Ober ⸗Bürgermeister Bräsicke⸗ Bromberg; Es muß endli einmal ein Änfang gemacht werden, und deshalb will ich den Versuch machen, im nächsten Herbst ein Gesetz vorzulegen.
Graf von Frankenberg bemängelt das Stellen von Extra⸗ zügen aus dem Bezirk Oberschlesiens für die Sachsengängerei und empfiehlt dem Vorredner eine Verschrift in seinem Gesetze, wodurch aus benEisenbahnüberschüssen ein Fonds für Kleinbahnen ausgeschieden werde. Die 3 Schlesien und . hätten sich dieser Sache am meisten angenommen, aber die leinbahnen würden gerade in den reichen Gegenden gebaut, nicht in den armen Gegenden, wo man sie am! besten' gebrauchen könnte. Redner bedauert, daß den Klein bahnen soviel bureaukratische Schwierigkeiten bereitet würden. Die Provinzen hätten keine erheblichen ittel, um die Kleinbahnen zu unterftützen, darum müsse man auch Staatsmittel verfügbar machen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Ich bin mit dem Herrn Grafen von Franken⸗ berg durchaus einerlei Meinung, daß die Kleinbahnen möglichst von allen unnöthigen Hemmnissen befreit und ihre Entwicklung im Inter⸗ esse des Landes gefördert werden müsse. Allein, meine Herren, man darf doch nicht vergessen — und dem ist ja in dem Kleinbahngesetz auch Ausdruck gegeben —, daß die Kleinbahnen in sehr viele Rechtssphären eingreifen, und daß infolge dessen doch auch die durch dieses Ein⸗ greifen in Gefahr kommenden Rechte vorsichtig geschützt werden müssen. Das macht eine Erwägung der Verhältnisse nach allen Richtungen hin nothwendig und erfordert sehr häufig, da wo die Verhältnisse etwas schwieriger sind, auch eine längere Zeit, um die Verhandlungen zu einem allseitig befriedigenden Ergebniß zu führen. Meinerseits sind die mir unterstellten Organe wiederholentlich darauf aufmerksam gemacht und dringend ersucht worden, das Kleinbahnwesen thunlichst zu fördern.
Meine Herren, solche lokalen Termine, wie sie Herr Graf von Frankenberg nach österreichischem Vorgang als Muster hingestellt hat, bestehen auch bei uns. Die landespolizeilichen Prüfungen sind solche Lokaltermine, bei denen alle Interessenten zugezogen werden. Die Herren Vertreter des Kriegs⸗Ministeriums können natürlich zu solchen Lokalterminen nicht zugezogen werden, da die Fragen, die im Ressort des Herrn Kriegs⸗Ministers erörtert werden müssen, sich der öffent⸗ lichen Diskussion vollständig entziehen.
Was nun die Spezialangelegenheit der Bahn von Trachen— berg nach Militsch anbetrifft, so hat Herr Graf von Frankenberg ja bereits erwähnt, daß die Hindernisse beseitigt worden sind. Ich möchte nur im allgemeinen bemerken, daß im Kleinbahngesetz schon bestimmt ist, daß alle diejenigen Bahnen, welche innerhalb einer gewissen Zone, von der Grenze gerechnet, ausgeführt werden sollen, der ausdrücklichen Zustimmung des Herrn Kriegs⸗Ministers unterworfen sind aus sehr natürlichen militärischen Gründen.
Meine Herren, die Ausführung des Herrn Grafen von Franken⸗
berg, daß das Kleinbahnwesen sich zur Zeit nur in den besser situierten Provinzen und Gegenden entwickelt habe, ist doch nicht ganz richtig. Ich habe schon im anderen Hause ausgeführt — und Herr Graf von Frankenberg hat ja dasselbe gesagt — daß von allen Provinzen die Provinz Pommern als ein leuchtendes Vorbild in der Entwickelung des Kleinbahnwesens dasteht, und wenn man be— haupten wollte, die Provinz Pommern wäre eine unserer reichsten Provinzen (Zuruf: Dann würde man sich sehr irren), dann würde man jedenfalls einen sehr berechtigten Widerspruch er⸗ fahren. Aber auch in anderen Gegenden, in den Provinzen Posen sowohl wie in Ost⸗ und Westpreußen, von denen man doch auch nicht behaupten kann, daß sie zu den wohlhabenden gehören, sind Klein⸗ bahnprojekte an den verschiedensten Stellen aufgestellt worden. Das Kleinbahnwesen nimmt im allgemeinen einen sehr erfreulichen Fortgang; wir werden gegen Ende dieses Jahres wohl mit Sicherheit bereits über 1000 km im Bau haben, und es regt sich In allen Ecken und Enden ein sehr lebhaftes Interesse für die Klein⸗ bahnen. Das Kleinbahnengesetz hat aber auch nach einer anderen Richtung hin eine sehr erfreuliche Anregung gegeben. Es hat auch den Sinn wieder dafür geweckt, kleine Lokalbahnen, die nicht in den Rahmen der Kleinbahnen hineinpassen, aber andererseits auch nicht zur Ausführung durch den Staat geeignet sind, als Nebenbahnen im Wege der Privatunternehmung zu bauen; auch nach dieser Richtung hin ist ein erfreulicher Aufschwung nicht zu verkennen. Eine ganze Reihe von derartigen Projekten sind aufgestellt, die Genehmigung zu den Vorarbeiten ist ertheilt worden für 34 neue Privatnebenbahnen, und einem Theil ist bereits die definitive Konzession verliehen, sodaß mit aller Zuversicht ausgesprochen werden kann, daß, wenn nicht besondere wirthschaftliche oder politische Krisen eintreten, wir in einigen Jahren eine sehr erhebliche Verdichtung unseres Eisenbahnnetzes haben werden. Ich möchte daher glauben, daß es besser sein würde, weitere Er⸗ fahrungen abzuwarten, ehe mit neuen Maßregeln in dieser Beziehung vorgegangen wird.
