Oesterreich⸗Ungarn.
Heute findet im ungarischen Oberhause die Be⸗ rathung über das Zivilehegesetz statt. Dem „Budapesti Hirlap“ zufolge wird Stephan Keglevich einen Beschluß⸗ antrag einbringen, wodurch die Regierung aufgefordert werden soll, bei dem seinerzeitigen Inkrafttreten der Zivilehe die
ivilfunktionäre anzuweisen, in jedem einzelnen Falle die
arteien darauf aufmerksam zu machen, daß durch die Zivil⸗ trauung den kirchlichen Anforderungen nicht genügt werde; erner sol nach diesem Antrag der Zeitpunkt der Ziviltrauung ö. er , werden, daß die kirchliche Trauung unmittelbar olgen kann.
Ueber die heutige Sitzung liegt folgendes Telegramm vom Vormittag vor: Die Straße vor dem ö. ist von einer großen Menschenmenge angefüllt, die Zufahrt der Magnaten vollzog sich ohne Störung; die Galerien sind überfüllt. Die nnr ch. hell hen und die griechisch⸗orientalischen Bischöfe sind vollzählig erschienen. Von Hofwürdenträgern sind , d. chall Graf Szecsen von Temerin, Franz Hichy, Geza Szapary anwesend, ferner der Sektionschef Cziraky. Die Debatte über die Ehegesetz⸗ Vorlage wurde sofort begonnen; Gajzago und Vay sprachen für, Franz de Paula Graf Zichy gegen die Vorlage. . .
Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht die Handels⸗ kon vention zwischen OesterreichUngarn und Rumänien vom 21. Dezember 1893.
Großbritannien und Irland.
Gestern, 20. Juni, vollendete die Königin das 57. Jahr ihrer Regierung; ihr Oheim William IV. starb am 20. Juni 1837. . .
Die russische Jacht „Polarstern“, mit dem Groß ffürsten⸗ Thronfolger an Bord, traf gestern Nachmittag Lise Uhr in Gravesend ein. Beim Einlaufen wurde sie mit Salutschüssen vom Fort Tilbury empfangen. Die Begrüßung des Groß—⸗ fürsten⸗Thronfolgers seitens der Mitglieder der russischen Bot⸗ schaft und des Stallmeisters der Königin, Obersten Byng fand an Bord des „Polarstern? statt. Sodann fuhr der Großfürst⸗ Thronfolger nach dem Südbahnhof, wo eine Ehrenwache auf⸗ gestellt war, und begab sich von g aus mittels Extrazugs nach Walton on Thames zum Besuch des Prinzen Ludwig von Battenberg.
In Leeds fand gestern eine Konferenz des national⸗ liberalen Verbandes, welcher etwa 2000 Delegirte, dar⸗ unter Labouchere und Wilfried Lawson, beiwohnten, statt. Sie nahm eine Resolution an, in welcher erklärt wird, die Be⸗ fugniß des Oberhauses, von den erwählten Volksvertretern genehmigte Gesetzvorlagen zu verstümmeln oder abzulehnen, müsse aufhören; eine andere Resolution, in welcher die Re⸗
ierung aufgefordert wird, eine Vorlage einzubringen, die das Lene gn ch 96 Oberhauses abschafft, wurde ebenfalls an⸗ genommen; dagegen wurde ein von Labouchère eingebrachter Antrag, welcher die Abschaffung des Oberhauses verlangt, ab⸗ gelehnt.
Frankreich.
Wie schon in Nr. 142 des „R. u. St.⸗A.“ kurz erwähnt, sind die beiden Arbeiter, welche zwei deutsche Eisenbahn⸗ beamte in Pagny 4. d. Mosel kürzlich überfallen hatten, ohne von diesen irgendwie provoziert worden zu sein, von der Strafkammer in Nancy zu 40 bezw. 8 Tagen Gefängniß verurtheilt worden. Der Gerichts⸗Präsident betonte, daß nur durch das ruhige Verhalten der Deutschen ernste Ver⸗ wicklungen vermieden worden seien. Der Staats—⸗ anwalt führte aus, wie ungerechtfertigt der von den Angeklagten verübte Angriff gewesen sei; denn die deutschen Beamten seien an ihnen vorbeige⸗ kommen, ohne sich irgend welche Provozierung zu Schulden kommen zu lassen. Der echte Patriotismus bestehe nicht in Handlungen solcher Art. In anderen Ländern dürfe man nicht zu dem Glauben kommen, daß sich Franzosen solche g al an zu Schulden kommen lassen; man müsse im Gegentheil in Europa den Ruf der franzoͤsischen Großmuth, ö e die Stärke Frankreichs ausmache, zu erhalten suchen.
Der Anarchist Meunier, der angebliche Urheber des Dynamitanschlags im Restaurant Very und der Brasserie Lobau, wurde am Montag in Dieppe, wohin ihn vier englische Schutzleute gebracht hatten, an die französischen Behörden aus⸗ geliefert und nach Paris geschafft. Er kam gegen 7 Uhr auf dem Bahnhof Montparnasse an und wurde sofort nach der Polizeipräfektur gebracht. Meunier leugnet, daß er der Ur⸗ heber der beiden Anschläge sei.
Die sozialistischen Abgeordneten haben abermals den An⸗ trag eingebracht, die Sühn kapelle niederzureißen. In der Begründung des , werden Ludwig der XVI. und der
ingerichtete Anarchist Vaillant in eine Parallele gestellt. Ein bgeordneter derselben Gruppe, Viyéant, hat den Antrag ein⸗ gebracht, die den Ehebruch bestrafenden Artikel des Straf⸗ gesetzbuchs aufzuheben.
Nußland.
Aus der Rede, die der Finanz⸗Minister gestern beim Schluß der Spezialkonferenz zur Berathung einer Herabse 3 der ö hielt, geht nach einer Mel⸗ dung des „W. T. B.“ hervor, daß eine Herabsetzung der Tarife nach den e , nur für Saratow zu erwarten sei. Die anderen Tarife bleiben unverändert.
Italien.
In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer wurde bei ent, nz des Art. 1 der Finanzvorlage der Antrag der Agrarier auf einen Eingangszoll von 8 Fr. für Getreide in namentlicher Abstimmung mit 190 gegen 12 Stimmen abgelehnt, der Antrag der Regierung auf einen Eingangszoll von 7 Fr. durch Aufstehen und Sitzen⸗ bleiben angenommen. . .
