Einladung
zum Wettbewerb um den Preis der ersten Michael Beer'schen Stiftung Fa dem Gebiet der Bild⸗ auerei
für das Jahr 1895.
Der Wettbewerb um den Preis der ersten Michgel Beer schen ien für Maler und Bildhauer jüdischer , en wird hiermit für das Jahr 1895 für Bildhauer eröffnet.
Die Wahl des darzustellenden Gegenstandes bleibt dem eigenen Ermessen des Konkurrenten überlassen. Die Kom⸗ position kann in einem runden Werk oder einem Relief, in Gruppen oder in einzelnen Figuren bestehen, nur muß dieselbe ganze Figuren enthalten und zwar für runde Werke 6 unter einem Meter; das Relief aber soll in der Höhe nicht 1 70 em und in der Breite nicht unter einem Meter messen.
Die kostenfreie Ablieferung der Konkurrenzarbeiten nebst schriftlichem Bewerbungsgesuch an den Senat der König— lichen Akademie der Künste muß bis zum 4. Mai 1895, Nach⸗ mittags 3 Uhr, erfolgt sein.
Es haben außerdem die Konkurrenten gleichzeitig ein⸗
zusenden:
1) eine in Relief ausgeführte Skizze, darstellend: „Nach gethaner Arbeit ist gut ruhn“;
2) einige Studien nach der Natur, die zur Beurtheilung des bisherigen Studienganges des Bewerbers dienen können;
3) eine amtliche Bescheinigung, aus der hervorgeht, daß der Bewerber zur Zeit der Einsendung ein Alter von 22 Jahren erreicht, jedoch das 32. Lebensjahr noch nicht überschritten hat und daß derselbe sich zur jüdischen Religion bekennt;
4) eine Bescheinigung darüber, daß der Bewerber seine Studien auf einer i . Akademie gemacht hat;
ö einen Lebenslauf, aus dem insbesondere der Studien— gang des Konkurrenten ersichtlich ist;
6), eine schriftliche Versicherung an Eidesstatt, daß die eingereichten Arbeiten von dem Bewerber selbst erfunden und ohne fremde Beihilfe ausgeführt sind.
Eingesandte Arbeiten, denen die vorstehend unter 3 bis 6 aufgeführten Schriftstücke nicht vollständig beiliegen, werden nicht berücksichtigt. .
Der Preis besteht in einem Stipendium von 2250 M6 zu einer Studienreise nach Italien unter der Bedingung, daß der Prämiierte sich acht Monate in Rom aufhalten und über seine Studien vor Ablauf der ersten sechs Monate an die Akademie Bericht erstatten muß.
Der Genuß des Stipendiums beginnt mit dem 1. Ok— tober 1895.
Die Zuerkennung des Preises erfolgt im Monat Mai 1895.
Berlin, den 11. Oktober 1894.
Der Senat der Königlichen Akademie der Künste, Sektion für die bildenden Künste. C. Becker.
Einladung
zum Wettbewerb um den Preis der zweiten Michael Beer'schen Stiftung auf dem Gebiet der Malerei
für das Jahr 1895.
Der Wettbewerb um den Preis der zweiten Michael Beer'schen Stiftung, zu welchem Bewerber aller Kon⸗ fessionen zuzulassen sind, wird hiermit für das Jahr 1895 für Maler aller Fächer eröffnet.
Die für die Preisbewerbung bestimmten Bilder müssen in Oel ausgeführt sein; die Wahl des darzustellenden Gegen⸗ i, bleibt dem eigenen Ermessen des Konkurrenten über⸗ lassen.
Die kostenfreie Ablieferung der Bilder nebst schrift— lichem Bewerbungsgesuch an den Senat der Königlichen Akademie der Künste muß bis zum 4. Mai 1895, Nachmittags 3 Uhr, erfolgt sein.
Es haben außerdem die Konkurrenten gleichzeitig ein⸗ zusenden:
I) mehrere Studien nach der Natur, sowie event. Kom⸗ positionsskizzen eigener Erfindung, die zur Beurtheilung des bisherigen Studienganges des Bewerbers dienen können;
2) eine amtliche Bescheinigung, aus der hervorgeht, daß der Bewerber zur Zeit der Einsendung ein Alter von 2 Jahren erreicht, jedoch das 32. Lebensjahr noch nicht überschritten hat;
3) eine Bescheinigung darüber, daß der Bewerber seine Studien auf einer deutschen Akademie gemacht hat;
4) einen kurzen Lebenslauf, aus dem der Studiengang des Konkurrenten ersichtlich ist;
5) eine schriftliche Versicherung an Eidesstatt, daß die eingereichten Arbeiten von dem Bewerber selbst erfunden und ohne fremde Beihilfe ausgeführt sind.
Eingesandte Arbeiten, denen die vorstehend unter 2 bis 5 aufgeführten Schriftstücke nicht vollständig beiliegen, werden nicht berücksichtigt.
Der Preis besteht in einem Stipendium von 2250 S zu einer einjährigen Studienreise nach Italien unter der Be— dingung, daß der Prämiierte sich acht Monate in Rom auf⸗ halten und über seine Studien vor Ablauf der ersten sechs Monate an die Akademie der Künste unter Beifügung eigener Arbeiten Bericht erstatten muß.
Der Genuß des Stipendiums beginnt mit dem 1. Ok⸗ tober 1895.
Die Zuerkennung des Preises erfolgt im Monat Mai 1895.
Berlin, den 11. Oktober 1894.
