1894 / 292 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 12 Dec 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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neuen Stenerforderungen die Lücke zwischen Ueberweisungen und Matrikularbeiträgen ausfüllen zu können. Wartet man aber ab, bis diese Spannung eine sehr große ist, dann befürchte ich, meine Herren, werden wir zu einer Finanzreform nie mehr kommen, weil es nicht möglich sein wird, ohne sehr tiefgreifende, einschneidende Steuer⸗ maßregeln die Summe noch zu beschaffen, die nothwendig ist, um einerseits die Spannung zwischen Matrikularbeiträgen und NUeber— weisungen auszufüllen und andererseits einmal mit einer Schuldentilgung zu beginnen. Die verbündeten Regierungen geben sich der Hoffnung hin, daß Sie bei der sachlichen Prüfung des Etats sich diesen Gesichts- punkten nicht verschließen werden. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Bach em (Zentr.) : Aus der Vergangenheit des Reichs- kanzlers werden wir keine Schlüsse auf die jetzige Stellung des Reichskanzlers ziehen, auch wenn wir nicht auß feiner Thätigkeit als Statthalter von Elsaß-Lothringen folgern müßten, daß er mit Schonung den religiösen Fragen gegenüber verfahren ist. Wir haben gegenüber den materiellen Bestrebungen der Regierungen trotz aller Angriffe, die gegen uns gemacht wurden, es verstanden, uns volle Objektivität zu bewahren. Wir wünschen, daß wir in Zukunft in demselben Sinne positiv friedfertig mit der Regierung zusammen—⸗ wirken können wie bisher. Ich zweifle nicht, daß die Thaten den freundlichen Worten des Reichskanzlers entsprechen werden; dann soll es an uns nicht fehlen. Aber wir bitten, daraus nicht Folgerungen herzuleiten, daß wir im Budget minder sparsam sein werden, und daß wir gewissen Bestrebungen mehr entgegenkommen sollten, als es nach gewissenhafter Ueberlegung unter den heutigen Verhältnissen zu verantworten ist. Die Ausführungen des Staatssekretärs haben gezeigt, daß die Finanzkunst der Budgetkommission doch nicht ohne Erfolg gewesen ist; die Thatsachen haben die Erwartung der Budgetkommission noch übertroffen, denn die Einnahmen sind noch höher ausgefallen, als man annahm, und für neue Steuern liegt gar kein Grund vor; es ist also kein Grund, anzunehmen, daß der Reichstag jetzt weniger wider— standsfähig gegenüber neuen Steuern sein wird. Die Steuern, welche ohne wirthschaftliche Nachtheile eingeführt werden können, sind erschöpft. Die Aufgabe der Budgetkommission wird es also sein, den Etat ohne jede Ruücksicht auf neue Steuern zu bilanziersn. Gegen—⸗ über der Tabacksteuer nehmen wir ganz genau denselben Stand— punkt ein wie früher, und wir hoffen, daß die Budgetkommission so arbeiten wird, um das Defizit verschwinden zu lassen. Freilich, wenn bei der Militärverwaltung allein 123 Millionen Etatsüberschreitung eintreten, was nützt dann der Budgetkommission das Streichen der Ausgaben? War es denn nicht möglich, dazu die besondere Geneh— migung des Reichstags einzuholen? War es nöthig, zwei Schiffe ohne weiteres zu bauen, ohne die Genehmigung des Reichstags abzuwarten? Die Schuld trifft allerdings auch zum theil den Reichstag und die Rechnungskommission, deren Arbeiten aller⸗ dings vom Reichstag selbst sehr wenig beachtet worden sind, sodaß das lähmend auf die Rechnungskommission wirken muß. Wenn man sieht, wie schnell man in der Rechnungökommission über Millionen ent— scheidet, dann muß man sagen, die Budgetkommission wird von der Rechnungskommission nicht genügend unterstützt. In Bezug auf die Finanzreform ist ein Wunsch dieses Hauses berücksichtigt worden; die Thronrede verzichtet auf die positive Ueberweisung größerer Summen an die Einzelstaaten. Das Haus könnte also in Bezug auf die anderen Punkte der Regierung entgegenkommen, aber das kann ich sagen: an der Klausel Franckenstein wollen wir nicht gerüttelt wissen. Solange die Klausel Franckenstein gute Jahre brachte, waren die Einzelstaaten zufrieden; sie fangen erst jetzt an zu tadeln, wo die schlechten Jahre kommen. Das ist aber nioch kein Beweis für die Fehlerhaftigkeit der Klausel. Muß man mit der Beschaffung der großen Schießplätze in so schnellem Tempo vorgehen, wie es vor— geschlagen ists Man schafft ja nicht einmal Uebungsplätze von nor— maler Größe und wird also im nächsten Jahre mit weiteren Millionenforderungen kommen. Die Gerüchte über die Vervollständigung der Halbbataillone scheinen übrigens nicht so leer zu sein, wie man es darzustellen beliebte; es wird gut sein, wenn die Regierungen darüber eine Erklärung abgeben. Bezüg—⸗ lich der Marine will die Reichsregierung eine große Offensivflotke schaffen, der Reichstag will nur eine gute Vertheldigung der Küsten, weil weitere Anforderungen die Finanzen des Reichs erschüttern würden. Das Trockendock hat der Reichstag verworfen, und jetzt erscheint die Forderung für die vielen Trockendocks. Der Reichstag hat Spar— samkeit bei den Postgebäuden verlangt, der Staatssekretär fordert jetzt aber mehr Gelder für Bauten als früher, während man lieber die Ge— hälter der Unterbeamten verbessern sollte. Wenn wir auch die Kolo⸗ nialpolitik der Regierung aus wirthschaftlichen und kulturellen Inter- essen unterstützt haben, sind wir doch nicht gewillt, übermäßiges Geld dafür zu verwenden. Wir müssen aber verlangen, daß die Neger auch als Menschen behandelt werden, während manche Menschen die Sache anders betrachten. Wir müssen die Neger auf eine höhere Kultur— stufe heben und nicht ihre niedere Kulturstufe in unserem Interesse ausnutzen, deshalb sind besonders die Missionen, die katholischen und protestantischen, zu unterstützen. Deren Wirksamkeit wird aber geschädigt durch ein solches Verhalten der Kolonialbeamten, wie es leider festgestellt worden ist. Trotz aller Sparsamkeit muß aber dafür gesorgt werden, daß die Quartierleistungen der Gemeinden erleichtert werden; denn die Vergütungssätze dafür reichen durchaus nicht hin, um die wirklichen Leistungen zu entschädigen. Redner tritt für die Verbesserung der Gehälter der Unterbeamten ein und erinnert den Reichstag daran, daß er auch seiner eigenen Unter— beamten gedenken möge. Auf die Umsturzvorlage will Redner nicht eingehen; er weist nur darauf hin, daß man den Sozialdemokraten gegenüber den Weg der Ausnghmegesetze verläßt, während man ihn dem Zentrum gegenüber beibehält. Wenn man die Redemptoristen ereinläßt, dann kann man auch die anderen Jesuiten hereinlassen. hre iti keit in den Kolonien hat man anerkannt, warum läßt man sie in Deutschland nicht zu? Sind die Deutschen nicht derselben Wohlthätigkeit würdig wie die Bewohner der Kolonien? Erfreulich ist es, daß die verbündeten Regierungen der Auswucherung der Ge— treide bauenden Bevölkerung durch die Börse entgegentreten wollen; hoffentlich kommt die Börsenreform bald zu stande. Ein von dem Abg. Richter gestellter Vertagungsantrag wird um 3 Uhr 25 Minuten abgelehnt. Abg. Richter (fr. Volksp.): Ich kann den finanzpolitischen Ausführungen des Vorredners nur unbedingt beistimmen. Die Thronrede verzichtet auf die Ueberweisungen an die Einzelstaaten; diese Ueberweisungen waren ja auch nur bestimmt, um die Wein⸗ teuer, den Fracht! und Quittungsstempel u. s. w. zu begründen. ber diese Steuern hätten nicht einmal auf eine erhebliche Minderheit zu rechnen. Auf neue Steuern können wir uns nicht einlassen, noch weniger können wir uns auf die organische Finanz— reform einlassen, welche die Reichsfinanzen und die Finanzen der Einzelstaaten festlegt. Wir halten es nicht für richtig, dem Bundesrath das praktische Interesse zu rauben, die Ausgabe⸗Eiats des Reiches sparsam zu gestalten; wir würden darin auch eine Schwächung des Einnahmehewilligungsrechts des Reichstags erblicken. Die Probe bezüglich der Finanzgebahrung des vorigen Jahres ist enen zu Gunsten des Reichstags ausgefallen, die Thatsachen