In der Encyklika, deren Veröffentlichung nach einer Meldung des „W. T. B.“ unmittelbar bevorsteht, erinnert der Papst an die Kundgebungen zu seinem Jubiläum und erklärt, er wolle gleichwie Christus am Ende seines Lebens alle Menschen ohne Unterschied des Landes und der Rasse zur Einheit des Glaubens aufrufen. Indem der Papst zu⸗ nächst die nicht⸗christl ichen Völker betont er, die Kirche werde mit steigendem Eifer das der Ausbreitung des christlichen Völker erinnert der P
in Betracht icht
erk wahren Glaubens fortsetzen. Die apst an die Religionseinheit, welche ehemals das ö Vätererbe selbst inmitten des
Kampfes um die irdischen Dinge gebildet pah⸗ Die Griechisch⸗ Katholischen weist der Papst darauf hin, daß ihre Vor⸗ fahren den römischen Pontifex anerkannten, wie es die Lateiner
und Griechen auf den Konzilen zu Lyon und Florenz thaten. e . seien die ieh f, d duifhsen den Römisch⸗ atholischen gegenüber freundlicher gesinnt; er lade sie ein 9 einer völligen Vereinigung mit der 3 Kirche. Er werde die Riten und patriarchalischen Privilegien der Griechisch⸗Katholischen aufrecht erhalten. Besonders gelte seine Einladung den slavischen Völkern. Auch an die protestan⸗ tischen Völker richtet 6 die Encyklika. Den Protestanten fehle die feste Richtschnur für den Glauben und die Autorität, Einige Protestanten ö dahin gelangt, die Gottheit Christi und den göttlichen Ursprung der heiligen Schriften zu leugnen und seien dem Materialismus und Naturalismus verfallen. Das Schriftstück gedenkt sodann der erleuchteten Protestanten, welche heilsbegierig wieder zum Katholizismus zurück⸗ kehrten, und ermahnt die übrigen ebenfalls zur . damit alle denselben Glauben, dieselbe Hoffnung, dieselbe Liebe hätten, gegründet auf demselben Evangelium. Der Papst ermahnt ferner die Katholiken, an der Gleichgültigkeit inmitten drohender 24 zu rütteln und den kirchlichen Oberen unbedingt zu gehorchen. Beseelt von versöhnlichem Geiste gegenüber den bürgerlichen Gewalten, sei die Kirche gern bereit, mit ihnen Vereinbarungen zu treffen. Die Eneyklika beklagt sodann die Fälle von Unterdrückung, welche neuerdings wieder, dem alten, der Kirche feindlichen Geiste entsprungen, sich gezeigt hätten, und wendet sich entschieden gegen die frei⸗ maurerische Sekte, die „Feindin religiöser Einheit“, welche sich kühn in Rom ausbreite; Italiener und Franzosen möchten den Despotismus dieser Sekte von sich abschütteln, damit die Glaubenseinheit aller Völker die Uebel des Krieges und des gegenwärtigen Zustands in Europg beschwöre. Der Papst be⸗ spricht zum Schluß die soziale Frage, deren Lösung er be⸗ reits im Geiste des Evangeliums empfohlen habe, ermahnt hinsichtlich der Politik zur Uebereinstimmung der Völker mit den herrschenden Gewalten, möge die Form der Regierung sein, welche sie wolle, und fordert die Regierungen zur Unter⸗ stützung der religiösen Einheit mit allen Kräften auf, damit nicht das Ende dieses Jahrhunderts dem stürmischen Ausgang des vorigen Jahrhunderts gleiche. . g Rom, 21. Juni, meldet W. T. B.“: Die im Ausland verbreiteten Nachrichten von angeblichen blutigen Zu⸗ sammenstößen zwischen den Studenten und dem Militär in Negpel, wobei eine Anzahl Verwundungen vorgekommen sein sollen, sind unbegründet. Thatsächlich sind in den letzten Tagen seitens der Studentenschaft der Universität Neapel einige unbesonnene Streiche verübt worden, denen jedoch keine Bedeutung beizumessen ist. Die Jahresschlußprüfungen nehmen ihren Fortgang. Die Truppen werden nur vorsichtshalber in Bereitschaft gehalten.
Zpanien.
Die Deputirtenkamm er soll heute den Antrag Gasset berathen, wonach eine parlamentarische Untersuchung über Schiffsbauten verlangt wird. Der Kriegs-Minister wird den Antrag bekämpfen und die Vertrauensfrage stellen. — Der Ministerrath beschloß, die parlamentarische Session bis zur Genehmigung des Budgets und der Gesetze zu verlängern, welche mit dem ö in Verbindung n, durch den der Regierung wegen des Abschlusses des kommerziellen modus Vivendi mit mehreren Staaten Indemnität ertheilt wird.
Bulgarien.
rinz Ferdinand und Gemahlin sind von ihrer Reise in Ostrumelien nach Sofia zurückgekehrt.
Schweden und Norwegen.
Die Königin sowie der Kronprinz und die Kron⸗ prinzessin trafen am 18. d. M. von Sophieruh in Schloß Tullgarn ein, wo die drei Prinzen nun mit den kronprinzlichen Eltern wieder vereint sind; die Königin reiste sodann nach Stockholm weiter.
Der Gesandtschafts⸗Sekretär in St. Petersburg Freiherr von Beck⸗Friis ist, wie „W. T. B.“ aus Stockholm meldet, zum Gesandtschafts⸗Sekretär in Berlin ernannt worden. An seine Stelle ist der bisherige Berliner Gesandt⸗ schafts⸗Sekretär Baron Gustaf Falkenberg getreten. Der Gesandtschafts⸗ Sekretär in Paris Graf von Wrangel ist in gleicher Eigenschaft nach Wien versetzt worden.
Amerika.
Aus Washington, 19. Juni, meldet das „Reuter 'sche Bureau“: Der Senat machte heute rasche Fortschritte mit der Berathung der Tarif-Bill. Es bleiben nur noch die Freiliste, die Einkommensteuer und die Vorschläge bezüglich der indirekten Steuern und etliche andere mit dieser Bill zusammenhängende Verwaltungsmaßregeln zu erledigen. Die Debatte dürfte diese Woche noch zum Abschluß kommen. .
Nach in Paris eingetroffenen Nachrichten aus Curitiba haben die Regierungstruppen die zwischen Lorena und Rio Grande gefangen genommenen uffn n chen erschossen. Saraiva bereite sich zum Angriff vor.