Was nun die von Herrn Grafen von Frankenberg hervorgehobene Frage der staatlichen Unterstützung des Kleinbahnwesens durch Bei⸗ hilfen anbetrifft, so habe ich in diesem hohen Hause sowohl wie im anderen Hause wiederholt Gelegenheit gehabt, darauf hinzuweisen, daß die Einstellung von allgemeinen Unterstützungsfonds in den Etat doch auch ihre sehr bedenkliche Kehrseite hat; sie würde meines Erachtens zur Folge haben, daß die Entwickelung des Kleinbahnwesens nicht ge⸗ fördert, sondern eher gehemmt wird. Es würde dann keine Kleinbahn mehr in Angriff genommen werden, wenn ihr nicht vorher eine Unterstützung zugesichert wird, und es würde dann ganz derselbe Wettlauf bei den Kleinbahnen beginnen, welchen wir seit Jahren bei den Nebenbahnen haben beobachten können. Nun ist es gar keine Frage, daß eine ganze Reihe von Kleinbahnen — der Rahmen der Kleinbahnen ist ja be⸗ kanntlich im Gesetz von 1892 sehr weit gegriffen — absolut keiner Unterstützung bedürfen, und daß daher auch keine Unterstützung seitens des Staats gegeben werden darf. Es giebt eine ganze Reihe von Kleinbahnen, die von vorn herein mit voller Sicherheit eine Renta⸗ bilität erwarten lassen; ein anderer Theil der Kleinbahnen — ich weise nur auf die Pferdebahnen u. dgl. hin — würde auch von diesen Unterstützungen ausgeschlossen werden müssen. Das aber im Etat oder gesetzlich zu fixieren, halte ich doch für sehr bedenklich. Dahin⸗ gegen würde meines Erachtens da, wo ganz besondere Verhältnisse obwalten, wo also bei den Kleinbahnen sehr kostspielige Bauten — ich will einmal sagen Brücken über einen Fluß oder derartige Bauten auszuführen sind, die Frage in Erwägung gezogen werden können, ob nicht für diesen Fall eine Beihilfe des Staats gewährt werden kann. (Bravo!)
Wirklicher Geheimer Rath von 3 bedauert die Antwort des Ministers auf seine Bitte. Die Staffe tarife seien aufgehoben im Interesse des Westens, aber die Schädigung der Provinz? randenburg lasse man bestehen.
Graf von Klinckowstroem: Die Klagen des Vorredners zeigen die Folgen des Aufgebens einer durchaus richtigen 6 man kommt dann zu Ausnahmemaßregeln. Der Tarif von Königs berg nach Berlin nützt uns in Ostpreußen wenig, es kann nur mit einer allgemeinen Maßregel geholfen werden.
Rittergutsbesitzer von Klitzing bedauert, daß der Minister nicht eine Einschränkung der Arbeiter⸗Wochenkarten zugesagt habe; denn die Landgemeinden hätten davon keinen Vortheil; sie trügen die Schullasten und Armenlasten für die betreffenden Arbeiterfamilien und hätten dann nichts als den Import von Verrohung, Verlumpung und Sozialdemokratie.
Dber⸗Bürgermeister Bötticher Magdeburg empfiehlt eine baldige , des Planes für den Umbau des Zentralbahnhofes in
agdeburg zur Beseitigung der Niveauübergänge.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Es sind drei Punkte, die der Herr Ober⸗Bürgermeister eben er⸗ wähnt hat. Das sind erstens zwei Umbauten von Bahnhöfen. Der eine, der große Bahnhof in Buckau, ist zur Zeit bereits im Umbau begriffen. Für den zweiten, den Zentralbahnhof in Magdeburg, sind die Projekte so weit fortgeschritten, daß sie als Unterlage für die dem⸗ nächstigen finanziellen Erörterungen dienen können. Der dritte Bau, den man wohl nach bekannten Mustern als das Schmerzenskind von Magdeburg bezeichnen kann, ist augenblicklich in Projektierung be⸗ griffen und ich habe mich sehr gefreut über die Wärme, mit der gerade der Herr Ober⸗Bürgermeister Bötticher auf diesen Punkt hin⸗ gewiesen hat, weil ich daraus schließe, daß die Stadt Magdeburg einen sehr erheblichen Theil zu den Kosten beitragen wird. (Heiterkeit.)
Auf eine Anregung des Grafen von Werthern-Beichlingen erwidert der ,
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Dem Herrn Grafen von Werthern kann ich ant⸗ worten, daß sein Wunsch erfüllt ist. Er hat die Erfüllung nur nicht am richtigen Orte gesucht. In dem Ordinarium des diesjährigen Etats Seite 59 steht: „Ausbau des Haltepunktes Etzleben (30 000 1606) und des Rangierbahnhofes Schönefeld (100 000 S6) für Einrichtung des Güterverkehrs“ und in der unsererseits dem Herrn Finanz ⸗Minister gegebenen Begründung steht: der Veranschlagung liegt die Bestim⸗ mung zu Grunde, daß die Interessenten den Grund und Boden zur Verfügung stellen, und außerdem zu den auf 38 200 M ermittelten Anlagekosten den baaren Zuschuß von S200 S½ leisten, sodaß der Staatskasse 30 000 406 verbleiben.
Damit ist der Wunsch des Herrn Grafen von Werthern erledigt. (Graf von Werthern: Da bitte ich sehr um Verzeihung; das hatte ich allerdings ganz übersehen. — Heiterkeit.)
