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Nachdem Professor Dr. d Berlin zur noch⸗ maligen , seines Standpunkts unter Betrachtung der vorgetragenen abweichenden Meinungen das Wort ergriffen
hatte, wurde die Generaldiskussion geschlossen und die Be⸗ rathung auf heute, Donnerstag, Vormittags 11 Uhr, vertagt.
Unter Bezugnahme auf die Verfügung vom 5. v. M. hat der Finanz -Minister den Königlichen Regierungen unter dem 20. Mai eine . der die Ob⸗ liegenheiten der Gemeinde- und Guts vorstände bei der Veranlagung und Verwaltung der Gewerbe⸗ steuer betreffenden Bestimm ungen zugehen lassen, die in der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ Anzeigers“ veröffentlicht wird.
Der General⸗Inspekteur der Fuß⸗Artillerie, General⸗= ö Edler von der Planitz II. ist hierher zurück⸗ gekehrt.
Düsseldorf, 3090. Mai. Der Bericht und die Anträge des Provinzial-⸗Ausschusses bezüglich der Errichtung eines Denkmals der Rheinprovinz für Kaiser Wilhelm J. am Deutschen Eck zu Koblenz stand heute im Provinzial— Landtag zur Berathung. Der Antrag lautet:
„Der Provinzial-⸗Landtag wolle sich mit der Errichtung des Kaiser Wilhelm⸗Denkmals nach den vorliegenden Plänen und Kosten⸗ anschlägen im allgemeinen einverstanden erklären und die Denkmals Kommission ermächtigen: I) nach stattgehabter Besichtigung des Denkmalsentwurfs durch den Kaiser die Pläne und Kostenanschläge endgültig zu genehmigen und die erforderlichen Vereinbarungen mit den Künstlern zu 3 2) zur Deckung der erforderlichen Kosten bestimmen, daß bis zur Tilgung der Gesammtkosten jährlich o 000 M solange aus dem Dispositionsfonds des Provinzial⸗Landtags ent⸗ . werden sollen, bis der Fehlbetrag von 489 934 M gedeckt ein wird.“
Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Bayern.
Die Kammer der Abgeordneten ertheilte gestern den Nachweisungen der Militärverwaltung für die Jahre 189091 und 189192 Decharge und trat sodann in die Be⸗ rathung des Militär-Etats für 189495 ein. Der Abg. von Vollmar richtete an das Zentrum die Mahnung, anstatt der Klagen über die Militärlasten der durch die früheren Be⸗ willigungen begangenen eigenen Sünden zu gedenken, und be— anstandete die Ueberanstrengung der Truppen, insbesondere durch die in Mode gekommenen Dauerritte. Der Abg. Dr. Schädler (Zentrum) wies die Auffassung zurück, als ob das Zentrum jeder Erhöhung der Militärvorlage zugestimmt habe; soweit dies geschehen, sei es durch die Weltlage be— dingt gewesen. Mit Bezug auf die frühere Erklarung des Kriegs⸗Ministers in der Duellfrage erklärte der Redner, der Entwickelung der Verhältnisse so lange mißtrauisch gegenüberzustehen, als die Barbarei in einem Punkt in der Armee noch als Ehrenpflicht gelte. Der Kriegs-Minister Freiherr von Asch erklärte, er wünsche sehnlichst, daß der Beweis dafür, auf welcher Seite im Kampf der Anschauungen über den Militarismus das Rechte liege, dem Hause noch recht lange erspart bleiben möge. Er selbst werde auf seinem Posten stehen, so lange er das Vertrauen des Prinz⸗Regenten genieße, und sich in seiner Pflichterfüllung auch nicht 6 das Mißtrauen des Abg. Schädler beirren lassen. Die Generaldiskussion wurde beendet. In der Einzelberathung erklärte der Kriegs-Minister Freiherr von Asch gegenüber einer Anfrage des Abg. Grillenberg er, der Proviantamts— Rendant Maier in Landau (Pfalz) sei aus abministrativen Erwägungen verabschiedet worden, weil er Unregelmäßigkeiten im Proviantamt zu Landau nicht angezeigt hahe. Die Sache selbst sei gründlich untersucht und Abhilfe geschaffen worden. Alle andern Angaben in der Beschwerde Maier's seien unwahr. Gestern Abend sollte die Einzelberathung fortgesetzt werden.
Württemberg.