aben den Reichs ⸗Schatzsekretär im Stich gelassen. Die Steuer⸗

bewilligungen sind erst im Mai in Kraft getreten und trotzdem ist das Ziel erreicht. ie Matrikularbeiträge übertreffen die Ueberweisungen nicht, an keiner Stelle sind die Einnahmen hinter den Mehranfätzen dez Reichstags zurückgeblieben, die Ausgaben haben die ermäßigten Ansätze nicht überschritten. Den Uebers ö der eigenen Verwaltung des Reichs schlägt der Staatgsekretär au 5. Milllonen Mark an; wenn wir neue Steuern bewilligt hätten, hätte man den Einzelstaaten 75 Millionen über die Matrikularbeiträge hinaus in den Schoß eworfen. Daß der Ertrag von 33 Millionen, um welchen die

atrikularbeiträge die übertreffen, gerade mit dem Ertrag der Tabacksteuer übereinstimmt, mag ein Zufall sein; aber ein komischer Zufall ist es jedenfalls. Man hat die Zolleinnahmen nicht ihöher, sondern niedriger geschätzt; man hat die dreijährige

aktion da angewandt, wo die zweijährige einen Mehrertrag ergeben ätte. Erforderlich ist allerdings die Verminderung des Anleihebetrages um 74 Millionen Mark, aber warum soll eine solche Verminderung in einem einzigen Jahre ber , werden? Warum werden die außerordentlichen Ausgaben so erheblich erhöht? Der Vorredner hat schon auf den Ankauf der Uebungtsplätze hingewiesen; die Forderungen für Kasernenbauten sind höher als in . früheren Jahre; . nicht weniger als 25 Kasernen sind erste Bauraten gefordert; mit der neuen Heereßhermehrung hängt dag nicht zusammen, denn es wurde ge— sagt, daß diesem Bedürfnisse im Laufe von zwanzig Jahren Rechnung etragen werden könne. Für die Marine schreibt man 23 Millionen

