1894 / 89 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 16 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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Ihnen der Abg. Graf Kanitz in den 2sterferien aus seinen alten apieren herausgesucht. Jetzt hat der Abg. von Ploetz wieder einen 8 enstand, auf den er reisen kann, da es mit dem Bimetallismus nicht mehr ging und die Färbung der Margarine auch nicht aus⸗ reichend war. Wie können Herren auf den Formalismus der Inne⸗ haltung der Verträge noch Werth legen, die sich mit solchen Plänen tragen? Die Herren wollen ja auch einen Wollzoll beantragen. Der Abg. Graf Kanitz giebt für 35 Milliarden Silber aus, verdient daran zwei Milliarden, und die ganze Reichsschuld ist gedeckt, 1, 2, 3, man weiß garnicht, wo sie geblieben ist. Waß sind doch alle Finanz- Minister und Schatzsekretäre für Kleinigkeitskrämer! Alle die Neben« dinge soll ja eine Kommission machen, wie der Abg Graf Kanitz vor⸗ schlägt; ich erweitere den Vorschlag dahin, dieser Kommission auch gleich die ö der sozialen Frage zu übertragen. Dem Rückgang der chafzucht steht die Vermehrung der Rindvieh⸗ und Schweinezucht gegenüber. Die Produktions- kosten sollen nicht mehr eingebracht werden können. Ich habe noch nicht gehört, daß man irgendwo den Körnerbau ein— gestellt hätte aus diesem Grunde. Sie verstehen eben unter Produk tionskgsten auch noch die beliebig von Ihnen festgesetzte Grundrente. Eine hohe Zinsrente bis in den Anfang der siebziger Jahre hinein hat verhindert, daß tüchtige Landwirthe sich der Landwirthschaft als Unternehmer widmen konnten. Die Landwirthschaft bedarf aber hoher Intelligenz ihrer Besitzer; es kommt nicht bloß an auf Majorats⸗ herren und solche, die ein Gut erheirathen, sondern auf Landwirthe, welche sich diesem Beruf aus inngrem Drange zuwenden. Wie steht es denn mit der Befähigung des Abg. v. d. Gröben für die Landwirth⸗ schaft? Vie Befürworter des Antrags haben sich, nach dem Parla— ments⸗Almanach, sehr hervorgethan als Kayallerieoffiziere, als Land⸗ räthe, als Kammerherren oder . aher nicht in ihrer Thätig⸗ keit für die Landwirthschaft. ie sind Repräsentanten der Landwirth⸗ schaft, nicht ausübende Landwirthe. Mit demselben Recht wie die Antragsteller die höhere Grundrente, könnten die Zins rentner verlangen, daß der alte Zinssatz von 5oso für ihre Renten von Staatswegen wiederhergestellt würde. Würde der . so würde ich sofort den achtstündigen Arbeitstag und einen Minimallohn beantragen, das wäre nur die nothwendige Konsequenz der Steigerung aller Gebrauchs und Lebensmittel, welche der Antrag Kanitz sofort im Gefolge hätte. Der Privatbetrieb, der das Risiko ablehnt, hat die sittliche Be⸗ rechtigung verloren; mit dem Privatbetrieh, fällt aber auch das Privateigenthum überhaupt. Der Antrag schädigt zunächst die Land- wirthschaft selbst, die sich verführen läßt, an diese Utopien zu lauben, durch Beschränkung des Kredits. Trotzdem heiße ich den ntrag in hohem Maße willkommen, weil er die letzten Kon⸗ sequenzen der Agrarierbestrebungen klar illustriert, was bei en Liebes gaben, nicht so deutlich in die Augen springt. Der Antrag zerreißt auch vollständig das Band zwischen den Schutzzöllnern der Landwirthschaft und der Großindustrie; mit diesem Antrag ist das Tischtuch so gründlich zerrissen, daß es niemals wieder ergestellt werden kann. Endlich ist uns der Antrag willkommen als Klärung Ihres Ver⸗ hältnisses zur Regierung. Die Kompensationspolitik der Regierung hat keinen Erfolg gehabt, nur Ihre Begehrlichkeit gesteigert. Daraus muß die Regierung die Nutzanwendung ziehen, daß man Ihnen schroff und klar entgegentreten muß und nicht mit Kompensationen. Von den Anhängern der früheren Ausnahmegesetzpolitik müßte jetzt ein Sozialistengesetz gegen diese gemeingefährlichen Bestrebungen erlassen werden einschließlich des Ausweisungsparagraphen, und an der Spitze der Ausgewiesenen würden Königliche Regigrungs⸗Präsidenten und Landräthe stehen. Eine Monarchie, die diesen Anträgen nachgäbe, hätte über sich den Stab gebrochen. Zum zweiten Mal thun wir uns zusammen in diesem Hause zu einer großen Ordnungtpartei gegen diese agrarische Begehrlichkeit!

Abg. Lte bermann bon Sonnenberg (b. k. F.): Die von dem Abg. Dr. Bachem verlangte Statistik findet sich ja schon in den Motiven zum Landwirthschaftskammer⸗Gefetz. Der Abg. Richter scheint mit seinem Antrage die jetzigen Besitzer ausweisen und an ihre Stelle russische Juden setzen zu wollen. Mit der Landwirthschaft geht unrettbar der ganze Staat zu Grunde, Der Staat hat dafür zu sorgen, daß die Landwirthschaft gesund bleibt und nicht entwurzelt werde. Es muß vorgesorgt werden, daß nicht die Produktions kosten dauernd die Verkaufspreise übersteigen. Alles im Staat hat Schäden von der gegenwärtigen Entwickelung der Verhältnisse, mit Ausnahme der Spekulation. er Abg. Dr. Bachem scheint diesen Zustand für ein christlich⸗germanisches Kulturideal zu halten. Schon der große Friedrich von Preußen hat eine solche Getreideverkaufsorganisation durchgeführt. Weshalb die Konsequenz des Antrags auch für Hand⸗ werk, Handel, Arbeiter u. s. w. gezogen werden muß, verstehe ich nicht; ebenso wenig, daß es sich hler um eine Kontribution handele, welche an die Landwirthschaft gezahlt werden foll. Reine Konsumenten giebt es fast garnicht. Giebt man den Handwerkern Zwangs innungen und Befähigungsnachweis, dann werden sie sich ihrẽ Minimalpreise schon selbst ö Nur die . im Lande werden glauben, daß der Antrag sozialdemokratisch sei. Mit den Ausführungen des Abg. Dr. Bachem kann die Landwirthschaft, soweit sie im Jentrum vertreten ist, nicht einverstanden sein; es wird sich hier die Kluft wohl noch erweitern, welche sich aufgethan hat, seit der Abg. Pr. Lieber die Annahme des russischen Handelsvertrages mit Sedan ver—

lich. Wir werden ruhig abwarten können, ob die Herren von der ir gen zu bereuen haben werden, daß der Antrag besprochen worden ist. Geschädigt werden durch das, was der Antrag will, nur die inter— nationalen Spekulanten, die dann nicht . genug verdienen können.

