1894 / 102 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 May 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Seine . oheit der me,. Beorg mit Ihrer König⸗

lichen Hoheit der Prinzessin Mathilde, sowie Ihre Königlichen Hoheiten die , . riedrich August und Johann Georg mit Gefolge zur Verabschiedung eingefunden hatten.

Baden.

Die Erste Kammer hat am Sonnabend in zwei Sitzungen sämmtliche mit dem Finanzgesetz in unmittelbarer Verbindung stehenden Vorlagen und das Gesetz selbst erledigt.

Braunschweig.

Seine Königliche Hoheit der Prinz riedrich Wilhelm von Preußen ist 6 in . des Erziehers Wittig von Altenburg wieder in Braunschweig eingetroffen, während Ihre Königliche Hoheit die Prinzesfin Rlbrecht Nachmittags über Hannover ebendaselbst eintraf. Heute früh kehrte Seine Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogthums Braunschweig, von Erbach kommend, nach Braunschweig . Im Gefolge be⸗ fanden sich der Major von und zu Egloffstein, Rittmeister von

Krosigk und Ober⸗Stabtarzt Dr. Schi

Sach sen⸗Coburg⸗Gotha.

Der Ober⸗Bürgermeister von Coburg Muth er veröffent⸗ licht das nachstehende, ihm von dem K Ihrer Majestät der Königin Victoria, General? Sir Henry F. Ponsonby zugegangene Schreiben: .

Schloß Ehrenburg, den 27. April 1894. Sehr verehrter Herr Ober⸗Bürgermeister!

Es gereicht mir zur aufrichtigen Freude, Euer Hochwohlgeboren mittheilen zu dürfen, daß Ihre Majestät die Königin von Groß⸗ britannien und Irland, Kaiserin von Indien, Allerhöchstwelcher vergönnt war, nach langen Jahren wieder einmal im lieben Coburg zu weilen, durch diesen Aufenthalt aufs wohlthuendste berührt werden ist. Ihre Majestät haben mich zu beauftragen geruht, Ihnen und allen Bewohnern der Heimathstätte Allerhöchstihres in Gott ruhenden unvergeßlichen Gemahls sowohl für den warmen und hetzlichen Empfang, wie auch für die überaus zahlreichen Beweise treuer Anhänglichkeit den innigsten Dank auszusprechen. Im Aller⸗ höchsten Auftrage ersuche ich Euer Hochwohlgeboren, diesen Dank in eeigneter Weise den Korporationen söwie der gefammten Bürger⸗ fn Coburgs zur Kenntniß bringen und zugleich hinzufügen zu wollen, daß die hier verlebten frohen Festtage Ihrer Majestät der Königin in freundlichster Erinnerung bleiben werden.

Mit vorzüglicher Werthschätzung bin ich Euer Hochwohlgeboren ergebener

Henry F. Pon sonby.

Anhalt. Der Geburtstag Seiner Hoheit des Herzogs wurde vor— . im ganzen Lande festlich begangen. In Dessaͤu fand Mittags

eldgottesdienst für die beiden Bataillone und hiernach auf dem Kasernenhofe Parade statt, an der auch Seine Hoheit der Erbprinz Friedrich und die sämmtlichen Stabsoffiziere theilnahmen. Bei dem Festessen des Offizierkorps, der Spitzen der Staats- und Gemeindebehörden 2c. brachté der Staats— Minister von Koseritz das Hoch auf Seine Hoheit den Herzog aus.

Reuß ä. L.

H Seine Durchlaucht der Fürst hat sich vorgestern zu mehrtägigem Aufenthalt nach Schloß Burgk a. d. S. begeben. Hamburg.

Der bisherige preußische Gesandte Freiherr von Thiel⸗ mann hat gestern dem Bürgermeister Hr. Vers mann sein Abberufungsschreiben überreicht.

Oefterreich⸗Ungarn.

Wie das „Armee-Verordnungsblatt“ meldet, hat der Kaiser den General-Major Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich⸗Este zum Kommandanten der 38 Infanterie— Brigade, den Feldmarschall⸗Lieutenant Erzherzog Friedrich zum Feldzeugmeister und den Oberst⸗Lieutenant im 9 Husaren⸗ Regiment Erzherzog Otto zum Obersten in demselben Regiment ernannt. .

Die „Wiener Zeitung“ von heute veröffentlicht den Staatsvertrag zwischen Oesterreich“ Ungarn und . betreffend den Schutz der Urheber— rechte.

Im Preßausschuß erklärte gestern, wie W. T. B.“ berichtet, der Minister des Innern Marquis Bacquehem, er könne der Freigabe der Kolportage nicht zustimmen, weil dadurch die Wirkung der Repressivmaßregeln gegen die Presse ganz illusorisch gemacht werden würde. Die Regierung sei gewillt, den Herausgebern die ö einer Kautlon zu erlassen, um dadur jeder Partei die Herausgabe periodischer Druckschriften zu ermög⸗ lichen; die Ertheilung der Lizenz zum Verkauf von Druck⸗ schriften solle in . niemand verweigert werden können, der nach, den Bestimmungen der Gewerbeordnung zur Aus⸗ übung eines Gewerbes berechtigt, politisch unbeanstandet und im. Vollgenuß der bürgerlichen Rechte sei. Der Justiz⸗ Minister Graf Schönborn erklärte, die Regierung könne auf das bekämpfte Verfahren, welches das einzige Schutzmittel gegen Ausschreitungen der Presse sei, prinzipell nicht ver⸗ . die . sei dagegen bereit, einer in das

reßgesetz aufzunehmenden Bestimmung zuzustimmen, daß den Redaktignen die Stellen bekannt zu geben seien, wegen deren die Konfiskationen erfolgt seien, und zwar sofort bei Verfügung der Beschlagnahme.

Anfangs Mai tritt in Trient eine Versammlung von Delegirten Italiens und Oesterreichs zusammen, um eine Vereinbarung über den Biehtrieb auf den Alpenweiden an der italienisch-österreichischen Grenze zu treffen.

