1894 / 120 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 24 May 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Breuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

71. Sitzung vom 23. Mai 1894.

weiteren Fortgang der Berathung der Resolutionen, ö Abg 2 (kons) und Genossen und der Abg. Gothein (fr. 36 zu dem Gesetzentwurf, betreffend den Bau eines Schiffahriskanals vom Dortmund Ems-⸗Kanal bis zum Rhein . haben (. den Anfangsbericht in der Mittwochs⸗Nummer d. Bl.), nimmt nach dem Abg. Richter (fr. Volksp.) das Wort der

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ich möchte von vornherein auf die Bemerkungen des Herrn Abg. von Eynern erwidern, daß ich nicht ermächtigt bin, auf seinen Wunsch, daß die Staatsregierung noch in dieser Session einen Nach, trags Etat für die Kosten einer speziellen Veranschlagung des Dortmund Rhein⸗Kanals einbringe, zu antworten. Ich möchte aber glauben, daß gerade diejenigen, welche die Hoffnung festhalten wollen, daß demnächst auch diese Kanalvorlage in der einen oder anderen, unver⸗ änderten oder modifizierten Form wiederkehren wird, das größte Interesse haben, daß nicht unmittelbar nach dem Votum des Hauses durch eine solche Vorlage vielleicht die Kanalsache definitiv zu Fall gebracht wird. (Zustimmung.)

Nun haben wir daneben einen auch stechnisch nach der Meinung

der Staatsregierung genügend motivierten Kostenanschlag und Vor⸗ arbeiten vorgelegt, während die Kosten der speziellen Vorarbeiten stets aus den Baufonds selbst bezahlt sind und bezahlt werden müssen, weshalb man allerdings mit dem Herrn Abg. Richter sagen könnte, das präjudiziere doch derjenigen Vorlage, die in dieser Session abge⸗ lehnt worden ist. Ich glaube daher, daß ich dem Herrn Abg. von Eynern wenig Hoffnung machen kann, ohne mich definitiv darüber auszusprechen; und ich glaube, daß es in dem eigenen Interesse, welches der Herr Abg. von Eynern vertritt, nicht liegen wird, mit einer solchen Vorlage in diesem Augenblick hervor⸗ zutreten. Ebensowenig gehe ich auf die Ausführungen des Herrn Abg. Gothein über die Oderregulierung und den großen aus⸗ wärtigen Sachverständigen, den er heranzuziehen beabsichtigt hat, ein. Ich glaube, wir halten uns einfach an die Resolution, die uns vor⸗ liegt. Da muß ich nun im allgemeinen dem Herrn Abg. Richter Recht geben, daß schon aus den bisherigen Verhandlungen sich eine wesentliche Uebereinstimmung zwischen der Staatsregierung und dem hohen Hause in Bezug auf die Erhebung der Gebühren für die Benutzung der Wasserstraßen ergeben hat. Ich habe nicht ein⸗ mal, sondern schon mehrere Male hervorgehoben, daß, wie bei uns in Preußen die Dinge liegen ich will auf das einzelne nicht zurückkommen, die Erhebung angemessener Ge— bühren für die Benutzung der Wasserstraßen nicht ein Hinderniß ist für die Verbesserung der Wasserstraßen, sondern eine erhebliche Förderung, daß ohne die Erhebung solcher Gebühren wir garnicht im stande sein würden, dem wirklichen Bedürfniß in vollem Maße zu entsprechen. Diese Ansicht wird gegenwärtig, wie ich aus den Reso⸗ lutionen ersehe, im ganzen Hause getheilt, während allerdings ich selbst schon sowohl als Abgeordneter als in der Regierung Debatten erlebt habe, wo in Bezug darauf die Anschauungen sehr ab— weichend waren und man im allgemeinen von der völligen Unentgeltlichkeit der Verkehrsmittel durchdrungen war. Weiter habe ich mehrfach hervorgehoben, daß ich es für unmöglich halte, diese Ge⸗ bühren schablonenmäßig für alle Wasserstraßen, welcher Art sie auch seien, nach gleichmäßigen Taxen und gleichmäßigen Grundsätzen zu normieren. Gewiß, die allgemeine Tendenz, die ja auch in der Reso—⸗ lution Bandelow und Genossen ausgesprochen ist, daß man bei den Gebühren, soweit thunlich, nicht bloß im Auge behalten soll die Unter⸗ haltungs und Verwaltungskosten, sondern auch eine mäßige Verzinsung der aufgewendeten Kapitalien ist richtig und sie theilt die Staats⸗ regierung mit dem hohen Hause. Aber man wird genöthigt sein, wenn man auch im allgemeinen dieses Ziel verfolgt, in der Anwendung, in der praktischen Ausführung eine Reihe von Modifikationen eintreten zu lassen. Die Gebühren hängen ab einmal von der Beschaffenheit der Wasserstraßen selbst, von dem was sie leisten, zweitens von der Be⸗ schaffenheit der Schiffahrt, der Art der Schiffe, drittens von den Verkehrs⸗ und Konkurrenzverhältnissen, viertens aber auch von den Gegenständen des Verkehrs, welcher die Wasserstraßen vermittelt. Es ist garnicht möglich, hier überall schablonenmäßig einen Grundsatz zur Anwendung zu bringen. Das erkennen ja auch die Resolutionen an wir sind also in dieser Beziehung einig. Ich habe aber früher schon hervorgehoben, daß die Staatsregierung schon lange Zeit vorher, ehe diese Resolution kam, die Frage einer anderweitigen Regulierung der Kanalgebühren in Angriff genommen hat, daß diese Verhandlungen in vollem Gange sind, daß auch schon auf Grund dieser Ermittelungen Aenderungen in den bestehenden Kanalgebühren, beispielsweise auf den märkischen Wasserstraßen, eingeführt sind, daß diese Verhandlungen aber nicht voll zum Abschluß gekommen sind, und in derselben Richtung und zu demselben Ziele geführt werden, wie sie das hohe Haus durch die Resolution ausspricht. Also im wesentlichen sind wir in der ganzen Sache durchaus einig und es kann ja allerdings nur eine will⸗ kommene Unterstützung dieser Bestrebungen der Finanzverwaltung sein, wenn das hohe Haus sich ausdrücklich durch eine Resolution damit einverstanden erklärt.

