1894 / 131 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Jun 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Zoll— und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten heute eine Sitzung.

In der Tagespresse ist in letzter Zeit mehrfach darüber kelpreochen worden, daß auf Anordnung des Kriegs⸗Ministeriums ie aus dem aktiven Militärdienst k Reservisten künftig keine Entlassungs anzüge mehr bekommen sollten. Diese Auffassung ist irrig.

Nach den bisher geltenden Bestimmungen wurde der Anspruch auf einen Entlassungsanzug nur durch eine Dienstzeit von mindestens zwei vollen Jahren, d. h., also überhaupt erst im dritten Dienstjahre erworben. Alle früher Ausscheidenden, auch die sogenannten Dispositions⸗Urlauber, waren sonach ausgeschlossen, auch wenn sie eines Anzugs bedürftig waren. Nach Einführung der zweijährigen Dienstzeit hätte bei den

ußtruppen der Anspruch auf einen Entlassungsanzug über⸗ aupt nicht mehr erworben werden können.

Das Kriegs⸗Ministerium hat jetzt eine Neuregelung dieser

Frage vorgenommen, welche zugleich dem wirklichen Bedürfniß der Iren chaften und den wirthschaftlichen Rücksichten Rech⸗ nung trägt. . Es ö angeordnet, daß, ganz abgesehen von der Länge der Dienstzeit, jeder Mann, welcher bei seiner Entlassung eigene Zivilkleider oder die Mittel zu deren Beschaffung nicht besitzt, einen . erhalten soll. Mann⸗ schaften, welche zwar Zivilklelder bezw. die nöthigen Geldmittel haben, die Kleider aber bei der Entlassung nicht rechtzeitig zur Stelle schaffen können, wir die Uniform leihweise für den Marsch nach der Heimath mitgegeben. In Fortfall kommt der Entlassungsanzug nur bei solchen Leuten, welche Zivilkleider besitzen und welche übrigens bisher erfahrungsgemäß vielfach den Entlassungs— u nur dazu benutzten, um ihn baldmöglichst beim Alt— händler in Geld umzusetzen. Die letztere Kategorie von dem Empfang des Entlassungs⸗ anzugs auszuschließen, war nach Einführung der zweijährigen Dienftzeit bei den Fußtruppen auch aus wirihschaftlichen Rück— sichten nothwendig. Diese Truppentheile erhalten etatsmäßig immer erst nach A/ J Jahren einen neuen Waffenrock für jeden Mann der Etatsstärke. Eine Kompagnie von 150 Köpfen erhält danach jährlich 60 Waffenröcke, sie entläßt aber jährlich mindestens 75 Mann.

In der Sonderausgabe der „Amtlichen Nachrichten des Reichs⸗Versicherungsamts“ für die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 1. Juni 1894 sind folgende Re⸗ visionsentscheidungen enthalten: .

Bezüglich der Vorschrift des 575 Abs. 1 des Invaliditäts—⸗ und Altersversicherungsgesetzes, welche bestimmt, daß die untere Verwaltungsbehsrde den bei ihr gestellten Antrag auf Be⸗ willigung der Alters- oder Invalidenrente dem Vorstande der— jenigen Versicherungsanstalt zur materiellen Prüfung und Ent—⸗ scheidung zu übersenden hat, „an welche ausweislich der Quittungs—⸗ karte zuletzt Beiträge entrichtet worden waren“, ist der Grundsatz anerkannt, daß die formale Thatsache der letzten Markenverwendung für die Zuständigkeit, der Versicherungsanstalt zur Rentenfeststellung entscheidend ist. Es ist aber der in Anspruch genommenen Versicherungs⸗ anstalt nicht verwehrt, bevor sie in die materielle Prüfung eintritt, im 9 einer Verständigung mit der nach ihrer Meinung zuständigen Versicherungsanstalt und eventuell im Wege des in den 85 122 und 1265 des Invaliditäts- und Ilters verficherungsgefetzes vorgeschriebenen Verfahrens die Berichtigung der Quittungskarte herbeizuführen.

Wenn eine im Hinblick auf die letzte Markenverwendung i nicht zuständige Versicherungsanstalt in die . Prüfung und Entscheidung des Rentenantrags eintritt, so kann sie in dem späteren Verfahren nicht mehr geltend machen, daß sie zu jener Prüfung und Entscheidung unzuständig ge⸗ wesen sei. Denn auch eine an sich für die Entscheidung unzuständige Versicherungsanstalt kann durch aus⸗ drückliche oder stillschweigende Vereinbarung zu⸗ ständig werden, und eine solche Vereinbarung ãist ohne weiteres dann anzunehmen, wenn die Versicherungsanstalt, ohne ihre Unzuständigkeit hervorzuheben, eine sachliche Entscheidung über den Rentenanspruch trifft. .

Ein Schiedsgericht hatte dem Kläger die Altersrente „für den Fall“ zugesprochen, „daß der Arbeitgeber des Versicherten die demselben zur Erfüllung der Wartezeit fehlenden Beitrags⸗ marken oder die entsprechenden Krankheitsbescheinigungen bei⸗ bringt“. Diese bedingte Form der Renten bewilligung ist vom Reichs⸗Versicherungsamt für un zulässig erklärt und das Schiedsgericht für verpflichtet erachtet worden, über die Berechtigung des erhobenen Rentenanspruchs ein erschöpfendes einheitliches Urtheil zu fällen.

Eine Berichtigung des Schiedsgerichtsurtheils ist entsprechend dem 5 2590 der Zivilprozeßordnung nur bei Schreibfehlern, Rechnungsfehlern und „ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten“ zugelassen worden.

