// ,..
,
- ᷣ ..
ö ;
sind von so eminenter Bedeutung, daß sie uns Allen am Herzen liegen müssen, daß wir dann aber die erforderlichen Organe schaffen müssen, die wir gegenwärtig nicht haben. (Sehr richtig)
Der Herr Abg. Richter hat gemeint, ich hätte mich vorzugsweise interessiert für den mißlungenen Versuch, diese ursprünglich hannöversche Höfeordnung auf die ganze Monarchie auszudehnen. Gewiß habe ich diesen Versuch mitgemacht. Aber der Herr Abg. Richter wird keinen Satz von mir finden können, daß ich aus diesem Versuch große Resultate erwartet hätte. Das Höfegesetz in Hannover hat auch sehr große Mängel, und weniger das Höfegesetz wirkt dort für die Erhal⸗ tung eines guten Bauernstandes als die Sitte und die Gewohnheit, welche es verhindert, daß man durch die nach allen Seiten hin vor⸗ handenen Lücken des Höfegesetzes hindurch Ausgänge findet. Genau so ist es in Westfalen. Die Bauern, die nicht unter das Höferecht gestellt sind, bleiben vorläufig wenigstens in derselben Rechtsverfassung thatsächlich und in denselben wirthschaftlichen Zuständen wie diejenigen leben, welche das Höferecht angenommen haben. Das beweist aber keineswegs, daß gegenüber dem Eindringen industrieller Gesichtspunkte gegenüber dem wachsenden Ueberwiegen des Mobiliarrechts, gegenüber der Freizügigkeit und andern Gründen eine solche Sitte sich dauernd würde ohne Hilfe der Gesetzgebung behaupten können.
Dann hat der Herr Abg. Richter gemeint, ich hätte mich für das erste Rentengesetz und für das zweite von 1891 sehr interessiert; beide aber haben keinen Erfolg gehabt. (Widerspruch links.) Ich war im Herrenhause, als das erste Gesetz berathen wurde; wenn ich mich recht erinnere, habe ich schon damals ausdrücklich gesagt: dies Gesetz so, wie es da ist, wird keine wesentliche Wirkung haben. Es lag mir allein daran, zum ersten Mal das Prinzip der Rentenbelastung von der Gesetzgebung anerkannt zu sehen. Wenn diese Renten nicht in Kapital verwandelt werden konnten, wenn also der Staat seine Vermittelung nicht bot, diese ewigen Renten in ablösbare Kapitalrenten zu verwandeln und dem Rentenguthersteller die Möglichkeit zu geben, Rentenbriefe zu er⸗ halten und zu veräußern, sein Betriebskapital zu erhöhen, seine Schulden zu vermindern, daß so lange aus der Sache nichts werden konnte, das war mir von vornherein klar. Deswegen habe ich allerdings von meinem Standpunkt aus das zweite, aus dem Land⸗ wirthschaftlichen Ministerium hervorgegangene Gesetz auf das stärkste befördert.
Nun, der Erfolg, den der Herr Abg. Richter nicht zu kennen scheint, indem er sagt: es giebt auch hier keine Statistik — während der Landwirthschafts⸗-Minister die Statistik der Rentengüterbildungen hier mehrfach zahlenmäßig dargelegt hat —, der Erfolg ist ein über⸗ raschend guter gewesen. Ich bin überzeugt, der Staat konnte hier wie bei der Ablösung der Feudallasten, wo er in derselben Weise verfahren hat, während es sich hier hauptsächlich um eine zweckmäßige Ver⸗ kleinerung der Güter und um eine Beseitigung, zum theil wenigstens, der Hypothekenlasten handeln wird — ich bin überzeugt: der Staat, obwohl er seine Vermittelung hier angeboten hat, obwohl er die Rentenbriefe garantiert, wird wesentliche materielle Verluste aus dieser Garantie niemals haben.
Dies ist gerade ein Beweis, wie die Vermittelung des Staats ohne wesentliche Opfer große soziale Verbesserungen durch⸗ zuführen im stande ist. (Sehr richtig) Ich bin überzeugt, die ganze Ablösung der Feudallasten wäre ohne eine Vermittelung des Staats gescheitert; noch heute würden wir in den alten Zuständen stecken, wenn der Staat damals nicht dazwischen ge⸗ treten wäre. Was damals der Staat für die Beseitigung der Feudal⸗ lasten geleistet hat, warum soll der Staat das heute nicht leisten gegenüber anderen noch gefährlicher drückenden Lasten? (Lebhafte Zu⸗ stimmung rechts.)
Uebrigens möchte ich doch betonen, daß vom Standpunkt der Staatsregierung und namentlich des Herrn Landwirthschafts⸗Ministers diese Landwirthschaftskammern keineswegs allein geschaffen sind, um ein neues Agrarrecht zu machen — davon ist garnicht die Rede —, sie sollen Berather der Regierung sein, sie sollen die gemeinsamen Interessen der Landwirthschaft aus eigener Initiative vertreten, sie sollen auch in der Lage sein, gemeinsame Einrichtungen, die für die Landwirthschaft nützlich sind, zu schaffen, sie sollen auch auf dem technischen Gebiete die Fortschritte fördern — sie sind keineswegs allein für diese eine Frage hergestellt. Das ist mir sicher, daß man den Versuch, das bestehende
Grundeigenthumsrecht — und warum sollen denn nicht für das—
Grundeigenthum besondere Rechtsverhältnisse auch möglich sein, wie wir doch für den Handel und für die Industrie in dem Handelsrecht auch ein besonderes Recht geschaffen haben — ich sage: wenn dieser Versuch mit Erfolg unternommen werden soll, so muß dafür das Handwerkszeug vorhanden sein. Wir werden dabei auf eine solche Menge Fragen stoßen, wo wir die Mitwirkung der Genossen, wenn ich so sagen darf, der nächst interessierten Berufsgenossen brauchen, daß wir nicht zu einem gedeihlichen Ende kommen mit der Behand⸗ lung der bezeichneten Fragen, wenn wir nicht die vorgeschlagenen Organe besitzen.