Gerade von diesem Gesichtspunkt aus möchte ich aber nicht die Annahme der Resolution des Herrn Gothein empfehlen. Meine Herren, Herr Gothein sagt: „diese schwierigen Fragen können nicht in allgemeinen Resolutionen erledigt werden'. Gewiß, aber seine Resolution ist auch eine allgemeine. Wenn man die Resolution im einzelnen zergliedern wollte, so würde man fast ebenso viele Fragen stellen können, wie sie Zeilen enthält. Wir würden da sehr in Doktorfragen hineinkommen, die man aufzuwerfen gar nicht nöthig hat; wenn es sich um praktische Fälle handelt, da sieht man gleich, wie weit man mitgehen kann. Ich will nur eine Frage, die er vorzugsweise betont hat, hier berühren, die Frage, wie weit man diejenigen Ausgaben bei der Gebührennormierung außer Rechnung setzen muß, die nicht direkt der Schiffahrt zu gute kommen? Herr Gothein hat sich namentlich auf die Netze be⸗ zogen und hat gesagt, die ganze Regulierung der Netze is eigentlich für die Landwirthschaft gemacht, um die bersumpften Wiesen zu ent⸗ wässern u. s. w., und hat mit der Schiffahrt nichts zu thun. Nun liegt die Sache bei der Netze genau umgekehrt. Es ist dem Hause eine Denkschrift mitgetheilt. In dieser Denkschrift heißt es:

faßt worden war, wollte es eine Zeit lang nicht gelingen, wider⸗ streitenden Interessen der Landwirthschaft, welche insbesondere an die winterlichen Ueberschwemmungen der Wiesen anknüpften, gerecht zu werden. Erst neuerdings ist es zur Ausarbeitung eines Projekts

gekommen, welches der Landwirthschaft nicht nur nachtheilige Folgen fernhält, sondern ihr darüber hinaus unmittelbare Förderung in Aussicht stellt.

Meine Herren, die Sache liegt also bei der Netze so: die Netze sollte schiffbar gemacht werden, das war der Zweck. Nun befürchtete die Landwirthschaft Schäden. Um diese Befürchtung zu beseitigen, wurden Einrichtungen getroffen, welche die Land⸗ wirthschaft nicht bloß vor Schäden behüten könnten, sondern vielleicht auch noch eine Verbesserung ihrer Verhältnisse herbeiführten. Das waren also einfach Folgeeinrichtungen der Schiff barmachung der Netze und in einem solchen Falle würde es durchaus nicht be⸗ rechtigt sein, die Kosten für diese Einrichtung abzuziehen. Das sind also alles Fragen, die nur im einzelnen Falle entschieden werden können, die ganz verschiedenartig liegen, über die allgemeine Grund sätze aufzustellen und so rücksichtslos aufzustellen, wie das hier in der Resolution Gothein geschehen ist, nach meiner Meinung in keiner Weise rathsam erscheinen kann.

Meine Herren, ich würde unter diesen Umständen bitten, wenn Sie überhaupt eine Resolution annehmen wollen, was ich ja durchaus nicht widerrathen möchte, sich an die allgemeinen Gesichtspunkte für die Aufstellung der Gebühren zu halten, welche in der Resolution Bandelow enthalten sind. Sie präjudiziert jedenfalls am wenigsten. Sie geben damit allgemeine Gesichtspunkte, die an sich richtig sind, und da die Normierung der Gebühren verfassungsmäßig der Staatz—⸗ regierung zusteht, so ist ein solcher allgemeiner Hinweis nach meiner Meinung vollständig genügend.

Was die Frage betrifft wegen der Gebührenerhebung auf den natürlichen Wasserstraßen, so ist ja hier im wesentlichen, abgesehen von Staatsverträgen, wie sie für die Elbe, den Main, den Rhein ge— schlossen sind, die Reichsverfassung maßgebend. Das Gesetz, welches vorhin berührt wurde, betreffend die Gebührenerhebung auf der unteren Weser, welches zu Gunsten der Regulierung derselben seitens des Staats Bremen erlassen wurde, ist allerdings in den Formen erlassen, welche für eine Verfassungßzänderung vorgeschrieben sind. Aber der Bundesrath spricht in den Motiven zu diesem Gesetz ausdrücklich aus, daß nach seiner Auffassung die Gebührenerhebung durch die bestehende, unveränderte Reichsverfassung auch nicht verhindert worden sei, und es han⸗ delte sich dabei doch nur um eine wirkliche Regulierung des Flusses, um eine Vertiefung desselben, ohne daß Schleusen oder sonstige Vor— richtungen besonderer Art zur Erleichterung des Verkehrs vor⸗ handen sind.

Nach diesen Gesichtspunkten wird auch im wesentlichen nach der Ansicht der Staatsregierung hier in Preußen verfahren werden, und wir halten es unter diesen Umständen für völlig zweifellos, daß, wenn es sich bei der Netze auch um die Regulierung eines Flu sses handelt, doch die mehrfachen künstlichen Anlagen, namentlich auch Schleusenanlagen, die in der Netze hergestellt werden, zu einer Gebührenerhebung berechtigen.

Damit muß man ja natürlich einverstanden sein, daß diese Kanal— gebühren nicht so hoch bemessen werden können, daß sie den Verkehr wesentlich einengen, daß man also das Gegentheil von dem erreicht, was man erreichen will, nämlich einen lebhaften Verkehr und gute Einnahmen. Man wird dabei natürlich immer die Verhältnisse des einzelnen Falles, die Tragfähigkeit der Gebühren durch den bestehenden oder zu entwickelnden Verkehr im Auge behalten müssen, und man wird nach der Erfahrung, die man dabei macht, auch einmal eingerichtete Gebühren wieder zu modifizieren haben.

Auf die berührte Frage, ob diese Gebühren zu erheben sind nach der Tragfähigkeit der Schiffe oder nach ihrer Belastung, will ich hier nicht näher eingehen; ich kann nur Herrn Abg. Gothein sagen, daß die Erörterungen über diese Frage noch schweben und ein definitiver Beschluß seitens der Staatsregierung hierüber gegenwärtig noch nicht

gefaßt ist.

