Gemeinde Jesus Christus. Wer 29 Sohn nicht ehret, der ehret den Vater nicht, der ihn gesendet. So bleibt doch daz Höchste, wenn heute der evangelische Kaiser seine Hand ausstreckt, um diesen evangelischen Dom sich und seinem Volke zu gründen, daß hier eine Hütte des Zeugnisfes werde don us Christus, dem eingeborenen Gottessohn, dem einzigen Mittler, iland und Herrn, daß hier eine Predigt steige auf, von der das eli ö., Evangelium klar und lauter ausgehe, 3 hier eine
tusstätte sich dehne, wo eine große Gemeinde sich sammele,
beständig im Glauben der Väter und getrost in der Gerechtigkeit, die por Gott gilt. Und wird dieser Grundstein eingesenkt, mitten in einer ach 6. i widergöttlichen, christusfeindlichen Welt, so 2 er Eckst
einart beweisen, daß die wilden Wässer solcher Welt an ihm sich brechen und . und soll einmal wirklich, wie eine Sage geht, der letzte Kampf, der Geisterkampf. auf märkischem Sande geschlagLen werden, der Kampf, in dem unsere innersten, höchsten und seligsten Besitzthümer auf dem Spiele stehen, Herr Gott, vom
Himmel sieh' darein, daß auch dennoch dein Gckstein
unter uns stehe, dein Haus untadelig, deine Gemeinde treu befunden werde, und während die Stürme um die Mauern sausen, da. antworte aus dem innern gel thum ein Siegessang deiner Gläubigen Das Wort sie sollen lassen tahn“, und während die Wellen en die Fundamente donnern, da preise die betende Gemeinde den
inen, den 3 den . den Gottessohn und das Gotteslamm, welchem alle Ehre und Anbetung gebührt, und dann be⸗ kenne sie mit weltüberwindender Zuversicht: Das Feld muß er be⸗ halten!. Amen.“
Nach einem Zwischengesang des Domchors verlas der Minister des Königlichen 6 von Wedel als Vorsitzender der Dombaukommission die Stiftungs⸗Urkunde, die solgen⸗ den Wortlaut hat: ö
Im Ramen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen, urkunden und bekennen hiermit, daß Wir beschlossen haben, am heutigen vierten Sonntage nach dem Feste der heiligen Dreieinigkeit den Grundstein zu dem Neubau der Domkirche in Unserer
aupt⸗ und Residenzstadt Berlin zu legen. 143 Jahre hat auf diesem
latze die alte Domkirche gestanden, von König Friedrich dem Großen errichtet, von Unserem in Gott ruhenden Herrn Urgroßvater König . Wilhelm III. in den Jahren 1816 bis 1820 umgebaut. Die⸗ selbe entsprach räumlich und künstlerisch den Anforderungen der neueren Zeit nicht mehr. Damals beschloß und begann schon König Friedrich Wilhelm Y. bald nach Seinem Regierungsantritt den Neubau des Doms und einer mit demselben verbundenen Grabstätte für Unser Königliches Haus. Die Ungunst der Zeiten hinderte die Vollendung des Baus. Ihn zur Ausführung zu bringen, erachtete Unser unvergeßlicher Herr Großvater Kaiser und König Wilhelm L. als ein Ihm überkommenes heiliges Vermächtniß. Nach Seinem . Willen sollte der neue Dom ein Denkmal des Dankes von Fürst und Volk für die göttliche Gnade sein, welche sich in den glorreichen Ereignissen der Fahre 1870 und 1371 offenbart und Preußen und die mit ihm verbundenen deutschen Stämme zum Siege geführt habe. Bereits wenige Tage nach Seiner Thronbesteigung befahlen Unser vielgeliebter Herr Vater, Kaiser und König Friedrich III. die Wieder⸗ aufnahme der Vorbereitungen zu dem Bau; doch ein schweres Geschick vergönnte Ihm nicht, denselben auszuführen. So ist denn die Erfüllung jenes Vermächtnisses Uns überkommen. Ueber dem Grundstein, den Wir heute legen, soll sich ein Gotteshaus erheben, würdig der hohen Bestimmung, welche Unsere Vorgänger auf dem Throne ihm zugedacht haben, würdig des Platzes, auf welchem Wir stehen. In danken swerthem Entgegenkommen hat der Landtag ,. Monarchle zur Bestreitung der Kosten dieses Baus, der nach den Ent⸗ würfen des Geheimen Regierungs⸗Raths Professor Raschdorff aus— eführt werden soll, die Summe von zehn Millionen Mark bewilligt.
