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Etatsüberschreitung im Auswärtigen Amt vorzugsweise für die Kolonien von einer Million aufweisen, und zwar für Fehlbeträge für Südwest⸗Afrika und Kamerun aus dem Jahr 1893/94; außerdem wird sich für Ost-Afrika noch ein Fehlbetrag von über 3 Million und für Südwest -Afrika ein Fehlbetrag von über 4 Million ergeben. (Hört! hört) Für Kamerun ist noch nicht annähernd festzustellen, welcher Fehlbetrag sich im laufenden Jahr ergeben wird. Das ist gewiß eine finanziell sehr bedauerliche Erscheinung, aber die Kolonial⸗ politik ist, wie Ihnen der Herr Reichskanzler ausgeführt hat, inauguriert unter der patriotischen Zustimmung des ganzen Volks, und wir sind gejwungen, die Kolonien, die wir völkerrechtlich besitzen, auch militärisch und kulturell so zu stärken, daß wir sie wirklich beherrschen.
In der Verwaltung des Reichsheeres wird sich eine Mehrausgabe von 2 Millionen ergeben, trotz erheblicher Ersparnisse bei den Naturalien und Viktualien. Es wird sich auch eine Mehrausgabe bei den Flur— beschädigungen aus Anlaß der Manöver herausstellen. Ich gebe mich aber, in Uebereinstimmung mit dem Herrn Kriegs⸗Minister, der Hoffnung hin, daß, je mehr die Truppen mit ständigen Uebungeplätzen versehen werden, desto kleiner die Ausgaben für Flurentschädigungen bei Gelegenheit der Manöver werden werden. Ebenso wird sich eine erhebliche Mehrausgabe bei den Kosten der Eisenbahntransporte ergeben. Es ist das eine Mehrausgabe, die hoffentlich Ihre Zustimmung finden wird. Sie ergiebt sich aus der früheren Entlassung der Reserven, aus dem Eisenbahntransport zur Erleichterung der Einquartierungslast und namentlich zur Erleichterung der Gemeinden für Vorspannlasten.
Im Reichs⸗Schatzamt werden wir mit einer Mehrausgabe von über 17 Millionen Mark zu rechnen haben, und zwar handelt es sich hier um eine außeretatsmäßige Ausgabe, d. h. um den Verlust, der bei der Abschiebung der letzten Rate der österreichischen Thaler ent⸗ standen ist. Es wird für die Herren von Interesse sein, zu erfahren, daß die 83 Millionen österreichischer Thaler, die in ihre Heimath zurückgesandt sind, pro Thaler einen Erlös von 2,51 S ergeben haben, und daß gegenüber einem jetzigen Silberstande von 28/29 Pence der Silberwerth der österreichischen Thaler mit 51 Pence realisiert ist. Der Gesammtverlust, den wir bei der Abschiebung der öster—⸗ reichischen Thaler erlitten haben, beläuft sich auf rund 4226 000 A Es ergiebt sich im Hinblick auf den jetzigen Silberpreis, daß diese Maßregel eine durchaus finanziell weise gewesen ist. Das Reichs—⸗ amt des Innern wird eine Mindereinnahme von z Million bean spruchen, insbesondere infolge von Minderausgaben für die Familien der zu Friedensübungen einberufenen Mannschaften.
Meine Herren, auch die Reichsschuld wird eine Minderausgabe von 2 Millionen ergeben. Das kommt daher, daß bei der Etatsaufstellung angenommen wurde, die dreiprozentige Reichsanleihe, letzte Ausgabe, sollte im April und Oktober verzinst werden. Man hat aber aus finanztechnischen Gründen die Zinstermine Januar und Juli gewählt. Infolge dessen wird die Zinsrate Januar-April erst im Jahre 1895 zur Zahlung kommen.
Diesen Mehrausgaben stehen nicht geringe Mehreinnahmen gegenüber. Zunächst, meine Herren, bei der Zuckersteuer. Es wird ja den Herrn Abgeordneten Richter mit einer gewissen Befriedigung erfüllen, wenn ich ihm zugestehe, daß, obgleich der Einnahmeetat bei der Zuckersteuer um 5 Millionen erhöht ist, wir trotzdem noch gegenüber diesem erhöhten Etat auf eine Mehreinnahme von 5 Millionen glauben rechnen zu können; es ergiebt sich das namentlich auch mit Berücksichtigung der größeren, dieses Jahr fälligen Kredite. Im Etat für 1895/96 konnte bei solider Etatszaufstellung eine solche Erhöhung nicht vorgenommen werden. Ich werde mir gestatten, das Nähere aus— zuführen bei Erörterung der Etatslage für das kommende Jahr. .
Die Salzsteuer läßt einen Mehrertrag von 13 Millionen er— hoffen, und die Maischbottich und Branntweinmaterialsteuer auch einen solchen von über 17 Millionen Mark.
Ebenso ist bei der Brausteuer auf ein Mehr von etwa 3 Millionen zu rechnen. — Bekanntlich ist vom Reichstag im laufenden Etat auch die Einnahme der Post um 3 Millionen gegen⸗ über dem Etatsanschlag erhöht worden. Wenngleich durch die Oktober⸗ einnahmen ein Mehr in den Einnahmen von 2 Millionen erzielt ist, glaubt die Reichs⸗Postverwaltung doch, im Hinblick auf die Er⸗ fahrungen in den letzten Monaten des vorigen Jahres, auf die Besserung eines Monats hier höhere Erträge aus der Post nicht ein⸗ schätzen zu sollen. Sie hält vielmehr bis auf weiteres daran fest, daß gegenüber dem Etatsanschlage eine Mindereinnahme von etwa 14 Millionen eintreten werde.
Ebenso befürchtet die Reichs⸗Eisenbahnverwaltung — bekannt- lich sind ja die Einnahmen aus den Reichs⸗Eisenbahnen auch vom Reichstag bedeutend erhöht worden, d. h. um 3 Millionen — eine Mindereinnahme von etwa E Millionen; wenngleich bisher der Güter⸗ verkehr um etwa 6,2 oo gegenüber dem Vorjahre gestiegen ist infolge der großen Einfuhr von Erzen aus Lothringen und Luxemburg, so ist doch der Personenverkehr etwa auf der Höhe der Einnahmen des Vorjahres geblieben.