In der vorgestrigen Sitzung der Kammer der Ab— geordneten bemerkte bei der Berathung der Vorlage über die Verfassungsänderung nach der Rede des Bericht⸗ erstatters von Götz der Minister⸗Präsident Dr. Freiherr
von Mittnacht: Als die Regierung an diese Frage
herangetreten sei, habe sie sich gesagt, der Vorschlag, nur eine Kammer zu belassen, sei zur Zeit wenigstens undenkbar; auch werde dazu die Zweidrittel mehrheit fehlen. Der Vorschlag, die eine Kammer aus 65 Ge— wählten und 145 Privilegierten r n ne , werde auch nicht befriedigen; der Kampf gegen die Privi— legien werde sich neu erheben, und es würde nur die eine reine Volkskammer bleiben, die die fortgeschrittene Demokratie als Ziel erstrebe. Dazu werde die andere Kammer ihre . nie geben. Wolle man aber die erste Kammer erhalten, so müsse man auch danach verfahren, dürfe sie nicht zur Sammelstelle aller Privilegien und zu einer reinen Adelskammer machen. Sei es nun aber zulässig, das Abgeordnetenhaus als reine Volkskammer zu konstruieren? Die Regierung fürchte, daß die reine Volkskammer unentbehr⸗ liche Elemente ausschließen werde. Auch sei nicht nothwendig, daß die freie Volkswahl immer der ö diene, sie könne auch zum Despotismus führen. as allgemeine, gleiche, direkte Wahlrecht solle nicht angetastet werden; Württemberg habe das am meisten demokratische Wahlsystem in Deutschland, und die Norddeutschen seien nicht berechtigt, von der Höhe ihres J mit öffentlicher Abstimmung auf Württemberg herabzusehen. Die reine Volkskammer mit Pro⸗ portionalvertretung entspreche mehr der Gerechtigkeit und sei geeignet, manche Bedenken zu heben, aber man könne sie jetzt nicht einführen, schon wegen ihrer Kompliziertheit. Er bitte das Haus, etwas zu beschließen, was Aussicht auf Auf⸗ nahme habe. Nachdem noch die Abgg. Bantleon und von Weizsäcker gegen die Vorlage gesprochen hatten, wurde die weitere Berathung abgebrochen und in der gestrigen Sitzung fortgesetzt. Das Wort hatte zuerst der Abg. Payer, der den Regierungsentwurf einer scharfen Kritik unterzog, sich gegen verschiedene Ausführungen in der vorgestrigen Rede des Minister⸗Präsidenten wandte und im Namen der ganzen Linken den Antrag auf Errichtung einer reinen Volkskammer ankündigte. Gegenüber den Kommissionsvorschlägen erklärte der Redner, daß sie eine kleine Verbesserung enthielten. Es sei daher auch der Volkspartei nicht leicht geworden, sich zu 1 Ablehnung zu entschließen; es habe sich aber nirgends im
olk eine Geneigtheit gezeigt, die Abschlagszahlung hinzunehmen.
Seine Freunde hofften somit, die Vorlage zu Fall zu bringen, und sie gedächten auch in Zukunft das gleiche Schicksal jedem
rojekt zu bereiten, das nicht die reine Volkskammer verwirk⸗ liche. Sollte wider Erwarten die Nevision jc doch zu stande kommen, so werde die Volkspartei das ohne Dank hinnehmen und das Neugeschaffene sofort zum Stützpunkt für ihre weiter⸗ . Forderungen machen. ur formellen Geschäfts⸗ ehandlung bemerkte der Redner, daß seine Freunde für den Eintritt in die Spezialdiskussion stimmen würden, damit die Frage vor dem Lande gründlich erörtert werde und die Abgeordneten, die schon hie und da sich für die reine Volkskammer erklärt hätten, Gelegenheit bekämen, ihr Wort einzulösen. Der Abg. von Schadb erklärte, daß die überwiegende Mehrzahl der Ritterbank bereit sei, für den Entwurf einzutreten, gegenüber den Kommissionsvorschlägen aber sich die n an, vor⸗ behalte. Der Abg. Eggger erklärte Entwurf und Kommissionsvorschlag als ungenügend. Es sprachen dann weiter die Abgg. Freiherr von Ow, Hartmann, Freiherr von Gültlingen, von Hofacker und Freiherr von Wöllwarth.
Oesterreich⸗Ungarn.
Gestern Vormittag 11 Uhr fand, wie „W. T. B.“ aus Wien berichtet, die Vermählung der Erzherzogin Carolina Maria Immaculata mit dem Prinzen August Leopold von Sachsen-Coburg in der Pfarrkirche der Held h statt. Die Trauung vollzog der Kardinal Fürst⸗Erzbischof Gruscha. Am Nachmittag reiste dann das 6 e neuvermählte Paar nach Schladming ab. Am Bahnhofe waren der Herzog von Sachsen⸗Coburg und Gotha und die Familienmitglieder zur Verabschiedung erschienen.
Der ungarische Minister für Landesvertheidigung Freiherr von Fejer vary wurde gestern Mittag 1 Uhr zu einer Privat⸗ audienz bei dem Kaiser befohlen. Der ungarische Minister⸗ Präsident Dr. Wekerle wurde um 2 Uhr vom Kaiser empfangen. Die Audienz dauerte über zwei Stunden. Dr. Wekerle wird noch einige Tage in Wien verbleiben. Dem Vernehmen nach wäre eine endgültige Entscheidung noch nicht getroffen worden.
Das Abgeordnetenhaus berieth gestern die Handels⸗ konvention mit Rußland. Der Handels⸗Minister Graf Wurmbrans hoh die große Bedeutung des Vertrages hervor, indem er betonte, daß Oesterreich, wenn es den Vertrag nicht geschlossen hätte, von Deutschland rücksichtlich des Kon⸗ ventionaltarifs nicht nur differenziert, sondern gegenüber Rußland wahrscheinlich unter den Maximaltarif gefallen sein würde. Die österreichische Industrie, die auf den Osten angewiesen sei, würde dann schwer geschädigt worden fein. Die Vortheile des russischen Handels— vertrages seien so bedeutend, daß die als Gegenkonzession zu⸗
estandene Bindung der Getreidezölle nicht ins Gewicht falle. Es werde Aufgabe der Regierung sein, gegen eventuelle Aus⸗ schreitungen im Veredlungs- und Mehlverkehr vorzusorgen, . darauf zu sehen, daß die Bestimmungen über den . verkehr mit Italien und Serbien auf diesen Grenzverkehr beschränkt blieben. Die Regierung nehme auch Rußland gegenüber diesen Standpunkt ein. Mit dem russischen Vertrage sei die Reihe der Verträge Oesterreichs mit den größeren europäischen Staaten abgeschlossen. Durch diesen Vertrag sei eine Stetig⸗ keit geschaffen worden, die mit der in Aussicht gestellten ö. des Verkehrs und mit der Stabilität des Geldes die Hebung der Industrie sichern werde. Die Regierung werde bestrebt sein, durch ihre Tarifpolitik die gegenwärtigen Verhältnisse zu unter⸗ stützen. Der Minister betonte ferner auch die politische Be⸗ deutung des Vertrages und konstatierte das beim Abschluß des Vertrages von Rußland gezeigte Entgegenkommen, aus dem man entnehmen dürfe, daß Rußland in dem Vertrage ein Zeichen gegenseitiger freundlicher Beziehungen erblicke. Darin liege die allergrößte Bürgschaft für eine friedliche Zukunft und eine gedeihliche Entwickelung der Volkswohlfahrt. Das Abgeordnetenhaus nahm dann den russischen Handelsvertrag mit großer Mehrheit in zweiter und dritter Lesung an.
