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Rechte des ses au 7 und gegenüber der Aeußerung, daß der . . Asyl für e. werden Ir . betont, daß die Verfassung nicht zum Aspl r Verbrechen der Regierungen werden dürfte. Die „Kreuzzeitung' hat auch einmal ges. . Durch die Möglichkeit der olgung der einjelnen Abgeordneten wird die Kammer geschlossen. (Zuruf rechts: Wann denn?) 1863; freilich handelte es sich damals um die Interessen der Konservativen; da werden die Privi⸗ legien aufrecht erhalten, aber nicht dann, wenn es sich um eine ver⸗ baßte Partei handelt. Redner verweist auf die leußerung des Präsidenten des österreichischen Reichsraths Chlumecki, eines durch- aus Konservativen, und empfiehlt die Annahme des Kommissions⸗ antrages. Der Antrag. Adt würde, wenn er vielleicht darauf hinauskommen sollte, einen Abgeordneten von der Ausübung seineg Mandates zeitweilig auszuschließen, ebenfalls zum Verfassungsbruch
fübren; denn der Reichstag hat nicht das Recht, ein Mitglied auszu⸗
schließen von seiner Thätigkeit im Hause. Durch eine solche Schranke würde sich auch niemand zurückhalten lassen, eine Aeußerung zu thun, die er seiner Ueberzeugung nach thun muß; er kann daran weder durch die Gerichte, noch durch die Disziplinargewalt gehindert werden. Ich hoffe, daß die übrigen Parteien, welchen ja auch schon das Aussprechen ihrer Ueberzeugung schwer gemacht worden ist, es si dreimal überlegen werden, ehe sie die Freiheit der Bewegung si einschränken lassen. Wir werden gegen den Antrag Adt stimmen. Es handelt sich nicht bloß um die verfassungs mäßigen Rechte der Ab⸗ geordneten, sondern des Volkes.
Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Minister des Innern von Köller:
Meine Herren, eine große Zahl derjenigen Ausführungen, die der Herr Abg. Singer soeben gemacht hat, sind nicht derart, daß ich darauf einzugehen nähere Veranlassung habe, indem sie Streitigkeiten innerhalb der Parteien dieses Hauses betrafen. Der Herr Abg. Singer hat aber gelegentlich seiner Rede verschiedene Behauptungen aufgestellt, denen ich zu widersprechen alle Veranlassung habe.
Der Herr Abg. Singer fing seine Ausführungen damit an, be⸗ weisen zu wollen, daß die ganze Angelegenheit, um die es sich hier handelt, lediglich ein Versuch der Regierung sei, den Wind, der jetzt einmal in Deutschland wehe, auszunutzen, wie er sich ausdrückte. Er bezeichnete dieses Vorhaben der Regierung, welches er seinerseits ihr aufoktroyierte, als eine Einmischung in die Internen und nahm Ver⸗ anlassung, über den sogenannten Entrüstungsrummel, welcher mit dieser Sache gemacht werden sollte, längere Ausführungen zu machen.
Meine Herren, nun hat der Herr Reichskanzler alle Veranlassung, gerade in dieser Frage allen Uebertreibungen und allen unrichtigen Ausführungen, die von irgend einer Seite gemacht werden, auf das entschiedenste entgegenzutreten und klarzustellen, um welche Sachen es sich bei dieser Angelegenheit handelt.
Die Bemerkungen des Herrn Abg. Singer über die „Berliner Korrespondenz waren meines Erachtens ebenso unrichtig, indem er sagte, daß auch dieser Artikel, der dort erschienen sei, lediglich den Zweck gehabt habe, Entrüstungsrummel hervorzurufen, wie er sich ausdrũckte.