Meine Herren, wenn wir in dieser Weise die Mehreinnahmen mit den Mehrausgaben kompensieren, so gelangen wir zu einem Ueberschuß auf Grund der jetzigen Schätzungen von etwa 5. Millionen in der eigenen Wirthschaft des Reichs, der in dem Etatsanschlag des Jahres 1896/97 nach der bisherigen Uebung ein— zustellen ist.
Günstiger stellt sich das Verhältniß für die Ueberweisungen. Wenn ich von dem jetzigen Status ausgehe einschließlich der Er—⸗ gebnisse des Monats Oktober, so ist dies Ist an Zöllen gegen das Vorjahr um 23 Millionen gestiegen. Ebenso stehen über 2*3 Millionen mehr Kredite aus. Man könnte hiernach rein kalkulatorisch auf einen Mehrertrag aus den Zöllen von 13 Millionen rechnen. Ich bitte aber zu erwägen, daß durch die Verschiebung der Kreditfristen für die Transitläger, d. h. durch die Verkürzung der Frist von 6 auf 3 Monate, die Zolleinnahmen aus den Transitlägern bis zum Monat Oktober wesentlich größere gewesen sind als im Vor⸗ jahre, und daß infolge dessen der Januar erheblich geringere Ein⸗ nahmen aus der Verzollung von Getreide in den Transitlägern ergeben wird. Allerdings steht dem gegenüber eine geringe Mehreinnahme aus der Verzollung von den Mühlen⸗ konten. Ferner bitte ich, als mindernden Faktor zu berechnen, daß noch etwa 1 Million nicht realisierte Einfuhrscheine zirkulieren, und daß endlich in den ersten Monaten der Fraktion, die dieser Berech⸗ nung zu Grunde gelegt ift, noch die russischen Kampfzuölle validierten, daß also um diesen Minderertrag der Kampfzölle sich auch die
Einnahmen aus den Zöllen in den kommenden Monaten des Jahres reduzieren dürften. Ueberdem giebt auch der Novemberabschluß, den ich heute Morgen erhalten habe, ein wesentlich ungünstigeres Bild als der Oktober ⸗Abschluß. Der Abschluß für November ergiebt
gegenüber dem Vorjahre nur ein Plus der Gesammteinnahme von Zöllen und Steuern in Höhe etwa 216 000 M Bei worsichtiger
Schätzung wird man deshalb das wirkliche Mehr aus den Zöllen gegenüber dem Vorjahre nur zwischen 9 und 10 Millionen annehmen dürfen. Die Tabacksteuer läßt vorläufig einen Mehrertrag von Million erhoffen. Wie Ihnen bekannt ist, hat ja die mit Taback bebaute Fläche 1893394 um etwa 468 ha zugenommen, und 1894/95 sehen wir eine Mehrfläͤche gegen das Vorjahr von 2382 ha.
Bei der Branntweinverbrauchsabgabe können wir nur auf eine Mehreinnahme von etwa 143 000 „M rechnen; wie Sie aus dem Etat ersehen haben werden, vergrößert sich das Kontingent infolge der Neukontingentierung für die Periode 1893/95 um 1165 680 hl; das ergiebt eine Mindereinnahme von etwa 25 Millionen. Für das Jahr 1893/94 ist indeß ein vorläufiges Kontingent in Höhe des bis— herigen Kontingents den Brennern zugewiesen worden, und erst jetzt, im Jahre 1894/95, sind die Brenner in der Lage, das ihnen für 1893/94 zu wenig zugewiesene Kontingent nachträglich abzubrennen. Wir haben angenommen, daß dieser nachträgliche Ausgleich sich im laufenden Jahre vollziehen wird und sich daraus an Branntweins verbrauchgabgabe eine Mindereinnahme von 2 X24, d. h. 45 Millionen ergeben dürfte.
Immerhin ist für die Bundesstaaten das Resultat, wie man es vorläufig aus dem bisherigen Gange der Dinge schätzen kann, ein günstiges. Bekanntlich beträgt nach dem laufenden Etat die Differenz zwischen den Matrikularbeiträgen und den Ueberweisungen 304 Millionen. Wir rechnen einschließlich des Mehrbetrages aus der Stempelsteuer in Höhe von 164 Millionen auf eine Summe an Mehr— überweisungen von 265 Millionen. (Hört, hört! links.) Meine Herren, die Konsequenzen daraus werden wir später ziehen. Also würden die Bundesstaaten in diesem Jahre nur eine Zuzahlung von 4 Millionen zu leisten haben.
Ich komme nun auf den Etat von 1895/95. Mit Rücksicht auf die bevorstehende Finanzreform wird ja selbstverständlich dieser Etats⸗ entwurf der besonders scharfen Kritik des hohen Reichstags unterliegen.
Ich glaube, es wird zunächst die Herren mit Befriedigung er— füllen, daß es gelungen ist, nunmehr das System der Dienstalters⸗ stufen für alle Beamtenkategorien im Reich durchzuführen (Beifall), und daß namentlich auch durch eine Einigung mit der Reichs Postverwaltung es möglich geworden ist, die Beamten der Post⸗ verwaltung in das System der Dienstaltersstufen einzubeziehen, aller— dings vorläufig mit einer nicht unerheblichen Mehrausgabe.
Das Auswärtige Amt, meine Herren, erfordert 2 Millionen mehr als wie im Vorjahre. Hierunter befinden sich wieder 15 Millionen für die Kolonien. Es erscheint das erste Mal Kamerun mit einem einmaligen Zuschuß.