Beim Etat des Handels-Ministeriums empfiehlt
Ober⸗Bürgermeister Struckman n- Hildesheim die Ausdehnung der Krankenversicherung auf das Gesinde, damit auch die landwirth⸗ schaftlichen Arbeiter der Versicherung unterstellt werden könnten, deren Unterscheidung vom Gesinde sehr schwierig sei.
Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:
Der Herr Vorredner hat richtig ausgeführt, daß die Unterscheidung zwischen ländlichem Gesinde und ländlichen Arbeitern im einzelnen Fall schwierig ist und daß die Durchführung der Krankenversicherung bezüglich des ländlichen Gesindes auf Schwierigkeiten stößt. Die An⸗ regungen aus der Provinz Hannover, die dort zu einem Beschluß des Pro⸗ vinzial⸗Landtags führten und heute von dem Herrn Vorredner wieder auf⸗ genommen sind, haben seinerzeit zu Verhandlungen innerhalb der bethei⸗ ligten Ressorts, und zwar des Ministeriums des Innern, des Ministeriums für Handel und Gewerbe und des Ministeriums für die Landwirth⸗ schaft geführt. Es hat sich aber herausgestellt, daß, abgesehen von Hannover, in den übrigen Landestheilen das Bedürfniß zu einer ge⸗ setzlichen Regelung der Angelegenheit für jetzt nicht anerkannt wird. Nach vielfachen und eingehenden Erwägungen der Angelegenheit haben wir uns deshalb entschlossen, dieselbe zur Zeit legislatorisch nicht weiter zu verfolgen.
Ober⸗Bürgermeister Dr. Baumbach⸗Danzig wendet sich gegen die
Bemerkung des Berichts der Finanzkommission, daß die Fabrik⸗ Se n mehr die Interessen der Arbeiter als die der Arbeitgeber
cksichtigten. Das Fei begreiflich, da es sich dabei um die Aus⸗ , . hir e igen . nicht um den Schutz der Arbeitgeber. Redner eimpflehlt, die Gewerbe⸗Inspektoren nicht in den Rahmen der Bezirksregierungen einzufügen, sondern selbständiger zu machen und direkt unter den Handels-Minister bezw. unter einen General⸗Inspektor zu stellen.
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:
Meine Herren! Die Organisation der Gewerbe⸗Inspektoren ist mi dem Ablauf des vorigen Etatsjahres beendet; sie weist nur höchstens insofern Lücken auf, als noch nicht alle Stellen definitiv besetzt sind, welche definitiv besetzt werden können, und das liegt daran, daß bis jetzt noch nicht alle Beamte, die bis in die letzte Zeit hinein mit dem Amt betraut worden sind, schon die genügende Zeit gehabt haben, um zu zeigen, daß sie für eine definitive Anstellung auch die geeigneten Persönlichkeiten sind. Sobald das aber geschehen sein wird, werden auch die letzten Beamten definitiv angestellt werden, und der ganze Plan ist somit als ein ausgeführter und vollendeter anzusehen. Selbstverständlich muß es vorbehalten bleiben, hie und da noch eine Abänderung auch in der Abgrenzung der Bezirke vorzunehmen; aber im großen und ganzen, wie gesagt, kann ich nur wiederholen, die Organisation ist pollkommen fertig und vollendet und hat sich nach unserem Dafür⸗ halten auch bis jetzt gut bewährt.
Im vorigen Jahre hat seitens eines Beamten des Handels⸗ Ministeriums eine eingehende Revision einer großen Zahl der be— treffenden Beamten stattgefunden, ihrer Geschäftsführung, ihrer geschäft⸗ lichen Thätigkeit, und diese Inspektion hat zu einem durchaus befriedigenden Resultat geführt, sodaß wir im großen und ganzen annehmen dürfen, auch bezüglich der auszuwählenden Persönlichkeiten keine Mißgriffe begangen zu haben, obgleich die Frage der Auswahl der Gewerbe⸗Inspektoren selbstverständlich eine der allerschwierigsten für uns ist, weil eine bestimmte Vorbereitung für dieselben nicht existiert und wir die Männer da nehmen müssen, wo wir sie als durch wissenschaftliche und praktische Vorbildung genügend vorbereitet finden.
Es befinden sich unter unseren Gewerbe⸗Inspektoren eine sehr be⸗ deutende Anzahl ehemaliger Industrieller. Es ist diese Frage auch in den Kommissionsberhandlungen angeschnitten worden; ich habe schon damals bemerkt, daß, wo wir in der Lage sind, Industrielle, mit der Industrie vertraute Persönlichkeiten zu finden, wir gerade diese aus⸗ wählen, und so stellt sich denn auch heraus, daß von den Regierungs⸗ Gewerberäthen, deren Zahl im ganzen 26 beträgt, 12 frühere Gewerb⸗ treibende, Industrielle sind, von 92 Inspektoren 49 und von 51 Assistenten 27. Hieraus erhellt, daß auf praktische Kenntniß hier ein ganz bedeutendes Gewicht bei der Auswahl der betreffenden Per⸗ sönlichkeiten gelegt worden ist.