Afrika.
Zur Lage in Marokko liegt das nachstehende, zum theil gestern schon kurz erwähnte , des Reuter schen Bureaus aus Tanger vor. Mulei Mohammed, der älteste Sohn des verstorbenen Sultans, der bekanntlich als Kron⸗ prätendent auftritt, ist in Marakesh ins Gefängniß geworfen worden. Darauf hat er dem neuen Kaiser gehuldigt. Auch der mächtige Scherif von Wazan hat den Abdul Aziz anerkannt. Desgleichen die Städte Ma⸗ rakesy und Mequinez. Der berühmte Zayani, das Haupt des Zayan⸗Stammes, dem man in seinen unzugänglichen Bergen thatsächlich nichts anhaben kann, hat nicht nur sofort den neuen Sultan anerkannt, sondern auch 3000 Bewaffnete zur Aufrechterhaltung der Ordnung auf der Straße, die von Fez nach Mequinez führt, geschickt. Nirgends erhebt sich Widerstand gegen die neue Ordnung, und alle Straßen im Innern sind offen.
Die Proklamation des Sultans Abdul Aziz an die Häuptlinge Marokkos lautet:
An die Kinder der Gläubigen und Vasallen des Fürsten der Gläubigen. Nach dem Willen des allmächtigen Allah ist sein erlauchter ,, der unvergeßliche Emir Al Mumenin, mein geliebter Vater
ulei Hassan, welchem Allah die Freuden des Paradieses gewähren möge, in die Regionen der Wahrheit und des Friedens eingegangen. Nach seinem Willen, der stets zu befolgen ist, nach dem seiner Veziere (ietzt unserer) Sidi Mohammed Benelarb, Sidi Bahamet und Sidi Fedulal⸗Gharnit, nach dem Willen seines Heeres (jetzt unseres) und nach dem aller wahren Gläubigen, die seinem lh gehorsam sind, bin ich jetzt zum Emir der Gläubigen erwählt worden
und bin als solcher schon in fast allen Theilen des Reichs proklamiert
äuptling Ohamu
zu erlcffen, Lamit ich mit Hilfe Alla sher Cuch herrsche when möge Allah seine Gnadenfülle über alle Gläubigen ergießen und meinen Geist und den meiner Veziere inspirieren, recht zu handeln und diejenigen zu bekämpfen, welche, inspiriert von den bösen Erzengeln . Geboten und Wünschen widerstehen, welche der Ausfluß der Verordnungen des allmächtigen Allah und des Friedens sind.“ Der verstorbene, Sultan Mulei Hassan ist auf dem Sallah⸗Friedhofe in Rabat begraben worden. Dag Leichenbegängniß war eindrucksvoll. Der Sarg wurde von Tadla, wo der Sultan starb, von Mauleseln nach Rabat ge— ogen. Während der ganzen Fahrt wurde der große Sonnen⸗ . das Zeichen der Gewalt, uber dem Sarg gehalten. Das eschah so lange, bis der Sarg in die Erde gebettet wurde. Sobald ie Leiche bestattet war, wurde der k über dem Haupt des neuen Sultans gehalten. Abdul Aziz konnte sich bei der Bestattung der Thränen nicht erwehren. Dann wurde die Pro⸗ klamation verlesen, und Abdul . seinen weißen Hengst und ritt, begleitet von allen Ministern und dem ge⸗ sammten Hof, durch die Stadt. Das Volk beugte sich zur Erde. Das nach Tanger beorderte portugiesische Panzerschiff „Vasco de Gama“ ist unter dem Kommando des n ,. Marine⸗Ministers Kapitän Ferreira⸗Amaral von Lissabon dorthin abgegangen.
worden. Ich fordere Euch auf, eine solche rf gather 3 lz
Nr. 265 der Versffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 20. Juni hat folgenden Inhalt: Ge⸗ sundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. — Zeitweilige . regeln gegen Cholera c. — Desgl. gegen Gelbfieber. — Sterbefälle an Infektionskrankheiten in Spanien, 1891 und 1892. — Gesetz⸗ gebung u. s. w. (Deutsches Reich). Streu⸗ und Futtermittel. — (Preußen). Desinfektion von Eisenbahn⸗ Rampen. — (Berlin). Schweineschmalz. — (Reg. Bez. Cassel). Kinder⸗ und Wöchnerinnen⸗ sterblichkeit. Eiskalte Getränke. — (Hamburg). Schlachtzwang und Fleischschau. — (Oesterreich. Bukowina) Schutzpocken⸗Impfungen. — (Ungarn.) 4 — (Schweiz. Kanton Wallis) Impfungen. — Gang der Thierseuchen in Belgien, 1892. — Desgl. in den Niederlanden, 1. Vierteljahr. — Desgl. in der Türkei. — Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Schweiz.) — Rechtsprechung. (Land= gericht Koblenz). Fahrlässige Tödtung durch ein Klystier von drei⸗ prozentiger ö — Geburten und Sterbefälle in Aachen, . Frankfurt a. M., 1893. — Wochentabelle über die Sterbe⸗ fälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Witterung.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Nach § 327 des Strafgesetzbuchs wird die wissentliche Verletzung von Absperrungs⸗ oder Aufsichtsmaßregeln, welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder Verhreitens einer ansteckenden Krankheit ergriffen worden, mit Gefängniß bis zu 2 Jahren bestraft. Unter diese Bestimmung fallen nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Strafsenats, vom 30. März 1894, nicht die von dem preußischen Minister für die Medizinal⸗Angelegen⸗ heiten erlassene Anweisung für Hebammen vom 22. No⸗ vember 1888 oder sonstige Weisungen , Behörden an die mit der Behandlung von Kranken betrauten Per⸗ sonen. „Aus dem Begriff der Sanitäts. oder sonstigen Polizei folgt, daß unter polizeilichen Vorschriften Anordnungen zu ver⸗ stehen sind, mit denen sich die Staatsgewalt kraft der ihr zustehenden Exekutive an das Publikum als solches befehlend und vermöge der allgemeinen staatlichen Autorität Gehorsam fordernd, wendet. Wesentlich von ihnen verschieden sind die Weisungen, die den mit der Behandlung von Kranken betrauten 8 von den mit ihrer Be⸗ aufsichtigung gesetzlich beauftragten Behörden oder Beamten ertheilt werden, insbesondere, wenn sie sich Lehr⸗ büchern, Instruktionen, Anweisungen charakterisieren. Daß auch ihnen der. Zweck zu Grunde liegt, eine zweckmäßige Behandlung, der Erkrankten herbei⸗ affen und dadurch den Eintritt oder die Uebertragung ansteckender Krankheiten . andere zu verhüten, kann nicht zweifelhaft sein. Dennoch aber sind sie als sanitätspolizeiliche Maßregeln im Sinne des § 327 des Str.