Nun sagt der Herr Abg. Richter: dann soll man sich wenigstens begnügen mit fakultativen Instituten. Ja, meine Herren, öffentlich—⸗ rechtliche Institutionen, die bei der Gesetzgebung mit— wirken bei Fragen, die die gesammte Landwirthschaft aller Provinzen berühren, nur so sprenkelhaft herzustellen, je nach dem Belieben und dem Vorherrschen bestimmter momentaner Anschauungen oder dem Einfluß bestimmter Männer, das ist doch an sich kein richtiges Verfahren. (Sehr richtig! rechts) Ich bin per— sönlich der Meinung, daß, wenn es dennoch dazu käme, der Nutzen, der in solchen Organisationen liegt, bald auch in anderen Provinzen erkannt werden würde, und daß man auch dort schließlich dazu über⸗ gehen würde. Aber auf diesen zufälligen Entwickelungsgang bei der Herstellung organischer Einrichtungen zu warten, das ist nach meiner Meinung doch nicht praktisch. (Sehr richtig!)
Meine Herren, die Widerstände, die ich hier sehe, beruhen meistens auf Gesichtspunkten, die nach meiner Meinung mit der Sache nichts zu thun haben. Ich unterschreibe in diesem Fall vollständig, was der Herr Abg. Richter sagt, daß hier keine liberale und keine konservative Politik getrieben wird, daß die Organisation eines Berufsstandes mit diesen Fragen nichts zu thun hat. Noch weniger kann ich glauben, daß konfessionelle Gegensätze auf diesem Gebiet von Be— deutung wären. Ich habe umgekehrt immer gefunden, daß die übermäßige Schärfe solcher Gegensätze durch die gemeinsame Arbeit an wirthschaftlichen Fragen, die alle gleich interessieren, abgeschwächt wird. (Sehr richtig Wenn Großgrund⸗
besitz und Kleingrundbesitz zusammenarbeiten an einer Aufgabe, wenn Katholiken und Protestanten, Liberale und Konservative bei gleichen Interessen und gleichen Aufgaben, die ihnen gestellt sind, zusammen⸗ arbeiten, so, bin ich überzeugt, wird nicht der Gegensatz, sondern der Friede aus diesen Organisationen hervorgehen! (Lebhafter Beifall.)
Abg. von Mendel⸗Steinfels (kons. : Die freundlichen Erklä—⸗ rungen der Herren von der Linken zu Gunsten der Landwirthschaft stoßen bei uns etwas auf Mißtrauen; wir haben immer das Empfinden, daß die Herren glauben, das Wohlbefinden der Industrie und der Landwirthschaft seien gewissermaßen Gegensätze. Die. land⸗ wirthschaftlichen Jentralvereine sind durch die, Staatszuschüsse von der Staatzregierung abhängig. Wir brauchen eine unabhängige Ver— tretung der Landwirthschaft. Die Landwirthschaftskammern ö. keine neue Erfindung des jetzigen Ministeriums, sondern schon in den vierziger Jahren sind 6. Landwirthschaftskammern mit. Selbst⸗ besteuerungtrecht verlangt worden. Die Bauern sind nicht immer in die landwirthschaftlichen Vereine hineingezogen worden, sie hahen sich zurückgehalten; sie sollen jetzt gezwungen werden, ihre Stimmen in die Wagschale zu werfen. Die landwirth⸗ schaftlichen Zentralvereine wurden bei den Maßnahmen, der letzten Jahre nicht gehört, sie wurden überhört, beim österreichischen und beim russischen Handelsvertrag. Vor zwei Jahren konnte man mit fakultativen Landwirthschaftskammern noch auskommen; die letzten zwei Jahre haben gelehrt, daß man eine obligatorische Zusammenfsassung der Landwirthschafst zu einer Interessenvertretung nothwendig braucht. Den Vereinen wird von den Landwirthschaftstammern das bisher fehlende Geld zur Verfügung gestellt werden zur technischen Förderung der Landwirthschaft. Die Lokalvereine brauchen in Zukunft ihre Bei⸗ träge nicht mehr an die Zentralvereine abzuführen, und dadurch werden sie auch finanziell gestärkt. Ob die Zentralpereine den Kammern weichen müäsfen, wird von der Leistungsfähigkeit der Kammern ab— hängen. Die Vorlage war zu bureaukratisch gestaltet, durch die Kommissionsberathung hat sie eine praktische Umgestaltung erfahren. Die Neuregelung der Kreditverhältnisse und des Anerbenrechts sind vom Regierungstische in den Vordergrund gestellt worden. Gewiß wird in einzelnen Bezirken damit nichts erreicht werden können. Aber die Landwirthschaftskammern anderer Bezirke werden auch die Möglichkeit und das Recht haben, Gesetze und Vorschriften, die für ihre Ver⸗ hältnisse nicht passen, zurückzuweisen. Kein Staat kann sich der Verpflichtung entziehen, die landwirthschaftliche Kultur zu unterstützen. Bei unz geschieht das nicht in dem Maße wie in anderen Staaten, und wir haben das Gefühl, daß die Industrie mehr unterstützt wird als die Landwirthschaft. Jedenfalls dürfen die Staatssubventionen, welche die landwirthschaftlichen Vereine beziehen, nicht aufgehoben werden. Es ist die Aeußerung gefallen, daß wir danach strebten, unsere Schulden los zu werden. Das ist nicht der Fall. Wir wollen nur die weitere Verschuldung verhindern, denn die Landwirthschaft kann die Verschuldung nicht in der Form übernehmen wie Handel und Industrie.
