1894 / 295 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 15 Dec 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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bekommt, dauernd den stärker prämiierten Ländern gegenüber den Weltmarkt zu behaupten.

Ein fernerer Grund aber für den Rückgang der Zuckerpreise liegt unzweifelhaft in dem Punkte, den der Herr Vorredner auch berührt hat, in der Ueberproduktion, und trotzdem ist diese Ueberproduktion nach vielen Richtungen doch eine gesunde Entwickelung; denn sie geht Hand in Hand mit der Aufschließung der Landestheile, die zwar guten Boden haben, aber diesen guten Boden bisher nicht so aus⸗ nutzen konnten, wie Klima und Bodenqualität das zuließen. Ich glaube auch, meine Herren, diejenigen Mitglieder dieses hohen Hauses, die den agrarischen Verhältnissen ich will nicht sagen, kalt gegen⸗ überstehen, denn das kann kein Mensch, der volkswirth— schaftlich tiefer sieht (sehr richtig! auf allen Seiten), sondern die den landwirthschaftlichen Verhältnissen ihrem ganzen Berufe nach ferner stehen, gerade diese Mitglieder haben der Landwirthschaft immer zugerufen: Ihr müßt viel intelligenter wirthschaften, Ihr müßt nicht bloß nach alter Väter Weise Getreide und Euren Kohl bauen, Ihr müßt veredelte Früchte, Handelsgewächse bauen, Früchte, die gewerblich besser zu verwenden sind. Nun, meine Herren, die Landwirthschaft hat sich das hinter die Ohren geschrieben, ist diesen guten Rathschlägen gefolgt und hat infolge dessen in großem Maßstabe Rüben gebaut, die eine außerordentlich ertragsreiche Frucht Jahre lang gewesen sind; die Landwirthschaft war zu diesem Wege geradezu ge— zwungen mit Rücksicht auf die niederen Getreidepreise. (Sehr richtig! rechts) Es war, so zu sagen, die Rettungsplanke, die die Landwirthschaft bestieg, um nur einigermaßen über Wasser zu bleiben. (Sehr wahr! rechts) Dafür giebt die Vergleichung der Durchschnitte der Preise des Getreides vor dem kritischen Jahre der Zuckergesetzgebung ein klares Beispiel: im Jahre 1887 gestatten die Herren, daß ich Ihnen einige Zahlen vortrage betrug der Durchschnittspreis des Weizens 164 ½ für 1000 kg, im Jahre 1890 das Jahr 1891 nehme ich absichtlich nicht, weil es erzeptionell hohe Preise hat im Jahre 1890 betrug der Durchschnittspreis 193 Æ, im Jahre 1893 nur noch 150 S und, meine Herren, welches wird der Durchschnittspreis des Jahres 1894 sein?!

Roggen hatte im Jahre 1887, also bei der neuen Zuckergesetz⸗ gebung, einen Preiß von 125, im Jahre 1890 von 170, und im Jahre 1893 nur noch einen Durchschnittspreis von 133 ,

Gerste hatte im Jahre 1887 einen Durchschnittspreis von 128, im Jahre 1890 165 und 1893 141

Nun stellen sich die Herren einmal die Verhältnisse in einer Indu strie vor, wo in dieser kolossalen Weise einerseits die Preise des Produktes gefallen und andererseits die Bruttokosten so außer⸗ ordentlich gestiegen wären! (Sehr wahr! rechts Wenn bei der Industrie die Preise der Produkte fallen, so liegt dies in der Regel darin, daß sie durch die technischen Fortschritte in der Lage ist, auch billiger zu produzieren.

Das trifft aber bei der Landwirthschaft nicht zu. Sie muß vorzugsweise trotz aller Maschinen noch mit der menschlichen Arbeits- kraft produzieren. Diese steigt, und darüber können wir uns alle nur freuen, fortgesetzt im Werthe. Und auf der andern Seite die fallenden Preise der landwirthschaftlichen Produkte durch die aus— wärtige Konkurrenz! Da muß das Ende ein Defizit sein. (Sehr richtig! rechts.)

Durch diese Verhältnisse ist die Landwirthschaft mit elementarer wirthschaftlicher Kraft gezwungen worden, sich auf den Rübenbau in dieser Weise zu werfen. Und, meine Herren, beim Rübenbau kann man nicht sagen, wie so vielfach beim Spiritus behauptet wird, der sei nur eine Industrie der großen Barone, sondern beim Rübenbau partizipiert der kleinste Mann lsehr richtig! rechts), und gerade dem kleinen Mann kann der Rübenbau Gewinn bringen, weil ihm die großen Bruttokosten dabei erspart bleiben, indem er mit seinen eigenen Leuten, seinem eigenen Blute, arbeitet und deshalb würde eine große Zuckerkrisis, die unmittelbar die Rübenkrisis nach sich ziehen müßte, gerade für den kleinen Besitz von außerordentlich perniziösen Folgen sein. (Sehr richtig! rechts Nun, meine Herren, bitte ich Sie, die Frage des Zuckermarktes nicht zu beurtheilen vom kapitalistischen, sondern lediglich vom landwirthschaftlichen Standpunkte. Die Zuckerindustrie, insoweit sie kapitalistisch ist, wird den Nachtheil nicht tragen, sondern sie wird ganz in dem Verhältnisse der sinkenden Zuckerpreise die Rübenpreise reduziren, und hat das bereits heute offen oder verschämt durch die sogenannten Schmutzabzüge gethan. (Sehr richtig! rechts) Der Landwirth und da appelliere ich an die Herren, die im Vorjahre bei der Weinsteuer sich so für den Winzer inter⸗ essierten ist nicht in der Lage, weiter abzuwälzen, sondern er steht vor der Mauer und muß den Verlust dafür in seine Bücher end⸗ gültig eintragen. (Zuruf rechts. Es wird mir hier zugerufen: ab⸗ schreiben. Ja, meine Herren, das Abschreib en wäre sehr leicht, wenn es moglich wäre, im landwirthschaftlichen Besitze wirklich einen Wechsel der Personen herbeizuführen. Ich befürchte aber, wenn jetzt der größte Theil der lebenden Generation der Landwirthe bankerott würde, so wird es sogar an Leuten fehlen, die deren Nachfolger werden. (Heiterkeit und Sehr richtig! rechts) Deshalb kann man das Ab⸗ schreiben nicht so leicht nehmen, wie der Herr, der diese Bemerkung machte, es genommen hat. (DSuruf rechts.) Dann bitte ich um Entschuldigung. Meine Herren, was folgt daraus? Es folgt aus dieser Sachlage, daß diese Zucker⸗ frage auch eine landwirthschaftliche Frage im eminentesten Sinne ist, und daß man auch nicht den Einwand machen kann, daß der Ver⸗ luft den Landwirth ja doch nicht so treffen könnte, weil zum großen Theil der landwirthschaftliche Produzent und der Antheilhaber der Zuckerfabrik eine Person sei. Ich folgere das Gegentheil daraus. Wenn der Rübenbau. und der Zuckerinteressent eine Person ist, dann werden diese landwirthschaftlichen Kreise durch eine Zuckerkrisis doppelt geschädigt (sehr richtig! rechts, und eine Zuckerkrisis ist eine sehr ernste und schwere Sache, weil es sich bei den Zuckerkrisen um enorme Summen handelt. Ich kenne einen Privatbesitzer, der jetzt schon an Zuckerpreisen 200 000 M in dieser Kampagne ver⸗ loren hat. (Lachen und Widerspruch links) Es handelt sich um Bruttokosten und nicht um Reingewinn, das werden die Herren ganz genau wissen. Daraus folgt aber, was ständig zurückgehende Zucker⸗ preise für den Landwirth sind und wie sie in der That die ganze Industrie mit sich reißen können.