⸗G.⸗B. nicht anzusehen: denn sie sehen ganz davon ab, ob eine ansteckende Krankheit bereits ausgebrochen oder die An⸗ zeichen eines bevorstehenden Ausbruchs vorhanden sind; sie wenden sich nicht an das Publikum, sondern nur als Ausfluß der durch das besondere Dienstverhältniß begründeten Unter⸗ ordnung an die der Behörde, welche die Weisung erläßt, unter⸗ geordneten Personen. ... Auch die Vorschriften in den 55 5 und 6 der Min.-⸗Anweisung für Hebammen, nach welchen sich die Heb— ammen bei Ausübung ihres Berufs nach dem Lehrbuch und den es er⸗ gänzenden Instruktionen richten, und zur Erfüllung dieser , durch die den Verwaltungsbehörden zustehenden allgemeinen Zwangsmittel angehalten werden sollen, issen die Natur und das Wesen der das Lehrbuch ergänzenden Anweisung vom 22. November 1888 als einer lediglich instruktionellen Vorschrift erkennen.“ (102/94)
— Das Gesetz vom 19. Mai 1891, betr. die Prüfung der Ver⸗ schlüsse und Läufe der Handfeuerwaffen, welches das Feil halten, auch das fahrlässige, von des vorgeschriebenen Prüfungs- zeichens ermangelnden Handfeuerwaffen unter Strafe stellt, setzt, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, 1II. Strafsenats, vom 16. April 1894, , der Fahrlässigkeit nur das gewöhnliche Maß der einem gewissenhaften Mann für normale Verkehrsverhältnisse zu imputierenden Diligenz voraus; zu einer darüber hinausgehenden Diligenz ist der Händler strafrechtlich nicht verpflichtet. —er Waffen händler D. hatte vor dem Inkrafttreten des esetzes vom 19. Mai 1891 einen behördlich dazu bestellten Sachverständigen requiriert, diesem alle von ihm geführten Handfeuerwaffen, einzeln zur Abstempelung in seinem Geschäftslokal persönlich über eben, auch nach sofort erfolgter Abstempelung, wieder persönlich in Empfang genommen, worunter, wie später bei einer amtlichen Revision entdeckt wurde, auch ein Revolver sich befand, welchen der Sach verständige versehentlich nur am Zylinder, nicht aber daneben noch ein zweites Mal am Lauf abgestempelt hatte. D. wurde wegen fahr⸗ lässigen Feilhaltens eines, des vorgeschriebenen Prüfungszeichens er⸗ mangelnden Revolvers angeklagt. Die Strafkammer sprach ihn frei und die Revision des Staatsanwalts wurde vom en t ver worfen, indem es begründend augsführte: Die Behauptung der Staatzanwaltschaft, Angeklagter habe selbständig die gehörig erfolgte Abstempelung nachprüfen müssen, habe sich auf, den von ihm zugezogenen ., en nicht verlafsen dürfen, und, weil er hiergegen verstoßen, liege Fahrlässigkeit vor, ist unhaltbar. Das Gesetz vom 19. Mai 1891 setzt für die Schuld des im 89 vorgesehenen Deliktes keinen besonderen Grad von Fahr⸗ lässigkeit voraus und statuiert nirgends ein Gebot der Sorgfalt oder Vorsicht, welches über das gewöhnliche Maß der einem gewi enhaften Manne für normale Verkehrsverhältnisse zu imputierenden Diligenz hinausgeht. . Auch wenn Angeklagter persönlich jeden abgestempelten Revolver, sei es selbst, sei es etwa durch einen zweiten Sachberständigen nachgeprüft hätte, bezw. hätte nachprüfen lasfen, würde ein gleiches Ver . trotz aller Biligenz möglich gewesen sein. Das Gesetz vom 19. Mai i85i wollte den Handel mit Handfeuerwaffen Fewissen Kontrolen unterziehen, nicht aber durch Aufstellung mit gewö nlichen Verkehrsverhältnissen und Verkehrsanschauungen unverträglicher An⸗ forderungen hindern.“ 1007/94.)
in Gestalt von
als ständige Einrichtungen
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Eine Gemeinde ist nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungs—⸗ erichts, III. Senats, vom 36. November 1893, im Sinne des Ge—⸗ etzes, betreffend die Gewerbegerichte, vom 29. Juli 1896, Arbeit- eberin selbst dann, wenn sie Arbeiter (8d. h. Gefellen, Gehilfen, abrikarbeiter und Lehrlinge, auf welche der 7. Titel der Gewerbe⸗ zin gn, Anwendung findet), ohne selbst Gewerbetreibende im Sinne der Reichs Gewerbeordnung zu sein, also in kommunalen Betrseben, die nicht den Charakter gewerblicher Betriebe haben, beschäftigt. Als ein dem Arbeitgeber gleichgestellter Stel kvertreter' im Sinne des § 14 des gedachten Gesetzes ist in Gemeinden ohne follegialischen Gem eindevorstand der Hürgermeister zu erachten, neben welchem auch der betreffende techn sch⸗ Betriebs. leiter als Stellvertreter“ der Gemeinde gelten kann. Der , in einer solchen Gemeinde ist demnach weder als Forsitzender des Gewerbegerichts noch als deffen Stellvertreter wählbar und seines Amtes als Vorfitzender zu entheben, wenn er dennoch dazu gewählt worden ist. Dagegen ist in Städten mit kollegialischem Gemeindevorstand, in welchen Stellvertreter der. Gemeinde als Arbeitgeberin der Ma— gistrat, nicht aber seine einzelnen Mitglieder sind, der Bürger= meister zum Vorsitzenden des Gewerbegerichts wählbar. — In der westfälischen Stadt H., welche ein Gag und Wasserwerk betreibt und woselbst kein kollegialischer Magistrat besteht, waren der Ober⸗Bürger⸗ meister und der Zweite Bürgermeister zum . bezw. stell⸗ vertretenden Vorsitzenden des Gewerbegerichts im Gemeindebezirk ge⸗ wählt worden. er Pręvinziglrath enthob beide dieser ihrer Aemter, und die dagegen vom Ober⸗Präsidenten erhobene Klage wurde vom ,,, abgewiesen, indem es begründend ausführte:
Der 5 11 Abs. 1 des Gesetzes vom 29. Juli 1890 bestimmt: Der Vorsitzende (des Gewerbegerichts) sowle dessen Stellvertreter dürfen weder Arbeitgeber noch Arbeiter sein.