Die Abgg. Reinecke (fr. kons) und vom Heede (ul) haben ihre Anträge in einen verschmolzen, der dem 8 1 fol⸗— genden Wortlaut geben will:
„Zum Zwecke der korporativen Organisation des landwirth⸗ schaftlichen Berufsstandes können Landwirthschaftskammern errichtet werden, welche der Regel nach das Gebiet einer Provinz umfassen. Die Errichtung kann auf Antrag des Provinzial⸗-Landtages oder des landwirthschaftlichen Provinzial- oder Zentralvereins erfolgen.“
Abg. Sch mitz⸗-Erkelenz (Zentr.): Die Vorlage ist in der Kom⸗ mission erheblich verbessert worden, namentlich auch dadurch, daß die Börse und die Märkte scharf beaufsichtigt werden sollen. Eine Verschlechterung ist aber eingetreten in Bezug auf die Wahlen, wo der Schutz des mittleren Grundbesitzes, den die Vorlage enthält, beseitigt worden ist. Von der korporatiben Organisation wird viel gesprochen. Das Wort ist auch auf die Vorlage übergegangen, aber die Vorlage bringt eine wirkliche korporative Organisation nicht. Im Wege der Zwangsorganisation kann man die großen Aufgaben nicht erreichen, um die es sich hier handelt. Korporatives Leben kann nur gedeihen in kleinen Verbänden, nicht in einer Organi—⸗ sation, welche eine ganze Provinz umfaßt. Redner geht auf die Verhältnisse der landwirthschaftlichen Lokalvereine des Kasinos, der Kreisvereine und des Zentralvereins in Rheinland näher ein und be— streitet seinem Fraktionsgenossen, dem Abg. Freiherrn von Los, daß es diesen rheinischen Vereinen an Boden im Volk fehle. Nicht nur er, Redner, sondern auch noch andere gläubige Katholiken säßen in dem Vorstande des Zentralvereins neben liberalen und konservativen Männern; es kämen aber die politischen Gegensätze niemals zum Ausdruck. Bedenklich sei, daß die Landwirthschaft zum Objekt einer neuen Steuer gemacht werde; jedenfalls dürfe man nicht zu weit in dieser Beziehung gehen. Man sollte lieber die Staatszuschüsse für die landwirthschaftlichen Vereine erhöhen, die so niedrig seien, wie fonst in keinem anderen Staate. Das Geld dazu würde zu be— schaffen sein, wenn man dem Luxus an Postpalästen Einhalt thun und das Geld für die Landwirthschaft nutzbar machen wollte. Der Finanz⸗Minister, fährt Redner fort, hat vom Agrarrecht gesprochen. Wir haben ein gutes Agrarrecht; nur auf dem Gebiete des Erbrechts wäre etwas zu andern, namentlich durch die Erweiterung der Testier—⸗ freiheit. In Bezug auf die Verschuldung bieten die Zahlen des Finanz⸗ Ministers keinen festen Anhalt für den Westen, weil sie sich nur auf die Person mit mehr als 3000 416 Einkommen beziehen. Und wie sind die Einnahmen aus der Landwirthschaft berechnet? Wahrscheinlich hat man den Katastralreinertrag zu Grunde gelegt. Das Wahlrecht, welches die Kommission geschaffen hat, kann unter keinen Umständen auf— recht erhalten werden, weil man dadurch zu einem Gegensatz zwischen Groß⸗ und Kleinbesitz käme, der bisher vermieden wurde. In meinem Wahlkreise würden über 7000 Kleingrundbesitzer ausge⸗ schlossen sein, weil sie unter 30 „ Grundsteuer zahlen. Eine solche Abnormität ist noch bei keinem einzigen Wahlgesetz vorgekommen. Redner verweist auf den Landes-Kulturrath im Königreich Sachsen, der aus geheimen Wahlen mit gleichem Wahlrecht hervorgehe und dessen Kosten die Staatskasse trage. Auch diejenigen, welche an sich den Landwirthschaftskammern zugeneigt seien, könnten zur Ablehnung der Vorlage kommen, weil dieselbe noch nicht ausgereift sei. Deshalb wäre der Antrag auf fakultative Einrichtung von Landwirthschaftskammern ein guter Ausweg, weil da in einer Provinz die Probe gemacht werden könne, und, von ihren Erfahrungen könnten die anderen Provinzen lernen. Redner hofft, daß es nicht an Männern fehlen werde, welche an der Durchführung dieses Gesetzes mithelfen würden zum Nutzen der Landwirthschaft und des ganzen Vaterlandes.
Abg. Dr. Krause Königsberg] (nI.): Ohne die Mitwirkung der Nationalliberalen wird das Gesetz in der fakultativen Form nicht angenommen werden. Die Nationalliberalen, obwohl ein Drittel der Fraktion Landwirthe sind, versprechen sich nicht viel von diesen Kammern. Ein Bedürfniß liegt nicht vor, denn die Landwirthe sind organisiert; in allen Provinzen bestehen blühende landwirthschaftliche Vereine. Bei keinem anderen Gewerbe besteht ein so blühendes Vereins⸗ wesen mit so vorzüglichen Einrichtungen. Da sollte man doch nicht neue Experimente machen; denn man weiß nicht, ob man etwas Besseres schaffen wird. Eine staatliche Einwirkung auf die Agrar⸗ verhältnisse will ich nicht ablehnen, aber was hat das mit den Land⸗ wirthschaftskammern zu thun? Die behördlichen Organisationen sind ganz gut; jedoch wo es sich um die Wahrnehmung von Interessen handelt, ist der freiwillige Zusammenschluß der Interessenten immer das Beste gewesen. Für politische Verhältnisse sind solche fiktiven Vertretungen, bei denen nur ein kleiner Theil der Wähler sich betheiligt, nicht zu umgehen. Aber bei Interessenvertretungen liegt die Gefahr nahe, daß nicht die landwirthschaftlichen Interessen den Hauptgegenstand der Verhandlungen bilden werden, sondern andere Gegenstände. Nationale und politische Gegensätze können hervor⸗ treten. Und sind die Landwirthschaftskammern geeignet, gesetz⸗ geberische Maßregeln in Bezug auf das Erbrecht und das Kredit⸗ wesen vorzubringen? Der deutsche Landwirthschaftsrath hat gute Anregungen für die Gesetzgebung gegeben, und solche Anregungen haben ihren Werth nicht darin, von wem sie ausgehen, sondern
/ in n
lediglich in ihrer Begründung und in ihrem Inhalt. Wenn sämmtliche Tandwirthschaftskammern zusammen den staatsmännischen Antrag des Grafen Kanitz vorgebracht hätten, er hätte doch nicht mehr Erfolg ge⸗ habt. Die Minister sprachen gestern davon, man könne den Stand der Landwirthschaft nicht genügend übersehen. Da müßte dem Staats⸗ Ministerium ein großer Vorwurf gemacht werden; denn das Mini⸗ sterium verfügt über genügende Kräfte, um Umfragen aller Art zu halten. Sollen die Landwirthschaftskammern eine Enquöte veran— stalten, dann bekommen sie eine Menge Schreibereien, die man ihnen besonders fern halten sollte. Herr von Los und Herr von Erffa haben Ausfälle gegen den Liberalismus gemacht; was sie dazu veranlaßt hat, ist mir vollständig unbegreiflich. Ich bin auf den Gedanken gekommen, daß in einzelnen Kreisen der konservativen Partei das Bestreben besteht, die nationalliberale Partei zu brüskieren. Ich verweise auf einige andere Vorkommnisse hier und auch darauf, wie Herr von Manteuffel unsern verehrten Führer, Herrn von Bennigsen, brüskiert hat. Wir haben Landwirthe unter uns, und draußen im Lande gehören auch eine ganze Anzahl von Landwirthen zu uns. Aber freilich, wir blasen nicht immer sofort bei jedem neuen Schlagwort in die Trompete: heute fakultatimße und morgen obligatorische Landwirthschaftskammern! Die politischen Vereine haben gegen die Landwirthschaftekammern nicht opponiert; sondern von den Landwirthen und zwar nicht von den liberalen Landwirthen, so z. B. aus Ostpreußen, von dem dortigen Zentralverein, der durchaus der konservativen Richtung angehört, ist die Opposition ausgegangen.