er Segen des allmächtigen Gottes begleite dieses Werk und f. es vollendet werden zu Seiner Ehre und zum Preise Seines heiligen Namens.“
Die Urkunde ist in reicher Ausstattung auf . geschrieben. Nach der Verlesung wurde sie in den Grundstein gelegt, der außerdem aufnahm die beiden schon in der Predigt erwähnten Kupferplatten, die Münzen, die sich im Knauf des alten Domes befanden, sowie an neuen Münzen je ein W Mark, 10 Mark-, 5 Mark⸗, 2 Mark- und 1 Mark-Stück. Die Verlöthung erfolgte durch Hof⸗Klempnermeister Thiele⸗ mann. Während der Verlegung des Grundsteins sang der Domcher die Motette „Machet die Thore weit.“ . hatte Zimmermeister Möbus die Kelle, der Hof⸗Steinmetz Schilling den Hammer aufgenommen, und, nachdem die Werkleute den Schlußstein . trat Seine Majestät der Kaiser und König vor und gab mit den Worten „Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ die ersten drei Hammerschläge ab; es folgten Ihre Majestät die Kaiserin und Königin, die drei Kalserlichen Prinzen, die Prinzessin Friedrich Leopold, die anderen anwesenden Prinzen, der Reichskanzler, der General- Feldmarschall Graf Blumenthal, der Prä— sident des Staats ⸗Ministeriums Graf zu Eulenburg, der Minister des Königlichen Hauses von Wedell, der Finanz— Minister Dr. Miguel, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen, der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegen— heiten Dr. Bosse, der Kriegs⸗-Minister Bronsart von Schellendorff, der Vize⸗Präsident des Evangelischen Ober— Kirchenraths Freiherr von der Goltz, der Polizei Prãäsident 6 von Richthofen, der Geheime Ober— Regierungs⸗
Domgeistlichen un er Dombaumeister, Geheime Regie⸗ rungs⸗Rath Professor Raschdorff. Alsdann trat General— Superintendent Faber vor und nahm das Wort zu folgender Ansprache:
„So sei denn im Namen des dreieinigen Gottes dieser Grund—⸗ stein gegründet auf den ewigen Eckstein Hau Christ, überschattet vom heiligen Kreuze, eingesenkt in den gesegneten Boden des alten Doms, des alten Glaubens, der alten Treue! Ueber ihm hebe fich empor der mächtige Bau unter dem Schirme des Höchsten, und den . bewahrten Bauleuten zur Seite mögen unsichtbare Hände ineinbauen das Bild vom Berge des Herrn und die ehrliche Pracht eines Königthums, daß dieser Dreikaiserdom eine rechte Hütte Gottes bei den Menschen werde, da allein sein Wort gilt und allein seine Gnade gesucht wird, und über der Ruhestätte seiner Ahnen der Deutsche Kaiser inmitten einer großen Ge⸗ meinde anbetet im Geist und in der Wahrheit! Mit dem wachsenden Bau wachse des Thrones Glanz, des Landes Wohlfahrt, der Stadt Bestet, der Kirche Heil! Die fieben Baujahre triefen vom Fett des Segeng, und das Ende des Jahrhunderts gebäre aus dem Ringen der Geistesmächte eine neue, lichtere, beffere Zeit! In den Hauschutt sinke Hader und Haß, Grimm und Grolkt; aus dem Mittel werde geschafft, was an Sünden und Schanden das Volk verdirbt, sonderlich auch unsere eigenen Versäumnisse und Uebertretungen. Der vollendete Dom finde das Vaterland groß und glücklich das Heer kriegermächtig und friedengebietend, die Fluren und Felder in Fülle der . blühend den Handel und das Gewerbe, in Ehren und Lohn das Handwerk und glle red⸗ liche Arbeit; er finde die Obrigkeit weise, gütig und gerecht, die Unter— thanen gehorsam, . und besonnen, beide fromm und treu, finde die Wissenschaft , ahrheit suchend um der Wahrheit willen und neue Bahnen erschließend zur Ehre Gottes und der Menschheit Wohl; die Kunst, wie sie rein und keusch die Volksseele aus dem Staube zum Idealen emporträgt und mit ihren schönsten Gaben den Tempel des Herrn schmückt, die Schule bedacht auf gründliches und brauchbares Wissen und vom Geiste Gottes durchweht; die
und wett⸗ erlandsliebe, die evan⸗
lauben, weitherzig in der Liebe, fr Möchten alle, die diese große Stunde der in der uns der Geist einer großen Ver⸗ heit umrauscht und die verklärten Geister unserer heimgegangenen ch heilig geloben, nicht müde zu werden in sie am Tage der Domesweihe vom Geiste das Möchten alle,
Verständigung
eifernd in Gottesfurcht, Königstreue und Va gelische Landeskirche fest im h in der Hoffnun steinlegung mitfe
Konfessionen
aiser uns grü ihrem Beruf Zeugniß erhalten Du hast gethan, was du gekonnt!“ l l diesem Kreise rufen wird, ein⸗ oßen Vaterhauses, alle aber, tein geschriebene Königsbekennt⸗ Führung und
die bis dahin d ehen in den Himmelsdom des ie es erleben werden, wenn dies in k niß vollendet dasteht, rühmen von Gottes gnädiger n Bewahrung, und unseres Kaisers Seele soll an jenem Tage überfließen von heißem Danke im Rückblick auf das, was der Herr an ihm gethan hat, und sein Herz aufjauchzen, wenn er hinschaut auf sein Haus, auf Vater, Du treuer Gott, und was uns sonst noth und heilsam ist, durch Jesum Christum, Deinen lieben Sohn, unsern Herrn, Amen.. .
Der Segen des Geistlichen und der Gesang „Wir treten zum Beten vor Gott“ schlossen die Feier.
Das gieb, all mächtiger
Die Kommission für die zweite Lesung des Ent⸗ wurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich setzte in den Sitzungen vom 11. bis 13. Juni die Berathung der allgemeinen Vorschriften über letzt—⸗ willige Verfügungen G8 1753 bis 1787) fort.
Von dem bereits in der letzten Sitzung angenommenen Grundsatz des 5 1770 Satz 1, daß der Erblasser die Bestim⸗ mung der Person, welche eine Zuwendung erhalten soll, nicht einem Anderen überlassen kann, hat der Entwurf auch für den Fall keine Ausnahme wenn der Erblasser mehrere Per sonen bezeichnet hat, unter denen die Wahl getroffen werden soll.