Durch rechtskräftige Vorbescheide der Schieds⸗ erichtsvorsitzenden im Sinne des §8 6 Abs. 1 der aiserlichen Verordnung vom 1. Dezember 1890 wird ohne

Rücksicht auf materielle Berechtigung formelles Recht ge⸗ schaffen, und zwar für alle Betheiligte, auch für den Staats kommissar. .

Bei der Beurtheilung der Frage, ob die Revision recht— zeitig eingelegt worden, hat das Reichs⸗-Versicherungsamt an⸗ genommen, daß die Tage Epiphanias (Heilige drei Könige) 6. Januar und Mariä Himmelfahrt 15. August als allgemeine Feiertage im Sinne des S 200 Absatz? der Ziwilprozeßordnung nicht anzusehen sind, da Berlin als Sitz des Reichs⸗Versicherungsamts in Betracht kommt und es keinem Zweifel unterliegt, daß hier

die bezeichneten beiden Tage, mögen sie auch von der katho— lischen Bevölkerung kirchlich ne. werden, allgemeine Feier⸗ tage in dem von der Zivilprozeßordnung und dem entsprechend auch von den Kaiserlichen Verordnungen vom 1. und 20. De⸗ zember 1890 vorausgesetzten Sinne nicht sind.

In einer Invalidenrentensache hatte der Vertreter der Versicherungsanstalt vor dem Schiedsgericht beantragt, die Verhandlung auszusetzen und über die streitig gewordene Frage, ob die für den ö. verwendeten Beitragsmarken auf Grund

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der Versicherungspflicht mit Recht entrichtet worden seien, eine Entscheidung der Verwaltungsbehörde gemäß 5 12 des In⸗ validitäts- und Altersversicherungsgesetzes herbeizuführen. Das Schiedsgericht lehnte diesen Antrag ab, unterzog die Versiche⸗ rungspflicht seiner eigenen Beurtheilung und sprach dem Kläger die

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Rente zu. Die hiergegen vom Anstaltsvorstand . Revision hat das Rei . unter dem 13. De⸗ zember 1893 zurückgewiesen. Es ist dabei die deen. dahin⸗ estellt geblieben, ob die Verwaltungsbehörden während des an e setzungs verfahrens überhaupt noch 6 sind, über die Rechtmäßigkeit der für die frühere Zeit erfo . Beitrags⸗ entrichtung nachträglich zu befinden. Jedenfalls aber laufe die Ansicht des Vorstands der Versicherungsanstalt, daß die mit der Rentenfestsetzung befaßten Be— hörden auf den Antrag einer Partei hin verpflichtet seien, über die Frage der Versicherungspflicht einer Beschäftigung die Entscheidung der im 12 a. a. O. bezeichneten Verwaltungsbehsrde einzuholen oder . nur abzuwarten, dem Wortlaut und der Absicht des Gesetzes zuwider.

In einer Altersrentensache hatte an der Entscheidung des ö als Vorsitzender ein Stadtrath theilgenommen, welcher in dem Wohnort des Klägers Mit⸗ glied der Ärmendirektion war. Den Einwand der Versicherungsanstalt, daß dieser Stadtrath kraft Gesetz es von Ausübung bes Richteramts in der Schiedsgerichts⸗ instanz ausgeschlossen gewesen sei, hat das Reichs⸗-Ver⸗ sicherungsamk verworfen, weil derselbe weder selbst als Mit⸗ betheiligter anzusehen sei, noch auch die Armendirektion der Stadt in diesem Prozeß als Partei aufgetreten sei.

Am 4. d. M. ist der Hilfsarbeiter in der Bauabtheilung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten, e n und Baurath Ludwig Böttger plötzlich am Herzschlage dahin— geschieden. ;

Der Verstorbene, im Jahre 1845 zu Könnern a. S. ,. wurde, nachdem er als Bauführer bei verschiedenen Eisenbahn⸗ Hochbauten beschäftigt gewesen war, im Jahre 1875 zum Bau⸗ meister ernannt, in welcher Stellung er eine vielseitige Thätig⸗ keit entwickelte und unter anderem den Bau des Gymnasiums in Elbing zu leiten hatte. Im Jahre 1884 zum Bauinspektor befördert, wurde er nach dreijähriger Thätigkeit als technischer Hilfs⸗ arbeiter bei der Regierung zu Köslin im Jahre 1887 in das technische Bureau der Bauabtheilung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten berufen und hier der Hauptsache nach mit der Bearbeitung der Kirchenbauangelegenheiten einiger Pro— vinzen der Monarchie betraut. In dieser Stellung hat der Verstorbene, der durch ungewöhnliche künstlerische Begabung, vielfeitige Kenntnisse und unermüdlichen Fleiß ausgezeichnet war, mit bedeutendem Erfolg gewirkt. Eine große Anzahl von Stadt⸗ und Landkirchen, welche nach seinen Entwürfen erbaut worden sind, legen von dieser seiner Wirksamkeit beredtes Zeugniß ab. Im Jahre 1891 wurde Böttger zum Regierungs- und Baurath und zum Hilfsarbeiter in dem genannten Ministerium ernannt und erhielt im Nebenamt auch noch die Stellungen als Mitglied der Kommission für den Bau des Domes zu Berlin und als Mitglied des technischen Prüfungsamts, in welchen er mit gleichem Eifer und gleicher Hingabe wie in dem Hauptamt seine Pflichten erfüllte. Besonderes Interesse wandte er der Er⸗ forschung und Aufzeichnung kunstgeschichtlicher Bauwerke, namentlich derjenigen der Provinz Pommern zu, deren Ver⸗ öffentlichung zum theil bereits erfolgt ist und mit deren weiterer Bearbeitung er sich in der Zeit des soeben von ihm angetretenen Urlaubs zu beschäftigen gedachte.

