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prägen, nicht bestritten; sie bestreiten nur die Opportunität im gegen⸗ wärtigen Augenblick und ihre innere sachliche Berechtigung.
Ich möchte zunächst einen Irrthum des Herrn von Kardorff berichtigen. Er sagte: wir nehmen jetzt nach der gegenwärtigen Volks- zahl eine stärkere Ausprägung von Silbermünzen vor. Das ist nicht der Fall. Die Ausprägung, die jetzt vorgenommen wird, beruht auf der Volkszählung vom 1. Dezember 1890; würde nach dem jetz igen Stand der Bevölkerung die Ausprägung von Silber erfolgen, so könnte noch ein erheblich höherer Betrag ausgeprägt werden. Es ist in der That für den Antrag ein sachliches Bedürfniß im Interesse des Verkehrslebens vorhanden. Der Nachweis der Reichsbank vom 7. Mai 1892 ist ja bekannt geworden durch eine österreichische Veröffentlichung; ich brauche deshalb keinen Anstand zu nehmen, hier die Zahlen zu nennen. Es waren in der Reichsbank vorhanden am 7. Mal 1892 96 048 000 Æν½, am 7. Mai 1893, also netto ein Jahr darauf, hatten wir in der Reichsbank einen Be— stand an Silberscheidemünze von 91 263 000 M, obwohl in der Zwischenzeit 2 Millionen ausgeprägt worden sind. Mit anderen Worten: im Laufe eines Jahres hat der Verkehr fast 7 Millionen an Scheidemünze aufgenommen. Ende Dezember 1892 — und der Monat Dezember ist bekanntlich ein solcher, wo an die Baarbestände der Reichsbank besonders hohe Anforderungen gestellt werden — betrug der Bestand an Scheidemünze 84 353 000 M und Monat November 1893 82 720 000 S, obgleich in der Zwischenzeit 8 Millionen an Scheidemünze neu zur Prägung gelangten; also auch in diesem Jahre hat der Verkehr zwischen 9 und 10 Millionen Silber— scheidemünze aufgebraucht. Es wird nun trotz dieser Thatsache, die den steigenden Bedarf an Scheidemünze beweist, behauptet, daß der Bestand der Bank an sich ein so außerordentlich großer wäre, daß kein Bedarf zu Neuausprägungen vorliege, und es ist in der bimetallistischen Presse in dieser Beziehung besonders auf die Ver— hältnisse der englischen und französischen Bank hingewiesen. Nach einer amtlichen Publikation und zwar nach dem Rapport, den die französische Deputirtenkammer erstattet hat über das neueste Abkommen der lateinischen Münzkonvention, betrug am 8. März 1894 der Bestand der französischen Bank an Silberscheidemünze allerdings nur 62 Millionen Franks; Herr von Kardorff befindet sich im Irrthum, wenn er meinte, daß in Frankreich keine Silberscheidemünze existierte — und in England betrug nach der Statistik des bekannten Münzstatistikers Ottomar Haupt der Bestand der Bank an Silberscheidemünze 200 000 Pfund Sterling. Aber, meine Herren, diese Exemplifikation auf die Bank von Frank⸗ reich und auf die Bank von England trifft meines Erachtens nicht zu. Die deutsche Reichsbank steht dem Verkehr und namentlich dem Geldumlauf gegenüber wesentlich anders, wie die Banken von England und Frankreich; der deutschen Reichsbank liegt vorzugsweise die Auf⸗ gabe ob, den Geldumlauf im Lande zu regeln, und dazu bedarf sie erheblich größerer Bestände an Silberscheidemünze. Der Bestand der Reichsbank am 31. März 1894 betrug, abgesehen von den un— sortierten Beträgen, 89 Millionen. Auf den ersten Blick kann dieser Bestand allerdings so bedeutend erscheinen, daß man sagen könnte: unter diesen Umständen sind Neuausprägungen nicht erforderlich. Ich gestatte mir aber, darauf hinzuweisen, daß sich mit Rücksicht auf die Aufgabe, die der deutschen Reichsbank obliegt, den Geldumlauf im ganzen Deutschen Reich zu regeln, dieser Bestand vertheilt auf 228 Bankstellen, die alle von der Reichsbank aus mit Silberscheide⸗ münze versehen werden müssen. Mit anderen Worten: es kommt auf die einzelne Bankstelle, die von der Reichsbank mit Geldvorrath ver⸗ sehen wird, etwa ein Bestand von 400 000 M. Scheidemünze. Sieht man sich nun den Bestand in den einzelnen Bankanstalten an, namentlich in den industriellen Gegenden, wo große Massen Scheide⸗ münze zu Lohnzahlungen erforderlich sind, so kommt man zu der Ueberzeugung, daß dieser Bestand ein keineswegs hoher, sondern zur Führung der Geschäfte und um dem Bedarf an Scheidemünze zu ge— nügen, ein durchaus angemessener und nothwendiger ist.
Ich gestatte mir, meine Herren, aus einer Uebersicht vom 31. März nur einige ganz kurze Daten mitzutheilen. Zu der Reichsbankstelle in Chemnitz, dem Zentrum eines großen Industriebezirks, gehören sechs Nebenbankstellen, die von der Hauptbankstelle aus ebenfalls mitversorgt werden müssen: die Bankstellen in Crimmitschau, Glauchau, Meerane, Plauen, Reichenbach und Zwickau; also alles Orte, die eine gewaltige Industrie haben, wo ein großer Bedarf an Scheidemünze zum Zweck der Lohnauszahlung fortgesetzt hervortritt. Die Chemnitzer Bank besaß am 31. März, einschließlich der Nebenbankstellen, in Fünf⸗ markstücken 137 000 S, in Zweimarkstücken 476 000 S, und in Einmarkstücken 829 000 4 Die Bankhauptstelle in Frank—⸗ furt a. M., zu der die Bankstellen in Wiesbaden, Gießen, Hanau und Offenbach gehören, auch überwiegend industrielle Bezirke, besaß am 31. März in Fünfmarkstücken nur 134 0600 ½υ , in Einmark— stücken 40 000 S. Meine Herren, Sie werden zugestehen, daß das Bestände sind, die für den Betrieb derartiger Bankanstalten in industriellen Gegenden unbedingt erforderlich sind. Außerdem muß man berücksichtigen, daß die Bank ihrer Verpflichtung, Silbergeld einzutauschen, nur soweit zu genügen vermag, als dies ihr Bestand, der auch nothwendig ist zur Deckung der laufenden Zahlungsverpflich⸗ tungen, die zum theil ebenfalls in Silber gefordert werden, erlaubt.