Zufolge 8 1770 Satz 2 finden vielmehr in einem solchen Falle die Vorschriften des 8 1769 entsprechende Anwendung. Danach wird, wenn der Erblasser die Wahl des Erben unter den mehreren von ihm bezeichneten Personen einem Dritten überlassen hat, die letztwillige Verfügung in der Art aufrecht— alten, daß die mehreren Personen die Erbschaft als Mit⸗ en erhalten (58 1769 Abs. 1); hat der Erblasser Mehrere mit einem Vermächtniß in der Weise bedacht, daß die Wahl des Bedachten dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen ist, so gelten die in solcher Weise Bedachten als Gesammt— gläubiger, doch ist derjeni im Zweifel nicht zur Thei gegenüber
zugelassen,
e, welcher das ung verpflichtet. wurde beschlossen,
ermächtniß erhält,
die Vorschrift des § 1770 Satz 2, soweit sie den Fall betrifft, wenn der Erb⸗ lasser die Wahl des Erben einem Dritten überlassen hat, mit Rücksicht auf die erfolgte Streichung des 8 1769 Abs. 1 ohne Ein Antrag, die Bestimmung
Ersatz in Wegfall zu bringen. zuzulassen,
des Erben Mehrheit.
Zustimmung der Falls, wenn der Erblasser
entschied man sich hinsichtlich des bei einem Vermächtniß die Wahl des Bedachten einem Dritten ( für, daß eine solche letztwillige Ver⸗ ültig, mithin die Auswahl durch den Dritlen maß— ein soll; kann der Dritte die Wahl nicht vornehmen oder trifft er sie nicht innerhalb einer ihm auf Antrag eines Betheiligten von dem Nachlaßgericht bestimmten Frist, so sollen die mehreren von dem Erblasser bezeichneten Personen als Gesammtgläubiger gelten, jedoch soll derjenige, welcher das Ver⸗ Zweifel nicht zur Theilung verpflichtet sein. In gleicher Weise wurde der Fall geregelt, wenn bei einem Vermächtniß der Erblasser die Wahl des Bedachten unter den mehreren von ihm bez eichneten Personen dem Beschwerten über— Einvernehmen bestand, die zu 1776 Satz 2 für das Vermächtniß beschlossenen Vorschriften auch auf den Fall auszudehnen, wenn der Erblasser im Wege einer Auflage eine Leistung an mehrere von ihm bezeichnete Personen in der Weise angeordnet hat, daß die Bestimmung der Person, an welche die Leistung erfolgen soll, dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen worden ist. Besteht die Auflage in der von dem Erb⸗ Erblasser, . Bestimmung on, an welche die Leistung erfolgen soll, dem Beschwerten oder einem Dritten auch in der Weise überlassen können, daß er die zu berücksichtigenden Personen seinerseits nicht näher bezeichnet. Hinzugefügt wurde ferner die Vorschrift, daß, wenn die Bestimmung dem Beschwerten überlassen ist und dieser, nachdem er zur Vollziehung der urtheilt worden (vergl. 8
überlassen hat,
mächtniß erhält, im
lassen hat.
Anordnung einer Leistung vorgesehenen
beschlossen
; Auflage rechtskräftig ver⸗ 1888), nicht innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist die Auflage vollzieht, die Be— stimmung von dem Kläger getroffen werden kann.
1771 bis 1776 enthalten Auslegungsregeln he Fälle, in denen der Erblasser seine Verwandten oder eine nächsten Verwandten oder seine Kinder oder oder die Abkömmlinge eines Dritten oder in de Klasse von Personen oder solche
Abkömmlinge nen er eine . Personen, welche zu ihm in ; oder Geschäftsverhältniß stehen, oder die Armen ohne nähere Bestimmung bedacht hat.
langten in der Hauptsache nach dem E Eine Abänderung erfuhr jedoch die
ath bege⸗ der Ober⸗Bürgermeister, die
einem Dienst⸗ Diese Vorschriften ge⸗ ntwurfe zur Annahme. Vorschrift des § 1776, here Bestimmung Armenkasse als bedacht in einem solchen Fall ezirk der Erblasser seinen gehabt hat, als unter der Auflage bedacht ugewendete unter die Armen zu vertheilen. diese Vorschrift war von einer Seite be— antragt, den Entwurf durch folgende Vors gänzen: Hat der Erblasser zu Gunsten ei letztwillige troffen, ohne bestimmte Personen als Beda so. ist, wenn an dem letztem Wohnsitz de Körperschaft, eine Stiftung oder eine Anstal Aufgaben die Förderung des bezeichneten weifel anzunehmen, daß diese Körpersch Anstalt unter der Auflage bedacht sein soll der Zuwendung zu dem von dem Erblasser an em Antrage wurde jedoch kein Der im 5 1777 Satz 1 ausgesprochene Gr der Erblasser die Best immun der Zuwendung kann, erfuhr keine Anfechtung. stimmt, daß, wenn der Erblasser im Fa an mehrere Bedachte die Bestimmung, dem Gegenstande der Zuwendung erh schwerten oder einem Dritten uüͤberla
bedacht sind, im Zweifel die öffentliche Arm gilt. Sie wurde dahin geändert, d im Zweifel die Gemeinde, in deren letzten Wohnsitz gelten soll, das Im Anschluß an chrift zu er⸗ nes gemein⸗ Verfügung chte zu bezeichnen, s Erblassers eine t besteht, zu deren wecks gehört, im t, Stiftung oder den Gegenstand gegebenen Zweck Folge gegeben. undsatz, daß des Gegenstandes überlassen 1777 Satz 2 be⸗ einer Zuwendung was die Einzelnen von alten sollen, dem Be⸗ ssen hat, die Einzelnen
zu verwenden.
