Kunst und Wissenschaft.
Der Direktor des Köllnischen Gymnasiums, Professor n Kern, der nicht nur als Pädagoge, sondern auch als Litergrhistoriker und Altphilologe Ruf erworben hat, ist gestern im 65. Lebensjahre gestorben. Seine Beerdigung findet am Dientzztag von der Aula des Gymnasiums aus statt.
— In Rom ist der Direktor des vatikanischen Observatoriums Pater Den za, welcher am 13. d. M. nach einer Audienz bei dem Papst von einem Schlaganfall betroffen wurde, dem W. T. B.“
zufolge, gestern gestorben.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maszregeln.
. Spanien.
en Königlicher Verordnung vom 10. 8. M. unterliegen Schiffe von St. Louis in Senegambien einer Choleraquarantaͤne. Alle Häfen, welche von dem genannten Ort nicht weiter als 165 km entfernt sind, gelten als offenkundig choleraverdächtig.
Portugal.
Durch Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern sind die Häfen der Präsidentschaft Bombay seit dem 1. d. M. für rein von Cholera erklärt worden.
Schweden. Durch Verfügung des Königlichen Kommerz -Kollegiums vom 13. d. M. ist die Provinz Westpreußen seit dem 12. d. M. für rein von Cholera erklärt worden.
Doch sind für Passagiere der von dorther kommenden Schiffe die zur Verhütung der Einschleppung von Cholera in Schweden über nicht für cholerginfiziert erklärte Häfen unter dem 2. September v. J. angeordneten Maßregeln in Kraft gesetzt worden. (Vergl. R. Anz.“ Nr. 165 vom 16. Juli d. J. und Nr. 236 vom 2. Oktober v. JJ.
Norwegen.
Die Königlich normegische Regierung hat Lie Provinz Posen für
rein von Cholera erklärt. (Vergl. . R.⸗Anz. Nr. 172 vom 24. Juli d. J.).
Theater und Musik.
ö .
Der vierte Symphonie Abend der Königlichen Kapelle, welcher gestern, wieder unter Felix Weingagrtner's Leitung, im . stattfand, war ein „Beethoven⸗Abend' und wurde mit der Ouvertüre Coriolan“ eröffnet. Herr Professor Halir trug hierauf das Violinkonzert (bdur) mit einer in jeder Be— ziehung vollendeten Meisterschaft vor. Die Kapelle beschloß sodann die Vorträge mit der Ouvertüre „Leonore“ Nr. 3 und der Sinfonia pastorale des unsterblichen Meisters. Die höchst lobenswerthe Präzision in der Ausführung aller diefer Werke von seiten der Kapelle und die warme, begeisterte Hingebung für den Komponisten waren durchweg zu erkennen. Dem ausgezeichneten Dirigenten wurden anhaltende Beifallsbezeugungen des sehr zahlreich erschienenen Publikums zu theil.
Herr Wladimir von Pachmann gab im Saal Bechstein vorgestern seinen zweiten Klavierabend. Er eröffnete denselben mit der selten gehörten Sonate op. 39 (As-dur)]) von Weber. Diese schwierigste und tiefste Klavierkomposition des Meisters wird in der klaren und interessanten Wiedergabe durch den Konzertgeber manchem Zuhörer erst vollkommen verständlich geworden sein. Es folgten zwei kleine bekannte Phantasiestücke von Schumann, denen sich ein Capriccio von Brahms (op. 116 Nr. I) anschloß, das man wegen der Kürze mehr für eine Etüde halten konnte. Die willkommenste Gabe war wieder die geistvolle und feinsinnige
Interpretation bekannter und beliebter Stücke von Chopin, von denen die G- moll Ballade und die Präludien besonders hervorzuheben sind. Unter den drei Piscen von Liszt, welche den Schluß bildeten, gefielen am meisten die Konzert ⸗Etüde (Nr. 2 und eine Mazurka, denen der unermüdliche Künstler noch die Mazurka in B dur von Chopin hinzu- fügte. Sämmtliche Vorträge wurden mit sehr lebhaftem Beifall aufgenommen. J
Im Königlichen Opernhause e, morgen „Hänsel und Gretel“ (Fräulein Dietrich, Fräulein Rothauser, Frau Goetze, Herr Betz) unter Kapellmeister Sucher's Leitung zur Aufführung. Hierauf folgt das Ballet „Die Jahreszeiten. (Damen dell Era, Urbanska). Am Montag sindet das letzte Auftreten der Herren 5 d'Andrade und Luigi Ravelli in Verdi's ‚Rigoletto tatt. (Gilda: Frau Herzog; Magdaleng: Fräulein Rothauser; Sparafueile; Herr Krolop). Kapellmeister Weingartner dirigiert.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen die Gustav⸗ Adolf -Dichtung von Emil Taubert (zum 9. Dezember 1894) mit lebenden Bildern wiederholt. Hierauf geht zum ersten Mal Adolf Wilbrandt's Schauspiel Der Königsbote“ in nach— stehender Besetzung in Scene; Ingimund: Herr Molenar, Thordis: Frau Stollberg, Helga: Fräulein Lindner, Orm: Herr Kahle, Hallad: Herr Keßler, Sttar: Herr Arndt, Otfried; Herr Matkowsky, Jökul: Berr Ludwig, Wolfhard: Herr Purschian, Sigind:; Frau von Hochen⸗ burger, Asmund: Herr Heine. Die Handlung spielt zu Raumsdal in Norwegen im Jahre 1014 nach Christi Geburt. Am Montag gelangt das Lustspiel ‚Wie die Alten sungen zur Aufführung.
Im Deutschen Theater kommt morgen Abend „Cyprienne“ in Verbindung mit dem Einakter „Blau, zur Aufführung, Nach— mittags wird zu halben Preisen „Der Talisman mit Josef Kainz als König Astolf gegeben. Der weitere Wochen- Spielplan ist folgendermaßen festgestellt: Montag und Mittwoch: „Blau“ und Cyprienne?; Dienstag und Sonnabend: „Die Weber“; Donnerstag: Gespenster“; Freitag als 15. Abonnements⸗Vorstellung: „Hamlet“.