Großbritannien und Irland.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erwiderte nach einem Bericht des „W. T. B.“ der Staats sekretãr für Indien Fowler auf eine Anfrage, weder die indische, noch die britische Regierung trügen sich mit der Absicht, die indischen Münzstätten für die Ausprägung von Silber mieder zu öffnen. Bezüglich der Samoafrage gab der Parlaments⸗Sekretär des Auswärtigen Sir E. Grey eine Erklärung ab, worin er aus— ührte, die Regierung kenne die Bestimmungen des Art. 8

bs. J der Berliner Samoa⸗Akte sehr wohl. Es sei jedoch unächst die Erklärung des Art. 1 im Auge zu ö. daß ö der Mächte, welche die Akte unterzeichnet haben, irgend eine separate Kontrole über die Inseln oder die Verwaltung

derselben ausüben solle. Die von den britischen Kolonien aus⸗ . Vorschläge seien daher nicht ausführbar, so lange ie Alte in Kraft bleibe. Der Art. 8 des Vertrages, der von dessen Verbesserung handle, nehme eine Au hebung nicht in Aussicht. Die Regierung habe auch keinen Grund anzunehmen, daß die beiden anderen Vertrags mãächte in die Aufhebung des Vertrages willigen würden, um Samoa unter die Verwaltung Neu⸗Scelands zu stellen. Die Regierung wende übrigens der ganzen Frage ihre ernste Aufmerksamkeit h Im weiteren ven ij der Sitzung wurde die erste Lesung er Bill über die Entstaatlichung der Kirche in Wales

Frankreich.

General Boisdeffre, der mit den Funktionen des Chefs des Generalstabs der Armee betraut war, ist, wie ‚W. T. B.“ meldet, nunmehr zum Chef des Generalstabs ernannt worden.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer brachte der Deputirte Albert Gauthier einen Antrag ein, worin die Strafbestimmungen gegen die Spionage ue hö; werden. Der Deputirte Faursés begründete seine Inter⸗ pellation wegen der Unterstützungen, welche Kapi—⸗ talisten und Geistlichkeit den Änarchisten hätten angedeihen lassen. Jaurès behauptete, der Anarchist Tournadre stehe in Verbindung mit Kapitalisten und habe gelegentlich des Strikes von Carmaux die Rolle eines agent provocatenr gespielt. (Lärm) Jaurès warf dann dem Klerus vor, er spiele doppeltes Spiel gegenüber der Re— gierung und den Arbeitern. Der Justiz-Minister Du bost führte aus, die beschlagnahmten Dokumente bewiesen die Un— richtigkeit der von Jaurès aufgestellten Behauptungen. Bei ben Anarchisten seien außergewöhnlich große Mittel nicht gefunden worden. Der Minister versicherte, er werde niemals zögern, die Schuldigen zu verfolgen, welcher Partei sie auch angehbren möchten. Im weiteren Verlauf der Sitzung bestritt der Deputirte Graf de Mun jede Analogie zwischen katholischen und sozialistischen Doktrinen. Der Deputirte Vicomte d Hugues (Rechte) behauptete, Rothschild habe gewissen Anarchisten Geld gegeben, und verlangte Maßnahmen gegen die Kapitalisten, welche die Anarchisten unterstützten. Ver Minister⸗Präsident Casimir Périer erklärte, die Regierung lehne es ebensowohl ab, sich die Politik Jaurès', wie die de Mun's anzueignen. Die Regierung sei entschlossen, den großen . der Revolution treu zu bleiben. Der Minister⸗Präsident verlangte darauf die einfache Tagesordnung, die mit 340 gegen 179 Stimmen angenommen wurde.

Nußland.

Am Sonntag ist, wie „W. T. B.“ berichtet, in J fors ein Denkmal des Kaisers Alexander 1 enthüllt worden. Die Feier wurde eingeleitet durch einen Festgottes⸗ dienst in der lutherischen Nikolai⸗Kirche, bei dem der Bischof Renvall in finnischer und schwedischer Sprache Festreden hielt. Nach Beendigung der kirchlichen Feier nahmen die Versammelten bei dem Denkmal Aufstellung. Der General⸗ Gouverneur Graf Heyden verlas im Namen des Kaisers eine begeistert aufgenommene Rede, die von Baron Palmen in das Finnische und Schwedische übersetzt wurde. Der Kaiser spricht darin dem Volk seinen Dank für die Errichtung des Denkmals und seine Freude über die seinem Vater dadurch erwiesenen Gefühle der Ehrfurcht und Ergebenheit aus. Die Rede schließt mit dem Aus— druck der Hoffnung, daß diese Gefühle ewig dauern würden als Pfand der unterthänigen Ergebenheit des finnlän— dischen Volkes seinem Monarchen gegenüber. Graf Heyden enthüllte sodann das Denkmal. Nach weiteren Ansprachen wurde es der Stadt übergeben, in deren Namen der Vorsitzende der Stadtperordneten-Versammlung Mechelin den wärmsten Dank aussprach. Im Anschluß an die Feier fand ein Fest— diner und ein größeres Volksfest statt. Abends waren die Straßen festlich illuminiert.

Italien.

Die „Politische Korrespondenz“ erfährt aus Rom, Edmund Mayor, der ehemalige Privatsekretär Crispi's, sei zum Botschafts-Rath in Berlin ernannt worden.

Der „Agenzia Stefani“ zufolge sind die von der „Capitale“ über die Gesundheit des Papstes verbreiteten beun— ruhigenden Gerüchte durchaus unbegründet. Der Papst, der sich wohl befindet, ertheilte gestern mehrere Audienzen.

Spanien.

Wie dem „W. T. B.“ zufolge in Barcelona verlautet, hätte in der am Sonntag daselbst abgehaltenen Sitzung des Kriegsgerichts der Regierungskommissar die Todes strafe gegen zehn an dem Attentat gegen den Marschall Martinez Campos betheiligte Anarchisten beantragt.

Niederlande. Wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, würden die Königin und die Königin-Regentin sich im Laufe des Mai zum Besuch am Großherzoglich sächsischen Hofe nach Weimar begeben.

Belgien.

Die „Indépendance Belge“ meldet heute in einer Morgen⸗ ausgabe, daß die rng fin Clementine, die Tochter des Königs, ernstlich erkrankt sei. Der Arzt habe einen schweren Bronchialkatarrh, der mit Fieber verbunden sei, konstatiert.

angenommen.

Serbien.

Die Wiener Blätter melden aus Belgrad, daß der König Alexander demnächst eine mehrmonatige Reise ins Aus land antreten und hierbei seine Mutter, die Königin Natalie, besuchen werde. Während seiner Ab⸗ wesenheit solle der König Milan die Regentsch aft über—

nehmen.