Unter Arbeitgebern im Sinne dieser Bestimmung sind nicht bloß diejenigen zu verstehen, welche Arbeiter der im § 2 des Gesetzes be⸗ jeichneken Art als selbständige Gewerbetreibende beschäftigen, fondern eine Gemeinde, auf deren Rechtsstellung es hier allein ankommt, ist Arbeitgeberin auch dann, wenn sie solche Arbeiter, ohne selbst Ge⸗ werbetreibende im Sinne der Reichs⸗Gewerbeordnung zu sein, also in kommunalen Betrieben, die nicht den Charakter gewerblicher Betriebe haben, beschäftigt. Es kann somit auf sich beruhen, ob die Stadt H. wegen ihrer Gasanstalt und ihres Wasserwerks, oder sonst als Ge— werbetreibende anzusehen ist. Sie ist in jedem Falle Arbeitgeberin im Sinne des § 11 des Gesetzes vom 29. Juli 1896. Es sind des halb aber noch nicht ihr Ober⸗Bürgermeister und ihr Bürgermeister ebenfalls Arbeitgeber. Aus dem § 11 Abs. J des Gesetzes, betreffend die Gewerbegerichte, läßt sich somit die passive Wahluͤnfähigkeit des Aber⸗Bürgermeisters und des Zweiten Bürgermeisters nicht herleiten. Dagegen ist diese aus dem 5 14 Abs. 1 des Gesetzes:
Den Arbeitgebern stehen im Sinne der FS§ 11 bis 13 die mit der Leitung eines Gewerbebetriebs oder eines bestimmten Zweiges desselben betrauten Stellvertreter der selbständigen Gewerbetreibenden gleich, sofern sie nicht nach 52 Abf. 2 als Arbeiter gelten.
zu entnehmen. «. .. Der §14 Abs. L kann zwar noch nicht auf jedes einzelne Mitglied eines vertretenden Organ, z. B. eines Magistrats, eines Kreisausschusses, angewendet werden. Vertreter ist hier nur der Magistrat, der Kreisausschuß in seiner Gesammtheit; das einzelne Mithlied nimmt nur an der Vertretung theil, ist nicht felbst und schon für sich allein der Vertreter. Dagegen werden ein Ober⸗Bürgermeifter und ein Bürgermeister, die bei dem Mangel eines kollegialifchen Ge⸗ meindevorstandes allein in ihrer Person die Stadtgemeinde, die AÄr⸗ beitgeberin, vertreten, von dem 8 id Abs. 1 mitgetroffen. Dies selbst dann, wenn sie mit der technischen Leitung der in Betracht kommenden lommunalen Unternehmungen nicht unmittelbar befaßt, fondern hierfür besondere Betriebsbeamte angestellt sind, und ferner, wenn die be— sonderen Betriebsbeamten ebenfalls unter den 5 14 Abf. 1 fallen sollten. (A. 25/935.)
Statistik und Volksmirthschaft. Die Handels- und Gewerbekammern sowie die kauf
männischen Korporationen des Deutschen Reichs.
Von dem Bureau des Deutschen Handelstages ist kürzlich in den Mittheilungen an die Mitglieder (Nr. 11, Jahrgang XXIV) ein nach Staaten und asphabetisch geordnetes Verzeichniß der Handels- und Gewerbekammern, der kaufmännischen Korporationen und der dem deutschen Handelstag angehörigen wirthschaftlichen Vereine des Deutschen Reichs herausgegeben worden, welches nicht nur die Ramen sämmtlicher Mitglieder und Sekretäre, Geschäftsführer Ac. jener Ver⸗ einigungen, sondern auch Angaben über die bezüglichen hauptfächlichsten Gesetzesbestimmungen c. sowie über den Umfang der den genannten Torporationen zugewiesenen Bezirke und eine Karte der deutschen dandels kammern enthält.
Wir haben aus der dankenswerthen, mit großer Sorgfalt bearbeiteten Veröffentlichung die nachstehende statistische Nachweifung usammengestellt, welche in Verbindung mit den weiter unten folgenden Bemerkungen eine übersichtliche Darstellung der betreffenden Einrich⸗ tungen im Reich gewährt.
Es waren vorhanden:
; Handels⸗ mit kammern 2c. Mitgliedern
83 1422 182 173 105 135 59
2 43 24 24 71 2 15 24 14 ö 34 45 39 52 144 24665 154 SacIn den nicht genannten Bundesstaaten — Mecklenburg ⸗Strelitz, Schwarzburg, Ftudolstadt und Sondershausen, Waldeck. Schaumbur⸗ ppe und Lippe — bestehen besondere Organe zur Vertretung des andels und der Industrie überhaupt nicht; in den mitaufgeführten 9 , e n, if a n,, wird die hrung dieser Interessen ausschließlich dur rivatvereinigungen ush. Die übrigen in der Uebersicht enthaltenen Korporationen Fruhen sammtlich auf gefeßlicher Grundlage bezw. auf befonderen e rtogdnungen, Statuten, Reglements ze. Wenn die letzteren auch in en einge lnen Bundesstaaten recht verschieden ö. — 3. B. findet das preußische ö vom 24. Februar 1870 auf die zu h in, Stettin, Magdeburg, Tilsit, Königsberg, Memel, Danzig und ng bestehenden kaufmännischen Korporakionen und auf das mn, ollegium zu Altona, welche für die betreffenden Städte die 2 tionen der Handelskammern ausüben, keine Anwendung, vielmehr Ehen für die genannten Korporationen, befondere, von der i ng bestätigte Regulative, Statuten ꝛe.— so haben die fenden. inrichtungen im allgemeinen doch überall die Auf e, die Gesammtinteressen der Handels, und Gewerbetreibenden
Sekretären ꝛc.
