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außer Zweifel und wird nicht bestritten. Deshalb widmen ja auch die Veterinärorgane der Bekämpfung der Maul⸗ und Klauenseuche so eingehende Aufmerksamkeit.
Dann ist der Herr Interpellant noch auf die Schweinepest ein⸗ gegangen. Es ist richtig, daß das eine für uns äußerst gefährliche und Verlust bringende Seuche ist. Wenn er jedoch ausführte, diese Seuche sei bloß durch zu große Willfährigkeit gegen das Ausland bei uns eingeschleppt, so muß ich dem widersprechen. Man kann keine Maß⸗ regel ergreifen, wenn man von der Existenz einer Krankheit noch nichts weiß, und die Schweinepest ist bereits zu einer Zeit durch Importe bei uns ins Land gekommen, als wir in Bezug auf die Be⸗ kämpfung von Viehkrankheiten noch nicht auf dem Standpunkte stan⸗ den wie heute. Vor zehn, zwölf Jahren werden die ersten Fälle ge⸗ wesen sein; genau ist es nicht konstatiert und genau nicht zu verfolgen. Als wir sie bereits hatten, wurde sie auch erst im Ausland als eine Krankheit erkannt, auf die man größere Aufmerksamkeit richten müsse.
Die Interpellation richtet nun die Frage an die Staatsregierung:
Beabsichtigt die Königliche Staatsregierung in Rücksicht auf die Thatsache der sich immer wieder erneuernden Einschleppung von Viehseuchen (Maul⸗ und Klauenseuche, Lungenseuche, Schweinepest) aus dem Auslande und die damit verbundene überaus schwere Schädigung unseres Nationalvermögens, sei es für Preußen, sei es durch den Bundesrath für das Reich — die Ergreifung und Förderung von Maßregeln, welche bei der Einfuhr von Thieren aus dem Auslande die Gefahr der leichten Uebertragbarkeit der Seuchen auf unsere Viehbestände vermindert?
Meine Herren, es könnte aus dieser Fassung der Interpellation gefolgert werden — und der Herr Interpellant hat seine Ausführung von diesem Standpunkt aus gemacht —, als ob die Staatsregierung bis jetzt nicht die genügende Aufmerksamkeit auf die Verhinde⸗ rung der Einschleppung von Seuchen vom Ausland auf— gewandt hätte. Durch meine Ausführungen über den Stand der Sparmaßregeln gegenüber dem Ausland, glaube ich nachgewiesen um zu haben, daß diese Frage von der Staatsregierung nicht bloß seit gestern, sondern seit langem in eingehendster Weise beachtet und, so⸗ weit es möglich ist, gegen die Seucheneinschleppung energisch und mit Erfolg vorgegangen wird.
Mehr Interesse hat für mich die Frage, ob und was man thun kann, um noch größere Sicherheit zu erreichen. Aus den An⸗ regungen des Herrn Interpellanten ist eine große Ausbeute für mich nicht zu entnehmen gewesen; nur ein Punkt war für mich von Interesse: ob es möglich ist, zum größeren Schutz des In⸗ lands bei allem Import aus dem Ausland eine Quarantäne ein⸗ zuführen. Der Herr Interpellant hat die Quarantäne beschränken wollen auf Zuchtvieh, dagegen will er sie nicht auf Schlachtvieh aus—⸗ dehnen. Bezüglich des Schlachtviehs ist er auch für den jetzt bestehenden Zustand, daß ausländisches Vieh zur sofortigen Abschlachtung in die Schlachthäuser eingelassen wird; er will bloß in der Zahl der Schlachthäuser, welche hierzu verstattet sind, eine Beschränkung eingeführt sehen. Ich kann in dieser Beziehung bemerken, daß ich bereits — nachdem in neuerer Zeit die Anforderungen an die Schlacht⸗ hauseinrichtungen betreffs der Zulassung zum Import ausländischen Viehs verschärft sind — die erforderlichen Schritte eingeleitet habe, um eine Untersuchung sämmtlicher zum Import von ausländischem Vieh verstatteter Schlachthäuser vornehmen zu lassen, sie daraufhin zu prüfen, wie ihre Einrichtungen sind, und ob sie den Anforderungen, die jetzt gestellt werden müssen, entsprechen. Ich bin auch nicht zweifel⸗ haft, daß eine derartige Untersuchung dahin führen wird, daß einzelnen Schlachthausverwaltungen aus veterinärpolizeilichen Gesichtspunkten die jetzt bestehende Erlaubniß entzogen werden muß.
Anders liegt es mit der Quarantäne. Die Frage der Quarantäne an den Grenzen ist wiederholt angeregt worden, und bisher stehen die veterinärpolizeilichen Organe auf dem Standpunkt, daß dieselbe mit sehr großen Bedenken verknüpft ist, weil anzunehmen sei, daß die ein⸗ zurichtenden Quarantäneanstalten sehr bald zu Seuchenherden werden müßten und dann die Gefahr der Verbreitung der Seuchen durch diese Quaranräneanstalten selbst größer sei, als bei dem jetzigen Zustande. Ich persönlich stehe nicht ganz auf diesem Standpunkt und bin deshalb von neuem der Prüfung dieser Frage nähergetreten, ohne daß diese Erörterungen bis jetzt zum Abschluß gelangt sind. In meinen Augen ist bezüglich der Quarantänen Folgendes zu beachten: daß das Reich keine Quarantäne⸗ Anstalten einrichten kann an allen Punkten, wo der Uebertritt von ausländischem Vieh stattfindet, liegt auf der Hand. Ebenso un⸗ möglich ist es in meinen Augen, daß der Einzelstaat derartige Quarantäneanstalten einrichten kann, und zwar aus dem einfachen Grunde: die Kosten sind zu hoch, und wenn der Staat den Impor⸗ teuren die Quarantäneanstalten zur Verfügung stellt, so ist gar keine Möglichkeit vorhanden, mit Sicherheit die Zuführung von Vieh, welches unter Quarantäne gebracht werden soll, überhaupt in bestimmten Grenzen zu halten. Wenn man es also für nothwendig hält, Quarantänen einzuführen, um sich vor den übertragbaren Seuchen, welche nicht sofort erkennbar sind, sondern eine längere Inkubationsdauer haben, zu schützen, so wird nichts übrig bleiben, als die Bedingungen festzulegen, welche für die Errichtung von Quarantäneanstalten nothwendig sind, und es dann den Importeuren selbst zu überlassen, sich die Quarantäne⸗ anstalten zu verschaffen. Etwas Aehnliches besteht in kleinem Umfang an der dänischen Grenze und auch an den Seeplätzen, wo gegenüber dem Import von Vieh aus Amerika und England immer eine Qua⸗ rantäne vorgeschrieben gewesen ist. Ich sage also, die Frage wird ge⸗ prüft; inwieweit ein Resultat dabei herauskommen wird, kann ich heute nicht sagen.