Das Reichsamt des Innern beansprucht an Reichszuschüssen für die Alters- und Invalidenrente nur einen Betrag von 13 Million mehr gegen das Vorjahr, während im April dieses Jahres dieser Mehrbetrag auf über 6 Millionen geschätzt wurde. Es ergiebt sich, daß, wie ich bereits ausführte, diese Ansprüche also nicht annähernd so groß sind, wie man sich vorgestellt hatte. Es fehlte eben bei den bisherigen Schätzungen an allen erfahrungsmäßigen Grundsätzen.
Bei dem Titel: zur Unterstützung der Familien der zur Uebung einberufenen Mannschaften des Beurlaubtenstandes, sind 4 Millionen weniger angesetzt, und man hofft, mit dieser Summe auszukommen.
Besonders erwähnenswerth ist die Forderung von 20 000 , für die Unterstützung des Germanischen Lloyd für Schiffs— klassifikationen, um möglichst unsere Rhedereien bei der Beurtheilung des Werths und Grades der Seetüchtigkeit von Schiffen unabhängig zu machen von fremden Klassifikationsanstalten.
Ebenso finden Sie einen Posten von 850 000 „M als erste Rate zur Durchführung der Berufs⸗ und Gewerbezählung.
Meine Herren, es ergiebt sich hieraus für das gesammte Ordi⸗ narium des Reichsamts des Innern noch eine Minderforderung gegen das Vorjahr von 1/8 Million.
In dem Etat für die Verwaltung des Reichsheeres finden Sie eine Reihe von organisatorischen Aenderungen. Zunächst eine wesent— liche Vermehrung des Intendanturpersonals, die schon im Jahre 1892 für das Bureaupersonal eingetreten war und sich jetzt sowohl auf das höhere Personal, wie auf das Bureaupersonal erstrecken soll, ferner die Verstärkung des Lehr⸗Infanterie⸗Bataillons auch für den Winter in Höhe der Sommerstärke im Interesse der militärischen Ausbildung, und eine Mehrausgabe für die Bekleidungsämter, die vom Reichstag selbst in der vorigen Session angeregt wurde. Es wurde von dem Herrn Abg. Möller hervorgehoben, wie wichtig es wäre, daß die Offiziere bei den Bekleidungsämtern möglichst lange in ihren Stellungen blieben, um ihre gesammelten technischen Er— fahrungen zu verwerthen, und daß es sich deshalb empfehle, diesen Offizieren zur Erhaltung ihrer Berufsfreudigkeit nicht fixierte, sondern steigende Zulagen zu geben.
Bei den Verhandlungen mit dem Herrn Kriegs⸗Minister über diesen Punkt wurde zunächst von der Reichs⸗Finanzverwaltung vorge—⸗ schlagen, ob es nicht möglich sei, diese Offiziere zu Zivil⸗Militär⸗ beamten zu machen, ähnlich wie die Intendanturbeamten. Dagegen wurde eingewendet, daß dieses militärische Personal ständig Fühlung behalten müsse mit den Verhältnissen der Armee, daß es sich deshalb nicht empfehle, dasselbe zu Zivilbeamten zu nehmen.
Ebenso stellte es sich aus militär ⸗hierarchischen Gründen als un— durchführbar heraus und war auch mit Rücksicht auf die Reichs—⸗ Pensionsgesetze nicht ausführbar, jenen Offizieren steigende Zulagen zu geben. Es blieb schließlich nichts übrig, als ihre Reaktivierung in Aussicht zu nehmen. Es ist vorläufig im Interesse der Ersparniß in Aussicht genommen, nur den vierten Theil dieser Offiziere zu reaktivieren.
Eine sehr erhebliche Minderausgabe weist die Verwaltung des Reichsheeres auf für die Naturalverpflegung (hört! hört! rechts), d. h. einschließlich der bayerischen Quote, — eine Minderforde⸗ rung von 155 Millionen. Meine Herren, es ist das ein drastischer Beweis, meine ich, für die traurige und gefährdete Lage der deutschen Landwirthschaft. (Sehr richtig! rechts.) Ich werde mir gestatten, später noch auf diesen Punkt zurückzukommen.
Unter den Einmaligen Ausgaben“ finden Sie solche für Melde⸗ reiter⸗Detachements, für weitere Bespannungs⸗Abtheilungen für die
Fuß ⸗Artillerie und für den Bau von 100 Familienwohnungen . Bereits lh jn
die Arbeiter der Militärwerkstätten in Spandau. haben Sie Mittel bewilligt für den gleichen Zweck.
Ferner finden Sie eine Summe von 183 Millionen für Uebung plätze. Diese Summe scheint sehr bedeutend; ich bemerke aber, j neu nur die Uebungsplätze bei Lockstädt für das schleswig · holsteiyt Armee⸗Korps, für das sächsische Armee⸗Korps bei Zeithain und fi das württembergische Armee⸗Korps sind. -Das giebt eine Sumn von etwa 121,6 Millionen. Für alle anderen Uebungsplätze handel es sich um weitere Raten oder um Herstellung der nothwendigen Dien gebäude. Auch das Bedürfniß eines Uebungsplatzes für das König württembergische Korps ist schon dadurch anerkannt, daß im laufende Etat eine Summe von 15 000 M für jenen Zweck zu Voranschla. arbeiten eingestellt ist.
Sie haben also bereits mit der bisherigen Bewilligung anerlann daß diese Uebungsplätze nothwendig sind im militärischen Entwickelung, im Interesse der Entlastung der um. wohnenden Bevölkerung von Einquartierungslasten, vor allen Dingen auch im Interesse der persönlichen Sicherheit der umwohnenden Bevölkerung, weil die nothwendigen Schießübungen zum theil af den jetzigen Plätzen Ehne schwere Gefährdung der umwohnenden Einwohner nicht durchführbar sind.