Meine Herren, zunächst die letzte Frage des Artikels in der Korrespondenz. Wie soll man es Ihnen recht machen? Früher wurde behauptet: ein Artikel der und der Zeitung ist offiziös. Es wird ja heute auch noch behauptet, daß jener Artikel der, Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ offiziös ist, während die Regierung der Ab⸗ fassung dieses Artikels vollständig fern steht. (Hört, hört h
Wenn Sie nun, meine Herren, sich heute darüber beklagen, daß die Regierung in dem neuen Organ der „Korrespondenz' das aus⸗ spricht, was ihre Meinung ist, so ist es schwer, es Ihnen recht zu machen. Der Artikel, der dort geschrieben ist, giebt allerdings die Auffassung der Regierung über diese Frage wieder, und ich meine, Sie sollten dankbar sein, daß Sie wenigstens Klarheit darüber hatten, wie die Regierung über diese Sache gedacht hat.
Ich will auf die weiteren Ausführungen, die der Herr Abg. Singer machte, indem er versprach, er könnte alle möglichen Versamm⸗ lungen zusammenberufen und dem Entrüstungsrummel“ entgegen stellen, nicht weiter eingehen. Wir haben gar kein Interesse daran, diese ganze Angelegenheit zu — ich will mich des Ausdrucks Ent⸗ rüstungsrummel nicht wieder bedienen, aber — zu einer großen Sache aufzubauschen, wie Sie die größte Lust dazu haben.
Sehen Sie sich doch die nackten Thatsachen an, wie sie sich ab⸗ gespielt haben, und wie die Sache jetzt liegt, und wollen Sie die Güte haben, nur einmal zuzuhören, aufmerksam, wie ich Ihnen in aller Ruhe die Situation auseinandersetze.
In jener Sitzung vom 6. Dezember hat sich hier ein Ereigniß zugetragen, von dem nach dem, was ich bis jetzt gehört habe, die Redner sämmtlicher Parteien erklärt haben, daß sie es auf das äußerste mißbilligten, und daß es auf sie alle einen außerordentlich peinlichen Gindruck gemacht habe. (Sehr richtig! rechts) Der Herr Präsident dieses hohen Hauses erklärte unmittelbar nach dem Geschehnisse, daß ihm leider keine Mittel zu Gebote ständen, derartige Vorkommnisse in gebührender Weise zu kennzeichnen. Dieser Aeußerung des Herrn Präfidenten dieses hohen Dauses gegenüber war man im Reichstag still, es meldete sich Niemand zum Worte; man muß also annehmen, daß dieses hohe Haus dieselbe Auffasfung hat, daß die jetzige Geschäfte⸗ ordnung keine Mittel bietet, derartige Vorkommnisse — ich willũ nicht sagen. jn verhindern, aber, falls sie vorkommen sollten, genügend und ausreichend ju rektifizieren. (Lebhafte Zustimmung rechts.)
Wenn nun derartige Sachen in einem so hohen Hause wie dem Neichetag vorkommen und der Reichstag selbst erklärt, er sei nicht in der Lage, Schutz dagegen zu gewähren oder Remedur ein⸗ treten ju laffen, so liegt es doch nahe, daß eine aufmerksame Regie⸗ ang (große Bewegung linke) sich ernftlich prüft: sind denn keinerlei gesetzliche Bestimmungen vorhanden, auf Grund deren man der⸗ artigen Uebelstãnden — die übrigens außerhalb dieses Haufes in riel höherem Maße empfunden werden, trotz der Behauptung des Derr Abg. Singer — lebhafte Zustimmung rechts) entgegen⸗ treten kann?