Im Berliner Theater wird, morgen Abend sowie am Mon⸗ tag Ludwig Anzengruber's weihnachtliches Volksstück Heimgefunden“ in der unveränderten ö des ersten Abends wiederholt. Am Dienstag wird Madame Sans⸗Gene mit Jenny Groß in der Titel rolle, am Mittwoch und Donnerstag mit Maria Reisenhofer gegeben. Am Freitag gelangt „Der Pfarrer von Kirchfeld“' mit Otto Sommer⸗ storff, Teresina Geßner, Ferdinand Suske zur Wiederholung, während am Sonnabend wiederum Madame Sans⸗Göne“ mit Jenny Groß gegeben wird.
Das Lessing-Theater kündigt für den nächsten Sonnabend die erste Aufführung von Victorien Sardou's Schauspiel ‚„Gismonda“ an. Morgen gelangt der Schwank . Zwei Wappen“ zur Aufführung. Am Montag wird als zweiter Duse- Abend Goldoni's Lustspiel „La Locandigra“, von welchem eine von Scene zu Scene führende Inhalts⸗ angabe als unentgeltliche Beilage der Zwischenakts⸗Zeitung zur Ver⸗ theilung gelangt, in Verbindung mit „Cavalleria rusticana“ zur Aufführung kommen, während am Dienstag Eleonora Duse ihr Gastspiel als Magda in Herrmann Sudermann's Schauspiel Beimath“ beschließt. Am Mittwoch, Donnerstag und Freitag finden Wiederholungen von „Zwei Wappen statt.
Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater geht die morgige Vorstellung der Operette Pariser Leben“ zum Besten des Kindergartens der Hamburger Vorstadt in Scene. Vom Dienstag bis nächsten Sonnabend wird die „Fledermaus“ gegeben.
Das Adolph Ernst-Theater, in welchem morgen ‚Charley's Tante“ und „Die ewige Braut“ zum letzten Mal in Scene gehen, bleibt für die kommende Woche geschlossen wegen Vorbereitung der Novität „Ein fideles Corps“, welche zu Weihnachten zur ersten Aufführung gelangt.
Das Programm des Konzerts, welches Fräulein 85 an ny Davies am Montag unter Mitwirkung der Herren rofessor Jos. Joachim, Em. Wirth und ob. Hausmann in der Sing- Akadem ie veranstaltet, bringt unter anderm Brahmz' Quartett G- moll op. 25 für Klavier, Violine, Viola und Cello. Der Pianist Wladimir von Pachm ann wird in seinem, an dem— selben Tage stattfindenden letzten Klavier⸗Abend im Saal Bech, stlein folgende Stücke von Chopin spielen: Nocturne op. 55 Rr. s, Barcarole op. 69, zwei Etuden op. 25 Nr. 1 und 9, zwei Mazurkas op. 7 Nr. 2 und 4 . III. Scherzo 9p. 39; außerdem lommen. Werke von Schu— mann, Mendelssohn, Liszt und A. Rubinstein zum Vortrag. — In dem Konzert der Sängerin Fräulein Verg Goldberg am Dienstag (Saal Bechstein) wirken die Pianistin Fräulein Metg Herr Lippoldt, der Komponist Wilhelm Berger (Llavier) und ein ge— mischter Chor unter Leitung von Professor Ad. Schultze mit, welcher a cappella. Gesänge von R. Kahn. W. Berger und M. Stange fo, wie den Chorpart in den den Schluß des Programms bildenden Liebesliedernꝰ von Brahms zur Ausführung bringen wird.
den 17. Dezember, eine ‚Beethoven⸗Feier“ veranstalten. Auf dem , stehen u. a. die Ouvertüre zu „Egmont“, die Symphonie lr. 4 Bedur und das „Septett“? (mit mehrfacher Besetzung der Streichinstrumente).
Jagd. Am Dienstag, 18. d. M. findet Königliche Parforce— Jagd statt. Stelldichein: Mittags 1 Uhr Jagdschloß Grune— wald, U / Uhr am Saugarten.
Mannigfaltiges.
Ein Unterstützungs-GComité für die Opfer der Erd, beben in Sizilien und Kalabrien hat sich gestern Nachmittag im neuen Reichstagsgebäude konstituiert. Die Einladung zu der Ver! sammlung war durch ein provisorisches Comité erfolgt, welchem die Derren Reichstags Präsident von Levetzow. Ober-Bürgermeister Zelle, Staats⸗Minister Camphausen,. Dr, jur. Esser, Geheimer Kommerzien— Rath Herz, Ministerial⸗ Direktor Dr. Kayser, Konful Keibel, General⸗Konsul Landau, Geheimer Medizinal⸗Rath Professor Dr. Leyden, Regierungs⸗Rath a. D. Dr. Magnus, Robert Warschauer und Professor Anton von Werner angehörten. Vor Eröffnung der Sitzung richtete der gleichfalls erschienene Königlich italienische Botschaftet Graf Lanza Worte des Dankes an dle Anwesenden, indem er die engen Beziehungen zwischen den beiden befreundeten Nationen und die große Nothlage hervorhob, zu deren Linderung das Comits zusammen, getreten ist. Hierauf eröffnete Reichstags-Präsident von Levetzow die
Wort, welcher den in Italien herrschenden Nothstand schilderte und die Verpflichtung hervorhob, der befreundeten Nation rasche und kräf, tige Hilfe zu leisten. Dann erfolgte die Konstituierung des Comité; zum Vorsitzenden wurde Präsidenk von Levetzow, zu stellvertretenden Vorsitzenden: Ober, Bürgermeister Zelle und Geheimer Kommerzien. Rath Herz, zum Schatzmeister: Robert Warschauer, zu Schriftführern: Regierungs⸗Rath Dr. Magnus und Dr. Esser gewählt.