Ich gehe nun zum Marine⸗Etat über; da finden Sie eingestel die vierte Rate für die Personalvermehrung auf Grund der in Jahre 1892,93 vorgelegten Denkschrift, eine Mehrforderung n
13 Millionen für Instandhaltung außer Dienst befindlicher Schf ./
der „Brandenburg“⸗Klasse und einen Mehrbetrag von 00 O0 für im Dienst befindliche Schiffe; letztere Mehrausgabe rechtfertigt 1 durch die gegenwärtigen politischen Verhältnisse. Einmalig finden 8 ferner eine Ausgabe von über 13 Millionen zur Erneuerung der My schinen und Kessel der „Sachsen“⸗-Klasse. Der Gesammtmehrbedn im Marine⸗Etat für Schiffsbau und Armierung beläuft sich uf Millionen Mark. Wie den Herren erinnerlich, wird M Zuschuß des ordentlichen Etats der Marine zum außerordentliche Etat derart berechnet, daß jedesmal der ordentliche Etat zu in Schiffsbauten 5 9 des jedesmaligen Werths der Flotte zuschießt nd nur der Mehrbetrag aus dem Anleihetitel entnommen wird.
Gegenwärtig beläuft sich der Werth der Flotte auf 292 Milst, nen, d. h. 16 Millionen mehr, wie im Vorjahre. Durch die Streichun im vorigen Jahre wurden aber noch nicht einmal aus dem On, narium jene 5oso des Werths der Flotte in Anspruch genommen vielmehr belief sich der Zuschuß des Ordinariums noch alf 2400 0001 weniger. Es erscheint durchaus korrekt, da diese 50 auf der Vereinbarung mit dem Reichstag beruhen und für di Unterhaltung und Erneuerung der Flotte dienen, nachträglich jena ersparten Betrag ebenfalls dem Ordinarium zu entnehmen und R durch den Schuldtitel um den gleichen Betrag zu verringern.
Dauernd und einmalig erfordert hiernach das Ordinarium de Marine⸗Etats ein Mehr von 94 Millionen. Die Reichsschuld be, ansprucht einen Mehrbetrag von 33 Millionen; darunter finden St eine Ausgabe von 170 000 „S6 zur Erneuerung unseres Papiergelde, zunächst detjenigen über 50 M. Die nähere Erläuterung de dringenden Gründe hierfür finden Sie im Etat selbst.
Der allgemeine Pensions⸗Etat macht namentlich mit Rüchic auf die Pensionsnovelle vom 22. Mai 1893 einen Mehraufwand ven 6 Millionen erforderlich. Sie finden hier einen Posten don 80 000 M eingestellt, der dazu bestimmt ist, bedürftigen Offiziern den Umzug nach ihrer Heimath durch einmalige Beihilfen zu erleichtem Ebenso ist bei dem Unterstützungstitel für die Maxine ein Mehr betrag von 14 000 M eingestellt, um namentlich die Hinterbliebemm
der Opfer der Katastrophe auf den Schiffen „Baden“ und Brn⸗
denburg“ reichlich und angemessen unterstützen zu können. Hiernah ergiebt sich für das gesammte Ordinarium eine Mehrforderung ba 301 Millionen. Ich komme nun zu den Einnahmen aus Zöbͤlla und Verbrauchssteuern. Ich halte den Wunsch des Reichstags fi einen berechtigten, daß die Einnahmen möglichst zutreffend veranschlat werden. (Sehr richtig! links) Man wird aber bei diesem Va fahren nicht so weit gehen können, daß man alle die wechselnder Koeffizienten, die eintreffen können, völlig außer Acht läßt und damit der Wahrscheinlichkeit eines Ausfalles sich bedenklich nähert Entsprechend den Anregungen, die namentlich aus der Budget, kommission in der vorigen Tagung des Reichstags gegeben sind ist die Veranschlagung der Einnahmen aus den Zöllen ud Verbrauchssteuern zunächst basiert auf die letzten 24 Monate ein schließlich des Monats August. Dieses System wird man als ein richtiges erachten können, soweit es sich erstens um die Zölle sir Kolonialwaaren und ferner um Verbrauchsabgaben handehh die naturgemäß im allgemeinen regelmäßig steigen, entsprechend du steigenden Wohlhabenheit der Bevölkerung und der steigenden Bo völkerungszahl selbst. Man wird aber diesen Modus nicht anwenden
können für die Getreidezölle; denn die Getreidezölle hängen ab einerseit
von dem Ausfall der beimischen Ernte, andererseits von den Erni anderer Länder. Wollte man, meine Herren, auch bei den Getreide zöllen eine derartige zweijährige Fraktion anwenden, so könnte mm zu einem sehr bedeutenden Ausfall gelangen. Es ist deshalb bei mn Zöllen zwar auch für alle übrigen Artikel die zweijährige Fraltin angewendet, dagegen für die Getreidezölle eine dreijährige Fraktich. Wenn trotz dieses Entgegenkommens gegenüber den Wünschen * Reichstags die Einnahmen aus den Zöllen nach der zweijährigh Fraktion noch um zwei Millionen geringer sind wie im laufende Etat, so wird man uns einen Vorwurf daraus nicht machen können, ein System müssen wir wählen, und ein Systeh was noch weiter geht, würde meines Erachtens die Grundsätze solid Etatsveranschlagung verlassen. . Aus der Tabacksteuer ist ein Mehrertrag, auch mit Rücksicht an die größere bebaute Fläche, von der ich schon sprach, in Höhe bt t Million eingesetzt, aus der Zuckersteuer ein Mehrbetrag bi 15 Millionen. Es ist ja vorauszusetzen, daß in diesem Jahte n Produktion von Zucker eine ganz ungeheure sein wird. Man reh in sachverständigen Kreisen auf eine Produktion von 17 Million Doppelzentnern, gegen 13 Millionen Doppelzentner im Dorn Nimmt man selbst an, daß die Konsumtion auf 6 Millionen . zentner stiege, so müssen doch noch 11 Millionen Der pellen exportiert werden, d. h. nur 2 Millionen weniger, wie die 9 Produktion des vorigen Jahres betrug. Die Verbrauch gaben Zucker richtet sich nicht nach der Produktion, sondern . nach dem Konsum und andererseits nach dem Export. Minde auf die Einnahmen dürfte daher die erhebliche Steigerung
Interesse der .