Da, meine Herren, werden Sie nicht in Abrede stellen können, daß der Art 31 der Reichs verfaffung doch in einer Absicht nieder⸗ geschrieben ist, daß er irgendwie und irgendwann einmal zur Geltung kommen fönnte. Dieser Art 31 sagt mit dũrrten Worten: Wenn die Unterfuchung gegen ein Mitglied des hohen Hauses eingeleitet werden soll, so muß der Staatganwalt die Genehmigung des hohen Dauses dajn einholen. Wenn also der Gesetzgeber niemals daran gedacht hätte, daß ein solcher Fall eintreten könnte oder sollte — nan, dann hätte man doch einen solchen Artikel nicht machen sollen (fehr richtig! rechts; lebhafter Widerspruch linke), sondern man hätte einfach in der Neicheverfassung sagen sollen: es könne niemals gegen einen Reichstags Abgeordneten eine Verfolgung eintreten. [Lebhafte Zusttumnng recht] Daraus aber, daß
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in der Reichsverfassung der Fall vorgesehen ist, schließe ich — und ich glaube, jeder Andere, der es leidenschaftslos beurtheilt — die Möglichkeit des Eintretens eines solchen Falles. (Sehr richtig! rechts) Ich glaube, die verbündeten Regierungen konnten sich gar nicht dem Vorwurf aussetzen, dieses Mittel nicht zu versuchen, Ihnen die Entschließung über die Frage vorzulegen, ob Sie in der vom Staatsanwalt gewünschten Weise eine Korrektur für dies Verfahren eintreten lassen wollen. Der Herr Reichskanzler hat Sie ja keinesfalls gebeten, die Genehmigung zu geben; er hat den Antrag vorgelegt, und Sie haben die Entschließung darüber, ob Sie wünschen, daß diesem von der großen Mehrheit gemißbilligten Vorkommnisse die nöthige Rüge auf dem Fuße folgen soll. (Sehr richtig! rechts) Wenn Sie es ablehnen — ja nun, dann nicht! (Große Heiterkeit links.) Aber es entsteht dann die Frage: wie und auf welche Weise wollen Sie dafür sorgen, daß derartige Sachen nicht wieder vorkommen, oder, wenn sie vorkommen, daß dem⸗ nächst Remedur eintritt? Und wenn Sie nun, meine Herren, ausge⸗ führt haben, es handele sich um die Immunität der Reichstags⸗ Abgeordneten, so ist es dem Herrn Reichskanzler, den verbündeten Re⸗ gierungen und auch dem Staatsanwalt absolut nie und nimmer eingefallen, an dem Rechte der Immunität der Abgeordneten rütteln zu wollen. Es ist aber, meine Herren, eben streitig, wann die Immunität beginnt. (Unruhe links und in der Mitte) Gewiß, meine Herren, ich frage den Herrn Abg. Singer: Halten Sie sich befugt, hier jede strafbare Handlung in diesem Hause vorzunehmen? (Zurufe und Unruhe.)
Meine Herren, ich glaube, die Auffassung wird doch wohl niemand von Ihnen theilen, daß jede strafbare Handlung, die hier begangen wird, von der Verfolgung durch den Staatsanwalt gesichert ist. Also, meine Herren, das, was schwierig ist, festzustellen und warum es sich handelt Ihren Beschluß herbeizuführen, das ist, die Grenze festzustellen, wo die Immunität der Abgeordneten eintritt und wo nicht. Es ist auch keineswegs die Ansicht der Staatsanwaltschaft maßgebend darüber, ob ein Verbrechen vorliegt. Darüber entscheiden in Deutschland die Gerichte. (Zustimmung rechts.) Es ist auch absolut unmöglich, hier ein endgültiges Urtheil darüber abzugeben, ob eine strafbare Handlung, wenn sie hier vorgekommen sein sollte, geschützt wird durch die Immunität. Auch darüber werden allein und lediglich in letzter Instanz die Gerichte entscheiden; und an Ihnen ist es — und das ist Ihr verfassungs⸗ mäßiges Recht, was niemand Ihnen antasten wird, — zu entscheiden, ob die strafrechtliche Verfolgung jetzt sofort stattfinden soll oder nicht. Darüber Ihre Entscheidung zu treffen, das unterliegt Ihrem Beschlusse, den Sie fassen wollen, jenachdem Sie es den Verhältnissen gemäß für angemessen halten oder nicht. (Beifall rechts.)