Der Senat der Königlichen Akademie der Künste, Sektion für die bildende Künste. C. Becker.
Abgereist:
Seine Excellenz der Präsident des Reichsbank⸗-Direktoriums, Wirkliche Geheime Rath Dr. Koch.
Aichtamtliches.
Dentsches Reich.
Prenßen. Berlin, 22. Oktober.
Seine Majestät der Kaiser und König nahmen am Sonnabend früh von 9 Uhr an im Neuen Palais den Vortrag des Chefs des Militärkabinets entgegen. Um 12 Uhr
hatte eine Deputation des Bundes der Landwirthe der Provinz Ostpreußen, bestehend aus den Herren von der Groeben⸗ Arnstein, von Simpson⸗Georgenburg, Heller⸗Peitschendorf und von Steegen⸗Kl. Steegen die Ehre, Seiner Majestät eine Adresse überreichen zu dürfen. Hierbei waren der Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg, der Minister für Landwirthschaft, Domänen und k von Heyden und der Chef des Zivilkabinets, Wirkliche eheime Rath Dr. von Lucanus zugegen.
Am heutigen Geburtstage Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin hatten die hiesigen öffentlichen und zahlreiche Privatgebäude Flaggenschmuck angelegt.
Seine Majestät der König Alexander von Serbien ist, wie „W. T. B.“ meldet, am Sonnabend Abend kurz vor 9 Uhr mit seinem Gefolge und dem Ehrendienst von der Wildparkstation über Berlin nach Wien abgereist. Seine Majestät der Kaiser und König und Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich gaben dem König das Geleit nach dem Bahnhof und verabschiedeten Sich daselbst von ihm auf das herzlichste.
Das ‚„Marine⸗Verordnungsblatt“ veröffentlicht nachstehende Allerhöchste Kabinets⸗-Ordre:
Ich bestimme in Erweiterung Meiner Ordre vom 24. September 1889, daß die etatsmäßigen Feldwebel, Wachtmeister und Stabs⸗ hoboisten Meiner Marine künftig, außer auf der Jacke bezw. dem Waffenrock, auch auf dem Ueberzieher, — bei der Marine⸗Infanterie auf dem Mantel, Arbeitsrock und Schiffsrock — ein besonderes Ab⸗ zeichen zu tragen haben und zwar auf dem Ueberzieher (Mantel) eine 5 mm vor der Unteroffizierborte auf der Kragenpatte angebrachte zweite ebensolche Borte, auf dem Arbeits und Schiffsrock eine 5 mm oberhalb der Unteroffizierborte um den Unterärmel laufende zweite ebensolche Borte. Sie haben hiernach das weitere zu veranlassen. Jagdschloß Rominten, den 2. Oktober 1894. Wilhelm. In Ver tretung des Reichskanzlers: Hollmann. An den Reichskanzler (Reichs⸗arineamt).
Dem Bundesrath sind der Etat für das Auswärtige Amt, die Etats für die Verwaltung des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine, der Etat für das Reiche-Schatzamt, der Etat der Reichsschuld und die Voranschläge der Einnahmen des Reichs an Zöllen, Verbrauchssteuern und Aversen sowie an Stempelabgaben für das Etatsjahr 1895,96 zugegangen.
Die Herbstsitzung des Kolonialraths wurde nach drei— tägigen Verhandlungen am 20. d. M. bis auf weiteres ver— tagt. Am Vormittag wurde der dem Kolonialrath zur Begut⸗ achtung vorgelegte Etatsentwurf für Deutsch⸗Ostafrika erledigt. In der Generaldiskussion wurde namentlich die Frage der Vorbildung der in den Kolonien zur Verwendung gelangenden Beamten erörtert und dabei auch angeregt, ob es nicht angängig sei, einen eigenen Beamtenstand . für den Dienst in den Schutzgebieten heranzubilden. Von einer Seite wurde in erster Linie auf eine bessere sprachliche Vor— bildung der Beamten Gewicht gelegt und vorgeschlagen, daß alle Beamten vor ihrer Entsendung in die Kolonien sich auf dem Drientalischen Seminar oder auf einer ähnlichen Anstalt die Kenntniß wenigstens einer in den Kolonien gesprochenen Sprache anzueignen hätten. Die Kenntniß dieser Sprachen möge nach englischem Vorbilde durch Ge⸗ währung besonderer Prämien gefördert werden. Von anderer Seite wurde demgegenüber hervorgehoben, daß von den Be⸗ amten und auch von den Offizieren in erster Linie weniger Sprachkenntnisse auf wissenschaftlicher Grundlage als Verständniß und Interesse für die wirthschaftliche und kommerzielle Entwickelung unserer Schutzgebiete zu fordern seien. Der Vorsitzende machte auf die Schwierigkeiten der Heran⸗ ziehung eines eigenen Kolonialbeamtenstandes aufmerk— sam, welche wesentlich darin beständen, daß in den meisten unserer Kolonien die Beamten aus klimatischen Rücksichten nur eine beschränkte Anzahl von Jahren thätig sein könnten, und daß sie daher in ihre ehemalige Berufsstellung früher oder später zurückzutreten genöthigt seien. Die sprach⸗ liche Vorbildung werde im Auswärtigen Amt im Auge be⸗ halten; wolle man dieselbe aber obligatorisch machen, so würde man für jede Kolonie und sogar für jedes einzelne Sprachgebiet innerhalb derselben eigene Bewerber für die Beamtenstellen annehmen müssen, was zur Zeit auf nicht unbedeutende technische Schwierigkeiten stoßen würde. Die Angelegenheit wurde darauf einem besonderen Ausschusse zur