Abg. Schippel (Soz): Der Antrag bricht trotz aller Einreden der Freunde desselben die Vertragstreue, die wir den Ländern halten müssen, mit denen wir Verträge geschlossen haben. Gerade der Abg. Graf Kanitz und seine Freunde, sowie die konfervative Presse haben uns seiner Zeit vor dem Abschluß des nf hen Handelsvertrags ge⸗ warnt mit dem Hinweis, daß Rußland alle albasiatischen Praktiken versucheu werde, um unsere Einfuhr nach Rußland zu' unkerbinden und zu verhindern. Der Vertrag ist in Kraft und noch hat man von solchen i, nichts gehört, wohl aber scheinen wir felbst jetzt einen solchen halbasiatischen Kniff begehen zu sollen, indem wir mit der Annahme dieses Antrages eines flagranten Treubruchs gegen unfere Mitkontrahenten uns schuldig machen. Der Antrag proklamiert zum erften Mal einen noch nie so offen ausgesprochenen Grundsatz, daß ein paar Tausend Ritter von der Oekonomie das Recht haben follen, von den armen deutschen Konsumenten einen gewissen Mindestbetrag zu erheben. Mit dieser Forderung drängen sie den Staat in eine Rolle hinein, die er mit seinem Ansehen, mit seiner Ehre bezahlen muß. Es soll hier ein Patrimonium geschaffen werden für alle Majoratsherren und ihre Nachkömmlinge! Mit solchem Antrage gelangt man nicht ins sozialistische Fahrwasser, wir werden Sie nicht unter—⸗ stützen. Aber der Glaube an das Privateigenthum kann nicht gründ⸗ licher untergraben und gestürzt werden, als durch Anträge 5. Art. Von dem höheren Preise, von der höheren Grundrente haben die . in den siebziger Jahren nichts abgegeben, jetzt aber soll die Allgemeinheit Ihnen jene Vortheile dauernd gewährlelsten. Jede Lebensmittelpreiserhöhung würde sofort von der deutschen Arbeiter · schaft durch die Forderung der Festsetzung des Minimallohnes beant— wortet werden; der Lohnkampf würde auf der ganzen Linie entbrennen. Was im Deutschen Reiche geleistet worden ist, heruht auf, unserer Welt⸗ marktstellung. Die Arbeiter sind heute eine Macht, die sich ihr Recht nicht mehr nehmen lassen. Wenn dieser Lohnkampf entbrennte, wo bliebe unsere Industrie auf dem Weltmarkt? Setzt man aber die Erhöhung der Lebensmittelpreise uicht in die Erhöhung der Löhne um, fo kann man dies nur durch die Wiederbelebung der Zeiten des Ausnahmegesetzes, durch die Knebelung, und Vernichtung der Arbeiterschaft. Hat der Abg. Graf Kanitz diese letzte Konfequenz wirklich im Auge Ver⸗ suchen Sie es, bringen Sie ein neues Schreckengregiment' über die Arbeiterklasse, das Velk wird den Kampf aufnehmen. Ich glaube aber nicht, daß der Abg. Graf Kanitz dazu den Muth haben wird. Der Abg. Hr. v. Bennigsen hat heute zu unserer Genu thuung einen großen Theil von dem zurückgenommen, was er neulich zu Gunsten des Adels und Grundbesitzes gesagt hat. Ist diese Gesellschaftsschicht blaß noch zu erhalten aus den Taschen der ärmsten Leute, dann weg mit ihr; es wird je eher, desto besser fein.

Reichskanzler Graf von Caprivi: . Meine Herren! Als der gedruckte Antrag in meine Hände kam,

war ich erstaunt über die, wie mir schien, unzulängliche Motivierung. Ganz plötzlich und Überraschend trat der Antrag hervor. Lange hatten wir debattiert über die Höhe der Kornzölle in den Handelsverträgen; wir hatten über den Identitätsnachweis gesprochen, wir hatten das alles als Dinge von hohem Werthe, von großem Ernste behandelt, und es war uns von unseren Gegnern nicht einmal, sondern wiederholt vorgehalten worden, daß die Landwirthschaft durch die Handelsverträge ruiniert werden würde. Um was handelte es sich damals? Um 15 Zoll für die Tonne Getreide. Da tritt plötzlich ein Antrag auf, der erklärt: Uns kann nur noch dann geholfen werden, wenn wir nun lassen Sie es für eine Getreideart 70 und für die andere Getreideart 50 „M sein immerhin Summen, gegen die die I5 1 für die Tonne verschwindend waren, mehr erhalten. Es war fast wie eine günstige Kritik für den Handelsvertrag, daß man alle die Summen, um die man damals gestritten hatte, plötzlich fallen ließ; dann konnte doch die Regierung die Landwirthschaft nicht so schwer geschädigt haben, wie es angegeben wurde, wenn nur mit Summen, die das Vier⸗, Fünffache betrugen, der Landwirthschaft noch zu helfen ist. (Sehr gut!)