ark mehr den ordentlichen Einnahmen zur Last, bloß weil man die Tahacksteuer begründen will. Der Reichskanzler hat von einer Er—= weiterung der Kreuzerflotte gesprochen. Das ist ein Zugeständniß dafür, daß man über den Flottenplan hinausgeht. Früher verlangte man für den überseeischen Dienst kleine Panzerfahrzeuge, jetzt handelt es sich um . kostspielige Fahrzeuge, und zwar nicht mehr um ein dl af if ondern um eine ganze Flotte von Kreuzern. Wenn die Flotte bisher unsere Angehörigen hat schützen können, warum dann der Drang nach neuen Schiffen? Eine solche Flotte würde eine Schwächung der Wehrkraft unserer heimischen Küsten bedeuten. In den letzten sieben Jahren haben sich die dauernden Ausgaben der Marine um nicht weniger als 40 0 erhöht; das muß vorsichtig machen in Bezug auf die weiteren Bewilligungen. Die merlin, des Kapitels der Rede des Reichskanzlers über die Kolonialpolitik schien mir nicht im Verhältniß zu stehen zu der Bedeutung der Kolonieen. Wenn die Kolonialpolitik wirklich das Einigungsband für Deutschland wäre, dann müßte es mit der deutschen Einigkeit sehr schlecht bestellt sein. Der internationale Wettbewerb ist lange vor jeder Kolonialpolitik vorhanden gewesen und Vortheile hat die Kolonialpolitik noch nicht gebracht, sondern Störungen und Verluste; wir haben keine Absatzgebiete gewonnen, sondern Zuschüsse zu leisten gehabt, höchstens haben wir einige Assessoren unter— gebracht. Deutsche Arbeiter können in den Kolonieen nicht leben. Gerade in diesem Jahre werden die Zuschüsse zu den Kolonieen um 49 6e erhöht werden. Die Kulturmission in Afrika sollte man jetzt nicht besonders hervorheben. Das Zentrum sollte vom Standpunkt der Missionen sich überlegen, ob es noch mehr Geld als bisher für die Kolonieen ausgeben will. Haben wir Geld übrig, so ist es besser für deutsche Beamte, als für Afrika zu verwenden. Der frühere Reichskanzler Graf Caprivi hatte darin Recht: Je weniger Afrika, desto besser für Deutschland. Der Reichs⸗-Schatzsekretär verwies auf die schwankenden Einnahmen und Ausgaben. Warten wir das doch erst ab; warum sollen wir denn schon jetzt zur Tahackfabrikat— steuer übergehen, welche die minder wohlhabenden Klassen trifft? Während die Thronrede gerade von der Stärkung der wirth⸗ schaftlich Schwachen spricht, will man die Tabackarbeiter schädigen. Gerade in der Tabackfabrikation finden noch Arbeiter Beschäftigung, deren Kräfte für andere Arbeit nicht ausreichen. Die Tabackfabrikatsteuer würde die Unzufriedenheit vermehren, umfso⸗ mehr, weil man schon jahrelang die Tabackindustrie mit diesen Steuerprojekten beunruhigt. Ich habe die Ehre, schon 25 Jahre dem Parlament anzugehören, aber ich muß sagen: Ministerwechsel, wie in diesem Herbste, habe ich nicht erlebt. Die Entlassung des Reichs kanzlers ist ein Regierungsakt, welcher der Gegenzeichnung bedarf. Die Entlassung des Fürsten Bismarck und des Grafen Caprivi, sowie die [n. des Grafen Caprivi und des jetzigen Reichskanzlers hat nach meinen Informationen der Staatssekretär Dr. von Boetticher gegen⸗ gezeichnet. Die Darlegung der Gründe, aus welchen sich der Kanzler⸗ wechsel vollzieht, ist von Bedeutung für die Volksvertretung. Daß es keine privaten Gründe waren, sondern politische, unterliegt keinem Zweifel. Graf Caprivi erfreute sich der Mehrheit dieses Reichstags. Redner rekapituliert die Vorgänge beim Kanzlerwechsel, welche nach erfolgter Verständigung innerhalb 24 Stunden die Entlassung des Kanzlers zur Folge gehabt hätten. Man sagt, ein ungeschickter Zeitungs⸗ artikel habe zu diesem Ergebniß geführt. Vielleicht ist der Staats— sekretär Dr. von Boetticher, von dem die Gegenzeichnung herrührt, in der Lage, triftigere Gründe vorzubringen. Der Chef des Zivilkabinets ist ein den Ministern untergebener Beamter, und es ist nicht richtig, daß ein solcher Beamter zwischen der Krone und den Ministern eine Zwischenträgerrolle spielt. Das Reichskanzleramt ist mit dem Minister-Präsidium wiederum verbunden worden; um so nothwendiger ist eine anderweitige Entlastung des Reichskanzlers. Fürst Bismarck hat die Arbeit eine Reihe von Jahren be— wältigt; aber selbst ihm, der in das Amt hineingewachfen war, ist es schwer geworden. Es ist unter ihm aber doch schließlich eine Versumpfung der Gesetzgebung eingetreten. Darüber haben auch, die Konservativen geklagt. Als Graf Eulenburg das Minister⸗Präsidium antrat, erklärte er, daß die Vereinigung der Aemter die Kräfte eines Mannes übermäßig in Anspruch nehme. Es müssen jetzn Minister oder Staatssekretcre mit einer seibst— ständigeren Stellung geschaffen werden. Das ist eine alte Forderung, die noch 1889 der Abg. Dr. von Bennigsen insoweit vertreten hat, als er einen besonderen Reichs-Finanz⸗Minister verlangte. Man hat gesagt, man müsse erst abwarten, was der Reichskanzler vorschlagen werde. Das ist doch eine Unterschätzung des Amts des Reichs— kanzlers; man erwartet, daß die Uebertragung des Amts sich voll— zieht auf Grund der politischen Vergangenheit. Der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe hat selbst das Bedürfniß gehabt, der Zentrumspartei eine gewisse Beruhigung zu geben. Aber eigentlich gehen uns kirchenpolitische Fragen doch nicht viel an; die Jesuiten⸗ frage, die Hauptfrage, hat er gar nicht berührt. Wir haben als Ausführungen des Reichskanzlers die Thronrede und das heutige Programm vor uns; das letztere verdient um so mehr Beachtung, als es vorher fixiert ist. Einen System— wechsel hat der Reichskanzler bestritten, aber ich kann nur fagen: man weiß nicht, was noch werden mag. An der Thronrede gefällt mir weniger was darin steht, als was darin nicht steht. Es ist in der Thronrede kein Entgegenkommen gegenüber den Agrariern aus— gedrückt worden. Graf Caprivi war unser politischer Gegner, aber ohne jeden Falsch und ohne jede Hinterlist; er wies jedes Sonder— interesse zurück und vertrat das Interesse des gemeinen Wohls, wie er es nach seiner Ueberzeugung verstand. Jetzt glauben die Agrarier, 6 ihre Zeit gekommen sei; es muß sie mit Freuden erfüllt haben, daß ein Gegner der Handelsvertragspolitik zum Landwirthschafts⸗ Minister berufen worden ist. Vielleicht ist die Rede des Reichs- kanzlers Fürsten Hohenlohe heute schon ein Entgegenkommen. Er meinte, die Landwirthschaft sei vernachlässigt worden zu Gunsten der Industrie; das hat der Finanz⸗Minister Dr. Miquel schon im vorigen Jahre gesagt, und deswegen ist es doch noch nicht wahr. Und wenn es wahr wäre, dann würde darin ein großer Vorwurf für den Fürsten Bismarck liegen. Liebesgaben aller Art sind den Landwirthen zugefallen, und nach dem Rücktritt des Fürsten Bismarck sogar der Erlaß der Grundsteuer, auf den man unter Bismarck nie zu hoffen gewagt hatte. Der Reichs— kanzler Fürst Hohenlohe hat davon gesprochen, daß man nicht an, unlösbare Probleme herantreten könne. Welche Probleme sind unlösbar? Mit kleinen Mitteln ist den Agrarxiern nicht . sie verlangen viel Geld für alle Artikel, welche sie zu ver⸗ aufen haben. Nun sind die Preise wegen der guten Ernte jetzt außerordentlich niedrig. Eine Steigerung der Preise kann der Reichz— kanzler und das Reich nicht herbeiführen, ohne die besitzlosen Kon— sumenten zu belasten zu Gunsten der besitzenden Klassen. Der Bund der Landwirthe hat erklärt, daß er für Religion, Sitte und Ordnung eintritt, das ist eigentlich selbstverständlich; wer Religion hat, tritt auch dafür ein. Der Nährboden für die Umsturzparteien ist die Unzufriedenheit, welche wesentlich durch das wirthschaftliche ystem des Fürsten Bismarck verstärkt worden ist. Die Thronrede ist rhetorisch sehr schön, aber die Einleitung hätte geändert wer⸗ den müssen; sie nimmt sich so wunderlich großartig aus gegenüber der kleinen Liste der Mittel, welche vorgeschlagen werden. Graf Caprivi hat davor gewarnt, Maßregeln zu ergreifen, welche den Eindruck einer großen Thatkräftigkeit machen, aber thatsächlich nur die bürger⸗ lichen Parteien treffen. Wir haben uns vorzusehen nicht bloß gegen—⸗ über dem Umsturz von unten, sondern auch gegenüber dem Umsturz

von oben. Der Plan, durch einen einseitigen Beschluß der Bundes.