Abg. Gamp (Rp.) verweist darauf, daß in den fünfziger Jahren das Abgeordnetenhaus einen Antrag wegen strafrechtlicher Verfolgung einer Ministerbeleidigung angenommen habe; das Gericht habe nach- her allerdings die Verfolgung abgelehnt. Nicht richtig ist es, daß unter Aeußerungen alle Willensmeinungen zu begreifen sind; sonst würde man auch das Schießen mit Revolvern für erlaubt halten müssen, denn es ist auch eine Willensmeinung, wenn man jemanden mit dem Revolver niederschießt. Der Reichstag hat über die Frage materiell nicht zu entscheiden; das sollten namentlich diejenigen be⸗ achten, welche immer den Grundsatz vertheidigt haben, daß niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden solle. Nirgends ist in der Verfassung bestimmt, daß die Abgeordneten ihrem ordentlichen Richter entzogen werden dürfen. Es handelt sich nicht um ein Dis ziplinarverfahren; alle Gesetze unterscheiden zwischen Disziplinar⸗ vergehen und Strafvergehen; nur über die ersteren kann die Geschäfts= ordnung des Reichstags Bestimmung treffen, nicht aber über andere strafbare Handlungen. Wir haben nur darüber zu entscheiden, ob der Abg. Liebknecht hier so unentbehrlich ist, daß wir die Einleitung des Strafverfahrens nicht billigen können. Ich glaube nicht, daß wichtige Abstimmungen bevorstehen; es würde auch wohl auf Antrag des Abg. Liebknecht darauf, eventuell Rücksicht genommen werden. Die Rücksicht auf die Wähler ist nicht maßgebend, ich möchte nur auf die vielen Lücken verweisen, die sich auf den Bänken des Hauses zeigen, und daran erinnern, daß wir ja den Abg. Ahlwardt noch Wochen lang zu entbehren haben. Ich bitte deshalb, den Antrag zu genehmigen. ; . .
Abg. Br. van Bennigsen (ul.): Meine Freunde haben heute früh einstimmig beschlossen, dem Antrage der Kommission juzustimmen und eine Resolution zu beantragen, durch welche die Geschãftsordnungs⸗ kommission aufgefordert wird, schleunigst die Frage zu erörtern, ob eine angemessene Verschärfung der Disziplinargewalt des Reichstags und des Präsidenten angebracht ist. Es ist nicht erforderlich, mit Rücksicht auf eine Verjährung die Einleitung des Verfahrens gegen den Abg Liebknecht wegen des Verbrechens der Majestãtsbeleidigung zu genehmigen, weil fuͤr eine solche Anklage eine Verjährung in wenigen Monaten nicht eintritt, also auch nach Schluß der Session mit dem Verfahren begonnen werden könnte. Die Auslegung dieses Verfassungsartikels, wie auch anderer Verfass unge bestimmungen, unter- liegt in letzter Instanz dem Gericht. Der Artikel spricht von Aeuße⸗ rungen, die in Ausübung des Berufs als Abgeordneter gemacht sind=. Eine solche Bestimmung kann enger und weiter ausgelegt werden, und das ist auch hier von hervorragenden Politikern und Staatsrechtslehrern geschehen. Die überwiegende Ansicht, namentlich der Staatsrecht lehrer, geht dabin, daß unter Aeußerungen, die in Ausübung des Berufs als Abgeordneter gemacht sind, nicht nur mündliche Aeußerungen ver⸗ standen sind, sondern auch andere in einem Verhalten oder einer Unterlassung liegende Aeußerungen, welche als eine Kundgebung der Sesinnung und politischen Meinung verstanden werden konnen. Das ist überwiegend die Meinung in juristischen Kreisen. In diesem Fall handelt es sich darum, ob das Sitzenbleiben des Herrn Liebknecht und anderer Mitglieder der sozialdemokratischen Partei, als sie durch den Präsidenten aufgefordert wurden, ein Hoch auszubringen, als eine Kundgebung der Gesinnun — allerdings nach der Ansicht der Mehrheit des Hauses recht bedauerlichen — und werth⸗ vollen Bestimmungen der Verfassung und der Würde des Reichstags widersprechenden Gesinnung DZustimmung) aufgefaßt werden kann oder nicht. Es sind ja auch andere Meinungen geltend gemacht worden, aber wenn wir mitwirken sollen bei der Verfolgung eines Ab—