Gewiß, Herr Graf Kanitz hat den Antrag lange in seinem Gemüth getragen, er hat ihn auch damals getragen, als er im Abgeordneten haus dafür plädierte, daß man die Kornzölle fallen lassen sollte, weil die Kornpreise für die Brotesser zu hoch geworden wären. Ich habe nicht erwartet, daß derselbe Herr nun mit einem solchen Antrage kom⸗ men würde. Der Antrag kam mir plötzlich, er überraschte mich, und er überraschte mich um so mehr, als wir noch vor nicht langer Zeit aus Zurufen der konservativen Partei zu schließen berechtigt waren, daß sie auf einen Minimalpreis des Getreides nicht zu kommen gedachten. In der Sitzung vom 23. November v. J. sprach der Herr Staatssekretär Freiherr von Marschall davon, daß er irgend einen fruchtbaren Keim für die Förderung landwirthschaftlicher Interessen in der aus land⸗ wirthschaftlichen Kreisen hervorgegangenen Agitation nicht zu erblicken vermöchte, und fuhr dann fort:

Wenn es gelänge, in weiteren Kreisen der landwirthschaftlichen Bevölkerung der Ueberzeugung Raum zu verschaffen, daß es in der Hand der Regierung liegt, den landwirthschaftlichen Produkten einen gewissen Minimalpreis zu garantieren

Der stenographische Bericht notiert: ‚Widerspruch rechts“. Herr von Marschall fährt fort:

Das ist verlangt worden und wird heute vielfach verlangt; ich sage nicht, daß Sie das anstreben, aber die Wirkung der Agitation ist es zweifellos.

Wiederum: „Widerspruch rechts. (Heiterkeit)

Herr von Marschall fährt fort:

Ja, meine Herren, Sie werden doch nicht in Abrede stellen wollen, daß heute im Lande eine große Agitation im Gange ist, welche der Regierung zumuthet, dafür zu sorgen, daß die Preise der landwirthschaftlichen Produkte nicht unter eine gewisse Minimal- grenze sinken.

„Widerspruch rechts. (Große Heiterkeit.)

Meine Herren, ich nehme dankbar davon Notiz, daß diese Be⸗

strebungen in diesem hohen Hause keine Unterstützung finden;

fährt Herr von Marschall fort aber es bleibt doch richtig, was ich sage, daß draußen eine Agitation in diesem Sinne im Gange ist.

Zum vierten Mal „Widerspruch rechts. (Erneute große Heiterkeit.)

Nun wird mir zugerufen: Das sind anonyme Aeußerungen. Ja, wir sind gewöhnt, wenn wir vom Regierungetisch sprechen, von Zwischenrufen und mehr oder weniger anonymen Aeußerungen begleitet zu werden; bisweilen ist es, wie wenn wir mit Brummstimmen begleitet würden. (Heiterkeit) Sie können es uns nicht verdenken, daß diese störenden Aeußerungen doch auf uns einen Eindruck machen; wir kennen ja auch die Stimmen, und wenn wir viermal hintereinander bei einer solchen Frage Widerspruch er= fahren haben, so würden wir den Werth dieser Herren unterschätzen, wenn wir ihren Widerspruch unbemerkt ließen. (Heiterkeit) Es kam also für mich im hohen Maße überraschend, daß, nachdem hier Ende November entschieden in Abrede gestellt war, daß man die Fixierung von Minimalpreisen fordere, jetzt im April der Minimalpreis als das einzig rettende Mittel uns aufgetischt wurde. Es war aber das, was mich überraschte, nicht allein die Plötzlichkeit dieses Vorgehens ich habe auch in den Motiven eine Ueberraschung gefunden insofern, als ich dort eine Berechnung der Produktionskosten des Getreides fand, die mit einer nicht lange vorher, wie ich glaubte, von autoritativer Seite aufgestellten in Widerspruch steht. Der Herr Abg. Graf Kanitz baut seinen ganzen Antrag darauf auf, daß die Kosten des Getreidebaues nicht mehr gedeckt werden. Aber die von ihm für die einzelnen Getreidearten normierten Minimalpreise überschreiten denn doch sehr erheblich die Produktionskosten, wie sie in einer Eingabe der ost— elbischen Landwirthe an Seine Majestät den Kaiser im vorigen Jahre berechnet wurden. Herr Graf Kanitz will 215 M pro Tonne Weizen, 165 „S für den Roggen, 155 M für den Hafer.

Der Verband der Zentralvereine ostelbischer Landwirthe, nach meinem Dafürhalten wiederum Leute, die ich genöthigt bin, für kom⸗ petent zu halten und auf deren Urtheil ich gern Werth lege, sagt in seinem Antrage:

Die Herstellungskosten für unsere Körner kommen nach sorg⸗ fältiger Schätzung im Durchschnitt bei Weizen auf 160, bei Roggen auf 140 und bei Hafer auf 120 M

Das sind 5b, 25 und 35 4 weniger, als der Antrag Kanitz ansetzt. (Heiterkeit). Ich bin ja kein Landwirth; aber Sie werden begreiflich finden, wenn ich über diese Zahlen erstaunt bin, und das Staunen ist durch die heutige Debatte nicht vermindert worden; denn von den Herren aus den Antragstellern, die über den Antrag gesprochen haben, hat kein Einziger Dinge angeführt, die die nach meinem Dafürhalten unzulänglichen gedruckten Motive weiter erläutern und meine Einsicht hätten fördern können. Sie haben gesprochen über die Noth der Landwirthschaft, über eine Menge anderer Dinge; nur warum gerade diese Summe nöthig ist, warum sie auf diese Getreidearten vertheilt werden muß, warum bloß die Ge⸗ treideprodukte, warum das Schwein des armen Mannes nicht auch einen Minimalpreis haben soll, das haben sie nicht gesagt. Sie haben es den verbündeten Regierungen heute, wie oft schon, nicht erleichtert, für die Landwirthschaft zu sorgen, weil sie nicht angeführt haben, wie gesorgt werden kann. Denn das, glaube ich, hat doch die Mehrzahl der Unterzeichner dieses Antrags selbst nicht geglaubt, daß die ver⸗

bündeten Regierungen geneigt und im stande sein sollten, auf di ö Wege der Landwirthschaft zu Hilfe zu kommen ein Weg, auf en nicht nur andere Berufskreise, sondern auch nach meiner ueber ein ] den Staat und das Reich im ganzen schaͤdigen würden. ö

Der Herr Abg. Bachem hat den Wunsch ausgesprochen, du en Enquéte über die Noth der Landwirthschaft, eine land wirthscho ss Statistik herbeigeführt werden möge, und ich neige mich diesem sa Wunsche voll zu, denn auch ich habe lebhaft den Wunsch, wirthschaft zu helfen; aber ich habe aus den Mitteln, geschlagen haben, bisher keinen Anhaltepunkt gewonnen, an den ich ansetzen könnte. Die Verhaältnisse sind und das ist ja herte vielfach hervorgehoben worden und wird auch, glaube ich, von kein Herrn dieser Seite in Abrede gestellt werden im Osten un Westen, bei großen und kleinen Grundbesitzern, bei verschuldeten um unverschuldeten Grundbesitzern, so verschieden, daß ich nicht glaih die Hilfsmittel lassen sich über einen Kamm scheren. Also, wen man helfen soll, so würde doch das Erste sein, daß mehr alz nit solchen Behauptungen, wie sie der Antrag Kanitz enthält, und wie st die Herren Redner heute vorgebracht haben, mit anderen Mitteln ho gegangen wird, um zu erkennen: wo nicht und wo kann geholn werden? 2.