Daß in der That im Lande ein Bedarf an Silberscheidemünzen vorhanden ist, geht ferner unzweifelhaft hervor aus den wiederholten Wünschen, die hier im Reichstag in dieser Beziehung geltend gemacht worden sind. Ich gestatte mir, die Ausführungen des Herrn Grafen von Mirbach vom 14. März 1887, auf die der Herr Abg. von Kar⸗ dorff schon Bezug genommen hat, kurz vorzulesen. Herr Graf von Mirbach hat damals gesagt:
Meine Herren! Haben wir Ueberfluß an Scheidemünzen? Ist die Scheidemünze garnicht mehr zu placieren? Das Gegen⸗ theil ist richtig. Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung, daß meine Kassenbeamten überall klagen: wir haben Mangel an Scheide⸗ münze. Es ist deshalb für uns außerordentlich schwer, die Löhne in kleinen Portionen auszuzahlen. Es ist thatsächlich der Bedarf, wenigstens in den entlegenen Provinzen des Reichs, an kleiner Münze, auch an Ein⸗ und Zweimarkstücken ein sehr großer.
Die ganz ähnliche Erklärung haben der bimetallistenfreundliche Frei⸗ herr von Pfetten, ein früheres Reichstagsmitglied. und Herr Büsing in der Sitzung vom 12. Dezember 1892, also in neuester Zeit, ab⸗— gegeben, und ebenso hat Herr Freiherr von Huene als Referent der Budgetkommission am 15. März 1893 auf den größeren Bedarf an Silbermünzen in der Bevölkerung hingewiesen. Meine Herren, ich bemerke, daß, als Herr Graf von Mirbach im Jahre 1887 diese Er⸗ klärung im Reichstag abgab, die Ausprägung von Silbermünzen auf
den Kopf der damaligen Bevölkerung 9,50 „ betrug, während nach dem jetzigen Stand der Bevölkerung die Ausprägung von Silber⸗ münzen nur 9,30 M auf den Kopf beträgt, also weniger wie damals.
Die Gründe, die damals maßgebend waren, müssen deshalb unter dem jetzigen geringeren Prozentsatz der Ausprägung von Silberscheide⸗ münzen doch in erhöhtem Maße durchschlagend sein.
Es ist ferner besonders moniert worden die Eintheilung der Aus—⸗ prägung auf die einzelnen Münzsorten in dem an den Bundesrath gelangten Antrage, und es ist besonders darauf hingewiesen, daß das Fünfmarkstück eigentlich eine ganz unpraktische und dem Verkehr wenig sympathische Münze sei. Meine Herren, für den großstädtischen Ver⸗ kehr mag das zutreffen, aber für den Verkehr im Lande ist das nicht so. Ich bemerke, daß in der Zeit von 1889 bis 1803 von den Reicht bankanstalten bei der Hauptbank in Berlin eine Verstärkung ihrer Bestände durch Silberscheidemünzen in Höhe von 89 494 000 i, erklusive der Zwanzigmarkstücke, gefordert wurde. Von diesen beantragten Summen entfallen 31,3 G auf Fünfmarkstücke und 260 lo auf Zweimarkstücke. Es konnten indeß wegen Mangels an aus— reichenden Beständen von Reichs⸗Silberscheidemünzen 81I2000 t auf die geforderte Summe nicht überwiesen werden, oder mit anderen Worten: 9,1 06. Und diese nicht überwiesene Summe fiel fast ganz auf Fünfmarkstücke, an denen in der Reichsbank genügender Vorrath nicht vorhanden war. Gerade die Nachfrage nach Fünfmarkstücken ist eine so lebhafte, daß die in letzter Zeit geprägten in der allernächsten Zeit vollkommen in den Verkehr überführt sein werden. Es ist wohl unzweifelhaft, meine Herren, daß ein Theil dieser Fünfmarkstücke thesauriert, und ein anderer wesentlicher Theil zu Lohnzahlungen verwendet wird. Wenn man dem gegenüber einwendet, daß die Fünfmarkstücke nicht nöthig wären, sie würden ja durch die Thaler ersetzt, so steht dem die Beobachtung der Bank⸗ anstalten gegenüber, daß die Thalerstücke in größerem Umfange wie bisher der Verkehr nicht aufnehmen will. Es mag dies vielleicht
darin liegen, daß den Kassenbeamten die Berechnung der Thalerstücke— die in das Dezimalsystem nicht passen, bei Aufstellung der Kassen⸗ bestände unbequem ist. Gerade aus den rheinisch⸗-westfälischen und den sächsischen Industriebezirken ist noch in der neuesten Zeit auf das lebhafteste der Wunsch hervorgetreten, daß den Bankanstalten und damit dem Verkehr mehr Fünf⸗ und Zweimarkstücke zugeführt werden möchten, weil gerade diese zu Lohnzahlungen besonders wichtig wären. Es liegen solche Anträge aus einer großen Anzahl von Orten vor — ich nenne nur einige: Elberfeld, Lennep, Köln, Glauchau, Crimmitschau, Plauen, Meerane, Reichenbach, Waldenburg. In diesen Industriegegenden muß man sich doch darüber klar sein, welche Münzen man vorzugs— weise braucht. Das ist richtig, was behauptet wird, ein Mangel an Silbermünzen ist in Deutschland nicht vorhanden. Aber es ist eben ein Mangel vorhanden an silbernen Reichs⸗-Scheidemünzen, weil die Thaler vom Verkehr nicht weiter aufgenommen werden und alle Versuche, die von den Behörden gemacht sind, die Thaler dem Ver— kehr in größerer Masse zuzuführen, dahin geführt haben, daß dieselben Rollen versiegelt den Kassen wieder zugeflossen sind.
Es dürfte hiernach anzuerkennen sein, daß ein Bedürfniß nach dem Umlauf einer größeren Menge silberner Scheidemünzen unzweifelhaft vorhanden ist. Ist aber ein solches Bedürfniß vorhanden, so ist die verantwortliche Stelle doch nicht in der Lage, deshalb, weil zur Zeit Bestrebungen sich geltend machen auf eine anderweitige Ausprägung der Silbermünzen, so zu sagen die nothwendige Ausführung des be⸗ stehenden Reichsmünzengesetzes zu sperren. Darüber, glaube ich, sind alle Vertreter des Bimetallismus einig, daß Deutschland allein keine Währungsexperimente anstellen kann (sehr richtig), sondern daß eine erfolgreiche Abhilfe der vorhandenen Uebelstände nur erreicht werden kann durch internationale Vereinbarungen und daß auch diese nur dahin führen könnten, auf Grund einer anderen Relation zwischen Gold und Silber zu einer eventuellen Umprägung der Silbermünzen zu ge⸗ langen. Ich glaube aber, auch die eifrigsten Vertreter des Bimetallis⸗ mus werden zugeben, daß das noch ein sehr weiter Weg ist (sehr richtig! links), und daß man dem gegenüber dem Verkehr nicht sagen kann: nein, wir wollen keine neuen Silbermünzen ausprägen, ihr müßt erst warten, was aus der Frage wird.