Eordneten, und wenn wir wesentliche Zweifel daran haben, ob ein
ergehen überhaupt vorliegt, so werden wir uns doch nicht gegen die Immunitaãt entscheiden können; denn wir können uns nicht dem aussetzen, daß die Gerichte nachher die Immunität für anwendbar halten. Wir wollen aber durch die Re⸗ solution gleichzeitig eine Frweiterung der Strafgewast im Reichstag veranlaffen; das ist schon nöthig mit Häckficht auf unsern Fan ee n, der so lange an der Spitze des Reichstags steht, von dem Vertrauen aller Parteien getragen, der sich genöthigt sah, dem Verhalten des Abg. Liebknecht eine sehr starke Jurkchweifung zu theil werden zu lassen, und dabei hinzufügte, er bedaure, daß er kein Mittel habe, um ein solches Verfahren zu . Nach diesem Vorgange und anderen bedauerlichen Dingen der letzten Jahre ist eine solche Grllärung des äsidenten berechtigt. Unsere BVestimmungen über die Strafbefugnisse des w , bleiben sehr weit zurück gegen die Bestimmungen der meisten an eren großen Länder, auch derjenigen, welche durch die . ihrer Institutionen berühmt und anerkannt sind. Dem Abg. Roeren erwidere ich, daß unfere Resolution nicht erst durch den Antrag des Staat? anwalts beranlaßt ift; schon vorher, gleich ach dem Vorfall vom 6. Dezember, wurde im engeren reife don Vertrauengmännern aller Parteien und unter Mitwirkung des
em herte der Veffuch gemacht, ob nicht ine stärkete Bestimmm;
ber die . im Hause entworfen werden könne. Gedanke ist selbstverständlich noch nicht ausgereift und bedarf im einzelnen noch der Ueberlegung. Um so nothwendi er aber ist es, daß wir schon jetzt, vorbehaltlich der Beschluß. fassung über Einzelheiten, es gussprechen, daß mit den geringen Befugnissen der Disziplin des Präsidenten bier nicht weiter gearbeitet werden kann. Zustimmung) Ende der 70 er Jahre lag die Sa formell doch anders wie heute. Damals wurde ein Staaktsgefetz her die Erweiterung der Disziplinarmittel des Reichstags vorgeschlagen. Dieses Gesetz hätte der Reichstag nur mit Zustimmung des Bundeg— raths ändern können, während er nach dem vorliegenden Antrage später eine Aenderung der von ihm beschlossenen Verschärfungen seiner und des Präsidenten Disziplinargewalt ohne den Bundes rath vornehmen kann. 5 Zeit beschränken sich die Dis iplinarbefugniffe des Präsidenten auf den Ordnungsruf und auf den Ruf zur Sache, wo dann im dritten Falle dem Redner mit Zustimmung des Dausez das Wort entzogen werden kann. In Frankreich hat man sich mit diesen geringen Disziplinarmitteln nicht begnügt. Es können dort Deputirte von 10 bis zu 30 Sitzungen ausgeschlossen und interniert werden, falls sie sich trotzzem unbefugt in den Saal drangen wollen. Außerdem können ihnen die Diäten bis zu zwei Monaten entzogen werden. In England können Parlamentz— mitglieder in Haft genommen und in Haft behalten werden, bis die Sitzungen des Parlaments zu Ende sind. In Amerika, dem Lande der republikanischen Freiheit, besteht für das Reprä— sentantenhaus gar die verfassungsmäßige Befugniß des Ausschlussez eines Mitgliedes aus der Korporation. Ich will damit nur be— weisen, daß selbst Länder mit parlamentarischer Verfassung und mit langen Erfahrungen geglaubt haben, nicht mit solchen ge⸗ linden Mitteln auszukommen, wie sie bei uns bestehen. (Ruf: Jene Mittel werden nicht angewendet! Allerdings, oder nut selten, sie haben aber abschreckend gewirkt. Ich will auch gar nicht untersuchen, ob sie bei uns durchführbar oder zweckmäßig find. Alt diese Länder haben den Parlamentsmitgliedern bedeutende Privi⸗ legien, die Freiheit der parlamentarischen Bewegung gewãhrleistet; aber sie haben mit jenen Mitteln gegen Ausschreitungen offenbat nur dem Gedanken Ausdruck gegeben, daß die Immunität mit Sicherheit auf die Dauer nur aufrecht erhalten werden kann, wenn
etwaigen Ausschreitungen mit ganz ungewöhnlichen Mitteln ent.