Seine hervorragende Tüchtigkeit, sein einfaches und liebens⸗ würdiges Wesen sichern ihm ein dauerndes und ehrendes Andenken.

Der General⸗Lieutenant von . Inspekteur der Feld-Artillerie, ist von Berlin abgereist.

Der Kaiserliche Gesandte in Brüssel, Wirkliche Geheime Rath Graf von Alvensleben ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Hescha te der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Königliche Gesandte in Karlsruhe, Wirkliche Geheime Rath von Eisendecher hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten.

Laut telegraphischer Meldung an das Ober-Kommando der Marine ist S. M. Kbt. „Iltis“, Kommandant Kor— vetten⸗Kapitän Graf von Baudissin, am 3. Juni in Kobe und S. M. S. „Loreley“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Grolp, am 4. Juni in Syra angekommen und letzteres an demselben Tage nach Alexandrien wieder in See gegangen.

Bayern.

Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent hat gestern Nachmittag Würzburg verlassen und sich über Speyer, wo am Bahnhof großer Empfang stattfand, nach Edenkoben und von dort nach der Villa Ludwigshöhe begeben, wo ein fünftägiger Aufenthalt vorgesehen ist.

Baden. .

Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ auf dem Kriegertage des Oosgau⸗Militärverbandes in Baden-Baden eine An⸗ sprache gehalten, worin er für den Toast des Verbands— vorsitzenden dankte und dann ausführte: „Ich komme auf die Zeit meines Eintritts in die Armee zu sprechen, weil die Er— innerung daran für die jüngere Generation eine Mah⸗ nung enthält. Es war 1842, als ich das Offizierspatent erhielt, und schon wenige Jahre später war alles zerstört, was vorher geschaffen wurde, weil sich ein Geist kundgab, der sich nicht vereinbaren wollte mit der staatlichen Ordnung. Der Geist der Unterordnung ist absolut nöthig, und da fange ich bei mir an. Man muß . unterzuordnen wissen unter die große Gemeinschaft. Nur wenn man selbstlos ist, verma man etwas für das Ganze zu leisten.“ Der Großherzog ging dann auf 1870 über und mahnte, die Gefühle, die damals zum Siege geführt hätten, zu erhalten. Er beharre auf dem Worte, das er einmal gesprochen, irotzdem es vielfach mißverstanden worden hi „Man müsse den Weg der Ehre gehen.“ Der Großherzog chloß mit einem Hoch auf das Vaterland.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der „Budapester Correspondenz“ zufolge empfing d

Kaifer geflern Mittag den Grafen. Khuen⸗Hêderv ö . päter den Landesvertheidigungs-Minister Freiherrn von

ejérväry in kurzer Audienz. Am Nachmittag wurden die liberalen Abgeordneten Koloman Tisza und Koloman Szell in längeren Audienzen vom Kaiser empfangen. Wie es heißt, sollte Dr. Wekerle, der estern längere Zeit mit Koloman Tisza und Koloman Szell onferierte, heute Vormittag abermals vom Kaiser empfangen werden. Da die Lösung der Krise schon in . 6 zu erwarten ist, werden für Freitag oder Son nabend

itzungen beider Häuser des Reichstags anberaumt werden.

Das österreichische Herrenhaus nahm gestern die andelskonvention mit Rußland und darnach die aluta vorlagen an. Im Laufe der Debatte über die

letzteren trat nach einem Bericht des ‚W. T. B.“ der Finanz⸗ Minister Dr. von Plener den Bemerkungen des Grafen Kuefstein entgegen, wonach die Vorlagen nicht im Geiste der Gesetze von 1892 abgefaßt seien. Die Behauptung des Grafen Kuefstein, daß die Aktion der Vorlagen eine Vermin⸗ derung der Zirkulation bedeute, sei unrichtig. Hinsichtlich dessen Bemerkung, er betrachte die Vorlage als eine konservative Konzession an die Liberalen, müsse er der Minister erklären, daß die Vorschläge der Regierung nicht von dem Standpunkt irgend eines Parteiprogramms ausgingen. Es liege im Interesse aller staatserhaltenden Elemente, die Festigung und Konsoli⸗ dierung der politischen und wirthschaftlichen Verhältnisse sowie Ordnung im Geldwesen herbeizuführen. Nachdem das Haus sodann die Delegationswahlen vorgenommen hatte, wurde der Reichs rath im Auftrag des Kaisers durch den Minister— Präsidenten Fürsten Windischgrätz für vertagt erklärt.

Großbritannien und Irland.

Eine gestern in London im Westminster-Rathhause eröffnete radikale Konferenz, der viele Abgeordnete beiwohnten, nahm nach der Meldung des „W. T. B.“ eine von Labouchäre eingebrachte Resolution an, worin die Aufhebung des Ober— hauses verlangt und die Regierung aufgefordert wird, eine Vorlage einzubringen, die das Unterhaus ermächtigen ö. vom Oberhause abgelehnte oder abgeänderte Gesetzentwürfe in ihrer ursprünglichen Fassung der Königlichen Sanktion zu unter⸗ breiten. Ferner wurde eine Resolution Sir Charles Kill e s angenommen, wonach das Wahlrecht lediglich von der persön⸗ lichen Befähigung, nicht von den J. abhängen solle. Schließlich nahm die Konferenz Resolutionen auf gesetz⸗ liche Beschränkung der Arbeitsstunden in Bergwerken und anderen Industriezweigen sowie auf Einstellung weiterer Be⸗ willigungen von Dotationen an Mitglieder der Königlichen Familie an.

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Frankreich.

In dem gestern abgehaltenen Ministerrath wurde, wie „W. T. B.“ meldet, der Kriegs-Minister General Mercier ermächtigt, eine Vorlage über die Errichtung von zwei Reserve⸗Kavallerie⸗Regimentern einzubringen. Der Minister des Auswärtigen Hanotaux theilte mit, daß der Khedive am 29. d. M. in Paris eintreffen und bis zum 4. Juli sich daselbst aufhalten werde.