Schweden und Norwegen.

Beide Kammern des Reichstags haben, nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Stockholm, gestern den Antrag des Finanzausschusses auf Erhöhung des Kaf feezolls verworfen.

Amerika.

Der Konsul der Vereinigten Staaten in La Libertad hat dem ‚W. T. B. zufolge telegraphisch nach Washington berichtet, im westlichen Theil von San Salvador sei eine Revolution ausgebrochen.

Parlamentarische N ichrichten.

Der Schlußbericht über dig gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befindet sish in 9 Ersten Beilage.

Nn seiner heutigen 61. Sitzung trat das Haus der Abgegrdaeten in die dritte Berathung der Novelle zu dem Gesetz, betreffend die evangelische Kirchen— Gemeinde- und Synodalordnung. .

In der Generaldebatte nahm zuerst das Wort der

Abg. von, Eyn ern (ul) Der Antrag des Abg. von Zedlitz, welcher dazu bestimmt war, auch uns Evangeklischen auf diefer Seihe des Hauses die Annahme der Vorlage zu erleichtern, ist in zweiter Lefung mit Hilfe der Katholiken verworfen worden. Es haben 98 evangelische Kon⸗ servative, h0 Katholiken vom Zentrum und g katholische Polen dagegen ge⸗ stimmt. Es haben also die Katholiken auf die Ordnung der evangelischen Kirche bestimmend eingewirkt. Wir sind auch heute noch überzeugt, daß der Antrag Zedlitz die Grundlage einer Verständigung bilden würde. Ich würde deshalb, beantragen, die Vorlage an die Kommifsion zurückzuverweisen. Ein Zeitverlust würde daraus nicht entstehen, da wir zweifellos nach Pfingsten doch noch zusammenkommen werden. Wir werden gegen das 8 stimmen.

Abg. von Kröcher (kons): Meine Fraktion bleibt geschlossen bei den Beschlüssen zweiter Lesung stehen. Wir hoffen, daß bie Vorlage auch in dritter Lesung dieselbe evangelische Majorität finden wird wie in zweiter Lesung.

Abg. Rickert (frs. Vgg.): Von einer evangelischen Majorität haben wir allerdings nichts gesehen. Die Kirchengefetze von 1873 und 1876 sind nur unter der Voraussetzung zu stande gekommen, daß gesetzliche Garantien zum Schutz des Einzelnen gegenüber der General⸗ Synode gegeben würde. Als Virchow in dieser Beziehung Besorg⸗ nisse aussprach, beruhigte ihn Minister Falk: es werde dem Land- tage unbenommen sein, noch weitere Kautelen zu schaffen, falls die von der Regierung vorgeschlagenen nicht ausreichten, und noch mehr Punkte der gesetzlichen Sanktion zu unterwerfen. Die Gesetzgebung hat denn auch in der That noch weitere Kautelen hinzugefügt. Heute werden diese Kautelen zerstört durch eine Maͤsorität, zu der das katholische Zentrum und leider schließlich auch die Polen das Hauptkontingent gestellt haben. Wir können dieses Gesetz nicht mehr hindern; es wird den freisinnig, denkenden Elementen in der evangelischen Kirche nichts Anderes übrig bleiben, als zur Selbsthülfe zu schreiten. Die von Stöcker geiührte Majorität wird in der General⸗Synode die Oberhand behalten, und der Glaubens— zwang wird seine Blüthen treiben. Sie (rechts) sprechen von der „Freiheit“ der Kirche. Warum lösen Sie denn nicht die Kirche vom Staat, wie es Windthorst wollte? Ihre Freiheit be⸗ deutet nur die Freiheit der Stöcker'schen Majorität, welche durch Glaubenszwang die evangelische Minorität unterdrücken will. Wir sehen mit Besorgniß der Zukunft entgegen, aber wir haben das frohe Vertrauen, daß das Wort des Großen Kurfürsten sich auch in der Zukunft bewahrheiten wird: Die Gewissen sind Gottes und kein Potentat der Welt vermag die Gewissen zu zwingen!

Abg. von Kardorff (fr. kons.): Wir haben uns nicht verhehlt, daß es schweren Bedenken unterlag, das aktive und passive Wahlrecht für die kirchliche Gemeindevertretung lediglich den kirchlichen Organen zu überlassen. Es wäre nützlich gewesen, wenn die Deutschkonser⸗ vativen sich in dieser Auffassuͤng mit uns vereinigt hätten. Ich er⸗ kenne an, daß die Stellung des Zentrums von seinem Stanzpunkt gus mir vollständig korrekt erscheint. Wenn wir nun gleichwohl für die Annahme der Vorlage eintreten, so sind wir dazu nicht veranlaßt durch die Diskussion, die uns nicht immer dem Ernst der Sache und der Würde des Hauses an— gemessen erschien; vielmehr durch die Ausführungen des Kultus⸗Ministers, daß das landesherrliche Kirchenregiment nicht auf einmal verschwinde, und daß auch noch ein Kultus-Minister da sein werde, der seinen Einfluß wahren wird, ferner durch die Erwägung, daß das Abgeordnetenhaus gegen die Gefahren, die der Abg. Rickert etwas erregt geschildert hat, keinen Schutz bietet. Eine große Be— ruhigung war es uns, daß Mitglieder der General-⸗Synode, die auf einem anerkannt freien Standpunkt stehen, wie z. B. Professor Bey⸗ schlag, den dringenden Wunsch ausgesprochen haben, daß dieses Gesetz angenommen werde. Wir werden einstimmig für dieses Gesetz votieren in der Hoffnung, daß es dem Vaterland zum Segen gereichen wird.