Abg. Rickert (fr. Vg): Auf uns machen solche Strafpredigten von der Rechten keinen Eindruck, weil wir es schon gewohnt sind, als böse Menschen geschildert zu werden, welche, obgleich sie Grund und Boden besitzen, dennoch Feinde der Landwirthschaft sein sollen. Ich plädiere aber für Herrn von Erffa auf mildernde Umstände, weil er die Niederlage wettmachen will, welche die Konservativen am anderen Ende der Leipzigerstraße erlitten haben. Man will wenigstens etwas retten. Zuerst war man sehr kühl für die Vorlage; jetzt herrscht eine gewisse Siedehitze. Haben die Kommissionsberathungen Sie (rechts) von der Güte des Gesetzes überzeugt? (Jawohl! rechts.) Die Herabsetzung des Besteuerungsrechts ist die einzige Verbesserung der Vorlage. Namentlich in Bezug auf das Wahlrecht ist aber eine Verschlechterung eingetreten. Herr von Los scheint sich sehr schnell über seinen Antrag in Bezug auf diesen Punkt getröstet zu haben. Er findet sich mit Herrn Miquel zusammen in dem Gedanken der korporativen Organisation. Herrn Miguel habe ich schon immer für einen verkappten Kathedersozialisten gehalten; Herr von Los ist nur etwas mehr christlich⸗germanisch und denkt vielleicht auf diesem Wege die soziale Frage zu lösen. (Zuruf des Abg. Freiherrn von Los: Die Lösung anzubahnen) Davon ist schon immer die Rede gewesen, bei den Gewerbekammern u. s. w.; diese Anbahnungen blieben immer auf dem Papier stehen. Was haben alle konser⸗ vativen Reden über Vereinfachung der Verwaltung, Entlastung der Amtsvorsteher u. s. w. für einen Werth, wenn nach Abschluß jeder Session die Konservativen diese Lasten wieder vermehrt haben. Durch die Kirchenvorlage wird die Kirchensteuer vermehrt, hier wird die Land⸗— wirthschaft belastet, den Beamten werden neue Arbeiten und der Bevölkerung neue Wahlen zugemuthet. Es wäre wirklich gut, man uns mit neuen Vorlagen endlich einmal verschonte, wenn die Minister sich etwas mehr Muße ließen. Wozu sollen die Landwirth⸗— schaftskammern eigentlich dienen? Das müssen wir doch wissen, ehe wir sie bewilligen. Sicher wissen wir nur, daß zweckdienliche Organisa⸗ tionen, die Zentralvereine, zerstört werden. Berathen war die Regierung bisher schon ganz gut. Die Landwirthschaftskammern sollen die Träger großer sozialpolitischer Aufgaben sein, aber die Regierung darüber nichts verlauten lassen. Wir gehen ebenso unklar aus n Hause fort, wie wir gekommen sind. Ich bitte den nächsten Herrn Redner, mir aus dem Born seiner Weisheit etwas darüber mit— zutheilen. In Bezug auf das Erbrecht kann nicht festgestellt werden, daß die Verschuldung zugenommen hat infolge des jetzigen Erbrechts, daß der bäuerliche Besitz dadurch zurückgegangen ist. Die schwierige Lage der Landwirthschaft wird allgemein anerkannt; aber die Nothlage ist nicht eine allgemeine. Der Finanz⸗Minister selbst hat gestern erklärt, daß die Regierung die Verhältnisse nicht vollständig klar übersehen könne. Der Bund der Landwirthe könnte sich ein Verdienst erwerben durch die Anstellung einer Privatenquéte. Die Landwirthschaftskammern könnten bei der Anstellung ei Enquéte doch nicht helfen. Der Minister für Landwirthsc hat in der Kommission von einer Einschränkung der Ver schuldungsfreiheit gesprochen. Zu welchen Konsequenzen kämen dabei? Die Steuer⸗ und Wirthschaftsreformer haben schon
en 80er Jahren verlangt, daß der Staat in die Eigenthumsver hältnisse eingreifen solle, gleichsam als Ureigenthümer. Da kon wir direkt in den sozialistischen Staat hinein. Nur einen Gedanken habe ich entdeckt: Die Landwirthschaftskammern soltlen den Bund der Landwirthe ersetzen und dessen Thätigkeit in organisatorische Bahnen lenken. Das wird auch nicht eintreffen. Die Polen haben sich in das Gesetz verliebt, nachdem sie es zuerst als einen leeren Rahmen bezeichnet haben. Wenn wir boshaft sein wollten würden wir für den Antrag von Tiedemann stimmen,
die Polen zu zwingen, gegen das Gesetz zu stimmen Aber wir thun das nicht; wir geben das Gesetz mit einem non lie zurück. Herr von Erffa meinte, wir machten gegen jedes der Land wirthschaft günstige Gesetz Front. Nehmen Sie dieses Gesetz an, welches zwei Drittel der Landwirthe von dem Wahlrecht aus—⸗ schließt; das Gesetz wird Wasser auf unsere Mühlen sein. Das Gesetz kann Ihrer Agitation nur schaden.
Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden:
Meine Herren! Bei meinen früheren Ausführungen habe ich keinen Zweifel darüber gelassen, daß ich die Durchführung der Vorlage auf der Basis der Einrichtung obligatorischer Landwirthschaftskammern für nothwendig halte.