fürsten das Reichstagswahlrecht aufzuheben, ist eine Auffordern zum Hechverrath, zum Umsturz von oben. Graf Eulenburg hal Vorschläge gemacht, welche weder in dem jetzigen, noch in ein n neu gewählten Reichstage durchzusetzen gewesen wären. Jur due Staatsstreich und Hochwverrath wären solche Pläne durchzuführen . wesen. Der Minister⸗Präsident hat nachher die Vorschläge zurll gejogen; er ist aus dem Amt geschieden; aber es ist doch seltfam, daz ein Mann an dieser Stelle sich überhaupt zu solchen Vorschia . verstehen konnte, zu Vorschlägen, die nur hätten im Wege des 6 bruchs durchgeführt werden können, die geradezu die Revolution don unten provozieren müssen, Gegen den Umsturz von oben haben wi weniger Garantien als in anderen Staaten; wir sind auf das Ven trauen zu den leitenden Personen angewiesen. Nur wenn die leitenden . Recht und Verfassung zu wahren wissen, dann ist gedeihlichez usammenwirken der Parteien und der Regierung möglich.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Es liegt nicht in meiner Absicht, bei der vor, gerückten Stunde die politischen Betrachtungen und Anregungen in ihrem ganzen Umfang einer Erörterung zu unterziehen. Weshalh ich mich zum Wort gemeldet habe, dafür ist wesentlich der Umstand be, stimmend gewesen, daß ich das Bedürfniß empfinde, einige that. sächliche Irrthümer zu berichtigen, die der Herr Vorredner in seinem Vortrage vorgebracht hat. Darin hat der Herr Vorredner Recht, daß ich in meiner Eigenschaft als Stellvertreter des Reichskanzler sowohl die Kaiserliche Ordre, welche die Entlassung des Grafen Caprivi aussprach, wie auch die Kaiserliche Ordre, welche den Fürsten zu Hohenlohe⸗Schillingsfürst zum Nachfolger des Grafen Caprivi be— rief, gegengezeichnet habe. Es ist auch richtig, daß ich im Jahre 1890 die Ordre gegengezeichnet habe, durch welche der Graf Caprivi zum Reichskanzler ernannt wurde; nicht aber ist es richtig, daß ich die Ordre kontrasigniert hätte, durch welche der Fürst Bismarck von seinen Aemtern entbunden ist. (Hört, hört) Diese Ordre ist von dem Grafen Capriyi gegengezeichnet, und ich bin damals aus Gründen, deren Erörterung nicht hierher gehört, von Seiner Majestät dem Kaiser von meiner Amtspflicht, Kaiserliche Ordres zu kontrasignieren, für deren Inhalt ich hätte die Verant⸗ wortung übernehmen können und müssen, bezüglich dieses Erlasse⸗ entbunden worden.

Nun hat der Herr Vorredner nach den Gründen gefragt, welche für die Entlassung des Grafen Caprivi aus seinem Amt bestimmend gewesen wären. Ich muß es ablehnen, über die Gründe auch nur irgend ein Wort zu verlieren. (Sehr richtig! rechts) Nach Art. I) der Verfassung hat Seine Majestät der Kaiser das Recht, den Reichskanzler zu berufen, und jeder im Lande, und also auch die Mitglieder des Reichstags haben einfach die Pflicht, von dieser Gr nennung Kenntniß zu nehmen. (Bravo! rechts.) Im übrigen, wenn der Herr Vorredner zwar heute nicht, aber früher in seiner Presse, die Meinung ausgesprochen hat, daß in Zweifel gezogen werden könne, ob, wenn der Reichskanzler entlassen werde, der Stell— vertreter des Reichskanzlers noch ermächtigt sei, die Entlassung— ordre gegenzuzeichnen, so bin ich einigermaßen erstaunt ge— wesen darüber, daß ein solcher Zweifel überhaupt hat aufgestellt werden können. Der Satz, von welchem bei Aufstellung dieses Zweifels ausgegangen wird, ist der, daß man sagt: wenn der Reichskanzler aufhört, zu existieren, so hört auch der Stellvertreter auf. Dieser Satz ist aber grundfalsch, denn nach dem Stellver⸗ tretungsgesetz ist die allgemeine Stellvertretung des Reichskanzlers eine Funktion, die der damit betraute Beamte dauernd zu übernehmen hat, und diese Funktion wird fortgeführt, gleichviel, ob der Reichs— kanzler, der die Ernennung gegengezeichnet hat, im Amte bleibt oder nicht.

Endlich aber habe ich dem Herrn Vorredner in Bezug auf diesen Punkt noch zu sagen, daß eine vollständige Uebereinstimmung zwischen Seiner Majestät dem Kaiser und dem Grafen Caprivi bezüglich des Ausscheidens des Letzteren bestand, sodaß ich annehmen darf, daß auch der Herr Abg. Richter, wenn er sich an meiner Stelle befunden hätte, keinen Anstand genommen haben würde, die Entlassungsordre durch seine Kontrasignatur zu decken.

Nun, meine Herren, hat der Herr Vorredner auch von der Ent lassung preußischer Minister gesprochen. Es ist hier nicht das Forum, wo Vorgänge dieser Art, die sich in Preußen abgespielt haben, der Erörterung unterzogen werden können; ich lehne es deshalb ab, über diese Vorgänge etwas zu sagen. Nur das eine will ich, nachdem der Herr in der ihm eigenen scherzhaften Weise sich über die jüngsten Entlassungen preußischer Minister verbreitet hat, bemerken, daß, wenn er der Meinung ist, daß es nicht dem Verhältniß der verantwortlichen Minister entspreche, Eröffnungen Seiner Majestät des Königs durch den Chef des Zivilkabinets entgegenzunehmen, andererseits es nicht die Gewohnheit preußischer Minister ist, Seiner Majestät dem König die Formen vorzuzeichnen, in denen der König es für gut findet, mit seinen Ministern zu verkehren. (Bravo! rechts.)

Endlich habe ich noch auf die Behauptungen ein zugehen, welche der Herr Vorredner über die letzte Sitzung des preußischen Staats⸗Ministeriums vor dem Kanzler—= wechsel aufgestellt hat. Ich thue das nicht, um Interna aus den Berathungen des preußischen Staats⸗Ministeriums mitzutheilen ich würde meine Pflicht verletzen, wenn ich das thäte —, sondern um ihn darüber zu beruhigen, daß weder der Graf Eulenburg noch irgend einer der Minister irgend eine Aeußerung gethan oder irgend eine Perspektive entwickelt hat, die auf die Absicht eines Staatsstreich⸗ hindeuten könnte. Jedes Mitglied des preußischen Staats⸗-Ministe— riums, das den Eid auf die Verfassung geleistet hat, wird es ablehnen, eine Politik zu inscenieren, die zum Staatsstreich führen muß. Und wenn der Herr Vorredner die Folgerungen, die er soeben vorgebracht hat, aus der Mittheilung ableiten zu müssen glaubt, dl eine Aeußerung des Grafen Caprivi dahin gehe, daß gewise Vorschläge weder mit diesem noch mit einem anderen Reichstage zu erreichen sein würden, so muß ich sagen: seine Phantasie hat ihm doch hier einen argen Streich gespielt. Aus einer solchen Aeußerung folgt doch weiter nichts, alt daß man prüfen soll, ob gewisse Vorschläge, wenn sie von diesen Reichstag nicht angenommen werden, vor einem künftigen Reichstag ein besseres Schicksal haben werden. Aber der Schritt von einer Auf lösung des Reichstags und von einer Neuwahl desselben bis zu einen Staatsstreich ist doch ein so exorbitanter, daß er mit einer gewölbt, lichen Phantasie kaum zu unternehmen ist. (Heiterkeit und Bravo

Um 5 Uhr wird die weitere Berathung auf Mittwoch 12 Uhr vertagt.