als zu gleichen Antheilen bedacht anzusehen sind. 3. weit die Vorschrift den Fall der . hetrĩjt wurde sie, dem zu f 1770 Satz 2 gefaßten Beschluß ent sprechend, ersatzlos gestrichen. Anlangend dagegen die Faͤlle in denen der Erblasser Mehrere mit einem Vermächtniß in der Weise bedacht hat, daß dem Beschwerten oder einem Dritten die ,, der Antheile der Einzelnen überlassen ist, sollen die zu S 1770 Satz 2 bes 6 Vorschriften mit der Maßgabe entsprechende Anwendung sinden, daß, wenn der Beschwerte oder der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder er sie nicht innerhalb der ihm vom Nachlaßgericht fest gesezten Frist trifft, die mehreren Bedachten das Ver⸗ mächtniß zu gleichen . erhalten. Hinzugefügt wurde ferner die Vorschrift, daß, wenn der Zweck ber Zuwendun von dem Erblasser bestimmt ist, die Bestimmung der deistung dem hilligen Ermessen des Beschwerten oder eines Dritten überlassen werden kann (ygl. S5 266 bis A0 des Entwurfs I) Der dritte Saz des s 1775, welcher zum besonderen Augdrug bringt, daß die Vorschriften über das Wahlvermächtniß und das Vermächtniß einer nur der Gattung nach bestimmten Sache unberührt bleiben, wurde als entbehrlich gestrichen. Der § 1778 stellt die Auslegungsregel auf, daß bei letztwilligen Verfügungen im Zweifel die , . vorzu⸗ ziehen ist, bei welcher die letztwillige Verfügung J, haben kann. Die Mehrheit entschied sich unter Ablehnung einez w gerichteten Antrags für die Beibehaltung dez
Nach dem Sz 1779 ist eine letztwillige Verfügung, wenn der wirkliche Wille des Erblassers mit dem er— klärten Willen nicht über einstimmt, nichtig. Es finden demgemäß die im § 95, im § N Abs. 2 bis 4 und im 8§ 99 des Entwurfs L vorgesehenen Ausnahmen von dem sog. Willensdogma auf letztwillige Verfügungen keine Anwendung, und es ist also eine letztwillige Verfügung insbesondere im Falle der Mentalreservation, d. h. in dem Falle nichtig, wenn der Erblasser sich insgeheim vorbehalten hat, das Erklärte nicht zu wollen (595 des Entw. I. Von verschiedenen Seiten wurde befürwortet, dem Entwurf auch in letzterer Hinsicht beizutreten. Die Mehrheit entschied sich indessen dafür, den Fall der Mental— reservation bei letztwilligen Verfügungen der allgemeinen Vor— schrift des 5 91 des Entwurfs I zu unterstellen, wonach in einem solchen Falle die Verfügung gültig ist. Nach dem Entwurf (8 1779 verbunden mit 8 9? Abs. I) ist ferner nichtig eine nicht ernstlich gemeinte letztwillige Verfügung, die in der Erwartung getroffen ist, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden. Zu dem gleichen Ergebniß führt die allgemeine Vorschrift des Sgz des Entwurfs II. Man war einverstanden, auch insoweit es lediglich bei den allgemeinen Grundsätzen bewenden zu lassen; doch soll die Vorschrift des 8 N des Entwurfs II, wonach derjenige, welcher eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung abgegeben hat, verpflichtet ist, einem Anderen, der auf die Gultigkeit der Erklärung vertraut hat, den dadurch verursachten Schaden zu ersetzen, auf letztwillige Verfügungen keine AÄn— wendung finden.
Beruht bei einer letztwilligen , die Nichtüb er⸗ einstimmung des wirklichen Willens mit dem er— klärten Willen auf einem Irrthum des Erb— lassers, so ist nach 5 1779 verbunden mit 8 98 die letzt— willige Verfügung nichtig, wenn anzunehmen ist, daß der Erblasser bei Kenntniß der Sachlage die Verfügung nicht getroffen haben würde. Demgegenüber war im AÄnschluß an die zu S8 98, 99 in der zweiten Lesung beschlossenen Aenderungen (ogl. 3 94 des Entw. II) beantragt, den 5 1779 durch die Vorschrift zu ersetzen, daß, wenn der Erblasser bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung über den In— halt seiner Erklärung im Irrthum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, die Verfügung angefochten werden kann, sofern anzunehmen ist, daß der Erb— lasser sie bei Kenntniß der Sachlage nicht getroffen haben würde. Der Antrag wurde mit dem Zußsatze genehmigt, daß in diesen Fällen die Vorschrift des 8 7 des Ent— wurfs II über die Verpflichtung des Erklärenden zum Schadensersatz keine Anwendung finden soll. Dagegen fand der von einer Seite vorgeschlagene Zusatz, daß die unrichtige Bezeichnung des Bedachten oder des Gegenstandes der Zu— wendung die Gültigkeit einer , . Verfügung nicht beeinträchtige, von seiten der Mehrheit keine in n, man war der Ansicht, daß eine solche Vorschrift selbstverständ⸗ lich und daher entbehrlich sei.