weiteren Be⸗ rathung überwiesen. In der Spezialdebatte wurde der Eifer der deutschen Behörden bei Bekämpfung des Sklavenhandels seitens des Kolonialraths lobend hervorgehoben. Nach Mittheilung eines Mitgliedes hat ein seit zwanzig Jahren in Ost⸗Afrika thätiger Missionar offen ausgesprochen, daß keine andere Macht ein so energisches Be⸗ mühen bei Durchführung der Brüsseler Akte zeige. Weiterhin wurde das Verhalten gegenüber der muhamedanischen Bevölkerung, die . der Eingeborenen zum Dienst in der Schutztruppe und die strafrechtliche Be⸗ handlung der Indier erörtert. Nachdem ein Antrag des Fürsten zu Hohenlohe⸗-Langenburg, dem Institut Colonial In⸗ ternational zur Begründung einer internationalen kolonialen Bibliothek aus den für wissenschaftliche Zwecke des Aus⸗ wärtigen Amts bereiten Mitteln einen jahrlichen Zuschuß zu gewähren, einstimmig Annahme gefunden hatte, wurde in die Berathung der ostafrikanischen Eisenbahn⸗ frage eingetreten. Auf den Vortrag des Berichterstatters Herrn Vohsen einigte sich die Versammlung auf eine Reihe von vorberei⸗ tenden Anträgen, welche wesentlich darauf hinausgingen, der Regierung zu empfehlen, gemeinschaftlich mit den Ver⸗ tretern der interessierten Privatgesellschaften die Vor⸗ arbeiten zur Feststellung der besten Tracen nach den Seen aufzunehmen. Der Kolonialrath gab zugleich der Meinung Ausdruck, daß die Ausführung der Bahnen regierungsseitig durch Landverleihungen und durch Garantierung einer , , aus den Zolleinnahmen gefördert werden müsse. ls letzter Punkt der Tagesordnung wurde die Frage der Regelung des Grunderwerbs in Ost⸗Afrika
behandelt, Bei der Schwierigkeit dieses Gegenstandes und der Neichhaltigkeit des in der vorgelegten Denkschrift enthaltenen Materials hielt der Kolonialrath es für angezeigt, die Angelegenheit zunächst einem Ausschuß zur Vorbereitung zu überweisen.
Durch Allerhöchsten Erlaß vom 27. August d. J. war der Zusammentritt des Kommunal-Landtags der Kurmark zu einer außerordentlichen Tagung behufs Berathung eines neuen Reglements für die Land⸗Feuersozietät der Kurmark Brandenburg, des Markgrafthums. Niederlausitz und der Distrikte Jüterbog und Belzig K und der Landtag zum 19. Oktober cr. einberufen worden. Der . Geheime Regierungs⸗Rath und Landrath von Winterfeldt auf Menkin im Kreise Prenzlau eröffnete den außerordentlichen Landtag mit einem Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König, in das die Versammlung dreimal lebhaft einstimmte. Die von dem 66. Kommunal-Landtag vorgenommenen Wahlen des gegenwärtigen Vorsitzenden und dessen Stellvertreters Majors a. D., Rittergutsbesitzers von Bredow auf Buchow— Carpzow im Kreise Osthavelland haben unter dem 19. Februar d. J. die Allerhöchste Bestätigung gefunden. Nach Konstituierung des Landtags und Berufung des Abgeordneten der Stadt Brandenburg, Bürgermeisters Hammer, zum Protokollführer trat der Landtag in die Berathung der ihm allein gewordenen Vorlage ein. Der von der General⸗Direktion vorgelegte Entwurf ist von dem 1. Ausschuß des Landtags in der eingehendsten Weife vorgeprüft worden und hat meist redaktionelle, zum theil aber auch materielle Aen— derungen, immer aber in einer Richtung zu Gunsten der Ver⸗ sicherungsnehmer, erfahren. Insbesondere ist die Entschädigungs—⸗ pflicht ber Sozietät in der allerliberalsten Weise ausgestaltet worden. Der Landtag schloß sich diesem Gutachten seines Ausschusses durchgängig an. In der Sitzung vom 29. d. M. schloß der Vorsitzende den Landtag mit einem Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König, in das die Versammlung dreimal begeistert einstimmte.
Der Präsident des Reichsbank⸗Direktoriums, Wirkliche Geheime Rath Dr. Koch ist bis Ende dieser Woche in Dienst— angelegenheiten verreist.
Laut telegraphischer Mittheilung an das Ober⸗Kommando der Marine ist S. Pt. S. „Stein“, Kommandant Kapitän zur See von Wietersheim, am 19. d. M. in Gibraltar eingetroffen und beabsichtigt von dort nach Neapel weiterzugehen; S. M. S. „Arcona“, Kommandant Kapitän zur See Hofmeier, ist am 19. und S. M. S. „Alexandrine“, Kommandant Korvetten-Kapitän Schmidt, am 20. d. M. in Chefoo eingetroffen; S. M. S. „Condor“, Kommandant Korvetten-Kapitän Broeker, ist am 20. und S. M. S. „Cormoran“, Kommandant Korvetten-Kapitän Brinckm ann, am 21. d. M. in Plymouth eingetroffen; S. M. S. „Condor“ beabsichtigt die Reise am 25. nach Tanger und S. M. S. „Cormoran“ am 24. d. M. nach St. Vincent fortzusetzen; S. M. S. „Loreley“, Kommandant Korvetten ⸗Kapitän Grolp, ist am 21. d. M. in Noworossisk eingetroffen und setzte am folgenden Tage die Reise nach Poti fort; S. M. S. Gneisen au“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän da Fonseca⸗ Wollheim, ist am 21. d. M. in Funchal (Madeira) ein— getroffen.