Wenn man der Frage sich ganz kaltherzig gegenüberstellen wollte, könnte man sagen: wenn eine Ueberproduktion eintritt, ist das natür⸗ liche Gesundungsmittel, daß die stärkeren Kräfte über die schwachen

siegen; es werden eine Anzahl Fabriken bankerott werden und dann

reguliert sich die Sache wieder von selbst. So einfach ist es aber

nicht, weil die deutsche Zuckerindustrie nur zum kleineren Theil mit dem Inlandkonsum arbeitet und zum größeren Theil mit dem Export und jeder Verlust, den die deutsche Zuckerindustrie dauernd erleidet, nur Luft schafft für die Konkurrenz der anderen Länder. (Sehr wahr! rechts und bei den Nationalliberalen.])

Meine Herren, ich glaube also, auch diese Frage muß als eine landwirthschaftliche betrachtet werden, und ich wünschte wirklich, auch auf der linken Seite des Hauses bräche sich der Gedanke Bahn, daß man nicht jede Forderung der Landwirthschaft ablehnen kann als eine Forderung, die unberechtigt auf Kosten der Gesammtheit gestellt wird. Ich glaube, daß ein Rückgang der Zuckerindustrie noch viel weitere Wellen schlagen würde als der Rückgang der Getreidepreise, weil in unserer Zuckerindustrie sehr hohe Kapitalien placiert sind, die in dem Augenblick sofort verloren sind, wo die Fabrik geschlossen wird.

Es wird so häufig von der linken Seite des Hauses und auch in der antiagrarischen Presse, sogar in der Presse, die agrarischen Interessen mit einem gewissen platonischen Wohlwollen gegenübersteht (Sehr gut! rechts), ausgeführt, die Agrarier stellten extreme Forderungen. Meine Herren, Sie nehmen mir Das nicht übel, wenn ich es offen sage: gewiß, es sind von den Agrariern auch recht extreme und unausführliche Forderungen gestellt worden. (Hört! hört! links)) Aber

mit den extremen Forderungen im wirthschaftlichen Leben ist es wie ö

mit den extremen Behauptungen in der Debatte: wenn man dem Gegner jede Behauptung abschneidet, jede seiner Anführungen mit nicht stichhaltigen Gründen zu widerlegen sucht, so reizt man ihn zu extremen paradoxen Behauptungen; wenn man auf wirthschaft⸗ lichem Gebiet jede berechtigte Forderung zurückweist, so reizt man den Gegner zu extremen Forderungen. Wenn wir also der Land— wirthschaft auf dem Gebiete entgegenkommen, wo ihr volkswirth⸗ schaftlich vernünftig geholfen werden kann und wo sie volkswirth— schaftlich realisirbare Forderungen stellt, dann, meine Herren, bekämpfen wir am besten die extrem en Forderungen der Landwirthschaft.

Ich komme zum Schluß. Die Herren Interpellanten werden es natürlich finden, daß ich bei der Lage der Sache mich nur mit äußerster Vorsicht aussprechen kann. Unser Verhältniß zu Amerika ist bis jetzt keineswegs geklärt und auch das Verhältniß des Zuckermarktes liegt noch nicht so klar, um sofort irgend welche Absichten zu ge⸗ setzlichen Vorschlägen zu verdichten. Der Herr Reichskanzler hat aber die bevorstehende oder befürchtete Zuckerkrisis zum Gegenstand für⸗ sorglicher Prüfung gemacht. Er ist sich der Schwere der Folgen einer Zuckerkrisis für die deutsche Landwirthschaft vollkommen bewußt, und ist deshalb bereits zunächst mit den preußischen Ressorts über Mittel und Wege der Abhilfe in Verhandlung getreten, um einem solchen wirthschaftlichen Unglück vorzubeugen. Sollten diese Verhand⸗ lungen innerhalb der preußischen Ressorts zu einer Einigung führen, so wird der Herr Reichskanzler sich in gleicher Weise mit den ver— bündeten Regierungen in Verbindung setzen und die Herren können sich darauf verlassen, daß die Frage eine wohlwollende Prüfung und eventuell Entscheidung finden wird. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Auf Antrag des 26. Richter (fr. Volksp.) wird in die Besprechung der Interpellation eingetreten.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Die Antwort des Staatssekretärs geht wesentlich dahin, daß der Reichskanzler die Sache wohlwollend prüfen will. Wenn die übrigen persönlichen Ausführungen des Vor⸗ redners vom Reichskanzler getheilt werden, so muß ich sagen, wir steuern der reinsten agrarischen Periode zu. Wie konntè ber Reichs⸗ Schatzsekretär unter dem früheren Reichskanzler arbeiten? Er mußte ja im Stillen denken, daß der Reichskanzler, sein Vorgesetzter, von falschen Voraussetzungen ausgehe. Wenn wieder einmal ein Kanzler⸗ wechsel eintritt, dann hören wir vielleicht von dem Reichs ⸗Schatz⸗ sekretür wieder Ansichten, die sich den unferen nähern. (Wider⸗ spruch rechts) Sie (rechts) haben es doch auch nicht ge⸗ wußt, daß der Reichs⸗Schatzsekretär solche Anschauungen hegte. Die

erren vom Bunde der Landwirthe wollen jetzt selbstständiger werden.