Die Deputirtenkammer beschloß in ihrer gestrigen Sitzung mit 270 gegen 174 Stimmen, die Interpellation des sozialistischen Deputirten Vaillant über das Verbot der Kundgebung auf dem Pre Lachaise am 27. Mai auf einen Monat zurückzustellen. Der Deputirte Paschal Grousset interpellierte sodann über das im „Figaro“ ver⸗ öffentlichte Interview des „Generals X.“ und be⸗ hauptete, entgegen den erfolgten Dementis, daß that— sächlich ein Armee-Kommandant sich so ausgesprochen habe, wie der „Figaro“ angegeben habe; er kenne den Namen dieses Generals, der übrigens leicht auf⸗ zufinden sei, da es ja nur vier Armee⸗Kommandanten gebe. Der Redner zitierte verschiedene, dem „Figaro“ Artikel ähnliche Ausführungen, die vor drei Jahren nach den großen Manövern veröffentlicht worden waren, und nach Angabe Grousset's von demselben General inspiriert sein sollten. Grousset fuhr fort: Es handle sich darum, ob der Kriegs⸗Minister entschlossen sei, die Untersuchung gegen diesen General oder gegen ihn (Grousset) einzuleiten; er sei bereit, vor Gericht zu er⸗ scheinen. (Lärm, Rufe: „Namen nennen!“ Der Präsident der Kammer Casimir Périer erklärte, er glaube im Sinne der Kammer zu sprechen, wenn er den Wunsch äußere, daß der Name des angeblich interviewten Generals nicht genannt werde. (Beifall) Paschal Grousset versuchte zu erwidern, seine Stimme wurde aber durch Lärm und allgemeines Zischen übertönt. Der Kriegs⸗Minister Genera! Mercier erklärte, er halte, gegenüber den Ausführungen Grousset's seine gegentheilige Behauptung aufrecht ünd schätze sich glücklich, der Haltung der Generale der Armee Anerkennung zollen zu können, deren ganzes Wesen das direkte Gegentheil von Entmuthigung zeige. Es sei sehr schlimm, das Vertrauen zur Armee durch eine anonyme Anschuldigung zu erschüttern. Man würde dadurch Frankreich gegenüber den anderen Mächten entwaffnen, die ihrerseits sich von Tag zu Tag immer stärker rüsten. Paschal Grousset meine den General Gallifet, dem der deutsche Generalstab eine eklatante Anerkennung für sein heldenmüthiges Verhalten in der Schlacht von Sedan

ezollt habe. Lebhafter Beifall) Das Temperament Fin et's sei dasselbe wie damals geblieben. Der Deputirte Paschal Grousset erwiderte . unter lärmenden Kund⸗ gebungen der Kammer, daß er vor Gericht gestellt zu werden wünsche. Mehrere Redner sprachen sich alsdann dafür aus, daß ein gerichtliches Verfahren gegen den „Figaro“ und gegen Grousset eingeleitet werde, Es wurden mehrere Tages⸗ ordnungen eingebracht. Der ö Dupuy er⸗ klärte, er nehme die Tagesordnung Sauzet an, die dem Unwillen aller Franzosen und aller Republikaner Ausdruck gebe. Der erste Theil dieser Tagesordnung, der ö maßen lautet: „Die Kammer brandmarkt die gehässigen und so leichtsinnig an die Oeffentlichkeit gebrachten Anklagen“ wurde mit 460 gegen 83 Stimmen angenommen. Der zweite Theil: „Die Kammer geht im Vertrauen auf die republi⸗ kanische Armee und auf die Ehre und den Patriotismus ihrer

ührer zur Tagesordnung über“, wurde einmüthig mit allen S4 Stimmen angenommen. Die Tagesordnung in ihrer Gesammtheit wurde hierauf mit 408 gegen 37 Stimmen ange⸗ nommen und die Sitzung geschlossen. .

Der Deputirte Paschal Grousset hat an den Minister⸗ Praͤsibenten Du puy ein Schreiben gerichtet, worin er die Be—

uldigungen gegen den General Gallifet wiederholt und der Hi n . lern giebt, daß die Regierung ihn nicht vor ein Schwurgericht, wo der Beweis der Wahrheit zuge⸗ lassen sei, stellen werde Der Deputirte Cochéry ist zum Generalbericht⸗ erstatter für das Budget gewählt worden.

Nußland.

Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg berichtet, ist der Vize⸗Direktor der Zolldepartements Sagubin zum Konseil⸗ mitglied des Finanz⸗Ministeriums ernannt worden.

Italien.

Die Deputirtenkammer setzte in ihrer gestrigen Vor⸗ mittagssitzung die Berathung des Unterrichtsbudgets fort. Bei Beginn der Nachmittagssitzung machte der Minister⸗ Präsident Crispi die Mittheilung, daß das Minister ium seine Entlassung eingereicht habe. Der König habe sich die Entscheidung vorbehalten. Die Minister würden behufs Erledigung der laufenden Geschäfte bis auf weiteres auf ihren Posten bleiben. Die Sitzung wurde darauf, wie „W. T. B.“ berichtet, unterbrochen. Die Minister begaben sich nach dem Senat, um dort die gleiche Mittheilung zu machen. Nach Rückkehr der Minister in die Kammer, trat diese zu einer neuen Sitzung jusammen. In dieser sprach sich der Deputirte Im briani dagegen aus, daß die Budgets als Verwaltungsmaßregel noch

welter berathen würden. Nach einer kurzen Debatte und einer

Erwiderung Cris pi's erklärte sich die Kammer damit ein⸗ verstanden, die Berathung der Budgets fortzusetzen, und begann sodann diejenige des Ackerbau⸗Ministeriums.