Ausgabe für Exportprämien wirken. Andererseits läßt aber auch die Ernte des nächsten Jahres eine Minderung der Einnahmen voraussetzen; es kommt aus dem Lande die Nachricht, daß infolge der niedrigen Preise für Rüben, die zum theil auf 1,40 4 für den Doppelzentner angegeben werden, ein Rückgang in der Bebauungs—⸗ fläche eintreten wird; dieser Rückgang in der Bebauungsfläche wird auch schon im Steuerertrag für das Jahr 1895/96 ersichtlich werden.
Beim Salz hoffen wir auf einen Mehrertrag von 900 000 , bei der Maischbottichsteuer auf einen Mehrertrag von etwa 800 000 4 Dagegen nehmen wir bei der Verbrauchsabgabe einen Minderertrag von über 1 Million an. Diese Verbrauchsabgabe muß meines Er— achtens vorsichtig geschätzt werden: erstens mit Rücksicht darauf, daß immerhin die Möglichkeit vorliegt, daß die Ausgleichung des nach⸗ träglich vertheilten Kontingents erst 1895ñ96 wenigstens zum theil erfolgt, und ferner auch mit Rücksicht darauf, daß die Minderernte von Kartoffeln, sowohl im Quantum wie im Stärkegehalt, doch eine geringere Produktion mit sich bringt.
Die Brausteuer ist mit einem Mehr von etwa 4 Millionen ver— anschlagt worden.
Die Reichs⸗Stempelabgaben werden mit einem Plus von 164 Mil⸗ lionen in Autsicht genommen, ebenso wie ich sie geschätzt habe für das laufende Jahr. Jedenfalls ergiebt sich daraus, daß die Befürch⸗ tungen, die seitens der Gegner des sogenannten Börsensteuergesetzes erhoben worden sind, sich nicht erfüllt haben. Ich selbst habe im April d. J. einen Mehrertrag an Reichs. Stempelabgaben von nur 15 Millionen angenommen. Wir haben selbst nicht erwartet, daß sofort der volle Betrag von 26 Millionen erreicht würde; jedenfalls aber ist der Betrag, den wir jetzt eingesetzt haben, schon größer, wie man annahm. Allerdings kommt dabei in Betracht, daß für die Abstempelung ausländischer Papiere zu den alten nie— drigen Sätzen eine Präklusivfrist von sechs Monaten freigelassen ist und möglicherweise in dieser Zeit eine erheblich stärkere Einnahme aus dem Effektenstempel eingegangen ist, wie sie sonst sich ergeben hätte; aber ins Gewicht kann diese Mehreinnahme nicht fallen gegen⸗ über dem Gesammtresultat.
Meine Herren, was demnächst den Etat der Post- und Telegraphenverwaltung anlangt, so werden Sie gefunden haben, daß einem lang empfundenen Wunsche aus Interessentenkreisen, der auch aus der Mitte des Reichstags Unterstützung gefunden hat, nachgekommen ist. Wir haben den Durchschnittsgehalt der Post— verwalter um 250 „ erhöht und sie damit gleichgestellt mit den Gehältern der Assistenten und Ober -Assistenten, d. h. mit der Beamten klasse, die vollkommen dieselben amtlichen Qualifikationen besitzt, wie die Klasse der Postverwalter.
Im Interesse des Verkehrs sind die Postagenturen wiederum um 250 vermehrt.
Wenn die Post einen Minderüberschuß aufweist gegenüber dem porigen Etat, so liegt es einerseits an diesen beiden Mehrausgaben, andererseits daran, daß zur Durchführung des Dienstaltersstufen⸗ systems vorläufig eine Mehrausgabe von 19 Million nothwendig ist, eine Mehrausgabe, die aber im Beharrungszustande verschwinden wird, weil die Zabl der Unterbeamten, die in eine höhere Gehalts— klasse gekommen sind, geringer ist, wie die Zahl derjenigen Beamten, die sich in diesen höheren Klassen bereits befanden, und das Anfangs gehalt der neuen gemeinschaftlichen Kategorie um 100 6 verringert ist.
Bei der Reichs-Eisenbahnverwaltung ist im laufenden Etat die Einnahme um 35 Millionen gegen den Etatsentwurf er— höht worden. Der Herr Chef der Reichs- Eisenbahnverwaltung glaubt indessen, für das kommende Jahr nur eine Mehreinnahme von etwa 91 000 „ einstellen zu können, entsprechend der normal mäßigen Steigerung von etwa 1.6 96,6 pro Jahr im Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Wenn die Steigerung im Jahre 1893,‚94 eine besonders günstige war, so liegt das an voraussichtlich nicht wiederkehrenden Verhältnissen: an besonders günstigem Reisewetter, an den Kaisermanövern in Elsaß⸗Lothringen und namentlich an einer Anzahl von außerordentlichen Transporten, am Trantport von Futter⸗ mitteln, großen Militärtransporten, Transporten von Eisenbahn— material, die sich nicht jedes Jahr wiederholen. Ich bemerke übrigens, daß zeitweise diese Steigerung der Einnahmen aus den Reichs⸗ Eisenbahnen erheblich weniger betragen hat, wie sie im vorliegenden Etatsentwurf angenommen ist: im Jahre 1891,92 hat die Steigerung nur S/10 , 1892/93 nur etwas über 1 9e0 betragen.
Meine Herren, unter den „verschiedenen Einnahmen“ befindet sich eine Mindereinnahme von über 35 Millionen. Es liegt das vor allen Dingen an den Mindereinnahmen für vom Militärfiskus zu veräußernde Grundstücke; namentlich konnte die zweite Rate für den Platz vor dem Schönhauser Thor nicht eingestellt werden, weil von dem Platz bisher noch nichts verkauft und deshalb noch nicht einmal der Betrag der im laufenden Etat angesetzten ersten Rate realisiert ist.
Schließlich ist im Etat eingestellt ein Mehrüberschuß gegen das Vorjahr von 13 Millionen. .
Das Extraordinarium weist eine wesentliche Minderausgabe nach im Reichsamt des Innern durch den Fortfall der Bauraten für den Reichstag und dadurch, daß nur noch eine kleine Rate für den Nord⸗Ostsee⸗Kanal eingestellt worden ist.