Nun hat aber die Enquste, die Herr Bachem vorgeschlagen ha ihre schwierigen Seiten. Sie wird lange dauern, wird viel Gl kosten, und von meinem Standpunkt aus: sie ist nach meinem Daf halten nicht Reichssache. Die ganze Landwirthschaft ist nur dam Reichssache, wenn sie in Konkurrenz mit anderen Gegenständen Gege stand der Gesetzgebung wird. Eine selbständige Sorge für die Land wirthschaft durch das Reich kennt die Reichsverfassung nicht; al

prinzipaliter würde ich der Meinung sein, daß darin eine Aufgabe de

Einzelstaaten liegt. Und ich für mein Theil würde einen Vorm daß eine solche Enquste noch nicht vorhanden sei, nicht aceeptiern können. Ich halte mich nicht für berechtigt, als Reichskanzler eint solche Enquste zu veranlassen.

Nun, da ich einmal das Wort noch ergriffen habe, und da mit die Gründe, die die Herren Antragsteller geboten haben, keinen Anlij geben, auf diese Dinge einzugehen, möchte ich mit ein paar Worten noch darüber sprechen, wie denn die verbündeten Regierungen zu den Antrage stehen. Da muß ich naturgemäß bekennen, daß ich das nic weiß; denn die verbündeten Regierungen sind noch nicht in der dase gewesen, sich über den Antrag schlüssig zu machen. Aber, ich glauhe doch, so viel mit Sicherheit sagen zu können, daß vom Stand punkt des Reichs, ganz abgesehen von allen Details, die An nahme des Antrags Kanitz in jeder Beziehung unerwünscht war, Sie würde uns nöthigen, von den Bahnen, welche die Politi des Reichs bisher beschritten hat, abzuweichen (sehr gut! links), und zwar nicht bloß von den Bahnen, die man als neuen Kurs bezeichnet sondern auch von den älteren schon. Ob dieser Antrag mit den Han. delsverträgen vereinbar ist oder nicht, darüber will ich nicht urtheilen. Wenn man juristische Gutachten einforderte, so würde vielleicht ein Theil so, ein anderer Theil so ausfallen; aber das muß ich doch auh aussprechen, daß wir, wenn wir den Antrag annehmen, wozu ja bon Haus aus nicht die mindeste Aussicht war, bei den Regierungen, mi denen wir kontrahiert haben, in den Ruf einer mala fides komm' und zwar in hohem Grade. (Sehr gut! links) Ein vielgelesene konservatives Blatt hat sich längere Zeit darin gefallen, Ri Refaktien, die Eisenbahn ⸗‚Ausnahmetarife, die andere Mächte verwenden könnten, ins Gefecht gegen den Handelsvertrag zu führen. Ja, ich glaube, ein unparteiischer Beobachter würde der Meinung sein, daß wenn wir trotz der Handelsverträge einen solchen Antrag annãhmen, wie der Graf Kanitz ihn uns vorgelegt hat, wir dann ungleich mehr mala fides bewiesen, ungleich weniger zuverlässig handelten, als allt das wäre, was jene Zeitung an die Wand gemalt hat. Wir würdn also in unserer allgemeinen auswärtigen Politik das Vertrauen be anderen Mächten zu verlieren in Gefahr stehen, das zu erwerben um zu befestigen wir uns bisher Jahre lang bemüht haben. (Bravo! lin und aus der Mitte.)

Wir haben nirgends, an keiner Stelle der deutschen Erde, unh etwas vergeben, und wir haben von Jahr zu Jahr an Vertrauen gin wonnen. Wenn aber dieser Antrag angenommen würde und die wer, bündeten Regierungen darauf eingingen, so würde ich nicht geneigt und wahrscheinlich auch nicht im stande sein, die deutsche Politik nach Außen zu vertreten, denn ich würde alles Vertrauen verloren haben.

Wir haben ferner in unserer Wirthschaftspolitik das Bestreben gehabt, Handel und Export nach dem Ausland auszudehnen. Auch nt dieser Politik würden wir brechen müssen mit dem Tage, wo wit dau ausländischen Handel nach dem Rezept des Grafen Kanitz zuschneiden würden. (Sehr richtig! links.)

Wir würden nicht mehr in der Lage sein, Vertrauen bei den alh= ländischen Kaufleuten zu erlangen, wir würden auf Schwierigkeiten bi jedem Schritt stoßen und Mißtrauen da begegnen, wo wir Vertrauen brauchen.

Auch für die innere Politik des Reichs wäre mir dieser Anta sehr bedenklich. Wenn man sich die Einzelheiten etwas mehr aus— malt, als sie in den Motiven angegeben sind, so steigen sofort ein Masse Schwierigkeiten auf, sie sind auch von einigen der Herten Gegner des Antrags bereits angedeutet worden Schwierigkeiten, die in das innere politische Leben Deutschlands erheblich ein=, greifen würden. Welche Eifersucht würde zwischen deutscher Staaten, Stämmen und Städten entstehen, ob sie Verkauföstellen für Getreide werden sollen oder nicht! Was haben wir schon mit den Transitlägern für Schwierigkeiten. Ich würde die Besorgniß haben daß auch einzelne deutsche Regierungen der Meinung wären, eh solches Getreidemonopol wäre ein Eingriff in ihre speziellen Recht, die Verfassung gäbe uns für die Schaffung eines derartigen Reicht

monopols keinen Anhalt. Ich würde befürchten, daß erhebliche

Schwierigkeiten, mindestens Friktionen in Deutschland entstünden, die der Reichseinheit und dem Reichsgedanken nicht förderlich wären. lin nun gar für den Reichskanzler! Welches Odium ja, ich weiß, Sit schlagen das gering an; ich habe auch nichts dagegen welche Odium würde der auf sich laden müssen, wenn er Chef dieser große Reichs ⸗Getreidehandlung wäre!