aher diese Interpellation im . Sinne, und der Bund der Landwirthe ist ganz erfreut darüber, daß die Nationalliberalen ihnen in diesen Punkt die Mühe abgenommen haben. Das vom Reicht Schatzsekretär entworfene trübe Bild der Zuckerinduftrie trifft durch⸗ aus nicht zu auf die Entwickelung der deutschen Zuckerindustrie. Dle Bezirke, wo dieselbe vorhanden sst, haben nicht eine Abnahme, son⸗ dern eine Zunahme der Bevölkerung aufzuweisen, nun ja! Sie müssen sogar noch besondere Saisonarbeiter heranziehen und entziehen dadurch den anderen Distrikten ihre Arbeiter, sodaß man sogar der Sachsengängerei allerlei polizeiliche Hindernisse in den Weg legen möchte. Während sonst über den Rückgang der Rente der Landwirthschaft geklagt wird, steigt die Rente, der Zuckergüter ortwährend und zwar bis in die letzte Zeit. Die Steigerung der achten der Zuckerdomänen hat die Pachtrückgänge der anderen Domänen nahezu fast ausgeglichen. Kein Industriezweig Deutschlands ist in ähnlicher Weise fortgeschritten wie die Zuckerindustrie. 1873 bis 1889 ist der Rübenbau mit 308 Millionen Mark subventioniert worden. Diese Subvention ist nur einem kleinen Theil der land— wirthschaftlichen Fläche, und zwar nur in besonderen Landestheilen zu gute gekommen. Jetzt werden noch 10 bis 12 Millionen Mark en Subvention gezahlt. Um den Betrag der Ausfuhrprämie steigert si auch der inländische Zuckerpreis. Die Zuckerpreife find er allerdings außerordentlich niedrig. Es kommt nicht darauf an, daß gegenüber Mißverhältnissen irgend etwas geschieht, sondern es kommk darauf an, daß nicht durch unrichtige Maßregeln eine Verschlimmerung herheigeführt wird. Dazu sind aber die geplanten Maßregeln durchaus geeignet. Wie sind denn die niedrigen Zuckerpreise entstanden? Die niedrigen Getreidepreise wirken allerdings mit zur Ausdehnung des Rübenbaues; aber diejenigen, welche sich dem Rübenbau zuwenden, müssen die gesammte Lage der Zuckerindustrie ins Auge fassen, und wenn trotzdem, daß die Prämien in zwei Jahren gänzlich aufhören, immer noch neue Fabriken errichtet werden, so müssen die Unternehmer doch die Zuckerindustrie für ganz rentabel halten. Haben doch die bestehenden Zuckerfabriken daran edacht, die deutschen Maschinenfabriken mit Entziehung der Kund⸗ . zu bedrohen, welche für neu entstehende Zuckerfabriken Maschinen liefern! Das ist also der reine Boykott. In den letzten drei Jahren sind 19 060 Fläche mehr mit Rüben bebaut worden als früher; dazu kommt noch die Steigerung des Ertrags für den Hektar. Die niedrigen Preise sind danach zum theil eine Folge der gesteigerten Ernte auf derselben Fläche. Wenn 144 Millionen t, ,, Rüben gegen 106 Millionen Doppel Zentner im Vorjahr verarbeitet werden, kann man sich da über den Rückgang der Preise wundern, namentlich wenn in Oesterreich und Frankreich die Ernte nicht weniger günstig ist? Nach meiner Meinung ist der Zuckerindustrie nichts nothwendiger als Stetigkeit der Gesetzgebung, als . an der Gesetzgebung von 1891. Wenn ght , . eschieht, wird man zu einem vernünftigen Umfange des Rübenbaus zurückkehren und daz Sinken des Zuckerpreffe wird die Zunahme des deutschen inländischen Verbrauchs bewirken. Der 3 deutete an, daß die Vortheile des Großbetriebs durch die teuergesetzgebung eingeschränkt werden müssen zu Gunsten des kleineren Betriebg. Damit würden wir in unserer wirthschaft⸗ lichen Entwickelung auf eine schiefe Ebene kommen: wir würden die wirthschaftliche Produktion kostspieliger gestalten, als sie naturgemäß sein muß. Als Beispiel berief sich der Vorredner auf das Maisch⸗ en gf g g Diese Staffelung ist aber nur steuerlicher und nicht volkswirthschaftlicher Natur. Ich hoffe, daß solche Vorschläge, wie

die angedeuteten niemals in legislatorischer Form vor uns komme Der zweite Vorschlag war die künstliche Förderung der Ausfuhr Nach den Ausführungen des Interpellanten sollte die Prämie, die ie L beträgt, auf 5 M erhöht werden. Wie liegt die Sache Doch soé, ah nicht eine Konkurrenz des Auslandes die Nothlag hervorgerufen ; f sondern es liegt nur die einheimische Ueberproduktion vor. ein uckersteuergesetz von 1891 hat man nicht porausgesetzt, daß di rämien der anderen Länder bis 1895 selbstverstẽndlich befeitigt sei würden. Der Reichs Schatzsekretär hält es für eine gute Polit anderen Staaten Schaden zuzufügen, um . zu einer Maßreze zu zwingen. Ein Schaden scheint es mir nicht zu sein, wenn mm anderen Völkern etwas zuzahlt, damit sie unsern Zucker abnehmen Fürst Bismarck dachte auch durch Schutz zölle andere Staaten jum Se lbandel zwingen zu können; aber die anderen Staaten fin unserem schutzzöllnerischen Vorgehen gefolgt, und die deutsche Ausfuhr ist benachtbeiligt worden. Wenn alle taaten Different a z zh einführten gegen die Prämienländer, dann wäre, das das sicherst Mittel, um mit, der Prämienwirthschaft vollständig qufzuräum Die deutsche Zuckerausfuhr hat sich in den letzten Jahren gar nicht verringert, sondern vermehrt. Wir haben deshalb gar keine Veranlassung, unsere Ausfuhr noch besonders zu wi, miieren. Man sollte doch lieber mit Amerika sich vollständig einigen über einen ganz neuen Zollvertrag zum Ersatz für den Vertrag von 18293 mit dem alten Zollverein. Der Reichs-⸗Schatzsekretãr stil eine Verlängerung der Prämien in Autsicht; dem gegenüber mache ich, darauf aufmerksam, daß das Reichs⸗Schatzamt, bei de Militärvgrlage darauf hinwies, daß man bei den Prämien in da nächsten Jahren eine Ersparniß von 10—12 Millionen Mark machen werde. Was ist das für eine Politik, die Zuckerinduffrie künstsich zu unterstützen und daneben die Tabacksindustrie zu zerstören! Der Abg. Dr. Paasche ist ja schon bereit, die Konfumabgabe auf 20 1 zu erhöhen, um die Prämien zu erhöhen, wodurch der Zucker im Preise gesteigert, der inländische also vertheuert und der ausländische verwohlfeilt würde. Eine solche Politik kann nicht scharf genuj verurtheilt werden.

Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky:

Ich will auf die einzelnen, zum theil völlig irrthümlichen Aut, führungen des Herrn Abg. Richter nicht eingehen, weil ich glaube, es ist heute nicht meine Sache; ich werde dazu eine andere Ge⸗ legenheit benutzen. Ich halte mich aber dazu verpflichtet, auf den

persönlichen Angriff zu antworten, den der Herr Abg. Richter geglaubt

hat, gegen mich richten zu müssen. Der Herr Abgeordnete hat gesagt, ich müßte neben meinem früheren Vorgesetzten, dem Herrn Grafen von Caprivi, ja stets mit dem Ge⸗

fühl gesessen haben, daß seine Politik eine absolut falsche sei, und ich

würde vielleicht unter einem Nachfolger des Herrn Fürsten zu Hohenlohe mich wieder der Partei des Herrn Abgeordneten Richter mehr nãhern. Ich habe bisher noch nie das Gefühl gehabt, daß ich mich der Partei des Herrn Abg. Richter genähert hätte. (Bravo! rechts.) Ich glaube aber, daß jeder, der mich aus meinem Leben kennt, ganz genau weiß, daß ich nie dazu bereit bin, meine persönliche Ueberzeugung unterzu— ordnen unter irgend ein Aneiennetäts« oder amtliches Verhältniß. (Bravo! rechts.) Da ich diese Ueberzeugung habe, so kann sich der Herr Abg. Richter versichert halten, daß ich denselben Tag Seine Majestit den Kaiser um meine Entlassung bitten würde, wo ich mich nicht mehr in sachlicher Uebereinstimmung mit dem Herrn Reichs kanzler wüßte. Ich würde dem Herrn Abg. Richter den urkundlichen Beweis führen, daß mein früherer hochverehrter Chef Herr Graf von Caprivi über meine persönlichen Ansichten nie in Zweifel ge⸗ wesen ist.

Was insbesondere die Zuckersteuerfrage betrifft, so könnte ich den Herrn Abg. Richter ebenfalls den urkundlichen Beweis führen, daß ich mich mit dem Herrn Grafen von Caprivi in dieser Frage in vollster Uebereinstimmung befunden habe (Hört, hört! rechts und in der Mitte), und ich habe im versammelten Reichstag, während

Graf von Caprivi neben mir saß, folgende Erklarung abgegeben bei

Gelegenheit einer allgemeinen Debatte über die Branntweinsteuer: Ich glaube, um die jetzige Besteuerung des Spiritus und ink⸗ besondere die Kontingente zu rechtfertigen, genügt der einfache, jeden Augenblick zahlenmäßig zu erbringende Nachweis, wie hoch selbst bei der gegenwärtigen Spiritussteuer die Verwerthung des Zentnerz Kartoffeln sich stellt, und daß, wenn die landwirthschaftliche Brennereiindustrie belastet wird, der Kartoffelbau im jetzigen Um⸗ fang auf den leichten Böden nicht mehr möglich ist, und damit ein Kulturrückschritt für die Provinzen des Ostens unbedingt ver— bunden wäre. Darauf wurde mir zugerufen: »Agrarier!“ und ich habe ge— antwortet: „Gewiß, meine Herren, in dieser Beziehung bin ich Agrarier, weil ich die Verhältnisse kenne.“ (Bravo! rechts) Meine Herren, ich bin nicht Agrarier in dem politisch-technischen Sinne, wie Sie ihn anzuwenden lieben, aber ich bin der Ansicht, daß die deutsche Landwirthschaft noch immer der wichtigste Erw erbszweig des va ter ländi⸗ schen Erwerbslebens ist (Bravo! rechts), und daß jede weise

Staatsverwaltung bei der Gesetzgebungs- und Ver

waltungspolitik hierauf gebührende Rücksicht neh men muß, wenn sie nicht innerlich bankerott werden will— (Lebhafter Beifall rechts.)

4 Graf Kanitz ö Daß die Konserpativen diese Interpellation nicht eingebracht haben, liegt daran, daß wir unsert Initigtivanträge zurückgehalten haben, bis die Regierung ihr wirth schaftlichez Programm entwickelt hat. Der Abg. Richter sagt: Lassen Sie die Dinge ruhig laufen, dann wird die Gesundung von selbst kommen. Auch in dieser Frage spielt wie belm Getreldeban die ausländische Konkurrenz die Hauptrolle; die Ausfuhr deutschen Zuckers hat auch 1894 in den ersten 19 Monaten erheblich abgenommen egenüber dem Vorjahr. Eine Befeitigung der Schädigung . Fer, Tmustůn wie die Interpellation es verlangt, ist wohl nich möglich; das Wort Milderung wäre vielleicht besffer gewählt geme g Die wesentlichste Urfache des schlechten Stand des Inn enen ist allerdings die Ueberproduktion; der Verbrauch von Zucker konnte der riesig anwachsenden ,, nicht folgen. Deghalb ist die Aut⸗ fuhr des Zuckers eine Lebensfrage für ung. Frantrechs Pro dultih ist etwas zurückgegangen; dag liegt daran, daß dort die Setr z preise erhöht worden sind, während. sie bei uns ermäßigt worden ö Ueber die amerikanische Zuckerproduktion hat der Interpellant nichts gesag h er kennt aber die dortigen Verhäͤltniffe aus eigener Anschauung . ist zu der Meinung gekommen, daß dort eine Zuckerindustrie ) den eigenen Bedarf. des Landes deckt, nicht 4auftkommen n Trotzdem ist eine Sleigerung der amerikanischen Zuckerindustrie ö. das Vielfache eingetreten. Das ist eine Folge der Zuckerprämi J an deren Stelle jetzt der Zuckerzoll getreten ift. Redner ben g st n die , f die der landwirthschaftliche Zentralperein der , Sachsen schon im Frühjahr an den Reichskanzler gerichtet hat, un in welcher ausgeführt wird, daß die Ausfuhr deutschen Zuckers he Amerika viel mehr beeinträchtigt wird durch den hohen amg ien, . Werthzoll als durch den kleinen Zuschlagszoll. Äls den Vere n Staaten von Nordamerika die Stellung der messtheg sstist⸗ Nationen zugebilligt wurde, hätte man fich die Nichteinführung