Hannover, 14. Dezember. W. T. B. meldet: In der Vor, stadt Linden erfolgte heute in der Zündhütchen Fabrik eine Explosion, durch welche eine Arbeiterin getödtet und sechs berletz wurden.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
e / / / 6 5h
Im Konzerthause wird Kapellmeister Meyder am Montag,
Sitzung und ertheilte Herrn Regierungs-Rath Dr. Magnus daz
t vom 15. Dezember,
8 r Morgens.
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Wind. Wetter.
Stationen.
Meeressp. in O Celsius
Bar. auf 0 Gr.
red. in Milli Temperatur
50 C. — 40R.
u. d.
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2 S 823
wolkig halb bed. halb bed. Dunst wolkenlos wolkenlos
Belmullet .. Aberdeen. 751 WMW Ghristiansund 754 SO Kopenhagen. 756 O
Stockholm. 758 NW Daparanda I50 NW
Cort. Queens. .
— W N — X do s = w 0
1 co
66 WM Cherbourg. 765 WMW . 71866 K.
enn w winemünde 756 Neufahrwasser 758 Memel n . 6 dünster.. 752 Karlsruhe. 762 Wiesbaden. 760 München.. 763 Chemnitz.. 757 Berlin.. 1755 Wien.... 267 Breslan .. 760 K
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) Schnee. ) Abends Regen, Glatteis. 3) Nachts und früh Regen. ) Föhn.
Uebersicht der Witterung.
In Deutschland sowie im Nordseegebiet ist das Barometer sehr stark gefallen, dagegen in Westirland stark gestiegen. Ein ziemlich tiefes barometrisches Minimum liegt nördlich von Schottland, eine Theildepression, ostwärts fortschreitend und im weiten Umkreise , . verursachend, über Nordwestdeutschland. Am höchsten, über 770 mm, ist der Luftdruck über Südwest - Europa. In Deutschland ist bei meist schwacher Luft⸗ bewegung das Wetter mild, trübe und vielfach regnerisch. In Nordwestdeutschland sind große Regenmengen gefallen, am meisten 2 mm, zu Wilhelmshaven. Ganz Deutschland, der äußerste Nordosten ausgenommen, ist frostfrei.
Deutsche Seewarte.
Theater⸗Anzeigen.
Königliche Schauspiele. Sonntag: Opern- baus. 267. Vorstellung. Hänsel und Gretel. Märchenspiel in 3 Bildern von Engelbert Humper⸗ dinck. Text von Adelheid Wette. In Scene gesetzt vom Ober ⸗Regisseur Tetzlaff. Dekorative Ein⸗ richtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Dirigent:
Kapellmeister Sucher. — Die Jahreszeiten. Tanz⸗Posm in 2 Akten und 4 Bildern von Emil Taubert und Emil Graeb. Musik von P. Hertel. Dirigent; Musikdirektor Steinmann. Anfang 77 Uhr.
Schauspielhaus. 280. Vorstellung. Gustav Adolf. Dichtung von Emil Taubert (zum 9. Dezember 1894. Lebende Bilder, gestellt vom Qber⸗Regisseur Max Grube. Zum ersten Male: Der Königs bote. Schauspiel in 3 Aufzügen von Adolf Wilbrandt. In Scene seseßzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 8 Uhr.
Montag: Opernhaus. 268. Vorstellung. Rigo⸗ letto. Oper in 4 Akten von Giuseppe Verdi. Text nach dem Italienischen des F M. Piave, Tanz von Paul Taglioni, (Herzog: Herr Ravelli, ige te: Herr duAndrade, als Gäste.) Anfang
t.
Erhöhte Preise. . 12 46, Orchester⸗ Loge 10 . Erster Rang Balkon und Loge, Parquet und Parquet-Loge 8 M Jweiter Rang Prosceniumß⸗— Loge 6 M Zweiter Rang Balkon und Loge 5 M Dritter Rang Ballon und Loge 3 MÆ 50 3. Amphitheater . 2 9606 Parterre Stehplatz 2 46 Amphitheater Stehplatz 1 40
Schauspielhaus. 281. Vorstellung. Wie die Alten sungen. Lustspiel in 4 Aufzügen von Karl Niemann. Anfang 74 Uhr.
Dpernhaus. Dienstag. Hänsel und Gretel. Karneval. Mittwoch: Margarethe. (Margarethe: Frau Emmg Albani, als Gast. Donnerstag: Cavalleria rusticana. Bgajazzi. Freitag: Orpheus und Eurydike. Sonnabend: Die Walküre. Anfang 7 Uhr. Sonntag, Mittagt 1 Uhr Matinée. Abends: Häusel und Gretei. Die Jahreszeiten. Montag: Geschlossen.
Schauspielhaus. Dienstag: Halali. Militär⸗ fromm. Mittwoch; Der Königsbote. Die Philosophin. Donnerstag. Wie die Alten sungen. Freitag: Halall. Post Frestum. Sonnabend: Der Königsbote. Die Philosophin. Sonntag: Wie die Alten sungen. Montag: Geschlofsfen.
Ventsches Theater. Sonntag, 25 Uhr: Der Talisman. 74 Uhr: Blau. — Cyprieune.
Montag: Blau. — Chprienne. Dienstag: Die Weber.
Herliner Theater. Sonntag, 2 Uhr: Die Hexe. (Ermäßigte Preise) 73 Uhr: Heim⸗ gefunden.
Montag: Heimgefunden.
Dienstag: Madame Saus⸗Gene.
le ssing · Theater. Sonntag: Zwei Wappen. Anfang 75 Uhr.
Montag: Zweiter und vorletzter Duse⸗Abend. La Locandiera.— Cavalleria rusticana.
Dienstag: Dritter und letzter Duse⸗Abend.
Seimath. (Qusa paterna.) Mittwoch: Zwei Wappen.
Residenz· Thenter. Direftion: Sigmund Lautenburg. Sonntag: Zum 42. Male: Der Unterpräfekt. Schwank in
Blumenstraße Nr. 8.
3 Akten von Leon Gaudillot. Deutsch von Max
Schönau. — Vorher: Villa Vielliebchen. Lust⸗
hien in 1 Akt von Benno Jacobson. Anfang .