Was die Bemerkung des Herrn Vorredners betrifft, das Institut möge auch in derselben Weise bezüglich der Verpflichtungen den Arbeitern gegenüber wahrgenommen werden, wie das bisher geschehen, so ist es selbstverständlich unsere Aufgabe, dafür zu sorgen. In der Instruktion, welche den Aufsichtsbeamten ertheilt worden ist, ist ihnen zur Pflicht gemacht worden, zunächst dahin zu streben, sich eine Vertrauensstellung zu erwerben, die ihnen sowohl Eingang bei den Arbeitgebern wie bei den Arbeitnehmern in gleicher Weise ver⸗ schafft. Meine Herren, diese Aufgabe zu erfüllen — das habe ich mir ja auch erlaubt in der Kommission zu bemerken — ist vielleicht eine der allerschwierigsten bei einem so neuen Institut, für das wir bisher keine : Vorschule haben und das — das darf ja auch nicht verkannt werden — wenigstens von einer Seite von Anfang an nicht mit ganz offenen Armen aufgenommen ist. Es ist begreiflich, daß die Industrie, die sich bisher in ihrer Bewegung völlig frei fühlte, nur von der Ortspolizeibehörde, der eine technische Kenntniß der Betriebe nicht innewohnte, beaufsichtigt wußte, nicht überall mit Freuden ein Institut begrüßte, welches die spezielle Aufgabe hatte, darauf zu sehen, daß die Vorschriften der Gewerbeordnung und der auf Grund derselben erlassenen Polizeivorschriften überall genau er— füllt werden. Meine Herren, ich glaube aber behaupten zu können, daß auch in industriellen Kreisen im großen und ganzen sich ein Widerstreben gegen die Aufsichtsthätigkeit der Fabrikaufsichte—, beamten nicht gezeigt hat. Ich will nicht in Abrede stellen, daß hin und wieder auch Ungeschicklichkeiten vorgekommen sind; ich habe das bereits in der Kommission gesagt. Es ist nicht verwunderlich, daß bei einer so neuen Einrichtung der eine hin und wieder einmal mehr thut, als er kluger⸗, verständiger⸗, praktischerweise thun sollte, es kommt selbstverständlich auch das Gegentheil por, daß einer etwas zu wenig thut; in beiden Fällen wird die Aufsichtsbehörde die Aufgabe haben, die betreffenden Persönlichkeiten zu korrigieren und auf ihre Pflicht aufmerksam zu machen. Wenn ich den Herrn Vorredner recht verstanden habe, ist er auch der Meinung gewesen, daß es sich empfehlen dürfe, einen Weg zu suchen, um die Gewerbe⸗Aufsichtsbeamten selbständig, unabhängig von der Regierung zu machen und an ihre Spitze einen Oberbeamten gleicher Qualität zu stellen, der unmittelbar unter dem Handels⸗Minister die Aufsicht über diese Beamten führt. Meine Herren, diese Frage heute definitiv zu beantworten, würde meines Erachtens verfrüht sein; ein Institut, das noch so neu ist, sollte man, glaube ich, jedenfalls nicht sofort in eine so unabhängige, freie Stellung hineinbringen. Aber ich möchte doch gleich eins bemerken. Mir erscheint eine völlige Los— lösung der Gewerbe-⸗AUufsichtsbeamten von den Regierung⸗ Präsidenten und von der geschäftlichen Thätigkeit der Re— gierungen äußerst bedenklich (sehr richtig); bei dem nahen Zusammenhang, in dem die Verwaltungsthätigkeit der Regierungen auf den verschiedenen gewerblichen Gebieten mit der Thätigkeit der Aufsichtsbeamten steht, würde es unausgesetzt zu Kollisionen, zu unzulänglichen Informationen, zu Reibungen aller Art Anlaß geben, wenn wir neben der Regierung eine völlig von ihr unabhängige und selbständige Gewerbeaufsicht einführen wollten. Ich bin im Gegentheil der Meinung, daß das, was wir j besonders erstrebt haben, den Gewerbe⸗Räthen eine den Regierung Räthen gleichwerthige Stellung bei den Regierungen zu schaffen, si unmittelbar unter den Regierungs⸗Präsidenten zu stellen, nicht nur zu Hebung ihrer Stellung beigetragen hat, sondern auch gm z wesentlich zur Erleichterung des Geschäftsbetriebs sowobl der Regierungen, als auch der überwachenden Thätigkeit der Aufsichtsbeamten. Die Frage, ob es sich empfiehlt, über die an Ort und Stelle thätigen Aufsichtsbeamten im Ministerium einen Zentralgewerberath oder Generalgewerberath — wie man es nennen will, zu setzen, muß meines Erachtens auch noch offen bleiben. Ich will nicht in Abrede stellen, daß dieser Ge— danke manches für sich hat; zur Zeit indessen haben wir ja eine Einrichtung, die der von dem Herrn Vorredner ge— wünschten doch sehr nahe kommt, insofern als ein Referent im Ministerium die Aussicht über und die Bearbeitung der Angelegen⸗ heiten sämmtlicher Gewerbe⸗Räthe und „Inspektoren in der Hand hat, sie kontroliert und mit ihnen Konferenzen abhält, in denen er sich mit ihnen über die Erfahrungen, die sie gemacht haben, und die daraus zu ziehenden Schlüsse unterhält. Es existiert nur insofern ein Unter⸗ schied gegen den Wunsch des Herrn Vorredners, als der be— treffende Beamte zur Zeit nicht ein Techniker ist, der er nach seinem Wunsch, wie ich annehme, sein soll. Meine Herren, das ist, wie gesagt, eine Frage, die der Zukunft vorbehalten werden muß. Nach einer Richtung aber werden wir unsere Thätigkeit vor— nehmlich entfalten müssen, nämlich dahin, häufiger Konferenzen mit unseren Gewerbe⸗Räthen abzuhalten, damit einer dem anderen seine Erfahrungen mittheilt. Es lassen sich aus jedem Bezirk Lehren schöpfen, die in dem anderen verwendbar sind. Also in dieser Br ziehung würde ich glauben den Wünschen des Herrn Vorredners nach⸗ kommen zu können.