Aber den Weg, den der Herr Vorredner vorgeschlagen hat, daß wir große Schlachthäuser an der Grenze einrichten, möchte ich nicht betreten. Nach einem Zeichen des geehrten Herrn, daß ich ihn hier mißverstanden habe, gehe ich auf diese Frage nicht näher ein.
Daß durch die Eisenbahnen eine Verschleppung von Seuchen statt⸗ sinden kann, ist zweifellos. Aber auch in dieser Beziehung haben wir ausreichende Vorschriften. Zugleich ist es richtig, was der Herr Inter⸗ pellant ausführte: wir müssen die Eisenbahnwagen nicht bloß in Obacht haben bei dem Import zu uns, sondern auch beim Export in das Ausland. Infolge dessen bin ich auch neuerdings wieder mit der Eisen⸗ bahnverwaltung in Verbindung getreten, um namentlich bei allen Ex⸗ porten von Berlin eine sehr weitgehende Desinfektion und Reinigung der Wagen herbeizuführen sowohl vor Einladung des Viehs wie nach Entladung der Wagen. Die strengste Desinfektion und Reinigung aller Wagen, die von Berlin abgehen, wird jedenfalls von Nutzen sein.
Folgendes bemerken. Der Herr Vorredner stellt es so dar, als ob der Vieh⸗ und Schlachthof in Berlin zweifellos diejenige Stelle sei, von wo aus Jahr aus, Jahr ein die vorhandenen Seuchen in das Land verschleppt worden seien. Diese Ansicht besteht in sehr weiten Kreisen; ich habe früher in der Provinz diese Ansicht auch gehabt, und ich sage auch heute nicht, daß sie falsch ist. Aber ein absoluter Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme ist doch auch noch nicht geführt. Es haben Verschleppungen stattgefunden; aber es hätten, wenn wirklich die ganzen Anlagen in Berlin verseucht wären, noch weit mehr Seuchenverschleppungen stattfinden müssen, als bisher konstatiert sind. Immerhin wird diese Frage gerade jetzt zum Austrag kommen, weil wegen Feststellung eines Seuchenfalls der Berliner Vieh⸗ und Schlachthof augenblicklich für allen Abtrieb gesperrt ist und sich ergeben muß, ob alles in demselben jetzt vorhandene Vieh der Maul und Klauenseuche verfällt oder nicht. Bleibt es gesund, so ist das ein Beweis, daß der Viehhof als solcher nicht verseucht ist, sondern daß, wie die hiesige Schlachthofverwaltung annimmt, die bisherigen Maßregeln ausreichend gewesen sind, um trospsz wiederholter Einschleppung von einzelnen Seuchenfällen diese immer wieder zu lokalisieren und zu unterdrücken, sodaß also die ge⸗ sammten Anlagen nicht als verseucht betrachtet werden können, sobald die kranken Thiere abgeschlachtet sind und die Des⸗ infektion stattgefunden hat. Diese Frage mußte klargestellt werden, und deshalb mußte im gegebenen Fall auf längere Zeit eine Sperre eintreten. Je nach dem Resultat wird auch die Beurthei⸗ lung der Gefährlichkeit des Berliner Vieh⸗ und Schlachthofs in Zu⸗ kunft eine richtigere sein können.
Schließlich hat der Herr Vorredner noch einen Punkt berührt: das Treiben der Gänse und der Schweine — wenn ich ihn richtig verstanden habe. Auch in dieser Beziehung bedarf die Staatsregierung keiner Anregung; die Angelegenheit ist in Bearbeitung. Es hat that⸗ sächlich eine Einschleppung der Maul⸗ und Klauenseuche durch Gänse aus Kurland stattgefunden und es ist infolge dessen schon im vorigen Jahre zu der Zeit, wo die Gänsetransporte stattfanden, in einzelnen Bezirken das Fahren der Gänse angeordnet und das Treiben derselben auf den Landstraßen verboten. Es ist bereits eine Bestimmung in Vorberei⸗ tung, welche in Zukunft ermöglichen soll, den Hausierhandel mit Schweinen und Gänsen im Nothfall, wenn Gefahr besteht, beschränken zu können. Die Angelegenheit wird aber den Reichstag beschäftigen müssen und gehört nicht hierher. Auch dieser Punkt wird also von der Regierung im Auge behalten.
Ich kann das Resultat meiner Ausführungen dahin zusammen⸗ fassen: für die Königliche Staatsregierung und auch für das Reich besteht nicht bloß eine Absicht, die und die Maßregeln, die der Herr Vorredner bezeichnet hat, zur Bekämpfung der Einschleppung von Seuchen anzuwenden, sondern die Königliche Staatsregierung sowie die Reichsverwaltung haben die erforderlichen Sicherungsmaßregeln bereits in Vollzug gesetzt und erwägen fortgesetzt, ob und welche weiteren Sicherungsmaßregeln in Vollzug gesetzt werden können.
Damit ist die Interpellation erledigt.
. wird nachstehende Interpellation der Abgg. von Buch (kons.) und Genossen verlesen:
Gedenkt die Königliche Staatsregierung Maßregeln zu ergreifen, um in solchen Landestheilen, in welchen ein Versicherungszwang für Gebäude nicht besteht und infolge dessen der Fortbestand der vorhandenen öffentlichen Versicherungsanstalten gefährdet ist, die Möglichkeit einer Versich erung solcher Baulichkeiten, welche zu den sogenannten schlechten Risiken gehören, aufrecht zu erhalten?“
Der Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg erklärt, daß er Lie Interpellation sofort beantworten werde.
