Oesterreich⸗ Ungarn.
Die Kaiserin ist aus Wels wieder in Wien n, — Der Erzherzog Karl Ludwig tritt heute seine Reise nach St. Petersburg an, wo er den Kaiser bei den Beisetzungs⸗ feierlichkeiten vertreten wird. Der Fürst von Montenegro empfing gestern den Besuch des Ministers des Auswärtigen Grafen Kaͤlno ky. Die Berathung des Budgets wurde gestern im ung a⸗
rischen Unterhause fortgesetzt. Der Minister⸗Präsident Dr. Wekerle betonte dabei, daß die Regierung in den letzten Jahren keine Ausgabe gemacht habe, die gesetzlich nicht praͤliminiert oder nachträglich nicht genehmigt worden sei, und wies auf den Gesetzentwurf über die Kassenbestände hin; er habe bereits in seinem Exposs festgestellt, daß mehr Gold vorhanden sei, als man zu den ersten
wecken der Valutaoperation bedürfe; er selbst habe aber das
aus stets vor Optimismus gewarnt. Der Minister⸗Präsident erklärte alsdann, er halte das Budget Ungarns für konsolidiert, und hoffe, daß es bei der bisherigen Methode gelingen werde, den . Reformen vom Finanzstandpunkte gerecht zu werden.
Groß;zbritannien und Irland.
In einer gestern in Glasgow gehaltenen Rede theilte, wie „W. T. B. meldet, der Premier⸗Minister Lord Rosebery mit, daß die Regierung in der nächsten Session Gesetzentwürfe über die Trennung der Kirche vom Staat in Wales und Schottland und das Verbot des Verkaufs alko⸗ holischer Getränke vorlegen werde. Die Regierung werde sich in erster Linie mit der Frage der ö beider Kammern beschäftigen, um die Vorherrschaft des Unterhauses herzustellen.
Frankreich.
In der Kreditforderung für die Expedition nach K wird auch die Summe von 3 Millionen für ein Kabel von Mozambique nach Majunga verlangt.
Ruszland.
Gestern trafen der König und der Prinz Georg von Griechenland in St. ͤ ein und wurden vom Kaiser, den Großfürsten Michael Nikolgjewitsch, Sergius Alexandrowitsch, Alexis Michailowitsch, Wladimir Alexandrowitsch, Konstantin Konstan⸗ tinowitsch, der Königin von Griechenland, dem Prinzen Peter von Oldenburg und den Ministern empfangen. Die Ehrenwache bildete eine Kompagnie des Ismailowschen Garde⸗Regiments. Auch die belgische Depu⸗ tation unter Führung des Barons Wikeeslo traf gestern in St. Petersburg ein. . .
Der „Regierungsbote“ veröffentlicht das nachstehende Kaiserliche⸗ Reskript an den General⸗Gouverneur von Moskau Großfürsten Sergius:
„Indem die erste Residenz des Reiches das historische Vermächt⸗ niß treuunterthäniger Ergebenheit den Selbstherrschern Rußlands un⸗ verändert bewahrt, hat sie auch in den jetzigen kummervollen Tagen der Ueberführung der sterblichen Ueberreste des in Gott ruhenden Kaisers Alexander 1III. zu den Moskauer Heiligthümern den treuen Widerhall des tiefen Kummers kundgegeben, der mich und ganz Rußland erfüllt. Ich schöpfe aus den Be⸗ zeugungen heißer iebe zu meinem unpergeßlichen Vater und aufrichtiger Trauer um seinen vorzeitigen Tod erquickenden Trost und fühle das herzliche Bedürfniß, in der Person Eurer Kaiserlichen Hoheit allen Bewohnern der herzlich von mir geliebten Stadt Moskau meinen innigen Dank für ihre Gefühle auszusprechen. Ihr aufrichtig dankbarer und Sie herzlich liebender Neffe Nikolai.“
Um das Andenken seines verewigten Vaters zu ehren, hat der Kaiser angeordnet, daß die Regimenter, deren Chef Kaiser Alexander war, auch fernerhin den Namen des Verstorbenen führen sollen. .
An der Leiche des Kaisers Alexander finden, wie „W. T. B.“ meldet, bis zur Beisetzung täglich um 2 Uhr . und 8 Uhr Abends Trauermessen im Beisein der Kaiserlichen Familie, der Würdenträger, der Hofgesellschaft und der Vertreter der Stände statt. In der Nacht zu gestern begaben sich viele Tausende nach der Peter Pauls⸗Kathedrale,
wo der Zutritt zur Leiche des Kaisers Alexander mit einer
einstündigen Pause für Jedermann gestattet war. Das Publikum wurde gruppenweise hineingelassen, die Ordnung war musterhaft. Spanien. Die Regierung brachte im Senat die in der letzten Session vorgelegten Entwürfe von Handelsverträgen mit Oesterreich⸗Ungarn, Italien und Belgien ein.
Schweiz. Die Volksabstimmung (Referendum) über das Bundes⸗ gesetz, betreffend die Vertretung der Schweiz im Auslande, ist vom Bundes rath auf den 3. Februar 1895 angesetzt worden.
Belgien.
Die Repräsentantenkammer wählte gestern de Lantsheere mit 87 von 131 Stimmen wieder zum Präsi⸗ denten. Léon Defuisseaux (Sozialist) erhielt 26 Stimmen.
Außerdem wurden 18 unbeschriebene Zettel abgegeben.
Türkei.
Der „Politischen Korrespondenz“ wird aus Konstanti⸗ nopel bestätigt, daß der ökumenische Patriarch seine Entlassung eingereicht habe; es sei jedoch fraglich, ob die Pforte sie annehmen werde.
Rumänien.
Der König und die Königin trafen gestern Nachmittag in Bukarest ein. Auf dem Bahnhof, woselbst offizieller Empfang stattfand, hatte sich außerdem, wie „W. T. B.“ berichtet, eine zahlreiche Menschenmenge aus allen Klassen der Bevölkerung eingefunden, die Ihren Majestäten die lebhaftesten Ovationen darbrachte. Während der Fahrt vom Bahnhof nach dem Palais setzten sich die Kund⸗ gebungen fort. Die Stadt war prächtig geschmückt und äußerst belebt. Nachmittags i Uhr fand in dem Palais ein Empfang und die Ueberreichung der dem König und der Königin zur silbernen Hochzeit dargebrachten Geschenke statt. Abenbs folgte ein militärischer Zapfenstreich mit einem Fackelzug, Aus dem ganzen Lande wird berichtet, daß der Tag, überall von prachtvollem Wetter begünstigt, mit Halen e fen festlich
. worden sei. . er Prinz Ferdinand xreist heute von Singja nach St. Petersburg ab, wo er am Sonntag Abend eintreffen wird.