Für gestern Abend waren die Präsidenten des Senats und der Kammer zum König berufen worden. Man glaubt, daß die Entscheidung des Königs in der Kabinetskrise heute bekanntgegeben werden werde. Es herrscht die Ueber⸗ jeugung vor, daß der König den, bisherigen Minister⸗ Präsidenten Crispi, der heute in Audienz empfangen wurde, mit der Bildung des neuen Kabinets hetrauen werde. Einer Meldung der „Agenzia Stefani“ zufolge hat die österreichische Regierung die Ermächtigung dazu ertheilt, daß aus den italienischen Grenzdistrikten Vieh auf die Tiroler Alpen getrieben werden kann.

Belgien.

In den sechs Sektionen der Kammern, die gestern den Gesetzentwurf über die Einfuhrzölle beriethen, wurden dem „W. T. B.“ zufolge 50 Stimmen für und 23 gegen den . abgegeben; 13 Abgeordnete enthielten sich der Stimm⸗ abgabe.

Bulgarien.

Der n, Stoilow hat, wie „W. T. B.“ berichtet, an die Präfekten ein Rundschreiben gerichtet, worin er erklärt, die Regierung werde sich in rigorosester Weise an die Gesetze und an die Verfassung halten; er ver— mg. von seinen Beamten die gleiche Haltung, pünktliche, einsichtsvolle Erfüllung der ihnen gesetzlich auferlegten Pflichten und Unparteilichkeit gegen alle Bürger bei allen Maßnahmen. Gegen diejenigen, welche sich herausnähmen, Bürger zu belästigen oder deren Freiheit zu beeinträchtigen, ordnet der Minister⸗Präsident strenge , an. Die Präfekten sollten den Polizei⸗ und . zu verstehen geben, daß sie Beamte im Dienste eines freien Staates seien und daß sie die Pflicht hätten, die Gesetze zu vollziehen, Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten und der Bevölkerung nützlich zu sein.

Die „Swoboda“, die gestern nach einer fünftägigen Pause wieder erschienen ist, bestätigt in einem historischen Rückblick auf die Krisis, daß der Prinz Ferdinand das De⸗ missionsgesuch des Kabinets Stambulow noch im Auslande empfangen habe.

Amerika. Nach einer Meldung des W. T. B.“, aus Washington it ein Kriegsschiff der Vereinigten Staaten nach Samoa beordert worden. Der Sengt hat einen Werthzoll von 40 Prozent für Roh- und Raffinadezucker sowie einen Differentialzoll von is Cent für Zucker über 16 Grad holländischen Standards genehmigt. Für Zucker aus Ländern, die eine Ausfuhr— prämie gewähren, wurde ein Zuschlagszoll von 1610 Cent be⸗ schlossen. Ferner wurde beschlossen, die Zuckerprämien vom 1. Januar ab einzu stellen. Aus Rio Grande wird gemeldet, daß die Föderierten mehrere Erfolge errungen hätten. Die Regierung lasse Para nagua verstärken.

Afrika.

k Die letzten aus dem Congostaat vom Kapitän Jacques in Brüssel eingegangenen Nachrichten besagen, laut Meldung des „W. T. B.“, daß Rumaliza sich mit den Trümmern n Banden nach dem Norden des Tanganyika in die Gegend von Kibanga zurückgezogen habe. Kapitaͤn Jacques giebt auch Nachricht von einer Niederlage und dem Tode Toka⸗Toka's, eines Lieutenants von Rumaliza.

Kunst und Wissenschaft.

Große Berliner Kunstausstellung. IV. (S. die Nrn. 115, 118 und 126 d. Bl.)

Porträtmalerei. . , , n der herrschenden Porträtauffassung einer Zeit spiegelt sich ein gutes Stück allgemeiner Kunstanschauun wider. Nicht nur, daß auf diesem Gebiet bedeutende . unbedeutende Künstler oft die gleichen Aufgaben zu lösen haben, auch der Einfluß, der gerade hier dem Auftraggeber eingeräumt wird, wirkt dabei mit. Wir erkennen aus den Bildnissen, welche Seite ihres Wesens die Zeitgenossen künstlerisch . betont wissen wollen. Daß in der Epoche der Bluͤthe flanbri⸗ scher Kunst im 15. Jahrhundert dabei andere Gründe ausschlag⸗ ö waren, als im Zeitalter van Dyck s und Velazquez', daß die ranzösische Bildnißmalerei des achtzehnten Jahrhunderts ihre gene 7 ysiognomie hgt, erkennt auch der Laie guf den ersten Blick. Nicht so leicht ist es, das Schlagwort zu finden, welches die Portraͤtauffgssung unserer Tage deckt. Selbst eine so selbstaͤndige Künstlerindividualität, wie Lenbach, . wir von dem Kapital zehren, das die großen Spanier und Niederländer des siebzehnten Jahrhunderts aufgehduft, und die Bildniß— maler der jüngeren Generation schwanken vollends von einem Vorbild zum andern, ohne den festen Standpunkt zu finden, von