Abg. von Buch (kons.): Der Gegenstand hat das Haus schon früher beschäftigt aus Anlaß einer Petition des uckermärkischen Bauernvereins, welche das Monopol der öffentlichen Feuersoʒietäten für Immobiliarversicherung sichern wollte, weil diese durch die Kon⸗ kurrenz der Privatversicherungsgesellschaften benachtheiligt würden. Es müßten für die Häufer mit weicher Bedachung hohe Prämien enommen werden. Bei Privatversicherungen würden solche schlechten hen. garnicht angenommen, während die guten, diesen zufallen. Die Petition wurde der Regierung als Material überwiesen, welche damals erklärte, daß sie mit einer Reform des Feuerversicherungs · wefens beschäftigt sei. Seitdem hat sich die Lage der öffentlichen k in Brandenburg erheblich verschlechtert.
ie Besitzer werden aber indirekt gezwungen, bei den öffentlichen Anstalten zu versichern, weil bei ,,, seitens der land⸗ wirthschaftlichen Institute die n,, Versicherung bei öffent⸗ lichen Sozietäten verlangt wird. Die Verhandlungen über Ermäßi⸗ gung der Versicherungsprämie haben nur theilweise Erfolg gehabt, und die eingetretene Ermäßigung ist eine sehr geringe. Die Zwangs⸗ versicherung besteht in einigen preußischen Provinzen und in Berlin, Stettin und Breslau, sowie außerhalb Preußens in den, meisten deutschen Ländern. Die schlechten Risiken müsssen die Möglichkeit erhalten, bei öffentlichen Sozietäten ein Unterkommen zu finden. Redner fragt daher an, welches Ergebniß die auf Grund der früheren Anregung angestellten Erörterungen in 6. auf die Reform des Feuerversicherungswesens gehabt haben, und we che Maßnahmen beab⸗ sichtigt werden, um den sogenannten schlechten Risiken die Möglichkeit einer Versicherung aufrecht zu erhalten.
Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg:
Meine Herren! Die letzte Frage des Herrn Vorredners, welche sich in Uebereinstimmung mit dem Wortlaut der Interpellation be⸗ findet, scheint mir nicht vollständig das zu treffen, was eigentlich gemeint ist. Denn die Frage richtet sich dahin, ob die Königliche Staatsregierung die Möglichkeit aufrecht erhalten will, den schlechten Risiken eine Versicherung zu eröffnen. Ich glaube, daß es nach dieser Richtung keiner Maßregel bedarf; denn die be⸗ stehenden Versicherungsgesellschaften nehmen auch schlechtere Risiken in sehr großem Umfange auf chört, hört! links) und haben sich erboten überall, wo in der Versicherung ein Mangel stattfindet, einzutreten und in noch weiterem Umfange sich dieser Branche zu widmen. Ich glaube also, daß die Behauptung, daß für die weniger guten Risiken die Möglichkeit der Versicherung nicht vor—⸗ handen wäre, nicht wird aufrecht erhalten werden können. Ich glaube, daß die Frage richtiger so gestellt worden wäre, ob man Maßregeln in Aussicht nehmen will, die öffentlichen Sozietäten in ihrer Lebens— fähigkeit zu erhalten, und, meine Herren, ich bin der Mei⸗ nung, daß das eine Frage ist, welche sehr wohl auf— geworfen werden kann; denn ich bin der Meinung, daß die Wirkung der öffentlichen Sozietäten eine durchaus heilsame ist, und daß sie auch für die erwähnten weniger günstigen Risiken bei richtiger Verwaltung und richtigem Umfang de Sozietäten günstigere Aussichten im ganzen bieten, als sie von der großen Mehrzahl der
allem betrachtet nämlich, denn es ist mir sehr wohl bekannt — ez ist dies auch von dem Herrn Vorredner ausdrücklich zugegeben worden — daß bei einer Anzahl von Privatgesellschaften die Prämien geringer sind als bei den öffentlichen Sozietäten.
Nun, meine Herren, wenn ich sagte, daß die öffentlichen Sozietäten eine heilsame Wirkung haben und der Erhaltung sehr werth sind, so bin ich doch nicht in der Lage, sagen zu können, daß nunmehr auch jedes Mittel recht sein müsse, um zu diesem Resultat zu gelangen. Zunächst muß ich ja zugeben, daß bei der Kurmärkischen Sozietät sich Verhältnisse herausgebildet haben, welche in der That zu Bedenken Anlaß geben. Die Beiträge sind auf eine recht erhebliche Höbe gestiegen, und es war bis 1891 — ich lasse die Frage, ob verhältniß⸗ mäßig oder nicht, vor der Hand bei Seite — eine nicht unbedeutende Steigerung der Versicherungssumme eingetreten. Das ist in den letzten Jahren nicht mehr der Fall gewesen, sondern sie ist zurück gegangen, wenn auch immerhin der Versicherungsbetrag noch weit über 500 Millionen beträgt. Aber, meine Herren, diese Erscheinung finden Sie keineswegs nur bei den öffentlichen Sozietäten oder auch nur bei der Mehrzahl derselben. Es sind außer bei der Kurmärkischen Sozietät vielleicht nur eine oder zwei, die in ähnlicher Weise leiden, während die übrigen wohl prosperieren, und wenn ich auch weiß, daß mit einer solchen Zahl, wie ich sie jetzt anführen will, nicht der vollen Bedeutung der Sache entsprochen wird, so ist sie doch immerhin so beträchtlich, daß sie einen bedeutenden Anhaltspunkt für die Lebens⸗ fähigkeit und Gebahrung der öffentlichen Sozietäten giebt. Im ganzen ist nämlich die Versicherungssumme bei den öffentlichen Sozietäten von etwa 133 Milliarden im Jahre 1882 auf 214 Milliarden im Jahre 1892 gestiegen (hört! hört! links5 — ein Beweis, daß im ganzen die Verhältnisse der öffentlichen Sozietäten doch nicht so bedenklich sind, als es nach der Darstellung des Herrn Vorredners den Anschein ge— winnen könnte. ö
Also, ich glaube, daß, im großen und ganzen betrachtet, ein Be⸗ dürfniß gesetzgeberischen Einschreitens nach dieser Richtung hin kaum wird anerkannt werden können. Wenn dem aber auch so sein sollte, so muß ich zweitens sagen, daß ein gesetzgeberisches Einschreiten in der Richtung, daß man einen Versicherungszwang oder ein ausschließliches Versicherungsrecht für diese Gesellschaften von neuem einführen sollte — daß ein solcher Schritt der Gesetzgebung sich nicht wird empfehlen lassen. Meine Herren, mir ist so gut wie dem Herrn Vorredner be⸗ kannt, daß die Staats⸗Versicherungsanstalten in einer Anzahl von deutschen Staaten gut gedeihen. Aus nächster Beobachtung während eines lang⸗ jährigen Zeitraums kann ich ihnen auch darin vollständig recht geben, daß da, wo der Versicherungszwang direkt oder indirekt besteht, also z. B. in Hessen und in Nassau, die Versicherungssozietäten außer— ordentlich prosperieren und zu verhältnißmäßig billigen Bedingungen den Ansprüchen des Versicherten vollkommen genügen, ebenso wie das auch in der Stadt Berlin der Fall ist.