ö 220 — CO
AUldenburg
Braunschweig = Sachsen⸗Meiningen⸗ Sachsen · Altenburg... Sa en Leaf Hctha ; Anhalt
C dẽ de de — — —— — — R = N e O , d o r 2 99—
ihres Bezirks wahrzunehmen, insbesondere die Behörden in der Förde / rung des Handels und der Gewerbe durch thatsächliche Mittheilungen, Anträge und Erstattung von hh ge zu unterstützen? (preuß. , . 8. 1870 § 1). Nach der Organ sation treten bald die Interessen des Handels, bald die der Industrie und Gewerbe mehr in den Vordergrund. In einigen Staaten — im Königreich Sachsen (nur für den Leipziger Kammerbezirk, im Großherzogthum Sachsen⸗Weimar und in den drei Hansestädten — bestehen für die Wahrnehmung der gewerblichen Interessen besondere Gewerbekam mern neben den Sandelskorporationen, in anderen — so in Bayern und im Königreich Sachsen für die übrigen Kammerbezirke außer Leipzig — bestehen die Handels., und Gewerbekammern aus getrennten Abthe ungen, die aber in der Regel doch gemeinsam tagen. Die Ver⸗ schiedengrtigkeit der Organisation und der vorwiegend wahrzunehmenden Interessen geht zum theil schon aus den Bezeichnungen hervor, die den einzelnen Korporationen beigelegt sind. Von den 144 vorhandenen Einrichtungen fübren 99 die Bezeichnung Handelskammer, 5 nennen sich Vorsteher oder Vorsteheramt der Kaufmannschaft, 3 Aelteste der Kaufmannschaft, je 1 Handelsgenoffenschaft, Handel verein, kauf⸗ maãnnische Innungshalle, Korporation der Kaufmannschaft, vereinigte Kaufmannschaft Kaufmannskompagnie und Königliches Kommerz⸗ Kollegium, 5 heißen Gewerbekammern, 24 Handels. und Gewerbe⸗ 6 . . . und , ,.
enso verschieden, wie die gesetzlichen und sonstigen rechtlichen Unterlagen, sind die Bezirke bezw. Gebiete, auf k Thätigkeit der 144 Handels⸗ und Gewerbekorporationen erstreckt: Kammern umfassen als Geschäftskreise ganze, allerdings durchweg räumlich nicht große Bundesstaaten — Sachsen. Weimar, Braunschweig, Sachsen⸗-Altenburg. Anhalt, Reuß ältere Linie und Bremen (2) —,
63 dehnen ihre Wirksamkeit auf größere Verwaltungsgebiete (Re ⸗ T
er m ebe n, eine größere Anzahl von Kreisen, Amtshauptmann—⸗ chaften, Qberämtern 2 37 auf kleinere Verwaltungsbezirke aus, während 26 mit ihrer dhätigkeit nur größere Städte und 11 außer solchen auch noch deren nächste Umgebung umfassen. In Bayern giebt es neben den Handels. und Gewerbekammern noch sog— Bezirksgremien, in Baden neben den Handelskammern noch Handelsgenossenschaften, welche die Interessen der Handeltreibenden und Industriellen für kleinere ö (in Baden für bestimmte Städte) wahr⸗ nehmen. Letztere ind bei den 144 Körperschaften nicht mitgerechnet; andernfalls würde sich die Gesammtzahl auf 200 — in B ol, in Baden um 5 — erhöhen.
Nicht weniger als 133 Handels und Gewerbekammern 2c. ohne die sonstigen in unserer Quelle namhaft gemachten wirthschaftlichen Vereine, sind Mitglieder des Deutsfchen Handelstags, der feinen Sitz in der Reichs ⸗Hauptstadt hat und an dessen Spitze ein Ausschuß von 49 Mitgliedern steht. Die Leitung der Geschäfte dieser Zentral— stelle für die Interessen des deutschen Handels und der deutschen In— dustrie führt ein General⸗Sekretär mit einem Stab von Angestell ten; auch bei den einzelnen Korporationen sind mehr als 100 wiffenschaft⸗ lich oder kaufmännisch gebildete Männer als Syndici, Handels kammer⸗ Sekretäre ꝛc. mit einer Anzahl von Bureaubeamten ausschließlich für die Führung der vielseitigen und umfangreichen Geschäfte thätig.
ayern um
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Hamburg berichtet ein Wolff'sches Telegramm, daß die aus ständigen Schauerleute in einer Versammlung gestern mit 47 gegen 39 Stimmen beschlossen haben, statt der geforderten 50 9 für die Tonne Kornladung das Angebot von 45 A anzunehmen.
Zum Ausstand der Zimmerleute in Danzig theilt die Danz. Ztg.“ mit, daß der allgemeine Ausstand, der inzwischen durch Versammlungsheschluß auf solche Arbeitgeber beschränkt wurde, die nicht 38 4 Arbeitslohn für die Stunde zahlen (vgl. Rrn. 146 u. 143 d. Bl.), 13 Monate gedauert und über 12 006 0 gekostet hat. Im Laufe des Ausstandes haben 130 Gesellen die Stadt verlassen, sodaß dort noch 190 zu unterstützen waren. 16 Arbeitgeber haben sich bereit erklärt, 38 3 zu zahlen, und durch, die Aufhebung des allgemeinen Ausstandes werden 100 Mann Beschäftigung erhalten. Die noch verbleibenden 90 Mann werden von der Lohnkommifsion weiter unterstützt und er⸗ halten 15 M0 pro Woche. .
Aus Braunschweig wird der ‚Voss. Itg. geschrieben: Eine große sozialdemokratische Versammlung beschäftigte sich am Dienstag mit der Angelegenheit des Brauereiverrufs. Fast einstimmig wurde be— schlossen, noch eine dritte Brauerei, und zwar die Steger'sche, von Riesem Tage an in Verruf zu erklären.
In Leipzig beschäftigte sich eine von etwa 250 Personen be⸗ suchte Metallarbeiterbersammlung am Dienstag wieder mit dem Swi ers ki' schen Dreherstrike. Obgleich zugegeben wurde, daß fast alle Plätze der Ausständigen wieder besetzt seien, erklärten, wie die .‚Lpz. Itg. berichtet, die meisten Redner die Lage der Ausständigen und den Stand des Ausstandes überhaupt als günstig. Allgemein wurde die Ansicht laut, daß die eingestellten Arbeiter den Anforderungen nicht genügten, und daß deshalb die Ausständigen bald wieder ihre Plätze würden einnehmen können; sie würden darum nicht, wie ihnen vom Vorsitzenden des Verbandes der Metall⸗Industriellen Leipzigs, Herrn Magnus, angerathen worden sei, Herrn Swiderski um Wieder⸗ einstellung der Strikenden bitten.