at; denn eine Einfuhr bom Auslande findet nicht eit

Zuckerzolls garantieren laffen zollen. Wir werden mit 2 Weizen überschwemmt. Amerika verschließt sich aber gegenũber unserem . Der günstige Zeitpunkt, um hier eine Aenderung herbeizuführen, sst vorüber; wir haben unsere Tarifautonomie preisgegeben, welche andere Länder aufrecht erhalten haben. Ich fürchte, daß die Lage Amerlka gegenüber schon vollkommen geklärt ist / denn der nene amerikanische Tarif ist seit August in Kraft; einen solchen Tarif wieder außer Kraft zu fetzen, ist schwer, wenn auch der Präsident selbst ein Gegner des Zolltarifs ist. Die Botschaft des Präsidenten über diese Frage wird auf den Senat keinen Eindruck machen. Der Erhöhung der Verbrauchsabgabe und der Ausfuhrprämie würde ich gern zustimmen, wenn die Zustimmung der Regierungen dazu zu erreichen wäre. Ich fürchte aber, das wird nicht der Fall sein. Die Fortdauer der Prämien scheint bei der Regierung keinen großen Bedenken zu begegnen. Aber was besagt die) kleine Prämie von l, 26 4K bei den heutigen Zuckerpreifen! Eine durchgreifende Besserung wird dadurch nicht erreicht werden. Es muß der Landwirthschaft eine andere Erwerbequelle nachgewiesen werden, daß sie nicht mehr Rüben zu bauen braucht wegen der niedrigen Getreidepreise. Nur dann wird der Landwirthschaft geholfen werden können.

Staats sekretär Freiherr von Marschall:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat eine ziemlich scharfe Kritik geübt an der handelspolitischen Aktion, welche die verbündeten Regierungen vor drei Jahren und jetzt wieder gegenüber der Zollpolitik der Vereinigten Staaten unternommen haben. Er hat sein Bedauern über dieselbe ausgedrückt, und man wird es wohl mir nicht als Un⸗ bescheidenheit auslegen, wenn ich mich vornehmlich als den Adressaten dieser kritischen Bemerkungen betrachte.

Der Herr Vorredner hat zunächst sein Bedauern darüber aus— gesprochen, daß wir unseren jüngsten Protest gegen die neueste amerikanische Zollpolitik nicht bezogen haben auf den 40 0, Werthzoll auf Zucker, sondern lediglich auf den 1sio Cent ⸗Zuschlag. Er hat die Behauptung aufgestellt, daß dieser Zuschlag für uns nur von untergeordneter Bedeutung sei. Ich maße mir nicht an, Sachver stãn⸗ diger bezüglich der Zuckerindustrie zu sein; ich möchte aber doch die Behauptung des Herrn Vorredners, daß dieser Zuschlag von io Cent für das amerikanische Pfund für uns eine untergeordnete Rolle spiele, auf das allerentschiedenste bestreiten. Dieser Zuschlag hat für unsere Zuckerindustrie, speziell für unseren Export nach den Vereinigten Staaten darum eine ganz einschneidende Bedeutung: einmal weil er formell unsere Meistbegünstigung verletzt, weil er im Widerspruch steht mit unserem Vertrag von 1828, und dann, weil er uns differenziert, also unsere Konkurrenz erschwert gegenüber den anderen Staaten, die, ohne Prämien zu zahlen, nach den Vereinigten Staaten Zucker exportieren.

Gegenüber dieser differentiellen Behandlung kann der 40 prozentige Werthzoll auf unseren Zucker nicht in Betracht kommen; denn dieser Zoll ift ein allgemeiner Zoll (sehr richtig), er trifft den Zucker aus allen Staaten gleichmäßig, und es könnte hier nur insofern etwa eine ungünstigere Behandlung des Zuckers vorliegen, als dieser Zoll als Werthzoll den höher bewertheten Zucker stärker als den minder— werthigen belastet.

Im übrigen wird es ja den Herren bekannt sein, daß die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika etwa fünf Sechstel ihres Zuckerkonsums aus dem Auslande einführen müssen, daß an sich also die Höhe des amerikanischen Zuckerzollßh, wenn er nur allgemein allen ein⸗ geführten Zucker trifft, für uns von gar keiner großen Erheblichkeit ist, zumal ja durch die neueste Zollbill auch die inländische Prämie an die Zuckerindustrie in Wegfall gekommen und dadurch ein Ausgleich gegenüber der Belastung des aus dem Ausland eingeführten Rohzuckers herbeigeführt ist.

Der Herr Abg. Graf Kanitz hat dann sein Bedauern darüber ausgesprochen, daß wir vor drei Jahren die Konzessionen, die wir auf landwirthschaftliche Produkte in unseren Handelsverträgen an DOesterreich⸗ Ungarn und andere Staaten] gewährt haben, den Ver⸗ einigten Staaten ohne jede Gegenleistung hätten zu gute kommen lassen. Um die verbündeten Regierungen in dieser Beziehung zu vertheidigen, besitze ich nur ein Argument, aber das Argument ist ein durchschlagendes: Wir haben diese Konzessionen den Vereinigten Staaten ohne Gegenleistung gewährt, weil wir dazu vertragsmäßig verpflichtet waren, weil kraft der 55 5 und 9 des Vertrags, der zwischen Preußen und den Vereinigten Staaten im Jahre 1828 geschlossen wurde, wir verpflichtet waren zur unbedingten Meist⸗ vergünstigung, entsprechend der Auslegung, die wir stets diesem Vertrage gegeben haben. Wir haben seit Gründung des Reichs wiederholt gegenüber den Vereinigten Staaten Reklamationen er— hoben auf Grund dieses Vertragat, wir haben wiederholt erfolgreich in ganz wichtigen Fragen von seiten der Regierung der Vereinigten Staaten das Zugeständniß der Meistbegünstigung erhalten, und ich glaube, mit dem Herrn Vorredner doch darin über⸗ einzustimmen: nach diesen Vorgängen, nachdem wir wiederholt, wo es sich um unser Recht handelte, diesen Vertrag im Sinne der unbedingten Meistbegünstigung interpretiert haben, wäre es im Widerspruch ge⸗ wesen mit allen Prinzipien von Treu und Glauben, wenn wir im umgekehrten Falle, wo Verpflichtungen unsererseits in Frage standen, nun das gegentheilige Prinzip zur Geltung gebracht hätten. Zuruf.)