Montag und folgende Tage: Der Unterpräfekt.
— Villa Vielliebchen.
Nenes Theater. Schiffbauerdamm 4 qa. 6.
Sonntag: Andrea. Komödie in 5 Akten von Victorien Sardou. Anfang 74 Uhr.
Sonntag, Nachmittag 3 Uhr: Vorstellung des Vereins fuͤr Volkzunterhaltung zu bedeutend herab— geschten Preisen: Komödianten! (Gubotins) Lustspiel in 4 Akten von Eduard Pailleron. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg.
Montag (14. Abonnements ˖ Vorstellung): Andrea. Komödie in 5 Akten von Victorien Sardou. An fang 71 Uhr
Friedrich Wilhelmstädlisches Theater. Chauffeestraße 25/26.
Sonntag: Neu einstudiert: Pariser Leben. Komische Operette in 4 Akten nach dem Französischen des Meilhae und Halévy von Carl Treumann. Musik von Jagues Offenbach. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Herrn Binder. Dirigent: Herr Kapellmeister Ferron. Ermäßigte Preise der Plätze. Anfang 76 Uhr. . .
Sonntag, den 23. Dezember: Mit vpollständig neuer n tn] an Dekorationen, Kostümen und Requisiten: Orpheus in der Unterwelt. Große Ausstattungsoperette mit 4 großen Ballets in 12 Bildern.
Theater Unter den Linden. Behrenstr. 66 / p. Direktion: Julius Fritzsche. — Sonntag: Der . Krieg. Operette in 3 Akten von F. Zell und Rich. Gense. Musik von Johann Strauß. Regie: Herr Unger. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. — Hierauf: Tanz⸗Divertissement. Arrangiert vom Balletmeister Herrn Louis Gundlach. Anfang 795 Uhr.
Sonnabend, den 22. Dezember: Neu einstudiert: Boccaceio. Operette in 3 Akten Musik von Franz von Supps.
Bentral⸗ Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direktion: Richard Schultz. — Sonntag: Emil Thomas a. G. Anna Bäckers. Josefine Dora. Zum 108. Male: O, diese Berliner! Große 3 mit Gesang und Tanz in 6 Bildern (nach
alingrs's — durch Berlin') von Julius i Musik von Julius Einödshofer. Anfang
r
Montag: O, diese Berliner! Anfang 77 Uhr.
Adolyh Ernst · Theater. Sonntag: Zum letzten Male; Charley's Tante. Schwank in 3 Akten von Brandon Thomas. — Vorher: Zum letzten Male; Die ewige Braut. Liederspiel mit Tanz in 1 Akt von W. Mannstädt und FJ. Kren. In Seene gesetzt von Ad. Ernst. , Uhr. Vom 17. bis inkl. 24. Dezember: Keine Vor⸗
stellung.
In Vorbereitung: Ein fideles Corps. Grohe Gesangsposse. mit Tanz. Nach dem engllschen A Gaiety Girl frei bearbeitet von Eduard Jacobfon und Jean Kren.
Konzerte.
Konzert / haus. starl Mender . Konzert Sonntag Anfang 6 Uhr. Montag Anfang 7 Uhr. Beethoven Feier. Ouv. Egmont‘. Symphonie Nr. 4 Bedur. „Septett“ (mit mehrfacher Befetzung der Streichinstrumente).
ing · Akademit. Montag, Anfang 8 Uhr.
Konzert von Fanntz Davies, unt. güt. Mitm, der Herren Prof. Dr. Jos. Joachim, Em. Wirth u. Rob. Hausmann.
Saal Fechstein. Linkstraße 42. Montag, Anfang 73 Uhr: III. ÆK lavier⸗Abend von Wladimir von Pachmann.
Birkus Renz (Karlstraße). Sonntag, Nach mittags 4 Uhr (ermäßigte Preise siehe Plakat): Die lustigen Heidelberger. Außerdem Auftr. der Spezialitäten 1 Ranges, sowie Reiten u. Vorführen d. bestdress. Schul u. Freiheitspferde. Abends 7 Uhr: Ig0 Ni En. Neue Musikeinlagen, Foa ma, (gr. Pferdespringen), neue überraschende Lichteffekte. Ferner; 4 arab. Schimmel hengste vorgef. v. Herrn R. Renz; Cyd u. d. Stelger Solon, ger. v. Frau Renz ⸗Stark; Mr. Lavater Lee als Dresseur; d. beliebten Clowns Gebr. Villaud a
Montag: Tijo Ni En.
J 7 .
Familien ⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Else von Poncet mit Hrn. Lieut. ö von Rudno Rudzinski (Schloß Dirschel iptin).
Verehelicht: Hr. Postrath Wachholtz mit Fil. Anna Grosser (Berlin). Geboren: Eine Tochter: Hrn. Pastor Zippel Neumarkt, Schl). — Hrn. Regierungs Rath Wosch (Oppeln). ö. Gestorben: Hr. Hermann von Hanstein (König berg) — Hr. Robert von Rofenberg⸗Lipinbh ö Hrn. Prem. Lieut. Dtto won Quant ohn Fedor (Münster) — Hr. . Dr. Max Kuhn (Friedenau. — Hr. Professot
Dr. Schroeter (Breslau).
Verantwortlicher Redakteur: J. V.: Siem enroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholy in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagk⸗ Anftalt, Berlin sw., Wil helmftraße Nr. 3.
Sechs Beilagen leinschließlich Gorsen · Beilage).
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
295.
e
Dentscher Reichstag.
6. Sitzung vom Freitag, 14. Dezember 1894, 1 Uhr.
Der Sitzung wohnen bei: der Staatssekretär und Staats⸗Minister Freiherr von Marschall, der Staatssekretär Dr. Graf von ** adowsky sowie der preußische Finanz⸗ Minister Dr. Miquel.
Der Abg. Steinmann, Regierungs-Präsident in Gum⸗ binnen, ist plötzlich gestorben. Das Haus ehrt sein Andenken in der üblichen Weise.