Ich glaube aber, Sie werden mir zugeben müssen, daß ein sehr großer Unterschied ist, ob man altgewohnte Einrichtungen dieser Art aufrecht erhält, oder ob man auf anderen Gebieten, wo die Ver⸗ hältnisse eine vollkommen entgegengesetzte Entwickelung genommen haben, nunmehr dazu übergeht, einen solchen Zwang oder ein aus— schließliches Versicherungsrecht wieder einzuführen.
In den Verhandlungen vom Jahre 1887, die der Herr Vorredner erwähnt hat, ist hier im Hause von den Vertretern und warmen Ver⸗ fechtern der öffentlichen Sozietäten ganz ausdrücklich anerkannt worden, daß das Zusammenwirken dieser beiden verschiedenen Gattungen von Versicherungsgesellschaften ein heilsames ist (sehr richtig! links) für die öffentlichen Sozietäten, indem sie zu einer größeren Beweglichkeit und einer verbesserten Verwaltungseinrichtung gelangt sind, für die Privat⸗ versicherungsgesellschaften in der Richtung, daß sie immer mehr auf eine größere Solidität und eine größere Kulanz bei der Schadensregulierung hingewiesen worden sind. Nachdem diese Entwickelung seit mehr als 30 Jahren besteht und auf Grund derselben in ganz außerordentlichem Umfange die Privat⸗Versicherungsgesellschaften Boden gewonnen haben, muß ich aufrichtig bekennen, daß ich es kaum für angängig halte, nunmehr eine rückläufige Bewegung eintreten zu lassen, denselben den Boden ohne weiteres wieder fortnehmen zu wollen und ein ausschließ⸗ liches Monopol für die öffentlichen Sozietäten einzurichten. Ich glaube also, daß ich nach dieser Richtung hin eine Aussicht nicht eröffnen kann.
Anders liegt die Sache in der Richtung — und das allerdings will ich sehr gern in Erwägung nehmen, ob die hilfreiche Hand der Auf⸗ sichtsbehörde, soweit dies gewünscht wird, dazu zur Verfügung zu stellen ist — ob man durch die innere Einrichtung der Feuersozietäten nicht eine Besserung schaffen kann, welche den hier vorgebrachten Uebelständen abhilft. Ich höre zu meiner großen Genugthuung von dem Herrn Vorredner angeben, daß die Kurmärkische Sozietät in diese Erwägung bereits ein⸗ getreten ist. Ja wohl, das ist der Weg, auf dem man aus solchen Kalamitäten wenigstens allmählich wieder herauskommen kann, daß man ein richtiges Klassensystem einrichtet, auf Verminderung der Bei⸗ träge soviel als möglich hinwirkt und so die Neigung zum Austritt verringert. Es ist dabei auch in Betracht zu ziehen, daß die beiden letzten Jahre, in denen die Kalamitäten besonders hervorgetreten sind, in Bezug auf Brandfälle besonders ungünstig waren und es nicht nothwendig — hoffentlich auch nicht wirklich — sein wird, daß das so fortgeht. Ich glaube, man wird zunächst daran gehen müssen, ob man nicht in der Organisation der Gesellschaften ein Hilfsmittel finden kann, um der Neigung zum Austritt vorzubeugen. Gelingt das nicht, zeigt es sich, daß die Verhältnisse derart sind, daß auf den gegebenen Grundlagen sie sich nicht aufrecht erhalten lassen, dann wird ein zweites Hilfsmittel in Frage kommen, was in ver⸗ schiedenen Fällen bereits mit autem Erfolg versucht worden ist, daß die Verschmelzung einer öffentlichen Sozietät mit einer benachbarten und dadurch die Ausdehnung auf ein größeres Gebiet stattfindet, die in der Regel die Chancen verbessert, die Verwaltung verbilligt und auf diesem Wege die Neigung zum Austritt verringert. Wir haben in der Provinz Hannover zwei Beispiele dieser Art, die sich zu voller Zufriedenheit vollzogen haben.
Also, meine Herren, was auf diesem Gebiete geschehen kann, — dazu hilfreich zu sein, ist die Staatsregierung sehr gern bereit; die Wiedereinführung der Zwangsversicherung in Aussicht zu stellen, bin ich dagegen nicht in der Lage. (Bravo! links.)
Auf Antrag des Abg. von Kröcher (kons) tritt das Haus in eine Besprechung der Interpellation ein.
Abg. von Kröcher weist darauf hin, daß eine ganze Reihe von Kleinbesitzern in der Provinz Brandenburg bald garnicht mehr bei
Dabei muß ich bezüglich des Schlacht⸗ und Viehhofs in Berlin
Privat⸗Versicherungsgesellschaft gewährt werden können: alles in
öffentlichen Sozietäten versichert sein würden, weil die Kurmärkische
Versicherungkanstalt zu hohe Beiträge erhebe. Es hesteht, führt Redner aus, bei der Brandenburgischen Kreditanstalt die Vaorschrift, daß die Gebäude bei einer gegenseitigen Versicherung versichert sein müssen. Eine solche k estand außer der öffentlichen Sozietät bisher in Brandenburg nicht; sie ist aber jetzt konzessioniert, und die Inhaber von Pfandbriefen werden Jetzt in diese neue Gesell⸗ schaft übertreten; es bleiben nur die kleinsten Besitzer mit schlechten Gebäuden übrig, die von Pripatgesellschaften nicht angenommen werden oder nur zu sehr hohen Prämien. Die Kurmärkische Gesell⸗ schaft wird sich neben der neuen Gesellschaft nicht halten können, da ihr die guten Gebäude fern bleiben. Wenn man die Sozietäten nicht mit einem Monopol versehen will, dann muß man die Aktien⸗ gesellschaften zwingen, auch die schlechten Risiken zu übernehmen.