In der gestrigen Sitzung des Klubs der Vereinigten Linken wurde in Anwesenheit der Minister Or. von Plener und Graf Wurmbrand die Beantwortung der Inter⸗ pellation Wrabetz und Noske in der Angelegenheit des Pfarrers Deckert durch den Minister-Präsidenten Fürsten
indischgrätz berathen. Der Finanz⸗Minister Dr. von Plener ab, wie die „Neue Freie Preffe⸗ meldet, eine ausführliche Dar⸗ tellung der inneren Lage. Der Klub beschloß einstimmig, die Aufklärungen des Ministers zur Kenntniß zu nehmen, und ver— sicherte, die Vertreter des Klubs im Kabinet nach wie vor unterstützen zu wollen.
Frankreich.
Hanotaux hat laut Meldung des „W. T. B.“ das Portefeuille des Auswärtigen definitiv angenommen. Der Präsident Carnot hat nunmehr gestern das Dekret unterzeichnet, durch welches das neue Kabinet, dessen Zu⸗ sammensetzung bereits gemeldet wurde, ernannt wird. ;
Von den Mitgliedern des neuen Ministeriums gehörten zwei, der Kriegs-Minister General Mer gier und der Ackerbau⸗ Minister Viger dem Ministerium Casimir Périer an. Der Justiz⸗Minister Senator Gu 6rin bekleidete dasselbe Amt bereits im ersten Ministerium Dupuy; der Kolonial-Minister Del⸗ cassé war in demselben Ministerium und früher bereits im Ministerium Ribot Unter⸗Staatssekretär der Kolonien. Der Marine⸗Minister . Faure war Unter⸗Staatssekretär der Kolonien unter Gambetta und später unter Jules Ferry. Der Senator Lourties, der das Handels⸗Ministerium über⸗ nommen hat, ist bisher weiter nicht hervorgetreten. Der Unter⸗ richts⸗Minister Leygues hat sich mehrfach als geschickter Redner in der Kammer hervorgethan. Der Finanz⸗-Minister Poincarés, der schon früher Minister war, genießt eines großen Ansehens in Finanzsachen und war zuletzt Berichterstatter der Budgetkommission. Der Minister des Auswärtigen Hanotaux war bisher Direktor im Auswär⸗ tigen Amt und nahm in jüngster Zeit an den Verhandlungen in Brüssel über die Grenzregulierung des Congostaats theil; der Minister der öffentlichen Arbeiten Barthou gehört der Deputirtenkammer seit 1889 als Vertreter des Departements der Basses Pyrénées an und hat sich mehrfach durch sein . in die Kultus- und Unterrichtsdebatten bemerklich gemacht.
Der Deputirte Deloncle wird in der Deputirtenkammer den ö. einer Resolution einbringen, worin die Regierung ersucht wird, den diplomatischen Schr iftwechfel über ewisse neue Abkommen hinsichtlich der Theilung Afrikas sofort porzulegen.
Die . der Deputirten kammer be⸗ schloß, die Regierung in Betreff des von dem Congostaat mit En gland geschlossenen Abkommens sowie in Betreff der englisch-italienischen Konvention über die Abgrenzung der Einflußsphäre in den Regionen des Golfs von Aden zu interpellieren, und beauftragte ihr Bureau, sich mit dem Minister des Auswärtigen Hanotaux . ins Einvernehmen zu setzen. Die äußerste Linke eauftragte die Deputirten Goblet und Pelletan, das Kabinet über seine Zusammensetzung und seine Politik zu interpellieren.
Italien.