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Mn 292.

zum Deutschen Reichs⸗Anz

Zweite Beilage tiger und Königlich Preußischen Staats⸗Aunzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember

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Per sonal⸗Beränderungen.

Königlich Preußische Armee.

Katholische Militär-Geistliche. Umpfenbach, Divi— sions⸗ Pfarrer, von Mörchingen nach Metz versetzt. Schittly, Divisions Pfarrer, zur Uebernahme seiner Dienststelle in Mörchingen von der Aushilfe in der katholischen Milltär-Seelsorge hierselbst

entbunden. Königlich Bayerische Armee.

Offiziere, Portepee⸗-Fähnriche ꝛc. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im Beurlaubten“ stande. 30. Nopem ber. Die Pr. Ltg.; im Reserveverhältniß: Schlegler im 5. Inf. Regt. Großherzog Ernst Ludwig von Hessen, Graf v. Ingelheim gen. Echter v. u. zu Mespelbrunn im 5. Chev. Regt. Erzherzog Albrecht von Oesterreich; in der Landw. 1. Aufgebotz:; Frank, Bründl! (J! München), Ehr—⸗ mann, Hollidt. (Ludwigshafen), Becker (Landau, diese von der Infanterie, Krauß (Bayreuth) von der Kavallerie, Teuffel (1 München) in der Landw. Inf. 2. Aufgebots, zu Hauptleuten (Rittmeistern); die Sec. Lig.: im Reserveverhältniß: Heinen, im 4. Inf. Regt. König Wilhelm von Württemberg, Weingärtner, Hacker, Schiller, Brandl im 5. Inf. Regt. Großherzog Ernst Ludwig von Hessen, Hüther im 12. Inf. Regt. Prinz Arnulf, Longgrd, Niedmann im 13. Inf. Regt. Kaiser Franz Joseph von Desterreich, Girshaufen im 14. Inf. Regt. Herzog Karl Theodor, Stadler, Ramer, Sendbiller im 16. Inf. Regt. Großherzog Ferdinand von Toskana, Strehle im 2. Jäger⸗Bataillon, Freiherr von Grunelius im 1. Ulanen-⸗Regiment Kaiser Wilhelm II., König von Preußen; in der, Landw. L. Aufgebots: Roder (Rosenheim), Sack, Schlicht München), Stein beiß (Passau, Schiene is (DSillingen, Beck (Ingolstadt), Hoffmann, Weifensee (Regensburg), Rosen⸗ felder (Nürnberg, Stegner, Engelhard (Gissingen, Duis« berg, Levin (Aschaffenburg), Henriques, Leonhard, Beauvais Hoff. Roloff (Kaiserslautern. Berthold, Bifchoff (Ludwigs⸗ hafen), Endres, Vogler (Landau), v. Münster, Jungleib (Zweibrücken), sammt lich von der Inf., Zum stein (Ludwigshafen) bon der Kar., Breuer Gaiserslautern), Hub er (Zweibrücken) von der Feld⸗Art.6, Berthold (Ludwigshafen) von den Pionieren, Löwen eck (Ingolstadt) in der Landw. Inf. 2. Aufgebots, zu Pr. Lts., befördert. (.

4. Dezember. Hagck, Sec. Lt. a. D., vormals in der Res. des Königl. Preuß. 3. Posen. Inf. Regts. Nr. H8, mit einem Patent vom 18. Nobember 1893 als See. Lt. der Res. im 1. Inf. Regt. König angestellt.

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 27. No— vember. Schneider, Sec. Lt. a. D., die Erlaubniß zum Tragen der Uniform des vormaligen 6. Jäger⸗Bats. ertheilt.

30 November. Bestelmeyer, Port. Fähn. vom 2. Ulan. Regt. König, zur Ref. beurlaubt.

6. Dezember. Velten, Sec. Lt. à la suite des 17. Inf. Regts. Orff, unter Verleihung des Charakters als Pr. Lt., mit Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform der Abschied bewilligt.

Im Beurlaubtenstande. 30. November. Freiherr Harsdorf v. Enderndorf, (Nürnberg), Rittm. von der Landw. Kap. 1J. Aufgebots, mit der Erlaubniß zum Tragen der bisherigen Uniform, Schulze, Frhr. v. Pechmann (Aschaffenburg), Pr. Lts. von der Landw. Inf. 2. Aufgebots, ersterem mit der Erlaubniß zum Tragen der Landw. Uniform, Wagner (Zweibrücken), Sec. Lt. von den Jägern, Lehm ann (Zweibrücken), Sec. Lt. vom Train, beide von der Landw. 2. Aufgebots, der Abschied bewilligt.

Im Sanitäts⸗Korpz. 30. November. Dr. Walter , ,. Stabsarzt der Landwehr 2. Aufgebots, der Abschied ewilligt.

Beamte der Militär⸗Verwaltung.

28. November. Kurz, Regierungs⸗Baumeister bei der Intend. II. Armee⸗Korps, Roth, Regierungs⸗Baumeister, Pr. Lt. der Landw. Feld⸗Art. 1. Aufgebots (Regensburg), bei der Intend. J. Armee-Korps, zu Garn. Bauinspektoren ernannt. ĩ

30. November. Schad, Kasernen⸗Insp. ber Garn. Verwalt. Germersheim, unter Verleihung des Titels eines Garn. Verwalt. Insp, in den erbetenen Ruhestand getreten. Stephinger, 39 , Fm Ober ⸗Apotheker der Landw. 1. Aufgebots, der Abschied

ewilligt.