Ebenso findet sich beim Reichsheer eine Minderaus gabe von über 58 Millionen, namentlich durch Verminderung der Aufwendungen für artilleristische Zwecke und strategische Bahnen; im Etat sind nur zwei zweite Geleise für ganz kurze Strecken eingestellt.
Endlich ergiebt sich eine Minderausgabe von 8 Millionen bei den Reichs⸗Eisenbahnen infolge geringerer Forderungen für Neubauten.
Die Marine ergiebt dagegen eine Mehrforderung von 3 Millionen. Sie finden wiederum die Trockendocks in Kiel und Zuschüsse für Bremen zur Herstellung eines Trockendocks eingestellt. Die Anleihe⸗ forderung ist 753 Millionen geringer gegen das Vorjahr, während aus dem Münzgewinn ein Mehrbetrag von etwa 650 000 MM eingestellt ö. wiederum zur Verminderung des Anleihetitels verwendet werden onnte.
Meine Herren, wenn man sich nun ein Bild von der Gesammt—⸗ gestaltung des Etats vergegenwärtigen will, so ergiebt sich, daß die Matrikularbeträge die Ueberweisungen um die Summe von 46 Mil. lionen überfteigen. Hiervon sind abzurechnen die Ausgleichungsbeträge der süddeutschen Staaten mit 11 Millionen. Es bleibt also noch eine Spannung von 33 Millionen.
Es hat sich in der Presse die Auffassung geltend gemacht, als hätte man diese Spannung künstlich herbeigeführt; man hat es als einen Triumph der Etatskunst bezeichnet, daß man ungefähr
gerade so viel als Bedarf ansetze, wie die neue Tabackssteuer bringen solle. Ich muß diesen Vorwurf als durchaus ungerechtfertigt be⸗ zeichnen, und gestatte mir, demgegenüber nur drei Zahlen anzuführen. Wenn wir die Einnahmen aus Zöllen und Berbrauchssteuern nach der alten dreijährigen Fraktion eingestellt hätten, so hätte sich eine Mindereinnahme von acht Millionen ergeben; wir wären hierbei nur dem bisherigen Usus gefolgt. Wir haben ferner das Veranschla⸗ gungsverfahren für den Naturalienbedarf des Reichsheeres geändert. Früher wurden die Naturalienkosten für die Heeresverwaltung in der Weise veranschlagt, daß die Hälfte nach den Preisen des dem Etat vorausgehenden Oktobermonats, die andere Hälfte nach dem zehn⸗ jährigen Durchschnitt eingestellt wurde. In dem Bestreben, der wirklichen Ausgabe möglichst nahe zu kommen, haben wir die Veranschlagungsform dahin abgeändert — und das entspricht dem wirklichen Ankaufsmodus — daß für die gesammten Körnerfrüchte und die Hälfte der Fourage an Heu und Stroh die Oktoberpreise des vorhergehenden Jahres, und für die andere Hälfte der Fourage an Heu und Stroh der dreijährige Durch⸗ schnitt gewählt wird. Infolge dessen werden, während die Minder— ausgaben nach dem alten Veranschlagungsverfahren 9 Millionen be— tragen hätten, solche nach dem neuen Verfahren auf 15 Millionen angesctzt. Wir haben also aus eigener Initiative eine Minderausgabe von 6Millionen eingesetzt. Endlich bemerke ich, daß im Marine⸗Etat 14 Millionen in den einmaligen Ausgaben des Ordinariums zur Re⸗ paratur von Kesseln und Maschinen der, Sachsen“⸗Klasse eingestellt sind, — eine Ausgabe, die man ebenso gut unter den dauernden Forderungen des Ordinariums hätte begründen können, und die eventuell die dauernden Ausgaben um den gleichen Betrag erhöht hätte. Es würde sich hiernach durch die andere Etatisierung jener drei Posten eine Erhöhung des Fehlbetrages um 153 Millionen ergeben haben. Mögen sich die Herren hieraus überzeugen, daß es uns ferngelegen hat, eine künstliche Spannung zwischen Matrikularbeiträgen und Ueber⸗ weisungen zu schaffen. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, nun ergiebt aber dieser Etat, der ja scheinbar günstig abschließt, doch zwei vollkommen schwankende Faktoren. Das ist einmal die Minderausgabe für die Naturalien der Heeres verwaltung. Meine Herxen, die Sätze, die Sie in diesem Etat finden, bleiben weit hinter dem Durchschnittspreise des Jahres 1893 und weit hinter dem 10 jährigen Durchschnittspreis zurück. Ja, meine Herren, bei dem Roggenpreise müssen Sie bis ins Jahr 1864 zurückgehen, um solch niedrige Preise, wie sie jetzt eingestellt sind, zu finden. Es ist selbst⸗ verständlich, daß auch die geringste Steigerung der Naturalienpreise, die wir doch dringend wünschen müssen — meine Herren, wenn solche Preise für die landwirthschaftlichen Produkte blieben, wäre das geradezu ruinierend für die Landwirthschaft (sehr richtig! rechts) — eine Mehrausgabe von 15 Millionen sofort wieder erfordert.
Ein anderer schwankender Faktor liegt aber in den Getreidezöllen. Die Getreidezölle sind abhängig von dem Umfange des Imports. Die Getreidezölle haben im Jahre 1891/92 28 0½, im Jahre 1892,93 As o/o, im Jahre 1893/94 190, und in der Zeit vom April bis Oktober 1894 2330/0 der gesammten Zolleinnahmen gebildet.
Meine Herren, schon eine Mindereinnahme an Getreidezöllen von 23 0 zwischen dem Jahre 1893ñ94 und dem Jahre 1892,93 giebt eine Mindereinnahme an Zöllen von 12 Millionen. Es ergiebt sich hier⸗ aus ganz klar, daß jede besonders gute Ernte einen Ausfall an Zöllen von 30 Millionen und mehr herbeiführt.