Abg. Dr. Virchow (fr. Volkep.): Es gab eine Zeit, wo der Kultus⸗Minister Falk in der Kommission für das Gesetz über die Synodalordnung der Ansicht war, daß es überhaupt nicht nothwendig sei, die Synodalverfassung herzustellen. Wir waren damals der Mei⸗ nung, daß es für die Entwickelung des religiösen Lebens ausreiche, wenn wir eine gesicherte Gemeindeverfassung hätten, die eine freie Betheiligung aller Elemente der Gemeinde mit sich brächte. Die Gemeinden hätten sich synodale Einrichtungen sehr wohl selbst schaffen können; aber diesen synodalen Sinrichtungen flaatliche Eigen- schaften beizulegen, das ist die absolute Negation der freien Bewegung, die in Deutschland seit der Reformation bestanden hat. Ich bedauere, daß die Regierung jetzt dieses Abbröckeln von ihrem früheren Standpunkt so schnell vollsieht. Wenn das rollende Rad der, kirchlichen Ansprüche erst in Bewegung gesetzt ist, wird seine Schwungkraft greß genug sein, um alle die Widerstände, die im Ministerium noch vorhanden sind, zu überwinden. Das ist hier die⸗ selbe Geschichte, die wir auch in der katholischen Kirche erlebt haben. Auch in der evangelischen Kirche strebt man die Priesterherrschaft an. Wir sind ja schon so weit gekommen, daß in den Synoden das welt. liche Element weit in den Hintergrund gestellt ist. Ich habe mich gefreut, daß auch Herr von Stosch im Herrenhause das be⸗ klagt hat. Diese Strömung wird künftig weiter gehen, die Herren werden finden, daß sie immer noch nicht genug haben, sie werden ver⸗ langen, daß ihnen immer neue Rechte beigelegt werden und daß ihre Gesetzgebung als souverän anerkannt wird; sie werden schließlich auch den Standpunkt nicht behalten, den der Minister jetzt betont, und werden den Ober ⸗Kirchenrath nicht als die Krönung des Gebäudes betrachten. Wenn Herr Stöcker formulierte, was er will, so würden wir sehen, daß er viel weiter gehen will. Jetzt ist immer noch eine staatliche Organisation da, aber alles, was staatlich daran ist, wird mehr und mehr verschwinden. Die Vorlage kann höchstens eine Waffenruhe herbeiführen, die vielleicht ein paar Sessionen dauert, aber keinen dauernden Frieden. Die Vorlage bedeutet nicht nur eine Niederlage der freien Parteien, sondern auch eine Nieder⸗ lage des freien Staats. Ich bestreite auf das entschiedenfte, daß dieses Gesetz im Staatsinteresse liege, und ich bedauere, daß der Minister für diese Aenderung seine Hilfe geboten hat. Wir können an dem Gesetz nichts mehr ändern und werden einfach dagegen stimmen. Ich verstehe es nicht, wie die freikonservative Partei dafür stimmen kann, obwohl sie sich der Gefahren dieser Entwickelung bewußt ist. Wir machen hier nicht ein Gesetz des Friedens, sondern ein Gesetz, das den Angriff ermöglicht. Daher bitte ich alle die, welche es gut meinen mit dem Staat und der Entwickelung, welche die Kirche in Jahr⸗ hunderten durchgemacht hat, entschieden gegen das Gesetz zu stimmen.

Minister der geistlichen e. Angelegenheiten Dr. Boffe: Älles, was zur nüchternen und sachlichen Beurtheilung der Vorlage esagt werden kann, ist in diesem Stadium der Berathung bereits erschöpft, und ebenso ist alles, was für die Besorgnisse, die gegenüber der Vor⸗ lage geltend gemacht sind und deren ehrenwerthe Motive ich jederzeit anerkannt habe, gesagt werden kann, bereits erschöpft. Ich will daher nur die Stellung der Staatsregierung gegenüber den Aus führungen der Herren Rickert und Virchow darlegen. Der Eindryck. daß die Staatsregierung die Grundlagen des Kompromiffes von habe, ist nicht zutreffend, sondern die Staatsregierung hat Boden der damaligen Regierungsborlage gestellt und ist daß im Sinne und Geiste dieser Vorlage auch die je ist. Friede, nicht Waffenstillstand, ist der Zweck der liegt in der jetzigen g des § 1 des Gesetzes Quelle nothwendigen Streits bei jeder kirchen esetzliche darüber, ob es sich um eine Hrgan eat r fre n, nicht. Gerade diese Streitquelle haben wir berstopfen

kam mir dabei auf die Bindung einet Paragraphen mehr oder weniger nicht an, wenn ich das große Gut haͤtte erreichen können, daß alle Evan elischen im Hause für die Vorlage eintreten. Daß das nicht geschehen, ist bedauerlich, aber von meinem Standpunkt aus habe ich mich in die Frage der Tattik, die von seiten der Parteien in⸗ Bezug auf diese Vorlage befolgt worden ist, nicht einmischen können. Ich bin bestrebt gewesen, kein scharfes Wort in die ohnehin so be⸗ dauerliche Erregung der Debatte hineinzuwerfen. Die Vorlage ist keine Abbröckelung von dem Geiste der Reformation, sondern ent— spricht voll und ganz dem Geiste derselben. (Sehr richtig! rechts.) Nur muß man das Vertrauen zu dem evangelischen Volk haben, daß es seine evangelische Freiheit und Güter, die ihm in der Reformation geworden sind, zu wahren wissen werde. Dieses Vertrauen habe ich, von diesem Vertrauen bin ich ausgegangen, als ich die Vorlage im Sinne des Friedens und der Versoͤhnung einbrachte.

. Damit schließt die Generaldiskussion. Eine Spezial⸗ diskussion findet nicht statt.

Die einzelnen Artikel werden ohne Debatte ange⸗ nommen.

Ueber die Vorlage im ganzen wird namentlich abge⸗ stimmt. Die Vorlage wird mit 237 gegen 92 Stimmen angenommen. Dafür stimmen die Konservativen, die Freikonservativen und die anwesenden Mitglieder des Zentrums, dagegen die Freisinnigen und die Nationalliberalen.

Das Haus tritt darauf in die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Regelung der Ver— hältnisse der bei der Umgestalt ung der Eisenbahn⸗ behörden nicht zur Verwendung gelangenden Beamten.