Serbien.
Der König Alexander ist heute früh nach Wien ab⸗ gereist und begiebt sich von dort über Warschau nach St. Peters⸗ burg. Bis zur russischen Grenze erfolgt die Reise incognito. Eine Königliche Proklamation betraut den Ministerrath während der Abwesenheit des Königs mit der Regentschaft.
Bulgarien.
Wie die „Agence balcanique“ meldet, empfing der . . von Sachsen-Coburg nach seiner Rückkehr von arna nach Sofia eine aus 40 Mitgliedern bestehende Ab⸗ ordnung der Sobranje, welche die von der Sobranje be⸗ schlossene Adresse überreichte. Der Prinz sprach der Abord⸗ nung seinen Dank für die zum Ausdruck gebrachten patrioti⸗ schen Gefühle aus und fügte hinzu, mit Genugthuung erfülle es ihn, die innere Politik der Regierung von der Sobranje gebilligt zu sehen. Der Prinz schloß mit der Versicherung, daß er die Erklärungen des . über die aus⸗
wärtige Politik ihrem ganzen Inhalt nach gutheiße.
Amerika.
„W. T. B.“ meldet aus Washington, es verlaute da⸗ selbst, die Botschaft des Präsidenten Cleveland an den im Dezember zusammentretenden Kongreß werde den Vor⸗ schlag einer Münzreform und die Erklärung enthalten, das gegenwärtige Münzsystem sei in sich selbst fehlerhaft.
Asien.
Nach einer Meldung der Londoner Blätter aus Hiroshim a von gestern setzt der Marschall amagata seinen Marsch durch die Mandschurei fort. Die Japaner besetzten Linsankwan, nachdem sie starke chinesische Kavalleriemassen zersprengt hatten.
Parlamentarische Nachrichten.
Bei der am 13. d. M. im zweiten Anhaltischen Wahl⸗ kreise (Bernburg-Cöthen⸗Ballenstedt) abgehaltenen Reichs⸗ . sind für den Professor Dr. . (nationalliberah 13570, für den Redakteur Schulze (Sozial⸗ demokrat) 11565 Stimmen abgegeben worden. Professor Dr. Friedberg ist mithin gewählt.
Außerordentliche Versammlung der III. General⸗ Synode.
In ihrer gestrigen Sitzung berieth die General⸗Synode über den Entwurf des Gesetzes, betreffend die Einführung der erneuerten Agende für die evangelische Landeskirche der älteren Provinzen. Die Kommissisn hatte den Entwurf nur wenig abgeändert. In S§ 1 schlug sie für den 2. Absatz folgende Fassung vor: „Der Bekenntnißstand und die Union in den genannten Provinzen und den dazu gehörigen Gemeinden werden durch diese Agende nicht berührt.“ Fur den , des § 3 empfahl sie nachstehende Re⸗ daktion: „Veränderungen derselben (der Gottesdienstordnung), durch welche einzelne Theile der landeskirchlichen Agende an die Stelle der bisherigen Ordnung treten, sind mit Genehmigung der Provinzial Kirchenbehörde zulässig. Nach längerer . nahm die Ver⸗ sammlung den Entwurf in der Fassung der Kommission an.
Die hierauf in zweiter Lesung vorgenommene Abstimmung über die erneuerte Agende ergab deren einstimmige Annahme. Ebenfalls in zweiter Lesung wurden die Anhänge für Pommern und Westfalen fowie der Musikanhang gemäß den Beschlüssen der ersten Lesung ohne weiteres angenommen.
Ober⸗Konsistorial⸗Rath Humbert berichtete über eine Petition des Vorstandes der reformierten Konferenz von Rheinland und West— falen und des Zweigvereins des reformierten Bundes für Berlin und die Provinz Brandenburg, betreffend die Stiftung Mons pietatis und die Vertretung des reformierten Bekenntnisses bei der Zusammensetzung der obersten Kirchenbehörden. Er befürwortete folgenden Antrag der Kommission 11 für Petitionen: General⸗ Synode wolle beschließen: J. den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath zu ersuchen, über die Verwaltung und Verwendung der Stiftung Mons pietatis zugleich mit denjenigen Fonds, über welche nach § 11 der General⸗Synodalordnung der General⸗Synode bezw. dem General⸗ Synodalvorstande jährlich Rechnung zu legen ist, derselben bezw. deren Vorstande jährlich eingehende Mittheilung zu machen; — II. den Epangelischen Ober⸗Kirchenrath gleichfalls zu ersuchen, bei dem nächstiger Besetzung der Stellen im Direktorium der Stiftung dafür Sorge zu tragen, daß die Bestimmungen des § 1 der Stiftungsurkunde zur Anwendung kommen; — III. den An⸗ trag wegen einer den Bestimmungen der Stiftungsurkunde ent⸗ sprechenden Verwendung der Revenuen der Stiftung durch die in der Denkschrift des Evangelischen Ober-Kirchenraths vom 30. Oktober d. J. abgegebene bestimmte Erklärung in Verbindung mit dem sub 1 ge⸗ faßten r , für erledigt zu erachten; — 1V. über den nicht mit der Angelegenheit des Mons pietatis zusammenhängenden Antrag wegen Zusammensetzung der obersten Kirchenbehörden, im Hin blick auf die von dem Herrn Präsidenten des Evangeli⸗ schen Ober ⸗Kirchenraths abgegebenen Erklärungen, zur Tages⸗ ordnung überzugehen. — V. die von dem Pastor Pusen zu Heiligenhaus im Auftrage des Vorstands der reformierten Kon⸗ ferenz von Rheinland und Westfalen überreichte Petition d. d. Barmen, 16. Oktober d. J. und die von dem Mitglied des Abgeordnetenhauses, Herrn Lückhoff, als Vorsitzenden des Zweigvereins des reformierten Bundes für Berlin und dig Provinz Brandenburg überreichten Petitionen d. d. Berlin, 31. Oktober d. J., durch die gefaßten Be⸗ schlüsse für erledigt zu erklären. Nach längerer Berathung nahm die Synode den Kommissionsantrag fast einstimmig an.