Hessen. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Heinrich von Preußen ist vorgestern Abend von Darmstadt nach Potsdam abgereist.
Oesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser und die Kaiserin trafen gestern Nach— mittag aus Gödöllös in Budapest ein und wurden auf den Straßen vom Publikum enthusiastisch begrüßt.
Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht die Enthebung des österreichisch⸗ ungarischen Gesandten für Schweden und Norwegen Freiherrn von Pfusterschmid von seinem Posten und gleich⸗ zeitig dessen n . in den Ruhestand unter dem Ausdruck der Anerkennung für die geleisteten Dienste.
Der türkische Botschafter . ascha ist nach Budapest abgereist, um dem Kaiser sein Abberufungsschreiben zu überreichen.
Das Wiener „Fremdenblatt“ bespricht die Erkrankung des Kaisers von Rußland mit Worten des innigsten Be⸗ dauerns, hebt die Charaktereigenschaften des Kaisers, nament— lich dessen strenge Pstichttreue, Geradheit und Loyalität hervor, erwähnt die lebhaften Sympathien, die sich in Wien für den Kaiser Alexander kundgegeben hätten, und fährt fort: „Von jeher verbanden den Zaren , Beziehungen mit unserm Kaiser, Beziehungen, die niemals getrübt wurden, auch nicht in jenen durch den Gang der politischen Ereignisse herbeigeführten ernsten Momenten, über die glücklich hinwegzukommen den Bemühungen beider Negierungen schließlich gelungen ist. Zu diesem Erfolge hat das Gefühl der Freundschaft und persönlichen Hochachtung, das beide Monarchen einander widmen, nicht wenig beigetragen. Kaiser Alexander hat durch seine unerschütterliche Friedens—⸗ liebe sich ein großes unvergänaliches Verdienst um ganz Europa erworben.“ Zum Schluß . das Blatt der Hoff⸗ nung Ausdruck, daß eine glückliche Wendung bei der Krank⸗ heit des Zaren immerhin noch möglich sei, was nicht nur in Rußland, sondern überall und besonders in Oesterreich⸗Ungarn mit aufrichtiger Freude begrüßt werden würde.
Die „Politi . nor r Ten. erfährt von kompetenter Seite, die Theilnahme , an den von der englischen Regierung angeregten Maßregeln zum Schutz der in China . Fremden sei mit Nücksicht auf die geringe Zahl der dortigen österreichisch-ungarischen Staats angehörigen nicht in Aussicht genommen, dagegen werde beabfichtigt, dahin zu wirken, daß vorkommenden Falls die Oesterreich⸗ Ungarn befreundeten Mächte ihren Schutz auch auf die österreichisch⸗ungarischen Staatsangehörigen ausdehnten.
Vorgestern Nachmittag fand in dem Ministerium des Innern eine abermalige, vollkommen vertrauliche Be= sprechung zwischen den Mitgliedern der dee garn ri und den Sb männern der konglierten Parteien statt; für
die n. der Berathung wurde einer der nächsten Tage in Aussicht genommen
In Brünn wurden in der Nacht zum Sonntag an Ge⸗ bäuden und an Bäumen der öffentlichen Anlagen Flugzettel mit der Aufschrift: „Heraus mit dem allgemeinen Wahlrecht“ an⸗ geschlagen. Die Polizei beschlagnahmte 7090 Flugzetiel und verhaftete 23 Personen, die beim Ankleben von solchen betroffen wurden. Derartige Zettel wurden auch in Ostrau und Privoz angeschlagen.
Gegenüber den verschiedenen Gerüchten über die Finanz⸗ pläne Fer unggrischen Regierung versichert eine Buda— pester Meldung der „Politischen Korrespondenz“, daß für das Jahr 1895 lediglich die Anleihe für die Regulierungsarbeiten am Eisernen Thor geplant sei; das Inslebentreten des Handels⸗ monopols für Branntwein sei für das Jahr 1896 in Aussicht genommen. .
9 Das ungarische Unterhaus nahm am Sonnabend ohne Debatte den vom Oberhause amendierten Gesetzentwurf über die Religion der Kinder an. Am Schluß der Sitzung brachte der Abgeordnete Pechy eine Interpellation über die die Konkurrenz der ungarischen Mühlen schädigenden . für rumänischen Weizen ein. Der Minister⸗Präsident Vr. Wekerle erwiderte, er werde die Inter⸗ pellation beantworten, sobald er die nothwendigen Daten besitzen werde, er wolle aber schon jetzt erklären, daß die Einführung aus⸗ ländischen Getreides für das Appreturverfahren nicht ein Pri— vilegium einzelner Mühlen bilde, sondern von jeder Mühle unter den gleichen Bedingungen verlangt werden könne. Daß in dem letzten Jahre ungarisches Mehl nicht habe exportiert werden können, sei dem Umstand zuzuschreiben, daß dem Mehl⸗ import in Deutschland dadurch Schwierigkeiten bereitet worden seien, daß man den Nachweis der Provenienz gefordert habe. „Sobald der Mehlexport nach Deutschland wieder ermöglicht war“, hob der Minister weiter hervor, „hörte sofort das Haupt⸗ hinderniß auf, das in der ersten 31 dem Export im Wege stand. Daß dieser auch bisher kein bedeutender war, ist der ausländischen Konkurrenz sowie anderen Umständen zuzu⸗ schreiben. Die Niedrigkeit der Getreidepreise ist ein Uebel, dem wir einseitig nicht zu steuern im stande sein werden. Wir können die Getreidezölle nicht erhöhen, uns die Welt— konkurrenz nicht verschließen. Es giebt keine andere Remedur, als die Erhöhung des inneren Konsums. Ich hoffe, der innere Konsum Ungarns und der Monarchie wird sich schon in naher Zukunft soweit heben, daß die Finn ob wir als Getreide aus— führendes Land eine Rolle spielen oder nicht, für uns immer mehr an Bedeutung verlieren wird, und wenn uns in unserer ökonomischen Entwickelung nicht größere Rückfälle hindern, werden wir zu jenen Staaten und jenen Zollverbindungen ge⸗ hören, die als Exporteure auf dem Gebiete des Getreides eine sehr kleine Rolle spielen und das Schicksal ihres Getreide— handels auf den eigenen Konsum basieren.“
Frankreich.