Meine Herren, ein sehr scharfer Einwand gegen die gegenwärtige Mahßregel der Reichsregierung ist ja auch daraus hergeleitet, daß jetzt die Silbermünzen 60 9ιä( unterwerthig seien, und daß es doch eigentlich so eine Art offizieller Falschmünzerei wäre, wenn man solche um 60 0 oder nach dem heutigen Preise um 55 oso unterwerthige Münze in den Verkehr hineinwirft. Ich möchte doch dem gegenüber bemerken, daß die Thaler und die Reichs⸗Scheidemünzen von der bedauerlichen Entwerthung des Silbers in gleichem Maße betroffen sind, und daß es, wenn man sich auf den moralischen Standpunkt stellt, doch eigentlich moralischer ist, Reichs-Silbermünzen auszugeben, die in der That in ihrem Metallwerth dem Nennwerth nicht mehr entsprechen, die aber über 20 M hinaus von niemand in Zahlung genommen zu werden brauchen und die jederzeit gegen Gold an den Bankanstalten des Reichs eingelöst werden können (sehr richtig!), wie Thaler auszugeben, die allerdings um 100¶ vollwerthiger sind gegenüber den Scheidemünzen, die aber in jedem Betrag voll als Zahlung angenommen werden müssen und von den Bankkassen nicht gegen Gold eingelöst zu werden brauchen. (Sehr richtig Wenn von den Vertretern des Bimetallismus darauf hingewiesen wird, welch' traurige Konsequenzen eintreten könnten, wenn einmal große Katastrophen dahin führten, daß man dem Nennwerth nicht mehr traut und die Silbermünzen nur nach dem Silberwerth bewerthet, so bemerke ich, daß, wenn erst einmal solche Katastrophen eintreten, sehr viel Anderes noch entwerthet werden wird — das trifft ja das gesammte Papiergeld —, und daß dann jedenfalls noch immer mehr Garantie für diejenigen vorhanden
ist, die Reichs⸗Silbermünzen haben, die sie eventuell doch gegen Gold einlösen können, ganz oder theilweise, als für diejenigen, die lediglich Thaler haben, für die keinerlei Einlösungspflicht besteht. Aber ich glaube: das sind künstlich schwarz gemalte Zukunftsbilder, mit denen eine praktische Währungspolitik, die dem gegenwärtigen Verkehrsbedarf an Münzen genügen soll, unmöglich rechnen kann. Es ist ja eine Thatsache, daß das Silber bei der gegenwärtigen Entwerthung nur den Charakter einer Art von Kreditgeld hat, einer Art Fiduziargeldes oder metallischer Assignate. Es mag bedauerlich sein, meine Herren, daß durch unvorhergesehene Ereignisse auf dem Gebiet des Münz⸗ wesens Nennwerth und Metallwerth der Silbermünzen so wesentlich auseinanderfallen; wir theilen aber diesen Uebelstand mit allen Handels- und Kulturnationen, und ich glaube: bei uns,
wo jeder Zeit die Scheidemünze gegen Gold eingetauscht
werden kann, und wo, wie ich nachher nachweisen werde, wir auch
potent genug dazu sind, ist dieser Uebelstand im internen Verkehr
zunächst ein mehr platonischer. Meine Herren, was sollen wir denn dagegen machen? Sollen wir jetzt etwa, wenn der Verkehr einen größern Bedarf von Silbermünzen braucht, Silbermünzen voll. werthig oder auf Grund irgend einer andern Relation ausprägen? Bei dem jetzigen Silberwerth Silbermünzen vollwerthig nach dem Goldwerthe auszuprägen, halte ich für unmöglich, die würde der Verkehr garnicht brauchen können; und sie nach irgend einer andern Relation auszuprägen, unser Münzgesetz zu ändern, ist zur Zeit ebenso unmöglich, so lange der Silberwerth fortgesetzt schwankt. Voraug— setzung für eine anderweitige Ausprägung von Silbermünzen wäre doch zunächst die Stabilisierung des Silberwerthes, und diese Stabilisierung — damit wird Herr von Kardorff einverstanden sein — ließe sich nur erreichen durch internationale Vereinbarungen.;
Es ist ferner ausgeführt worden: Als man das Reichs⸗Münzgesetz von 1873 erließ, hätte ja bei der Bestimmung, wonach vorläufig der Vorrath an Silbermünzen auf 10 Se pro Kopf bemessen wird, kein Mensch daran gedacht, daß auch noch die Thaler im Verkehr bleiben würden. Meine Herren, das gerade Gegentheil ist das Zutreffende. Ich gestatte mir, auf die Motive zum Reichs⸗Münzgesetz hinzuweisen. In denen heißt es:
Es ist fraglich, ob diese Grenze d. h. bis auf weiteres 10 S6 pro Kopf der Bevölkerung, nicht eher eine zu enge ist; indessen wird es erst Zeit sein, die ser Frage näher zu treten, wenn die Einziehung der Landessilbermünzen ihrem Abschluß entgegengeht.
Daraus geht also unzweifelhaft hervor, daß man bei Bemessung des Bedarfs von 10 Æ pro Kopf ausdrücklich die noch im Umlauf befindlichen Landessilbermünzen für den Verkehr in Rechnung gezogen hat und eine Erhöhung des Betrags von 10 M pro Kopf für den Zeitpunkt in Aussicht genommen hat, in dem die Landessilbermünzen zur Einziehung gelangen. Ich bemerke, daß auch der damalige Herr Minister Delbrück in der Reichstagssitzung vom 24. April 1873 aus— drücklich hervorgehoben hat, daß es sich bei der Beschränkung auf 10 ½ι im Umlauf befindlicher Silbermünzen lediglich um einen Ver— such handele.