Zu dem Antrag der Brandenburgischen . be⸗ treffend die Formulare der Standesamtsregister, beantragte Super⸗ intendent Penzholz⸗-Gottesberg (Provinz Schlesien) namens der Kom⸗ mission: „General⸗Synode wolle beschließen: In Erwägung, daß 1) in dem Kirchengesetz über „Verletzung kirchlicher Pflichten“ ein der Würde der Kirche entsprechender Weg gewiesen wird, den durch das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die GCheschließung herbeigeführten Schädigungen zu begegnen, daß — 25. das Kirchen⸗ esetz über Aufhebung der Gebühren für einfache Akte der Taufe und Trauung denselben in der wirksamsten Weise entgegengetreten ist, daß — 3) laut Reskripts des Herrn Ministers des Innern vom 4 Oktober d. J. an den Regierungs- Präsidenten zu Breglau die Standesämter darauf hingewiesen sind, sich mit den kirchlichen Organen wegen der erforderlichen Mittheilungen aus den Standesamtsregistern in. Verbindung zu 3 — und daß — 4) nach den in der Kom⸗ mission gemachten Mittheilungen das Kirchenregiment Anordnung all⸗ gemeiner Art mit Bezug auf das erwähnte Ministerialreskript in Aussicht genommen hat, — von einer Anregung auf Abänderung der vom Bundesrath vorgeschriebenen Formulare zur Zeit Abstand zu nehmen.“ — Konsistorial Rath a. D. Pastor Mathis stellte dagegen folgenden Antrag; „Synode wolle beschließen: Synode hält die Vervollständigung der auf rgänzung des §z 66 des Gesetzes vom 6. Februar 1875 hinzielenden, vom Bundes rath vorgeschlagenen Formulare nach der Richtung hin für erwünscht, daß nach denselben die in 82 unberührt gebliebene Verpflichtung der Standesbeamten auf die nachfolgende Taufe und Trauung hinzuweisen, wieder in Erinnerung gebracht werde, und richtet
daher an die zuständigen Behörden die Bitte, diese Bestimmun wieder in Erinnerung zu bringen. — Die Abstimmung ergab die Annahme des Antrags Mathis, womit der Antrag der Kommission erledigt war.
Es folgte die Berathung des folgenden Antrags Knak, betreffend Zusätze zur Kirchengemeinde⸗ und Synodal⸗Ordnung: „General. Synode wolle, in Gemäßheit des 5 7 Rr. 5 der General- Synodal. Ordnung, folgende Zusätze zu der Kirchengemeinde⸗ und Synodal⸗Ord= nung vom 10. September 1873 beschließen: 1) Zusatz zu 5 43 Abs. 2 der ö und Synodal Ordnung: Behufs Einreihung der Wahlen seitens neu errichteter Parochien in den allgemeinen Wahl⸗ turnus hat der 1. Juli des mittleren Jahres der dreijährigen Wahl periode als Scheidegrenze zu gelten, sodaß die Ausloosung und erste Neuwahl nur dann gleichzeitig mit den nächstfolgenden allgemeinen Wahlen herbeigeführt werden soll, wenn die erste Wahl vor dem 1. Juli des mittleren Jahres der al seinen Wahlperiode stattgefunden hat. Y) Zusatz zu S bo Nr. 3 Abs. 2 der Kirchengemeinde und Synodal⸗ ordnung: In den außer der Zeit der allgemein üblichen Wahl periode errichteten neuen Parochien regelt sich die Dauer der von den Gemeinde⸗Organen derselben erfolgten Wahl der Mitglieder nach ihrer in dem Zusatz zu § 43 Abs. 2 sich ergebenden Dienstzeit.“ Sup. Künstler⸗Tilsit beantragte dazu namens der J. Kommission: Generalsynode wolle beschließen: den Antrag Knak dem Evangelischen Ober⸗Kirchenrath zur Erwägung der Regelung der Angelegenheit durch Instruktion oder Kirchengesetz zu übergeben und sich gut— achtlich dahin zu äußern: 1) daß in allen, in der Zeit zwischen zwei allgemeinen Wahlterminen neu errichteten Gemeinden die Aus⸗ loosung bis zum zweiten, auf den Amtzantritt ihrer Gemeindeorgane folgenden allgemeinen Wahltermin verschoben, und — 2) zu § 50 Nr. 3 Abs. 2 der Zusatz: „in neuerrichteten Gemeinden auf die Rest⸗ zeit der allgemeinen . Periode“ hinzugefügt oder in die Instruktion ein entsprechender Vermerk aufgenommen werde.“ Dieser Antrag wurde angenommen.
Zu dem Antrag des D. von Nathusius: „General⸗Synode wolle beschlleßen: folgenden Entwurf eines Kirchengesetzes zur Abänderung des 5 34 Absatz 4 der Kirchengemeinde, und Synodalordnung vom 10. September 1873 in nachstehender Form anzunehmen: Von. den Erklärungen darüber, welche Gemeindeglieder als selbständig anzunehmen sind, ist die Nummer 3 zu streichen. — (5 34, Absatz 4, Nr. 3 lautet bisher: Als selbständig sind nicht anzunehmen diejenigen: 3) welche im letzten Jahre vor der Wahl armuthshalber Unterstützung aus Armenmitteln oder Erlaß der Staatssteuern oder der kirchlichen Beiträge genossen haben) — beantragte Dr. Schnaubert namens der J. Kom⸗ mission: „General⸗Synode wolle beschließen: In Erwägung, daß die Nr. 3 des § 34 Abs. 4 der Kirchengemeinde⸗ und Synodalordnung vom 19. September 1873 nach Fassung und Inhalt zwar zu manchen Bedenken Anlaß giebt, — daß jedoch ein praktisches Bedürfniß zur Abänderung dieser Bestimmung nicht nachgewiesen ist, und daß zu dieser Aenderung nicht allein das Eingreifen der kirchlichen, sondern auch der Staatsgesetzgebung erforderlich sein würde, — über den vor⸗ bezeichneten Antrag zur Tagesordnung überzugehen.! Der Kom⸗ missionsantrag wurde angenommen. ö.
Bezüglich des Antrags des Superintendenten Volkening⸗Holz⸗ hausen: „Den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath zu ersuchen, die Geist—⸗ lichen anweisen zu lassen, daß sie den Bestimmungen des Landrechts über den Besitz von Kirchenstühlen genau nachkommen“, beantragte die Verfassungskommission: „diesen Antrag dem Evangelischen Ober⸗ Kirchenrath mit dem Ersuchen zu überreichen, den in Ansehung der Benutzung der Kirchenstühle bestehenden Mißständen nach Möglichkeit Abhilfe zu schaffen. Die General⸗Synode genehmigte letzteren Antrag.
Um 45 Uhr Nachmittags wurde die Sitzung geschlossen und die nächste und letzte Sitzung auf heute Vormittags 11 Uhr anberaumt.