Die Deputirtenkammer setzte gestern die General⸗ debatte über die . maßregeln fort. Der Deputirte Fortis reichte folgende Tagesordnung ein: „Die Kammer erkennt die Nothwendigkeit an, die finanziellen Bedürfnisse auch durch neue Steuern zu befriebigen und geht zur Spezialdebatte über“. Eine weitere von dem Depu⸗ tirten Zanardelli eingebrachte Tagesordnung lautet: „Die Kammer genehmigt nicht das Finanzprogramm der Regierung, da sie der Ansicht ist, daß das Gleich⸗ ewicht des Budgets durch geringere Steuern und größere
rsparnisse hergestellt werden müsse“. Unter großer Aufmerk⸗ samkeit des auch auf den Tribünen starkbesetzten Hauses nahm sodann der Finanz-Minister Sonnino das Wort und erklärte, wie „W. T. B.“ berichtet: Es seien für die Zukunft zwei wesentliche Punkte festgestellt: erstens die Nothwendigkeit des Gleichgewichts zwischen den Einnahmen und den wirk⸗ lichen Ausgaben, zweitens die Nothwendigkeit neuer Steuern. Man sei nur über die Natur und die Höhe der letzteren verschiedener Ansicht. Die gegen ihn er⸗ hohenen Vorwürfe werde er zu widerlegen suchen. Der Minister wies nun zunächst nach, daß die Frage nach den für das Budget erforderlichen Summen eine mühßige sei, weil selbst das Finanzexposé nicht in Aussicht gestellt habe, daß für die Amortisierung und die Eisenbahnkosten durch die ge⸗ wöhnlichen Einnahmen vorgesorgt werden könne. Er nehme für seine Rechnung eine andere Grundlage an, indem er die wirk⸗ lichen Ausgaben ausschließlich auf die Höhe der Einnahmen reduziere. Wenn er nun die anderweitig entstandenen Ver⸗ pflichtungen und die Verminderung der Zolleinnahmen, die nicht einem wirthschaftlichen Niedergang, sondern dem Goldagio zuzuschreiben sei, berechne, so bleibe der für das ö erforder⸗ liche Bedarf noch immer ein solcher, daß, wenn die von der Regierung vorgeschlagenen Maßregeln gebilligt würden, das finanzielle Gleichgewicht erst für das Ctatsjahr 1895.96 her⸗ gestellt werden könne. Infolge der Verzögerung der Berathung werde ein Theil des Defizits im Budget von 189495 dem Schatz zur Last fallen, dem jedoch der verauslagte Betrag werde zurückerstattet werden. Der Minister wies sodann nach, daß die Vorschläge der Kommission unzureichend seien, selbst wenn sie gem fich die Genehmigung der Kammer gefunden hätten, während doch schon die von der Kommission vorgeschlagenen 20 Millionen Ersparnisse beim Militär⸗Etat von der Kammer verworfen worden seien. Was die Vorschläge der anderen Redner zu den finanziellen Maß⸗ regeln betreffe, so seien diese theils von der Kommission angenommen, theils von der Regierung selbst in Vor⸗ schlag gebracht worden. Diese Amendements verbesserten in bemerkenswerther Weise die Einzelheiten der Finanz— maßnahmen, ermöglichten das Gleichgewicht in den Kommunalbudgets, ließen jedoch die ,, Resultate und . Vorschläge unverändert bestehen. Der Minister erklärte sich bereit, um dem Wunsche der Kom⸗ mission entgegenzukommen, keinen Unterschied zwischen den Staatstiteln und den vom Staat garantierten Titeln von Gesellschaften zu machen, also auch .. letztere die Erhöhung der Steuer au 20 Proz. auszudehnen, ferner die Zirkulations⸗ taxe für alle Titel, die von der zwanzigprozentigen Steuer etroffen würden, aufzuheben. Er leugnete entschieden, daß ie von ihm vorgeschlagene Steuer auf die Rente eine Spezialsteuer sei, da sie sich nur quantitativ nicht qualitativ von den in den Jahren 1866 bis 1868 und 1870 eingeführten Steuern auf das bewegliche Vermögen unterscheide. Deshalb verletz; sein Vorschlag kein Gesetz. Unmöglich könne den ausländischen Besitzern ein Rententitel-Privilegium ertheilt werden, weil dadurch eine Ungerechtigkeit der Steuergesetze von 1868 und 1870, durch die auch die auslän⸗ dischen Rentenbesitzer getroffen würden, zu ache n werden würde und weil man dadurch die fwlar i Besitzer von Renten außer durch eine härtere Besteuerung auch durch die Verminderung der Beweglichkeit ihrer Titel treffen würde. Der Markt werde gern Titel von 4 Proz. netto annehmen, wenn durch diese Zinsreduktion um 34 Centesimi die immer⸗ währende Steuerfreiheit erkauft werden könne. Die Genehmigung der finanziellen Maßregeln werde nach seiner Ueberzeugung eine bemerkenswerthe Steigerung der italienischen Werthe, die seit dem Januar schon, im Kurse gestiegen seien, zur Folge haben. Der Minister vertheidigte im weiteren die betreffs des Geldumlaufs vorgeschlagenen Maßnahmen, die we. und ehrlich die in der That schon jetzt vorhandene Nichtkonvertierbarkeit der Noten anerkennten, sie aber zum Vortheil des Staats wendeten, indem sie die Banken nöthigten, ihre Noten gegen Staatsschatzscheine . wechseln und f diese Weise den Ausschreitungen der Zirku⸗ lation einen selbstthätigen Zügel anlegten. Uebrigens würden die Maßregeln vollkommen gerechtfertigt durch die Zunahme der Melallreserven um 34 Millionen, die Abnahme des Papier⸗ umlaufs um 80 Millionen, die Verringerung des Gold⸗ agios von 15 auf etwa 11 Proz. und das Steigen der italienischen Rente in Paris von 72 auf ungefähr 78, sowie endlich durch die Besserung in den Verhältnissen des Schatzes, weil an das Ausland 119 Millionen gezahlt und außerdem 4 Millionen Rente, die an der Berliner Börse engagiert gewesen seien, von dem früheren Minister zurück⸗ gekauft worden seien. Der Minister zählte sodann die Maß⸗ regeln auf, durch welche die Regierung den Finanzen der Kom⸗ munen aufzuhelfen , insbesondere die. Wiederher⸗ stellung einer Depot⸗ un Konsignations⸗-Kasse, die unentbehr⸗ lich sei zu einer allmählichen Konversion der Schulden der Lokalverwaltungen; er wies den Vorwurf zurück, daß er sich in seinem Plane um die nationale Volks⸗ wirthschaft nicht kümmere, und zeigte, daß die finanziellen Maßnahmen berufen seien, in einem der Billigkeit ent⸗ sprechenden Verhältnisse zu den Quellen des nationalen Wohl⸗ stands die geringeren Einkommen von jeder Belastung aus—⸗ . und durch eine Einkommensteuer die künftige Um⸗ ildung der Lasten vorzubereiten. Nach einer kurzen Pause wandte sich der Minister Sonnino gegen die Uebertreibungen