Meine Herren, ich bemerke auch, daß in England, auf das in der bimetallistischen Presse und ich glaube heute auch vom Herrn Abg. Kardorff exemplifiziert ist, ganz abgesehen von dem auch für kleine Zahlungen entwickelten Checkverkehr, schon im Jahre 1875 der Um— lauf an Silbermünzen pro Kopf 2 M mehr betrug als bei uns, und daß die Exemplifizierung auf französische Verhältnisse und namentlich auf den Bankbestand der französischen Banken deshalb nicht zutrifft, weil Frankreich ja bekanntlich einen mindestens dreifach größeren Umlauf an Silbermünzen hat wie Deutschland. Es ist nun ferner auf die große Gefahr hingewiesen worden, die zur Zeit mit der Ausprägung von Silbermünzen dadurch ver— bunden wäre, daß man eventuell echte nachprägen könnte. Die Er— fahrung, die man in der Münzverwaltung gemacht hat, führt dahin, daß die Gefahr der betrügerischen Nachahmung von Papiergeld un— endlich viel größer ist wie diejenige der betrügerischen Nachahmung von Metallgeld; beim Papiergeld schon deshalb, weil die Unkosten der Herstellung viel geringer sind. Außerdem liegt die Schwierigkeit der Nachprägung nicht im Metall, sondern in der technischen Schwierig keit, tadellose Stempel herzustellen. Wer nachprägt, ob echt oder unecht, unterliegt dem gleichen Strafgesetz, und ist seine Thätig⸗ keit ebenso verwerflich, wenn er Münzen prägt, bei denen er sich einen Vortheil von 60 0½ zueignet, als wenn er völlig falsch prägt. Wer also diesen verbrecherischen Weg beschreitet, dem wird es nach den bisherigen Erfahrungen garnicht einfallen, echte nachzuprägen, sondern er prägt eben in Legierungen nach. Für nicht zutreffend erachte ich es, daß durch eine Neuausprägung von Silbermünzen die Gefahr der Nachprägung erhöht wird. Im Gegen— theil, meine Herren, Nachprägungen finden desto leichter einen Markt im Verkehr, wenn ein Bedarf nach bestimmten Münzen vorhanden ist; wenn dagegen dieser Bedarf in legitimem Wege gedeckt wird, so ist es natürlich viel schwerer, Nachprägungen unterzubringen. Außer⸗ dem möchte ich doch darauf hinweisen, daß die Thaler, die wir aus— geben sollen, der Gefahr der echten Nachprägung ganz ebenso aus— gesetzt sind wie die Reichs-Silbermünzen, die wir neu prägen wollen.
Meine Herren, der Herr Abg. von Kardorff ist dann noch mit einigen Worten auf die Zehnmarkstücke gekommen. Er hat gesagt, nach Zehnmarkstücken — und ich möchte das doch berichtigen — wäre für Lohnzahlungen kein Bedarf. Ich muß dem gegenüber bemerken, daß auch für die Zehnmarkstücke in den Industriebezirken ein un— zweifelhafter Bedarf bei Lohnzahlungen vorhanden ist; erst vor kurzem hat die Handelskammer zu Essen darauf hingewiesen. Es hat auch ferner — der Herr Reichs⸗Bankdirektor wird vielleicht die Güte haben das noch näher auseinander zu setzen — Herr von Kardorff eine Zahl angegeben in Bezug auf unseren Bestand an Gold. Gott sei Dank, ist diese Zahl unrichtig. (Heiterkeit.) Ich glaube, Herr von Kardorff hat nur den Bestand an Goldbarren gemeint, hat aber ganz den Bestand an ge— münztem Gold vergessen. (Heiterkeit Ich glaube, Herr von Kar— dorff, die Wünsche, die Sie ausgesprochen haben bezüglich des Bank— ausweises, werden sehr bald einer Verwirklichung entgegengehen. Ich habe bereits bei anderer Gelegenheit bemerkt, es schweben Verhand— lungen, dahin gehend, den Bestand an Silber und Gold getrennt zu publizieren. (Bravo) Das wird sich aber, meine Herren, nicht in Wochenausweisen, sondern bei Gelegenheit der Enquétekommission, wo die Zahlen zunächst vertraulich mitgetheilt werden sollen, und dann vielleicht bei dem jedesmaligen Jahresbericht der Banken am besten ausführen lassen; ich glaube, daß in allernächster Zeit die Verhand⸗ lungen zum Abschluß gelangen werden.
Meine Herren, Herr von Kardorff ist dann weiter eingegangen auf die Zusammensetzung der Währungskommission und hat wieder— holt die Zusammensetzung als eine der bimetallistischen Richtung un— günstige charakterisiert. Ich möchte demgegenüber doch einige Worte entgegnen. Die Enquete ist zunächst aus der eigenen Entschließung der Reichsregierung hervorgegangen, sie ist nicht ein taktisches Hilfs— manöver für irgend welche andere Zwecke, sondern sie ist aus dem Wunsch hervorgegangen, diese technisch, wissenschaftlich und wirthschaft⸗ lich wichtige Frage der Entwerthung des Silbers eingehend und ernst— lich zu prüfen. Ich glaube, meine Herren, schon dieser modus proce— dendi der Reichsregierung sollte dieselbe vor dem Verdacht und vor
Angriffen schützen, daß sie absichtlich, um bestimmte Resultate durch die Enqu6te zu erreichen, eine ungerechte Zusammensetzung der Enquste herbeigeführt hätte, und wenn man unter jenen Männern, die die
Enqu6tekommission bilden, Gold und Silber scheidet, so könnte doch die Behauptung, daß ein Theil der dem Silber zugerechneten Personen nicht wirklich auf dem Standpunkt des Bimetallis mus steht, nur auf zwei Personen Anwendung finden, aber gerade diese beiden Personen haben in der Enquéte sehr weit gehende Vorschläge zur Hebung des Silberwerths gemacht, und das ist doch der Zweck der Enquéte, die Berathung von Maßregeln zur Hebung des Silbers. Ich glaube also, auch diese beiden Personen segeln vollständig in dem Kielwasser, welches für die bimetallistischen Bestrebungen ebenso wie für die Bestrebungen zur Hebung des Silbers, welch' letztere ja von der Reichsregierung als berechtigt anerkannt werden, günstig ist. Es sind in der Interpellation drei Fragen enthalten: zunächst, ob die Reichsregierung bei der Neu⸗ prägung von 22 Millionen Scheidemünzen