Hier in Berlin hatten die Rohrer der Rohrgewebefabrik von Ferdinand Ju lin s berg vor einigen Tagen wegen Lohnkürzung die Arbeit eingestellt. Wie nun im „Vorwärts, berichtet wird, ist der Lohnstreit ä g. beigelegt, als der Arbeitgeber sich bereit erklart hat, sämmtliche rbeiter zu dem alten Lohn von 15 3 pro Quadrat- meter ohne Abzug wieder einzustellen. Dies soll jedoch erst Ende dieser Woche geschehen, weil augenblicklich nicht für alle genügend Arbeit vorhanden ist. — Die Glaser der Firma hr. Heinrich , Glasmalerei, Filiale Berlin, haben die Arbeit nieder⸗ gelegt.
Aus Glasgow meldet W. T. B.“: In einer Versammlung der schottischen Grubenbefitzer wurde gestern Nachmittag mit großer Mehrheit beschlossen, sich auf keine Vorschläge zu einer Eini- gung einzulassen, sondern sich auf den Ausftand vorzubereiten, der am Dienstag beginnen soll.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Cholera.
Deutsches Reich. Während der letzten Woche wurden, den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ zufolge, Cholera fälle nicht festgestellt.
Oesterreich⸗ Ungarn. In Galizien wurden vom 5. bis 12. Juni in 5 Gemeinden des politischen Bezirks Borszezow 18 Er. krankungen, darunter 7 mit tödtlichem Ausgang festgestellt, im Bezirk Zaleszezyki 2 choleraverdächtige Todesfälle. In der Bukowina er— krankten, wie das ‚Oest. San. W. berichtet, vom 1. bis 7. Juni in t ö des politischen Bezirks Kotzmann 5 Personen, davon
arben 2.
Rußland. Vom 26. Mai bis 2. Juni wurden bei dem Medizinal⸗ Departement des Ministeriums des Innern angemeldet: aus der Stg dt Warschau vom 13. bis 19. Mai 19 Erkrankungen (13 Todesfälle) den Gouvernements Warschau vom 20. bis 26. Mai 13 (9), Plock vom 13. bis 19. Mai 2. (189), Pet rikau vom 20. bis 26. Mai 1 (), Radom während derselben Zeit 19 (7), Kowno desgleichen 6 (2) und Podolien vom 16, bis 23. Mai 2 C.-. Anderweitigen Mittheilungen zu, folge erkrankten in der Stadt Warschau vom 6. bis 9. Juni 26 (es starben 7) sonst im Geuvernement vom 4. bis 9. Juni 42 (16), in dem Gouv. Plock vom 1. bis 7. Juni 74 (32) davon in der Stadt Ciechanow, an der Eisenbahnlinie Warschau— Marienburg und einem zum Weichselstromgebiet gehzrigen Flußlauf gelegen, vom 3. bis 7. Juni bo (20) — in dem Goup. Radö6m 3 9p. 24 bis 5. Juni 4 (2), Kowno vom 27. Mai bis Juni — ¶ D.
Niederlande. Nach dem „Staats⸗Courant? vom 25. Mai waren im Jahre 1893 insgesammt 263 Sterbefälle auf asiatische Cholera, 113 auf Cholera nostras zurückzuführen.
Türkei. In Kleinasien wurden für die Stadt Siwaz vom
18. bis 30. Mai 25 Sterbefälle gemeldet, Tokat vom 17. bis 31. Mai
25, Kazg von Zeil vom 16. big zi. Mai Sz, Bey Bunar vom 16.
bis 21. Mai 7. Divriti vom 74. bis 25. Rai 3, Rikfar vom 27.
bis 39. Mai 11, Jskilib vom 1g. Mai bis 1. F S5, Jozgat am
3. Mai und 1. Juni 3, Samsun vom 16. Mai big 1 Juni 10,
Kadiksi wähßrend derselben Zeit 15; in Urgup wurde vom 18. bis 189. * ö. h ,,, 6
indien. Kalkutta. Vom 5. bis 12. Mai sind 26 .
sonen an Cholera gestorben. ö
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Koble d ks an der Ruhr und in Prerrfgicfiem 3.
An der Ruhr sind am 20. d. M. gestellt I1 123, ni gestellt keine Wagen. et nicht rechtzeitig
Zwangs-⸗Versteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am V0. Juni die nachbezeichneten Grundstücke zur ,,, Bülow⸗ straße 21, dem Rentier Julius Werner gehörig; Rutzungswerth 18410 ½; für das Meistgebot von 352 000 S wurde der Professor Dr. Albert Guttsta dt, Genthinerstr. 2, Ersteher. — Thrist⸗ burgerstraße 6. dem Malermeister Hugo Annuschek gehörig; Fläche 10,26 a; ,, 14 650 ge; für das Meistgebot von 260 (009 e wurde der Klempnermeister Max Wünsche zu Treptow, Elsen⸗Allee Ersteher. — Aufgehoben sind das Verfahren und die ermine am 5. September 1894 wegen des Busch'schen Grund⸗ stücks Boyen str. 2 und Scharn horst tr. 14.
Wollmärkte.
Berlin, 29. Juni. (Wollmarktsbericht der ständigen Deputation der Woll ⸗Interessenten. Die im Monat Juni ab . deutschen Provinzial märkte verliefen mehr oder weniger schleppend. Die Zu⸗ fuhren waren geringer als voriges Jahr, da viele Heerden infolge des anhaltend regnerischen, kalten Wetters nicht rechtzeitig geschoren werden konnten, und auch wohl eine weitere Verkleinerung der Schãfereien stattgefunden hat. Auch der hiesige Markt wurde davon beeinflußt, denn die Zufuhren zum öffentlichen Markt, der am 19. d. M. begann, betrugen etwa 7000 Ztr. gegen etwa 11000 Ztr. im vorigen Jahre. Die Folge davon war, daß Käufer, da außerdem gute, fehlerfreie Wollen wenig vertreten waren, etwas entschlossener — besonders für diese — als auf den Vormärkten pperierten. Der Markt war am ersten Tage beendet. Auf den Lägern kam vor dem Markte wegen Verspätung der Zufuhren kein nennenz— werther Abschluß zu stande und das Geschaͤft entwickelte sich erst gestern und heute in ruhigerer Weise als am offen Markte, wobei auch größere Posten zu Kammzwecken umgesetzt wurden. — Der Ab⸗ schlag betrug 4-10 M per Zentner; es wurden bezahlt für Land wollen 82==-95 4, für mittelfeine Stoff und Kammwollen 105 bis 115 4. Vereinzelte feinere Stoff- und tuchartige Wollen erzielten höhere Preise; ungewaschene Wollen 42 — 45 ½ς. Die Zufuhren be—⸗ trugen inklusive ungewaschener Wollen: zum öffentlichen Markte etwa 79000 Ztr,, zu den Lägern etwa 25 000 Itr., d. i. zufammen mit den alten Beständen von etwa 3000 Ztr. etwa 35 006 Ztr. oder etwa S000 tr. weniger als im ben n Jahre.