Wir haben also bei diesem Etatabschluß zu berücksichtigen erstens eine Minderausgabe von 15 Millionen bei den Naturalien, die sich jedes Jahr in eine Mehrausgabe verwandeln kann, und anderer⸗ seits eine Mehreinnahme an Zöllen, die sich jedes Jahr in eine ebenso große Mindereinnahme umwandeln kann.
Außerdem aber muß man berücksichtigen, daß wir bis jetzt es noch nicht einmal haben erübrigen können, einen ausreichenden Betriebs⸗ fonds für die Reichs- Finanzverwaltung zu bekommen. Wenn wir bisher ohne Betriebe fonds ausgekommen sind, so liegt das einfach darin, daß wir z. B. in den Jahren 1892/93 bis 1893,94 347 Millionen Mark neue Schulden gemacht haben; da wir selbstverständlich diese Anleihekredite in größeren Posten realisieren, als sie unmittelbar für den Bedarf nothwendig sind, so haben wir von diesen Anleihekrediten thatsächlich die laufende Verwaltung geführt.
Sie müssen ferner erwägen, daß die Art und Weise unbillig ist, wir wir jetzt die Matrikularbeiträge von den Einzelstaaten in monat⸗ lichen Drittelraten einfordern, während die Einzelstaaten ihrerseits erst im fünften Monat in den Genuß der Zölle gelangen. Korrekter Weise dürfte der Ueberschuß, der in der öffentlichen Debatte bisher so sehr in den Vordergrund gedrängt wurde, zu einem Betriebsfonds anzu⸗ sammeln sein. Wenn man aber diesen Weg nicht gehen will, müßte man den Ueberschuß nicht in das Ordinarium als Einnahme einstellen, sondern in das Extraordinarium. Es ist eine außerordentliche Ein⸗ nahme und sie müßte zur Entlastung des Schuldentitels verwendet werden. (Sehr richtig)
Ferner, meine Herren, sind noch 8. Millionen dauernde Aus— gaben für die Heeresverstärkung rückständig. Außerdem beweist die Er⸗ fahrung, daß alljährlich die Ausgaben steigen und zwar in einer stärkeren Proportion als die Einnahmen. Wenn Sie die Rechnung bis zum Jahre 1879 zurück aufmachen, so sind durchschnittlich die Ausgaben jährlich um 40ñ0 gestiegen, und ich spreche nur von den Ausgaben des Ordinariums. Sehen wir also ab von den 304 Millionen, die das Ordinarium dieses Jahr mehr fordert, so würde bei einer Ausgabe des Ordinariums von 800 Millionen im Etats jahre 18965/‚96 eine Ausgabensteigerung von 32 Millionen eingetreten sein, d. h. von einer Gesammtsumme von 800 Millionen des Ordinariums auf 832 Millionen. Sehen Sie sich demgegenüber den Einnahme⸗ Etat an, so finden Sie, daß die ordentlichen Einnahmen ausschließlich der Matrikularbeiträge und ausschließlich der Stempelsteuererträge nur 10 Millionen mehr betragen. Mit anderen Worten, die Ausgabe des Ordinariums ist um 32 Millionen und die Einnahme um 10 Millionen gestiegen.
Es ist nun wiederholt darauf hingewiesen worden, daß man dadurch den Anleihetitel entlaftet hätte, daß man immer mehr Ausgaben des Extraordinariums ins Ordinarium eingestellt hätte, und
daraus erkläre sich auch die größere Steigerung des Ordinariums. Meine Herren, das ist doch nur in sehr beschränktem Umfange richtig. Wenn man die Gesammtsteigerung der einmaligen Ausgaben seit dem Jahre 79/80 zu Hundert nimmt, so hat die Sleigerung aus dem Anleihetitel über 724 c betragen, während die Steigerung der Ausgaben aus dem Ordinarium nur 274 0½ betrug. Theilt man
indeß den gesammten Zeitraum in jwei Perioden, so ergiebt sich, daß
im Durchschnitt in den Jahren 1879/80 bis 1886/87 die Ausgabe aus dem Extraordinarium um 75 o geftiegen ist, die Ausgabe a dem Ordinarium um 25 6. Erst in den Zeiträumen von 1887/88 bis 1895 / 96 hat sich dieses Verhältniß zu Gunsten des Schuldtitels und zu Ungunsten des Ordinariums indeß um nur 3 o/ verschoben.
Aus dieser Thatsache, daß der Anleihekredit viel stärker an= gespannt wurde zu Lasten der kommenden Geschlechter, wie die Aus⸗ gaben des Ordinariums zu Lasten der lebenden Generation, ergiebt sich unzweifelhaft, daß wir eben nicht so viel Steuern erhoben haben, wie eine solide Finanzwirthschaft im Reich erfordert hätte. Denn als ein erfreuliches Bild kann man es nicht betrachten, wenn die Anleihekredite seit dem Jahre 1879/80 auf über 2000 Millionen gestiegen sind, das heißt durchschnittlich jährlich um 34 ,, und wenn man erwägt, daß von dieser ungeheuren Schuldsumme nur 188 000 4 für die Betriebsverwaltung ausgegeben sind, d. h. für die Verwaltung, die eine unmittelbare Verzinsung beansprucht. Allenfalls könnte man sagen, daß die 213 Millionen, welche für verschiedene Ausgaben verwandt sind, darunter befinden sich die Ausgaben für den Nord⸗ Ostsee⸗Kanal, noch zum theil werbend angelegt sind. Die ganze übrige Summe unserer Anleihe ist für Zwecke verwendet, die eine unmittelbare Verzinsung nicht verheißen. Mit anderen Worten, meine Herren, wenn wir vergleichen, wie die Ausgaben des Ordinariums seit dem Jahre 1879 gestiegen sind gegenüber den Ausgaben des Extra⸗ ordinariums, so finden wir, daß die Ausgaben des Ordinariums sich erhöht haben von 432 Millionen im Jahre 1879 auf 830 Millionen im kommenden Etat, während die Schulden gestiegen sind von 242 Millionen auf über 2000 Millionen. Während also die Ausgaben des Ordinariums, die aus den ordentlichen Einnahmen bestritten werden, sich seit 1379 nur verdoppelt haben, haben sich die Schulden verachtfacht. (Hört! hört! rechts.)