Wenn ich zum Schlusse meiner gestrigen Rede hinzufügte: falls sich das hohe Haus anders entschließt, werde für mich die fakultative Gestaltung nicht unannehmbar sein —, so war das eine der Sachlage entsprechende Höflichkeit. Dementsprechend habe ich gleich zu Anfang meiner Ausführungen gesagt: die Regierung steht den Beschlüssen des Hauses ziemlich kühl gegenüber; die Regierung habe ihre Offerte gemacht im Interesse der Landwirthschaft und werde abwarten, wozu sich das Abgeordnetenhaus entschließt. Da⸗ mit ist aber keineswegs gesagt, daß ich diese Angelegenheit etwa für gleichgültig halte oder, wie der Herr Abg. Rickert ausführte, ein Dissens zwischen dem Herrn Finanz Minister und mir besteht. Er meinte, es sei ja eine bekannte Thatsache, daß im landwirthschaftlichen Ministerium zuerst eine Vorlage auf der Basis der fakultativen Ein⸗ richtung ausgearbeitet sei. Das ist richtig, das ist auch gar kein Ge⸗ heimniß; es haben ja im vorigen Jahr Vorbesprechungen mit zahl reichen Herren auch dieses Hauses stattgefunden. Die Erklärung n Lan des⸗Oekonomie⸗Kollegiums lag vor, man möchte die Möglichteit eröffnen, daß sich landwirthschaftliche Zentralvereine zu Landwirthschafts⸗ kammern umgestalten könnten. Das sind alles bekannte Thatsachen; der eine Ausgangspunkt für die Vorlage war der, für die landwirth⸗ schaftlichen Vereine eine größere Selbständigkeit zu gewinnen. Dem— entsprechend wurde diese schwierige Materie zunächst in der Art und Weise ausgestaltet, wie es in landwirthschaftlichen Kreisen erwünscht
schien.
1U6
(Schluß in der Dritten Beilage.)
. Dritte Beilage um Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stagts-Anzeiger.
z 92.
Berlin, Mittwoch, den 25. April
1894.
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
Aber, meine Herren, neben dieser Seite der Frage fanden weitere Verhandlungen statt. Schon im Jahre 1892 war in An⸗ knüpfung an das Rentengütergesetz die Klage erhoben: wenn man den Staatskredit durch Eröffnung der Rentenbanken für die Errichtung bäuer—⸗ licher Stellen nutzbar gemacht hat, warum macht man ihn nicht nutzbar im Interesse der gesicherten Erhaltung der bestehenden bäuerlichen Stellen? Da ich im öffentlichen Leben den Standpunkt vertrete, daß, wenn ich ein Ziel verfolge, ich mich mit dem zunächst Erreichbaren begnüge: so trat ich in Vorbesprechungen darüber ein, um das, was wir zur Bil— dung neuer Bauerngüter gethan hatten, auch nutzbar zu machen zur Erhaltung der bestehenden Bauerngüter. Im Laufe dieser Verhand⸗ lungen ergab sich, daß gewichtige Bedenken entgegenstanden, das Vor⸗ handene einfach weiter auszudehnen. Wenn man diese Bedenken an⸗ erkannte, so lag keine Nothwendigkeit vor, sich zu beschränken auf den bäuerlichen Besitz, sondern die Lage des ganzen Grundbesitzes mußte dann in Frage kommen. Dies der Weg zur obligatorischen Kammer.
Nun ist in der Vorlage doch kein Zweifel darüber gelassen, daß die Staatsregierung in eine Prüfung der Frage eingetreten ist, ob die bestehenden Verschuldungsverhältnisse auf die Dauer für den länd⸗ lichen Grundbesitz erträglich sind. Ich habe gar kein Bedenken, zu sagen: nein! Die Entwickelung der Thatsachen führt dahin, daß man klar vor Augen sieht: wenn die Sachen so weiter gehen, so wird und muß eine fortschreitende Ueberschuldung des ländlichen Grundbesitzes intreten, die dahin führt, daß wir den selbständigen Grundbesitzer⸗ stand verlieren. Dem habe ich schon früher Ausdruck gegeben und trage kein Bedenken, das auch heute zu wiederholen. Ist dem so, dann besteht allerdings in meinen Augen die Nothwendigkeit, die Frage zu prüfen, ob es möglich ist, eine Verschuldungsgrenze für den ländlichen Grundbesitz einzuführen. (Hört, hört!) Ich bin absichtlich nicht auf die Frage eingegangen, welche Berathungsgegenstände den Landwirthschaftskammern später vorzulegen sein werden, weil ich mit dem Herrn Abg. Rickert für unrichtig halte, über noch nicht aus⸗ gereifte Fragen zu frühzeitig zu diskutieren.
Herr Abg. Rickert hat nun einen Vorwurs dahin erhoben, die Staatsregierung müßte über alle diese Fragen bisher schon die er⸗ forderlichen Ermittelungen angestellt haben. Bei einer Grundbesitz— Enquéte dreht es sich vorzugsweise um zwei Fragen: um die Besitz⸗ vertheilung und um die Höhe der Verschuldung. Nun ist es dem Herrn Abg. Rickert gerade so wie mir bekannt, daß wir bisher gar⸗ nicht in der Lage waren, eine wirkliche Schuldenstatistik aufnehmen zu können. Wenn auf den Staat Sachsen hingewiesen ist, daß dort Mittheilungen gemacht worden sind, wieviel an Zinsen auf dem Grundbesitz lasten und ob sie steigen, so ist das die natürliche Folge davon, daß im Staat Sachsen diejenige Einkommensteuer-Veranlagung, die wir jetzt eingeführt haben, bereits seit einer längeren Zeit besteht. Wir werden an der Hand unserer jetzigen Veranlagung auch zu diesem Ziele kommen; wir werden durch das Vermögensteuergesetz noch einen weiteren Einblick haben; aber daß wir früher überhaupt nicht ohne einen gesetzlichen Eingriff hätten zu einer einwandsfreien Verschuldungsstatistik gelangen können, das wird, glaube ich, von allen Seiten des Hauses anerkannt werden. Wir haben uns bemüht, auf diesem Gebiet wenigstens den Einblick zu erhalten, der möglich ist, indem wir die Hypothekenbewegung seit dem Jahre 1886 fortschrieben. Diese Fortschreibung hat klar gestellt, in welchem Um fange die Verschuldung zugenommen hat. Aber wir müssen in diese Verhältnisse noch tiefer eindringen. Für die Klar— stellung der Frage der Vertheilung des Grundbesitzes auf die einzelnen Besitzklassen ist die erste Grundlage gelegt bei der vormaligen Revision der Gebäudesteuer. Diese Arbeit ist zu umfangreich, um hier alle Jahre fortschreiten zu können. Dagegen sind die nöthigen Unterlagen bei der gegenwärtigen Revision der Gebäudesteuer wieder aufgenommen. Die Sache ist jetzt in Bearbeitung, und wir werden vielleicht im Laufe dieses Jahres bereits wissen, wie sich die Verhältnisse innerhalb der letzten 15 Jahre verschoben haben. Dadurch werden wir weitere Anhalte auf diesem Gebiet gewinnen, und ich stimme mit Herrn Abg. Richter vollkommen überein, daß es nöthig sein wird, noch weitere Materialien zu beschaffen, in wie weit Besitz in Todter Hand sich befindet, in wie weit er bereits gebunden ist. Aber wenn auf diesem Gebiet nicht alles Material bereits vorhanden ist, so wollen Sie sich gerade bezüglich der Verschuldungsstatistik und Besitzvertheilungsstatistik vergegenwärtigen, daß diese Sachen theils früher nicht gemacht werden konnten, theils diese Arbeiten sich auf eine längere Periode erstrecken und erst jetzt zum Abschluß gelangen.