Abg. von Buch (kons.): Es handelt sich für uns nicht darum, noch einmal auf den Dortmund —-Rhein,-Kanal zurückzukommen; wir wollten unfere Stellung zu den Wasserstraßen im allgemeinen kund⸗ geben. Nicht allein technische Bedenken sind maßgebend gewesen für bie Ablehnung des Dortmund —Rhein⸗Kanals, sondern es waren auch anderweitige allgemeine Bedenken geltend zu machen, und ich laube nicht, daß dieselben in der nächsten Zeit beseitigt werden. h möchte deshalb davon abrathen, einen Nachtrags-⸗Etat für die Vorarbeiten einzubringen. Das Drängen auf den Ausbau von Kanälen geht nicht von der Landwirthschaft, sondern von der Jndustrie aus, welche auch die Hauptvortheile davon haben wird. Die Be⸗ stimmungen der Reichsperfassung haben wir nicht übersehen; es würde, wenn auf den natürlichen Wasserstraßen Gebühren nothwendig werden, die Regierung verpflichtet sein, den Weg der , zu beschreiten. Mit unserer Resolution haben wir unseren Zweck voll⸗ ständig erreicht; die Regierung hat uns genügende, Erklärungen ab⸗ gegeben. Mit Rücksicht auf die schwache Betheiligung des Hauses wollen wir eine . nicht herbeiführen; wir ziehen un sere Resolution zurück.

ahn. Gothein (fr. Vg.) erklärt, i die Aufrechterhaltung seiner , ,, ö. keinen Werth mehr habe; er ziehe ie daher ebenfalls zurück.

; Es folgt die Verlesung nachstehender Interpellation des Abg. von Eynern (ul.) und ö .

In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 24. April 1893

wurde zu §5 9 des fon n une ffn , ohne Dehatte und ein⸗ stimmig , angenommen, in ihrem ersten Theil fol— enden Inhalts: . . ; 6. Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Regierung zu ersuchen: Ohne Verzug beim Reich, die geeigneten Schritte zu thun, um den Gemeinden die Möglichkeit einer erweiterten Gestal⸗ tung indirekter Steuern von Getraͤnken zu gewähren und die bestehenden Verschiedenheiten in der Berechtigung der Gemeinden in der Einführung derartiger Steuern zu beseitigen. .

Die Unterzeichneten richten an die Regierung die Anfrage: Welche Schritte sind im Sinne des oben angeführten . des Hauses geschehen und welche Wirkung haben dieselben gehabt?

Der Finanz ⸗Minister Dr. Miquel erklärt sich bereit, die Inter⸗ pellation sofort zu beantworten.

Abg. v. Eyn ern (nl) begründet die Anfrage damit, daß in allen Theilen 9 Staats, namentlich aber im Westen, es schwierig sei, den Etat der Gemeinden trotz der hohen Zuschläge ins Gleich⸗ gewicht zu bringen, was auch mit der Einführung des neuen Kom⸗ ,,, nicht möglich sein werde. Die Artikel des Maffenkonfumz, führt Redner aus, können nicht besteuert werden. Degwegen sind die Gemeinden auf die Getränkesteuern allein angewiesen, aber in deren Ausnutzung durch die Reichs . gehindert.

die Besteuerung des Weines ist mit Ausnahme der Weinländer, wozu die Provinz, welche den meisten Wein hervor. bringt, die Rheinprovinz, nicht gehört. Bier kann nur mit 65 3 für das Hektoliter für auswärtiges, mit 50 3 für innerhalb der Gemeinden hergestelltes Bier besteuert werden. Wenn das Bier mit 1 3 pro Liter 1 werden könnte, würden die Gemeinden, welche eine Biersteuer haben, erheblich mehr Einnahmen erzielen. Die Hoff nungen auf die Erträge der Einkommensteuer haben . zum theil nicht nr f und werden sich bei der schlechten wirthschaftlichen Lage auch in ukunft nicht erfüllen; daher konnten die Gemeinden in ihren Zu—⸗ chlägen zur Einkommensteuer nicht herabgehen. Es besteht immer noch die große Gefahr, daß durch die hohen Zuschläge zur Einkommen. teuer die wohlhabenden Personen veranlaßt werden, aus den kleinen Kren tler wegzuziehen, wodurch die Belastung der Zurückbleibenden sich erhöht. Es ware sehr wünschenswerth, wenn die Negierung über den Erfolg ihrer Verhandlungen mit den süddeutschen Staaten Gutes berichten könnte. Die süddeutschen Kommunen sind vielfach auf. Ge— bühren und Erträge, aber auch auf die Weinsteuer und pie Biersteuer angewiesen, selbst da. wo der Stagt, wie z. B. Bayern, eine sehr hohe Blersteuer erhebt. Die meisten süddeutschen Städte erheben indirekte Steuern; München z. B. erhebt Steuern von dem eingeführten Vieh, einen Pflasterzoll von jedem Zugthier. Dieses Vorherrschen der in— direkten Steuern in süddeutschen Gemeinden erklärt das Verlangen der Süddeutschen nach einer Reichs ⸗Einkommensteuer, gegen welche man sich in Preußen wegen der neuen Einkommen- und Vermögenssteuer wehrt. In Preußen können die Gemeinden von den ihnen zu—⸗ gestandenen indirekten Steuern nur dann erheblichen Gebrauch machen, wenn die bestehenden Beschränkungen in Bezug auf die Höhe der Getränkesteuern beseitigt werden.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Schon bei der Berathung der Resolution, welche hier bei Gelegenheit der Verabschiedung des Kommunalabgabengesetzes beschlossen wurde, habe ich, wenn ich nicht irre, mitgetheilt, daß ich schon vorher diese Frage dem Herrn Reichskanzler gegenüber angeregt hatte und als Ziel eine Aenderung der Reichsgesetzgebung in Be⸗ ziehung auf die kommunale Besteuerung der Getränke mindestens eine gleiche Behandlung aller Kommunen in Deutschland, wie sie heute nicht stattfindet und auch eine Erweiterung der Schranke, die in Be⸗ ziehung auf die Höhe der Besteuerung seitens der Kommunen für die einzelnen Artikel in dem Zollvereinigungsvertrage vorgesehen ist, ins Auge gefaßt werden müsse. Dieser damals schon von mir gegebenen Anregung konnte eine augenblickliche Folge seitens des Herrn Reichs kanzlers nicht gegeben werden, weil durch die Verhandlungen über die Handelsverträge bezw. über die Militärvorlage die Nothwendigkeit der Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reichs in den Vordergrund trat, und ja bekanntlich auch eine Novelle zum Branntweinsteuergesetz sowie eine Novelle zur Besteuerung des Bieres in der norddeutschen Braugemeinschaft, dem Reichstag demnächst vorgelegt wurde. Infolge⸗ dessen ist man zu einer grundsätzlichen Behandlung der Frage bisher nicht gekommen, denn die Hindernisse, die damals der grundsätzlichen Erledigung dieser Frage entgegenstanden, sind noch heute vorhanden. Die Frage der Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reichs durch eine höhere Besteuerung des Bieres ist ungelöst. Ebenso ist die Novelle zum Branntweinsteuergesetz damals nicht zur Verabschiedung gelangt. Es stehen ja auch noch Erwägungen innerhalb der verbün—⸗ deten Regierungen bevor, wie in Zukunft, und ob in modifizierter Weise der Branntwein zu besteuern sei.