dem die moderne Persönlichkeit ihre günstigste künstlerische Beleuchtung erhält. Man versucht mehr als 9 zu individuali⸗ sieren, Technik und Auffassung dem Wesen des Dargestellten anzupassen. Die leichte Eleganz der französischen Irene technik kommt besonders dem Frauenporträt zu gut, derbe Naturwahrheit und breiter Vortrag erhöht den Eindruck scharf ausgeprägter Männerchargktere, die zartmelancholische Stimmunggmalerei eines Whistler befruchtet die Bildniß⸗ malerei nach der pfychologischen Seite; aber von all' diesen Kategorien deckt keine ganz den modernen Porträtstil. Die überwiegende Mehrzahl der Maler findet sich mit kalter Eleganz ab. Das Salonporträt steht immer noch in hohem Ansehen bei Künstlern und Auftraggebern, besonders aber bei Auftraggeberinnen. Das beweisen die zahl⸗ reichen Frauengestalten von Paulsen, Encke, Kiesel, Simmler, Döring, Spangenberg, Crola u. s. f. Selbst ein so talentvoller Künstler wie Horovitz opfert der äußerlichen Vornehmheit willig alle charakteristische Durchfüh⸗ rung; seine beiden Damenporträts wirken dadurch oberflächlich und kalt. Auch Passini, so geistreich und fein seine Details im Beiwerk erfunden sein mogen, kommt über eine gewisse Kleinlichkeit und Geziertheit nicht hinaus (12427). All, die genannten überragt Graf Harrach, der, ohne der Subtilität in der Ausführung etwas zu vergeben, doch den Beschauer nicht einen Augenblick im Zweifel laßt, daß der Schwerpunkt seiner Leistung im Ausdruck des klugen Männer— kopfes ruht, den wir schon bei Schulte zu bewundern Gelegen— heit hatten (2459). Die Eleganz seiner Technik wirkt als Nothwendigkeit, als das einzige adäquate Ausdrucksmittel seiner Auffassung und nicht als äußerlicher Firniß.

Im Gegensatz dazu gefallen sich andere Porträtmaler in

einer gewissen burschikosen Flottheit des Vortrags; wer Geist.

genug besitzt, in dieser skizzenhaften Technik einen glücklichen Moment in der Haltung und dem Ausdruck seines Modells festzuhalten, läuft, dabei keine Gefahr. Minderbegabte ver— fallen, wenn sie diese Keckheit affektieren, leicht in Gespreiztheit. Leider bietet unsere diesjährige Ausstellung dafür zahlreiche Beispiele. Dem begabten Robert Warthmüller steht leichte französische Grazie zur Verfügung. Unter seinen Damenporträts ist das der Gräfin G. (1658) und ein anderes auf hellem Hintergrunde (1660) trefflich gelungen,

während für die Darstellung des Grafen Posadowsky (16651) die Kraft seiner Charakterisierung nicht ausreicht. Weniger Geschmack besitzt G. Meyer, der sich gleichwohl, wie die An⸗ zahl seiner ausgestellten Porträts beweist, großer Beliebtheit zu erfreuen scheint, Scharfe Charakteristik verbindet mit kraft⸗ voller Vortragsweise Hans Weyl in Kiel; insbesondere das Frauenporträt (1763) ist eine starke Talentprobe. Auch Hans , . MaxSchlichting und Karl Ziegler wissen energisch zu charakterisieren, wenn es auch bei letzteren nicht ohne eine gewisse Uebertreibung abgeht.

Schlichte Naturwahrheit strebt Hugo Vogel in seinem Porträt des Bürgermeisters Versmann an, das freilich neben Liebermann s wuchtigem Porträt Petersen's wie eine verblaßte Kopie wirken würde. Bei dem gleichen Streben gerathen Meyer-Ball und Ludwig Keller etwas in kleinliche Nüchternheit, während eine andere Gruppe von Porträts deutlich die Absicht bekundet, die Intimität Whistler's zu erreichen. Ausschlaggebend ist hier einzig die feinabgestimmte malerische Wirkung, die zum Ausdruck einer besonderen Seelenregung das glücklichste Mittel gewährt. Als die bedeutendsten Leistungen dieser Richtung seien die Bildnisse von Herkomer Lavery, Courtois, Dora Hitz, Franz Stuck, Henderson, Alfred Schwarz, Horsfall und Eden genannt; auch schließen sich ihnen am besten die vortrefflichen Röthelzeichnungen von Heinz Heim aus Darmstadt an, meisterhafte Kopfstudien voll sprühender Lebendigkeit.

Eine Reihe von Porträts, die sich den genannten Gruppen nicht ohne weiteres einfügen, gerade deshalb aber besondern Anspruch auf Beachtung haben, zumal sie an malerischer Meisterschaft nicht hinter den besten zurückstehen, eröffnet Vilma Parlaghy mit dem Bildniß des Erzbischofs von Gnesen und Posen Dr. von Stablewski; geistreich in der Auf⸗ fassung, pikant in der Farbe, lebendig in Blick und Haltung, gehört das Gemälde zu den bedeutendsten Leistungen der Künstlerin, was namentlich deutlich bei einem Vergleich mit den weit weniger gelungenen Porträts Seiner Masestät des Kaisers und des Reichskanzlers Grafen Caprivi hervortritt. Ebenbürtig reiht sich der Ungarin der Schotte Harry Spence mit seinem schlicht vornehmen Damenporträt in ganzer Fihhr (1534) an; auch Koner's Herrenbildnisse 885 und 887 dürfen zu den besten Arbeiten der Ausstellung ge⸗ zählt werden; von e bekannten Künstlern seien schließlich in diesem Kreise noch E. Heilmann und Rosa Plehn⸗ Luboschin genannt.