Ich will noch einen Punkt berühren. Der Herr Abg. Rickert meinte, die Regierung habe dieses Gesetz gemacht, um damit dem Bunde der Landwirthe Konkurrenz zu machen und ihn kalt zu stellen. Meine Herren, die Anfänge der Vorlage über Errichtung von Land— wirthschaftskammern stammen aus einer Zeit, zu der der Bund der Landwirthe noch nicht bestand. Diese Annahme ist also nicht zutreffend; aber ich möchte glauben, daß wir aus dem Grade der Erregung, welche in landwirthschaftlichen Kreisen herrscht, auch ein Moment für die Erkenntniß der Lage innerhalb der landwirthschaftlichen Kreise ent⸗ nehmen können und entnehmen sollten. org,, . .
Abg. Graf von und zu Hoensbroech (Zentr.) vertheidigt seine gestrige Rede gegen die erhobenen Vorwürfe.
Äbg. von Kardorff (fr. kons) beantragt hierauf, die Ab= stimmung über 5 1 auszusetzen bis zur Beschlußfassung über § 5 wegen dez Wahlrechts; denn er könne der Vorlage nicht zustimmen, wenn nicht die Verhältnisse in Posen entsprechend dem Antrage des Abg. von Tiedemann geordnet seien.
Präsident von Koelter erklärt, daß das unmöglich sei, weil
ndere von der Gestaltung anderer Paragraphen ihre Abstimmung abhängig machen könnten.
Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.) verweist den Abg. von Kardorff auf die dritte Lesung; ebenso Abg. von Eynern (nl).
Abg. Seer (nl): Durch die Aeußerung des Abg. von Erffa, daß die Nationalliberalen kein Herz für die Landwirthschaft hätten, fühle ich mich auch gekränkt. Ich gehöre seit sechzig Jahren mit Lust und Liebe der Landwirthschaft an. In den zwanziger Jahren hatten wir noch schlechtere Verhältnisse in der Landwirthschaft als
jetzt. Damals sagten die Leute: wir müssen uns einschränken und auf bessere Verhältnisse warten. Solche Aeußerungen hört man heute nicht mehr; die jungen Leute meinen immer, es müsse von oben her kommen. Aus zwei Gründen stehe ich dem Gesetz kühl gegenüber: einmal wegen der immerwährenden Redensart von der Krönung des Gebäudes durch das Dach. Wir haben schon zweimal ein Dach auf⸗ gesetzt, erst mit dem Landwirthschaftsrath und dann mit dem Landes⸗ Dekonomie⸗Kollegium. Nun sollen wir noch ein drittes aufsetzen. Als praktischer Mann lege ich erst das Fundament und die Mauern und mache dann das Dach. Aus den Vereinen muß sich die Spitze all⸗ mählich selbst heraus entwickeln. Ferner bin ich gegen das Gesetz wegen der gesetzgeberischen Thätigkeit der Landwirthschaftskammern. Ich kann mir die Kammern als Beiräthe für Verwaltungsmaßregeln denken; aber was sie gesetzgeberisch leisten sollen, das leisten doch schon die Landwirthe hier im Hause. Eine Provinz wünscht durchaus die Landwirthschaftskammern; nun, dann wollen wir sie fakultativ einführen.
Darauf wird die Diskussion geschlossen.
In namentlicher Abstimmung wird der Antrag Reinecke⸗ vom Heede (fakultative Landwirthschaftskammern) mit 206 gegen 133 Stimmen abgelehnt.
Der Abg. Dr. Arendt (fr. kons.) enthält sich der Ab⸗ stimmung. Für den Antrag stimmen die Nationalliberalen, die Freikonservativen, die Freisinnigen, die Abgg. Dr, Krantz und Dr. Lotz (b. k. F.) sowie die Abgg. Schmitz ⸗Erkelenz und von Eynatten vom Zentrum.
S1 der Vorlage (obligatorische Landwirthschafts⸗ kammern) wird mit 230 gegen 109 Stimmen ange— nommen.
Dafür stimmen die Konservativen, die Polen, ein großer Theil der Freikonservativen, die große Mehrheit des Zentrums, darunter auch der Abg. Schmitz-Erkelenz, und von den Nationalliberalen die Abgg. Beinhauer, Hofmann, Haacke und von Schenckendorff.
Mit Nein stimmen die meisten Nationalliberalen, die Freisinnigen, ein Theil der Freikonservativen, von dem Zentrum die Abgg. Dauzenberg, Bumiller und Hodler, sowie der Abg. Krantz (b. k. F..
Um 4 ½ Uhr wird die weitere Berathung auf Mittwoch 11 Uhr vertagt.
Statistik und Volkswirthschaft. Auswärtiger Handel im ersten Vierteljahre 1894.