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Bielefeld wird der ‚Rh.⸗Westf. Itg.“ geschrieben: Der Ausstand der Seidenweberinnen der Firma C. A. Del ius u. Söhne dürfte seinen Höhepunkt erreicht haben. Die Berathungen der Kommission, die am Dienstag Nachmittag abgehalten wurden, haben zu einer Rechtfertigung der Firma geführt. Es wurde fest— gestellt, daß die Firma ihre Arbeiterinnen . der Lohn⸗ regulierung in ortsüblicher und auskömmlicher eise bezahlt. Die Firma Delius hatte schon am J. September ihre Lohn— bücher zu einer Untersuchung eingereicht, wobei sich ergab, daß . Weberinnen einen täglichen Durchschnittsverdienst von 2,26 M.
aben. Minder geübte Arbeiterinnen verdienen entsprechend weniger, doch kamen einzelne wieder auf ein Jahreseinkommen von 900 . Diese Veröffentlichungen erwiesen sich auch bei den Berathungen am Dienstag, denen der Verleger der sozialdemokratischen „Volkswacht“ und Vorsitzende des Gewerkschaftskartells beiwohnte, als wahr. — Im übrigen wird mitgetheilt, daß die mechanische Weberei sich in vollem Betriebe befinde. Dienst.
Aus Danzig wird im „Vorwärts“ zu dem vor längerer Zeit bereits beendeten Ausstande der dortigen Zimmerleute berichtet, daß im ganzen von Anfang Mai bis Anfang August 14471 S an Ausstandsunterstützungen zur Verfügung standen, wovon 14118 ausgegeben wurden.
In Itzehoe sind nach demselben Blatt in der Möbel tischlerei der Gebrüder Westphal wegen Lohnkürzung zwischen den Tischlern und den Arbeitgebern Streitigkeiten entstanden.
Hier in Berlin fand am 11. d. M. eine Versammlung der Brauerei⸗Hilfsarbeiter statt, zu der, wie die Berliner „Volks⸗Itg.“ berichtet, besonders die in den Weißbierbrauereien beschäftigten Arbeiter eingeladen worden waren. Es wurde Klage geführt über mangelndes Interesse der Arbeiter für die Organisation. Der Verein der Brauerei⸗Hilfsarbeiter, der bei seiner vor 13 Jahren erfolgten Gründung mehr als 1000 zahlende Mitglieder besessen habe, zähle gegenwärtig nur noch etwa 300. Der Vorwurf der Gleichgültigkeit treffe namentlich die Arbeiter der Weißbier⸗ Brauereien und die aus den nichtboykottierten Brauereien, vor allem die Bierfahrer. — In einer Metallgrbeiterversamm lung am Dienstag bildeten die Lohnkürzungen, die in der Gewehrfabrik der Kommandit⸗Gesellschaft Ludwig Löwe u. Co. vorgenommen sein sollen (vgl. Nr. 268 d. Bl.), den Gegenstand der Verhandlung. Es wurd; eine vom Vorwärts“ mitgetheilte Entschließung angenommen, in der sich die Versammlung verpflichtet, die gesammten Metallarbeiter der Firma planmäßig zu organisieren zu geschlossenem Vorgehen 8 die Lohnkürzungen. Das Resultat soll dem Vertrauensmann der Berliner Metallarbester mitgetheilt werden, der alsdann die nöthigen Schritte zu unternehmen hat.
Aus Antwerpen wird der Voss. Itg.“ telegraphisch gemeldet: Infolge des allgemeinen Aus stands der Digmantschleifer haben sämmtliche 35 Antwerpener Diamantschleifereien ihren Betrieb eingestellt. Die ausständigen Arbeiter durchziehen gruppenweise die Stadt. — Der „Köln. Ztg.“ wird über den Ausstand geschrieben: Bei dem Ausstand der Digmantschleifer handelt es sich nicht um die bei Ausständen bekannten Gestalten und Erscheinungen; sondern die Ausständigen sind sorgfältig gekleidete Herren, die jetzt n ihre Vertreter zu den Verhandlungen mit den Arbeitgebern von Fabrik zu Fabrik geleiten. Die Unterredungen zwischen den Ausständigen und den Unter, nehmern verlaufen in der höflichsten ö und die ersteren haben bis j nur das Benehmen wohlgesttteker Leute an den Tag gelegt. Glnst. weilen wird der Beschluß aufrecht erhalten, die Arbeit nicht eher wieder aufzunehmen, bis die Arbeitgeber dem Lohntarif, der jenem der Diamantschleifer in Amsterdam entspricht, zugestimmt haben. Hier verdienen einigermaßen geübte Arbeiter in der Diamant ⸗Industrie wöchentlich 120 bis 125 Fr. ohne körperliche nber r mn, und dabei ist hier der Lebensunterhalt viel weniger kostspielig i in Amsterdam. 9
Von 300 Arbeitern versehen noch 150 den
Kunst und Wissenschaft.
Der Genossenschaft Pan! ist, wie uns der Vorstand mittheilt, Seine Majestät der König von Württemberg beigetreten und hat sich auch finanziell an der Fundierung, des Unternehmens betheiligt. Dem ö. Ausschuß der künftigen Zeitschrift ist Theodor Fontane beigetreten. ;
Für die gelt nn am 17. November, dem Tage der Stiftung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethno logie und Urgeschichte sind eine Festrede des Ehren⸗Präsidenten und Vorsitzenden Geheimen Medizinal⸗Raths Professors Dr. Virchow, ine Ansprache des Direktors Geheimen Regierungs⸗Raths Wr . br. Bastian und weitere Ansprachen in Aussichm genommen. Die Fest⸗ sizung wird, wie sonst alle ordentlichen Monatssitzungen, im Hörsaal des
Königlichen Museums für Völkerkunde stattfinden und Abends 7 Uhr
beginnen. An die Sitzung schließt sich eine zwanglose, gesellige Zu⸗ sammenkunft im „Hotel zu den vier Jahreszeiten“ Prinz Albrecht straße 9. Als Nachfeier wird ein Festmahl mit Damen Sonntag, den 18., im Hotel „Reichshof“', Wilhelmstraße 70a, veranstaltet. Die Mittheilungen und der Vortrag, welche für die Hauptsitzung des Monats bestimmt waren, wurden wegen des Stiftungsfestes bereits am Sonnabend, den 10. d. M, erledigt. — Von einem Funde aus neolithischer Zeit in einer Kohlenschicht unter der Ackerkrume hat Herr Clemens Cermaäk, K. K. Konservator in Cäslau, Böhmen, Mittheilung gemacht. Herr Naue München hat einen Bericht über mehrere Gräber der Hallstatt, Zeit in der Oberpfalz eingesandt. Dr. Tela sandte aus dem Kreise Luckau in der Niederlausitz einen Fund, der sich an die älteren aus der La Tane⸗-Zeit anschließt, über die Pro— sessor Virchow seinerzeit, geschrieben hat. Dr. Hugo Jentsch⸗Guben berichtete brieflich über Gräberfunde dus dem West-Sternberger Kreise. Stadtrath Helm⸗Danzig hatte eine werthvolle Arbeit über alte Bronze eingesandt. Aus Trangkaukasien war gleichfalls eine interessante Ab⸗ handlung eingegangen. — Sodann führte Dr. Felix von Luschan, Di⸗ rektions⸗Assistent am Museum sür Völkerkunde, in sehr scharfen rojektionsbildern die werthvollen Ergebnisse seiner diesjährigen syrischen Forschungen der Gesellschaft vor Augen, indem