Ich würde glauben, daß die Regierung an Vertrauen verliere

würde, wenn sie ein solches Odium auf sich laden müßte, und de durch diesen Verlust an Vertrauen nicht der Reichskanzler das wn ja ganz gleich aber das Reich geschädigt würde.

Endlich haben Sie den Vorschlag gemacht, diese Vorlage 7

nutzen, um unsere Steuerfragen auf eine andere Weise zu regeln.

z 2 . en meine Herren, auch da würden wir ja vollkommen umkehr

muissen. Wir haben bisher das Bestreben gehabt wir sind an— ö riffen worden, weil wir es nicht genug gehabt hätten; aber wir haben beg redlich und ernst gehabt, die Lasten auf die leistungsfähigeren es ultern zu legen, soweit es mit den Interessen des Ganzen vereinbar . gu welche Schultern würden wir denn hier die Lasten legen? uf die der Brotesser Einer Brotsteuer würden sich aber die ärmsten slaßen am allerwenigsten entziehen können (Sehr richtig! links und he den Sozialdemokraten), weil der arme Mann der relativ am neisten Brot Konsumierende ist. (Sehr richtig! links und bei den Eaialdemolraten.) Also es wäre eine totale Umkehr in unserer gteuerpolitik, die Sie von uns verlangen Also ich glaube nicht an⸗ watend zu sein gegenüber den verbündeten Regierungen, wenn ich sage, daß die nicht das mindeste Interesse an der Annahme des An— aben.

. meine Stellung persönlich zu dem Antrag angeht, so hat

mich mit Bedauern erfüllt, denn ich habe die Ueberzeugung, daß e Antragsteller sich und ihre Sache dadurch schwer schädigen, wenn icht gar ein Schaden, der noch weiter greift, verursacht werden wird. Ich habe mir vor Monaten schon erlaubt, die Herren vor gewissen Dingen zu warnen: ich habe Sie gebeten, nicht auf die Majoritäten ch zu basieren und die Autoritäten gering anzuschlagen. Es hat ichs geholfen, Sie sind in den Angriffen auf Autoritäten sehr hoch sinaufgegangen in Ihrer Presse, und schließlich haben Sie, fürchte 6, vielfach Ihre eigene Autorität in Ihren eigenen Kreisen so weit wauloren, daß Sie nicht mehr schieben, sondern geschoben werden. Und hh als ein konservativer Mann beklage das, wenn die konservative rtei auf diese abschüssige Fläche geräth, und so schnell auf ihr eruntergleitet.

Ich habe dann weiter mir die Bitte erlaubt, doch nicht trennend swischen die zu treten, die staatserhaltend sein können, sondern dahin ö wirken, daß sich die Staatserhaltenden den mannigfachen Gefahren genüber, die wir laufen, zusammenschließen. Ich habe Ihnen bei nem andern Anlaß gesagt: das, was Sie treiben, trennt in der Land— hirthschaft den Osten vom Westen, den großen Grundbesitz vom einen, und trennt Sie von der Industrie. Das Alles muß ich zu einem aufrichtigen Bedauern aufrecht erhalten es ist eine harte licht für einen Staatsmann, solche Worte zu sagen, aber nach einer innersten Ueberzeugung ist es eine Wahrheit, und ich muß sie ngen: Das, was Sie jetzt treiben, trennt Sie viel mehr och als was Sie bisher gethan haben, nicht nur von der Industrie, ndern von allem Andern, was staatserhaltend ist. Es wird Sie Ih schädigen, denn es ist ganz zweifellos, daß Sie die kleine Land— irtschaft gegen sich haben werden (Widerspruch rechts; ganz beifellos! 69 00 aller derjenigen, die vom landwirthschaftlichen hewerbe als Besitzende leben, sind kleine Parzellenbesitzer! (Hört, ort! links) Diese Leute werden Sie gegen sich bekommen, die ver⸗ lufen kein Getreide. (Hört, hört! und sehr richtig! links.) Diese eute werden sich sagen: wenn die Herren für die große Landwirth⸗ haft sorkgen nun mal heran auch für unser Schwein, auch für hs, was wir verkaufen!

Es ist ja nur zu klar, daß dadurch nichts als Mißvergnügen und uufriedenheit erregt würde, und daß das Ihnen zuerst heimgezahlt serden wird. Auch das betrübt mich.

Endlich habe ich Sie gebeten, nicht diese agitatorische Methode befolgen. Auch diese meine Bitte hat keinen Erfolg gehabt. Ich sorge, daß der Antrag, den Sie jetzt gestellt haben, nicht im inne der Antragsteller, auch nicht im Sinne der Herren, E hier vor mir sitzen, aber in den Händen derjenigen, die n Antrag draußen benutzen und in die Finger bekommen

ein Agitationsmittel erster Klasse werden wird, und ich habe Ihnen

hon einmal gesagt: ich habe Sie gewarnt vor der Benutzung des Anti⸗ mitigßmus, weil ich der Meinung sei, der Antisemitismus liefe hließlich in dasselbe Faß, aus dem die Sozialdemokraten schöpfen. ch muß diese Besorgniß heute in noch stärkerem Maße haben. Das, Sie jetzt thun, erregt eine Unzufriedenheit, die nicht der Land—⸗ srthschaft zu gute kommt, sondern die gerade der sozialdemokratischen artei zu gute kommen wird ich könnte Ihnen ja aus dem „Vor⸗ rz, mit Leichtigkeit Sätze vorlesen, die das ganz deutlich sagen: e die Landwirthschaft diejenige sein wird, die zuerst die Kosten be— hlen wird, wenn das, was Sie wünschen, durchgeht. Das aber rd ju meinem Bedauern schon jetzt nicht mehr zu hindern sein, daß e Erregung im Lande geschaffen wird, die üble Früchte tragen wird, d das noch einmal hier auszusprechen, habe ich für meine Pflicht halten; Sie mögen mir das übel nehmen oder nicht: ich bedauere, enn Sie andere Wege gehen. (Bravo! links und in der Mitte.)