Am Montag ist, wie die hiesigen Blätter melden, der i e. maler, Professor Emil Teschendorff nach kurzer Krankheit gestorben. Der Künstler war im Jahre 1833 in Stettin geboren, studierte anfangs Theologie, widmete sich dann aber der Malerei und wurde Schüler von Piloty in München. Dort malte er zunächst mehrere Bilder aus dem Leben Luther's und wandte sich hierauf nach Berlin. Hier widmete er sich viel der Porträtmalerei und kultivierte mit besonderer Vor⸗ liebe die Darstellung von Einzelfiguren in malerischer Attitüde, bald Gestalten aus dem Alterthum, bald aus Dichtungen oder aus der modernen Welt heranziehend. Dahin gehören seine Bilder „Julia“, Kleopatra., Ariadne, „Iphigenie! ꝛc. Zu größerer Kraft erhob ich sein Talent in dem 1878 geschaffenen Bilde „‚Oedipus und

ntigone“. Zu seinen Hauptwerken zählen „Konradin's Abschied von seiner Mutter in Hohenschwangau“ und das antike Genrebild „Idylle“. Im Jahre 1857 wurde n zum Direktorial-Assistenken bei der Akademischen Hochschule für die bildenden Künste ernannt, als es sich darum handelte, den Direktor Anton von Werner in der Leitung der Geschäfte dieser Anstalt zu entlasten.

Die Wiederherstellungs bauten des Schlosses zu Marienburg wurden in . Zeit eifrig gefördert. Das Walltreppenthürmchen am Nordportal des Hochschlosses wurde abgebrochen, und die Funda⸗ mente zu dem Thorbau wurden in Angriff genommen. Der Aus— bau des Herrendangk im Innern wurde , ebenso die Aus⸗ n,, . der Südsäule, der Kirche und der Kreuzgänge. Die

usstattung dieser Räume mit Möbeln ist in Angriff genommen.

ür den äußeren Zinnenkranz der Marienkirche sind bereits die Sand⸗ tein⸗ und Thonskulpturen vergeben worden. In den Gräben finden ufräumungsarbeiten statt.

Der Leiter der Akademie Fehr“, akademische Schule für bildende Künste, versendet an Künstlerinnen und Kunstfreundinnen die Einladung zur Theilnahme an seiner Studienreise für Damen durch Danemark, die am 30. Juni angetreten werden soll und deren Dauer auf 45 Tage festgesetzt ist. Auf der Reise, deren Führer in Nordschleswig geboren, der dänischen Sprache vollkommen mächti und mit den dänischen Verhältnissen durchaus vertraut ist, so reichliche Gelegenheit zur Aufnahme von Skizzen geboten

werden, Für Kopenhagen und Umgegend sollen 8 Tage, für kleinere Städte auf Seeland ebenfalls 8 Tage, für

aänen 6 Tage, für ein kleineres Ostseebad 14 e, für Flens⸗

urg, Kiel, Lübeck je 1 Tag verwendet werden. gf den k

Unterhalt während der ganzen Zeit (ohne Getränke) einschließlich

II. Klasse, Eisenbahnfahrt und J. Kajüte sowie der Trinkgelder und

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Berlin W., kn ff ug 82, zu 4 a,,

Banten.

Die Vorarbeiten zu dem Bau des neuen Zentralbahnhof in Danzig sind bereits Anfang Februar in Angriff genommen worden und zwar zunächst am Irrgarten, wo große Erdarbeiten ausgeführt wurden. Der obere Theil desselben ist auf das Niveau des Bahnhofes herabgebracht und zu diesem Zweck 28 m abgetragen worden. Vor kurzem hat die ahn⸗ verwaltung auch, die Vorarbeiten für die mit den Zentral⸗ bahnhofanlagen im Zusammenhange stehenden Geleiserweilerungen zwischen Bahnhof Legethor und 99 ethor, und zwar speziell auf der Strecke Petershagen Schwarzes Meer, in Angriff nehmen lassen. Es erfolgt von der nach der Reitbahn hinüberführenden Passage an eine Erdanschüttung von 75 m.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Heute Mittag 12 Uhr ist unter dem Präsidium Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich bei dem herrlichsten Frühlings wetter die diesjährige neunte Wanderversammlung und , die achte Wander ⸗Ausstellung der unter dem k einer Majestät des Kaisers und Königs tehenden Deutschen Land wirthschafts-Gesellschaft im Treptower 36 feierlich eröffnet worden.

Eine ebenso glänzende, wie zahlreiche Festversammlung hatte sich aus diesem Anlaß auf den Tribünen und im großen Rin ein⸗ gefunden. Unter den Anwesenden befanden sich der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch, der Minister für Land—⸗ wirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen, der Kriegs⸗Minister Bronsart von Schellendorff, der Minister des Königlichen Hauses von Wedel, der Landes Direktor von Levetzow, der Regierungs⸗ Präsident Graf Hue de Grais, der Ober⸗Bürgermeister Zelle und die beiden ztadtverordneten-Vorsteher Dr. Langerhans und Michelet u. a. Die belgische Regierung hatte zwei Vertreter, Prof. Leyder und Mr. Doeg, entsandt. Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich wurde von der Menge mit lautem Beifall, von der Musik mit Fanfaren begrüßt. Nachdem sich der Jubel gelegt, hielt der