Auf der Tagesordnung steht zunächst der dringliche An⸗ trag der Abgg. Schmid t⸗EClberfeld (fr. Volksp) und Ehni ssüßd. Volksp), im 8 36 der Geschäftsordnung folgenden Zusatz zu machen:
»Alle Anträge, welche innerhalb der ersten vierzehn Tage der Session eingebracht werden, gelten, sofern sie nicht schon vor Ab⸗ lauf dieser Frist zur Verhandlung gelangt sind, als gleichzeitig ein⸗ gebracht. Ueber die Priorität unter denselben entscheidet das Loos.“
Abg. Gröber (Sentr.) will den § 35 dahin ändern, daß unter den innerhalb der ersten vierzehn Tage eingehenden Anträgen die— jenigen den Vorrang haben sollen, welche in früheren Sessionen bereits zur Beschlußnahme gekommen sind, oder über welche ein Kommissions⸗ bericht erstattet ist; sodann diejenigen Anträge, welche Gefetzent⸗ würfe enthalten. Die übrigen sollen nach der Reihenfolge ihres Ein— ganges behandelt werden; ebenso sollen Petitionen, über welche bereits in einer früheren Session Bericht erstattet ist, ohne nochmalige Vor⸗ berathung auf die Ta egordnung gesetzt werden.
Abg. Ech n ld Gen n (fr. Volksp.): Weil in jeder Session eine große Anzahl von Anträgen nicht mehr zur Berathung kommt, suchen die Antragsteller durch möglichst frühzeitige Einbringung einen Vorrang zu erhalten. Vor Gröffnung der Session auf dem Bureau niedergelegte Anträge müssen sämmtlich als gleichzeitig eingebracht gelten. Solcher . liegen jetzt 30 vor, und es fragt sich, welche Reihenfolge sie haben sollen. Es kann nur das Loos entscheiden; das ist zwar keine ideale Abhilfe, aber auch der Antrag Gröber läßt dieselbe schließlich zu. In Bezug auf die Be⸗ handlung der Petitionen ist eine Reform der Geschäftsordnung auch ganz wünschenswerth. Wenn nach dem Antrag Gröber die An⸗ träge, welche die Form von Gesetzentwürfen haben, vorgehen sollen, so würde das nur dazu führen, daß in Zukunft alle Antraͤge in Form von Gesetzentwürfen eingebracht würden.
Abg. Gröber (Zentr.: Das Loos darf nicht allein entscheidend sein, es muß auch nach dem inneren Werth der Anträge gehen. Wir wollen die Anträge vorziehen, welche nicht mehr bloße Anträge des Antragstellers sind, sondern gewissermaßen Anträge des Hauses dadurch geworden sind, daß das Haus schon in der früheren Session einen Beschluß darüber gefaßt hat, der aber vom Bundesrath abge—⸗ lehnt ist. Würde das Loos entscheiden, so könnten Gesetzesvorschläge, die schon in dritter Lesung in der vorigen Session angenommen sind, erst am Schluß der Session oder garnicht mehr zur Erledigung kommen. Die Petitionen sind bisher eigentlich schlecht behandelt worden; tausende von Petitionen laufen alljährlich ein, die Petitions⸗ kommission bearbeitet sie und erstattet viele Berichte darüber, die aber im Plenum nicht, mehr zur Erledigung kommen. Sie werden in der nächsten Session wiederholt und haben wieder dasselbe Schicksal. Petitionen, über die schon Kommissionsberichte vorliegen, müssen vor⸗ gehen. Ich beantrage, beide Anträge der Geschäftsordnungskommission zu überweisen. Jetzt findet immer ein förmliches Wettlaufen bei Ein bringung der Anträge statt, und sie sind oft oberflächlich gearbeitet. So wird jetzt in einem Antrage etwas bezüglich der Abzahlungs. eschäfte vorgeschlagen, was schon längst im Gefetzblatt als Gesetz i Bei der Verloosung der Reihenfolge muß jedenfalls so ver⸗ fahren werden, daß wenigstens jede Fraktion einen ihrer Anträge sicher zur Berathung erhält. .
Abg. Gamp (Rp.) schließt sich dem Antrage auf Kommissions⸗ berathung an; das Loos entscheiden zu lassen, sei nicht zweckmäßig und würde nur zur Folge haben, daß jede Partei ihre Anträge in mehrere Anträge zerlegen würde, um wenigstens mit einem zuerst heranzukommen. Man müsse vielmehr prüfen, welche fachliche Be⸗ rechtigung für die Priorität der Behandlung einzelner Anträge vor⸗ liege; geschehe dies nicht, so könnten unwichtige Anträge zuerst zur Berathung kommen, auf welche die i e, fete! selbst keinen großen Werth legen. Jede Legislaturperiode bilde ein einheitliches Ganzes, und es sei ziemlich gleichgültig, ob ein Antrag im ersten oder fünften Jahre der Periode zur Verhandlung käme. Sympathisch sei ihm der Gedanke des Antrags Gröber, daß diejenigen Anträge vorangestellt werden müßten, welche bereits geschäftlich vorbereitet seien; es dürften aber nicht Anträge vorangestellt werden, über welche bereits in einer früheren Session ein Beschluß gefaßt sei.
Abg. Dr. Enneccerus (nl) ist ebenfalls für Kommissions- überweisung mit dem Vorbehalt, daß die Geschäftsordnungskommission nicht bloß an diesen Antrag gebunden sei, sondern auch über andere Wege berathen dürfe. J
Abg. Dr. Rintelen (Zentr.) hält ebenfalls eine anderweitige Regelung dieser Frage für nothwendig. ö
Abg. Singer (Soz.) wünscht, daß der Berathung von Initiativ- anträgen und Petitionen ein größerer Zeitraum gewidmet werde, als nur ein Tag in jeder Woche. In Gesetzesform gebrachte Anträge 6 keinesfalls einen Vorzug haben vor Initiativanträgen aus dem
ause.
Abg. Freiherr von Manteuffel (dkons) glaubt, daß diese rein technische Frage am besten in der Kommission gelöst werden könne.