er „über die Aus graäbungen in. Sendschirli“ einen eingehenden Bericht erstattete. Nach. Sendschirli haben, unterstützt von einem besonderen Comité, an, dessen Sxitze! Heir von Tautmann stand, drei Expeditionen in verschiedenen Jahren stattgefunden; ein Theil des . ist ausgegraben. Dem Comité dankte der- Vor— sitzende Geheime Rath Virchow für die großen Mittel, welche dasselbe seit Jahren zu dieser Sache aufgewendet. Mit Allerhöchster Ge⸗ nehmigung seien durch den Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten die Kosten des Transports in diesem Jahre von der Königlichen Regierung übernommen worden; bei dieser Gelegenheit hätten neut Ausgrabuugen aus privaten Mitteln stattgefunden. Dr., von Luschan hatte vor drei Jahren, wie er sagte, Hoffnung, daß 1891 die Kampagne sofort weiter geführt werden würde. Es handelte sich um zwei Aufgaben: den Transport des Ausgegrabenen und um Mittel zu neuen Ausgrabungen; für den Transport wurden die Mittel Allerhöchsterseits bewilligt, für die Ausgrabungen trat das Orient - Comité ein. Sendschirli, ein Kurdendorf im nördlichen Syrien, liegt drei Tagerxeisen entfernt von dem Hafenort Alexandrette. Ein langgezogener Hügel ist das eigentliche Gebiet der Ausgrabungen. Eine doppelte 5 Ringmauer mit drei Thoren: einem südlichen, das zum Meere führt, einem Thore nach Westen zu und einem nach Nordosten gelegenen, umschließen das Gebiet, Bereits 1891 wurden einige Mauern auf dem westlich gelegenen Theil des Berges aufgedeckt. Jetzt ist u. a. auch ein zweites inneres Burgthor, nach Süden ge⸗ legen, aufgefunden worden: vielleicht das älteste bisher be⸗ kannt gewordene Denkmal syrischer Kunst. Noch niehr nach innen zu, aber weiter mehr links, durchschritt man von Süden her ein drittes Burgthor; nach links von der mittleren Südpforte wurde diese dritte Pforte gelegt, damit die etwa einbrechenden Feinde im Vordringen zum innersten Thore die rechte, schildlose Seite dem Vertheidiger zu⸗ zuwenden gezwungen würden. Jenseits des innersten Thores liegen zur Rechten einfache Kasernenbauten; weiter dahinter, mehr nach Norden zu, der für Asarrhaddon zwischen dem zweiten und dritten egyptischen Feldzuge erbaute Palast mit seinem reichen Schmuck. Neben dem Asarhaddon-Palast liegt ein anderer merkwürdiger Bau, in einer Breite von mehr als 20 m. Vor allem aber sind hier auch neue Paläste nach Westen zu bloß gelegt worden: Gebäude von dem rich⸗ tigen Typus des syrischen Hauses, wie der Bau neben dem Asarhaddon⸗Palast, unsymmetrisch in der Anlage. Ganz un⸗ bekannt war damals die Anlage von Gewölben, was der Vor— täagende gegenüber den Annahmen französischer Gelehrter ausdrücklich herporhob. Ein großer, reich mit Reliefs geschmückter Pfeiler trennt die unsymmetrischen Theile des Hauses. Stein auf Stein wurde ohne Dübel verlegt, nur Holz auf Stein wurde verdübelt. Das Vor—⸗ handensein von Dübellöchern weist also auf Holjbasen hin, die wohl mit Bronze und Gold verkleidet waren. Von diesen Basen ist heute keine Spur mehr erhalten, denn durch einen ungeheueren Brand ist der Palast zerstört worden; die Gluth war so stark, daß sogar die Luftziegel geschmolzen sind. Eine Inschrift wurde aufgefunden, in der vom „Winter⸗“ und vom Sommenpalaste“ die Rede ist. Auch das Bild, das den Königlichen Bauherrn im Relief darstellt, ist erhalten; der bartlose Mann hinter ihm mag vielleicht der Baumeister sein. Ein ungeheurer Block, der früher wohl ein Grabstein gewesen ist, gehört zum Sockel der Asarhaddon. Stele. Ein Theil des großen Thurmes ist erkennbar; 37 em Höhe haben die Balken. „Ich bin Panamu, Sohn des — — — der errichtet hat diese Statuen, so ungefähr in Kürze ist der Inhalt einer dort aufgefundenen Inschrift, die Geheimer Rath Professor Dr. Sachau entziffert hat. Interessant in mannigfacher Hinsicht sind die vielen Reliefdarstellungen; auf einem Bilde i man Musikanten mit Harfen, und tympanonartigen Instru⸗ menten, auf, einem anderen Handschuhe mit drei Fingerlingen für die mittleren Finger; sie dienen zum Spannen des Bogens, bezeichnen also den Schützen. Vor Asarhaddon, dem Herrscher de assyrischen Weltreiches Ninive, knien die Könige von Egypten und Syrien. Ein schönes Relief zeigt im oberen Theile eine geflügelte Sonne, ein anderes läßt deutlich einen Doppeladler erkennen. Von den Seldschuken ist dann die Darstellung des Doppel adlers nach Europa gekommen. Interessant, besonders auch hinsichtlich der immer besser sich entwickelnden Technik der Relief behandlung, sind die vielen Sphinxbilder. Ein Relief läßt deutlich eine libula erkennen; außerdem ist auch eine wirkliche Fibel dort aus⸗ gegraben worden. Das Vorkommen dieses Schmucks in Syrien ist demnach erwiesen. Zahlreich sind ferner die aufgefundenen Mahl⸗ steine und Quirdel zum Zerreiben des Brotkornz. Für die odtenbestattung scheinen in der Blüthezeit Sendschirlis Brandgräber mit Hügeln üblich gewesen zu sein. Ungefähr aus dem siebenten Jahrhundert v. Chr., also aus der Zeit Asarhaddon's etwa, stammt ein königliches Grab, das der „Leichenbestattung“ angehört, aber leider geplündert gefunden wurde. Aufgabe einer neuen Ex— pedition wird es sein, zu erforschen, was hinter den aufgedeckten Bau— werken weiter noch gelegen ist, besonders auch das dritte Thor der mfassungsmauer aufz ufinden. Dr. R. Neuhaus führte sodann der Versammlung seine photographischen Aufnahmen in natürlichen Farben vor die bei der Anthropologischen Gesellschaft nicht geringeren Beifall fanden als kürzlich bei der Photographischen Vereinigung. Das zhektrum zu phokographieren sei, so behauptete der Vortragende, licht mehr schwer; wohl aher machen die Mischfarben große Schwierig= keiten; sie erfordern beim Atelierlicht ein bis zwei Stunden Zeit fur die Aufnahme. Lippmann Paris, Lumière⸗Lyon, Valenta u, a. aben zusammen im ganzen bisher erst 8 farbige photographische uff ahmen direkt nach der Natur bewirkt. Dem Vortragenden seien y 10 Aufnahmen von Mischfarben gut gelungen. Roth und elb bewältige man leichter; besonders schwer aber feien Blau und 5 hwarz herzustellen. Wenn sich Personen dem direkten Sonnenlicht inuten ausfetzen, könnten auch sie farbig photographiert werden.