XIII. ( stöniglich Württembergisches) Armee⸗Rorps.

Im Sanitäts⸗Korps. 7. Dezember. Dr. Fausel, Assist. Arzt 2. Kl. der Res. vom Landw. Bezirk Ludwigsburg, im aktiven Sanität Korps und zwar als Assist. Arzt 2. Kl. mit seinem bis— herigen Patent beim Drag. Regt. Königin Olga Rr. 25 angestellt. Pr, Wider, Unterarzt der Ref. vom Landw. Bezirk Horb, zum Assist. Arzt 2. Kl. befördert.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Bochum wird der „Köln. Ztg.“ über den Niedergang des sozialdemokratischen Bergarbeiterver bandes geschrieben: Der in der „Deutschen Berg⸗ und Hüttenarbeiter, Zeitung“ veröffentlichte Kassenbericht über das letzte Halbjahr vom j. Mai bis 30. Oktober weist eine Einnahme von 10 A8 , eine Ausgabe von 11 769 auß also einen Fehlbetrag von 1550 60. Der Kassierer Joh. Meyer versucht diese Erscheinung mit den vermehrten Kosten für die Agi— tation und für Rechtsschutz zu erklären. Wie schlecht es mit dem Verbande bereits steht, zeigt der Kassenbericht ganz klar. Die Einnahme aus 143 Zahlstellen ist mit 5634 ½½ an⸗ gegeben, die der oberschlesischen Mitglieder mit 2645 M; insgesammt sind also an Mitgliederbeiträgen 8279 in sechs Mo⸗ naten gezahlt worden. Da der monatliche Beitrag 30 *. beträgt, so ergiebt diese Summe eine Mitgliederzahl von 4600 Mitgliedern, und zwar mit Einschluß der i e ch Kameraden. Im Anfang aber zählte der Verband nach Ausfage des Vorstandes gegen 39 9060

itglieder. Er, ware also setzt auf js seiner ursprünglichen Ausdehnung zurückgegangen. Damals aber gehörten die Bergleute aus Oberschlesien noch nicht zum Verband, und wenn man die 1470 Oberschlester jetzt abzieht, so bleiben gar nur noch 3130 Mit⸗ glieder oder M der früher angegebenen Zahl. .

Aus München wird demfelben Blatt gemeldet, daß der dortige sozialiffische Arbeiterinnen? Bildungsverein von der Polizei 1g ger o worden ist. .

In Erimmitschau sollte am 30. Dezember d. J. eine Kon—⸗ fgrenz der Terxtilarbeiter Sachsens stattfinden; wie der Q m artz. mittheilt, ist die Konferenz auf Grund des sächsischen

e ge en verboten worden.

In, Braun schweig fanden . den Vertretern der Brauereien und der (, n, . oykottkommission Verhand⸗ ungen wegen Aufhebung des dortigen Bierboykotts statt, die aber einer Mittheilung des Vorwärts zufolge ohne Grgebniß verliefen, well die Brauereien cg ablehnten, 14 augfländige rauereiarbeiter ieder einzustellen; es wurde Jedoch versprochen, jene Arbeiter in an=

eren Betrieben unterzubringen.

Literatur.

. Genealogie.

Kurz vor dem Jahreswechsel versendet, wie sonst, der Verlag von Justus Perthes in Gotha die stets willkommenen, wegen ihrer Unentbehrlichkeit meist schon lange vorher mit Ungeduld er warteten Gothaischen Genealogischen Taschenbücher. Der „Gothaische Genealogische Hofkalen der“ für 1895 nebfst diplomarisch-statistischem Jahrbuch erscheint bereits im 132. Jahr⸗ gang. Sein Umfang hat infolge mannigfacher Vermehrung des Stoffes wiederum um vier Bogen zugenommen. Zunächst ist die Genealogie der englischen Herzogshäufer neu bearbeitet worden; es sind jetzt alle diejenigen Mitglieder einer englischen Familie auf— genommen, die ihren Ursprung auf einen Duke ihres Hauses zurück= führen können. Außerdem zeigen eine ganze Reihe von Staaten größere oder kleinere Zusätze; im Deutschen Reich und in Desterreich⸗ Ungarn sind z. B. die Namen der Kuratoren und Rektoren der Universitäten neu eingefügt; ferner sind die Personalien der französischen, niederländischen und englischen Kolonien nebst Indien neu bearbeitet. Daß das höhere Personal der japanischen Marine ausführlicher be— handelt ist, erscheint angesichts des gegenwärtigen Krieges in Ost-Asien nicht ohne Werth. Als eine dankenswerthe Bereicherung verdient es ferner bezeichnet zu werden, daß alle großen Kriegsschiffe der ver= schiedenen Nationen jetzt namentlich aufgeführt sind und, wo möglich auch die Zahl der Torpedo Laneierrohre angegeben ist. Der statistische Theil weist eine durchgreifende Neubearbeitung des öster⸗ reichisch ungarischen Heerwesens auf; auch verschiedene Ergebnisse der letzten Volkszählung, besonders betreffs der Berufs und Nationalitäten⸗ statistik konnten neu aufgenommen werden; ferner sind mehrere Tabellen vervollständigt und umgearbeitet. Eine die Kontrole der Angahen sehr erleichternde Neuerung endlich ist die Anmerkung des Druckdatums auf jedem Bogen des Taschenbuchs. Alle Abschnitte des Buches sind, wie die Redaktion versichert, sorgfältig revidiert und den Ereignissen folgend berichtigt. Der Kalender ist mit den Bild— nissen des Kaisers Nikolaus JJ. von Rußland (als Großfürst⸗Thron⸗ folger) und der Kaiserin Alexandra Feodorowng (als Prinzessin Alix von Hessen), ferner des Präsidenten der Französischen Republik Casimir⸗Perier und des österreichischen Minister⸗Präsidenten Fürsten Alfred zu Windisch⸗Grätz geschmückt.

In genau derselben Einrichtung und Ausstattung liegt der 132. Jahrgang 1895 der französischen Ausgabe mit dem Titel „A- mangach de Gotha, Annuaire gönéalogiquèe, diplomatique et statistique“ vor.

Das Gothaische Genealogische Taschenbuch der Gräflichen Häuser für 18355 (63. Jahrgang) ist mit dem Bildniß des Königlich preußischen Generals der Kavallerie, kommandierenden Generals des XVI. Armee-Korps Grafen Gottlieb von Haeseler geschmückt. Neu eingestellt bejw. wieder eingefügt sind darin folgende Familien-Artikel: Courten; Hülsen, B. Jüngeres Haus Hülsen-Haeseler; (von Korzbok⸗) Lacki; Starzenski; Szembek; Waldenburg; Württemberg.

Das Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser für 1895 (45. Jahrgang) zeigt vor dem Titel das Bildniß des Geheimen Kommerzien Raths Freiherrn Carl von Stumm⸗Halberg. Infolge der in großer Zahl eingegangenen Anträge neuer Familien find in den vorliegenden Band sechzig Familien neu und eine Familie (Czeike von Badenfeld) wieder aufgenommen worden.

Unterhaltung.