Der Herr Vorredner hat mir eben eingeworfen, wir hätten ja den Vertrag kündigen können. Gewiß, das hätten wir thun können, aber ich meine doch, es ist außerordentlich leicht, mit einem Feder⸗ strich langjährige Handelsbeziehungen mit fremden Ländern zu zer⸗ stören. Es ist aber unter Umständen recht schwierig, eine neue Basis zu finden und den Faden, der einmal abgerissen ist, wieder anzu⸗ knüpfen (sehr richtig, und wenn ich ins Auge fasse, daß es hier speziell gegenüber den Vereinigten Staaten beiderseits um Werthe der Ausfuhr von annähernd 400 Millionen sich handelt, so wird mir der Herr Vorredner wohl zugeben, daß man leichthin und ohne zwingenden Grund und ohne zu wissen, auf welche Basis man das Verhältniß neu aufbauen will, einen derartigen Vertrag nicht kündigen sollte. (Sehr richtig ) Wir haben aber die Meistbegünstigung bezüglich der an Oesterreich⸗Ungarn gewährten Konzessionen den Vereinigten Staaten nicht, wie der Herr Vorredner meint, so ohne weiteres auf dem Präsentierteller entgegengebracht. Wir haben uns allerdings gewisse Garantien geben lassen, und zwar durch den Notenaustausch vom 22. August 1891. Dieser Notenaustausch enthält keinen Handels dertrag. Er ist ausschließlich deklaratorischer Natur, er begründet keine neuen Rechte und keine neuen Pflichten, sondern es setzen sich darin die beiden kontrahierenden Staaten darüber auseinander, wie auf dem Boden des bestehenden Handelsvertrags die Meistbegünstigung praktische Anwendung finden foll auf Grund der durch die Mac Kinley. Bill und die Mont inspection Bill einerseits und unsere dandels vertrage andererseits geschaffenen Lage. Diese Auseinander-

setzung war nöthig, weil unsere Meistbegünstigung theoretisch mit⸗ unter auf amerikanischer Seite bestritten war und bekannt⸗ lich in Amerika bezüglich des Verhältnisses der internen Ge⸗ setzgebung zu auswärtigen Verträgen eine Auslegung stattfindet, welche europäischen Rechtsbegriffen fremd ist. Vermöge dieser deklaratorischen Natur des Notenaustausches von 1891 war seine Wicksamkeit begrenzt durch die beiderseitige Gesetzgebung, und seine Wirksamkeit hörte auf in dem Augenblick, wo die Mac Kinley⸗ Bill fiel. Seitdem ist für unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten wiederum ausschließlich der Vertrag des Jahres 1828 maß⸗ gebend, und ich wiederhole, wir erachten uns gegenüber den Vereinigten Staaten auf Grund der Art. 5 und 9 dieses Vertrags zur Gewährung der Meistbegünstigung für verpflichtet, allerdings unter der Vor⸗ aussetzung, daß die Vereinigten Staaten ihrerseits uns gegenüber dieselbe Verpflichtung in vollem Maße er⸗ füllen.

Zum lebhaften Bedauern der verbündeten Regierungen ist in der Erfüllung dieser Verpflichtung durch die neueste Zolltarifbill eine Aenderung eingetreten. Ich habe nicht nöthig, auf die Geschichte dieses gesetzgeberischen Werks näher einzugehen. Sie alle wissen, welche Einflüsse das Zustandekommen dieser Bill herbeigeführt haben. Wir haben vom ersten Augenblick an, als die Wahrscheinlichkeit entstand, daß der Senat eine differentielle Behandlung des deutschen Zuckers beschließen werde, Vorstellungen bei der Regierung von Washington gemacht; wir haben, ich darf wohl sagen, alle diplomatischen Mittel erschöpft, um das Zustandekommen dieses Beschlusses zu hindern, und ich muß der Wahrheit die Ehre geben, indem ich sage, daß wir bei der Regierung der Vereinigten Staaten für diese unsere Beschwerde ein volles Verständniß und den besten Willen gefunden haben. Wenn es leider unmöglich war zu verhindern, daß dieser uns differentiell behandelnde Beschluß gefaßt wurde, wenn demnach sowohl das Repräsentanten⸗ haus, wie der Präsident der Vereinigten Staaten, vor die Wahl gestellt, die Mae Kinley⸗-Bill fortdauern zu lassen, oder aber den Beschluß des Senats anzunehmen, sich für die letztere entschieden haben, so ist andererseits zu bemerken, daß sie auch im neuen Zoll⸗ tarif, indem sie eine ganze Reihe von Uebertreibungen der Mac Kinley⸗Bill beseitigten, unserem Export auch gewisse Vortheile ge⸗ währen. Wir haben unmittelbar nach Ablauf der zehntägigen Frist bekanntlich hat der Präsident die Bill nicht unterzeichnet —, nachdem diese Gesetzeskraft erlangt hatte, einen formellen Protest bei der Regierung der Vereinigten Staaten gegen diese Zuschlagstaxe auf deutschen Zucker erhoben und haben Verwahrung eingelegt mit der Begründung, diese Zuschlags—⸗ taxe enthalte eine Verletzung des Vertrags vom Jahre 1828, sie widerspreche zugleich dem Geist des Notenaustausches von 1891. Die Folge dieses Protestes ist es gewesen, daß die Regierung der Ver⸗ einigten Staaten uns die Zusicherung ertheilt hat, es werde der Präsident der Vereinigten Staaten dem am 1. d. M. wieder zu⸗ sammentretenden Kongreß empfehlen, die Zuschlagstaxe auf Zucker, der aus Prämien gewährenden Ländern importiert wird, wieder auf⸗ zuheben. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat dieses Ver⸗ sprechen erfüllt. Ich darf mir wohl erlauben, mit Rücksicht darauf, daß der Wortlaut der Botschaft des Präsidenten bis jetzt hier nicht bekannt ist, die zwei Stellen hier zu verlesen, in denen der Prã⸗ sident der Vereinigten Staaten davon spricht. Die erste Stelle lautet folgendermaßen:

Die deutsche Regierung hat gegen die Bestimmung der Tarif⸗ bill protestiert, welche einen diskriminierenden Zoll von 1iüo Cent auf Zucker aus Ausfuhrprämien zahlenden Ländern legt, behauptend, daß solcher Zoll gegen Artikel 5 und 9 des Vertrags mit Preußen von 1828 verstößt. Im Interesse des Handels beider Länder und um auch den Schein einer Vertragsverletzung zu vermeiden, empfehle ich den Widerruf des erwähnten Zolles und beziehe mich des weiteren auf den beiliegenden Bericht des Staats sekretärs, welcher die nähere Erörterung der durch den deutschen Protest aufgetauchten Frage enthält.“