Abg. Krah (fr. kons): Mit dem Prinzip der Vorlage bin ich einverstanden. Wenn ich mich dennoch gegen den § L gemeldet habe, so geschah es deshalb, weil derselbe mir nicht welt genug 9yht. Er hätte sich auch erstrecken müssen auf eine andere Klasse von Beamten, hinsichtlich deren gegenwärtig ebenfalls eine Reorganisation im Werke ist, durch welche einige von ihnen verfügbar werden. Es sind das die Vorsteher der Steuerkassen in den west— lichen und neuen Provinzen, die Rentmeister. Nach der Verordnung vom 22. Januar, erlassen auf Grund des Gesetzes vom 16. Juli 1895, geht mit dem 1. April kommenden Jahres die Hebung der Staatssteuern in den Stäbten mit mehr als 5000 Einwohnern auf die Gemeindebehörden ber. Die kleineren Gemeinden folgen bis zum Jahre 1900. Sie dadurch disponibel werdenden Rentmeister dürfen nicht schlechter behandelt werden, als die Eisenbahnbeamten; es sind nur wenige, sodaß es sich also nicht um einen großen finanziellen Aufwand handelt. Aller⸗ dings hat es formelle Schwierigkeiten, diese Beamten durch ein Amendement zu §1 in das Gesetz einzufügen, und ich würde mich daher begnügen, wenn die Regierung erklärte, daß man die Rent⸗— meister ebenso behandeln will, wie die Eisenbahnbeam en. Sollte eine solche Erklärung bis zur dritten Lesung nicht abgegeben werden, so würde ich allerdings Bedenken tragen, diesem Gesetz zuzustimmen.

Der S 1 wird angenommen; ebenso ohne Debatte der Rest des Gesetzes.

In erster und zweiter Berathung werden die Staats— verträge zwischen Preußen und Hessen, betr. den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Sal schlirf nach Schlitz, sowie zwischen Preußen und ecklenburg⸗ Schwerin wegen Herstellung einer Eisenbahn von Rostock über Sülze nach Triebsees ohne Debatte genehmigt.

Schluß des Blattes.)

Der dem Hause der Abgeordneten vom Justiz⸗Minister vorgelegte Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Rechte des Vermiethers an den in die Miethräume eingebrachten Sachen, hat folgenden Wortlaut:

§ 1. Die Rechte, welche nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts dem Vermiether an den in die Miethräume eingebrachten Sachen zustehen, erstrecken sich nicht auf die der Pfändung nicht unter⸗ worfenen Sachen. .

F 2. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft, Es gilt auch fuͤr die zu dieser Jeit bestehenden Miethver⸗ hältnisse.

Der Entwurf wird folgendermaßen begründet: In der Doktrin und Rechtsprechung des preußischen Allgemeinen Landrechts, des ge— meinen und des rheinischfranzösischen Rechts geht die ganz über⸗ wiegende Meinung dahin, daß das Pfand, Zurückbehaltungs⸗ oder Vorzugsrecht, welches dem Vermiether wegen seiner Forderungen aus dem, Miethverhältnisse an den in die Miethräume eingebrachten Sachen zusteht, sich auch auf die einer Pfändung nicht unterworfenen Sachen erstreckt. Diese rer nf n, hat zur Folge, daß der Ver⸗ miether seine Befriedigung auch aus solchen Gegenständen suchen kann, welche nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften aus Rücksicht auf die Nothlage des Schuldners oder aus anderen öffentlich rechtlichen Gründen im Wege der Zwangsvollstreckung nicht in Anspruch ge⸗ nommen werden dürfen. Ein solches Vorgehen des Vermiethers kann zu einer schweren Bedrückung des Miethers führen, namentlich dann, wenn dem, letzteren diejenigen Gegenstände vorenthalten werden, welche für ihn und seine Familie unentbehrlich sind oder zur persön— lichen Ausübung seines Berufs dienen.

Der g 716 der Zivilprojzeßordnung, welcher die dort näher be⸗ zeichneten Gegenstände von der Pfändung ausschließt, beruht, wie die Motive sagen (Hahn, Materialien S. 453), auf einer billigen Nachsicht gegen den Schuldner und seidet deshalb auch keine Aus⸗ nahme durch Rücksichten auf die Art der beizutreibenden Forderung. Dieser humane Gedanke des Reichsgeseßes kommt nicht zur vollen Geltung, so lange es landesgesetzlich zulaͤssig bleibt, daß der Gläubiger einer Miethzinsforderung dem Schuldner auch diejenigen Sachen ent⸗ ziehen kann, welche dem letzteren unentbehrlich oder im volkswirth⸗ schaftlichen Interesse von der Pfändung ausgenommen sind. Wenn über das Vermögen des Miethers Konkurs eröffnet wird, kann der Vermiether, abgesehen von den Ausnah⸗ men des 8 1 Abl 3 der Konkurgordnung, wegen feiner Forderungen aus dem Miethverhältnisse die der Pfaͤndung entzogenen Sachen nicht in Anspruch nehmen, da nach Abf. I a' a. B. das Konkursverfahren nur dasjenige Vermögen des Gemeinschuldners um⸗ faßt, welches einer Zwangsvollstreckung unterliegt. Es fehlt an einem inneren Grunde, dem Vermiether für den Fall, daß er seine Forde⸗ rung außerhalb des , geltend macht, ein stärkeres Recht zu verleihen, als dasjenige, welches er im Konkursverfahren enießt.

Zur Beseitigung der vorstehend dargelegten Mißstaͤnde find in fast allen deutschen Staaten besondere gif. erlassen worden, welche ausdrücklich bestimmen, daß das Recht des Vermiethers sich auf die der Pfändung entzogenen Sachen des Miethers nicht erstreckt. Eine gleiche Vorschrift enthält auch der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetz= buchs für das Deutsche Reich. Diese Vorschrift hat in der offentlichen Meinung fast allseitige Zustimmung gefunden. Auch in den gesetz, gebenden Körperschaften ist wiederholt der Wunsch zum Ausdruck gebracht worden, daß das Recht des Vermiethers, soweit es sich nach den bestehenden Gesetzgebungen noch auf die unpfändbaren Sachen des Vermiethers erstreckt, en t werden möge. 3

Bei dieser Sachlage 63 es zweckmäßig, die gewünschte Er⸗ leichterung der Lage des Miethers auch für die veischiedenen Rechttz⸗ gebiete von Preußen schon jeßz im Wege der Landesgesetzgebung her⸗ beizuführen. Die vereinzelt aufgetretene Befürchtung, daß die Inter⸗ essen der Vermiether durch die in Rede stehende Äbschwächung ihrer

gesetzlichen Rechte zu sehr gefährdet werden würden, erscheint nicht be—=

gründet und wird auch dadurch widerlegt, daß der durch den vorliegen- den Entwurf angestrebte Rechtszustand bereit in fast allen deutschen Staaten besteht, ohne daß Klagen bekannt geworden find.