Nach den Handelsausweisen des Kaiserlichen Statistischen Amts sind die Zahlen für Mengen und Werthe der Einfuhr und Ausfuhr des deutschen Zollgebiets in den ersten drei Monaten dieses Jahres und des Vorjahres folgende:
Einfuhr: 6 634 891 t zu 1000 kg) im Werthe von 1 095 871 000 (M6 im Vorjahre: 5962106 t zu 1000 kg) im Werthe von 1040176000 (Mt⸗ Ausfuhr: 5 095 830 t (zu 1000 kg) im Werthe im Vorjahre: 1870798 t (zu 1000 kg) im Werthe von S36 431 000 (M
Gegen das Vorjahr hat sich also sowohl die Einfuhr⸗ als die Ausfuhrmenge gehoben; dem Werthe nach ist aber nur die Einfuhr gestiegen. Hierbei sind auch für das laufende Jahr die für das Jahr 1893 festgestellten Werthe den Berechnungen zu Grunde gelegt.
Ein neues Werk über Finanzwissenschaft.
Von dem neuen „Hand⸗ und Lehrbuch der Staats⸗ wissenschaften“, das von Kuno Fran kenstein berausgegeben wird (Verlag von C. L. Hirschfeld in Leipzig) und das wir mit dem damals zuerft erschienenen ersten Band der ersten Abtheilung: „Grund⸗ begriffe und Grundlagen der Volkswirthschaftslehre von Dr. Julius Lehr! in Nr. 247 des R. u. St.⸗A.“ vom 14. Ok⸗ tober 1893 ankündigten und besprachen, ist jetzt der erste Band der zweiten Abtheilung, enthaltend: die Grund⸗ züge der Finanzwissenschaft, zur Einführung in das Studium der Finanzwissenschaft, von Dr. Wilhelm Vocke, Kaiserlicher Ge⸗ heimer Ober⸗Rechnungs-Rath a. D., erschienen (Pr. 11 M; Verlag von C. L. Hirschfeld in Leipzig). Das „Hand- und Lehrbuch der Staatswissenschaften“ erscheint in selbständigen Bänden, deren jeder einzelne ein für sich abgeschlossenes Ganze bildet und für sich allein käuflich ist. Das ist auch mit den „Grundzügen der Finanz—⸗ wissenschaften! der Fall. Der Verfasser hat denselben Gegen⸗ stand schon in einem Buche mit dem Titel Abgaben, Auflagen und die Steuer“ behandelt; in dem vorliegenden Buche handekt es sich jedoch nicht nur um eine Wiederholung des früher Ge⸗ sagten, vielfach hat der Verfasser seine früheren Auffassungen berich⸗ tigt, vieles tiefer begründet und eingehend erläutert. In der Ein⸗ leitung behandelt er die Staatswissenschaft und die Finanzwissenschaft. Der er ste Theil ist der Gewinnung des ordentlichen Staatsbedarfs (Einnahmen) gewidmet, und dieser wird gegliedert in 1) privat⸗ wirthschaftliche Einnahmen (Domänen, Vorrechte, gewerb⸗ liche Unternehmungen), 2) Einnahmen gemischter Natur (volkswirthschaftliche Monopole, zu denen die Post, die Eisenbahnen, Telegraphie und Telephonie, die Münze und die Sprengmittel ge⸗ rechnet werden; Finanzmonopole — hierunter werden Glücksspiele, Gewerbs⸗ und Handelsmonopole gerechnet — ; Verbrauchsquflagen — Zölle und Aufschläge, die sonst sog. indirekten Steuern, die aber von Vocke nicht zu den Steuern im eigentlichen Sinne gerechnet werden —; 3) Einnahmen der Staatsgewalt (Gebühren; Verkehrtsabgaben; die Steuer im allgemeinen; die Glieder, des Steuersystems — Landwirthschaft, Gewerbe, Häuserertrag, Zinsen, Arbeitsertrag, Einkommen, Ergänzungen des Steuersystems — ). Der zweite Theil beschäftigt sich mit der Gewinnung des außerordent⸗ lichen Staatsbedarfs (Staatsschulden), der dritte mit dem Staats⸗ bedarf und seiner Verwendung (Ausgaben). Diese Eintheilung ist eine rationelle und einleuchtende. Werthvoll ist namentlich die Be—⸗ handlung der Steuer im allgemeinen und der Glieder des Steuer fystems (3. und 4. Kapitel des III. Abschnitts. Der Verfasser giebt vielfach selbständigen, von der als Gemeingut angenommenen Ueber⸗ zeugung abweichenden Ansichten Ausdruck. So tritt er dem neuer⸗ dings (besonders von Wagner) mehr und mehr hervorgekehrten fozialpolitischen Zweck der Besteuerung entgegen und macht geltend, daß der Grundsatz der Leistungsfähigkeit hierfür ausreiche und er⸗ schöpfend sei (Seite 159 u. ff). Auch die Ergänzung des Steuer⸗ systems durch die Vermögenssteuer wird von ihm theoretisch ange⸗ sochten, so fehr er auch die praktische Gestaltung dieser Ergänzungs⸗ steuer in Preußen als ö anerkennt (S. 367). Die Unter scheidung don fundiertem und unfundiertem Einkommen läßt er nicht
gelten (S. 183) und dergl. mehr. Er begründet seine Ansichten in klarer Weise, wie denn überhaupt die ganze Darstellung sorgfältig und ruhig ist; er berücksichtigt Geschichte, Theorie und Praxis in gleicher Weise und ebenso die Ergebnisse der neuesten wissenschaftlichen Forschungen. Polemische Erörterungen, die in Lehrbücher nicht hineingehören, 6 erfreulicher Weise vermieden, ebenso aber auch allzulange, von der Sache abführende gelehrte Erörterungen. Da das Werk überdies einen mäßigen Umfang hat — im ganzen nur 28 Bogen —, so bietet es für das Studium eine bequeme und praktische Anleitung.
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Dortmund wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß der Ausstand der Angestellten der dortigen Straßenbahn zu Un⸗ gunsten der Arbeiter beendet ist.
In Leipzig wurde, wie die „Lpz. Ztg. berichtet, in einer Ver⸗ sammlung der Seilergehilfen am Sonntag über den Verlauf des zu Ostern in Berlin abgehaltenen Verbandstages der Seiler und Reepschläger berichtet. Demnach lehnte der Verbandstag den An⸗ schluß der Seilerorganisation an den Verband der Textil⸗
arbeiter ab und beschloß, eine Arbeitslosenunterstützung einzuführen
und die Hilfsarbeiterinnen für aufnahmefähig zu erklären.