Bei dem Etat der Polizeiver waltung bemängelt Sber⸗Bürgermeister Struckman n⸗Hildesheim, daß zu wenig Richterftellen vorhanden seien, daß viele Geschäfte von diaͤtarisch M= estellten, ja von unbesoldeten Assessoren erledigt werden müßten. edner verweist besonders auf das Amtsgericht in Hildesheim. f Geheimer Ober⸗Justiz Rath Vierhaus erkennt das Bedürfnih in Hildesheim an; e n ,, hätten aber nur die dringendsten Fälle berücksichtigt werden können. — ⸗ . 3 Koh li-Thorn empfiehlt den baldigen Neubau des Amtsgerichts in Thorn. ö ö ö . von Jerin-⸗Gesess bemängelt die Auswahl des Bauplatzes für das Amtsgerichtsgebäude in Ottmachau. gal ,, Ober. Justiz⸗Rath Starke ertheilte in beiden Fällen befriedigende Auskunft. . — Bei dem Etat des Ministeriums des Innern ,. Graf von Hohenthal auf die Verfügung des wn, . zurück, welche den Beamten den Wahlerlaß vom 4. Jan, n in Erinnerung brachte, und tadelt das Gebahren der lUinkoli J. Presse in 3. Angelegenheit. Die Beamten hätten die edi f g politik zu vertreten. Nach Annahme der fil iiß wan fr habe sichrdit Agitation der A rarier gegen die Handelsvertragspo itik gewen 6 die Linksliberalen hätten die Regierung aufgefordert, gegen die , . gefinnten Landräthe vorzugehen. Es sei kein Fall einer Agita . ines Beamten gegen die Regierungspolitik bekannt r e . Erlaß habe alstz eigentlich gar keine Bedeutung, Man e, langt, daß die Landräthe dem Bund der Landwirthe fern z ĩ . Cine solche Vereinigung sollte man nicht nach einzelnen Kunde ö en beurtheilen. Wenn das Reichskanzleramt noch mi ae, Hin ter astbium verbunden wäre, dann wäre die Verfügung nicht ergangen.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
. Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Montag, den 30. April
1894.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg:
Meine Herren! Der Zusammenhang des zuletzt von dem Herrn Vorredner erwähnten Gegenstandes mit meiner Verfügung vom 20. Dezember v. J. ist so lose, daß ich es mir versage, darauf näher einzugehen.
Ich kann dem Herrn Vorredner auch darin nicht beitreten, daß er es vereinbaren will, zu sagen, er wolle die Verfügung nicht angreifen, und gleichzeitig auszuführen, daß zu einer solchen Verfügung eine Ver— anlassung nicht vorlag. Denn grundlose Verfügungen zu erlassen, ist jedesmal ein Fehler — wenn auch nicht gerade der häufigste, doch jedesmal ein Mißgriff. Darum ist der Angriff auf diese Verfügung ein scharfer, wenn er auch in wohlwollende Form gekleidet ist.
Nun muß ich — ich habe nicht geglaubt, daß es hier nöthig sein würde, auf diese Verfügung zurückzukommen, ich bin nicht auf den Gedanken gekommen, daß sie hier eine Anfechtung erfahren würde, ein Zufall nur fügte es, daß ich sie hier habe — zunächst, was den Inhalt derselben betrifft, eins hervorheben: Herr Graf von Hohenthal hat gemeint, der Erlaß vom Januar 1882 drücke nicht aus, daß die Pflichten, welche den Beamten ihre Stellung auf— erlegen, unter allen Umständen zu erfüllen wären. Ich glaube nicht, daß es gelingen wird, in dem Erlaß eine Andeutung dafür zu finden, daß es eine solche Ausnahme gebe. Meine Ueberzeugung ist — und sie ist in diesem Erlaß bestätigt — daß, wer ein Amt hat, die Pflichten, die dieses Amt ihm auferlegt, unter allen Umständen erfüllen muß. (Sehr richtig!)
Ebenso acceptiere ich aber die Erklärung, die damals vom Fürsten Bismarck diesem Erlaß gegeben wurde, daß er nach seiner Bedeutung nicht bloß, sendern nach seinem ausdrücklichen Wortlaut sich keineswegs darauf bezieht, einen Einfluß zu üben, wie die Beamten bei Wahlen ihre Stimme abgeben sollen; — das ist ihre Freiheit. Es ist auch noch eine Freiheit mehr vorhanden: sie können auftreten und sich äußern in den parla— mentarischen Körperschaften, wie es ihnen beliebt, demgegen⸗ über giebt es keine Disciplin. Eine andere Frage freilich ist die, ob es wohlgethan wäre — wenn es jemals vorkommen sollte — daß ein Beamter von dieser Freiheit so Gebrauch machte, daß er nicht in der Lage wäre, das, was er sagte, auch außerhalb des Hauses sagen zu dürfen. Meine Meinung ist die, daß diese Gefahr nicht besteht; denn man kann unter allen Umständen seine freie Ueberzeugung offen und mit allem Gewicht aussprechen, ohne mit jenen Pflichten in Kollision zu gerathen. (Bravo!)
Nun, meine Herren, komme ich auf den Hauptpunkt, der allein mir Veranlassung gegeben hat, das Wort zu ergreifen. Ich glaube, Herr Graf Hohenthal kann sich nicht weit umgesehen haben, wenn er mir vor⸗ wirft, daß ein Anlaß zu der Verfügung nicht vorgelegen habe. Es ist bereits gestern von mir darauf hingewiesen worden, daß die wirth⸗ schaftlichen Kämpfe in der Regel einen scharfen Charakter annehmen und in den ländlichen Kreisen namentlich sich auf alle Schichten er— strecken. Es war sehr natürlich, daß eine Anzahl Landräthe in die landwirthschaftliche Bewegung in ibren Kreisen mit hineingezogen wurden und dabei in die Gefahr geriethen, mit den Pflichten, die ihr Amt ihnen auferlegt, in Konflikt zu kommen. Das, meine Herren, war genügende Veranlassung für mich, eine Verfügung zu erlassen, welche in dieser Beziehung eine Warnung enthielt und die Herren darauf aufmerksam machte, daß es in dieser Richtung ein Maß gebe, welches nothwendig eingehalten werden müsse, und dessen Einhaltung unter allen Umständen sicher zu stellen mir oblag.