Darauf beantragt der Abg. Freiherr von Manteuffel kons) die Vertagung. Der ö wird abgelehnt.

bg. Werner Id. Refp.) tritt für die Förderung der Interessen gandwirthschaft durch die Gesetzgebung ein. Die Mehrheit gegen

Antrag Kanitz könne jedem Freunde der Landwirthschaft einen chrecken einjagen. Für die Tendenz des Antrags sei die deutsche eformpartei unbedingt, nicht für die Detailbestimmungen. Per lichskanzler habe heute bloß von der linken Seite Beifall gefunden . bor den Antisemiten gewarnt. Der Reichskanzler könne die

mpartei nicht beleidigen. Die Reichsregierung sei es, die das

nn zwinge, in fozialdemokratische Bahnen deinzukenken. Di frei⸗ n Partei habe noch nie für die Landwirthschaft etwas übrig

.. Graf von Bernstorff⸗elzen (6. k. F): Wir können m ag des Abg. Grafen Kanitz nicht zustimmen, wir müssen . . dandwirthe verwahren gegen den dem Antrage zu Grunde 9 In Gedanken zu Gunsten eincz Standes den anderen Standen fin liche Lasten aufzulegen. Der neue Kurs hat doch wenigstens . te Grundsteuer beseitigt, was der alte Kurs nicht that; r er sollten . doch eigentlich den alten Kurs für den ber⸗ . halten. er Antrag weist allerdings in verdienstlicher Er uf gi kolossalen, Schwankungen des Getreidepreifes hin, die . wirthschaft erst in die heutige schwierige Lage gebracht haben. unn, wir erreichen, daß die Landwirthschaft Durchschnittspreise 9 ., wäre uns, geholfen und die Konfumenten würden nicht be—= . . Kalamitãt liegt jetzt in den reichen Erntejahren; dann ö. ss zu jagen, nichts für das, was wir zu verkaufen haben z reg Kanitz ist daher für uns unannehmbar, denn er bedeutet . nderes als eine Konfisfation. ihc ö. ö. Lim burg-Stirum (kökons): Gegen das Mittel, ö Vorredner vorschlägt, lassen sich alle Argumente anführen, den. 6 den Antrag des Abg. Grafen. Kan it ins eld geshhr. ein Men Durchschnitt preis kann nicht anders g et t werden schvie weis. Mit uns erkennt der Abg., Gra Bernstorff enz er Landwirthschaft an; das ist ein Fortschritt ung beim russischen Handelsvertrag, und ich hoffe,

chen aft des Vorrehners mit unz züsammenwirken h eibrte enn wir Lie Mittel fur Abbhisse im Ein. nisstische kern, werden,. Der Kern a Antrages ist kein wirkung Die Tendenz der Sozialdemokraten ist ja nicht eine

g auf die Preife, sondern Lie Herstellung aller Werthe durch

orm der Beeinflussung der Getreidepreise von Staatz wegen, wie sie isher durch die Getreidezölle erfolgte. Der Staat muß r en .

flicht nachkommen, wenn die Landwirthschaft für das Deutsche

eich eine so n Institution ist, daß sie für das Reich erhalten werden muß. ei, den. Ausführungen des Staatssekretärs Frei= herrn von Marschall habe ich den vom Reichskanzler so akcen- tuierten Widerspruch nicht erhoben. Kommen wir nach näherer Prü⸗ fung zu der Ueberzeugung, daß eine Maßregel richtig ist, so können wir uns davon, sie zu verfolgen, durch jenen vereinzelten Widerspruch, der gus unseren Reihen erhoben wurde, nicht abhalten lassen. Daß die Reichsregierun in den Verdacht der mala Rides kommen müßte, vermag 3 nicht einzusehen. Daß unsere Regierung jetzt im Auslande überall Vertrauen genießt, bezweifle ich gar nicht, denn eine nachgiebigere, entgegenkommendere Regierung hat es lange nicht gegeben. Ob aber auch unser Ansehen und unsere Macht e . mäßig gestiegen sind, ist mir nicht ebenfo verbürgt. Wir haben stets gern mit den leitenden Männern des Staats uns verständigt und mit ihnen Hand in Hand zu gehen für den beste: Erfolg unserer Politik gehalten; aber nach und nach sind wir in einen Gegensatz gekommen, weil man fwar, Lon Schutz der Landwirthschaft spräch, aber diese Erklärung nicht bethätigte. Wir müssen doch immer wieder darauf hinweisen, daß zie Aufgabe der landwirthschaftlichen Zölle das Hauptschutzmittei der Landwirthschaft genommen hat. Alle anderen kleinen Mittel können uns nicht helfen, nur ein Mittel, wie das des Abg. Grafen Kanitz, welches Ersatz für die Getreide lle liefert. Der Antrag wird heute abgelehnt werden; im Lande wird sich zeigen, daß der ö.. . ö 8 ch, . wird, und man 2 . 6 er⸗ ennen, daß der Reichstag in seiner gegenwärtigen Zusammenfetzun das Reich nicht richtig vertritt. .. ö ö.

Reichskanzler Graf von Caprivi:

Der Herr Abgeordnete hat an das, was ich über die Autorität gesagt habe, die Frage geknüpft, wen ich denn als Autorität betrachtet wissen wollte. Mich ihm gegenüber als eine Autorität hinzustellen, bin ich nicht anmaßend genug. Aber ich darf darauf hinweisen, daß ich angeführt habe, daß Sie selbst nach meiner Auffassung durch das, was Sie vielfach außerhalb des Hauses thun, Ihre eigene Autorität untergraben.

Wenn der Herr Abgeordnete ferner meint, daß die konservative

. chaften. Der Antrag Kanitz ist nur eine andere

Partei sich noch nie zuvor von der Regierung getrennt hat, also

indirekt der jetzigen Regierung die Schuld beimißt, daß eine solche Trennung jetzt da sei, so darf ich ihn wohl auf die Deklarantenzeit hinweisen. (Hört! hört! links.)