Was den Wein betrifft, so ist die Gelegenheit der Vorlage des Entwurfs eines Reichs⸗Weinsteuergesetzes auf Anregung der preußischen Regierung benutzt worden, um in 5 26 dieses Entwurfs die Möglich— keit der gleichmäßigen Besteuerung des Weins für alle Gemeinden in ganz Deutschland zu erreichen. Natürlich sind dabei Schranken ge— setzt; denn alle diejenigen Objekte, welche von dem Reich entweder schon bestenert werden, oder deren unmittelbare Besteuerung in Aus— sicht genommen ist, können nicht den Gemeinden auch noch zur Be— steuerung in ganz beliebiger Höhe überlassen werden. Insofern kann den Wünschen des Herrn Abg. von Eynern nach meiner Auf— fassung niemals entsprochen werden. Dabei ist ja natür— lich die Frage offen, ob die jetzigen Schranken, namentlich in Bezug auf die Besteuerung des Bieres, zu eng gezogen sind oder nicht. Mit dem Scheitern des Reichs⸗Weinsteuergesetzes ist auch dieser Paragraph gescheitert. Ich hatte persönlich den Gedanken bei der Berathung des Reichs⸗Weinsteuergesetzes, ob man, wenn das übrige in der verflossenen Session des Reichstags nicht zu erreichen sei, nicht doch wenigstens diesen Paragraphen als besonderes Gesetz aufrecht er⸗ halten sollte. Aber auch das scheiterte an dem baldigen Beschluß des Reichstags.

Ob die verbündeten Regierungen in der nächsten Session deb Reichstags auf eine Besteuerung des Weins in irgend einer Form zurück⸗ kommen werden, weiß ich nicht. Ebensowenig kann ich gegenwärtig irgend eine bestimmte Ansicht darüber aussprechen, ob, wenn dies der Fall oder nicht der Fall sein sollte, die von dem Herrn Vorredner und Inter⸗ pellanten richtig angegebenen gesetzlichen Bestimmungen in Benebung auf die Besteuerung des Weins in Deutschland durch die Kommunen durch eine Spezialbestimmung zu ändern seien. ,

Was mich persönlich betrifft, so bin ich der Meinung, daß in allen Fällen, ob nun eine Reichs⸗-Weinsteuer eingeführt wird, oder ob sie nicht eingeführt wird, es dringend wünschenswerth ist, die Befug= nisse der deutschen Gemeinden in Bezug auf die Besteuerung des Weins ganz gleichmäßig zu gestalten. Die großen Verschiedenheiten, die sich durch Umstände historischer Art erklären, die an sich gar keine Berechtigung haben, in einem einheitlichen großen wirthschaft⸗ lichen Gebiet, wie es das Deutsche Reich darstellt, müssen unter allen Umständen beseitigt werden. Diese Verschiedenheiten treten ja . sonders kraß hervor in Preußen selbst. Denn in Preußen, obwoh wir, wie der Herr Vorredner schon hervorgehoben hat, doch die Rheinprovinz besitzen, ist eine Befugniß zur kommunalen Besteuerun des Weins nur vorhanden für die vormals Königlich ,. Großherzoglich hessischen und Herzoglich nassauischen Landestheile; un im ganzen übrigen Preußen darf der Wein nicht besteuert ö. Das ist nun eine besonders ungerechte Sache in sich, ö einen Luxusartikel mehr oder weniger ist in Deutschland doch ö Wein ein Luxusgetränk freizulassen gegenüber der Besteuerung . Bier, an und für sich etwas Bedenkliches ist. Thatsächlich verhin . aber die nicht vorhandene Möglichkeit der Besteuerung des ö. in manchen Kommunen die Heranziehung des Biers auch innerha der Grenzen, die die Reichsgesetze jetzt gestatten. Es wäre also na

bezüglich des Weins wenigstens Wandel zu schaffen. 9

Meine Herren, was den Branntwein betrifft, so liegt ,. Frage anders; denn wir müssen erwägen, daß der Branntwe

Die Besteuerung des Branntweins ist beschränkt auf die Gemeinden,

Nachdem die Regulierung des Flusses schon lange ins Auge ge—

die schon in früherer Zeit eine Branntweinsteuer erhoben haben;

vom Reiche schon sehr stark in Freundschaft genommen und

meiner Auffassung unter allen Umständen im höchsten Grade erwünsch

vorzunehmen.

über 200 oso seines Werths besteuert ist. Da wird man also jedenfalls sehr vorsichtig sein müssen in Beziehung auf eine noch stärkere Besteuerung des Branntweins durch die Kommunen. Ich will mir darüber kein definitives Urtheil erlauben, ich will nur hervor heben, daß hier die Frage ganz anders liegt wie beim Wein.