Ich glaube also, meine Herren, ich habe gerade den Herren, auf die Herr Graf von Hohenthal hinwies, einen Gefallen gethan mit der Verfügung, und diese meine Auffassung hat bei seinen Gesinnungs⸗ genossen im anderen Hause auch volle Anerkennung gefunden. (Sehr richtig!)
Und nun, meine Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch eins hinzufügen. Der Herr Vorredner hat angedeutet, diese Verfügung und ihr Inhalt — das könne er natürlich finden — würde vem amtlichen Standpunkt aus für ganz zutreffend gehalten; ich würde es aber natürlich finden, wenn man im Lande und unter Nichtbeamten anders darüber urtheilte. Nun ist mir sehr wohl bekannt, daß allerdings auch anders geurtheilt worden ist. Aber, meine Herren, ich muß Ihnen auf⸗ richtig sagen: ich habe niemals geglaubt — und wenn nicht in vollem, so doch in überwiegendem Maße hat sich das bestätigt —, ich habe niemals geglaubt, daß die Konservativen das anders beurtheilen würden. (Sehr richtig!)
Die haben besonders das volle Interesse daran, daß die Beamten Seiner Majestät des Königs sich stets und voll der Pflichten bewußt sind, welche ihr Amt ihnen auferlegt (sehr richtig), und ich bin über⸗ zeugt, daß Sie mich in der Aufrechterhaltung dieses Grundsatzes auch fernerhin unterstützen werden. (Lebhafter Beifall.)
Bei dem Etat der landwirthschaftlichen Verwal— tung verlangt
Rittergutsbesitzer von Klitzing Abwehrmaßregeln gegen die Schweinepest: die Tödtung aller infizierten Thiere, das Verbot der Schweineeinfuhr und des Schweinetreibens.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat eine Angelegenheit zur Sprache gebracht, die allerdings für das Land und die landwirthschaft⸗ liche Verwaltung von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. In dem Reichs⸗Viehseuchengesetz sind der Rothlauf der Schweine und die Schweinepest, welche letztere erst in neuerer Zeit in größerem Umfang aufgetreten ist, nicht unter den Krankheiten genannt, welche der Anzeige⸗
pflicht unterliegen, sodaß veterinärpolizeilich nicht viel geschehen konnte.
Schweinepest und die Schweineseuche sind schwer zu unterscheiden. Diese Krankheiten sind im vorigen Jahre in Gegenden aufgetreten, wo sie bisher nicht herrschten, sodaß die Gefahr einer allgemeinen Verbreitung vorlag. Das hat mir Veranlassung gegeben, der Frage
einer Entschädigung für Verluste durch diese Krankheiten im Interesse
der kleinen Besitzer und Arbeiterbevölkerung näher zu treten und Er— mittelungen über den Umfang der ganzen Seuche, wie sie im Lande besteht, zunächst für die Gegenden rechts der Elbe anzustellen. Inzwischen soll zur kräftigeren Bekämpfung aller Viehseuchen, wie Ihnen bekannt, durch ein Reichs⸗ gesetz über die Erweiterung der Vollmachten der Veterinär— polizei Fürsorge getroffen werden. Im Reichstag ist dasselbe bereits zur Verabschiedung gelangt und liegt jetzt dem Bundesrath zur Beschlußfassung vor. Die Ausführung dieses Veterinärgesetzes wird den Bundesrath nöthigen, die bestehende Ausführungsinstruktion zu revidieren, und dann werden auch Bestimmungen über die Bekämpfung der Schweinepest in Vollzug gesetzt werden. Nun wünscht der Herr Vorredner energische Maßregeln zur Verhinderung der Einschleppung von Seuchen aus dem Auslande. Ich weiß nun nicht, ob der Herr Vorredner sich darüber klar ist, in welchem Umfange unsere Grenzen gesperrt sind. Zur Zeit kommt überhaupt nichts Anderes herein wie in bestimmte Schlachthäuser. Es ist mit großer Schärfe eingegriffen, und Aus⸗ nahmen bestehen nur da, wo man die Ernährungsderhältnisse der Arbeiterbevölkerung in den Grenzdistrikten nicht außer Augen setzen darf. Der Herr Vorredner wünscht weiter, daß das Schweine⸗ treiben gänzlich verboten werde. Ich bin mir nicht klar geworden, ob er das für das ganze Land oder nur für die gefährdeten Distrikte wünscht. Nach der jetzigen Lage unserer Bestimmungen sind die Bezirksbehörden vollständig in der Lage, das Treiben der Schweine zu verhindern und es ist ausreichend davon Gebrauch gemacht zur Bekämpfung der Maul⸗ und Klauenseuche und zwar so lange, bis kein Bedürfniß mehr vorlag. Ich nehme also an, daß diese Maßregeln zum theil aufgehoben sind. Sollte es sich ergeben, daß mit Rücksicht auf die Schweineseuche diese Transportbeschrän⸗ kungen wieder nothwendig sind, so werden sie wieder in Vollzug gesetzt werden. Nachdem die Anzeigepflicht eingeführt ist, — werden wir zur Kenntniß von dem Umfang der Seuche gelangen. Das wird dann eine Veranlassung für die Regierungs⸗-Präsidenten sein, schärfer zur Unterdrückung der Seuche vorzugehen, — da, wo eine Nothwendigkeit vorliegt.