Die S§ 1780, 1781 betreffen die Anfechtung einer letzt⸗ willigen Verfügung wegen Drohung und wegen Be— trugs, sowie wegen Irrthums im Beweggründe und irriger Vorgussetzung. Die Berathung wandte sich zu⸗ nächst dem 5 1781 zu. Nach demselben kann eine letztwillige i n nz angefochten werden, wenn der Erblasser dazu durch einen auf die Vergangenheit oder die Gegenwart sich beztehenden Irrthum bestimmk worden ist, oder wenn der Erblasser zu der Verfügung durch die Voraussetzung des Eintritts oder Nicht—⸗ eintritts eines künftigen Ereignisses oder eines rechtlichen Erfolgs bestimmt worden ist und die Voraussetzung sich nicht erfüllt hat; die Verfügung ist jedoch nur dann anfechtbar, wenn der Irrthum aus der Verfügung zu entnehmen und die Voraussetzung in derselben ausdrücklich oder stillschweigend erklärt ist. ö. Vorschriften erfuhren nach verschiedenen Richtungen hin Widerspruch. Von einer Seite wurde befür— wortet, unter Streichung des 8 1781 Abs. 2 die Anfechtbar⸗ keit auf den Fall zu kifhr ze ben, wenn der Erblasser zu der Verfügung durch Irrthum über einen zur Zeit der Errichtung derselben bestehenden Umstand bestimmt worden ist, eine Anfechtung wegen einer die Gestaltung der Zukunft betreffenden irrigen Annahme des Erblassers dagegen überhaupt auszu— schließen. Andere Anträge gingen dahin, durch die Streichung des Abs. 2 die Anfechtbarkeit auf alle Fälle zu erstrecken, in denen der Erblasser zu der letztwilligen Verfügung durch den Irrthum über einen der Vergangenheit, der h n oder der Zukunft angehörenden Umstand bestimmt worden ist. Nach einer eingehenden Erörterung entschied sich die Mehrheit für die Annahme der letzteren Anträge.
Infolge der hiermit beschlossenen Ausdehnung der Anfecht— barkeit wegen Irrthums wurde der 1780, soweit er sich au die , wegen Betrugs bezieht, als entbehrli gestrichen. Soweit der 8 1780 die Anfechtbarkeit wegen Drohung bestimmt, gelangte er nach dem Entwurf zur Annahme.
Im Anschluß an die Vorschriften des S 1781 über An— fechtung einer letztwilligen Verfügung wegen Irrthums regelt der s i782 den Fall, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichttheilsberechtigten über⸗ gangen hat dessen Vorhandensein ihm bei der Errichtung
erfügung nicht bekannt war oder der erst nach der Er⸗ . 1 gi ern oder pflichttheilsberechtigt geworden ist. r Entwurf bestimmt, daß eine solche letztwillige Verfügung dem Gesichtspunkte des Irrthums oder der irrigen Voraust⸗ werden kann. Demgegenüber war be—⸗
giide n des lu fe g nr fi, n Vorschriften über den Pflichtthei die Vorschri . daß in dem bezeichneten Falle der Pflichttheils— chtigte den Geldwerth seines vollen gesetzlichen Erbtheils nach den für den Pflichttheilsanspruch geltenden Vorschr von den Erben verlangen könne, sofern nicht nach dem In der Verfügung anzunehmen sei, daß der Erblasser ihm einen geringeren Betrag zugewendet, insbesondere ihn mit den in der Verfugung angeordneten Vermächtnissen oder Auflagen an⸗ theilig beschwert haben würde.
setzung angefochten
Ein anderer Antrag ging § 1782 durch die Auslegungsregel zu ersetzen, in den fraglichen Fällen die letztwillige Verfügung im Zweifel nur dann gelten solle, wenn der Pflichttheils⸗ berechtigte oder ein an dessen Stelle tretender Abkömmling : Von dritter Seite war befür— wortet, in Verfolgung der Absicht des Entwurfs zu bestimmen, daß die letztwillige Verfügung unter den im § 1783 bezeich- neten Voraussetzungen angefochten werden könne, daß jedoch die Anfechtung ausgeschlossen sein solle, soweit anzunehmen bei Kenntniß der Sachlage die Der letzte Vorschlag fand
Der § 1783 betrifft die Fälle, in denen ein Ehegatte den anderen Ehegatten bedacht hat, nichtig oder anfechtbar und angefochten oder vor dem Tode eines der Ehegatten aufgelöst worden ist. kann in diesen Fällen die letztwilli werden, sofern nicht anzunehmen ist, daß sie auch in dem ein— Falle Geltung haben soll.
letztwilligen Verfügung, anderen
desselben nicht Erbe werde.
sei, daß der Erblasser auch Verfügung getro die Zustimmung
en haben würde. er Mehrheit.
die Ehe aber
Nach dem Entwurfe ge Verfügung angefochten
Das Gleiche durch welche Verlobten des Erblassers auf⸗ Diese Vorschriften wurden mit der Ab⸗
daß die Verfügung nicht anfechtbar, sondern (kraft des Gesetzes unwirksam sein soll. ferner einverstanden, dem Falle der Auflösung der Ehe vor dem Tode eines der Ehegatten den Fall gleichzustellen, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes wegen Verschuldens des anderen Ehegatten auf Scheidung zu klagen berechtigt und die Klage erhoben war.
Der S 1784 entscheidet die Frage, wer in den Ss§ 1780 ff. anfechtungsberechtigt ist. desselben wurde nicht zu Ende geführt.
getretenen
Verlobter ; wenn das Verlöbniß vor dem Tode gelöst worden ist.
weichung genehmigt, Man war
Fällen der
Des Kaisers und Königs Maje tät haben dem bis— Wirklichen Geheimen Rath Grafen von Wesdehlen anläßlich seines Ausscheidens ein Geschenk, bestehend in einer Bronzebüste Seiner Majestät, in Gnaden zuzuwenden geruht.
en Gesandten in Athen,
Der Inspekteur der Feld⸗Artillerie, Ge neral⸗Lieutenant von Hoffbauer ist hierher zurückgekehrt.