de gr die behaupteten, die Steuerkraft des Landes sei erschöpft, und zog einen Vergleich zwischen dem Handel Italiens und dem der übrigen Staaten Europas. Er zeigte, daß in den letzten drei Jahren nur in Italien der Export zugenommen und dadurch die Handelsbilanz eine Besserung erfahren habe. Der Vortheil, der sich für den Staatskredit und den Kredit des ganzen Landes aus der Annahme der vor⸗ eschlagenen Finanzmaßregeln ergeben werde, werde weit größer ein als die Last der aufzuerlegenden Steuern. Der Mnister vertheidigte sich sodann gegen den Vorwurf, daß er nicht genügende Ersparnisse in Aussicht nehme, und wies darauf hin, daß die Regierung Ersparnisse über 50 Millionen Francs mache, von denen die einen bereits realisiert seien, die andern durch die ver⸗ langten administrativen Vollmachten realisiert werden würden. Zum Schluß erklärte der Minister, sein Ideal sei, für den Augenblick das wirkliche Gleichgewicht im Budget von 1895,96 zu erreichen. Wenn die vorgeschlagenen Finanzmaßnahmen nicht angenommen würden, so werde man das ganze Werk um ein Jahr verzögern, und wahrscheinlich werde man dann über⸗ haupt nicht mehr im stande sein, es durchzuführen. Der Ernst der Lage fordere eine starke Anspannung. Er habe das Bewußtsein, seine Pflicht gethan zu haben, indem er die ganze Wahrheit gesagt habe. Die Aufgabe, Italien vor dem wirthschaftlichen und finanziellen Ruin zu be— wahren, falle jetzt der Kammer zu, die ihr Votum gewissenhaft und muthig abgeben müsse. Dessen möge die Kammer eingedenk sein. — Nach Beendigung der Rede wurde der Finanz⸗Minister von dem Minister⸗Präsidenten Crispi, den ubrigen Ministern und zahlreichen Deputirten beglückwünscht. Die Generaldebatte wurde geschlossen und die Sitzung sodann aufgehoben. ö
Unter den von dem Finanz-⸗Minister angekündigten Amendements befindet sich die Ermäßigung der Grundsteuer⸗ erhöhung von zwei Zehnteln auf ein Zehntel.
Das Kriegsgericht in Palermo hat de Felice Giuffrida zu 18 Jahren Zuchthaus, 3 Jahren Stellung unter Polizeiaufsicht sowie Verlust des Deputirtenmandats verurtheilt und ihm die Fähigkeit aberkannt, öffentliche Aemter zu bekleiden. Bosco Barbate und Verro wurden zu 12 Jahren, Mon— talto zu 10 Jahren und Pico zu 5 Jahren Zuchthaus ver⸗ urtheilt und allen die Fähigkeit, öffentliche Aemter zu bekleiden, abgesprochen. Außerdem wurde ö zu 3 Jahren und Benzi zu 2 Jahren Gefängniß verurtheilt. Cassisa, Ciralli und Guli wurden wegen mangelnder Beweise freigesprochen.
Gestern Abend 10/4 Uhr explodierte in Rom mit starker Detonation eine Bombe auf einer Fensterbrüstung im Erdgeschoß des an der Gasse Divino Amore belegenen Seitenflügels des Ju stiz⸗Minnisterium s, ohne J Schaden anzurichten. Menschen wurden nicht verletzt. Die Behörden eilten sofort zur Stelle; eine große Mens ö sammelte sich an dem Explosionsort. Gegen 11 Uhr explodierte eine zweite Bombe auf einer Fensterbrüstung im Erdgeschoß des in der Via Firenze gelegenen Kriegs⸗Ministeriums, ohne erheb⸗ lichen Schaden anzurichten oder Menschen zu verletzen. Die heutigen Morgenblätter sprechen die Ansicht aus, daß die Bomben gelegt worden seien, um gegen die Verurtheilung von de Felice und Genossen zu protestieren.
In der Basilica San Lorenzo zelebrierte gestern der Pa⸗ triarch von Konstantinopel Lenti unter großer Betheiligung eine Trauermesse für den Papst Pius JX. Hierauf hielt der Kardinal Parocchi eine Trauerrede und nahm formell von der Krypta Besitz, in der sich das mit Liebesgaben aus allen Ländern geschmückte Grabmal Pius' IX. befindet.
Belgien.
. gistrign Sitzung der Deputirtenkammer interpellierte, wie ‚W. T. B.“ meldet, der Deputirte Houzeau die Regierung und ersuchte um Auskunft, ob die eventuellen Rechte Belgiens auf den Congostaat von Frankreich bestritten würden. Der Minister des Auswärtigen Graf von Merxode erinnerte an die Erklärungen des früheren Minister⸗Präsidenten Beernaert im Jahre 1890, daß Belgien, wenn es von dem Congostaat Besitz ergriffe, gegenüber Frankreich dieselben Verpflichtungen haben werde wie der unabhängige Congo⸗ staat, und daß die Zession des Congostaats an Belgien weder zur Zeit, noch innerhalb 10 Jahren irgend welcher Schwierig⸗ keit von seiten Frankreichs begegnen werde. Frankreich wünsche Belgien in Afrika zum Nachbar zu haben. Graf von Merode fügte hinzu, Frankreich habe gegen die an⸗ geführten Darlegungen Beernaert's keinen Einwand erhoben; gegenwärtig sei die Situation dieselbe. Der Deputirte Beer—⸗ naert theilte mit, seine Erklärungen im Jahre 1890 seien vor ihrer Abgabe zur Kenntniß Frankreichs gebracht worden. Die Angelegenheit war damit erledigt.
Rumänien.