Bei dieser Gelegenheit will ich eine Angelegenheit erwähnen, die in diesen Tagen wahrscheinlich Staub aufwirbeln wird. Die Be⸗ kämpfung der Maul und Klauenseuche hat die landwirthschaftliche Verwaltung und die Veterinärpolizei seit Jahren vorzugsweise be⸗ schäftigt, und ich gab mich der Hoffnung hin, daß es gelingen wird, sie mehr und mehr zu unterdrücken. Es gelang nicht vollständig, und namentlich in letzter Zeit ist man immer wieder darauf zurückgekommen, daß der Sitz des Uebels auf dem Berliner Viehhof zu suchen sei. Dazu kam, daß neuerdings die Seuche durch Schafe wahrscheinlich von Berlin nach Paris verschleppt worden ist. Bisher war nun kein Maul⸗ und Klauenseuchefall in Berlin unter den Schafen konstatiert worden. Nachdem jedoch in den letzten Tagen ein Klauen⸗ seuchefall unter dem Schafvieh auf dem Berliner Schlachtviehhof fest⸗ gestellt worden ist, habe ich mich gestern mit dem Polizei⸗Präsidenten in Verbindung gesetzt, um den Berliner Schlachtviehhof für die Dauer der Seuchegefahr gegen den Abtrieb von Schafen und Schweinen zu sperren. Die Sperre wird sich also auf etwa 14 Tage ausdehnen. Es ist dies eine sehr eingreifende Maßregel, sie wird aber klarstellen, ob der Schlachtviehhof verseucht ist oder nicht, und wenn er verseucht ist, wird es nur möglich sein, ihn seuchenfrei zu machen, wenn er eine Zeit lang vollständig gesperrt bleibt.
Graf von Klinckowstroem will dem Minister Gelegenheit geben, sich darüber auszusprechen, wie er sich die Abhilfe der Noth⸗ lage der Landwirthschaft denke; er spreche dabei nicht für die Groß⸗ grundbesitzer, die den Nothstand eher überdauern könnten, sondern für die Bauern. Es handle sich nur darum, die Adern zu unterbinden, um die allzu schnelle Verblutung zu hindern. Man müsse die Tarife ermäßigen, die Grenze gegen die Einfuhr von verseuchtem Vieh sperren und den kleinen Leuten guten Real, und Personalkredit ver⸗ schaffen. Die Genossenschaften reichten nicht aus; man müßte die Kreissparkassen zugänglicher machen.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:
Ich kann versichern, daß es, soweit meine Person in Frage steht, wie auch bezüglich aller sonst Betheiligten einer besonderen Anregung, um auf Mittel und Wege zu sinnen, wie der Landwirthschaft in ihrer jetzigen Nothlage Erleichterung zu verschaffen ist, nicht bedarf. Der Herr Vorredner erwähnte die Tarife, über die schon gesprochen ist und ist deshalb darauf nicht näher eingegangen; ich unterlasse es auch. Er erwähnte die Viehsperre gegen das Ausland, und kam schließlich zu dem persönlichen Kredit der Landleute. Aber gerade bei dem letzten Punkt hat er überzeugend die Schwierigkeiten vorgeführt, die bestehen, und aus den Andeutungen, die er machte, habe ich mir ein völlig klares Bild über die Durchführung der Organisation, die ihm vor⸗ schwebte, noch nicht machen können. Die Regierung hat ihrerseits den Häusern des Landtags gerade deshalb einen Entwurf vorgelegt zur Schaffung von Organen, mit denen derartige Fragen erörtert werden können. Wenn man sich nicht klar darüber ist, was man will, und was praktisch durchführbar ist in den einzelnen Gegenden, kann man auch keine positiven Vorschläge machen. Ich werde dem Herrn Vorredner dankbar sein, wenn er mir seine Gedanken über das, was er erstrebt, noch etwas ausführlicher mittheilt. Zur Zeit wird, um den Personalkredit der kleinen Besitzer zu fördern, unsererseits mit Einführung der Raiffeisen'schen Kassen vorgegangen, aber ich gebe zu, daß es gerade im Osten wegen des Mangels an geeignetem Personal sehr schwer sein wird, diese Kassen in genügender Zahl ein⸗ zurichten, und ich glaube, das Sparkassenwesen ist im Osten vielleicht
dasjenige Institut, durch welches dem Einzelnen am besten Kredit
gewährt werden kann.
Bezüglich der von dem Herrn Vorredner gewüaschten Sperre gegen den Import ausländischen Viehs — er hat natürlich Rußland im Auge —, kann ich erklären, bei den Ver—⸗ handlungen über den Handelsvertrag mit Rußland hat ja auch die Frage eines Uebereinkommens, betreffend die Vieh⸗
einfuhr, eine Rolle gespielt. Es ist deutscherseits nicht darauf ein⸗ gegangen. Ich glaube, die Verhältnisse unter dem Viehstande in Rußland werden in absehbarer Zeit nicht der Art werden, daß wir Vertrauen nach der Richtung bekommen können, daß die Grenze gegen Rußland ohne Gefahr für uns eröffnet werden könnte. (Bravo) Bei dem Etat der Gestütv erwaltung empfiehlt Rittergutsbesitzer von Klitzing die baldige Wiedereinrichtung des Hauptgestüts Reustadt an der Dosse; es sei dazu nur eine Mehr⸗ ausgabe von 20 bis 25 000 M0 erforderlich.
Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden:
Ich glaube, dem Herrn Vorredner ist vollständig bekannt, wie ich zu der Angelegenheit stehe, und daß die Absicht dahin geht, in Neustadt ein Gestüt wieder einzurichten und das erforderliche Material zur Verfügung zu stellen. Nun ist gesagt, es handelt sich nur um einmalige 20 000 S, Auf diese Summe ist die Forderung erst allmählich herabgedrückt worden. Anfänglich waren 250 000 4 gefordert. Die Vergleiche mit anderen Landestheilen, mit den Ein⸗ richtungen, die dort in Aussicht genommen sind, sind nicht zutreffend. Da handelt es sich um einmalige Ausgaben, hier aber um jährlich wieder⸗ kehrende Ausgaben. Ich hoffe aber, daß alle diese Schwierigkeiten sich über⸗ winden lassen werden. Schwieriger wird die Sache dadurch, daß man gerade ein Hauptgestüt einrichten will, weil s. 3. als das Hauptgestüt von Neustadt verlegt wurde, geltend gemacht ist, daß Neustadt nicht gerade ein sich vorzugsweise für ein Hauptgestüt eignender Platz sei. Es wird sich aber auch darüber hinwegkommen lassen, weil das dringende Bedürfniß einer vermehrten Hengstproduktion von der Gestütverwaltung anerkannt wird. Es sind gerade in Brandenburg in dieser Richtung Schwierigkeiten entstanden und zahlreiche Anträge an die Gestütsverwaltung herangetreten. Das drückt sich schon darin aus, daß in den letzten Jahren ungefähr 1200 Stuten den Königlichen Hengsten mehr zugeführt worden sind, als im vorigen Jahre. Also unsere Wünsche treffen zusammen, und ich hoffe, daß auch die finan⸗ ziellen Verhältnisse es gestatten, die Sache aus dem Stadium der Vorverhandlung heraus, und im nächsten Jahre zur Ausführung bringen zu können.
Rittergutsbesitzer von Bredow-⸗Senzke schließen Klitzing an.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:
Ich möchte bloß einem Mißverständniß begegnen. Ich habe kein Wort gesagt, daß die Produkte des früheren Neustädter Gestüts schlechte oder mäßige gewesen seien, sondern ich habe nur ausgeführt, daß bei der Begründung der Verlegung des Gestüts nach Beverbeck ausgeführt sei, die Oertlichkeit eigne sich nicht vorzugsweise für ein Hauptgestüt, und daß darin in meinen Augen eine Schwierigkeit liege, jetzt dort wieder ein Hauptgestüt einzurichten, aber hinzugefügt, diese Schwierigkeit werde sich überwinden lassen.
Bei dem Etat des Ministeriums der geistlichen re. Angelegenheiten rügt der Referent
Graf von Königsmarck den Luxus bei Schulbauten.
Min sterial⸗Direkkor Hr. Kügher: Die Unterrichtsverwaltung sei bestrebt, auf eine bescheidene Bauart hinzuwirken, aber gewisse Grenzen müßten bei den Schulbauten bezüglich der Solidität des Baues eingehalten werden; denn an die Haltbarkeit eines Schul⸗ gebäudes würden ganz andere Anforderungen gestellt, als an die eines Wohnhauses.
Prinz zu Schöngich-Carolath dankt dem Minister für die Verlaͤngerung der Besuchszeit der Museen am Sonntag und empfiehlt für den nächsten Ctat den Neubau eines Museums für die pergamenischen Alterthümer.
Darauf wird der Etat im ganzen sowie das Etats⸗ und das Anleihegesetz angenommen.
Auf Antrag des Referenten Herrn von Pfuel beauftragt das Haus die Fin anzkommission, über den Generalbericht, den die Budgetkommission des Abgeordnetenhauses erstattet hat, ebenfalls zu berathen und dem Hause ö,, zu machen.
Schluß 5i/⸗ Uhr. Nächste Sitzung unbestimmt.
Winterfel?⸗Neuendorf und von sich den Ausführungen des Herrn von
Haus der Abgeordneten. 59. Sitzung vom 28. April 1894.
In der zweiten Berathung des Gesetzentwurfs zur Abänderung und Ergänzung des 5 vom 25. Mai 1874, betreffend die 3 Kirchen⸗Gemeinde⸗ und Syngdalordnung vom 16. September 1873 für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen, und des Gesetzes vom 3. Juni 1876, betreffend die evangelische Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen der Monarchie, sowie der zu Sz 1 vorliegenden Anträge der Abgg. Dr. Enneccerus (nl) und Freiherr von Zedlitz (frkons) und Genossen nimmt zuerst das
Wort der .
Abg. von Eynern (ul.). (Der erste Theil der Rede ist in dem Bericht der Sonnabend⸗Nummer mitgetheilt. Redner fährt fort:) Warum hat der Minister nicht der General⸗Synode Lie Formulierung der Gesetze Üüberlassen, wie er es noch im vorigen Jahre für selbst⸗ verständlich hielt? Dann hätten wir, die gige e r. welche auf diefe Weise zu stande gekommen wären, wa rscheinlich ohne jede Diskussion angenommen. Nach der. historischen Entwickelung der Dinge habe 1 nie eine andere Meinung gehabt als die, . das e sfoll ten ein altes Symbolikum ist, aber kein Bekenntniß bilden fann.! Die evangelische Landeskirche hat ein einheitliches Be—⸗ kenntniß, das haben sehr konservative. Männer ausgesprochen,; wie 1876 Graf Udo Stolberg Wernigerode im Herrenhause. Graf Krassow stellte damals ebenfalls fest, daß in der evangelischen Kirche, verschiedene Bekenntnisse vorhanden seien das Kirchenregiment sei innerhalb der einzelnen Bekenntnisse das ber r fn, Bindende. Auch unsere Hexrscher haben bis in die neueste Zeit hinein bezeugt, daß es in Glaubens sachen keinen Zwang, daß es kein Einschwören auf dogmatische Formeln gebe. Herr Stöcker hat selbst voriges Jahr noch bemerkt, er bestreite dem Staate das Recht nicht, bei einer Kirche, die er mit so reichlichen Geldmitteln unterstütze, zu prüfen, ob auch die Grund lagen vorhanden . auf welche hin ic Bewilligungen 4 Ich meine, die Kirche will jetzt diese Grundlage verlassen. ie firchliche Gesetzgebung soll vereinfacht werden; wohin aber die kirchliche Gesetzzebung in Zukunft, gehen wird, darüber läßt man
ung ganz im unklaren. Wir können nur vermuthen, daß der