Paul Lindenberg, der sich in seinen Schriften mit Vor— liebe mit der Reichshauptstadt Berlin beschäftigt, hat unter dem Titel Berlin in Wort und Bild ein zusammenfassendes Werk erscheinen lassen, das in einem stattlichen, von der Verlagsbuch— handlung von Ferd. Dümmler in Berlin geschmackvoll ausgestatteten Band einen so reichen Inhalt birgt, wie er dem Wesen, dem Leben, dem Thun und Treiben der Großstadt entspricht. Nichts Großes und nichts Kleines ist vergessen; Entwickelung und gegenwärtiger Zustand der Stadt werden mit liebevollem Fleiß dargestellt, und in patrioti⸗ schem Sinne knüpft der Verfasser seine Darstellung an die Geschichte des Staats und Reichs, an die man in der Residenz der Hohenzollern fast auf allen Wegen erinnert wird. Der Verfasser erzählt unter⸗ haltend, beschreibt klar und erschöpfend und plaudert gelegentlich harmlos und gefällig über die kleinen Vorgänge und , des Alltagslebens unserer Stadt dabei bilden die zahlreichen, zumeist guten bildlichen Darstellungen, die, soweit sie nicht Nachbildungen photographischer Aufnahmen sind, von namhaften Künstlern herrühren, eine willkommene Erläuterung und Belehrung des Textes. Den reichen Inhalt in Kürze zu kennzeichnen ist unmöglich; es muß genügen, an den Ueberschriften größerer Abschnitte zu zeigen, daß der Verfasser alles Interessante, Wissenswerthe und Eigenartige, waß über Berlin überhaupt zu sagen ist, mit Verständniß zusammen⸗ getragen hat. Diese Ueberschriften lauten: Kreuz und quer durch Berlin; Zu Schutz und Trutz (Polizei und Verbrecherthum; die Feuerwehr); Die vierundzwanzig Stunden von Berlin; Bas vollendete Berlin; Der Thiergarten; Auf der Straße; Unter den Heimath⸗ losen; Die Verpflegung Berlins; Was sich die Linden erzählen; Unter den Volksvertretern; Die Toilette Berlins; Im Freien; Berlins Entwickelung und. Verwaltung; Unsere Stadtbahn; Berlin bei Tisch; Wesen und Witz des Berliners; Die Stadt der Arbeit und der Fremden; Die Sorge für die Armen und Kranken; Stätten der Bildung und Wissenschaft; Denkmäler und Museen; Im Zeichen des Verkehrs; Von der Münze zur Börse; Das militärische Berlin; Die Umgebung Berlins.

„Hell und Dunkel“, neue Novellen von Elise Polko. (Inhalt:; Kurzes Glück, Der tussische Doktor, Mädchenträume, Das Urbild der Carmen, Fin neuer Rattenfänger, Nur ein Veilchen.) 66. brochiert 4 66 Berlin, Köln und Leipzig, Verlag von Albert

hn. Die Verfasserin genießt bei der deutschen Frauenwelt einer so großen Beliebtheit, daß es nur des Hinweises auf diese neuesten Erzeugnisse ihrer gewandten Feder bedarf. Es befinden sich unter diesen heiteren und ernsten Erzählungen einige besondertz anmuthige Gaben, die den Leserinnen viel Vergnügen bereiten werden. Kalender.

Allgemeiner Beamten -Kalender für das Jahr 1895 (X. Jahrgang). Herausgegeben von R. Schmitt, Königlichem Kreis⸗ Sekretär in Hamm i. ö. Verlag von G. Griebsch in Hamm i. W. ö. geb. 2, 50 M) Auch der neue . dieses öfter empfohlenen

alenders enthält neben dem eigentlichen Kalendermaterial in zweck— mäßiger Zusammenstellung alle Gesetze, welche der Beamte sowohl im Dienst wie in seinen persönlichen Verhältnissen am häufigsten und nothwendigsten braucht. Dazu kommen ferner noch Instruktionen, Tabellen aller Art und Personallen. Ein sorgfältig earbeitetes Sachregister der wichtigeren 46 und der dazu erlassenen usführungsbestimmungen bildet eine willkommene Zugabe. Der Kalender ö als Notizbuch praktisch eingerichtet und gur ausgestattet.

Weihnachts⸗ Publikationen.

Chronikg eines fahrenden Schülers von Clemens Brentano. Fortgesetzt und vollendet von A, von der Elbe. Siebente Auflage. Heidelberg, Carl Winter's Universitäts. Buchhand⸗ lung. (Pr. eleg. geb. 5 6). Diese anmuthige Erzählung des be⸗ rühmten Romantikers ist bekanntlich von ihm leider nicht beendet worden. A. von der Elbe hat es daher unternommen, sie jum Ab⸗ Hu zu bringen, und man muß gestehen, daß diefes in Vorwort als gewagter Versuch“ bezeichnete Unternehmen in überraschender

Weise geglückt ist. Die Verfasserin hat nicht nur die Erzählung selbst ganz im Geiste Brentanos zu Ende geführt, sondern auch seine Schreibweise und den romantischen Ton, der das Fragment charakterisiert, so vollkommen getroffen, Laß man kaum den kHeber⸗ gang vom Original in die Fortsetzung zu merken vermag. Auch das Zeit, und Lokalkolorit ist mit Glück gewahrt. Daß zum Besten der Einheit und Harmonie einige Kürzungen stattgefunden haben, wird man um so weniger rügen dürfen, als andererselts durch die einge⸗ fügten Lieder von Brentano selbst oder aus seinem mit Achim von Arnim gesammelten Liederbuch ‚Des Knaben Wunderhorn“ da Ganze noch an Reiz gewonnen hat. Der Beifall, den die Elbe'sche Er⸗ gänzung gefunden hat, drückt sich in der hohen Auflageziffer aus. Wegen ihrer religiösen, sittlichen Haltung eignet sich die Erzählung als Geschenk für die weibliche erwachsene Jugend.

Werner von Siemens? „Lebenserinnerun en“, die bereits in drei Auflagen verbreitet sind, läßt die Verlagsbuchhandlung ven, Julius Springer hierselbst jetzt in einer wohlfeilen Ausgabe er⸗ scheinen (Pr. geb. 2M, früher 7 606). Sie sucht damit einem Wunsch des Verfassers Erfüllung zu schaffen, der es zum Volks. und Jugend⸗ buch bestimmt hat. Nach Siemens“ eigenen Worten wird es gerade besonders für die Jugend lehrreich und anspornend sein, aus ihm zu ersehen, daß ein junger Mann auch ohne ererbte Mittel und einflußreiche Gönner, ja sogar ohne richtige Vorbildung allein durch eigene Arbeit sich emporschwingen und Nützliches leisten kann. Bie mit dem Porträt des Verfassers in Heliograpüre geschmückte Schrift sei deshalb als Festgeschenk für Knaben und Jünglinge empfohlen.