Abg. Bu eck nl) dankt dem Minister, daß derselbe die Er—⸗ klärung abgegeben habe, eine weitere Beschränkung der privaten Thätig⸗ keit solle nicht eintreten. Wenn, erklärt Redner, bei dem Konkurrenz- kampf der öffentlichen Sozietäten und der Privatgesellschaften Licht und Schatten gleich vertheilt ist, so ist das für die Versicherten der beste Zustand. Die Angriffe auf, die Privatversicherungsgesellschaften, daß sie die schlechten Risiken nicht übernähmen und dadurch größere Gewinne erzielen, sind unbegründet. Der Verband der Feuerversiche⸗ rungsgesellschaften hat sich bereit erklärt, alle ihm von dem Minister oder von den Sozietäten zugewiesenen schlechten Risiken zu über—⸗ nehmen. Aber daraufhin ist nichts erfolgt, woraus man schließen könnte, daß ein Mangel an Versicherungsgelegenheit für die schlechten Risiken nicht vorhanden ist. Es besteht aber auch für die Sozietäten kein Zwang, schlechte Risiken unter allen Umständen aufzunehmen. Die Soztetäten, welche in rationeller Weise sich die Fortschritte der Versicherungsfreiheit zu eigen gemacht haben, prosperiren in bester Weise. Daß die Privat gesellschaften bei der Regulierung inkulanter wären als die öffentlichen Sozietäten, ist ebenfalls nicht richtig; das sind Behauptungen, die auch vor mehreren Jahren hier vorgetragen wurden, aber ö. Be⸗ weis geblieben sind; denn nach einer Umfrage haben bei 145 000 Brandschäden nur 9 Anlaß zu Klagen gegeben, die aber als nicht berechtigt erwiesen wurden.
Abg. Richter (frs. Volksp.): Die Interpellation ist nur mit Be⸗ hauptungen begründet worden die ganz beweislos geblieben sind. Die Be⸗ hauptung, daß die schlechten Risiken von den Privatgesellschaften zurück⸗ gewiesen wurden, hat sich als unrichtig ergeben. Es sind 1590 Millionen Gebäude mit weicher Bedachung bei Privatgesellschaften versichert, un— gefähr ebenso viel im Verhältniß wie bei den öffentlichen Sozietäten. Uebrigens sind die Gebäude mit weicher Bedachung nicht immer in den Händen kleiner Besitzer, sondern sogar die Wirthschaftsgebäude pieler größeren Besitzer sollen sehr schlechte Risiken sein. Außerdem schließen die Sozietäten auch schlechte Risiken von der Versicherung aus. Die Kurmärkische Sozietät warnt ihre Beauftragten vor der Versicherung von Mühlen und bäuerlichen Häusern mit weicher Be— dachung. (Zuruf: Mobiliarversicherung) Wenn sich das bloß auf die Mobillarversicherung bezieht, so ist es noch viel ungerechter, denn die kleinsten Leute, die nicht ein eigenes Haus haben, aber in einem solchen feuer⸗ gefährlichen Gebäude wohnen, sind dadurch von der Versicherung bei Sozietäten ausgeschlossen; sie werden an die Privatgesellschaften ver— wiesen. Durch die höheren Prämien für die schlechten Risiken haben die, Privatgesellschaften mehr für, die Verminderang, der Feuer⸗ gefährlichkeit gesorgt als alle landräthlichen feuerpolizeilichen Bestim⸗ mungen. Gegenüber den Privatgesellschaften tritt bei Schaden⸗ regulierungen das gerichtliche Verfahren ein, während bei den Sozie⸗ täten nur Beschwerde möglich ist. Es handelt sich hier hauptsächlich um die Verquickung der Kreditinstitute und der Versicherungsinstitute. Warum unterscheidet man zwischen der Kur⸗ und der Neumark? Es müßte erst die Organisation der Institute untersucht und ferner geprüft werden, ob der Bezirk der Sozietät nicht zu klein ist, um dieselben ,,, machen. Es ist kein Beweis erbracht worden dafür, daß wir durch inführung des Monopols zu besseren Zuständen kommen würden. Die Frage des Monopols ist aber keine branden⸗ burgische und keine preußische, sie würde vor das Reich gehören.
Abg. von Eynern (ul.): Wenn die Frage neu zu regulieren wäre, so würde die Zwangkversicherung, wie sie sich in einzelnen Landestheilen bewährt hat, unbedingt zu empfehlen sein. Wenn die Sozietäten dadurch benachtheiligt würden in der Konkurrenz, daß sie auch die schlechten Risiken übernehmen müßten, so müßte ihnen geholfen werden; aber thatsächlich prosperieren die Sozietäten bis auf zwei sehr gut. Diese zwei Sozietäten sollten sich ebenso re⸗ formieren wie die übrigen, und sie sollten nicht eine vollständige Um⸗ wälzung des Feuerversicherungswesens in ihrem Interesse verlangen.
Abg. Lamprecht (kons.) bleiht dabei, daß die öffentlichen Sozietäten benachtheiligt seien, weil sie schlechte Risiken aufnehmen müßten, deren Versicherung die Privatgesellschaften ablehnen, welche zwar hohe Prämien nähmen, aber bei der Schadensregulierung nicht die volle Versicherungssumme auszahlten, sondern allerlei Ausstellungen in Bezug auf den im Laufe der Zeit verminderten Werth der Ge⸗ bäude machten. Redner bittet den Minister nochmals, die Lage der Kurmärkischen Sozietät in Erwägung zu ziehen.
Abg. Rickert (frs. Vgg.): Wenn nicht bestimmte Beschwerdefälle mit Namen vorgebracht werden, dann kann man den Beweis nicht führen, daß die Hrber esc fe en bei den Schadenregulierungen die Versicherten benachtheiligen. Besser wäre es, wenn die Interpellanten einen formulierten Antrag stellen wollten.
Abg. von Kröcher (kons. : Wir verlangen nicht ein Monopol für die Feuersozietäten, sondern haben nur darauf aufmerksam gemacht, daß in der nächsten Zeit eine große Anzahl kleiner Leute nicht mehr in der Möglichkeit sich befinden werde, gegen Feuer zu versichern; da muß Abhilfe geschaffen werden, ob durch Monopol oder anderweitige Mittel, mag dahingestellt bleiben.
Die Abgg. Bueck (nl) und von Eynern (nl) sprechen sich noch einmal dagegen aus, daß wegen der Mißstände in der Provinz Brandenburg für den ganzen Staat ein Monopol eingeführt werden
solle.
Abg. Richter (frs. Volksp.) erklärt, daß er, wenn er noch in Berlin wohnte, jeden Anlaß benutzen würde, um hier das Monopol der Sozietät zu beseitigen.
Abg. Graf zu Lim burg-Stirum (kons.): Allgemein soll ein Monopol nicht eingeführt werden, sondern nur da, wo der Bestand der öffentlichen Sozietät gefährdet ist, wie es in Branden burg der Fall ist. Die Aktiengesellschaften sollen Dividenden ver⸗ theilen und müssen deshalb die schlechten Risiken von sich abwälzen. Hoffentlich findet die Regierung einen Weg zur Abhilfe. .