In der vorgestrigen Sitzung der Budget⸗-Kommission legte, wie die „Köln. Itg.“ erfährt, der Marine-Minister Felix Faure die Verhältnisse dar, die das Budget der Marine in Frankreich gegenüber andern Staaten biete. Italien, Oesterreich und Deutschland hätten in der Zeit von 1884 bis 1894 die Bewilligungen für die Marine um 97 Millionen erhöht, England um 175 Millionen, wogegen für Frankreich die Steigerung bloß 62 Millionen betrage. Er sei zwar ge— neigt, Kürzungen vorzunehmen, jedoch unter der Bedingung, daß der Posten „Schiffbau durch die ee nne fn. auf wenigstens 4M Willionen gebracht werde.
Der Handels⸗Minister Lourties ist vorgestern in Lyon eingetroffen. Bei seinem Empfange hob der nf nnn der Handelskammer in einer Ansprache die Bedeutung des Handels von Lyon hervor und sprach den Wunsch aus, daß dem Handel die größtmögliche Freiheit gewährt werden möge, falls es nicht angängig sein sollte, zum Frei⸗ handelssystem überzugehen. Der inister Lourties wies in seiner Erwiderung darauf hin, daß in dem frei⸗ händlerischen Nachbarlande eine Verringerung der Steuer⸗ erträge bemerkbar sei, und erklärte, das gegen⸗ wärtige Zollsystem sei ein aus der Erfahrung hervorgegangenes, das man in gebührender Weise erproben müsse. Hierfür sei eine Beständigkeit des Zollsystems erforderlich; es müßten durchaus zwingende Gründe sein, um Aenderungen daran vor— zunehmen. Gestern fand in dem dortigen großen Theater die keierliche derth erung der Auszeichnungen für die Aus— stel ler statt, wobei der Minister Lourties den Vorsitz führte. Er widmete Carnot Worte der Erinnerung, hob sodann den Erfolg der Ausstellung hervor, welche die industrielle Ueber⸗ legenheit Lyons und des Bezirks erwiesen habe und versicherte, das Bestreben der Regierung sei auf die gesellschaftliche Soli⸗ darität zum Besten der Arbeitenden gerichtet, die das Unter⸗ pfand des Friedens der Völker sei.
Rußland.
Das am Sonnabend Abend um 8 Uhr 40 Minuten in St. Petersburg ausgegebene Bulletin über das Befinden des Kaisers lautet:
Im Laufe der verflossenen 24 Stunden schlummerte der Kaiser etwas und verließ im Laufe des Tages das Bett. Der Zustand, die Kräfte und die Herzthätigkeit sind dieselben. Das Oedem ist nicht stärker geworden.
Leyden. Sacharjin. Hirsch. Popow. Weljaminow.
Gestern Abend um 8 Uhr 50 Minuten wurde das folgende Bulletin ausgegeben:
In den letzten 24 Stunden schlief der Kaiser etwas mehr und stand wie gewöhnlich auf. Der Appetit und das Selbstgefühl sind etwas besser; im übrigen ohne Veränderung. ;
Leyden. Sacharjin. Hirsch. Popow. Weljam inow.
Dem Wiener „Fremdenblatt“ juggffngene authentische Nittheilungen besagen, daß der Kaiser Alexander, obwohl lin Zustand thatsächlich sehr bedenklich sei, stundenlang außer Bett bleibe und sogar im Zimmer auf- und abgeh, Ferner wird dem re e brut! berichtet, daß der Großfürst Bladimir am Donnerstag im Augenblick seiner Abreise von Paris eine Depesche von dem Großfürsten⸗Thronfolger mit der Mittheilung erhalten habe, der Kaiser habe an diesem Tage am Dejeuner theilgenommen. .
Die „Kölnische Zeitung“ meldet aus St. Petersburg: Die ie n Alix von Hessen werde mit dem Großfürsten und der Großfürstin Sergius voraussichtlich heute Abend in Livadia eintreffen. Es werde in St. Petersburg nach wie dor an der Ueherzeugung festgehalten, daß die Reise die baldige Trauung der een ff mit dem Großfürsten⸗Thronfolger er⸗ möglichen salle. .