Was das Bier betrifft, so fallen in der norddeutschen Brau— gemeinschaft an Steuer auf den Hektoliter nur 0,9 M, während die Gemeinden das Hektoliter mit 66 3 besteuern, also die Gemeinde⸗ besteuerung des Biers ist schon jetzt nahezu ebenso hoch wie die der norddeutschen Brauge meinschaft. Daraus ergiebt sich von selbst, daß die Frage einer höheren Besteuerung des Biers durch die Kommunen in innigstem Zusammenhang steht mit der anderweitigen Gestaltung der Biersteuer, und diejenigen Herren, die in dieser Beziehung eine Er⸗ weiterung der Rechte der Kommunen herbeiführen wollen, werden um so mehr Veranlassung haben, wenn mal die Gelegenheit geboten wird, für die Nothwendigkeit einer anderweiten Regelung der Biersteuer im Reich einzutreten. (Heiterkeit. Hört! hört h

Meine Herren, die Staatsregierung hat nie verkannt, wenigstens nicht in den letzten Jahren, daß, wenn früher die Frage der indirekten Steuern in den Gemeinden längst diese Dringlichkeit nicht hatte wie heute und nach anderen Gesichtspunkten beurtheilt werden konnte bei dem geringen Ausgabe⸗Etat, der damals in den Kommunen bestand und bei der auf einer volkswirthschaftlichen theorischen Anschauung beruhenden generellen Abneigung auch in der Bevölkerung gegen jede indirekte Besteuerung, gegenwärtig die Dinge anders liegen. Die Erfahrung hat in dieser Beziehung die volkswirthschaftlichen Theorien korrigiert. Es ist kaum heute bestritten, daß ein hoch entwickeltes Staatswesen ohne Heranziehung der indirekten Steuern in Zöllen und Verbrauchsabgaben überhaupt nicht gedeihen kann. Man kann da höchstens streiten über die Grenze. Ebenso wird es aber in manchen entwickelten Gemeinden der Fall sein, wo der Ausgabe⸗Etat eine Höhe erreicht, daß die weitere Anspannung der direkten Besteuerung für die Gemeinden erst recht ruinös wird, namentlich da ja hier die Verlegung des Wohnsitzes und das Nichthineinziehen in die Gemeinden viel leichter ist als im Staat. Ich kenne eine ganze Reihe von Gemeinden, die heute im größten Nothstande sind und noch in größere Nothstände hineinzugerathen drohen, für welche nach meiner Ansicht eine in bestimmten Grenzen zu haltende Besteuerung der Getränke eine wahre Wohlthat wäre, auch für die untersten Volksklassen. Denn zieht man sie in den Kommunen, wozu man bei dem hohen Ausgabe ⸗Etat genöthigt ist, wenn man die reichen Leute nicht ganz wegtreiben will, scharf mit direkten Steuern heran, so ist das viel drückender, als wenn man auf Genußmittel eine Steuer legt, deren Verbrauch man einschränken kann. (Sehr richtig! rechts.) Dieselbe Frage wiederholt sich hier, die wir im Reich diskutiert haben, und die Noth wird schon von selbst dahin drängen, alle theoretischen Bedenken werden von selbst schwinden, weil die Noth der Dinge stär ker ist als die Gedanken und die Theorien der Menschen. Ich stehe nicht auf dem Standpunkt das habe ich auch schon gelegentlich der Verhandlungen über das Kommunalabgabengesetz ausgesprochen —, daß in allen Kommunen nur das indirekte Steuersystem zulässig sei, wie wir es ja auch vermieden haben, irgend einen Zwang zur Ein⸗ führung von indirekten Steuern in das Kommunalabgaben⸗ gesetz aufzunehmen; wir haben ausdrücklich das Gegen⸗ theil gesagt. Die Frage, ob eine indirekte Steuer als Ergänzung des Einnahme⸗Etats in den Kommunen erforderlich ist, hängt von den gesammten Verhältnissen der Kommune ab. Eine unbedingte Regel, in allen Kommunen indirekte Steuern zu erheben, würde ich unter keinen Umständen für richtig halten. Ich kenne Gemeinden, wo ich als Stadtverordneter gegen die Einführung der indirekten Steuern ganz entschieden stimmen würde. Aber umge⸗ kehrt muß ich anerkennen, daß namentlich im Westen auch im Osten sind ganz ähnliche Verhältnisse die Einführung von Ver⸗ brauchsabgaben und anderen indirekten Steuern oft eine Wohlthat ist. Nun aber glaube ich doch, daß, wenn auch im all⸗ gemeinen die Dringlichkeit der Sache durchaus nicht zu verkennen ist, daß wir in diesem Jahre in einem Uebergangsjahre sind und die definitive Gestaltung der kommunalen Verhältnisse und der kommu⸗ nalen Lasten erst werden beurtheilen können, wenn am 1. April n. J. erstens die gesammten Realsteuern den Gemeinden überwiesen sein werden und zweitens, wenn die Gemeinden auf Grund des Kommunalabgabengesetzes ihre Kommunalabgaben aller Art neu gestaltet haben werden. Meine Herren, in vieler Beziehung wird das gewaltsame Aenderungen in den Kommunen und namentlich da hervorrufen, wo bisher verkehrter Weise, wie in der Vaterstadt des. Herrn von Eynern, Realsteuern gar nicht erhoben sind, sondern alles auf die Personalsteuern geworfen ist. Es handelt sich hier nicht bloß um 102 Millionen an neuen Steuerquellen, welche wir den Gemeinden abgeben, sondern auch um eine große Erweiterung ihrer Befugnisse in Bezug auf die Einrichtung ihres Steuersystems, welche eine richtige, gleichmäßige und folglich weniger drückende Vertheilung der Kommunallasten sehr erheblich erleichtern wird. Wenn beispiels⸗ weise Gemeinden, größere Städte an die Umgestaltung der Grund⸗ abgaben, wie sie jetzt in der Grund⸗ und Gebäudesteuer sich darstellen, herangehen, wenn sie die wachsenden Mehrwerthe in er städtischen Ent⸗ wickelung richtig heranztehen werden, so wird darin eine sehr wesent⸗ liche Erleichterung liegen. Manche Städte sind auch schon mit diesen Fragen sehr lebhaft und ernstlich befaßt, und es gehört allerdings ein erheblicher Grad von Intelligenz, Objektivität und Interessenlosigkeit dazu, solche Fragen in den Kommunen richtig zu lösen. Dann möchte ich daran erinnern, daß die Gemeinden ihren Steuerbedarf sehr wesentlich vielfach werden vermehren können durch eine richtige Gestaltung des Gebühren- und Beitragswesens, beziehent lich der Vorbelastung, mit anderen Worten, wir werden in diesem Jahre in der ganzen Abgabenvertheilung in den Kommunen eine sehr große Veränderung erleben, und es wird sich dadurch vielleicht auch die Frage der indirekten Besteuerung der Getränke zum 1. April 1895 in vielen Gemeinden wenigstens anders gestalten, wie wir es heute sehen.