Hierauf wird die Besprechung geschlossen. Die Inter⸗ pellation ist damit erledigt.
Es folgen nach Absetzung der übrigen Gegenstände der Tagesordnung Berichte der Wahlprüfungskommission.
Die Wahlen der n, Lotz (b. k. F), Herrmann (Zentr., Graw sZentr., Meister (fr. kons) und Sieg (ul.) werden für gültig, die Wahl des Abg. von Pappenheim⸗ Liebenau 6g wird für ungültig erklärt.
Bei der Feststellung der Tagesordnung für die nächste Sitzung bittet Abg. Freiherr von Zedlitz sfr. kons) den Präsidenten, die dritte Lesung des Gesetzentwurfs über die ö erst nach Pfingsten vor⸗ zunehmen, da die Verhandlungen zwischen den Parteien noch nicht zu einem Ergebniß geführt hätten.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (ons.) tritt dieser Bitte bei, ebenfo der . von Eynern (nl.
Präsident von Köller erklärt, daß darüber erst nach Beendigung der Sonnabendsitzung Beschluß gefaßt werden
könne.
Schluß 4 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 12 Uhr.
Statiftik und Volkswirthschaft.
Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.
An Anträgen h Gewährung von Renten sind bei der Hanseatischen Versicherungsanstall eingegangen: a. an Alters renten im Laufe des Jahres 1891: 1105, 1892: 404 1893: 381, in der Zeit vom 1. Januar bis Ende April 1894: 130, zusammen 2920; b. an Invalidenrenten im Laufe des Jahres 1892: 181, 1893: 301, in der Zeit vom 1. Januar bis Ende April 1894: 1465, zusammen 627; mithin seit Beginn des Jahres 1891 an überhaupt. 2647. Von den Anträgen auf Alters= rente entfallen auf das Gebiet der freien und Hansestadt Lübeck 352, Bremen 443. Hamburg 125, und von den Anträgen auf Invalidenrente guf das Gebiet von Lübeck 92, Bremen 232, ,, 305. Von den Anträgen auf Altersrente sind bis Ende pril dieses Jahres erledigt: 2064, und zwar 1756 durch Renten Hrahrung, 217 durch Ablehnung und 31 auf sonstige Weise. on,. den Altersrenten - Eimpfaͤngern sind inzwischen aus—⸗ eschieden 254, von diesen sind verstorben 244. Von den nträgen auf Invalidenrente sind bis Ende April dieses Jahres erledigt 605, und zwar 439, durch Rentengewährung, 153 durch Ab⸗ lehnung und 22 auf sonstige Weise. Von den Invalidenrenten⸗ empfängern sind inzwischen ausgeschieden 61, von diesen sind ver— storben 58. Auf die Gebiete der drei Hansestädte vertheilen sich die noch im Bezug der Rente befindlichen Personen folgendermaßen: Lübeck 258 Altersrenten, 1 Invalidenrenten. Bremen 341 Alters⸗ renten, 156 Invalidenrenten, Hamburg 903 Alfergrenten, 166 Inva⸗ lidenrenten. Die Jahressumme der bis jetzt gewährten Renten macht insgesammt 329 009 S aus, von welchem Betrage 45 400 M für die inzwischen ausgeschiedenen Rentenempfänger abzusetzen sind. Nach den Berufszweigen vertheilen sich die 2156 Rentenempfänger auf folgende Gruppen:; Landwirthschaft und Gärtnerei 147, Industrie und Bauwesen 902, Handel und Verkehr 356, sonstige Berufsarten 168, Dienstboten ꝛc. 613 Rentenempfänger.
Austellung der Zentralstelle für Arbeiter⸗Wohlfahrts—⸗ ⸗ ein richt un gen.
Die Zentralstelle für Arbeiter- Wohlfahrtzeinrichtungen veran—⸗ staltet bei Gelegenheit ihrer diesjährigen Konferenz in dem großen Konferenzsaale des Anhalter Bahnhofs eine Ausstellung von Apparaten zur Lüftung von Fabrikräumen und von Zeichnungen und Modellen ausgeführter Lüftungsanlagen. Die Ausstellung wird vom 3. bis 9. Mai täglich von 10 Uhr Vormittags bis 9 Uhr Abends unentgelt— lich dem Publikum geöffnet sein.
. Fürsorge für Arbeiter.
Die Firma Deinhard u. Comp. in Koblenz, Inhaber Geh. Kommerzien⸗Rath Wegeler, hat, wie der Köln. 3.“ gemeldet wird, zu ihrem hundertjährigen Jubiläum 100 000 S6 zum Wohle ihrer Arbeiter gestiftet.
Zur Arbeiter⸗Wohnungsfrage.
Von den nach dem Muster des Hannoverschen Spar- und Bau vereins in letzter Zeit entstandenen Genossenschaften hat nun auch die Paderborn er, und zwar mit Hilfe eines von der Pensions⸗ kasse, für die Arbeiter der preußischen Staats, Eisenbahnverwaltung gewährten Baudarlehens, mit dem Bau ihrer ersten Häuser beginnen können. Es sind Sechsfamilienhäuser, deren Wohnungen aus Stube, zwei Kammern und Zubehör bestehen und zum durchschnittlichen Preise von 175 46 vermiethet werden sollen: ein Preis, der etwa 50 M hinter dem ↄrtsüblichen zurückbleibt,
Die zu den Gräflich Schaffgotsch'schen Werken gehörige Paulusgrube hat für die Invaliden ihrer Belegschaft und die Wittwen ihrer Arbeiter mit einem Kostengufwand von 60 900 M ein In validenhaus errichtet, in welchem diese mit ihren Angehörigen billige Unterkunft finden. Der monatliche Miethzins für eine Woh— nung beträgt nur 1,50 0
Die Invaliditäts- und Alters versicherungsanstalt der Rheinprovinz hat mit der Landesbank ein Abkommen dahin ge— troffen, daß letztere aus den von der Versicherungsanstalt hinterlegten Beträgen Darlehen für die Errichtung von Arbeiterwohnungen bis zur Gesammthöhe von 1 0900 000 m gegen 30 /o Zinsen bewilligen soll. Bei Hergabe solcher Darlehen ist die Ueberschreitung der in den Statuten der Landesbank vorgeschriebenen Beleihungsgrenze (Hälfte des Werthes des Pfandobjekts) nicht ausgeschlossen.