Nachdem die Abgg. Gröber und Schmidt (Elberfeld) nochmals ihre Anträge empfohlen haben, werden sie der Ge⸗ schäftsordnungskommission überwiesen.
Es folgt die Interpellation der Abgg. Dr. Paasche und Friedberg (nl):
Welche Maßregeln in Bezug auf eine Abänderung des gel⸗ tenden Zuckersteuergesetzes denken die verbündeten e g, zu ergreifen, um die Schädigung, welche der deutschen Landwirthschaft und der deutschen Zuckerindustrie durch die ausländischen Besteue⸗ rungsformen des Zuckers erwachsen, zu beseitigen?
Staatssekretär Dr. Graf von Posadows ky erklärt sich bereit, die Interpellation sofort zu beantworten.
Zur Begründung der Anfrage erhält das Wort der Abg. Dr. Paasche (nl): Bei der Beschlußfassung des Reichs⸗ tags über das setzt geltende Zuckersteuergesetz, welches die Herabsetzung und das schließliche Aufhören der Zuckerprämie ins Auge faßte, wurde bon seiten des Reicht, Schatza mz die Erklärung abgegeben, man mache die Aufrechthaltung des Gesetzes von zwei Bedingungen ab⸗ hängig. Zunächst dayon, daß das Ausland seine Zuckerprämien eben⸗ alls herabsetze bezw. aufhören lasse, und sodann davon, daß das fsetz keinen ungünstigen Einfluß auf die Zuckerindustrie ausübe. sind nicht erfüllt worden. Nach dem deutsche Zuckerprämie, welche ahre 1858,35 1 ca. 2 S betrug, auf 1,25 pro dehhehe tuen herabgesetzt worden. Vom 1. August d. J. ab soll eine weitere re enn auf 1 M pro Doppelzentner erfolgen, und vom I. August 1857 ab soll die Prämie überhaupt aufhören. Da—⸗
Diese Vorgusfetzungen eltenden . ö die
Berlin, Sannahend, den 15. Dezember
een beträgt die Zuckerprämie zur Zeit in Oesterreich 2 , in frankreich 5.40 M pro Doppelzentner. In dem letzteren Lande ist die Prämie in den letzten Jahren nicht unbedeutend erhöht worden. Die Voraussetzung, daß die konkurrierenden Zuckerländer ihre Prämien herabsetzen würden, ist demnach durchaus irrig ge— wesen. Meiner Ansicht nach war das Vorgehen Deutschlands kein richtiges. Wenn man die Kampfmittel, welche man hat, aus der Hand giebt, so schädigt man sich felbst. Man hätte die Zuckerprämie erhöhen, aber nicht im voraus darauf verzichten sollen. Einer der Hauptabnehmer unseres Zuckers, die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, hat uns neuestens einen empfindlichen Schlag dadurch versetzt, daß er den deutschen Zucker neben dem öster⸗ reichischen, weil wir direkte Ausfuhrprämien zahlen, besonders schlecht behandelt. Nicht allein, daß unser Rohzucker entgegen den' Ab— machungen von 1892 mit einem Zoll belegt wurde, erhebt Amerika von unserem raffinierten Zucker noch einen Extrazoll, welcher für den Zentner 32 3 beträgt. Dadurch ist der Export deutschen Zuckerß nach Ame— rika unmöglich gemacht. Welche Bedeutung das für unsere Zuckerindustrie hat, ergiebt sich schon daraus, daß Amerika jährlich 2 Millionen DeItr. Zucker konfumiert, während der Konsum in Deutschland nur 500 O90 D.-Ztr. beträgt. Dadurch, daß der amerikanische Markt dem deutschen Zucker verschlossen wird, wird derselbe ö. England geleitet und muß dort nothwendig die Zuckerpreise drücken. Die zweite Voraussetzung, von welcher der Reichs⸗Schatzsekretär ausging bei der Beurtheilung des gegenwärtigen Gesetzes, war, daß durch dasselbe die Lage unserer Zuckerindustrie nichk ungünstiger gestaltet werde. Thatsächlich aber ist diese Lage heute fo Ungünftig wie nie. Bei der heutigen Zuckerausbeute beträgt der Preis für den Zentner Zucker 8,29 6 Da etwa 8 Zentner Rüben zur Produktion von JL Zentner Zucker nothwendig sind, so wird damit gerade der Bauer bezahlt, der die Rüben liefert. Selbst wenn man für die Rüben einen niedrigeren Preis, etwa 89 3 pro Zentner annimmt, so entsteht unter den heutigen Verhältnissen für den Zuckerproduzenten noch immer ein Schaden von 2 60 bei jedem Zentner Zucker. Das macht bei einer Produktion von 35 Millionen Zentner 75 Millionen Mark Verlust. Die Bedeutung unserer Zuckerindustrie ist e, als von manchen Seiten zugestanden wirb. Der Abg. Rückert beziffert die mit Rüben bebaute Fläche zwar nur auf 19,0 der ge— sammten Anbaufläche. Thatfächlich sind es 16 69. Aber wer die Zuckerindustrie näher kennt, weiß den Einfluß zu schätzen, den sie auf die Gesammttultur ausübt. Sie allein haf erst den Uebergang zur intensiven Kultur ermöglicht. Die Zuckerindustrie beschäftigte rund 440 000 Arbeiter. Können diese nicht den gleichen Schutz begnspruchen, wie die Tabagckarbeiter, von denen so viel die Rede ist? Dann kommen die Nebenindustrien in Betracht. In der Zuckerindustrie werden allein jährlich 6 Millionen Tonnen Kohlen verbraucht. Es ist unrichtig, daß Deutschland allein an der Ueberprobuktion don Zucker Schuld trägt. In anderen Ländern ist die Produktion weit mehr gestiegen, als bei uns; in Frank— reich in den letzten zehn Jahren um fast das Dreifache. Unsere Zuckerproduktion hat sich in den letzten zehn Jahren nur von 1150 900 t auf 1750 000 t gehoben. Namentlich für den Osten ist ein starkes Bedürfniß der Abhilfe vorhanden. Nicht der hohen Dividende wegen bauen die Landwirthe heute Zuckerrüben und Zuckerfabriken — sie bauen sie bloß, weil sie sich sagen? beim Getreide⸗ bau ist nichts mehr zu verdienen, die intensivere Kultur, die wir nöthig haben, erreichen wir nur aus dem Rübenbau. Wir würden uns auch gegen eine Erhöhung der Prämien nicht ablehnend ver— halten, und glauben nicht, daß nothwendig damit eine Verminderung der Einnahmen des Reiches verbunden sein muß, denn der Mehrbetrag ließe sich recht wohl durch eine Erhöhung der Konsumabgaben um etwa 2 4 erreichen. Auf die Materialsteuer zurückzugreifen, halte ich nicht für rathsam, auch halte ich eine Kontingentierung, wie sie vorgeschlagen ist, bei einem Artikel, der für den Weltmarkt bestimmt ist, nicht für angebracht. Wie dem auch sei, gerade in dieser für die Landwirth⸗ schaft schweren Zeit ist es Pflicht der Regierung, auf diesem Gebiet gesetzgeberisch vorzugehen, eventuell auch mit Erhöhung der Praͤmien. (Ruf links: Liebesgabe ) Nein, Liebes gaben wollen wir nicht, wir wollen nur Kampfmittel für den Wettbewerb auf dem Weltmarkt. Ein wichtiger Zweig der Landwirthschaft soll erhalten werden; er soll auf dem Weltmarkt gleichen Wind haben. Es genügt uns vorläufig, wenn 3 Regierung auch nur den guten Willen äußert, gesetzgeberisch vorzugehen.
Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky:
Meine Herren! Von dem Augenblick an, wo in Amerika die legislatorische Berathung begann über eine Aenderung des Zolltarifs, namentlich über die Position Zucker, beschäftigte sich sowohl die Fach⸗ wie die politische Presse in Deutschland eingehend mit der Lage des deutschen Zuckermarktes und des eng hiermit zusammenhängenden Rübenbaues. Die Ursache des Rückganges der Preise wurde einer—⸗ seits gesucht in dem Druck, den die Drohung eines amerikanischen Werthzolls und neben demselben eines Zuschlagszolles für Zucker aus Prämienländern bildete, — und andererseits in der Gestaltung des Gesetzes vom Jahre 1891. Man warf dem Gesetz von 1891 vor, daß es die Zwecke nicht erreicht habe, die es eigentlich beabsichtigte: erstens die Beseitigung der Ueberproduktion im Rübenbau, zweitens die Verhinderung des Baues neuer Zuckerfabriken, und drittens die Erhaltung von kleinen Fabriken. Ich vermag die Einwände, die sich gegen das Gesetz in diesen drei Richtungen aussprechen, als voll—⸗ kommen berechtigt nicht anzuerkennen. Meine Herren, das konnte nie der Gedanke des Zuckersteuergesetzes vom Jahre 1891 sein, die Produk= tion der Rüben zu beschränken. Dem Rübenbau verdanken wir in Deutschland die Tieffultur, wir verdanken ihm den Fortschritt der Agrikulturchemie und die Veredelung des Körnerbaues, und man kann recht eigentlich sagen: Der Rübenbau ist das Ferment der Hebung der deutschen Landwirthschaft gewesen. (Sehr richtig! rechts) Deshalb ist auch der Schluß unrichtig, aus der prozentual verhältnißmäßig kleinen Fläche des Rübenbaues gegenüber der gesammten Kulturfläche Deutschlands herleiten zu wollen, daß der Rübenbau eine solche Bedeutung nicht habe. (Sehr richtig h
Meine Herren, wenn man in der That die Entwickelung des Rübenbaues in Deutschland durch das Gesetz von 1891 hätte inhibieren wollen, so hätte das meines Erachtens nichts Anderes bedeutet, wie die alten Rübenländer dauernd real zu privilegieren gegenüber der Ent wickelung der Landwirthschaft der östlichen Provinzen (Sehr richtig! rechts); denn in den östlichen Provinzen haben wir zwar sehr viel Rübenboden, wir konnten ihn aber nicht für die Kultur der Zucker⸗ rübe verwerthen, weil wir ein zu wenig entwickeltes Verkehrsnetz hatten, und so zu sagen der Ertrag der Rüben an der Achse hängen blieb, indem wir die Rüben zu weit transportieren mußten. Dieser Zustand hat sich in dem Augenb lick geändert, wo sich das Eisen« bahnnetz des Ostens, besonders auch aus strategischen Rücksichten, er⸗ heblich entwickelt hat und man dort ebenfalls in der Lage war, auf
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1894
denkbare Entfernung die Rüben an die Bahnlinien und nach den Fabriken zu transportieren. Es konnte deshalb der Gedanke des Zuckersteuergesetzes von 1891 auch nicht der sein, daß man den weiteren Bau von Zuckerfabriken inhibieren wollte; denn ganz selbstverstãnd⸗ lich, wenn man nicht den Rübenbau im Osten verhindern wollte, konnte man auch dem Bau von Zuckerfabriken nicht vorbeugen: beides geht Hand in Hand. Ich glaube aber, man hat eine bestimmte Art der Gründung von Zuckerfabriken, die man nicht begünstigen wollte, im Auge gehabt. Bekanntlich basierte das Materialsteuersystem auf dem Gedanken des Rendements an Zucker aus der rohen Rübe. Dieses Rendement war viel niedriger festgesetzt als es thatsächlich infolge der technischen Fortschritte betrug. Die Folge hiervon war die, daß in den Riesenetablissements, die versehen waren mit allen technischen Fortschritten der Neuzeit, der Zucker für den inländischen Konsum wesentlich geringer belastet war und für den Export eine wesentlich höhere Prämie erhielt, wie der Zucker aus den kleinen Fabriken, die zum theil mangelhaft geleitet waren und zum theil eine solch vollkommene technische Einrichtung nicht hatten, um einen so hohen Prozentsatz von Zucker aus den Rüben zu ziehen. Das alte Materialsteuersystem litt hiernach an dem Fehler, die Großindustrie zu begünstigen und die kleine re— lativ zu benachtheiligen. Hieraus folgte weiter, daß für die leistungsfähigen großen Fabriken die Prämie zu groß war und für die kleinen nicht ausreichte. Nach den Berechnungen, die wir angestellt haben, hat die Prämie zum theil über 5 betragen, und dies war in der That zu hoch, namentlich in Rücksicht auf den damaligen Stand der Zuckerpreise. Die weitere Konsequenz hiervon war die, daß eine Anzahl Fabriken entstanden nicht aus dem land— wirthschaftlichen