Streifzüge durch Wald und Flu r. Eine Anleitung zur Beobachtung der heimischen Natur in Monatsbildern, für Haus und Schule bearbeitet von Bernhard Lan dösberg, Oberlehrer am Königlichen Gymnasium zu Allenstein O.⸗Pr.,, X. u. 194 S. gr. 8. (Leipzig, V. G. Teubner). In gesälligem Driginal⸗Einband, Pr. 280 M Dieses Buch wendet sic an alle Freunde der Natur, besonders auch an jugendliche Leser. Es giebt, nach Jahreszeiten ordnet, Schilderungen aus der heimischen Natur und zieht Botanik, oologie und Geologie gleichmäßig in den Kreis der Betrachtung, je nachdem sich dem Beobachter am gegebenen Ort und zur gegebenen Zeit Anlaß dazu bietet. Der Stoff ist in 14 Spaziergängen auf drei Fahre ver= theilt und steigt vom Leichteren zum Schwereren auf. Da nur ein Mindest⸗ maß von Kenntnissen vorausgesetzt ist, so kann das Buch auch ganz jungen Schülern in die Hand gegeben werden; Fragen, wie fie darin behandelt sind, werden haͤufig von sinnigen Kindern gestellt oder finden Theilnahme und Verständniß, wenn sie ihnen nahegebracht werden. Das Buch empfiehlt sich daher auch als Festgeschenk für die Jugend.

Handel und Gewerbe.

Magdeburg, 11. Dezember. (W. T. B.) Zucerbericht. Kornzucker exkl., von 829 neue —— Kornzucker exkl., 3530/0 Rendement 8,85 S, gh, neue 8, Sai—=8, 95, Nachprodufte exkl. 5 o/ Rendement 5,90 6,65. Matt. Brotraffinade 1 22,00. Brotraffinade II 2176. Gem. Raffin. mit Faß 21, 00 2.00. Gem. Melis mit 66 20, 25. Matt. Preise theilweise nominell. Rohzucker . Produkt Transito f. a. B. Hamburg yr. Dezember 870 Gd. s, 5 Bre, pr. Januar 8, 87 Gd, 8, 29 Bir pr. März g, 15 bez., ,.1I74 Br., pr. April⸗Mai d,. 25 Gd., g, 27 Br. Matt.

Leipzig, 11. Dezember. (W. T. B Kamm zug⸗Termin⸗

handel. La Plata. Grundmufter B pr. Dezember 2775 M6, pr. Januar 2,77 46, pr. Februar 2,77 „, Pr. März 2,80 S6, pr. April 2.80 6, pr. Mai 2,82 . vr. Jun! 2.85 M, pr. Jul 3, 877 606, pr. August 2,873 6, per September 2.90 M, per Oktober S0, per November 2.90 MS Umsatz 15 000 Eg. Bremen, 11. Dezember. (B. T. B.) Börsen⸗Schlußbericht. Raffiniertes Petroleum. (Dsffizielle Notierung der Bremer Petroleum Börse. ) Stetig. Loko 5.35 B. Baum wolle. Willig. Upland middl. loko 294 3. Schmal. Flau. Wilcox 38 3, Armour shield 371 3, Cudahy 38 3, Fairbanks 30 Jg. Speck. Matt. Sbort elear middl, loko —, Dezember⸗Fanuar⸗Abladung 35. Wolle. Umsatz 231 Ballen.

London, 11. Dezember. (W. T. B) Den Abendblättern zu= folge hat der Versuch der chinesischen Regierung, weitere An⸗ leihen zu verschiedenen Zinssätzen aufzunehmen, die Banquiers Armstrong u. Co. veranlaßt, ihre Garantie für das Kapital der in Aussicht genommenen vierprozentigen Gold⸗Anleihe zurückzuziehen. Die Firma fühlt sich unter solchen Umständen nicht berechtigt, diefe Anleihe zu emittieren.

London, 11. Dezember. (W. T. B.) An der Küste 3 Weizen⸗ ladungen angeboten. .

96 F Japgzucker loko 121 ruhig. Rüben⸗Rohzucker loko 85 matt. Chile Salpeter 411g, pr. 3 Monat 4 IIsis.

Manch ester, 1J. Dezember. (W. T. B) 12 Water Taylor 48, 30r Water Taylor 6, 20x Water Leigh o, 30 Water Clayton 6, z2r Mock Brooke St, 40r Mayoll 63, 46r Medio Wilkinfon 63, zar Warpeops Lees 5, 36r Warpcops Rowland 64, 36 r Warpeops Wellington 63, 40 r Double Weston 64, 60r Double courante Qua- ö dea 32 116 vards 16216 grey Printers aus 32rsd6r

44. Ruhig.

St. Petersburg, 11. Dezember. (W. T. B) Produ kten⸗ markt. Talg loko 51,50, pr. August —. Weizen loko 7.75. Roggen loko 5,30. Hafer loko 3,40. Hanf loko 41,00. Leinfaat loko 11,00.

Amsterdam, 11. Dezember. W. T. B.) Ja va-⸗Kaffee good ordinary 51. Bancazinn 383.

New⸗NVork, 11. Dezember. (WB. T. B.) Die Börse eröffnete träge, war im weiteren Verlauf steigend und schloß recht fest. Der Umsatz der Aktien betrug 149 0600 Stück.

Weizen eröffnete schwach und schwächte sich infolge des Re—= gierungsberichts noch mehr ab, später auf festere auskändische Mel dungen, Zunahme der Exportnachfrage und auf Deckungen der Baissiers erholt. Schluß fest. Mais einige Zeit, steigend nach Eröffnung, später Reaktion infolge günstigen Wetters in den Maig⸗ gebieten. Schluß träge.

Weizen ⸗Verschiffungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Vereinigten taaten nach Groß⸗ britannien g0 000,9 do. nach Frankreich 7000, do. nach anderen Häfen des Kontinents 29 000, do. von Kalifornien und Oregon nach , ,, 61 000, do. nach anderen Häfen des Kontinents 8.

Der Werth der in der vergangenen Woche gus geführten . 2 betrug 7 283 093 Dollars gegen 7434 337 Dollars in der

orwoche.

Chieggo, 11. Dezember. (W. T. B) Weizen , schwach auf große Ankünfte im Nordwesten und auf schwächere Kabel- berichte, dann fest auf Deckungen der Baissiers und auf ausgedehnte Exportnachfrage. Mais allgemein fest während des ganzen Börsen⸗ verlaufs entsprechend der Festigkeit des Weizens.

. II. Dezember. (W. T. B.) Die Ein⸗ und Aus- fuhrzölle betrugen im Monat Nopember 1 689 000 Doll. gegen 1680 000 Doll. im Monat Oktober.

Rjo de Janeiro, 11. Dejember. (W. T. B. Der 6 Minifter hat sich mit den Banken wegen Maßnahmen zur Hera y , , ins Benehmen gesetzt, welcher jetz

eträg