egengetreten werden kann. Es ist endlich an der Zeit, daß wir elber uns zu helfen suchen gegen Vorgänge, wie sie sich leider ab— espielt haben. Der Abg. Liebknecht hat dieselben als ganz harm— os hingestellt. Als aber der Abg. Liebknecht damals sich so in Wi— derspruch setzte mit der Würde und den Gefühlen des Hauses, da Pat der Abg. Singer dieses Verfahren des Abg. Liebknecht durch seine Ausführungen noch verschärft. (Zustimmung.) Seine Rede war noch schlimmer als das Sitzenbleiben des Abg. Liebknecht. In einem sozial—= demokratischen Blatte, allerdings nur im lokalen Theile, wurde diefe Auftreten der Sozialdemokraten in der ersten Sitzung im neuen Reichz. tagsgebäude als ein Triumph für die Sozialdemokratie bezeichnet. Dieses ganze Verhalten der Sozialdemokraten gegenüber allen Auto— ritäten und gegenüber allen anderen Parteien, die als eine ge⸗ meinsame reaktionäre Masse⸗ zusammengeworfen werden, sollte doch alle Parteien, einschließlich der süddeutfchen Volkspartei, in dieser Frage zusammenführen. Die Herren von der sozialdemokratischen . nehmen für sich das Recht in Anspruch, alles was historisch geworden und gewachsen ist, im Namen der Freiheit zu bekämpfen mit allen Mitteln, und sie verlangen daneben, daß die übrigen Parteien sich das alles ruhig bieten lassen, als ob da keine ernsthafte Gefahr eines Umsturzes vorhanden wäre. Nein, so kann die Sache doch nicht sein. Und so ist es auch hier im Reichstag mit der röblichen Verletzung aller der Gefühle, die wir haben, und aller der Institutionen, die wir für werth halten. Diese gröbliche Verletzung rechnen Sie auch zu den berechtigten Befugnissen im Namen der Frei⸗ heit, daß wir uns in diesem Falle dagegen nicht durch Disziplinarmittel im Reichstag schützen dürfen. So ungleichmäßig können die Sachen doch nicht auf die Dauer weiter behandelt werden. Nehmen wir einmal den Fall, daß die Sozialdemokraten in einem kleinen unterwüblten Lande sich des Regiments bemächtigen und es würden nun die nieder geworfenen Parteien in Presse, Versammlungen und in den Volks vertretungen gegen dieses neue Regiment auftreten und demonstrieren und ihren Protest gegen die sozialdemokratische Republik in feierlicher Form zum Ausdruck bringen — würden da nicht die Sozialdemo— kraten im Namen der Freiheit diesen Umsturzbestrebungen mit der rößten Schärfe den Garaus machen? In weiten Kreifen des Volks ö man die Empfindung, daß es so nicht weiter gehen kann, daß die staatlichen, kirchlichen und gesellschaftlichen Institutionen besser geschützt werden müssen als bisher. Die bürgerlichen 6e mit der Regierung müssen eine Schutzwehr aufrichten gegen folche revolutio ; nären Bestrebungen, um der fozialdemokratischen Agitation wirkfamer als bisher entgegenzutreten. Die Sozialdemokraten wollen das Recht für sich in Anspruch nehmen, abweichend von unferen Gefühlen, bei feierlichen Gelegenheiten zu demonstrieren. Und der Abg. Liebknecht hat gemeint, das wäre eine Feigheit und Heuchelei