In München, Dresden, Wien und London fanden hestern in den russischen Kirchen Gottes dienste statt, bei denen Gebete
für die Gesundheit des Kaisers Alexander gesprochen wurden. Ebenso wurden gestern in allen Kirchen Griechenlands Bittgaottesdienste für den Kaiser von Rußland abgehalten. In der Metropolitankirche zu Athen wohnten die Minister, das diplomatische Korps und eine große Zahl Andächtiger dem Gottesdienst bei. In der russischen Kirche hatten sich der Kronprinz und die Kronprinzessin sowie der russische Admiral Avellane eingefunden. In Paris wurden gestern in den protestantischen Kirchen und den Synagogen Gebete für die Genesung des Kaisers von Rußland verlesen. Der Erzbischof von Paxis hat in sämmtlichen katholischen Kirchen öffentliche Gebete für den Kaiser angeordnet.
Portugal.
Die Erste Kammer hat vorgestern einen Antrag, dem Ministerium ihr Vertrauen zu votieren, mit einer Mehr⸗ heit von 59 Stimmen angenommen.
Wie die Lissaboner Blätter melden, werde die Regierung heute in den Cortes eine Vorlage über die . me einer Anleihe von 12000 Kontos Reis, die für den An— kauf von Kriegsschiffen bestimmt sei, einbringen. Die Anleihe solle durch die Zollgefälle in St. Thoms, Angola und Mozambique garantiert werden.
Belgien.
Bei den gestern vorgenommenen Stichwahlen sind in Brüssel sämmtliche Kandidaten der Katholiken mit einer Mehrheit von etwa 15 000 Stimmen gewählt worden. Die Katholiken feierten ihren Sieg mit großer Begeisterung. In einer Sitzung der konservativen Vereinigung sagte Nothomb, die katholische Partei rette das Land. Beernaert sagte, die Wahl⸗ ergebnisse würden von der ganzen Welt geseiert werden. Die Versammlung rief: „Es lebe der König!“ Alle katholischen Blätter feiern den Sieg ihrer Partei. Nach den aus Tournai eingelaufenen Meldungen sind auch dort 4 Katholiken an Stelle der bisherigen liberalen Abgeordneten, unter denen sich Staats⸗ Minister Bara befindet, gewählt worden. In Charleroi haben nach den bisherigen Meldungen die von den Liberalen unterstützten Sozialisten die Mehrheit. In Lüttich sind liberale Senatoren mit Hilfe der Sozialisten gewählt; in die Kammer sind dort Sozialisten und Progressisten mit liberaler Hilfe gewählt worden. In Huy und Thuin sind Liberale, in Waremme Katholiken gewählt worden. In Verviers haben voraus⸗ sichtlich die von den Liberalen unterstützten Sozialisten die Kammersitze erhalten, ebenso in Soignies. In Nivelles sind nach vorläufiger Feststellung drei Liberale und ein Katholik gewählt worden. Der Minister-Präsident de Burlet ist nicht wiedergewählt worden.
Nach den bis heute früh erfolgten Feststellungen der Stichwahlergebnisse wird die Kammer aus 104 Katholiken, 19 Liberalen, 29 Sozialisten und Nadikalen zusammen⸗ gesetzt sein.
Rumänien.
Der König empfing gestern im Schloß Pelesch den neuernannten österreichisch⸗ ungarischen Gesandten Grafen Wel sersheimb, der sein Beglaubigungsschreiben überreichte, sowie den bisherigen Gesandten Grafen Goluchowski, der sein Abberufungsschreiben übergab. Die bei dem Empfang gewechselten Reden trugen den freundschaftlichsten Charakter.
Asien.
Aus Simla wird dem „Reuter'schen Bureau“ berichtet, daß die Besserung im Befinden des Emirs von Afghanistan fortdauere.
In Shanghai war am Sonnabend von neuem das Ge⸗ rücht verbreitet, daß im Norden von Korea eine Schlacht stattgefunden habe, doch fehlten alle Angaben über Ort und Zeit. Den Londoner Abendblättern von vorgestern zu⸗ folge hätte der Kampf am NYaluflusse stattgefunden. Die Japaner hätten den Fluß überschritten und die Chinesen angegriffen, wären jedoch zurückgeschlagen worden. Die beiderseitigen Verluste wären sehr groß. Die Chinesen erklärten, daß sie keinen 56 davongetragen, jedoch ihre Positionen behauptet hätten. Die Nachricht ist anderweitig nicht bestätigt.
Vier zum chinesischen Sädgeschwader gehörende Kriegsschiffe, ferner zwei Panzerschiffe und ein Kreuzer, die in Port Arthur repariert wurden, sind nach einer Meldung des „Reuter 'schen Bureaus“ in Wei-Hai⸗ Wei eingetroffen; die übrigen Schiffe befinden sich noch in Port⸗Arthur; sie bedürfen noch großer Ausbesserungsarbeiten. Die japanische Flotte soll angeblich beständig im Golfe von Petschili patrouillieren.
Dasselbe Bureau meldet aus Jokohama vom Freitag, in der Provinz Chollado hätten sich mehrere Hundert Koreaner gegen die Japaner erhoben. Koreanische und japanische Truppen seien gegen die Aufständischen entsandt worden. Eine japanische Armee von 40 000 Mann unter dem Feldmarschall Oyama sei von Hiroshima in 35 Trans⸗ n ,. abgegangen; die Bestimmung der Armee sei unbekannt.