Und an einer zweiten Stelle der Botschaft heißt es: »Was immer sonst gethan oder unterlassen werde, ich wiederhole hier ernsthaft die Empfehlung, daß der Zollzuschlag von ein Zehntel Cent auf Zucker aus Exportprämie zahlenden Ländern be— seitigt werde. Es scheint mir, daß außerordentlich wichtige Er⸗ wägungen für die Zweckmäßigkeit solcher Abänderung sprechen.“ (Lebhafter Beifall Nachdem in dieser Weise die Regierung der Vereinigten Staaten ihr uns gegenüber gegebenes Versprechen erfüllt hat, liegt die Entscheidung ausschließlich in den Händen des Kongresses. Sie werden begreifen, daß ich in diesem Augenblick bezüglich dieser Frage mir eine gewisse Zurückhaltung auferlege, und daß ich es sorg⸗ fältig vermeide, hier Worte zu sprechen, welche die Aufgabe derjenigen erschweren könnten, die mit bestem Willen und ernstlich dahin streben, diese Vertragsverletzung gegenüber Deutschland zu beseitigen. (Sehr gut!) Aber das, meine Herren, darf ich doch zum Schlusse meiner Darlegungen noch sagen: nachdem wir in der loyalsten und gewissenhaftesten Weise den Vereinigten Staaten von Amerika gegen⸗ über die Verpflichtungen unseres Vertrags vom Jahre 1828 erfüllt haben, so haben wir ein Recht darauf, zu erwarten, daß von seiten der Vereinigten Staaten uns gegenüber ein gleiches Verfahren eingeschlagen wird. (Bravo h

Abg. Bock Gotha (Soz.) bestreitet angesichts der hohen Dipi⸗ denden der Zuckerfabriken die Nothlage der Zuckerindustrie, welche viele Jahre lang viele Millionen als Subvention erhalten habe, ohne daß die Landwirthschaft oder die Arbeiter der Zuckerfabrikation davon einen Vortheil gehabt hätten. Vortheil haben nur die anderen Völker

gehabt, denen Beutschland billigen Zucker geliefert hat, während sein . Konsum sich in den niedrigsten Grenzen hält. Redner spricht

ilfe zusagen werde, wenn die Sozialdemokratie den Nothstand der Arbeiter zur Sprache bringen würde. Wenn die Zuckerprãmie verschwunden sein wird, wird die deutsche Zuckerindustrie immer noch den Markt beherrschen, wenn auch mit etwas weniger Gewinn.

Darauf wird die weitere Berathung um 5/9 Uhr auf Sonnabend 12 Uhr vertagt.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.

Bei der Versicherungsgnstalt Baden find, wie die Bad. Korr. erfährt, im Monat November 1894 189 Rentengesuche G60 Alters. und 139 Invalidenrentenges 23 eingereicht und 154 Renten (46 4 108) bewilligt worden. s wurden 38 Gesuche

ö ö die Hoffnung aus, daß die Regierung ebenfo bereitwillig re

renten zuerkannt. Bis Renten (4689 Alters un zuerkannt worden. Davon

lidenrentner). Verglichen

vember 1894 10018 76 November bewilligten 47 20 und für 111 Inv rente 122 ½Ʒ 18 3. Für 128 S 93 3, einer Inva

Zur

der Konfektion in der bev 3 gedenken. In einer

rung der Arbeitslöhne zu

formulierenden Forderung zu unterbreiten. Eine z schließung an.

Aus Wien meldet dem okratischen Par

die Mitglieder der

bahnausstandes vom Jul

Gefängniß.

sind bei den hiesigen 2. Dezember bis f 8

Sterbefãälle. Kun

Gedächtniß des dre

und der Hochschule Löwe

Ortelius einen Atlas

Premier, Lieutenant sodann neue Karten

südöstlichen Dritte

Völkerscheide zwi

ewandert; sie ondern weil sie an

haben viel Familiensinn,

die Georgier, im We

Tschetschenzen und Leghier.

und 902), sodaß auf 1. empfänger vorhanden sind

flachere. Der Südrand zeigt Längenthäler. . tte b. Derbent am Kaspischen Meer führt übers Gebirge. Derbent ist ein arisches Wort und bedeutet Thürschloß; aber auch die Tataren sagen Nas Thor. Das Kaspische Meer wirkt nur völkertrennend während das Schwarze Meer“ die Völker verbindet. Jenseits des Kaspisees beginnt bereits der chinesische Einfluß. Der Kaukasus ist die Grenze und

chen Asien und Europa; er ist das Rückgrat des anzen Gebiets und giebt dem Lande den Charakter. Drei Volker · amilien haben an ihm Theil: die kaukasische, die indoeuropäissche—— die Russen und die Tataren und die jetzt russisch; zwei Millionen Linien ⸗Kosaken sind hier ein eißen so nicht etwa im Gegensatz zur Garde,

Völkern sind drei Gruppen 4 unterscheiden; im Suden 4 sten Abch

(7 3) abgelehnt, 106 (zo 76) blieben unerledigt. Außerdem wurden im schiedsgerichtlichen Verfahren 1 Alterg. und 3 Invaliden Ende November sind im ganzen 7768

d 3079 Invalidenrenten) bewilligt bezw. kamen wieder in Wegfall 1965 (1665 Dezember 1894: 5801 Renten⸗

(3624 Alters- und 2177 Inva⸗

mit dem 1. November 1894, hat

sich die Zahl der Rentenempfänger vermehrt um 78 (20 Alters⸗ und 58 Invalidenrentner). im Gesammtijahresbetrage von 7265 005 M 21 3 9 seit 1. No⸗

ie Rentenempfänger beziehen Renten

. Der Jahresbetrag für die im Monat Altersrenten berechnet sich auf 6412 4 alidenrenten auf 13 561 ½ 860 somit

Durchschnitt für eine Altersrente 135 M 43 3, für eine Invaliden

sämmtliche bis 1. Januar 1894 bewilligten

Renten betrug der u ,,, Jahresbetrag einer Altersrente

idenrente 116 M 13 3

Arbeiterbewegung.

Aus München wird dem „Vorwärts mitgetheilt, daß der dortige Metallarbeit erverein sich, weil die Polizei ihn für einen politischen Verein erklärt hat, aufgelöst habe. Die Mitglieder traten als Einzelmitglieder dem Verbande bei.