In Flensburg und in Lüneburg stehen, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge, Lohnbewegungen der Bauarbeiter bevor. Hier in Berlin fand am vorigen Freitag eine Versammlung der Berliner Straßen- und Lokal händler statt, um zu der Frage der Maifeier Stellung zu nehmen. Nach sehr erregter Debatte wurde, wie die Berliner „Volks⸗Itg.“ meldet, eine Ent⸗ schließung gefaßt, daß der erste Mai für die Berliner Straßenhändler gar keine Bedeutung habe, da sie der Sozialdemokratie völlig fern ständen. — Eine Versammlung der Kürschner beschloß, den zum 4. Juni d. J. nach Brüssel einberufenen internationalen Kongreß für die im Kürschnerei⸗Gewerbe beschäftigten Arbeiter zu beschicken.
Aus Wien wird dem „D. B. H.“ berichtet: Die für den Monat Juni nach Brünn einberufene allgemeine österreichische Soko⸗ listen⸗Konferenz ist polizeilich verboten worden.
Aus Pilsen wird dem D. B. H. telegraphiert: Die Spie gel⸗ glasarbeiter des hiesigen Reviers haben beschlossen, falls ihnen höhere Löhne nicht bewilligt werden sollten, sich dem Ausstand der bayerischen Glasarbeiter anzuschließen.
In Roßbach (Böhmen) stellten, wie W. T. B.“ meldet, sämmtliche Arbeiter der Hendels'schen Webwaarenfabrik gestern Vormittag die Arbeit ein; Ruhestörungen sind nicht vor⸗ gekommen. ;
Wie dem „W. T. B.“ aus Pest gemeldet wird, hat sich die sozialistische Bewegung auf die Feldarbe iter in Mako und Um gebung ausgedehnt. Es wurden umfassende Vorsichtsmaß⸗ regeln getroffen. — Dem „D. B. H.“ wird berichtet, in Hodmazö⸗ Vasarhely sei es ruhig geworden.
Der Ausstand im Falkenauer Revier verursacht, wie man der „Mgdb. Ztg.“ schreibt, bereits mannichfache Störungen. Die zahl⸗ reichen Industrie⸗Etablissements der Karlsbader Gegend müssen die Kohle aus dem entfernten Brüxer Revier beziehen, wodurch sich das Heizmaterial wesentlich vertheuert. Im Ausstande befinden sich etwa 4500 Arbeiter, die sich jedoch vollkommen ruhig verhalten. Die Arbeiter verlangen eine Lohnerhöhung, achtstündige Arbeitsschicht und Entfernung mißliebig gewordener Beamten.
Aus Antwerpen wird dem „Wolff'schen Bureau“ berichtet: Der Ausstand der Ziegelarbeiter in der Gegend von Boom ist beendet.
Aus Sosnowice wird der „Bresl. Morgen⸗3tg.“ gemeldet, daß sämmtliche Betriebe des russisch⸗polnischen Industriereviers in dem Grenz⸗Gouvernement Petrikau in einen allgemeinen Ausstand eingetreten sind. In sämmtlichen Gruben, Hütten und industriellen Etablissements ist die Arbeit niedergelegt worden. Die Ausständigen fordern Verkürzung der Arbeitszeit und Lohnerhöhung. Zur Aufrecht⸗ haltung der Ruhe sind 100 Mann Infanterie aus Czenstochau ein getroffen, eine Abtheilung Kosaken ist in den Fabriken einquartiert.
Die Vereinigung der Bergarbeiter von Scottdale (Penn⸗ sylvanien) hat beschlossen, daß alle Bergarbeiter des Distrikts sich dem Ausstande anzuschließen haben. Der Kohlentransport auf der Eisen⸗ bahn in Pennsylbanien ist fast ganz eingestellt. Zahlreiche Arbeiter sind infolgedessen ohne Arbeit. — Aus Butler (Montana) meldet „W. T. B.“: Eine Bande Arbeits loser bemächtigte sich eines Eisenbahnzuges und legte mit dem Zuge die 170 km lange Strecke bis Bozeman zurück.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Landwirthschaftliche Ausstellung in Berlin 1894.
Die Ausstellung, welche die Deutsche Landwirthschafts⸗ Gesellschaft im Treptower Park hierselbst in den ersten Tagen des Monats Juni abhält, soll ein vollständiges Bild der deutschen Thierzucht geben. Während die bisherigen Wanderausstellungen der Deutschen Landwirthschafts⸗Gesellschaft vielfach einen örtlichen Charakter in der Beschickung mit Thieren hatten, werden auf dieser Ausstellung in der Reichshauptstadt die hervorragendsten deutschen Zuchtgebiete, von Oberbayern und dem Bodensee bis zum äußersten Nordosten, vertreten sein. Innerhalb der Rinderabtheilung werden die aus den Hochalpen stammenden Schläge der Simmenthaler und andere Höhen⸗ schläge erscheinen, ebenso die schwarz⸗weißen Niederungsschläge aus Ostfriesland, Oldenburg und Ostpreußen, daneben die rothweißen Schläge aus Schleswig-Holstein u. s. w. Pferde schicken Ostpreußen, Schleswig⸗Holftein, Hannover, Oldenburg. Der preußische Staat be⸗ theiligt sich durch Ausstellung von Deckhengsten und Militärpferden. In der Schafabtheilung sind sämmtliche in Deutschland gehaltenen Schafrassen vertreten. Ebenfalls reich ist die Abtheilung der Schweine und berhältnißmäßig reich die der Ziegen beschickt. Der Umfang der Geflügelabtheilung läßt sich noch nicht übersehen, da der Anmelde⸗ termin erst am 10. Mai geschlossen wird.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln. Cholera. . Lemberg, 24. April. Im Bezirk Husiatyn sind, laut Meldung des . W. T. B.“, 2 Personen an Cholera erkrankt und 2 gestorben.
Lissabon, 24. April. . W. T. B. meldet: Heute sind hier 9g3 Fälle von choleraartigen Erkrankungen vorgekommen, von denen jedoch keiner tödtlich verlief.
Handel und Gewerbe.
Wie „W. T. B.“ von zuständiger Seite erfährt, sind auf die zur Zeichnung aufgelegten 168 Millionen 3 proz. Reichs⸗ Anleihe 46590 Millionen gezeichnet worden. Es dürften somit 40 Proz. auf die Zeichnung entfallen.
Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks
an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr find am 24. d. M. gestellt 10 273, nicht rechtzeitig
gestellt keine Wagen. .