Meine Herren, man kann gegenüber diesen sprechenden Zahlen doch nicht bestreiten, daß es unbedingt nothwendig ist, endlich einmal daran zu denken, der lebenden Generation die Ausgaben der Gegenwart in größerem Maße aufzuerlegen, und die ins Ungewisse wachsende Schuldenlast durch eine ordentliche Tilgung zu verringern. (Sehr wahr!)
Das ist eine Doktorfrage, über die man streiten kann, wie man diese Verringerung der Schulden vornimmt: ob man sie dadurch herbeiführt, daß man größere Summen ins Ordinarium einstellt oder dadurch, daß man die Ueberschüsse von den Schulden abzieht, oder eine planmäßige Schuldentilgung einführt und die dazu erforderlichen Mittel in den Etat einstellt. Das ist aber ganz untergeordnet, es kommt nur darauf an, die wachsende Verschuldung zu bremsen und der Bevölkerung einmal zu zeigen: wir denken daran, diese Lasten allmählich abzubürden.
Wenn Sie sich nun unparteiisch das Bild vergegenwärtigen, das Ihnen dieser Etatsentwurf giebt, so müssen Sie dreierlei zugestehen. Erstens: wir stehen unzweifelhaft, wie bisher, vor steigenden Aus—⸗ gaben, wir stehen andererseits auch vor schwankenden Anforderungen an die Steuerkraft der Einzelstaaten, denn in jedem Etat sind Fak⸗ toren, wie ich Ihnen ausgeführt habe, die so wechselnder Natur sind, daß sie einen um bo bis 60 Millionen größeren Fehlbetrag gegenüber dem vorliegenden Etat herbeiführen können, sobald andere Verhãltnisse eintreten.
Meine Herren, wir stehen ferner vor einer steigenden Verschuldung, ohne bisher auch nur die Möglichkeit geschaffen zu haben, an die Tilgung unserer Schulden zu denken. Darüber darf man sich keine Illusionen machen, daß das Reich fortgesetzt auch wieder Anleihe= kredite wird in Anspruch nehmen müssen, und daß jeden Augenblick neue Forderungen eintreten können, die uns dazu zwingen. Das ist unzweifelhaft. Aber gerade diese Aussicht muß uns dazu führen, auf irgend einem finanzreformatorischen Wege mindestens die Möglich⸗ keit zu geben, eine allmähliche Schuldentilgung als Gegengewicht ein⸗ zuführen.
Meine Herren, ich bitte Sie, bei Beurtheilung dieses Etats nicht auszugehen von der vorliegenden Spannung von 333 Millionen, sich nicht damit zu trösten, daß das laufende Jahr ein besonders güũnstiges Bild bietet, daß sich die steigenden Einnahmen gegenüber dem Gtats⸗ anschlag für 1895/ñ96 wiederholen könnten und auch vielleicht für 1895ñ946 die Spannung zwischen Matrikularbeiträgen und Ueber⸗ weisungen eine geringere sein wird. Meine Herren, darum handelt es sich nicht. Das ist eine ganz nebensächliche Frage, wenn man von einer Finanzreform im Reich spricht, ob die Spannung 10 Millionen oder 30 Millionen beträgt, sondern es handelt sich darum, endlich die Einzelstaaten, die in ihren Haushalten durch den jetzigen Zustand erheblich gefährdet werden, zu schützen gegen wechselnde Anforderungen der Reichs -Finanzverwaltung. Ich habe an sämmtliche Regierungen der Einzelstaaten die Anfrage gerichtet, wie sich ihre Verhältnisse stellen würden, wenn diese Lücke zwischen Ueberweisungen und Matrikular⸗ beiträgen nicht durch neue Einnahmen gedeckt wird. Aus Preußen habe ich die Antwort bekommen: wir stehen dann vor einem Defizit von 35 Millionen, das durch Schulden zu decken ist; von den anderen Einzelstaaten habe ich die Antwort bekommen: wir müßten entweder angesammelte Reservekapitalien, die zu ganz anderen Zwecken bestimmt sind, zum Schaden des Landes verwenden, um den Anforderungen der Reichs. Finanzverwaltung genügen zu können, oder wir sind gezwungen, steigende Einkommen—⸗ steuern einzuführen. Meine Herren, auch diejenigen Herren, die auf dem Standpunkt stehen, man solle die Bilanz zwischen Ueberweisungen und Matrikularbeiträgen nicht herbeiführen durch neue indirekte Steuern, sondern solle es ruhig den Einzelstaaten überlassen, ihre Matrikularbeiträge weiter aufzubringen und sie dadurch dazu nöthigen, steigende Einkommensteuern zu erheben — meine Herren, ich glaube, die Herren, welche diese Ansicht haben, gehen einen falschen finanzpolitischen Weg; denn dann wird man sehr bald zu einem Prozentsatz der Einkommensteuern kommen, der nicht mehr ge—⸗ steigert werden kann, und man wird vielleicht im Deutschen Reich zu einem Mittel greifen, das Ihnen äußerst unsympathisch sein würde, aber das bis jetzt alle Staaten angewandt haben, die nicht rechtzeitig ihre Finanzreform auf eine gesunde gesetzliche Grundlage gestellt haben, d. h. man wird im Moment der Noth zu kräftigen Staats ⸗ monopolen seine Zuflucht nehmen. Man mag aus den Erfolgen der
Finanzwirthschaft des laufenden Jahres deduzieren so günstig wie man will, man mag günstigere Folgerungen für den Gtat des Jahres 1895,94 ziehen, so wird man doch zu der Ueberzeugung kommen, daß gerade, wenn man eine Finanzreform, eine Gesundung unserer Reichsfinanzen auf gesetzlicher Grundlage wünscht, ein Zelt punkt steigender Einnahmen der geeignete dazu ist. Gerade steigende Einnahmen bieten die Möglichkeit, mit verhältnißmäßig geringen z