Auf demselben Gedanken der Humanität. wescher dem 8 1 des Entwurfs zu Grunde liegt, beruht auch die Vorschrift des 8 2, daß

das Gesetz sofort mit der Verkündung in Kraft treten und auch , 4. 19 dieser Zeit bestehenden iethverhältnisse Anwendung nden soll. . .

Die Kommission des Hauses der Abgeordneten zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betreffend deu Banu eine Schiff⸗ fahrtskanals vom Dortmund —Em⸗Kanal biz zum Rhein, hat in ihrer gestrigen vierten Sitzung den Antrag des Abg. Pr. Hammacher (nl), welcher einen Kanal zur Verbindung des Rheins mit der Ems wünschte, der in einer den Interessen der mittleren und der unteren Weser und Elbe entsprechenden Weise mit diesen Strömen zu verbinden wäre, und im übrigen wie die Regierunggvorlage hh 650 009 M forderte gegen 4 Stimmen ver⸗ 1 Die Regierungsvorlage wurde mit 12 gegen 8 Stimmen ab— gelehnt. Ein Antrag des Abg. Dr. von Woyna fi olf nur den Kanal von Hamm an der Lippe bis zum Dortmund —=Ems⸗Känal in der Richtung auf Datteln (Kanal r, . zu bauen und dazu nur von dem im Jahre 1886 bewilligten Kredit von 58 4060 000 e die Summe von 709 000 Ss, sowie einen ferneren Beitrag von 9 300 000 S zu be⸗ willigen, wurde mit 11 gegen 9 Stimmen abgelehnt. Die

etitio nen der Aeltesten der Kaufmannschaft von Magdeburg, owie der Handelskammern von Hannober, Minden und Hildesheim wurden hinsichtlich des ersten Punkts: „Zustimmung zur Regierungs⸗ vorlage; durch den Beschluß der Kommission für erledigt erklärt; bezüglich des zweiten Punkts: „Darauf hinzuwirken, daß auch die Wasserver⸗ bindung zwischen dem Rhein, der mittleren Weser und der mittleren Elbe, unter Zugrundelegung der gemachten Vorarbeiten, die von den Betheiligten als durchaus ihren Interessen entsprechend anerkannt werden, baldmöglichst hergestellt werde“, wurde beschlossen, die Petitionen der Regierung als Material zu überweisen; der gleiche Be⸗ schluß wurde gefaßt bezüglich einer Petition der Ruhrinkeressenten, welche um Perstellung eines Kanals fuͤr ihre Gegend petitionieren.

Kunst und Wissenschaft.

Der Direktor der Königlichen Staatsarchive. Wirkliche Geheime Nath Dr. Heinrich von Sybel beging am Sonntag sein fünfzig⸗ jähriges Amtsjubiläum. Schon am frühen Morgen trafen Glück— wunsch⸗Telegrämme und Gratulationsbriefe ein. Am Vormittag er⸗ schienen, wie der N. Pr. Ztg.“ berichtet wird, der Präsident des Staats-Ministeriums, Minifter des Innern Graf zu Eulenburg und der Minifter der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse und überbrachten dem Jubilar seine Ernennung zum Wirklichen Geheimen Rath mit dem Titel Excellenz. Zur persönlichen Gratulation erschienen u. 4. der frühere Justiz- Minister Pr. von Friedberg, der Unter⸗Staatssekretär Homeyer, die Abgg. Dr. Hobrecht, Dr. von Eynern, Dr. Sattler und Weber von der nationalliberalen Fraktion, welcher der Jubilar im Reichstag und Abgeordnetenhause angehört hat; von der hiesigen Friedrich⸗ Withelms⸗Universität waren mit dem Rektor, Geheimen Regierungs⸗ Rath, Professor Dr. Weinhold die Professoren Zeller, Mommsen, Schmoller, Dilthey, von Treitschke, Diels u. 6. anwesend. Die Universität Bonn, wo der Jubilar früher thätig gewesen, ließ eine höchst ehrenvolle Adresse überreichen, die mit ben Worten schließt: Wenn die deutsche Wissenschaft heute in dller Welt *in hohen Ehren steht, wenn die deutschen Hochschulen als ihre treuesten Wächter und Pfleger, als die stärkflen Burgen deutschen Geistes und deutscher Macht und Herrlichkeit betrachtet werden, so , Ihnen an diesem hohen Gewinn ein unvergänglicher

Intheil. Und so kann die rheinische Hochschule nur wünschen und Ton ganzein Herzen wünschen, daß Ihnen, Herr Jubilar, noch viele Jahre hindurch volle Kraft und Gefundheit des Geistes und Körpers und ungetrübte Freudigkeit des Schaffens und Wirkens erhalten bleiben möge. Wir sind überzeugt, daß dies der. Wissenschaft zur Förderung und dem Vaterlande zu Ruhm und Ehren gereichen werde. Rektor und Senat. Kamphaufen. Sämisch, Burkhoff, Kellner, Sachse, Krüger, Freiherr von la Valette St. George, Bender, Förster, H. Seuffert, Rein, Nissen. Der Jubilar hatte jede größere Feierlichkeit dankend abgelehnt; infolge dessen fand am Abend nur ein Mahl im engeren Kreise bei dem Professor Pr. Mommsen statt.

Der Verein der deutschen Strafanstaltsbeamten tritt vom 16. bis 19. Mai in Braunschweig zu einer Versammlung zusammen, auf welcher folgende Fragen erörtert werden sollen: Frage 1: Ist nach den Erfahrungen, welche mit der Anwendung von kurzzeitigen Freiheitsstrafen nach der bestehenden Gesetzgebung gemacht wurden, eine Aenderung im Vollzug derselben geboten? Welche Vorschläge könnten zu solcher Aenderung gemacht werden? Frage 2: Ist nach den Erfahrungen, welche mit der An- ordnung von kurzzeitigen Freiheitsstrafen nach der bestehenden Gesetzgebung gemacht wurden, eine Einschränkung der Fälle, in welchen sie Anwendung finden, geboten und welche Vorschläge könnten zu solcher Einschränkung gemacht werden? Frage 3: Welche Aenderungen auf dem Gebiete der Gefängnißverwaltung werden empfohlen, um dem Strafvollzug eine bessere Wirkung zu ichern als dies unter dem gegenwärtigen Gefängnißregime der Fall sein kann? Frage 4. Soll die Versammlung der deutschen Strafanstaltsbeamten die gesetzliche Regelung des Strafvollzugs verlangen?