Ebenso ist es mit der Gewerbesteuer. Ich habe schon öfter aus⸗ gesprochen, daß ich die Gewerbesteuer, wie sie heute besteht als Staats⸗ steuer, auf die Dauer, namentlich für größere gewerbliche Konglo⸗ merate, Städte und Industriebezirke, nicht für geeignet halte. Es wird die Aufgabe der Gemeinden sein, in dieser Beziehung zweck mäßige lokale Umformungen der ihnen überwiesenen Gewerbesteuer Das kann auch schon eine sehr erhebliche Wirkung haben. Am Rhein wird in kleinen Gemeinden der Paragraph des Kemmunalabgabengesetzes welcher ihnen gestattet, die eigentliche Be⸗

triebs gemeinde heranzuziehen, deren Arbeiter in der anderen Gemeinde wohnen, wiederum eine große Entlastung gewähren können.

Also daß die Lösung der Frage wegen der Beseitigung der Schranken der Reichs gesetzgebung erwünscht ist, bestreite ich nicht. Ich meine aber, es ist kein so großes Unglück, wenn diese Frage in diesem Jahre noch nicht zur vollen Entscheidung kommt, weil wir uns in einem Uebergangsstadium befinden. Doch kann ich dem Herrn Abg. von Eynern zusichern, daß die vrerßische Staatsregierung das Ziel, welches sie ja mehrfach bezeichnet hat, unbedingt festhalten wird und dafür einzutreten gedenkt, nicht bloß eine Gleichmäßigkeit der Rechte der deutschen Gemeinden in Bezug auf die Heranziehung der Getränke durch die Reichsgesetzgebung herbeizuführen, sondern auch die bis jetzt vorhandenen Schranken möglichst zu erweitern.

Auf Antrag des Abg. von Eynern tritt das Haus in die Besprechung der Interpellation ein. ö.

26 von Eyn ern (ul): Die beschränkenden Bestimmungen, um welche es sich hier handelt. sind unter einem gewissen politischen Druck entstanden; die süddeutschen Staaten haben dabei für sich das Beste reserviert. Die Gemeinden können ohne solche indirekten Steuern nicht mehr auskommen, sie müssen zu Grunde gehen. Um die Lasten des Reichs und des Staats zu tragen, würde es bor allen Dingen darauf ankommen. die Gemeinden und Einzelstaaten, speziell auch Preußen zu stärken. Die Rücksicht auf eine Aenderung der Biersteuer im Reich kann es nicht hindern, eine Gemeindebesteuerung des Bieres vorher herbeizuführen. Die Vorschrift bezüglich der Kommunalweinsteuer im Reichs. Weinsteuergesetzentwurf ist für die Gemeinden nur ein sehr schwacher Trost. Daß die hohe. Besteuerung des Branntweins zu

indereinnahmen geführt hat, ist im Interesse der Reichskasfen zu bedauern, aber im übrigen mit Freuden zu begrüßen. Deshalb ist es auch unbedenklich, den Branntwein der Gemeindebesteuerung zugäng—⸗ lich zu machen. Bei dem Hinweis auf die Gebühren u. s. w. hat der Finanz⸗Minister wohl hauptsächlich die Verhältnisse von Frankfurt a. M. und ähnlichen aufblühenden Geumeinwesen bor Augen. Wachfende Ge— meinwesen sind aber in vielen Gegenden garnicht vorhanden, sondern überall entstehen große Werthverluste. Die Einführung eines Ge⸗ bührensystems würde in mittelalterliche Zustände mit allerlei

Scherereien zurückführen und nur Streitigkeiten und Unzufriedenheit hervorrufen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ich werde auf die Sache nicht weiter eingehen; ich glaube, ich habe alles dargelegt, was erforderlich war, um die Interpellation zu beantworten; aber ich möchte die Gelegenheit be⸗ nutzen, um einen Punkt, der in den letzten Aeußerungen des Herrn von Eynern hervorgetreten ist, noch einmal zu berühren.

Der Herr Abg. von Eynern sagt: die Entwickelung des Gebühren⸗ wesens könnte doch dahin führen, von jeder Handlung, jeder Regung des betreffenden Bürgers eine Gebühr einzuziehen und dadurch eine große Summe von Unzufriedenheit und Streitigkeit her⸗ vorzurufen.