Bauten.
Einen Wetthewerb von ungewöhnlicher Bedeutung schreibt, wie das „Zentr. Bl. d. Bauv. mittheilt, die städtische Verwaltung von Stuttgart für ein daselbst neu zu erbauendes Rathhaus aus. Das neue Rathhaus soll die Stelle des jetzigen alten, an der Südwestseite des mit alten, zum theil sehr reizvollen Giebelhäusern so reich i . einnehmen. Als Bauplatz steht die ganze Südwestseite zur Verfügung, und für das große Raumbedürfniß des Neubaues ist der ganze, von der Eichstraße, Metzgerstraße und Hirschstraße umschlossene Häuserblock angekauft worden. Die Baukosten sind auf 1300 000 M festgesetzt mit der Be⸗ stimmung, daß für das Kubikmeter Urnbautenraums ein Einheits⸗ satz von 25 S zu Grunde zu legen ist, in welchem jedoch auch pen ng, und Bauführungskosten inbegriffen sein sollen. Das
reisgericht besteht aus den technischen Mitgliedern: Baurath, Prof. Dr. Wall gt in Dresden, Hof⸗Baudirektor von Egle in Stuttgart, Ge—= heimer Regierungs⸗Rath, Professor Ende in Berlin, Baudirektor, Professor Ir. Durm in Karlsruhe und Stadt Baurath Mayer in Stuttgart. Außer ihnen sind nur zwei Laienmitglieder betheiligt. An Preisen stehen zusammen 25 000 zur Verfügung, die folgendermaßen vertheilt werden sollen: ein erster Preis von 16006 , ein zweiter von 3009 A, zwei dritte von je 3000 M und zwei vierte von je 2000 Weitere Entwürfe können für je 1000 64 angekauft werden. Die Arbeiten müssen bis zum 1. Mai 1895, Abends 6 Uhr, abgeliefert sein. An Zeichnungen werden außer einem Lageplan (1: 5060) verlangt: sämmtliche Grundrisse und Schnitte 1: 200, eine Ansicht 1: 100, die drei übrigen 1: 200, sowie eine schaubildliche Darstellung von einem genau vorgeschriebenen Standpunkt mit bestimmter Augenhöhe aus und von bestimmter Größe. Die Bedingungen und sämmtliche Unter⸗ lagen des Wettbewerbs, zu denen auch eine schaubildliche Darstellung der Umgebung des zukünftigen Baues gehört, können vom städtischen Hochbauamt, am Alten Schloßplatz 2 in Stuttgart, bezogen werden.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Saatenstand in Rußland.
Ueber den Stand der Wintersaaten zu Ende vorigen Monats gehen uns aus einzelnen Gouvernements folgende Nachrichten zu:
. In Kur⸗ und Livland ist die Witterung für die Wintersaaten
bisher ungünstig gewesen. Es wird viel über mangelhafte Be— stockung, ungenügenden Schluß und hier und dort sich zeigende Röthung der Spitzen geklagt. Auch haben sich Drahtwurm und Schnecke fühlbar gemacht. Ebenso lauten die Nachrichten aus den Gouvernements Wilna, Kowno und Grodno nur wenig günstig, indem die Bestellung der Wintersaaten dort theilweise durch die regnerische Witterung bedeutend verzögert wurde und die darauf eintretende Kälte der Entwickelung der jungen Saaten hinderlich war. Dagegen ist in dem König— reich Polen die Winterbestellung der Felder im Laufe des Monats Oktober unter günstigen Witterungsbedingungen vollendet worden. Der Stand der Saaten in Süd⸗, West⸗ und Klein⸗Rußland ist im allgemeinen befriedigend, besonders dort, wo man die Herbst— bestellung frühzeitig vorgenommen hatte. Auf die spätere Aussaat hat die seit August anhaltende nasse und kalte Witterung in manchen Gegenden einen schädlichen Einfluß ausgeübt. In Süd⸗Rußland war man wegen des im September plötzlich eingetretenen kalten Wetters für die Wintersaaten besorgt, doch scheint kein ernstlicher Schaden dadurch verursacht zu sein, nachdem noch zu rechter Zeit wärmeres Wetter mit Regenfällen eingetreten ist.
Im Kuban⸗ und Terekgebiet ist die Aussaat wegen der niedrigen Getreidepreise bedeutend eingeschränkt worden, dagegen hat sich die Anbaufläche in den Gouvernements Tiflis, Elisabethvol und Erivan vergrößert. Die Witterungsverhältnisse waren dort bisher günstig.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Schweden.
Durch Bekanntmachung des Königlich schwedischen Kommerz⸗ Kollegiums ist die Stadt Danzig für rein von Cholera erklärt worden. Doch sind für Passagiere der von dorther kommenden Schiffe die zur Verhütung der Einschlepvung von Cholera in Schweden über nicht für cholerainfiziert erklärte Häfen unter dem 22. September v. J. an⸗
eordneten Maßregeln in Kraft gesetzt worden. (Vergl. . R.⸗Anz.“ Nr. 166 vom 16. Juli d. J. und Nr. 236 vom 2. Oktober v. J.)
Cholera.
Deutsches Reich. In der Woche vom 5. bis 12. November Mittags wurden, wie in den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge— lundheitsamts“ mitgetheilt wird, nachstehende Erkrankungen (und Todesfälle) gemeldet: Ostpreußen: 22 (6), davon 1 (1) im Stadt- kreise Königsberg, 8 (3) in 6 Orten des Kreises Labiau, 12 3) in zwei Orten des Kreises Niederung. 1“ (— in Pillau. Weichsel gebiet: 6 (I in Tolkemit, Landkreis Elbing. Schlesien: 2 () in Jätschau, Kreis Glogau.