Handel und Gewerbe.

Die Sachverständigen⸗Kommission der Berliner Fondsbörse stellte in ihrer gestrigen Sitzung nach längerer Er⸗ örterung fest, daß, da über eine anderweitige Vertheilung der Stempel⸗ lasten jwischen den Betheiligten eine Verständigung bisher nicht er⸗ zielt sei, in diesem Augenblick auch eine Üsance hierüber noch nicht festgestellt werden könne. .

In der 22. ordentlichen Generalversammlung der National Hypotheken⸗Kredit⸗ Gesellschgft, eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht zu Stettin, wurde die vorgelegte Bilanz genehmigt. Aus dem Jahresreingewinn erhalten die Mit—

lieder der Genossenschaft eine Dividende von 400 und die Grund⸗ 6 d vom Tausend ihrer entnommenen, mindestens ein volles Kalenderjahr bestehenden Darlehne.

. Die gestrige ordentliche Generalversammlung der Ober⸗ schlesischen Eisen in dustrie⸗Attiengefellfchaft für Berg⸗ bau und Hüttenbetrieb zu Gleiwitz genehmigte sämmtliche Vorschläge und Anträge des Vorstands und des Aufsichtsraths und ertheilte K Die auf 38 0so festgesetzte Dividende gelangt von heute ab zur Auszahlung. .

Die gestrige n nn. Generalpersammlung der Magdeburger Lebens-Versi erungs⸗Gesellschaft ge⸗ nehmigte den Rechnungsabschluß und die Bilanz sowie die von den Gesellschaftsorganen vorgeschlagene Gewinnvertheilung, nach welcher die Aktionäre eine Dividende von 7 0 des eingezahlten Aktienkapitals, d. i. 21 A660 für die Aktie, erhalten. Dein Vorstande sowie dem Aufsichtsrath wurde Entlastung ertheilt. Dem Rechen- schafts berichte der Magdeburger Lebens ⸗Versicherungs⸗ Gesell⸗ schaft entnehmen wir, daß das neue Geschäft des Jahres 1893 eine wesentliche Steigerung gegen das Vorjahr aufweist. Es wurden ins⸗ gesammt Versicherungen abgeschlossen über 11 806 574 d, d. i. etwa eine Million Mark mehr als 1892; der reine Zuwachs des Ver⸗ sicherungsbestandes betrug 4586 097 6, d. i. 1553 Millionen Mark mehr als im Vorjahre. An der Kriegsversicherung waren 1128 Personen mit 4202 160 0 Versicherungssumme betheiligt. Die Sterblichkeit unter den Versicherten war günstiger als im Vorjahre, indem durch Tod von Versicherten nur 1 850 174 fällig wurden gegen 1 895 756 0 im Vor⸗ jahre. uch gegen die rechnungsmäßig zu erwartende Sterbefallsumme blieb die wirk ch zu zahlende Summe um 583 4098 6 zurück. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß die Rückversicherungggesellschaften 67 900 M zur Deckung der Sterbefälle beizutragen haben. Die

rämienreserven und Prämienüberträge stiegen um J S965. 929 M, die innahme an jährlichen Prämien um 178 169 und die Einnahme

an Zinsen und Miethserträgen um 72 352 4 Das Gewinn und Verlustkonto ergiebt einen y, von 462 828 S, wovon 23 097 S in die Kapitalreserve, 8 S 7 0so der , Baarzahlung als Dividende an die Aktionäre und 305 595 ½ als Gewinnantheil an die Versicherten fallen. .

In der gestrigen Sitzung des Aufsichtsraths der Vereinigten Köln⸗Rottweiler Pulverfabriken wurde die Bilanz für den 31. Dezember 1893 vorgelegt und genehmigt. Nach vertragsmäßiger

brechnung mit den Kartellfirmen ergiebt sich ein Reingewinn von 2 909 379 ½ Es wurde beschlossen, der Generalversammlung, die am 31. Mai in Köln stattfinden wird, vorzuschlagen, nach reichlichen Abschreibungen und angemessener Dotierung der Beamten Penstons⸗ und Arbeiter Unterstützungskasse eine Dividende von 12 zur Ver⸗ theilung zu bringen.

Die e ige Generalversammlung der Zeche „Hugo“ ge⸗ nehmigte einstimmig die Vorschläge des Verwaltungsraths. Bie Dividende beträgt 7 Fo und ist fofort zahlbar Zum Vorsitzenden des Aufsichtsraths wurde der General- Kon ful Eugen Landau wieder gewählt. Das erste Quartal ergiebt 199 60600 0 Ueberschuß gegen 198 000 ƽ im Jahre 1893. .

Essen 4. d. Ruhr, 30. April. (W. T. B.) Amtlicher Bericht der Kohlen börse. Der Versand ist der Jahreszeit an— gemessen. Preise unverändert. Die nächste Börse findet am 28. Mai statt.

Verkehrs⸗Anstalten.

Die Mai Aus gabe des Reichs⸗Kursbuchs mit den Sommer⸗ Fahrolänen für 6 Post⸗ und Dampfschiff verbindungen, begrbeitet im Kursbureau des Reichs- Postamts, ift am heutigen Tage erschienen. Der Preis beträgt, wie bisher, 3 M

London, 28. April. (W. T. B.) Der Castle⸗ Dampfer

Venjice“ ist heute auf der Auzreife in Durban angekommen. Der Union-Dampfer „Goth“ ist gestern auf der Heimreise von den Kanarischen Infeln abgegangen. Der Union · Dampfer Pretoria“ ist gestern auf der Ausreise von Madeira ab⸗ gegangen. . 39. April. (W. T. B) Der Un iondampfer Moor“ ist am Sonnabend auf der Ausreise von Southampton abge⸗ gangen. Der Uniondampfer „Goth“ ist Sonnabend auf der Heim⸗ reise von Madeira abgegangen. Der Uniondampfer Tartar! ist gestern auf der Heimreise in Plymouth angekommen. Der Union⸗ . Gaul“ ist heute auf der Ausreise in Kapstadt an⸗ gekommen.