eine Aenderung des Münz—⸗ gesetzes anstrebt. Meine Herren, ich kann diese Frage dahin gehend beantworten: Die Reichsregierung beabsichtigt keine Abänderung des Münzgesetzes. Falls das Münzgesetz abgeändert werden sollte bezüglich der Relation zwischen Gold und Silber, könnte das nur auf Grund einer internationalen Vereinbarung geschehen. Auf Grund eines nicht stabilen Silberpreises kann man un⸗— möglich eine Abänderung des Münzgesetzes vornehmen. Es ist ferner gefragt worden, wie sich diese Neuprägung verhält gegenüber den gegenwärtigen, von der Enquétekommission zu erwartenden Ergeb⸗ nissen, die ia möglicherweise zu einer sofortigen Neuprägung der Scheidemünzen führen würden. Meine Herren, auch darüber sind sich die Mitglieder der Enquete vollständig klar, daß der Gedanke der Neuprägung von Silbermünzen nur dann zur praktischen Ausführung gelangen könnte, wenn wir zu festen, weitgehenden internationalen Vereinbarungen gelangten. Daß aber, wenn solche internationalen Vereinbarungen wirklich erfolgen sollten, die zu einer Um⸗ prägung unserer gesammten Silberscheidemünzen führen würden, die Kosten der Neuprägung von 22 Millionen, um dem momentanen Verkehrsbedürfniß zu genügen, gar keine Rolle spielen können, das, meine Herren, glaube ich, brauche ich nicht weiter aus- zuführen. Es ist dann endlich gefragt worden, aus welchen Beständen diese Neuprägungen stattfinden würden. Ich glaube, man würde der Reichsregierung mit Recht einen Vorwurf machen können, daß sie minderwerthiges Geld herstelle, wenn sie diese Neuprägung durch An—⸗ kauf von Silber zu dem gegenwärtig niedrigen Silberpreise vornehmen wollte. Aber die Frage beantwortet sich meines Erachtens schon aus Art. 4 des Münzgesetzes, wonach bei Neuprägungen von Reichs⸗ Silbermünzen ein entsprechender Betrag des kouranten Silbers eingezogen werden muß; selbstverständlich wird dieser Betrag zu den Neuprägungen verwendet werden, und zwar sollen hierzu österreichische Vereinsthaler benutzt werden. Wir haben in dem Abkommen mit Oesterreich uns ausdrücklich verpflichtet, die österreichischen Vereinsthaler außer Kurs zu setzen, wenngleich kein bestimmter Zeitpunkt dafür angesetzt ist. In den Motiven zu dem Gesetz, betreffend die österreichischen Vereins⸗ thaler, heißt es ganz ausdrücklich:
Im Zusammenhang mit einer Neuordnung der Währung würde voraussichtlich auch die Außerkurssetzung der bezeichneten Stücke erfolgen. Eine Münze fremden Gepräges, welche innerhalb ihres Heimathlandes keine Gültigkeit mehr besitzt, nichts desto weniger in Deutschland als gesetzliches Zahlungsmittel beizubehalten, könnte münzpolitisch nicht wohl für angängig erachtet werden.
Meine Herren, das Gesetz vom 28. Februar 1893 ist ohne jede Aenderung vom Reichstag angenommen worden, und ich glaube, man kann hieraus mit Recht schließen, daß der Reichstag auch diese Mo⸗ tive genehmigt hat, und es deshalb im Sinne der damaligen Ent⸗ schliehung des Reichstags ist, wenn jetzt die österreichischen Thaler zur Neuherstellung von Reichs⸗Scheidemünzen verwendet werden. In dieser Richtung haben sich auch ausdrücklich die Wünsche von Ver⸗ tretern der bimetallistischen Partei bewegt. Der Herr Abg. von Frege hat am 29. Januar 1893 bei Berathung dieses Gesetzes selbst gesagt:
Ich würde sehr empfehlen, unabwendbare Verluste, welche bei dieser Maßregel doch eintreten müssen, dadurch zu vermindern, daß eine stärkere Ausprägung von silbernen Fünfmarkstücken, von welchen meines Wissens erst ein kleiner Theil ausgeprägt ist, während der Reichstag
— es soll heißen: Bundesrath — uns ermächtigt hat, bis zu 20 Millionen Fünfmarkstücke auszuprägen, erfolgte.
Meine Herren, die damals von Herrn von Frege bezeichneten 20 Millionen Mark, darunter 7 Millionen Mark Fünfmarkstücke, sind bereits geprägt. Trotzdem besteht noch ein Bedürfniß nach weiteren Ausprägungen.
Ich möchte mir zum Schluß noch eine Erklärung gestatten, die vielleicht besänftigend auf die Herren von der bimetallistischen Partei wirkt. Meine Herren, die Reichsregierung denkt garnicht daran, jetzt auf einmal 22 Millionen auszuprägen; sie wird lediglich, dem Verkehrs⸗ bedürfniß entsprechend, um die Bankanstalten im Reich mit einem entsprechenden Vorrath an Silbermünzen zu versehen, vielleicht den vierten oder fünften Theil dieser Summe ausprägen, sie will vom Bundesrath nur eine Fakultät haben und wird von dieser Fakultät bloß Gebrauch machen entsprechend dem pra ktischen Verkehrsbedürfniß
Auf Antrag des Abg. Dr. Barth (frs. Vg) tritt das Haus in eine Besprechung der Interpellation ein.
Abg. Müller ⸗Fulda (Zentr.) kann die formale Berechtigung der Reichsregierung zu der in Rede stehenden Maßregel nicht be—⸗ streiten, hat auch sachlich gegen die vermehrte Ausprägung von größe⸗ ren Reichs ⸗Silberscheidemünzen nichts einzuwenden. Sollte die Inter vellation vielleicht den Zweck gehabt haben, die Währungsfrage als solche . ö habe das Zentrum nicht die Meinung, daß eine Diskussion darüber im gegebenen Augenblick angezeigt ist und werde sich an einer solchen nicht betheiligen.
Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Präsident des Reichsbank-Direktoriums, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Koch:
Meine Herren! Der Herr Staatssekretär des Reichs- Schatzamts hat die Verwaltungsmaßregel, um die es allein sich hier handelt, bereits erschöpfend vertheidigt, und namentlich auch die Legende zer streut, als ob hier irgend ein Hintergedanke oder Manöver zur Be— seitigung der Thaler zu Grunde läge, wie man sich in der Preffe ausgedrückt hat.