Oesterreich⸗Ungarn. In Galizien wurden in der Zeit vom 29. Oktober bis 4. Nobember 731 Erkrankungen (und 386 Todes— fälle) festgestellt, in der Bukowina 2 (—). — In Mä hrisch⸗O strau (Mähren) ist dem Oest. San. W. zufolge die eine der in der Vorwoche als cholerakrank gemeldeten beiden Bergarbeiterfrauen (vergl., Nr. 264 d. Bl.) gestorben.
Wien, 14. Nopember. Nach den gestern hier eingetroffenen Nachrichten über den Stand der Cholera kamen in Galizien 78 Er⸗ krankungen und 45 Todesfälle vor.
3 Einem am 31. Oktober veröffentlichten Bericht des Gesundheitsraths zufolge sind in Denain (Dep. du Nord) seit dem 15. September Cholerafälle nicht mehr festgestellt worden.
Rußland. Dem Medizinal⸗Departement wurden vom 13. bis 27. Oktober die nachstehend aufgeführten Erkrankungen und Todesfälle gemeldet: In St. Petersburg (Stadt) vom 13. 19. bis 27.10. 10 bezw. 7; in St Petersburg (sonst i. Gouv.) vom 7. /10. bis 20/10. 10 bezw. 2; in Warschau (Stadt) vom 30. /s9. bis 13.10. 5 bezw. 3; in Warschau (sonst i. Goup.) vom 30.9. bis 20./10. 29 bezw. 11; in Kalisch vom 30. 9. bis 13. 10. EIL bezw. 8; in Petrikau vom 3./10. bis 20/10. 71 bezw. 41; in Kielce vom 23. /9. bis 6.10. 35 bezw. 26; in Kowno vom 30 9. bis 13.10. 26 bezw. 7; in Kurland vom 23. /9. bis 6/10. 157 bezw. 76; in Livland vom 30. /9. bis 13.10. 7 bezw. 5; in Lublin vom 23./9. bis 6.10. 52 bezw. 19; in Wol⸗ hynien vom 30/9. bis 13.10. 9 bezw. 4; in Podolien vom 7.10. bis 29. 10. 676 bezw. 264; in Bessgrabien, vom 30.9. bis 13.10. 228 bezw. 86; in Taurien vom 27.9. bis 20/10. 15 bezw. 11; in Cherson vom 710. bis 20./ 109. 15 bezw. 7; in Poltawa vom 30. 9. bis 13.10. 5 bezw. 6; in Kiew vom 30.9. bis 13/19. 39 bezw. 21; in Tschernigow vom 7/10. bis 13./10. 5 bezw. 4; in Minsk vom 30.9. bis 20/10. 76 bezw. 39; in Witebsk vom 7/10 bis 20.10. 69 bezw. 20; in Psfkow vom 7.16. bis 13.710. 0 bezw. 1; in Nowgorod vom 7.10. bis 13.10. 7 bezw. 3; in Olonez vom 30.69. bis 6. 10. 6 bejw. 5H; in Archangel vom 27.9. bis 4/10. 116 bezw. 63; in Wologda vom 7. 16. bis 13.10. 3 bezw. 3; in Jaroslaw vom 30/9. bis 20/10. 94 bezw. 22; in Kostroma vom 30.9. bis 6/109. 4 bezw. 2; in Wladimir vom 7./10. bis 20/10. 127 bezw. 74; in . vom 30.9. bis 13/10. 3 bezw. 2; in Rjäsan vom 7/10 bis 20./ 10. 7 bezw. 8; in Jekaterinoslaw vom 7/10. bis 13/10. 16 bezw. 5; in Tiflis vom 30. 9. bis 6 / 10. 1 bezw. O; in Bakn von 30/9. bis 6.10. 1 bezw. 0; in Astrachan von 23.9. bis 6/10. 8 bezw., 8; in Saratow von 30.9. bis 135. /10. 44 bezw. 29; in Tambow vom 7.10. bis 13.10. 10 bezw. 0; in Samara von 7. 10. bis 20/19. 4 bezw. OG; in Simbirsk von 7.10. bis 13. /10. 3 bezw. 1; in Pensa von 30. /9. bis 6/10. 14 bezw. 8; in Nishni⸗Nowgorod vom 7.10. bis 20/10. 10 bezw. 6; in Kasan von 30.9. bis 13.10. 23 bezw. 17; in Perm vom 30. /9. bis 13.10. 2565 bezw. 10h; in Toholsk vom 253.19. bis 6/109. 7 bezw. 2. Anderen amtlichen Nachrichten zufolge ist im Gouvernement Wilna
die Seuche wieder ausgebrochen; im Kreise Disna wurden vom 14. bis 27. Oktober 17 Erkrankungen (und 7 Todesfälle), vom 28. Oktober bis 3. November 55 3 im Kreise Swenziany pom 14. bis 2. Oktober 1 Erkrankung angezeigt. — Außerdem sind folgende Erkrankungen (Todesfälle) gemeldet aus den Gouvernements Kalisch vom 25. bis 30. Oktober 3 (2), Petrikau vom 28. Ok- tober bis 3. Nopember 8 (8), Lub (in vom 26. bis 31. Oktober 33. Kowno vom 28. Oktober bis 3. November 40 (16). — Der Re⸗ gierungs⸗ Anzeiger vom 2. November enthält folgende Bekanntmachung des Medizinal ⸗Departements: „Die Cholergepidemie hat aufgehört in den Gouvernements: Wjatka mit dem 18. September; Kaluga, Now⸗ gorod, Pensa und Poltawa mit dem 1. Ottober; Nishni⸗ Nowgorod mit dem 9. Oktober; in der Stadt St. Petersburg mit dem 17. Or- tober und sind diese Gebiete auf Anordnung des Ministers des Innern als nicht choleragefährlich erkannt worden.“
Italien. In Neapel wurde am s. November ein Todesfall an asigtischer Cholera festgestellt und über 2 weitere verdächtige Todes⸗ fälle Anzeige erstattet.
Niederlande. Im Monat Au gust d. J starben an asiatischer Cholera 109, an einheimischer Cholera 16 Personen. Vom 27. S- teber bis 3. November wurden neue Erkrankungen nur aus der Provinz Nordholland angezeigt, und zwar 2 aus Am sterdam, 1 aus Haarlem und 3 swovon 2tödtlichz aus Weesp.
Belgien. Nach amtlicher Mittheilung wurden vom 21. bis 27. Oktober in , Lüttich 8 Todesfälle angezeigt, außerdem in Boom sProv. Antwerpen) 3, in Appelterre (Ostflandern) und Horyꝑm ael (Eimburg) je 1.