Die Ratifikationen der russisch-rumänischen Konvention über den direkten Verkehr der Gerichtshöfe in den Grenzdistrikten hinsichtlich der gegenseitigen . von Gerichtsakten sind nach einer Meldung des „W. T. B.“ ausgetauscht worden.
Bulgarien.
Das Namensfest des Prinzen Ferdinand von , wurde gestern in Sofia durch einen Fest⸗ gottesdienst und eine Truppenrevue gefeiert. Vom Kabinet nahm an letzterer, wie ‚W. T. B.“ berichtet, nur der Kriegs⸗ Minister Petrow theil; unter den Zuschguern befand sich das gesammte diplomatische Korps. Die Stadt war beflaggt. Ueberall herrschte Ruhe.
Die „Agence Balcanique“ meldet, die Ministerkrisis dauere fort. Es stehe absolut fest, daß Stam bulow von seinen Entschlüssen jetzt nicht abgehen werde. Stoilow habe sich zweimal in das Palais begeben, man bezweifele aber, daß er das Kabinet bilden könne. Ziwkow z telegraphisch aus Dresden berufen worden. Als wahrscheinlichste Lösung der n. sei die Bildung des neuen Kabinets durch Grekow an⸗ zusehen.
Die nn, Korrespondenz“ meldet aus Sofia: „Das Hauptmotiv für den Rücktritt Stambulow's liege in dem ven ihm seit Monaten immer dringender empfundenen Bedürfniß nach Ruhe. Diesen latenten Rücktrittsgedanken 9 das immer energischere Hervortreten der Opposition zur af 6 Es stehe fest, daß die Demission ihren Grund ausschlleßlich in Umständen internen Charakters habe. Inter⸗ nationgle Momente, insbesondere angebliche Versuche zur Herbeiführung einer russisch⸗bulgarischen Aussöhnung, fand mit der Demission in keinerlei Jusammenhang.“
Ferner meldet die „Politische Korrespondenz“ authentisch, daß zwischen dem Prinzen Ferdinand von i f . Coburg und Stam bulow, ungeachtet des als vollzogen an⸗ zusehenden Rücktritts des letzteren, das beste persönliche Ein⸗ vernehmen herrsche. Die gestrige dreistündige Konferenz sei in einer beide Theile zufriedenstellenden Weise verlaufen.
Gestern Abend gegen 6 Uhr versammelte sich, wie die Agance Balcanique“ berichtet, die , n, , auf dem Kathedralplatz in Sofia, um Stambu low ihr Vertrauen auszudrücken. Gleichzeitig begab sich eine starke Gruppe der Opposition vor das Regierungspalais, dessen Thüren indessen schnell geschlossen wurden. Beide Parteien begegneten sich, worauf eine hef— tige Schlägerei entstand. Die Oppositionellen gaben einige Revolverschüsse ab, wobei eine Person verwundet wurde, und ergriffen hierauf die Flucht. Die Anhänger des Kabinets hielten nun eine Versammlung auf dem Platz vor dem Regierungspalais ab, ee sodann vor die Wohnung Stambulow's und brachten diesem eine große Ovation dar. Stambulow hielt herbei eine längere Rede, worin er, den in Wien vorliegenden Meldungen aus Sofia zufolge, betonte, daß er mit dem Kabinet seine Entlassung gegeben habe, um die Rechte des Volkes und das Ansehen der Regierung zu wahren. Er werde, falls seine Demission angenommen werden sollte, wie seit 20 Jahren für die Freiheit des Vaterlandes, zusammen mit dem Volke als einfacher Bürger arbeiten. Das Land werden keinen treueren Bürger, das Volk keinen treueren Bruder, der Prinz Ferdinand keinen treueren Unterthan haben. Er sei überzeugt, daß es seinen
einden nicht gelingen werde, ein Kabinet zu bilden, und daß das Vertrauen des Volkes nicht mit ihnen sein werde. Im Laufe des Abends nahm die allgemeine Aufregung zu. Die Umgebung des Palais sowie das Wohnhaus Stambulow's wurden von Truppen besetzt. Als die Demonstranten sich gegen das Palais bewegten, wurden sie von Kavallerie⸗Abtheilungen zerstreut. Der Kriegs⸗Minister Petrow erschien am Fenster und forderte die Menge im Namen des Prinzen Ferdinand auf, Demonstrationen zu unterlassen. Später zerstreute die reitende Gendarmerie die sich wiederholt ansammelnde Menge. Der Polizeipräfekt wurde bei seinem Erscheinen ausgepfiffen. Unter den Demonstranten befanden sich besonders Studenten und Sozialisten.
Pariamentarische Nachrichten.
Den Präsidenten beider Häuser des Landtags ist ein Schreiben des Minister-Präsidenten Grafen zu Eulenburg zugegangen, welches sie ersucht, die Mitglieder zu einer heute Nachmittag 5 Uhr im Sitzungssaal des Hauses der Ab⸗ geordneten stattfindenden vereinigten Sitzung behufs Entgegennahme einer Allerhöchsten Botschaft einzuladen.
— Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Herrenhauses befindet sich in der Ersten Held ö
— Auf der Tagesordnung der heutigen 17. i. des Herrenhauses, welcher der Finanz-Minister Dr. Miquel mit Kommissarien beiwohnte, stand zunächst der Bericht der Budgetkommission über die Finanzlage des preu⸗ ßischen Staats. Die Kommission schlägt folgende Resolution vor: Das Yerrenhaus wolle erklären: 1) Die dauernde Ordnung der Staatsfinanzen verlangt, daß eine feste Abgrenzung der Beiträge Preußens für die Bedürfnisse des Reichs erfolgt und daß letzteres nicht allein für die Aufbringung der für seine Aufgaben nothwendigen Mittel aus den ihm reichs— verfassungsmäßig zustehenden Quellen, sondern auch für Ueber⸗ weisungen an die Einzelstaaten in einer die Matrikularumlagen übersteigenden Höhe Sorge trägt.