Ich habe mir nur deswegen das Wort erbeten, weil die Verhůltniffe der Reichsbank nicht bloß in den Motiven, sondern namentlich auch in dem Vortrage des Herrn Abg. von Kardorff mehr— sach berührt sind. Die Reichsbank ist ja die Hauptbeobachtungsstation bezüglich des Ümlaufs von Münzen jeder Art, das Barometer, an dem sich Mangel und Ueberfluß sofort zeigt. Es ist das im Jahre 1880 auch schon im Reichstage hervorgehöben worden,
als eine sehr viel, schwerer wiegende Maßregel zur Be— rathung stand, nämlich die Vermehrung der Scheidemünzen von 10 1M pro Kopf auf 12 6 Die Parteien waren dabei nicht be⸗ sonders entgegenkommend. Die beiden Parteien, auch die k von der strikten Goldwährung, namentlich der Herr Abg. Bamberger, äußerten sich ziemlich skeptisch. Bekanntlich ist jener Entwurf nicht zur. Verabschiedung gelangt wegen des frühzeitigen Schlusses der Reichstagssession. In der damaligen Debatte wurde nicht ohne Grund vermißt, daß nicht auf die Erfahrungen der Reichsbank in den Motiven Bezug genommen worden war. Es wurde auch die Anwesenheit meines verehrten Herrn Amttsvorgängers vermißt. Ich bin nun in der Lage, aus den Ver— hältnissen der Reichsbank das Verkehrsbedürfniß einer Vermehrung der Scheidemünzen noch weiter nachzuweisen, als dies bereits vom Herrn Reichs⸗Schatzsekretär geschehen ist. Vorangehend darf ich mir ein Wort über die Organisation der Reichsbank erlauben, die vorher gestreist wurde. Die Reichsbank besitzt, abgesehen von der Hauptbank, 230 Anstalten mit Kasseneinrichtungen; davon sind 17. Hauptstellen und 47 Reichsbankstellen, zusammen 64 sogenannte selbständige, d. h. unmittelbar vom Reichsbank⸗Direktorium abhängige Reichsbant⸗Anstalten. Unter diesen stehen noch eine Anzahl bon e n gi her fen mit Kassenverkehr, und zwar 166. Also ein großes Netz, mit dem wir das ganze weite wirthschaftliche Gebiet von Deutschland überzogen haben. Unser Gesammtvorrath an Reichs Silberscheidemünze beträgt nun gegenwärtig ungefähr 90 Millionen Mark. Das ist kein großer ö für 230 Kassenstellen. Es kommen dabei auf. die einzelne Anstalt etwa 400 0600 „, eine Ziffer, die vorhin schon genannt worden ist. Von den gröberen Sorten ist aber gerade verhältnißmäßig wenig vorhanden, nämlich etwa 89 Millionen in Fünfmarkstücken, 18 Millionen zu 2 S und 32 Millionen zu 1 S6, zusammen 59 Millionen. Wenn man diesen Betrag auf alle Zweiganstalten vertheilt, so kommt durchschnittlich auf jede natürlich ein sehr viel kleinerer Betrag, nämlich 256 000 6,
Ich will, garnicht in Abrede stellen, daß der Durchschnitts« betrag der Silberscheidemünzen im Laufe der Jahre sich etwas ver⸗ mehrt hat; er hat aber nicht gleichen Schritt gehalten mit der Aus— prägung. Die Ausprägungen sind von 1877 bis 1893 von 420 Mil⸗ lionen auf 472 Millionen gestiegen, also um 50 Millionen Mark. Unsere Bestände aber haben sich in der gleichen Zeit nur von durch— schnittlich 73 Millionen auf 95 Millionen, alss um 22 Millionen vermehrt. Dabei sind die Bestände in den einzelnen größeren Sorten zuweilen sehr niedrig gewesen, z. B. am 15. Oktober 1890
an Fünfmarkstücken nur 1 012000 6
an Zweimarkstücken 11 208 000 0
an Einmarkstücken 20 980 000 6, für die ganze Reichsbank.
Was der Herr Reichs⸗Schatzsekretär bereits bezüglich einzelner Industrieorte bemerkt hat, kann ich noch weiter vervollständigen. Die Reichsbankstelle in Chemnitz, welche sieben Unteranstalten hat, besaß am 7. Januar 1891 überhaupt keine Zweimarkstücke, am 31. Juli und am 15. November 1893 keine Fünfmarkstücke, am 31. Dezember 1892 nur 7000 ½é an Fünfmarkstuͤcken, 182 000 SM an Zweimark⸗ stücken, am 7. Januar 1393 nur 4000 K an Fünfmarkstücken u. s. w. Die Reichsbank⸗Hauptstelle in Dortmund, mit fünf Nebenstellen, besaß am 7. Oktober 1892 nur 35 000 υν, am 15. März 1893 nur 7000 6 an Fünfmarkstücken. Von den zahlreichen ähnlichen Orten möchte ich wenigstens noch die Hauptstelle in Mannheim erwähnen, welche neun Nebenstellen besitzt. Mannheim hatte am 31. Oktober 1890 überhaupt keine Fünfmarkstücke, am 7. Juni 1891 6000 SH, am 23. November 1893 S000 S. von dieser Münze. Man darf dem gegenüber nicht einwenden, daß das auf fehlerhafter Anordnung . Ich kann Sie versichern, meine Herren, daß die gesetzliche Verpflichtung der Reichsbank, den Geldumlauf im Reiche zu regeln, von der Reichsbankverwaltung mit großer Gewissenhaftigkeit erfüllt wird und mit großen Geldopsern.
Es ist schon 1873 bei den Debatten über das Münzgesetz vom Abg. Mosle darauf hingewiesen worden, daß man eigent⸗ lich der Reichsbank zur Erfüllung jener Aufgabe Portofreiheit bewilligen müßte, was bekanntlich nicht geschehen ist. Indessen das Porto wird wirklich nicht gescheut. Es werden fort und fort die größten Geldmassen hin⸗ und herbewegt, um der Nachfrage nach bestimmten Sorten zu begegnen. In den letzten 5 Jahren, von 1888 bis 1893, sind zwischen den selbständigen Anstalten 95 Millionen Silberscheidemünzen versandt worden. Daneben hat eine sich der genauen Schätzung entziehende, aber mindestens ebenso große Bewegung stattgefunden zwischen den 166 mit Kasseneinrichtung ver sehenen Nebenstellen und den ihnen vorgeordneten Anstalten. Ich glaube also nicht zu irren, wenn ich annehme, daß etwa 200 Millionen Mark Silberscheidemünzen in jenen fünf Jahren verschickt sind, also durchschnittlich in einem Jahre etwa vierzig Millionen, das ist beinahe die Hälfte des jetzigen Gesammtvorraths der Reichsbank an solchen Münzen. Nun ist ja von dem Herrn Abg. von Kardorff vorher ein⸗ . worden: die Reichsbank habe aber große Thaler—⸗ estände aufgestapelt; weshalb verwendet sie die nicht? Eine treffende Antwort hat schon der Herr Schatzsekretär gegeben, der Verkehr lehnt diese Münzen ab. Ich kann bestätigen, daß in den Jahren 1879ñ80 und noch 1885 von der Reichsbankverwaltung aus⸗ drückliche, noch heute geltende Anweisungen an die Reichsbankstellen ergangen sind, sie sollten die Thaler vorzugsweise zu den Zahlungen verwenden, soweit nicht ausdrücklich Markmünzen verlangt werden. Wir haben uns fortwährend Mühe gegeben, das zu erreichen; es ist uns das aber nicht gelungen, die . sind sehr häufig schnell in denselben Beuteln zurückgekehrt, in denen sie ausgegeben waren. Nichts destoweniger haben wir große Massen davon versandt. Wir haben in den fünf Jahren, auf die ich vorhin exemplifizierte, also von 1889 bis 1893, obgleich von den Bankanstalten nur etwa 51 Millionen verlangt worden waren, mehr als 82 Millionen Mark an Thalern versandt, und dazu kamen noch die Versendungen zwischen den Nebenstellen und den ihnen vorgesetzten Anstalten. Wir sind also über das Verlangen der Bankanstalten hinausgegangen, um die Thaler in Verkehr zu bringen, weil es allerdings wünschenswerth ist, daß die Thaler sich nicht in großen Massen aufstapeln; aber man nimmt sie nicht in dem wünschenswerthen Maße, hauptsächlich weil sie nicht in das Dezimalsystem passen. Die Reichsbankverwaltung begünstigt auch nicht etwa die Anwendung oder vermehrte Ausprägung goldener Zehnmarkstücke, eines Münzstücks, was früher der Herr Abg. von Kardorff ganz besonders gelobt hat — er scheint sich dessen nicht mehr zu erinnern. — Ich darf wohl einen Passus aus seiner Reichs⸗ tagsrede vom 6. März 1885 mittheilen. Herr von Kardorff be⸗ kämpfte die s. Z. von manchen vertretene Idee der Einziehung aller Goldmünzen unter 20 , also der Zehnmarkstücke, und fährt fort:
Lieber noch die reine Goldwährung, als einen solchen Ver⸗
1 — —
Ich möchte das goldene Zehnmarkstück, das wir im Verkehr haben, das unsere bequemste Münze ist, um keinen Preis aus unserem Verkehr missen“
(Heiterkeit). Daß der Wechsel in der Leitung der Reichsbank zu einer vermehrten Ausprägung von Kronen beigetragen habe, ist durchaus unrichtig. Nachdem bereits im Jahre 1888 auf persönliche Anregung des damaligen Herrn Reichskanzlers ein größeres Quantum an Zehn⸗ markstücken ausgeprägt worden, war, hat im Jahre 1887 auch mein Amtsvorgänger sich mit der Ausprägung eines Quantums von 20 Millionen Mark einverstanden erklärt. Im Jahre 1889 und anfangs 1890 war das Ver⸗ langen nach vermehrter Ausprägung dieser Münzen seitens zahlreicher Handelskammern und, Firmen so dringend geworden, daß der damalige Herr Schatzsekretär die Ausprägung von noch 30. Millionen, Mark in Kronen beschloß, und dieser Maßregel hat das Reichsbank-Direktorium allerdings zugestimmt, weil sie sich nicht vermeiden ließ. Einer Bundezregierung hatte das danach ausgeprägte Quantum nicht genügt. Sie wünschte anfangs 1892 eine weitere Ausprägung, gegen die 6 aber das Reichsbank⸗Direktorium im Einverständniß mit dem Reichs⸗ Schatzamt erklärte, und die auch unterblieben ist. Erst gegen Ende 1892, als der Gesammtbestand der Reichsbank an Kronen auf 335 Millionen Mark herabgesunken war, und sich überall das stürmische
Verlangen danach geltend machte, entschloß das Reichsbank⸗ Direktorium sich, eine weitere Ausprägung bei dem Reichs—⸗ Schatzamt anzuregen, welche auch im Betrage von 30 Mil⸗ lionen Mark im Jahre 1893 erfolgt ist. Aber schon jetzt ist ein großer Theil wieder verbraucht, der Gesammtvorrath der Reichs bank ist auf etwa 17 Millionen Mark herabgesunken. Deshalb ist erst kürzlich, im Dezember 1893, eine allgemelne Anweisung an die Reichsbankanstalten erlassen, worin diese gewarnt werden, dem Ver⸗ langen nach Zehnmarkstücken allzuleicht nachzugeben, und aufgefordert werden, in der Ausgabe Maß zu halten, darauf zu achten, ob die Kassierer der industriellen Werke etwa aus bloßer Bequemlichkeit die Zehn markstücke vorziehen. Die Bankanstalten sollen sich vielmehr be⸗ mühen, lieber Thaler in den Verkehr zu bringen, nöthigenfalls Reichs« kassenscheine zu Zahlungen verwenden. Ich glaube, damit viele von den Bemerkungen des Herrn von Kardorff widerlegt zu haben. ch kehre nun zu der Versendung der Scheidemünzen zurück. Die
Anerdnung dieser Transporte ist bei der Reichsbank wirklich kein Leichtes, sondern stets Gegenstand des sorgfältigsten Studiums. Das damit beauftragte Mitglied des Direktoriums beschäftigt sich mit diesen Fragen dauernd sehr angelegentlich. Freilich besteht eine gewisse Regel- mäßigkeit in der Bewegung: im ersten Theil des Jahres pflegen die Scheidemünzen aus dem Verkehr zurückzuströmen, während nachher, besonders im Herbst, sich stets großer Bedarf zeigt. Bei gewissen Anstalten, namentlich der Industriegebiete herrscht in der Regel Mangel, bei anderen Ueberfluß. Aber im einzelnen sind die Verhältnisse, und besonders das Maß des Bedarfs sehr . das richtet sich nach der Be⸗ wegung der Bevölkerung, dem Gang der Industrie, den Manövern im Herbst, der Zuckerkampagne u. dergl. Wenn wir in die großen Industriezentren der Rheinlande, Westfalens, Oberschlesiens, Sachsens Scheidemünzen schicken, so gelingt es oft, sie von der Peripherie aus zu versorgen. So ergänzen sich Essen, Elberfeld, Dortmund, Siegen, Duisburg aus Münster, Osnabrück, Düsseldorf. Köln, Koblenz; — ferner Saarbrücken aus Koblenz und Metz; Frankfurt a. M. aus Cassel und Mainz; Mannheim aus Mainz, Straßhurg, Karlsruhe; Chemnitz aus Halle und Görlitz; Gleiwitz aus Breslau, Posen, Frankfurt a. O. Aber das läßt sich nicht immer aus— führen, die Reservoirs reichen nicht immer aus und dann sind Massentransporte aus weiterer Ferne unvermeidlich, so von Bremen, Hannover, Hamburg nach Rheinland und Westfalen, von Kiel, Stettin nach Chemnitz, von Münster nach dem Rhein; im vorigen Jahre ist sogar einmal ein größeres Quantum Scheidemünze von Breslau nach Westfalen gegangen. Trotz dieser immer wohlerwogenen und kostspieligen Veranstaltungen ist es doch nicht stets gelungen, den Bedarf vollständig zu befriedigen; die Zahlen sind in den Motiven der Bundesrathsvorlage genannt. In den Jahren 1889 bis 1893 waren von den einzelnen Bankanstalten verlangt 89 494 000 , und wir konnten davon nicht bewilligen 8 112009 „, also 9, 1 0o. Hierunter befanden sich 7 704 000 6 A 5 A
. Diesen Zahlen gegenüber, glaube ich, kann man nicht die Behauptung aufstellen; die Bank sitzt auf, einem Ueber⸗ fluß der Scheidemünze, sie stapelt sie auf; im Gegentheil, sie hat Mangel. Also den Antrag der Regierung beim Bundesrath, Scheidemũnze zu prägen, kann ich nur aus bester Ueberzeugung unter— stützen. Ich hoffe. Sie werden nicht annehmen, daß ich hier Zahlen anführe, die auf Täuschung des Volks berechnet sind, wie das kürzlich in einem Zeitungsartikel eines bekannten bimetallistischen Führers, der mit gehässigen persönlichen Angriffen, sogar mit Drohungen gegen mich gewürzt war, ausgeführt ist. Die angeführten Zahlen kann ich aus den Büchern der Reichsbank nachweisen. Zur Begründung des Antrags kommen noch zahlreiche Eingaben von Handels⸗ kammern in Betracht, welche, an die Bankverwaltung ge— richtet, an das Reichs-Schatzamt weitergegeben sind. Endlich spricht dafür die Erfahrung an den Einlösungsstellen für Scheide münzen. Wir haben außer Berlin solche Stellen noch in Königsberg, München und Frankfurt a. M. Da ist der Umwechselverkehr ein sehr geringer, beträgt im ganzen Jahre gewöhnlich nur wenige Millionen: zwei bis fünf.