Türkei. Unter den in Ismid (Vil. Hudavendkjar) unter gebrachten Rekruten sind in der Zeit vom 38. bis 31. Oktober 8 Cholerafälle (2 mit tödtlichem Ausgang) erfolgt. In derselben Stadt starben in den, bezeichneten Tagen ein Gendarm und ein ʒivilist an der Krankheit. In Konstantinopel sind vom 2. bis Il. Oktober 5 (3) Fälle unter dem Militär in der Selimis⸗ kaserne zu Skutari festgestellt worden. Hier hatte man 750 Re⸗ kruten untergebracht, welche am 21. Oktober von Jsmid auf dem Dampfer „Marmara“ abgesendet und nach fünftägiger Quarantäne in Tusla am 27. Oktober in Konstantinopel eingetroffen waren. Schon auf der Fahrt von Tusla nach Konstgntinopel erkrankte der zuerst betroffene Soldat mit Brechdurchfall. Außerdem wurden folgende Erkrankungen (Todesfälle) mitgetheilt: aus dem Vilajet Duda vendkjar vom 5. bis 31. Oktober 162 (83); aus Musch Vil. Bitlis) vom 11. bis 28. Oktober 9 (12); aus Tirnopadjik (Bil. Adrianopel) vom 16. bis 30. Oktober 32 (22).
Gelbfieber.
In Havana wurden dem „Abstr. of sanit. rep.“ zufolge vom 28. September bis 4. Oktober (und vom 5. bis 11. Oktober) 11 (9) Todesfälle und etwa 28 (23) Erkrankungen gezählt, von den Todesfällen entfielen 3 (4) auf das Militärlazareth. Ferner starben in Rio de Janeiro vom 9. bis 15. September 3, in Maracaibo vom 253. bis 29. September 1, in Verg⸗Cruz vom 28. September bis 4. Oktober und vom 5. bis 11. Oktober je 2, in Matanzas vom 29. September bis 5. Oktober, und in Cienfuegos vom 30. September bjs 6. Oktober je l, in Santiago de Cuba vom 7. bis 13. Oktober 3 Personen.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 14. d. M. gestellt 12 317, nicht recht⸗ zeitig gestellt 25 Wagen. In Oberschlesien sind am 13. d. M. gestellt bos, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
Zwangs-⸗Versteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am 14. November die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Spandguerbrücke 10, dem Kaufmann Otto Zibell gehörig; für das Meistgebot von 295 900 M wurde die Handelsgesellschaft in Firma J. Koppel u. Go., Jägerstraße 14. Ersteherin. — Müllerstraße 16, der Frau Fabrikant Clara Brandt, geb. Pretzel, gehörig; Fläche 924 a; für das Meistgebot von I9g3 000 6 wurde die Frau Helene Janne, geb. Martini, zu Berlin Ersteherin. — Kolbergerstraße 26, dem Maurermeister H. Wernicke und dem Malermeister R. Wernicke gehörig, Fläche TAl a; für das Meistgebot von 22 000 S wurde die Allgemeine Häuserbau-Aktiengesellschaft“ zu Berlin Ersteherin.
Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlacht- viehmgrkt vom 14. November 1894. Auftrieb und Marktpreise nach Schlachtgewicht mit Ausnahme der Schweine, welche nach Lebend gewicht gehandelt werden. Rinder. Auftrieb 515 Stück. (Durchschnittspreis für 109 kg.) J. Qualität - , II. Qualität -, III. Qualität — —, IV. Qualität 86 - 97 M — Schweine. Auf⸗ trieb 8655 Stück. (Durchschnitispreis für 100 kg.) Mecklenburger 102 — 104 M6 Landschweine: a. gute 98 — 100 S, b. geringere S8 - 961M, Galizier — M, leichte Ungarn — S6 bei 20 09. Tara, Bakonver 8s — 88 M bei 27,5 kg Tara pro Stück. — Kälber. Auftrieb 1130 Stück. (Durchschnittepreis für 1 Kg.) I. Qual. 1,26 — 1,36 , Il. Qual. 1.10 - 24 A, III. Qualität 0, 90 - 1 08. Schafe. Auftrieb 681 Stück. (Durchschnittshreis für 1 kg.) J. Quali- tãt — —, II. Qualität — —. III. Qualität — 0
— Wie die Preußische Zentral⸗Bodenkredit⸗Aktien⸗ Gesellschaft mittheilt, sind von 122 Millionen 40½ Zentral⸗ Pfandbriefen aus den Jahren 1880 1881, 1882. 1883, 1884 (11) und i885 über 100 Millionen in 39 9 Zentral⸗Pfandbriefe konvertiert worden.
— Die Saal⸗-Eisenbahn⸗Gesellschaft vereinnahmte im Oktober d. J. nach vorläufiger Feststellung 132 486 6, d. i. gegen die vorläufige Einnahme im Oktober 1893 . 2170 M, gegen die endgültige weniger 3488 S6; bis Ende Oktober betrug die Ein- nahme . 1267 572 ½, d. i. gegen die vorläufige Einnahme in 1893 mehr 26 841 S, gegen die endgültige mehr 16189 6.
Mann heim, 14. November. (W. T. B.) Produkten markt. Weizen pr. Nov. 13, 45, pr. März 13,65, pr. Mai 13,0. Roggen pr. Nov. 1185, pr. März 12,00 pr. Mai 1290. Hafer pr. Nov. 123, 0, pr. März 1275, pr. Mai 12,75. Mais pr. Nop. 1220, pr. März 12, 10, pr. Mai 11,90. .
Verkehrs⸗Anfstalten.
Laut Telegramm aus Goch ist die erste englische Post ö über Vlissingen vom 14. d. M. ausgeblieben. Grund: Sturm auf See. .
Laut Telegramm aus Herbesthal ist die er ste englische Post über Ostende vom 14 d. M. ausgeblieben. Grund: Zugverspätung in England und Belgien und stür⸗ misches Wetter auf See.
Der Zentral- Verein für Hebung der deutschen Fluß und Kanal⸗Schiffahrt giebt seit dem vorigen Monat eine Zeitschrift
für ö heraus, deren Verlag der Firma Siemenroth u. Worms in Berlin SW; anvertraut wurde. Das Bedürfniß, ein Organ zu schaffen, welches einen vermehrten Aus- tausch der Meinungen über alle die Hebung der Binn
schiffahrt und den Ausbau der Wasserstraßen betreffenden Fr ermöglicht, ist mit der Zeit immer dringender geworden, wenn Erkenntniß von dem großen wirthschaftlichen Werth leistungsfäh