2) Es ist eine angemessene Schuldentilgung auf gesetzlicher Grundlage zu erstreben.
3) Es ist eine Aenderung des Gesetzes vom 27. Mai 1882 herbeizuführen, welche die über einen bestimmten Betrag hinaus— gehenden Ueberschüsse der Staatseisenbahnverwaltung der Ver⸗ wendung für allgemeine Staatsverwaltungszwecke entzieht.
. Bei Schluß des Blattes war der mündliche Bericht des Rittergutsbesitzers von Pfuel noch nicht beendet.
— Das Haus der Abgeordneten trat heute Vor— mittag um 11 Uhr zu seiner 74. Sitzung zusammen. Als erster Gegenstand der Tagesordnung wurde der gestern vom ,, eingegangene Gesetz entwurf, betreffend die
rrichtung eines Amtsgerichts in Kalkberge—
Rüdersdorf, in erster und zweiter Lesung ohne Debatte angenommen.
Abg. Dr. Irmer (kons.) empfahl die zu diesem Gegenstand eingelaufene Petition aus Alt-Landsberg, um Belassung des dortigen Amtsgerichts in der bisherigen Stärke von drei Richtern, der Regierung zur thunlichsten Berücksichtigung, eventuell durch Zuweisung von Theilen des Distrikts des Amtös⸗ gerichts II Berlin.
Hierauf erstattete die Wahlprüfungskommission Bericht über die Wahl des Abg, Wentorp (Lauenburg). Derselbe ist in der Stichwahl mit 88 gegen 85 Stimmen gewählt worden, und die Kommission beantragt die Gültigkeitserklärung.
Abg. Broemel (fr. Vg.) beantragte, diesen Gegenstand von der Tagesordnung abzusetzen. Das Haus sei augenscheinlich beschluß⸗ unfähig; um das zu konstatiexen, bedürfe es keineswegs einer Aenderung der Geschäfts ordnung. Jedenfalls sollte man sich hüten bei so ö Besetzung des Hauses Beschlüsse von präjudizieller Bedeutung zu fassen, die den Stempel der ,,, , n, an der Stirn trügen. Die Wahlprüfungskommission habe eine im Protest behauptete Wahl beeinflussung des Landraths für unerheblich erklärt, während darüber durchaus Beweis erhoben werden müsse.
Abg. von Eynern (nl) unterstützte den Antrag Broemel, da auch mitz der Absetzung des Gegenstandes eine Verzögerung der Sache selbst nicht herbeigeführt werde.
Referent Abg. Krause⸗Waldenburg (fr. kons.) verwarf die Ab⸗ setzung, da die Sache ganz klar liege und die Erheblichkeit des Pro—⸗ testes von der Kommissionsmehrheit verneint sei.
Abg. Dr. Steph an. Beuthen Gentr.] a. dementgegen auch seinerseits die Absetzung, da thatsächlich eine amtliche Wahlbeeinflussung in Frage stehe. Der Landrath habe an einen Wahlmann der Gegen- partei einen Brief zu Gunsten des Kandidaten Wentorp gerichtet und auch in einer. Wahlversammlung für denselben agitiert.
Abg. Rich t er (fr. Vollep.) bemerkte, daß man in diesem Fall direkt von einem durch den Landrath begangenen groben Unfug sprechen könne.
Die Abgg. von Kardorff (fr. kons.) und . von Zedli (fr. kons) legten een diese Ausführung Protest ein; dem Landrat müsse, doch ebensoviel Recht zustehen wie jedem anderen Staatsbürger. Im übrigen stimmten beide Redner der Absetzung zu. ;
. 9 Wahlprüfung wurde hierauf von der Tagesordnung abgesetzt. ;
Abg. Sack fkons) gab dem amtierenden Vize⸗Präsidenten . von Heereman anheim, die Sitzung nunmehr zu chließen, da das Haus soeben selbst seine Beschlußunfähigkeit konstatiert habe, wurde aber vom Vize⸗Präsidenten dahin belehrt, daß die Absetzung nicht wegen Beschlußunfähigkeit, sondern wegen mangelhafter Besetzung des Hauses erfolgt sei.
Das Haus erledigte hierauf noch eine lange Reihe von
Petitionen vorwiegend lokalen oder persönlichen Inhalts fen allgemeineres Interesse auf Grund von mündlichen oder s . en Berichten der Kommissionen nach den Kommissions⸗ anträgen. Zur Bex ücksichtigung wurden der Staatsregierung u. a. überwiesen die Petition der Stadtverordneten in Witkowo wegen Errichtung eines Amtsgerichts daselbst, die Petition verschiedener Abdeckereibesitzer wegen Ablösung und Regelung des Abdeckereizwangs; zur Erwägung die Petition des pensionierten Eisenbahn⸗Sekretärs Volker in Cassel wegen . seiner Pension; als Material die Petitionen verschiedener Eigenthümer um Freigabe ihres Waldes zur Selbstbewirthschaftung und zur Thellung, die Petition der Vertreter des Verbandes von landwirthschaftlichen Konsumvereinen an der Saar und Blies, betreffend die Kosten des Kommunalwegebaus in der Rheinprovinz.
Bezüglich der Petitionen des Magistrats der Stadt Peis⸗ kretscham, des Gemeinde⸗Vorstandes von Boniowitz, der General⸗ Direktion der Grafen Henckel von Donnersmarck u. a, betreffend die Yar r e e sn des oberschlesischen Industriebezirks, hatte die Agrarkommission Uebergang zur Tagesordnung beantragt; das Haus beschloß jedoch auf Antrag der Abgg. Dr. Stephan⸗ Beuthen (Zentr und Gothein (fr. Vg), diese Petitionen von der Tagesordnung abzusetzen.