Man sieht also: der Verkehr weist die Scheidemünzen nicht zurück, sondern hält sie zurück. Ein weiteres, allgemeines Bedenken gegen die Vermehrung der Scheidemünzen war: es liege darin eine Verschlechterung der Deckung der Reichsbanknoten. Allerdings ist es ja nicht wünschens— werth, wenn zu viel Silber als Deckung dient, aber doch nur dann, wenn man nicht auch ausreichend Gold hat. In dieser Hinsicht hat 66 von Kardorff eine unrichtige Ziffer angeführt, wie schon
emerkt ist. Die Ziffer aus dem Jahresbericht der Reichsbank bezieht sich nur auf Gold in Barren und ausländischen Münzen, welche Ende 1893 338 Millionen Mark betrugen. Das Verhältniß der Golddeckung zur Silberdeckung hat sich seit Jahren durchaus günstig bei der Reichsbank gestaltet. Während es im ersten Jahr 6 Erlaß des Bankgesetzes noch ungünstig blieb, und man deshalb guten Grund hatte, mit Mittheilungen Über unseren Gold bestand über die gesetzliche Verpflichtung hinaus zurückzuhalten, ist seit 1886 die Golddeckung im Wachsen und geht jetzt weit über das gesetzliche Drittel hinaus. Sie betrug im Jahre 1886 479½0, stieg 1887 auf 5d. 1888 auf 66,19, ging 1889 zurück auf 59,19, weiter 18960 auf 52,576, stieg dann wieder 1891 auf 60,70, 1892 auf 62,55 und hat im letzten Jahre, was auf stärkere Inanspruchnahme der Bank hinweist, betragen 53,46 o/o des Notenumlaufs, also weit über die Hälfte, während wir nach dem Bankgesetz an Metall, als kursfähiges Metall u. s. w., nur ein Drittel Metall gegen den Notenumlauf zu halten brauchen. Diese Zustände sind wirklich nicht so schlimm, wie es Herr von Kardorff geschildert hat. Sie erregen keine Besorgnisse gegen eine Vermehrung der Scheidemünzen um höchstens 22 Hi ionen Mark.
Endlich noch ein Wort über die französischen Verhältnisse, die ja von dem Herrn Abgeordneten hier auch hereingezogen worden sind. Frankreich hat ebenfalls einen großen Umlauf von Scheidemünzen, der amtlich erst vor kurzem auf 5090 Millionen geschätzt ist. Herr von Kardorff sagte: es hat gar keine Scheidemünzen. (Hört! hört) Es sind in Frankreich Silberscheidemünzen von 2 Franken, 1 Franken bis 50 Centimes ausgeprägt; dazu kommen noch italienische, belgische,
. Silberscheidemünzen, mit einem Wort, eirea 300 Millionen ranes, bon denen sich auch ein großer Theil, etwa 62 Millionen, bei der Bank von Frankreich befindet. Die Bank von e,. wie
die von England läßt sich übrigens mit der Reichsbank garnicht ver⸗ gleichen, weil sie nicht die fe ch! Verpflichtung hat, den Geld⸗ umlauf zu regeln. Beide haben auch nicht so viele Zweiganstalten wie wir; die Bank von England nur 12, die von Frankreich nur 94 Succursalen und 38 sogenannte Bureaux auxiliaires, zusammen 133 gegen unsere 230. e
Meine Herren, ich habe genug gesprochen. (Bravo!)
Abg. Dr. Barth (fr. Vg.) Die Interpellation hat offenbar die Bedeutung einer währungspolitischen Demonstration. Wäre Deutschland 1873 nicht zur Goldwährung übergegangen, so hätte es einen günstigen Moment verpaßt und wir würden jetzt in den Schwierig⸗ keiten stecken, wie sie Frankreich bedrohen. Schon 1873 hat man im Reichstage die Möglichkeit eines starken Sinkens der Silberpreise in Betracht gezogen und mit den möglichen, ja wahrscheinlichen Verlusten gerechnet, welche . aus der Durchführung der Goldwährung ergeben könnten. Das haben damals schon Dr. von Mohl und Bamberger hervorgehoben. Was der Abg. von Kardorff in dieser Beziehung vorbringt, ist also lediglich eine Legende. Daß wir die Reichs⸗Silbermünzen nicht vermehren sollen, weil die vorhandenen unterwerthig sind, ist doch geradezu ein Ereeß münzpolitischer e f nn fig Aus diesem Grunde müßten doch die ganzen Silberscheidemünzen sammt den Thalern ganz aus dem Verkehr gezogen werden. Während sich die deutschen Bimetallisten empören über eine so harmlose Mehrausprägung, haben es die nord- amerikanischen Bimetallisten gerade durchgesetzt, daß das Zehnfache an unterwerthigem Silber ausgeprägt werden sollte, was allerdings jetzt durch das Veto des ö Cleveland verhindert ist. Bi⸗ metallisten sind das doch auch! In dem Antrage der Abgg. Grafen Kanitz und Mirbach wird mit der Unterstützung auch des Abg. von Kardorff eine unterwerthige Ausprägung von 3800 Millionen Mark verlangt. (Abg. von Kardorff: Aber nur unter der Voraussetzung