SHSier in Berlin hielten die Schneider und Schneiderinnen in den letzten Tagen mehrere zahlreich befuchte Versammlungen ab, in denen darüber verhandelt wurde, ob die Arbeiter und Arbeiterinnen

orstehenden Saison mit Forderungen vorzu— besonders stark von Frauen besuchten Ver⸗

sammlung wurde mitgetheilt, daß in der Weihnachtswoche in. Berlin eine Konferenz der Konfektionsfchneider der Haupt⸗ plätze Deutschlands zusammentreten werde, um die zur Verbesse⸗

ergreifenden Maßregeln zu berathen. Die

Versammlung nahm folgende Entschließung an: Die Versammlung der Konfektions⸗Arbeiter und Arbeiterinnen erkennt die Nothwendig⸗ keit einer Aufbesserung der Löhne und Arbeitsverhältnisse in der Kon⸗ fektion an und verpflichtet die Agitationskommission, die noch zu

en zur geeigneten Zeit den Geschäftsinhabern weite Versammlung schloß sich dieser Ent⸗

W. T. B.“: An dem von der sozial—⸗ teileitung einberufenen Wahlrechts⸗

meeting nahmen etwa 3000 Arbeiter theil. Die Redner besprachen die Thätigkeit des Wahlreformausschusses abfällig. Gegenüber ein⸗ zelnen, den sofortigen Massenausstand empfehlenden Rednern sprachen

Parteileitung für ruhiges Ausharren aus.

ich Schluß der Versammlung zogen die Arbelter mit dem Ruf: Heraus mit dem Wahlrecht!“ gruppenweise ab.

Aus Chie ago wird dem „Wolff'schen Bureau“ gemeldet: Der Bundesrichter verurtheilte Deb fowie drei andere Führer des Eifen-

i d. J. wegen Mißachtung des gerichtlichen

Befehls, den Zugverkehr nicht zu behindern, zu drei Monaten

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin

Standesämtern in der Woche vom Dezember er. zur Anmeldung gekommen:

B36 Lebendgeborene, 24 Cheschließungen, 29 Todtge orene, 535

st und Wissenschaft.

In der hiesigen Gesellschaft für Erdkunde hielt am 8. 8. M., nachdem die Wiederwahl der bisherigen Mitglieder des Bei⸗ raths für das Jahr 1895 erfolgt war und der Vorfitzende Geheime Regierungs. Rath, Professor Br. Freiherr von Richthofen die (in der Nr. 290 d. Bl.) bereits kurz erwähnten allgemeinen Mit⸗ theilungen beendigt hatte, Dr. P. Dinse einen Vortrag Zum

ihun dertjäh rigen Todestages von

Gerhard Mercator‘ (F am 2. Dezember 1554 in Duisburg). Gerhard Kremer oder Mercator, wie er in der Weise seiner Zeit seinen Namen latinisierte, ist am 5. März 1512 zu Rupelmonde in . geboren. Die Jugend verlebte er bei den Eltern im ülichschen. Auf der Gelehrtenschule zu Herzogenbusch erhielt er seine erste wissenschaftliche Bildung und studierte fodann in Löwen zunãchst in der Absicht, Geistlicher zu werden. Abneigung gegen diesen Beruf, sowie der Wunsch zu heirathen, Neigung und Talent für Mathematik, dazu manuelle Geschiclichkeit führten ihn dazu, als geographischer Mathematiker, Kupferstecher und Kartenzeichner seinen Lebensberuf zu suchen. Bereits auf der Universität zu Löwen fertigte er seinen ersten Erdglobus, den er Granvella, dem Geheimen Rath Kaiser Karl's des Fünften, widmete. Der Ketzerei verdächtigt, wurde er auf Anordnung der Statthalterin Königin⸗Wittwe. Marie von Ungarn 1644 eingekerkert, dann aber, nach

erwendung seitens des Rektors n, auf Veranlassung des Kaisers, der ihm

gleichfalls wohlwollte, aus der Haft entlassen. Bis 15657 lebte er in Löwen, siedelte dann aber nach Deutschland, nach Duisburg über, wo er am 2. Dezember 15594 starb. zeichnete er eine Karte Chronologie als Grundlage der 1568 und fertigte sodann 1569 den Stich einer Weltkarte für Seefahrer an, die eine Reform der ganzen damaligen Karto raphie bedeutet. Er zeichnete Kartenblätter von Deutschland, den Rieder⸗ landen, Frankreich, die nach seinem Tode 1555 der Sohn herausgab. Mercator's Atlas war nicht der erste; vor ihm hatte bereits Abraham

Im Jahre 1554 von Europa. Eine Schrift über Kosmographie verfaßte er

herausgegeben. Mercator's Karten find

aber vom Standpunkte des geographischen Wissens seiner Zeit genau und selbständig entworfen, nicht abgeschrieben von älteren Arbeiten. Der Lebensgang Mercator's war lange ziemlich dunkel, bis Pr. Breusing von der Bremer Steuermannsschule 1869 in einem auch druckt, 1869 und 1878 erschienenen Vortrage zu Dulsburg den hee lis führte, daß Mercator nicht Flamänder fei, fondern Deu cher.

von Flottwell legte der Gesellschaft aufnahmen in Kleinasien“ vor, die er

neuerdings in Fortführung der von ihm im vorigen Jahre zusammen

mit den Premier ⸗Lieutenants Märcker, von . und dem

Second ⸗Lieutenant Kannenberg im Flußgebi e

a g. im alten Paphlagonien ausgeführt hat, und schilderte die zum weck der Aufnahmen vorgenommenen Peilungen.

Der Kaiserlich russische General. Lieutenant a. D. von Erckert gab zum Schluß eine interessante Schilderung von den ‚Völke vn des Kaukgsus, die er bei mehrjährigem Aufenthalte dafelbst in höherer militärischer Stellung kennen gelernt hat. ; st im ganzen ein einheitliches Gebirge: im Nordwesten immer mehr ansteigendes e e, bom Elbrus ab Schneegebirge und im

vulkanisch. Der Nordabhang ist der relativ

et des Qyzyl Irmak, des

Der Kaukasus

Nur eine Pforte bei

Türken. Der Norden ist

der kaukasischen Linie angesiedelt sind.

Großrussen sind die Terek-⸗Kosaken am Terekfluß. Eine hervorragende Rolle nehmen die Armenier ein;

sie machen dort alle Geldgeschäfte, sind aber nicht beliebt. Bei den kauk ;

azen und T essen; im Osten Der Kaukasier e , guten Eindruck;