Die Gemeindeverwaltung der Stadt Ulm hat die Erbauung von Wohnungen für Arbeiter und niedere Bedienstete aus Mitteln der Stadt beschlossen.
Verband von Feierabend- und Erholungshäusern für deutsche Lehrerinnen und Erzieherinnen.
In den verschiedensten Gegenden Deutschlands bestehen seit längerer oder kürzerer Zeit für die Lehrerinnenwelt segensreich wirkende Feier⸗ abend und Erholungshäuser, welche durch Selbsthilfe des betreffenden Standes und die Unterstützung geeigneter Persönlichkeiten gegründet wurden. Wir nennen die Feierabendhätrser zu Steglitz bei Berlin, Gandersheim im Braunschweigischen, Kleinburg bei Breslau, Waren in Mecklenburg-Schwerin, das Erholungshaus in Norderney. Einige andere zu Göttingen, Wolfenbüttel u. s. w. sind in der Gründung begriffen. Auf Anregung des bekannten Pädagogen und Schriftstellers, Direktors Dr. Krügerberg in Iserlohn, der besonders auch auf dem Gebiete dieser Bestrebungen thätig ist, findet am 5. d. M. zu Berlin in der Königlichen Elisabethschule eine Versammlung von Vertretern derartiger gemein⸗ nütziger Anstalten statt, um über die Gründung eines die Gesammt⸗ heit solcher Einrichtungen fördernden Verbandes zu berathen.
Zur Währungsfrage.
Die internationale bimetallistische Konferenz, die auf Veranlassung der bimetallistischen Liga nach London zusammen⸗ berufen ist, wurde, wie W. T. B.“ meldet, am Mittwoch im Man⸗ sion House unter dem Vorsitz des Lord⸗Mayors eröffnet. Von der englischen Regierung ist kein Vertreter zu der Kon ferenz entsendet. Es waren mehrere englische und aus⸗ wärtige Nationalökonomen anwesend. aus Deutschland Graf von Mirbach und Dr. Arendt. Die Diskussion eröffnete der Führer der Konservativen im Unterhause Balfour mit einer Rede, in der er sich für die Opportunität und die Möglichkeit der Doppel⸗ währung sowie eines internationalen Abkommens zur Einführung des Bimetallismus aussprach und es bedauerte, daß sich England in dieser Frage isoliere. Das Unterhausmitglied Courtney sprach sich in ähnlichem Sinne aus.
Das „Reuter'sche Bureau“ läßt sich aus Washington melden: Die bimetallistische Bewegung in Europa wird als eine Bestätigung der Ansicht des Präsidenten Cleveland angesehen, daß die , des Goldes und des Silbers nur durch ein internationales
invernehmen gesichert werden könne. Cleveland glaubt, daß ein solches Einvernehmen gegenwärtig unmöglich sei, da einige europäische Großmächte keine Neigung zeigten, die Doppelwährung anzunehmen. Die Vereinigten Staaten würden daher nicht die Initiative er⸗ ö sondern die Einladung der Mächte zu einer Konferenz ab⸗ warten.
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Stuttgart wird dem „Vorwärts“ geschrieben: Der Aus⸗ en der Schneider ist nun völlig beendet. Die Gehilfen haben ämmtliche Lohnforderungen durchgesetzt; was die Arbeitszeit an—⸗ betrifft, so hat man sich auf 199 Stunden geeinigt.
In Saalfeld sind nach einer Mittheilung desselben Blattes in der Patenttisch⸗Fabrik von Helm stedt zwischen den Schlossern und den Unternehmern Streitigkeiten ausgebrochen.
In Leipzig wurde, wie die . berichtet, am vorigen Sonnabend einer Versammlung der etallarbeiter über den Ausstand der Bauschlosser in Groitzsch berichtet. Dieser Aus—⸗ stand wurde dadurch verursacht, daß in einer dortigen Fabrik die
Arbeitszeit von 10 auf 11 Stunden erhöht, und von den 8 fordert wurde, daß sie sich die Arbeitsfeilen selbst . 2. April legten 20 Gehilfen die Arbeit nieder; 6 Gehilfen haben ste bereits wieder aufgenommen, und der rn, hat nicht ferngehalten werden können. Der Ausstand ist sonach aussichtslos, indessen beschloß man trotzdem die r,, . Ausständigen.
Aus Wien berichtet ein Wolff'sches Telegramm: Am Mittwoch versuchten im Laufe des Tages mehrere Trupps von Bauarbeitern und Tischlern, ihre arbeitenden Berufsgenossen durch Zureden oder durch Drohungen zum Anschluß an den Ausstand zu bewegen. Die Sicherheitswache zerstreute überall die Ansammlungen und verhinderte weitere Ausschreitungen. Mehrere Verhaftungen wurden vor⸗ genommen. — Gestern Abend überfielen ausständige Tischler. chilfen den Werkführer einer Möbelfabrik im ezirk
ariahilf sowie seinen Sohn und brachten dem Werkführer eine klaffende Kopfwunde bei. Die Thäter wurden verhaftet. — Ungefähr 1800 Dachdeckergehilfen und Hilfsarbeiter haben sich dem Maurerausstand angeschlossen; sie verlangen gleichfalls eine Verkürzung der ren e tmn, . ö hic kerl
Aus Mä hrisch⸗ rau wird telegraphi erichtet, daß si bei dem Frühschichtwechsel am Mittwoch die Belegschaft auf . . Nordbahn gehörenden Schächten Wilhelm‘ und Hermenegild anzufahren weigerte, da die Forderung einer achtstündigen Schicht nicht bewilligt wurde. Die Arbeiter verließen die Schächte. Die Ruhe wurde nicht gestört. In den übrigen Schächten des Ostrauer Revierg wurde die Arbeit am Vormittag fortgesetzt. Am Nachmittag dehnre sich der Ausstand auf, alle Schächte der Nordbahn aus. In Polnisch—⸗ O in und Micha! ko witz verlangten die Bergleute stürmisch die Achtstundenschicht. Man befuͤrchtete, daß in hob fh Ter , heute ein allgemeiner Ausstand eintreten würde.
Aus Eger wird dem „Wolff'schen Bureau“ gemeldet: In Zieditz bei Falkenau fand ein blutiger Zusammenstoß zwischen Arbeitern und der Gendarmerie statt, wobei ein Arbeiter töͤdtlich ver⸗ wundet worden sein soll. Die Behörden verlangten aus Eger mili⸗ tärische Hilfe.