Der General⸗Lieutenant Kuhlmann, Präses der Ar— tillerie⸗Prüfungskommission, hat Berlin verlassen.
Der Kaiserliche Gesandte in Stockholm, General⸗Lieutenant und General-Adjutant Graf von Wedel hat einen ihm öchst bewilligten Urlaub angetreten. Abwesenheit fungiert der Legations-Sekretär von Pilgrim— Baltazzi als Geschäftsträger.
Der Gesandte der Schweizerischen Eidgenossenschaft am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Oberst Roth hat einen ihm von bewilligten Urlaub angetreten. seiner Abwesenheit fungiert der Legations-Rath Dr. Fininger als Geschäftsträger.
Während seiner
seiner Regierun
Bayern.
Der Oberste Schulrath hat, wie die M. „Allg. Ztg.“ mittheilt, am letzten Mittwoch in mehrstündiger Sitzung die Berathung über die Errichtung und Einrichtung der gym nasien, sowie über die Vertheilung des am 1. Juli zu befördernden und zu ernennenden Personals für die verschie⸗ denen Anstalten begonnen.
Sachsen.
Ihre Majestäten der König und die Königin werden, dem „Dresd. Journ.“ zufolge, Schloß Sybillenort morgen verlassen und sich am Nachmittag zum Besuch Ihrer Köni Prinzessin Albrecht von
gegen 1 Uhr von Breslau ichen Hoheiten des Prinzen und der reußen nach Kamen Von dort findet Abends die Rückreise über Liegnitz nach Dresden statt, wo Ihre Majestäten am Mittwoch f eintreffen, sich mit Sonderzug nach Niedersedli zu Wagen nach dem Königlichen Lusts
in Schlesien
und von dort illnitz begeben
Hoheit die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen ist der „Karlsr. wohlbehalten in Sophieruh bei Schonen eingetroffen, wo am Sonnabend der Kronprinzen im Familienkreise begangen wurde.
Die Erste Kammer hat in ihrer Sitzun den von der Zweiten Kammer erledigten G treffend die Abänderun Kapitalrentensteuerge
Ihre Königliche
am Freitag eburtstag des
vom 16. Juni entwurf, be⸗ des Einkommensteuer⸗ und tzes, in namentlicher Abstimmung einstimmig angenommen. Eine von der Kommission beantragte Resolution: die Großherzogliche Regierung sei zu ersuchen, das Einkommensteuergesetz einheitlich, unter Zugrundelegung es Steueranschlags oder des Steuerfußes, zu gestalten, ge⸗ langte ebenfalls zur einstimmigen Annahme.
Zweite Kammer setzte am Freitag und Sonnabend unter lebhafter Debatte die Beraihung der kirchen politischen 31 . . Anträge fort und vertagte die weitere Berathung
eute.
Anläßlich der Anwesenheit Ihrer Königlichen Gro herzogs und der Groß
herzogin in z reitag eine Festfahrt von dort bis Oestrich statt.
zu etn eingenommen. Die stattliche Schiffsreihe wurde von den begegnenden Schiffen und Schiffchen salutiert, und die am Ufer zahl⸗ reichst angesammelte Volksmenge bereitete Ihren Köonig— lichen Hoheiten dem Großherzog und der Großherzogin allerorts herzliche Ovationen. Großartig gestaltete fich am Abend die Uferbeleuchtung, die bei Eltville begann, nachdem gegen 8 ö. die Schiffe bei Oestrich gewendet hatten. Nach 10 Uhr war die Fahrt beendet.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.
Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und der Erbgroßherzog besuchten, wie der „Mgdb. Ztg.“ aus Eisenach gemeldet wird, gestern mit Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Erzherzog Karl Ludwig von Oesterreich die Wartburg und kehrten am Abend nach Weimar zurück. Heute Vormittag ist der Erzherzog wieder abgereist.
Reuß j. L. Das Erbprinzliche Hoflager ist, wie die „Ger. Ztg.“ mittheilt, am 16. d. M. von Schloß Osterstein nach Ebersdorf verlegt worden.
Samburg.
Die Bürgerschaft hat, dem „H. C.“ zufolge, in ihrer am 13. d. M. abgehaltenen Sitzung den Senatsantrag auf Vermehrung der Richterzahl um fuͤnf nach heftiger Debatte angenommen. Zu der Vorlage, betreffend die Reform der Ver⸗ waltung, wurde ein Antrag mehrerer Mitglieder genehmigt, wonach künftig zwei neue Deputationen eingesetzt werden sollen, die eine für das Eisenbahn- und Verkehrswesen, die andere für die Gewerbepolizei.
Oesterreich⸗Ungarn.
Am Sonnabend fand, wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, in Bu dapest unter dem Vorsitz Szlavy's eine Be⸗ rathung zahlreicher Mitglieder des Oberhauses statt. An⸗ wesend waren Minister⸗Präsident Wekerle und Justiz-Minister von Szilagyni. Man wollte einen Weg finden, damit min— destens ein Theil der Opposition für die Zivilehe vorlage stimmen könne. Die Abstimmung des Oberhauses über die Zivilehevorlage soll am Donnerstag stattfinden, da die
pposition sich auf eine kurze Erklärung beschränken und eine Erörterung vermeiden will.
Bei der Debatte über die Valutavorlage am Sonn⸗ abend im ungarischen Abgeordnetenhause bezeichnete der Minister-⸗Präsident Dr. Weterle als Nutzen der Vorlage, daß durch sie die schwebende Schuld verringert werde. Die Vorlage bereite den Metallverkehr vor; man werde feststellen können, wieviel Kleingeld der Verkehr absorbiere. Die . setzung der Relation müsse der Goldbeschaffung vorangehen; auf die fragliche Lösung der europäischen Silberfrage warten, hieße die ganze Operation illusorisch machen. Schließlich wurde die Vorlage in zweiter Lesung angenommen.