Ich darf ferner mit Bezug auf die Aeußerungen, mit denen der Herr Abgeordnete den Versuch machte, Dinge, die außerhalb des Hauses geschehen, von seiner Partei abzuschütteln, darauf hinweisen, daß ein solcher Versuch hier schon einmal gemacht ist. Es war von einem Herrn gesagt worden, es sei ein Unterschied da zwischen den ver⸗ antwortlichen Leitern und den nichtverantwortlichen. Ich bin in Ihre Parteiorganisation nicht genug eingeweiht, um den Unterschied durchfühlen zu können. Wenn ich aber sehe, daß in dem Geleise der Konservativen draußen Unverantwortliches geschieht, und dem die konservative Portei in ihrer Presse nicht entgegentritt, so hat mich, im Gegensatz dazu, die Aeußerung, die der Herr Graf Limburg jetzt gethan hat, sehr wohlthuend berührt. Ich bin aber nicht im stande, anders zu urtheilen, als ich bisher geurtheilt habe, und das, was jetzt der Bund der Landwirthe thut, nicht auf Rechnung der Konservativen zu setzen, die ja mindestens Pathen⸗, wo nicht Vaterstelle bei ihm gestanden haben, so lange nicht von seiten der Konservativen etwas gegen diese Aeußerung geschieht. Eine so platonische Aeußerung, wie der Herr Graf Limburg hier gethan hat, ändert an dem Verhältniß nichts, sie klärt mich nicht auf und läßt mich nicht erkennen, wem, welcher dieser Handlungen, welchem dieser Worte drücken Sie hier den Stempel auf.

Nun hat er weiter mich gebeten, ihm anzugeben, wo denn Dinge gestanden hätten, die gegen sehr hohe Stellen gerichtet wären. Ich verwahre mich nun von vornherein, dem Herrn Grafen Limburg diese Aeußerungen auch nur auf das indirekteste in die Schuhe schieben zu wollen, aber ich muß doch, um den Vorwurf zu vermeiden, daß ich die Behauptung aus der Luft gegriffen haben könnte, mich auf eine Menge Preßäußerungen berufen. Ich will mich indeß hier auf die Korrespondenz des Bundes der Landwirthe“ aus den letzten Tagen beschränken, wo ein Brief abgedruckt wird, der „Zur Lage“ über⸗ schrieben ist und folgenden Passus enthält:

Wir haben die äußerst bedenkliche Eischeinung, daß der deutsche Landwirth, der bisher außer der Sozialdemorratie, der er ja dia⸗ metral gegenübersteht, den Freisinn als seinen Feind ansah, jetzt ge⸗ neigt ist, sofern er sich nämlich ehrlich und ohne Rücksicht aus⸗ spricht, den Kaiser als seinen politischen Gegner anzusehen.

(Hört, hört! links.) Ich werde mich freuen, wenn Aeußerungen, wie sie Herr Graf Limburg gethan hat, häufiger und lauter auch nach außen hin geschehen.

Ein Schlußantrag wird abgelehnt.

Abg. von Plötz (8kons) erklärt, daß der Bund der Landwirthe nicht konservativ, sondern aus allen Parteien zusammengesetzt ist, man also, was innerhalb desselben irgendwo geschehe, nicht auf das Konto der Deutschkonservativen setzen dürfe. Da die Person Seiner Majestät hier hineingezogen ist, so verzichte ich, auf die Sache näher einzugehen. Auch über den Bund der Land— wirthe wird sehr scharf geurtheilt, und er erfährt die schärfsten Angriffe. Die Königstreue bleibt bei den Landwirthen trotz aller An⸗ griffe bestehen. Die Führer des Bundes sehen ihre Aufgabe auch darin, die hervortretende Schärfe abzumildern und beruhigend zu wirken. Der Abg. Richter hat heute die Sozialdemokratie glorifiziert. Daß wir auf einer abschüssigen Bahn sind, will der Reichskanzler uns durch Zitate aus dem „Vorwärts“ nachweisen. Der „Vorwärts“ hat sich auch über die Annahme des russischen Handelsvertrags ge— freut, weil diese Annahme das beste Mittel wäre, die Landwirthschaft

zu ruinieren.

Darauf wird ein Schlußantrag an enommen. Nach dem Schlußwort des Antragstellers Abg. Grafen Kanitz sprechen die

Abgg. Sachße (dkons.) und Fürst Radziwill (Pole) zur Ge⸗ schäftsordnung ihr Bedauern gus, durch den Schluß der Debatte ver— hindert worden zu sein, sich über den Antrag zu äußern. Abg. Sa chße wird für, die Polen werden gegen den Antrag stimmen.

Abg. Hilpert (b. k. erklärt, für den Antrag zu stimmen.

In namentlicher Abstimmung wird der Antrag Kanitz mit 159 gegen 46 Stimmen .

ar nach 61e Uhr.

Preuszischer Laudtag. Haus der Abgeordneten.

49. Sitzung vom 14. April 1894.

In der dritten Berathung des Sta ats haushalts⸗Etats für 1894‚95 nahmen bei verschiedenen Etatspo itionen die Minister der betreffenden Ressorts das Wort zur Erwiderung. Wir lassen die im Anfangsbericht der Sonnabend⸗Nummer

d. Bl. nur in . Auszuge wiedergegebenen Bemerkungen und Reden hier wörtlich folgen: .

Bei dem Etat der Domänenverwaltung erwiderte dem Abg. Schreiber (fr. kons.) der . ö

Finanz ⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ich bin allerdings nicht in der Lage, bei der gegenwärtigen Finanzlage schon Zusagen für Gehaltsaufbesserung einzelner Beamtenklassen zu machen. Jedoch will ich soviel aussprechen, daß man den eben vorgetragenen Wunsch des letzten Herrn Vorredners seitens der Königlichen Staatsregierung in wohlwollende Erwägung nehmen wird, ohne schon jetzt bezeichnen zu können, in welcher Form und in welchem Maße die Aufbesserung der Gehälter der Foꝛstgehilfen möglich ist.