Ich benutze gern diese Gelegenheit, um allerdings auch meinerseits darauf aufmerksam zu machen, daß das Recht, welches den Kommunen durch das Kommunalabgabengesetz eingeräumt ist, Gebühren und Bei⸗ träge zu erheben, von denjenigen, die die Einrichtungen der Gemeinden benutzen, bezw. in deren vorzugsweisem Interesse die Einrichtungen auf Kosten, der Allgemeinheit hergestellt werden, mit Vorsicht geübt werden muß. Die Staatsregierung ist durchaus nicht der Meinung, daß man die Frage: wo beginnt ein vor— zugsweises Interesse und wo hört es auf? allzuleicht nehmen darf. Man soll derartige Gebühren und Beiträge nur erheben, wenn ganz unzweifelhaft der Fall vorliegt, daß eine bestimmte Klasse oder eine bestimmte Gegend von einer bestimmten Einrichtung ein offenbar vor— zugsweises Interesse entgegen allen anderen Gemeindetheilen hat; denn sonst allerdings könnten wir in das alte Sportulieren wieder hinein⸗ gerathen und Differenzen hervorrufen, welche die einheitliche Finanz- verwaltung der Gemeinden gefährden können. So ist die Sache aber auch ganz klar im Kommunalabgabengesetz gedacht, und ich habe mit meinen Worten vorhin durchaus nicht an die häufig nur zu reichhaltige Erfindungsgabe der Bürgermeister appellieren wollen, für alle möglichen Fälle, wo es nicht paßt, Gebühren und Beiträge aus— zuschreiben. Nichtsdestoweniger aber kann gar kein Zweifel sein: wer unsere Kommunalverwaltung kennt, wer die früheren Anschauungen über Gebühren und Beiträge kennt; wer weiß, daß in den Ge— meinden, namentlich in den großen Städten eine sehr große Anzahl von Fällen vorhanden ist, wo in voller Gerechtigkeit solche Ge—⸗ bühren und Beiträge erhoben werden können und erhoben werden müssen: wird sich überzeugen, daß eine richtige Handhabung dieses neuen Systems sogar eine Reihe nützlicher Veranstaltungen für die Zukunft erleichtern wird, weil man sich eher entschließt, dazu über—⸗ zugehen, wenn die Kosten nicht ganz ausschließlich auf die Allgemein⸗ heit fallen, sondern diejenigen vorzugsweise mit treffen, die den Hauptvortheil von dem Unternehmen haben. Ich habe dies nur einschalten wollen, damit aus meinen Aeußerungen kein Mißverständniß entsteht. Ich bin nicht der Meinung, daß, was die sogenannten Verwaltungsgebühren betrifft, der Gemeinde für jeden Verwaltungsakt, den sie auf Antrag oder auf einen Wunsch oder zu Gunsten irgend eines einzelnen vornimmt, eine Gebühr erheben soll; daran denke ich garnicht. Wir haben daher im Kommunalabgabengesetz das Recht, Verwaltungsgebühren zu erheben, auch außerordentlich beschränkt, haben es namentlich nur bestimmt ausgedehnt auf die Verwaltungsgebühren in Baupolizeisachen. Aber da ist es auch vollkommen berechtigt; denn da erwachsen in den meisten Fällen den kommunalen Verwaltungsorganen sehr bedeutende Kosten, nicht bloß vorzugsweise, sondern lediglich im Interesse der Bauunternehmer, und daß da Gebühren erhoben werden, halte ich für durchaus zutref⸗ fend. Ich will Herrn von Eynern mal ein Beispiel geben, wie derartige zweckmäßige Normierung von Gebühren doch für den Finanz⸗ Etat der Kommunen von Bedeutung sein kann.

Diese Baupolizeigebühren wurden in Frankfurt schon früher ent⸗ richtet mit Genehmigung der Königlichen Staatsregierung. Wir hatten in einem Jahre, wenn ich nicht sehr irre, 75 000 ½ Einnahme davon, und wir hatten nicht die geringste Beschwerde. Denn ein Baulustiger, der ein Haus bauen wollte, welches viermal revidiert werden mußte, wo der Baugrund abgesteckt wurde, dann, wenn das Haus aus der Erde kam, revidiert werden mußte, und wieder, wenn es unter Dach gebracht wurde und wenn es bezogen werden sollte, und dafür 50 M0 bezahlt, findet das ganz in der Ordnung; er hatte unmittelbar vor sich, in welcher Weise ihm seitens der Obrigkeit geholfen wird. Ein solcher zweckmäßiger Ausbau des Gebührensystems fehlt heute, und er fehlt namentlich auch in den rheinischen Städten. Wenn er richtig durchgeführt wird, so wird allerdings dadurch eine wesentliche Erleich⸗ terung der Steuerlasten herbeigeführt werden können.

Abg. von Eynern (nl): Das letzte Beispiel beweist eben, daß

der Finanz⸗Minister die ganze Sache haͤuptsächlich von dem Stand⸗

Böttchermeister

punkt der Großstädte wie Frankfurt am Main aus betrachtet; in

kleinen Gemeinden des Westens chalt:

denen solche el hleren en . , ö . ierauf schließt die Besprechung; di ion ist

ran e e . sp ech 9 le Interpellation ist ei den dann folgenden Wahlprüfungen werden die

Wahlen der Abgg. Di. Lohmann Hagen (nl) und Dr.

Beumer (nl) für gültig erklärt. ]

Schluß 2 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr.

Statistik und Volkswirthschaft.

Tie Thätigkeit der Schiedsmänner im Jahre 1893.

Im Jahre 1893 waren im Bezirk der dreizehn preußischen Ober⸗ Landesgerichte 18 O62 Schiedsmänner vorhanden; die Zahl der bürger⸗ lichen Rechtsstreitigkeiten betrug im ganzen 21 777, bei 14879 diefer Sachen wurde ein Sühnetermin abgehalten, zu dem beide Theile er= schienen, und 11114 wurden bei dieser Gelegenheit durch Vergleich erledigt, Also mehr als die Hälfte sämmtlicher bürgerlichen Rechts⸗ streitigkeiten ist durch die Schiedsmänner durch Vergleich beigelegt e, dadurch oft ein langwieriger und kostspieliger Prozeß erspart

orden.

Nicht ganz so günstig, aber immerhin auch bedeutend ist der bei den zur Zuständigkeit der Schiedsmänner gebörigen Beleidigungen und Körperberletzungen. Die Zahl derartiger Sachen überhaupt betrug nämlich 189 474, die Zahl derjenigen, in denen beide Theile zur Sühneverhandlung erschlenen, 1095 6365, und von diesen wurden 62 2b9, also fast ein Drittel sämmtlicher Sachen, durch Sühneversuch erfolgreich erledigt.

Schankwirthschaften und e ,,, in Preußen.

Der preußische Staat zählte 1879 64 721 Gastwirthschaften, 1893 65 923, 1879 65 866 Schankwirthschaften mit . schank, 1593 66 095, 1879 14198 Schankwirthschaften ohne Brannt⸗ wein, 1893 12542, und endlich 1879 16014 Branntwein, Kleinhand⸗ lungen, 1893 17 908. Es sind also nur die Wirthschaften mit halber Konzession an Zahl heruntergegangen, was sich daraus erklärt, daß die Inhaber solcher Konzessionen in der Regel mit Erfolg eine ie , . mit den Wirthen, die auch das hůcht zum Brannt⸗ weinschank haben, verlangen. Ueberall sonst zeigen sich Zunahmen, aber auch diese sind nur scheinbar. Da in gleicher Zeit die Be⸗ völkerung von 236 992 533 auf 39 236 997 Seelen gestiegen ist, so ist die Zahl der Schankstätten im Verhältniß zur Einwohnerzahl heruntergegangen, Es kamen nämlich auf 100 009 Einwohner i. J. 18795 248 Gastwirthschaften, 252 Schankwirthschaften mit Branntwein, 54 Schankwirthschaften ohne Branntwein, 6 Kleinhand⸗ lungen mit Branntwein, zusammen 615; im Jahre 1893 218 Gast-⸗ wirthschaften, 219 Schankwirthschaften mit Branntwein, 41 Schank.« wirthschaften ohne Branntwein, 6g Kleinhandlungen mit Branntwein, im ganzen 537.

