaft.

Mit dem Dampfer ‚Bundesrath“ sind, wie das D. Kol. Bl.. mittheilt, eine Reihe bedeutsamer Aufzeichnungen Emin Pascha's von Dar⸗-es-Salam abgesandt worden und vor kurzem in Berlin eingetroffen. Der Inhalt der Sendung besteht vornehmlich aus sechs Tagebüchern, umfassend die Zeit vom 15. Oktober 187 bis zum 2. Dezember 1889, und enthält ferner ein St Vogelmaße vom März 1888 bis zum Februar 1890, ein Heft äugethiermaße, ein Heft Routenaufnahmen, ein Heft zoologische Notizen (am Schluß Briefiournale), ein loses Heft anthropologische Messungen sowie brei Packete Briefschaften.

Bei dem Königlichen Museum für Naturkunde ist dem D. Kol. Bl.“ zufolge eine von dem Botaniker E. Baumann in Misahöähe im Togogebiet zusammengebrachte Sammlung zoologischer Objekte eingegangen. Diese Sammlung enthielt 33 Felle, 13 Schädel und 10 einzelne Hörner von Saugethieren sewie 37 Vogelbäͤlge. Der wissenschaftliche Werth dieser Sendung ist bedeutend, da von den Säugern und Vögeln je 6 Arten für das Togogebiet noch nicht nachgewiesen waren. .

Die Arbeiten des internationalen medizinischen Kon⸗ gresses wurden, wie dem. W. T. B.“ aus Rom 3 wird, gestern in den Sektionssitzungen eifrig gefördert. Die behandelten The— matg betrafen namentlich das Gebiet der inneren Medizin, aus welcher 82 Vorträge von Aerzten aller Länder, darunter eine große Anzahl über Tuberkulose angemeldet sind. In der Sektion für Nerven⸗ Pathologie machten Dr. Heuschen⸗ Upsala und Dr. Marina⸗Triest wichtige Mittheilungen, ersterer über das Sehzentrum, letzterer über Paralyse der Augenmuskeln. An chirurgischen Thematen sind 77

emeldet; darunter befindet sich ein Vortrag von Dr. Demosthenes⸗

Bukarest über die Schußwirkungen des neuen, in Rumänien einge⸗ führten 5.5. Millimeter-⸗Geschosses des Manlicher⸗Gewehrs nach Ver—⸗ suchen auf dem Bukarester Schießplatz. Am Nachmittag fand in dem Garten des Quirinals ein von Ihren Majestäten dem König und der Königin zu Ehren der Kongreß⸗ Theilnehmer ge⸗ gebenes Gartenfesst statt, zu welchem Einladungen an mehr als dreitausend fremde Delegirte ergangen waren. Außerdem wohnten dem Fest hervorragende italienische Aerzte, zahlreiche Offiziere, Deputirte und Senatoren, die Minister Baccelli, Blanc und Mocenni, sowie viele Damen bei. Abends war das ganze Gebiet der alten römischen Baudenkmäler feenhaft beleuchtet. Durch wechselnde Farben der Lichter und bengalische Flammen wurden glänzende Lichtwirkungen erzeugt; große Reflektoren warfen das elektrische Licht abwechselnd auf die alten Monumente bis zu dem Grabe der Cäcilia Metella und den Albanerbergen hin. Dazwischen wurde ein prachtvolles Feuerwerk abge⸗ brannt. Mehrere Kapellen konzertierten und Luftballons stiegen auf. Die Königlichen Majestäten wohnten, lebhaft begrüßt, dem Fest auf der in den Cäsarenpalästen errichteten Mitteltriblne bei, welche von anderen mit Kongreßtheilnehmern besetzten Tribünen umgeben war. Um 107 Uhr erreichte das Fest sein Ende.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

. Portugal.

Durch Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des . sind die Häfen Rußlands seit dem 15. März für rein von 65 erklärt worden. (Vergl. ‚R.⸗Anz.“ Nr. 206 vom 28. August

75.

Sandel und Gewerbe.

Bei den Abrechnungsstellen der Reichsbank wurden im Monat März abgerechnet: 1546 114 800 6 gegen L293 832 600 6 im Februar d. J., 1 396 613 3600 Sa im März 1893, 1447 758 300 MS im März 1892 und 1366 365 200 S im März 1891.

In der Zeit vom 16. Juli bis 6. August d. J. soll in Amsterdam unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Königin⸗Wittwe, Regentin der Niederlande, eine inter⸗ natio nale Ausstellung für Müllerei, Bäckerei, ins⸗ besondere Pasteten⸗ und Zuckerbäckerei, Chokoladen⸗ fabrikation und andere damit zusammenhängende Industrie⸗ zweige stattfinden. Anmeldungen sind bis spätestens den 15. d. M. an das Ausstellungsbureau im Industriepalast in Amsterdam zu richten.

Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. . . An der Ruhr sind am 2. d. M., einem katholischen Feiertage, gestellt 2488, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 31. v. M. gestellt 1747, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. . Zwangt⸗Versteigerung en. Beim Königlichen Amtsggricht 1 Berlin standen am 2. April die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: 1) die ideelle Välfte des hinter der Müllerstr. 1102 belegenen, dem Kauf⸗ mann Heinr. Homann und dem Rentier Heinr. Cosse Salo⸗ m ons gehörigen, 5 ha 23 a und 67 4m großen Grundstücks; für das Meistgebot von 148 000 S6 wurde der Kaufmann Leonhard Fr ig d länder zu Rixdorf, Kottbuser Damm 63/64, Ersteher. 2) Marienstr. 26, dem Maurermeister Franz Klein hrs: für das . ebot vgn 346 500 6 wurde der Rentier Walter Hasse, Anhaltstr. 15, Ersteher. 3) Theilung halber Am Königs⸗ graben 15, 18a. und 15 b., dem Kaufmann K. W. L. Deutsch⸗

mann gehörig; Fläche 19,48 a; Nutzungswerth 13 240 M; für dag Meistgebot von 314 000 M wurde der Banquier Robert Druhm,