In der Sitzung des japanischen Oberhauses vom Freitag begründete der Minister-Präsident Graf Ito in längerer Rede die Vorschläge der Regierung über die Deckung der Kriegskosten und vertheidigte Japan gegen den orwurf, den Ausbruch der Feindseligkeiten be⸗ schleunigt zu haben, indem er die vor Abbruch der diplo⸗ matischen Beziehungen mit der chinesischen Regierung ge⸗ wechselten Schriftstücke verlas. Die Rede machte einen roßen Eindruck. Das Haus sprach sich einstimmig für die e ifi n, des Krieges aus und genehmigte die Vorlage wegen Aufstellung eines außerordentlichen Kriegsbudgets von 150 000 000 Yen, das bis zur Höhe von 190 Millionen durch Aufnahme einer Anleihe gedeckt werden solle.
Afrika.
Aus Kairo ist in Paris die Nachricht eingetroffen, die ,, . Regierung gehe dem Vernehmen nach mit dem Blane um, den Khedive zur Anstellung eines engl 9 chen Unter⸗ Staatssekretärs im , , Mini Innern zu bewegen. .
Nach einer Meldung des „Reuter schen Bureaus“ aus Kapstadt wird der bun che Kreuzer Philomel“ heute von dort nach der Delagoa⸗Bai abgehen. Das Kanonenboot
„Magpie“ wird dorthin folgen.
terium des
Theater und Musik.
Königliches Schauspielhaus.
Gestern Abend errang das vieraktige Lustspiel Wie die Alten sung en“ von Kari Niem ann bel seiner ersten Aufführung einen lebhaften, fast stürmischen Erfolg. Der Grund dieser günstigen Aufnahme liegt in der starken gefunden Empfindung und gemüth—⸗ vollen Stimmung, die die Handlung durchdringen; ein warmes Gefühl, findet eben im Herzen der Zuhörer stets einen unmittelbaren Widerhall und ruft mehr aufrichtige Theil⸗ nahme wach als die klügsten Gedanken und geistvollsten Spitzfindigkeiten, die sich nur an den Verstand eines begrenzten Theils des Publikums wenden können. Damit soll nicht gesagt werden, daß es dem Stück an klugen Gedanken gebricht; auch diese kommen an dem geeigneten Orte zum Ausdruck. Stärker aber war die Wir⸗ kung auf das Gemüth, das bewegt wurde durch die Liebesgeschichte des Dessauer. Fürstensohns Gustav zur schlichten Bürgere— tochter Sophia. Herre, und durch das noch immer frische und fröhliche Eheglück des fürstlichen Paters, des alten Dessauers, und seiner klugen Annalise. Das Stück ist fast ein Loblied auf das Familien⸗ leben, das sich innig und einfach, fern vom Geräusche der Welt, im Schloß und im Bürgerbause entfaltet; ja, der Verkehr zwischen dem fürstlichen Hause und den Dessauer . wird nur verständlich aus der Grundlage des 1, Familiensinns, der allen innewohnt. Die handelnden Personen sind schlicht und anschaulich gezeichnet wie der starrköpfige und ehrenfeste Brauherr Christian Herre, und sein alter, geistliche Lieder singender Vater, der seine Enkelin Sophia eine Neumodische‘ nennt, weil sie . Sentiments hat, die sich seine Frau einst nicht erlaubte. Breit und kraftvoll stebt die Figur des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessan im Vordergrund, in seiner trotzigen, aulbrausenden Willkür, seiner Frömmigkeit, seiner Neigung zu derben Späßen und seiner herzlichen Treue zu seiner Annalise. Er läßt die Schuljungen sich um Aepfel balgen, streitet mit der red⸗ seligen und eigensinnigen Aepfelfrau auf dem Markt und regiert beim Barbieren inmitten seiner Familie. Diese Familien⸗ und Regierungsscene des dritten Akts entfesselte herzliche Heiterkeit und lebhaften Beifall. Das junge Liebespaar, der Erbprinz Gustav und Sophia Herre, das so rh , wie die Alten sungen“, bringt anmuthige und zärtliche Bilder in die Handlung. Eine große Rolle spielt die alte Obst⸗ händlerin Hanne; sie vertritt unter ihrem aufgespannten Regenschirm gleichsam die öffentlich Meinung dem Fürsten gegenüber und den öffentlichen Anzeiger in Familienangelegenheiten den Bürgern gegenüber. Frau Schramm erregte in dieser Rolle große Heiterkeit; die überrunde kleine Gestalt wälzte sich schwerfällig und würdevoll von ihrem Sitz berunter; das verwitterte Gesicht glänzte von Neugier und Gutmüthig- keit und nahm einen ebenso komischen wie resoluten Ausdruck an, wenn sie dem Fürsten ihre Meinung sagte, oder wenn sie vor Eifer und unbefriedigter Neugier zitterte und flog. Als Fürstin Annalise vereinigte Frau Kahle natürliche Würde und schalkhafte Herzlichkeit, die besonders im Gespräch mit ihrem Gemahl im Kreise ihrer . fein und wahr wirkte. Fräulein Sauer sah als Soyphia ieblich aus und spielte mit Anmuth; Fräulein Plan (Cleo nore) kam über eine schablonenhafte Lustigkeit nicht hinaus. Herr Molenar besitzt die für die Wiedergabe des alten Dessauers nöthige imponierende Gestalt und Stimme; der derbe Ton war gut am Platze, aber in der SFene, in der der Fürst einen Bürgermeister nach seinem Sinn erwählt, übertrieb der Künstler den rauhen Ausdruck des Scherzes. Herrn Kahle gelang die Darstellung des starrköpfigen Brauherrn Herre recht gut. Den alten Vater sang und sprach Herr Vollmer zu großer Erheiterung des Publikums; der Figur des jungen Erbprinzen verlieh Herr Matkowsky warme Empfindung.