Aus Gent schreibt man der „Köln. Ztg. zu dem Seil er⸗ ausstand in Hamme (ugl. Nr. 102 d. Bl.): Der Ausstand in Hamme bei Dendermonde hat eine unerwartete Wendung genommen. Am Montag zogen vom frühen Morgen ab Banden von Aus— ständigen durch den Ort, drangen mit Gewalt in die Seilereien, zerstörten, was ihnen in die Hände ö und gh gen ihre Fachgenossen zur Einstellung der Arbeit. Um R Uhr Abends wurde unter dem Vorsitz des Bürgermeisters im Gemeindehaufe eine Berathung von Vertretẽrn der Arbeitgeber und der Arbeiter abgehalten. Die ,,. der Arbeiter wurden als begründet anerkannt und eine allgemeine Lohnerhöhung bewilligt. Mit großer Begeisterung nahmen die vor dem Hause wartenden Aus— ständigen, etwa 4069, die Verkündigung dieses Ergebnisses entgegen, sodaß man allgemein auf ein völliges Ende der Bewegung n Allein im weiteren Laufe des Abends fammelten sich die Ausständigen auf dem Gemeindeplatz und stürmten auf die am Rathhause Wache stehenden Gendarmen mit Steinen ein. Die Gendarmen blieben ruhig und begnügten sich, mehrere der Heißsporne festzunehmen. Nach neuen Angriffen der Menge blieb den dienstthuenden dreißig Gendarmen nichts übrig, als mit aufgepflanztem Bajonett den Platz zu säubern. Mehrere Ausständige wurden schwer verwundet, eine Frau ist infolge einer Verletzung gestorben. Die Nacht verlief ruhig. Am Dienstag Morgen wurde überall die Arbeit wieder aufgenommen.
Aus Washington meldet W. T. B.“: Coxey, der Führer der Arbeitslosen, und seine beiden Unterführer wurden gestern wegen des Eindringens in das Gebiet des Kapitols verhaftet, gegen Hinterlegung einer Kaution aber wieder freigelassen. Der Prozeß gegen sie wird am ren stattfinden.
In Cleveland (Ohio) haben sich die Unruhen gestern wieder holt; die Arbeitslosen, unter denen sich mehrere Polen befanden, warfen Fensterscheiben ein. Mehrere Verhaftungen wurden vorge— nommen.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Die XX. Mastvieh-Ausstellung findet am 9. und 10. Mai auf dem Zentralviehhof der Stadt Berlin statt. Es sind hierzu von 142 Ausstellern 60 Stück Rindvieh, 107 Loose Schafe und 71 Loose Schweine, zusammen 1964 Thiere angemeldet worden. Die Schau zeigt somit einen Aufschwung gegen die der letzten Jahre. 1893 wurden von 119 Ausstellern 892 Thiere, 1892 von 80 Ausstellern nur 697 Thiere ausgestellt.
Handel und Gewerbe.
— Der Aufsichtsrath der Frankfurter Lebens⸗Versiche⸗ rungs⸗Gesellschaft (gegründet 1844) hat beschlossen, der auf den 17. Mai d. J. anberaumten Generalversammlung der Aktionäre die Vertheilung einer Dividende von 103 J der Einzahlung, gleich 9 M für die Aktie, wie im Vorjahre, auch für das Jahr 1893 vorzuschlagen.
Wien, 2. Mai. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Nord⸗ west bahn beantragt den Julikupon der Stammaktlen mit 5. Gulden, und den Julikupon der Aktien Litt. B. mit 113 Gulden einzulösen. Der Verwaltungsrath der Südnorddeutschen Verbindungs bahn . Einlösung des Julikupons mit 44 Gulden.
— 4. Mai. (W. T. B.) Ausweis der Südbahn in der 5 . 23. April bis 29. April 800 180 Fl., Mindereinnahme
Fl.
Basel, 2. Mai. Die Dividende der Schweizerischen Zentralbghn wurde auf 5o/g (gegen 4060 im Vorjahre) festgesetzt. Auf neue Rechnung werden 217 000 Fr. vorgetragen.
New⸗JYork, 3. Mai. (W. T. B.) Die Börse eröffnete träge, im weiteren Verlaufe gaben die Kurse nach. Der Schluß war schwach. Der Umsatz der Aktien betrug 244 000 Stück.
Weizen eröffnete stetig, wurde im weiteren Verlauf fest infolge Berichte von Ernteschäden durch Käfer in Kansas, sowie auf um⸗ fangreiche Käufe und Deckungen der Baissiers, auch nehmen die sicht⸗ baren Vorräthe bedeutender ab, als man erwartete. Schluß fest. — Mais allgemein fest während des ganzen Börsenverlaufs auf die Festigkeit des Weizens.
Der Schnelldampfer der en n , Packet⸗ fahrt⸗Aktien⸗Gesellschaft Augusta Victoria“ hat 14 Millionen Dollars Gold zur Verschiffung nach Europa an Bord genommen.
Chicago, 3. Mai. (W. T. B.. Weizen anfangs stetig, dann allgemein fest infolge der geringen Ankünfte. — Mais steigend während des ganzen Börsenverlaufs mit wenigen Reaktionen.
Verdingungen im Auslande.
Niederlande. 8. Mai, 10 Uhr. De eerstaanwezend ingenieur im Bureau der Genie zu Amsterdam Lynbaansgracht 1: Lieferung von Ingenieur⸗ . in 5 Abtheilungen, Bedingungen auf genanntem Bureau erhältlich. 19. Mai, 19 Uhr, ebenda: Herstellung einer Küstenbatterie auf dem Vuurtoren⸗Eiland bei Durgerdam. Voranschlag 1770 Fl. Be⸗ dingungen ebenda. 23. Mai, 1 Uhr. De hoofdingenieur der telegraphie in der Kazernestraat Nr. 3 im Haag: Lieferung von 2590 Stück eiserner Wirbelröhren mit verzinkten , Schrauben. Bedingungen gegen 86 von 9,20 Fl. bei den Gebrüdern van Cleef, Hofspui 28 a, im aag zu beziehen.
Dänemark. 8. Mai, 12 Uhr. Staatsbahnverwaltung (Drasikafdelingens Magasin. Bahnhof), Kopenhagen: Lieferung des Bedarfs für den Winter 1894,95 an Cinders zur Heizung von Personenwagen, Stein⸗ kohlen, Nußkohlen. Koks und fe zur Heizung der Stationslokale. Bedingungen an Ort und Stelle und beim „Reichs Anzeiger (in dänischer Sprache).
eli.