Bedürfniß heraus, sondern aus rein k ap it alisti schem Interesse (sehr richtig! linké), um auf Grund dieser Benefizien große kapitalistische Gewinne zu machen. Das hat zu einer Aende— rung des Zuckersteuergesetzes geführt, und darin lag der eigentliche Schwerpunkt, wenn mein Herr Amtsvorgänger sagte, wir wollen der ungesunden Ausdehnung der Fabrikation vorbeugen Es ist ferner eine Thatsache, daß die kleinen Fabriken zurück⸗ gegangen sind; in Sachsen gehen jedes Jahr fünf, sechs solcher kleinen Fabriken ein. Woran liegt aber das? Das liegt daran, wie wir es so häufig in der Industrie finden, daß die kleinen Fabriken mit unendlich viel größeren Produktionskosten arbeiten wie die Riesenetablissements. (Sehr richtig! links) Ich führe Ihnen das einzige interessante Beispiel dafür aus der Zuckerindustrie an: eine Fabrik, die 3000 Zentner verarbeitet, braucht hierzu 150 Ar— beiter; eine Fabrik, die das sechsfache Quantum oder Über das sechs⸗ fache Quantum, die 20 00 Zentner verarbeitet, braucht hierzu nur 30 Arbeiter mehr d. h. 180 Arbeiter. (Sehr gut! links) Was ist die Folge davon? Daß zwischen den Produktionskosten der kleinen Fabriken und der großen Fabriken ein solch ungeheurer Abstand be⸗ steht, daß dabei die kleinen Fabriken nicht konkurrieren können. (Sehr gut! links.) Sie sehen dieselbe Erscheinung auf dem Gebiet der Brauerei. Die großen Brauerei⸗Etablissements entwickeln sich fortgesetzt und schlucken immer mehr Brauereien in der Provinz auf und zwar solche, die man dort noch als große bezeichnet, weil auf dem Gebiete der Brauerei ganz dieselben Produktionsverhältnisse vor= liegen, wie auf dem Gebiete der Zuckerindustrie. (Sehr richtig! links) Gestatten Sie, daß ich aus diesem „sehr richtig“ einen Schluß ziehe, bei dem Sie hoffentlich auch sehr richtig!“ rufen werden. Wenn wir nicht auf dem Gebiete der Spiritus industrie die Staffelung hätten, die im Kontingent liegt, wenn auch, wie ich zugestehen will, noch sehr mangelhaft (sehr wahr! rechts), so wäre die Spiritusindustrie denselben Weg gegangen. Wir hätten wenige riesige Brennerei⸗Etablissements und die Brennerei hätte aufgehört, ein landwirthschaftliches Nebengewerbe zu sein. (Sehr richtig! rechts. Zuruf links. Große Heiterkeit Wenn man also dem Gesetz daraus einen Vorwurf macht, daß es die kleinen Zucker⸗ fabriken nicht genügend geschützt hat, so ist dieser Vorwurf durchaus gerechtfertigt, aber man hat bei Emanation des Gesetzes an diesen Gesichtspunkt gar nicht gedacht; vielleicht bietet sich Gelegenheit, diesen Fehler noch zu verbessern.
Ich komme nun darauf zurück: welches sind die Ursachen der jetzigen Zuckerkalamität? Wir hatten und haben Amerika gegenüber das Meistbegünstigungsrecht; wir sind trotz dieses Meistbegünstigungs« rechts differentiell behandelt, und man hat uns nicht nur einen Werthzoll aufgelegt, der ja im allgemeinen parallel mit den Zuckerprodukten anderer Länder geht, obgleich die edleren Zucker- sorten durch den Werthzoll schwerer getroffen werden wie die schlechten Produkte. Neben diesem Werthzoll haben wir den Differentialzoll bekommen für Prämienzucker, der 935 3 pro 100 Kg beträgt, und es ist ganz unzweifelhaft, daß dieser Differentialzoll jetzt bereits auf den Zuckerpreis drückt. Man könnte ja schließen: dieser Differentialzoll kann doch nur auf den Theil Zucker drücken, der wirklich exportiert wird; das wäre aber nicht richtig; der Differentialzoll drückt auf den Weltmarktpreis, und der Weltmarktpreis drückt natürlich auch auf den heimischen Zuckerpreis, und wir sind bei dem Differentialzoll besonders schlecht weggekommen gegenüber Ländern, die viel höhere Ausfuhrprämien zahlen und deshalb den Differential- zoll natürlich leichter tragen können. Ich kann aus diesem Grunde dem Herrn Vorredner darin nicht ganz Unrecht geben, daß es zwar ein Zeichen von edelherzigem Vertrauen sein mag, wenn ich die Waffen aus der Hand lege, während mein Gegner noch im Anschlag liegt. Ich muß aber sagen: ich bin für die Politik des Faustpfands und würde es vielleicht für praktischer gehalten haben, die Prämien erst suspensiv aufzuheben, d. h. wenn die anderen Mächte damit den Anfang machten.
Meine Herren, es läßt sich also garnicht leugnen, daß durch die amerikanische Zuckergesetzgebung unsere Situation gegen das Jahr 1891 wesentlich verschlechtert ist. Es läßt sich meines Erachtens auch nicht leugnen, daß es für die Konkurrenz des deutschen Zucker außer
ordentlich schwer sein wird, mit so geringen Prämien, wie er jetzt