Schluß 12/9 Uhr. Nächste Sitzung heute Nachmittag 4M Uhr, (Dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Errichtung eines Amtsgerichts in der Gemeinde Kalkberge⸗ Rüdersdorf.)
Nr. 21a des ‚Zentralblatts der Bauverwaltung“, her⸗ ausgegeben im Ministezium der öffentlichen ,, vom 30. Mai hat folgenden Inhalt: Operationssaal der chirurgischen Klinik in Kiel. — Die Verbesserung der Schiff barkeit unserer Ströme durch Regulierung. — Ober⸗Baurath und Geheimer Regierungs. Rath Früh in Hannover . — Der Kongreß für den Kirchenbau des Pro— testantismus. — Vermischtes: Preisbewerbung um Entwürfe für Hofbeamten⸗Wohnungen in Stuttgart. — Besjuchsziffer der Technischen Hochschule in Hannover. — Amtsgericht und Gefaͤngniß in Zoppot.
Kunft und Wissenschaft.
Große Berliner Kunstausstellung. III. (S. die Nrn. 115 u. 118 d. BI.) Mythologie. Allegorie.
L. K. — Als Rückwirkung auf einen einseitig entwickelten Naturalismus stellt sich in der Kunstgeschichte nicht selten die Neigung zu strengem Stilisieren ein. Meist greift die Künstler⸗ phantasie dabei auf die Formensprache . Kunstepochen zurück. Die Bewegung der englischen Präraphaeliten ist aus solchem Rückschlag zu erklären; freilich hat historische Gelehrsam⸗ keit daran fast noch mehr Antheil als die Umbildung des Geschmacks zum Naiven, Kein Stil birgt größere Gefahren für den Ausuͤbenden, als solche künstliche Naivitaͤt, Es bedarf eines äußerst zart⸗ fühlenden Geschmacks, um den Beschauer für solche Eyperi⸗ mente zu gewinnen. Wir vertragen strenge Stilisierung am ehesten auf dem Grenzgebiet hoher und deksrativer Kunst, und mit Recht rühmt man daher die dekorative Wirkung solcher ar aisierender Kunst. Walter Crane hat mit feinem Gefühl die Grenzen des präraphaelitischen Stil⸗ gebiets einzuhalten verstanden; seine auf zarten Gobelinton geslimmten, durch kräftige Umrisse begrenzten Gestalten besitzen einen Formenadel, eine reine Anmuth der Bewegung und Haltung, die uns auch ohne stoffliches Interesse wohlthuend berührt; es lebt in ihnen eine künstlerische Kraft, die überzeugt, ohne daß man nach dem Woher und Warum . weltfremden Visionen fagt Die Gestalten des Morgens, der Flora, der Wasserlilie sind reife, in sich J Schöpfungen. Die Rosse des Neptun (294), aus dem Schaum aufbäumender und sich überstürzender Wogen herauswachsend, beweisen, daß auch Leidenschaft und drama⸗ tisches Leben dieser Kunst nicht fremd sind, wenngleich sie die elementare Wucht der Meerwunder Böcklin's nicht besitzen. Freilich kann man auch nach der anderen Richtung über⸗ treiben, wie 3 chmann's Fischzug Polyphem's (1285) be⸗ weist, ein Spektakelstück, das nicht einmal durch den Humor des Stoffes befriedigend wirkt und feines Empfinden vermissen läßt. Liebenswürdig, wenn auch keineswegs bedeutend, wirken die mythologischen Bilder von Simmler und Otto Seitz, während Seligm ann 's Hermes Pfychopompos durch seine kühle Glätte und Süßlichkeit schon bei seiner Ausstellung in Schulte's Kunstsalon den Beschauer abstieß. Theatralische Ge⸗ waltsamkeit und eine noch unentwickelte Technik verbinden sich in Marx's Darstellung des nordischen Mythus von Loki und Sigyn zu einem wenig erfreulichen Eindruck.
Unter den allegorischen Bildern der Ausstellung erregt das große Wandbild von Hugo Vogel im G 2 be⸗ sondere Aufmerksamkeit. Es stellt die Industrie dar, welche unter dem Schutz der von der Wehrkraft gehaltenen Reichs⸗ krone den Arbeitern ihre Werkzeuge übergiebt: eine große Komposition mit gelungenen Einzelheiten — zu diesen ist vor allem die allegorische Gestalt der Wehrkraft zu rechnen — aber nicht frei von jenen Schwächen und Mängeln, die dem Repräsentationsbilde nur selten fehlen. Weder koloristisch, noch in der Linienführung ist eine Konzentration ne,, die noth⸗ wendigen Accente fehlen dem Aufbau, die Geberden und der Ausdruck der Köpfe kommen nicht über konventionelle Allge⸗ meinheit hinaus. Wie wenig bezeichnend wirkt beispielsweise die Gestalt des zu den ö herantretenden Arbeiters: man würde ohne das Programm im Zweifel darüber bleiben, ob er das vor ihm liegende Geräth aufnehmen will, oder ob er es der thronenden Gestalt dargebracht hat. In den Zügen der robusten Bergleute malt sich Erstaunen und Scheu vor der hehren Frau und der prächtigen Jünglings⸗ gestalt, die die Wehrkraft versinnlicht, aber eine den Ideengang des Malers ganz unzweideutig kennzeichnende Geberde sucht man vergebens. Technisch steht das Bild außerordentlich zu );
die Behandlung des lands 366 Beiwerks mit seinen dampfenden Fabrikessen, dem von Fahrzeugen belebten Fluß,