Aut Lübeck berichtet W. T. B.“ vom dortigen Wollmarkt: Die Anfuhr betrug 4606 Ztr., 100 Ztr. mehr als im vorigen Jahr. Der Preisabschlag betrug für den Jentner 5 — 10 60 gegen voriges Jahr; von Händlern und nordischen Fabrikanten, welche Käufer waren, wurde für Kluftwollen 89 — 90, für Mittelprobe 90 — 100, für mittel- feine 100 — 118 gezahlt.
— Wie die „Frkf. Ztg.“ aus Heidelberg meldet, hat die gestrige außerordentliche Heneralversammlung der Heidelberg Speperer Eisen bahn-Gesellschaft einstimmig den Verkauf . an die Badische Staats-Eisenbahnverwaltung
eschlossen.
Magdeburg, 29. Juni. (W. T. B) Zuckerbericht. Kornzucker exkl., von 92 . — — neue 13,50, Kornzucker exkl. S8 / Rendement — —, neue 12, 80, Nachprodukte exkl., 75 , Fendement 2:85. Ruhig. Brotraffinade J. 25, 50, Brotraffinade II. 25, 25, Gem. Raffinade mit Faß 25.350, Gem. Melis J, mit Faß A, 12. Stetig. Rohzucker. J. Produkt Transtto f. a. B. Hamburg pr. Juni 12,55 bez., 125523 Br., pr. Juli 12,90 bez, 12,5525 Br., pr. August 12,56 bez. . Br., pr. Oktober ⸗Dezember 11,30 Gd., 11,35 Br. Ruhig,
etig.
Leipzig, 20. Juni. (W. T. B.) Kam mzug⸗-Termin⸗ handel. La Plata Grundmuster B. per Juni 335 „6, per Jult 3.35 66. per August 337 S6, ver September 3, 40 Æ, per Oktober 40 A6, per November 3,429 , per Dezember 3.424 M, ver Januar 345 M, per Februar 3477 Mü, ver März 356 S, per April 3, 50 4, per Mat — 1 25 000 kg.
Mann heim, 29. Juni. (W. T. B.) Produktenmarkt. Weizen pr. Juli 1490, pr. Nov. 1420, pr. März 1465. Ro gen pr. Juli 12440, pr. Nov. 1289, pr. März 13,15. Hafer per Juli 14.00, pr. Nov. 1200 pr. März 12,70. Mais pr. Juli 16, 10, pr. Nov. 10. 40, pr. März 16,80.
Brem en, 20. Juni. (B. T. B.) Börsen - Schlußbericht.
Rafsiniertes P et roleum. (Offizielle Notierung der Bremer Petroleum⸗ Börse) Ruhig. Loko 475 Br. — Baum wolle. Ruhig. Upland middling, leko 387 5. — Sch mali. Fest. Wilcox 366 8, Armour shield 36 3, Cudahy 37 3, Fairbanks 315 3. — Speck. Fest. Short clear middling loko 34. — Wolle. Umsatz 119 Ballen. L Taback. Umsatz: 55 Faß Virginy, 57 Faß Kentucky, 1138 Packen St. Felix. Wien, 20. Juni. (W. T. B.) Die „Wiener Ztg.“ veröffent⸗ licht eine Bekanntmachung der Direktion der Staatsschuld, wonach der Dienst der 11 Millionen Mark 4prozentiger Prioritäten und der gauszugehenden 70 Millionen Kronen , . rioritãten der Oesterreichischen Lokal⸗-Eisenbahn⸗Gesellschaft vom Staat übernommen worden und der Staat für diese Prioritäts⸗ Anleihen als Selbstschuldner eingetreten ist.
Ausweis der österreichitschen Staatsbahnen. Laut Transporteinnahmeauweis betrugen die Gesammteinnahmen im Monat Mai 7280 983 Fl., also um 480 147 Fl. mehr als im Mai 1893. Die Einnahmen vom 1. Januar bis 31. Mai d. J. ergaben 33 045 707 Fl. um 3 453 247 Fl. mehr als in der gleichen Periode des Jahres 1893.
Ausweis der Südbahn in der Woche vom 11. bis 17. Juni 817 868 Fl., Mindereinnahme gö1 Fl.
Pe st, 20. Juni. (WB. T. B) ,,,, Wehen ruhig, per Jum 6, 95 Gd., 706 „vr. Herbst 7,04 Gd. „06 Br. Roggen pr. Herbst 5,9 Gd., 5,41 Br., Hafer pr. Herbfl „7! Gd.i, ö, J5 Br. Mais pr. Juni 4,73 Gd., 4375 Br., pr. . 4,74 Gd., 4376 Br. Kohlraps pr. August⸗September Eine von etwa 300 Getreidehändlern Pest's und der Provinz besuchte Versammlung beschloß, den diesjährigen Saatenmarkt in Wien nicht zu besuchen. Gleichzeitig wurde ein Comité gewählt zur Agitation gegen den Wiener Saatenmarkt. .
London, 20. Juni. (W. T. B.) An der Küste 7 Weizen⸗ la dungen angeboten. — ö
96560 Japazucker loko 14 ruhig. Rüben⸗Rohzucker loko 125 matt. — Chile⸗Kupfer 38 pr. 3 Monat 383.
Am ster dam, 20. Juni. 96 T. B.) Java⸗Kaffee good ordinarv 51. — Bankazinn 433. .
Belgrad, 20. Junl. (W. T. B.) Die Verhandlungen zwischen dem 3 und den die auswärtigen Staatsgläu⸗ biger vertretenden Bankdirektoren . beendet. Das Protokoll soll
morgen unterzeichnet werden. Die serbische Nationalbank wird vom 13. Ein ab den Kassendienst vermitteln.