Der Vorstellung wohnten Ihre Majestäten der Kaifer und die Kaiserin sowie Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog von Baden und der Prinz und die Prinzessin Heinrich von Preußen bei.
Berliner Theater.
Das Trauerspiel Die Hexe“ von Arthur Fitger, in welchem der Gegensatz zwischen thörichtem Aberglauben und einer bis zum Unglauben gesteigerten philosophischen Weltanschauung behandelt wird, kam am Sonnabend nach sorgsamer Einstudierung mit bestem Er⸗ folge zur Darstellung. Das im Jahre 1875 entstandene, hier von früheren Aufführungen her bereits bekannte Werk (inzwischen hat es auch der dan khen Dper von Enna als Libretto gedient) überrascht auch heute noch durch die Lebendigkeit der dramatischen Entwickelung, die Kühnheit der ug ng, die spannungsvolle Steigerung in der Handlung und die Schönheit der einfachen und energischen Sprache. Das Stück spielt unmittelbar nach Beendigung des dreißigjährigen Krieges. Alle Herzen sind mit Jubel erfüllt über die eben eintreffende Nachricht von der Wiederherstellung des so lange herbeigesehnten Friedens. Da flackern in der von einem Fanatiker aufgeregten Menge die überwunden geglaubten religiösen Zwistigkeiten von neuem auf. Mit Heftigkeit wendet sich die Menge gegen ein junges Mädchen, das in der Trauer um den in den Kriegswirren verloren geglaubten Geliebten Trost in der Be⸗ schäftigung mit den Wissenschasten gefunden hatte und in den Ruf einer Hexe“ gekommen war, und fordert mit blinder Wuth seine Verurtheilung zum Feuertode, als es sich anschickt, mit dem unerwartet wiedergefundenen Geliebten zum Zweck der ehelichen Verbindung die Kirche zu betreten. Als die Braut nun aber in dem Bewußtsein, daß der zurückgekehrte Bräutigam sie nur aus flicht⸗ gefühl zum Altar geleiten will, während seine Liebe nicht mehr ihr, sondern der jüngeren Schwester zugewendet ist, unmittelbar vor dem Eingang zur Kirche nach schweren inneren Kämpfen zu dem Entschluß kommt, zu Gunsten ihrer Schwester zu entsagen und sich vom Gottes⸗ hause wie in plötzlichem Schrecken abwendet, sieht der abergläubische Haufen darin eine Bestätigung seiner Meinung und wirft sich nun mit tödtlichem Haß auf die vermeintliche Zauberin, die nur durch das muthige Dazwischentreten des achtzigjährigen Geistlichen vor körper⸗ lichen Mißhandlungen geschützt bleibt. Die Darstellung war in allen Rollen gut, in einzelnen hervorragend. Fräulein ruf Butze bot als Thalea eine tief durchdachte und warm empfundene Leistung. Als Meisterin der Sprache betonte sie jedes Wort mit vollendeter Kunst und blieb dabei doch immer natürlich und fern von jeder Künstelei. Die wegen des wankelmüthigen Charakters so schwierige Rolle des Edzard wußte Herr Sommerstorff glaubhaft und sympathisch zu gestalten. Mit fast zu großer Lebendigkeit, aber immer lieblich in der Erscheinung und im Spiel gab Frau Gesiner die ahnungslos zur Nebenbuhlerin ihrer Schwester werdende Almuth. Der Jesuit Taver wurde sehr wirksam von Herrn Wehrlin, der achtzigjährige Pfarrer an⸗ gemessen von Herrn Retty, der gelehrte Jude Simeon, Thalea's Lehrer, gut von Herrn Kober und der Trompeter Hubert ganz vor- trefflich von Herrn Nollet gegeben. Die mit anerkennenswerther Sorgfalt angefertigten neuen Dekorationen und Kostüme waren eine nicht unwesentliche Unterstützung für den Erfolg der Aufführung.
; Neues Theater. .
Die erste Aufführung von Eduard Pailleron's Lustspiel Komödianten“ erfreute sich am Sonnabend einer sehr freundlichen Aufnahme. Pailleron's Name hat sich seit dem Erscheinen seines geistvollen und feinsinnigen Lustspiels Die Welt, in der man sich langweilt“ als der eines wirklichen und vornehmen Dichters in das Gedächtniß der Literaturfreunde eingegraben. Seine Stärke als Theaterschriftsteller liegt in der leichten Jronie, mit der er die Menschen und die Welt betrachtet, in der warmherzigen Laune, mit der seine Charaktere und in
gekennzeichnet sind der sprühenden Lebendigkeit seiner gan , n. iese Vor⸗
züge findet man au in den Komödianten! wieder, die sich in einer Welt bewegen, in der man sich nicht langweilt. Ein Kreis von Provengalen, lauter FKünstler oder Gelehrte, aber auch lauter arme Teufel, liefert die Komödianten des wirklichen Lebens, die, gegenseitig durcheinander gestützt und gefördert, mit allen erlaubten Mit ek dem Erfolg nachjagen. Das Treiben dieser talentvollen, jugendfrischen, aber nichts weniger als zartbesaiteten Bohsmiens schildert Pailleron mit großem Wäeffn und mit frischem Humor; ihre Handlungen begleitet er mit witzigen Ausfällen auf die tadelnswerthen modernen Geistesrichtungen und ihre Kampfmethoden,
wobei er in den Vordergrund einen phantasievollen und