Aus Graz meldet die „Köln. Ztg.“: Der Professor der italienischen Philologie an der Grazer Universität hielt seine Vorlesungen in italienischer Sprache. Der akademische Senat ist nunmehr dagegen eingeschritten, da die Duldung des wegen etwaiger slowenischer Nacheiferung bedenklichen Be⸗ rufungsfalls den deutschen Charakter der Universität gefährde. Der Professor will gegen den Senat Beschwerde führen.
Die Statthalterei von Prag hat die Verordnungen des Magistrats aufgehoben, welche die Beseitigung der von rde personen angebrachten Straßentafeln . 39 dem Erlaß der Statthalterei wird bemerkt, daß sich der Bürgermeister durch Androhung der in der Kaiserlichen Verordnung vom 20. April 1854 enthaltenen Strafbestimmungen ein ihm nicht zustehendes Recht angemaßt habe.
Großbritannien und Irland.
Infolge der Verhandlungen, welche die Regierung mit den Führern der Opposition gepflogen hat, darf der Schatz⸗ kanzler jetzt hoffen, sein Budget in drei Wochen im Unter⸗ hause durchzubringen. .
Frankreich.
Der vom General Eden durch einen Revolverschuß ver⸗ wundete Unter⸗Lieutenant Schiffmacher ist am Sonnabend gestorben. Der Kriegs⸗Minister General Mexcier hat die kriegsgerichtliche Untersuchung gegen den General Edon eingeleitet. Zum Untersuchungsrichter wurde General Baillod, zum 3 General Chambert ernannt.
Die Armeekommission der Kammer hat sich, wie der Köln. Ztg.“ geschrieben wird, mit dem Plan des Kriegs⸗ Ministers beschäftigt, in diesem Sommer in zwei verschiedenen Landestheilen je ein Reserve⸗Kavallerie-⸗Regiment , mit reguirierten Pferden zu einer vierwöchigen Uebung mobil zu machen, Es handelt sich darum, ein annähernd fr Urtheil darüber h ge⸗ winnen, was man im Fall einer allgemeinen Mobil⸗ machung von der Einstellung der zum theil wenigstens ungerittenen requirierten Pferde, erwarten dürfe. In der Erörterung stellte der Ahg. Le Hérisss den Zusatzantrag, erst unmittelbar vor Mobilisierung der beiden Regimenter die Be⸗ irke, wo sie unter die Waffen gerufen werden sollten, durch . Loos zu bestimmen, da man nur in solchem Falle zuver⸗ lässige Ergebnisse erzielen und ähnliche Erfahrungen machen könne, wie bei einer ernsten und ganz unvorher , Mobilmachung. Auf Einwendungen des Kriegs⸗Ministers wurde dieser Zusatz abgelehnt und der Vorschlag des Kriegs⸗ Ministeriums, allerdings mit der ebenfalls von Le Herisss herrührenden Bestimmung , daß die Bezirke für den Versuch frühestens zehn Tage vor Aufstellung der beiden Regimenter bekannt gemacht werden sollen. Derselbe Ab⸗
geordnete sammelt übrigens zahlreiche Unterschriften in der Kammer zur Unterstützung eines Antrags, den er im Plenum zu verfechten . und wonach die beiden Mobilisierungasbezirke zehn Tage vor Erlaß des Befehls durch das Loos bestimmt werden sollen.
Rußland.
Bei der am Sonnabend erfolgten Eröffnung der Kom⸗ missien zur Berathung über die Eisenbahn⸗Getreide⸗ tarife erklärte, wie „W. T. B.“ meldet, der Finanz⸗Minister, er habe nichts gegen eine Herabsetzung der Tarife einzu⸗ wenden, wenn die Verluste, welche die Staatsbahnen dadurch erleiden, durch anderweitige Vortheile für den Handel und die Landwirthschaft ausgeglichen würden.
Die Ernennung des Kammerherrn Iswolsky zum Minister⸗Residen ten beim Vatikan wird von den Petersburger Blättern als eine wichtige politische Nachricht von den weitesttragenden Folgen begrüßt. Die „Nowosti“ ver⸗ suchen die hohe Bedeutung 6. Ereignisses auf Grund der neuesten Geschichte des Papstthums und seines Verhältnisses zu Rußland nachzuweisen:
„»Am Anfange der sechziger Jahre existierte bei uns noch das Konkordat, das die Beziehungen des Reichs zu der römisch⸗katholischen Kirche und zum Paäpstlichen Stuhle regelte. Seit dieser Zeit hat sich vieles verändert. Das Päpstliche Gebiet verschwand und die weltliche Macht des Papstes hörte auf. Der polnische Aufstand von 1863 bis 1864, in welchem die Vertreter der römisch-⸗katholischen Geistlichkeit keine unwichtige Rolle spielten, erschütterte die Grundlagen, auf welchen die römisch⸗katholische Kirche in Rußland so lange geruht hatte, und das Konkordat wurde aufgehoben. Wie ernst auch die Ursachen waren, welche diese Aufhebung veranlaßt hatten, so bereitete doch die Unbestimmtheit, die jetzt in Betreff der Beziehungen zu der Päpstlichen Gewalt Platz griff, nicht wenig Schwierigkeiten. Sie entstanden bei der Ernennung neuer Geistlichen, bei der Reorganisation der Eparchien u. s. w.