Anschließend äußerte sich, zuglei ton 39 5 ßerte sich, zugleich gegen den Abg. Schettler Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden:

. Meine Herren! Aus der Erklärung des hauptbetheiligten Herrn Finanz ⸗Ministers haben Sie gehört, welche Stellung in dieser Be⸗ ziehung die Staatzregierung einnimmt. Ich nehme aus den An⸗ regungen, welche von zwei Seiten an die Staatsregierung in dieser Frage herangetreten sind, Veranlassung, auch meinerseits ein paar Worte hinzuzufügen. Sie werden nicht verlangen, daß ich die In⸗ terna, welche bei den Verhandlungen innerhalb der Staatsregierung bezüglich dieses Gebiets stattgefunden haben, hier vor Ihnen aufrolle; ich will aber mit Rücksicht darauf, daß im Interesse der Forsthilfs⸗ aufseher den Herren Abgeordneten, wie mir bekannt ist, eine eingehende Darlegung der wirths chaftlichen Verhältnisse dieser Beamten zugegangen ist, erklären, daß seitens meines Ressorts in Wahrnehmung der Interessen dieser Beamten bereits seit längerer Zeit anerkannt ist, daß die Bezüge der Forsthilfsaufseher nicht ausreichen. Die Erhöhung der Bezüge hat sich aber bisher nicht verwirklichen lassen. Meinerseits wird die Angelegenheit weiter verfolgt.

Der Herr Abg. Schettler hat gewünscht, ich möge die Domänen pächter besser wie bisher vor Wildschaden schützen. Ich gebe dem Herrn anheim, wenn er bestimmte Fälle im Auge hat, sie mir mit— zutheilen. Im übrigen kann ich wiederholen, daß ich es nicht bei Worten bewenden lasse, sondern daß dort, wo Schaden stattgefunden hat, thatsächlich eingegriffen worden ist, und daß auch diejenigen Mittel. die der Herr Abgeordnete angeführt hat, zum Ziele geführt haben. An mich sind seitens der Domãnenpächter, soweit ich mich entsinnen kann, nur ganz vereinzelte Beschwerden über Wildschaden gelangt.

Dem Abg. von Riepenhausen⸗Crangen (kons.) entgegnete der

Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat bereits meine frühere Aeußerung mitgetheilt, daß ich nicht beabsichtige, an dem ganzen Prinzip des Domãänenfeuerschadenfonds etwas zu ändern, und zwar, weil er nicht bloß im Interesse der Verwaltung besteht, sondern auch im Interesse der Domänenpächter selbst. Der Herr Vorredner be⸗ mängelte, daß in dem Neubauwerth, der im gegebenen Falle der Berechnung zu Grunde gelegt wird, auch die von den Pächtern unentgeltlich zu stellenden Fuhren mit ent- halten sind; das ist richtig, geschieht aber im Interesse des Pächters. Wären sie nicht darin enthalten, so würde der Pächter im Fall eines Brandschadens die Fuhren unentgeltlich leisten müssen, während er sie jetzt durch die Brandschadensumme bezahlt erhält. Es ist ferner richtig, daß die Beiträge, welche in den letzten Jahren haben aus geschrieben werden müssen, hoch sind. Dies unerwünschte Verhältniß theilt aber der Domänenfeuerschadenfonds mit anderen Versicherungs gesellschaften, welche sich in ähnlicher Lage befinden. Es schweben, wie ich bereits bei der zweiten Berathung erwähnte, Verhandlungen über eine Revision des Regulativs für den Domãnenfeuerschaden fonds; die Berichte der Unterbehörden sind noch nicht vollständig ein⸗ gegangen, die Verhandlungen haben also noch nicht zum Abschluß gebracht werden können.

Dann hat der Herr Vorredner noch einen Zirkularerlaß erwähnt.

Wie ich ihn verstanden, soll ein Zirkularerlaß bezüglich der Stundung oder Nichtstundung der Domänenpächte seitens der Zentralinstanz ergangen sein. Ich weiß es nicht, es ist nicht ausdrücklich gesagt, aber die Darstellung ging dahin. Mir ist von einem der⸗ artigen Zirkularerlaß nichts bekannt , und dielleicht handelt es sich bloß nm den Erlaß einer einzelnen Regierung. Thatsächlich ist bei der Stundung von Domänenpachten, wenn An. träge an die Zentralinstanz gekommen sind, in der ausgiebigsten Weise verfahren. Allerdings habe ich auch die Wahrnehmung gemacht, daß in einzelnen Landestheilen keine oder nur geringe Rückstände vorhanden waren, während sie in anderen Landestheilen stark angeschwollen waren. Daß aber auf die rechtzeitige Zahlung der Pächte hingewirkt werden muß, wird die Zustimmung aller Mitglieder des Hauses finden. Vei dem Etat der direkten Steuern äußerte gegen⸗ über dem bg Schmitz Erkelenz (3entr), welcher hat, den Rentmeistern, die entbehrlich werden, wenn die Gemeinden die staatlichen Steuern erheben, die Verwaltung der Gemein de⸗ kassen zu belassen, der

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ja, ich bin zur Zeit leider nicht in der Lage, dem Herrn Vor⸗ redner auf seine Frage eine bestimmte Antwort zu geben, weil die ganze Angelegenheit sich noch in der Schwebe befindet. Nach der Königlichen Verordnung ist ja in Aussicht genommen, daß die Er⸗ hebung der Staatssteuern allgemein durchgeführt werden soll in den Gemeinden und durch die Gemeinden über 5000 Seelen. Vorbehalten ist, wie die weitere Ausführung der Königlichen Verordnung sich ge⸗ stalten soll in etwaiger Ausdehnung auf die Gemeinden unter 5000 Seelen. Wir werden in dieser Beziehung erst weitere Erfahrung sammeln. Wir haben es nicht für möglich gehalten, die Königliche Verordnung generell auf alle Gemeinden plötzlich auszudehnen. Nun hängt von dem weiteren Fortgang und der Durchführung des Prinzips der Steuererhebung durch die Gemeinden auch die Lage der Rentmeister ab, namentlich am Rhein, wo dieselben ja die Gemeindesteuern auch sehr vielfach erheben. Es wird die Frage auch wesentlich berührt durch die Stellung, die die Gemeinden selbst zu der Sache nehmen, ob sie die Rentmeister in Zukunft in ihren Dienst nehmen, ob die Bürgermeistereien beispielsweise die Erhebung der Steuern über⸗ nehmen. Das sind alles Fragen, die durchaus noch nicht geklärt sind. Darüber kann jedenfalls kein Zweifel sein und das allmähliche Vorgehen der Staatsregierung auf diesem Gebiet beweist das ja

auch daß wir, soweit irgend thunlich, die Interessen der Beamten