Theater und Mufik.

Konzerte.

Am Sonnabend veranstaltete Herr WilUhelm Blanck mit seinen Schülern aus den Konzertklassen Fes Kulenkampff'schen Konser⸗ va toriums sowie mit seinen Privatschülern im Saal Bechstein einen „Rubinstein⸗ Abend“, zu welchem nur Klavierstücke dieses Kom⸗ ponisten ausgewählt waren. Herr Pr. Hans Harting trug zuerst ein mit allem Glanz moderner Virtuosität gusgeftattetez Präludium und . vor und ließ hierin unfehlbare Technik und feurig belebte Aus drugtzweise erkennen. Ihm folgten die Elevinnen Eugenke Rein? hold, Marie Leo, Ellg Müller, Rof a Stadthagen, Paula Mertens, Martha Gellrich und Rosa Kalischer, die im Vortrag kleiner und beliebter Stücke, in der Kraft des Anschlags wie in technischer Sicherheit von einander verschiedenes, aber nach Maßgabe ihres Talents recht Anerkennenswerthes leisteten und von einer sorgfältigen Leitung ihrer Studien Zeugniß ablegten. Außerdem spielte Fräulein Helene Köls mit dem Bratschisten Herrn R. Könecke einen Sonatensatz für Klavier und Bratsche, der gleich den übrigen Musikstücken mit großem Beifall aufgenommen wurde. Herr Anton von Rubin stein wohnte dem Konzert bei.

Im Königlichen Opernhause gelangt morgen Meyer⸗ beer's „Afrikanerin“ mit folgender Besetzung zur ufführung: Selica; Frau Pierson, Vasco: Herr Sylva, Nelusco; Herr Bulß, Ines: Fräulein Hiedler, Don Pedro: Herr Mödlinger, Großinquisitor: Derr Krolop,. Don Alvar: Herr Sommer, Oberpriester: Herr Stammer. Kapellmeister Sucher dirigiert.

Im Königlichen Schauspielhause gehen morgen Gustav Freytag's „Journalisten/ in Scene. Die Besetzung ist folgende: Bolz: Herr Keßler, Oberst Berg: Herr Klein, Schmock: Herr Vollmer, Piepenbrink: Herr Oberländer, Lotte; Frau Schramm, Fda: Fräulein von Mayburg. Fräulein Lindner spielt zum ersten Mal die Adelheid.

Anläßlich des sechzigiährigen Künstlerjubiläums des Herrn Louis Kühn findet im Deutschen Thegter am Sonntag, 5. Mai, eine Nachmittags vorstellung zum Vortheil des Jubilars statt. Das Pro⸗ gramm besteht aus einer Zusammenstellung von Scenen beliebter Repertoirestücke und Einzelvorträgen hervorragender Mitglieder. Billets zu den gewöhnlichen Tagespreisen find außer an der Theater⸗ kasse auch bei folgenden Mitgliedern des Comité zu haben: Josef Kainz, Steglitzerstr. X part.; Bruno Köhler, Alexander⸗Ufer 1, Portal II. Max . Schumannstr. 9 II.; Dr. Max Pohl, Hallesches Ufer 25; Rudolf Retty, Wöhlertstr. 19.

Im Bexliner Theater spielt Ludwig Barnay am Donnerstag Abend den „König Lear“. Für morgen ist eine Wiederholung des Wichert 'schen Schauspiels Aus eignem Recht“, für Donnerstag Nachmittag eine solche von Ohnet's „Hüttenbefitzer“ angesetzt. Die Proben zu Sexibe's Lustspiel ‚Das Glas 6 sind in vollem Gange, sodaß das Werk mit Ludwig Barnay als Bolingbroke am Sonnabend in Scene gehen kann.

Im Lessing⸗Theater hat am Sonntag die Doppelvorstellung bon „Niobe! und der „Orientreise' ein nahezu ausverkauftes Haus erzielt und so großen Beifall gefunden, daß sich die Direktion, unter Abänderung der früheren Repertoirebestimmung, veranlaßt gesehen hat, die gleiche Vorstellung nicht nur . sondern auch am Himmel⸗ fahrtstage zu wiederholen. In „Niobe“ werden die Hauptrollen von den Damen Meyer, Drucker, Detschy, Krauß, owe den Herren Sauer und Waldow dargestellt, während in der „Drientreisen die Damen Reisenhofer, von Pöllnitz und Elsinger, die Herren Guthery, Horn, Prechtler und Schönfeld zusammenwirken.

Das Friedrich ⸗Wil helmstädtischen Theater wird während der Monate Juni und Juli 2 halten. Herr Direktor Hei e will während dieser Zeit die Neuorganisierung der unter e. eitung stehenden Theater durchführen. Auch der Friedrich- Wil elmstädtische Konzertpark erfährt bezüglich seines Programms eine Umgestaltung und wird ebenfalls in der bisherigen Form nicht weitergeführt.

Paul A. Kirstein's Schauspiel „Zerstörtes Glück', das in der Sonntags⸗Matinse des Residenz⸗Theaters Beifall gefunden hat, wird mit einigen Kürzungen von heute ab in das A end⸗Repertoire des Neuen Theaters aufgenommen.

Für die zehn großen Phil harmonischen Konzerte der kommenden Saison sind folgende Daten festgesetzt: 15. und 29. Oktober, 12. und 26. November, 10. Dezember 1894, 14. und 28. Januar, 13. Februar, 4. und 18. März 1896. Die Leitung det Konzerte übernimmt der Hof⸗Kapellmeister Richard Strauß. ine Reihe berühmter Solisten sind dafür gewonnen. So .

rofessor Joachim bereits die Zusage gegeben, im nächsten

inter in einem dieser Konzerte zu spielen. Abonnements Anmeldungen werden schon jetzt in der Konzert- Direktion Hermann Wolff, Berlin We, Am Karlsbad 19, sowie in der Hof⸗Muftkhandlung von Bote u. Bock entgegengengmmen, .

Das Konzert der ,. Frau Helene Hochedlinger welches infolge plötzlicher Erkrankung der Künstlerin verschoben werden mußte; ist nunmehr auf morgen, Abends 8 Uhr, im Saal . . angesetzt; die bereits ausgegebenen Billers behalten ihre

ültigkeit. ö