Die Besetzung des Päpstlichen Stuhls mit einer so geachteten und hervorragenden 1 wie Leo XIII. mußte auch eine Ver⸗ besserung der Beziehungen Rußlands zum Haupte der römisch⸗ katholischen Geistlichkeit zur Folge haben. Das gegenwärtige Haupt der römisch⸗katholischen Kirche hat seine auf der ganzen Welt zerstreute Herde beständig daran gemahnt, die Gesetze und die Regierungen der betreffenden Staaten zu respektieren. Unter so günstigen Verhält⸗ nissen hatten sich in den achtziger Jahren unsere Beziehungen zum Päpstlichen Stuhl außerordentlich verbessert. Während der letzten Jahre befand sich am Vatikan ein beständiger halboffizieller diplomatischer Agent, der jetzt zum Minister⸗Residenten ernannt worden ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Maß⸗ regel die korrekten und freundschaftlichen Beziehungen zwischen der . Regierung und dem Papst noch mehr befestigen und auch auf die Gemüther und das Gewissen der römisch⸗katholischen Unter- thanen in Rußland in günstiger Weise einwirken werde; beträgt doch y dieser Unterthanen in Rußland nicht weniger als zehn
illionen.“
Italien.
Am Sonnabend ist in Rom auf den Minister⸗-Prä⸗ sidenten Crispi ein Attentat verübt worden, das glück⸗ licher Weise unblutig verlief und den Minister⸗Präsidenten unversehrt ließ.
Das Attentat fand um 2 Uhr 20 Minuten statt, als Crispi, der, in einem bedeckten Wagen von Hause kommend, nach der Deputirtenkammer fahren wollte, um die Ecke der Via Gregoriana in die Via Capo le Case einbog. Ein junger Mann gab auf den Wagen mehrere Revolver⸗ schüsse ab, von denen aber keiner traf. Crispi stieg rasch aus und 6. den Verbrecher selbst fest; ein in der Nähe be⸗ findlicher Abgeordneter entwand dem Burschen den Revolver, den er Crispi übergab. Nachdem der Urheber des Attentats verhaftet war, wollte die schnell zusammengeströmte Menge ihm Gewalt anthun. Crispi, welcher vollkommen ruhig geblieben war, bestieg wieder den Wagen und fuhr unter den begeisterten . der Menge nach dem Monte Citorio. Als er in die Deputirtenkammer eintrat, begab er sich zum Präsidenten, um diesem den Vorfall zu erzählen. Die Deputirten umringten Crispi und beglückwünschten ihn; dieser zog sich indeß aus dem Saale in die Wandelgänge der Kammer zurück. Der Präsident eröffnete alsdann die Sitzung, indem er im Namen der Kammer der Entrüstung über das Attentat, sowie dem Wunsch Ausdruck gab, daß Crispi noch lange dem Vaterland erhalten bleiben möge. (Stürmischer Beifall im ganzen Hause und auf den K Mordini stellte an den Präsidenten das Ersuchen, Crispi die Gefühle des Hauses zum Ausdruck zu bringen. Während dessen betrat Crispi wieder den Saal und wurde mit gewaltigen Ovationen empfangen. Er dankte bewegt für die Kundgebung, die unauslöschlich in seinem Herzen bleiben werde (lebhafter Beifall), und fügte hinzu, daß weder Drohungen noch Angriffe ihn jemals dahin bringen würden, von der Erfüllung seiner Pflicht abzuweichen. (Anhaltender Beifall.)
Der Urheber des Attentats heißt Paolo Lega, ist aus Lugo in der Romagna, 25 Jahre alt und giebt an, Tischler zu sein. Er führt den Beinamen Marat und gehört anarchistischen Vereinigungen an. Nach seiner Aussage ist er erst am Sonn⸗ abend Morgen mit der Absicht, Crispi zu tödten, nach Rom gekommen; er bedauere, daß es ihm nicht gelungen sei, seinen Zweck zu erreichen. Ferner erklärte er, Anarchist zu sein. Nach anderen Mittheilungen ist er schon am Donnerstag nach Rom gekommen.
Der König entsandte alsbald seinen Ersten General⸗ Adjutanten, um Crispi sein Bedauern über das Attentat aus⸗ udrücken und ihn zu V daß er unverletzt ge⸗ lieben sei. Abends um 8 Uhr statteten der König und der Kronprin z dem Minister⸗Präsidenten einen Besuch ab und küßten ihn bewegt. Der König betonte Crispi gegenüber, die Schmerzen, welche er (Crispi) erleide, seien die Früchte seiner großen Beweise von Aufopferung. Der König fügte hinzu, die Nachricht von dem Attentat habe ihm denselben Schmerz verursacht, als wenn das Attentat gegen eine Person seines Hauses gerichtet worden wäre. Die Menschenmenge hegrüßte den König und den Kronprinzen mit enthusiastischen Kundgebungen, indem sie gleichzeitig Hochrufe auf den , en ausbrachte und Verwünschungen gegen den Verbrecher ausstieß. Nachmittags hatte Crispi bereits Abordnungen des Senats und der nizipalität n fn en. — Um 10 Uhr Abends bereitete eine überaus zahlreiche ,,, e dem ,, vor dessen Hause eine sympat e Kundgebung. Crispi erschien auf dem Balkon, sprach der Menge seinen Dank aus und forderte sie auf, ruhig wieder auseinander zu gehen.
Sämmtliche italienischen Blätter ohne Unterschied der Partei sprechen ihren Abscheu über das Attentat aus.
Die „Riforma“ meint, die allgemeine Ueberzeugung gehe dahin,