rinz an die versammelte Menge folgende Ansprache: „Mit Allerhõchster Genehmigung Seiner gn estar des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen, Allerhöchstwelcher den hier in. Seiner Landeshauptstadt versammelten deutschen Land⸗ wirthen durch mich Seinen Kaiserlichen Gruß und die besten Wünsche entbieten läßt, habe ich das Präsidium über die Gesellschaft der deutschen Landwirthe übernommen. Es gereicht mir zur ganz be⸗ sonderen Freude, diese großartige Ausstellung persönlich eröffnen zu dürfen. Aus allen Gauen sehen wir, was vereint hier der Fleiß des deutschen Ackerbauers, sowie des Züchters, des Industriellen und des Maschinenfabrikanten zum Wohl und Nutzen der deutschen Landwirthschaft zu leisten und zu bieten im stande ist. Es ist gewiß, daß die deutsche Landwirthschaft schwer und mit Opfern heut zu Tage um ihre Gxistenz zu kämpfen hat, jedoch möchte mir dort jene Ausstellung dafür Zeugniß sein, daß der deutsche Landwirth nicht muthlos verzagt, sondern seinen Beruf einen edlen, für das deutsche Vaterland so unenthehr⸗ lichen Beruf bestrebt ist zu fördern. Es ist die Gesellschaft der ., Landwirthe nicht ein Mittel allein für materiellen Verdienst und zur Er⸗ reichung desselben, sondern sie ist vielmehr eine Verbrüderung, ein Bündniß der deutschen Landwirthe im engeren vaterländischen Sinn. Der Gedanke, daß der Wille eines einzelnen, auch des Geringsten, dem ganzen deutschen Vaterland ju Frommen und Nutzen gereicht, legt eine besondere Weihe auf diese Wettbewerbung. Wohl kaum ist ein anderer Beruf so angewiesen auf Frieden und gesicherte Zustände, wie gerade der landwirthschaftliche. Ich meine, ein jeder Deutsche sei sich eins darin, daß selbst mit Aufbringung von Opfern diefer Frieden erhalten werden möge und müsse, leder Deutsche sei sich in diesem Bewußtsein eins mit seinem erhabenen Herrscher, den ver⸗ bündeten deutschen Fürsten und Freien Städten. Wir aber können diesem Gefühl, nicht schöner Ausdruck geben, als in dem alten, wohlerprobten deutschen Ruf: Seine Majestät der Deutsche Kaiser Lebe hoch!! Die Musik intonierte die National- hymne, die Festversammlung stimmte begeistert ein und brachte alsdann dem Prinzen Hochrufe dar. Nunmehr trat der Staats. Minister von Heyden vor, um den Dant der versammelten Landwirthe für den durch den Prinzen überbrachten Kaiserlichen Gruß und Wunsch auszusprechen und den Prinzen zu bitten, Seiner Majestät diesen Dank für die Allerhöchste Gnade und zugleich das stets erneute Gelübde der Treue und. Hingebung sämmtlicher Landwirthe auszudrücken. Im Namen des brandenburgischen und pommerschen Baues der Gesell⸗ schaft begrüßte sodann Herr von Arnim -Gütersberg die Fest⸗ versammlung, dankte dem Prinzen, daß er das Präsidium übernommen, und feierte das Zusammenwirken der Gesellschaft mit den landwirth⸗ schaftlichen Vereinen. Als Vertreter der Stadt nahm nunmehr der Ober. Bürgermeister Zelle das Wort. Er dankte der Gesellschaft, daß sie Berlin als Versammlung gewählt, hieß die deutschen Land⸗ wirthe herzlich willkommen und schloß mit einem Hoch auf die Gesellschaft. Im Namen des Direktoriums der Gesellschaft ergriff Geheimer Hofrath Max Eyth das Wort. Der Redner dankte der Stadt für ihre Nitwirkung an dem Werk und schloß den Akt der Weihe mit dem Ruf: „Die Stadt der Arbeit, die Hauptstadt des Deutschen Reichs, ihr Magistrat und ihre Behörden, ihr Bürgermeister und ihre Bürger leben hoch!“

Eine Vorfeier hatte bereits gestern Abend in den Festräumen des Rathhauses stattgefunden. Etwa 1000 Personen waren dort anwesend. Zur Begrüßung erschienen um 8 Ühr der Ober⸗Bürger meister Zelle und der Stadtverordneten⸗Vorsteher Dr. Langerhans in Amtstracht. Nachdem der Einzugsmarsch aus der Oper Tannhäuser. verklungen, erhob sich der Ober Bürgermeister und hieß im Namen der Stadt Berlin die Versammlung will⸗ kommen. Er betonte, der Nat.⸗Itg. zufolge, das Interesse, welches die gesammte Einwohnerschaft der Reichshauptstadt an dem schönen Unternehmen habe, und erwähnte, daß ja auch Berlin zu den größten Gutsbesitzern der Provinz Brandenburg geböre. Was aber der Ausstellung so große Bedeutung verleihe, sei der Umstand,

daß sie das gesammte deutsche Land umfasse. Mit einem Hoch auf Seine Majsestät den Kaiser und König schloß der Redner. Nach dem Ober- Bürgermeister ergriff Dr, Langerhans das Wort, um den Dank der Stadt für das zahlreiche Erscheinen der Gesellschafts⸗ mitglieder aus Fern und Nah auszusprechen. Er wünschte, daß auf den Arbeiten Segen ruhen möge, und bat ein zustimmen in ein Hoch auf das Wohl der deutschen Landwirthschaft. Der Präsident, Wirkliche Geheime Rath von Levetzow dankte in bewegten Worten ** dem Ober · Bürger⸗ meister für den freundlichen Empfang und fur den schönen Abend in den herrlich geschmückten daß die Stadt Berlin einen geeigneten Platz, wie 2

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und besonders dafür, en und tellung bereitwillig hergegeben.

so gro Treptower Park, für die Aus

ö anze platte Land habe sich bemüht, das Beste zu bieten, um dem

Vaterlande Ehre zu machen. In der Hoffnung, daß das Band der Eintracht immer fester zwischen Stadt und Land namentlich in einer 6 schweren Zeit, wie der jetzigen, sich schlingen und niemand den Muth sinken lassen möge, brachte er auf die Stadt Berlin ein allseitig mit lauten , begleitetes dreimaliges Hoch aus.

Die Ausstellung bietet ein großartiges Bild von den Leistungen, der Gesellschaft, der deutschen Landwirthschaft über. haupt, wie der für dieselbe thätigen Industrie. Der zweitheilige Katalog, verzeichnet in seinem ersten Theil 573 Pferde,

U93 Rinder, Sitz Schafe, 396 Schweine, 77 Ziegen, im jweiten Theil 1350 Nummern . 4 und