; Sta tistik der Hundswuth 1887 —1892.

In einem Bericht, den der bekannte französische Arzt Dr. Du—⸗ jardin Beaumetz dem Pariser Gesundheitsrath im Laufe des Jahres 18953 über die Heilerfolge im Past eur ⸗Institut erstattet hat, findet sich u. 9. die Angabe, daß während des Jahres 1893 in genanntem Institut 355 von tollen Hunden gebissene Personen aus dem Seine⸗ Departement behandelt worden sind. Von diesen 355 Kranken starb nur einer oder 0,28 vom Hundert. Für die Gesammtdauer des Be standes jenes segensreichen Instituts, d. i., vom Beginn des Jahres 1887 ab, stellte sich die Zahl der aus dem Seine ⸗Departement darin behandelten Personen und ihre Sterblichkeit, wie folgt:

Jahre behandelte davon Sterblichkeit

Personen gestorben in Prozenten

1887 306 3 O, 97 1888 386 5 1,29 18389 256 3 1177 1890 95 1891 201 1892 355

] 28. Im ganzen 6jährigen Zeitraum starben mithin von 1599 behan— delten Personen nur 12 oder durchschnittlich 0, s5 vom Hundert.

. Zur Arbeiterbewegung.

Aus Köln wird der 6. Ztg.‘ Folgendes berichtet: Im Ver folg des Beschlusses der Volksberfammlung am Diengtag (vergl. Nr, 1I9 d. Bl.). in, welcher die Kölner Brauer sich mit den Mülheimer Ausständigen solidarisch erklärten, wurde über fämmtliche von der Mülheim⸗Niedermendiger Brauerei Aktien- gesellschaft Bier beziehenden Wirthschaften der Boykott verhängt, nachdem die Direktion dieser Brauerei einer von der Volks versamm⸗ lung erwählten Kommission gegenüber erklärt hatte, sie werde dem⸗ nächst die Lohn. und 1 in Erwägung ziehen, lehne es aber ab, die strikenden Brauer und Mälzer wieder einzustellen.

In Braunschweig ist, wie der Köln. Ztg.“ gemeldet wird, die Lage des Brauereistreits noch ziemlich unverändert. Die Sozialdemokraten versuchen ihren Boykott über die Jürgens'sche und Nationalbrauerei aufrecht zu halten und veranstalten zu dem Zweck in Braunschweig und den , Orten des Herzogthums Ver⸗ sammlungen, um für ihre . Stimmung ju machen. Es wird sogar schon die Losung ausgegeben: Gar kein Braunschweiger Bier mehr trinken! Da die Brauereien aber einig sind, so ist von einem Erfolg des Boykotts wenig oder n,. zu bemerken; nur die entlassenen Brauerei⸗Arbeiter haben darunter zu leiden. Die Brauereien sind durch Zuzug von auswärts und heimische Hilfskräfte in den Stand gesetzt, den Betrieb und Ab⸗ satz unverändert fortführen zu können. 8 Hildesheim hat eine sozialdemokratische Versammlung nicht nur uber sämmtliche Braun⸗ chweiger Brauereien, sondern auch über die Hildesheimer Aktien rauerei den Boykott verhängt. ; Der Malerstrike in Bremerhaven wurde, wie dem „Vor wärts“ mitgetheilt wird, nach fünfwöchiger Dauer eingestellt und ist für die Arbeiter als verloren zu betrachten. Zum Braguereiboykott hier in Berlin wird der . N. A. Itg.‘ mitgetheilt, daß es eine arge Uebertreibung ist, wenn die sozial— demokratischen Blätter von 290 bis 300 brotlos gewordenen Böttcher⸗ gesellen reden, da in den Brauereien vor dem Pfingstfest überhaupt nur 150 Böttchergesellen beschäftigt waren und von diesen jetzt mindestens die Hälfte wieder in Arbeit ist. Unwahr sei ferner die Behauptung, die Brauereien hätten einen Druck auf die ausgeübt. Im Gegentheil hätten letztere den Brauereien von vornherein erklärt, daß sie auf keinen Fall die Maifeier bewilligen würden, sie hätten auch die nach dem 1. Mai aufgestellten Forderungen als unannehmbar gie,, ö Der Gesammtvorstand des 355 Mitglieder zählenden Bierbrauer esellen⸗Vereins zu Berlin und Umgegend erklärt der „Voss. 6 zufolge im Namen der Mitglieder die von sozialdemokratischer eite genäaͤhrte Annahme für falsch, daß die gesammten Brauer Berlins dem sszialdemokratischen Gewwerkschaftskarfell angehören. Der Verein nehme eine völlig neutrale Stellung ein, könne aber, die Gewaltmittel des Ausstands und Bovkotts nicht gutheißen. Der Strike der Berliner Brauereiböttcher ist, wie die ‚Schneidem. Ztg. mittheilt, auch in Schneidemühl nicht ohne nch auf die dortigen Böttchereien geblieben; denn ein ziemlicher ar J der dort arbeitenden und zum theil lange ansässigen Böttcher hat sich 6 Berlin begeben, um, unter Zusicherung eines hohen Verdienstes, an die Plätze der Ausständigen . treten. . Der „A. K. zufolge besteht der Ausstand der Londo Droschkenkutscher noch unpermindert fort. Am Dienstag b 6h eine Abordnung der Kutscher ing Unterhaus, um sich mit rbeiter⸗Abgeordneten John Burns, Keir Hardie und anderen

sprechen. Die Hauptbeschwerde gegen die Fuhrherren war die, daß