gewesen, wenn ein Mitglied seiner Partei sich an dem Hoch auf den Kaiser betheiligt hätte. Nun, ich finde es ganz natürlich, daß Sie hier in den Reichstag kommen und sich nach außen agitatorisch möglichst geltend machen. Sie brauchen ja auch nicht Ihre Treue gegen Raiser und Reich zu beeidigen. Wie ist es nun aber in den Ginzel⸗ staaten? Wie ist es da mit der Freiheit und Heuchelei, wenn da zielbewußte Genossen, nicht Mitläufer und Spießbürger, sondern die Führer, die großen Männer der Partei, den Eid auf die Verfa fung n. wie in Sachsen uad Bayern — wie steht es da? Mögen Sie, nun draußen Ihren Ueberzeugungen, oder wie Sie es sonst bezeichnen wollen, einen Ausdruck geben, wie Sie es für gut finden: das dürfen wir uns nicht gefallen lassen, daß Sie hier im Neichstagẽ⸗ saal, wo etwa zweimal im Jahre ein Hoch auf den Kaiser auß⸗ gebracht wird, die ehrwürdigsten Institutionen des Reichs und die Gefühle des Anstands und der Würde des Hauses verletzen. Dagegen müssen wir uns grundsätzlich in dieser Resolution aussprechen.
Abg. Richter (fr. Volksp.): Es liegt eine unglückliche Ver— knüpfung vor zwischen dem Antrage des Staatsanwalts und der Resolutlon. Diese aäͤußere Beziehung hat man gerade in der Kom— mission vermeiden wollen, weil das immer ausgelegt werden konnte als eine gewisse Unterstützung des Vorgehens des Staatganmaltẽ Der Abg. Dr. von Bennigsen hat sich allgemein auf andere Länder bezogen. Das thut man in Deutschland immer nur, wenn, nan die Stellung des Parlaments beschränken will. Wenn nach Lücken in der Geschäftsordnung gesucht wird, dann hätte ich auch empfehlen können einen größeren Schutz der Abgeordneten vor Beleidigungen vom Ministertische einzuführen. Der ier. Dr. von Bennigsen er, wähnte auch die Entziehung der Diäten. Unter dieser Strafe der Diatenlosigkeit leiden wir dauernd, die Schuldigen wie die Unschul, digen. Man kann einen Mißstand anerkennen, aber doch nicht dann bereit sein, Mittel dagegen anzuwenden. Denn es kommt ni bloß darauf an, daß irgend etwas geschieht, sondern a auch das Richtige geschieht. Gine herabwürdigende Handlung straft in der Oeffentlichkeit meist denjenigen mehr, der sie begeht, als denjenigen,
1 j 3 Lage, gegen den sie gerichtet ist. Wir sind nicht in de ! olche Blankovollmacht zu. ertheilen, wie die Resolution sie ver langt. Meine Freunde warten Vorschläge der einzelnen Varteien ab, und je nach dem Inhalt derselben werden wir dazu Stell in nehmen. Im übrigen schließen wir uns vollständig den klaren 1 sachlichen Ausführungen des Abg. Noeren an. Ich muß mein He. fremden daruber aussprechen, dan der Reichskanzler unterstũtzt wor ö ist nicht vom. Staatesekretair des Reichs-Justizamts oder, . preußischen Justiz Minister, sondern von dem preußischen Minist⸗ des Innern, den die Sache K, Es handelt . uns nicht um Art. 31, sondern um Art. 30. Es soll keine , verfolgung gegen einen Abgeordneten wegen einer, hier . de. ekommenen eußerung eingeleltet werden. Gegen die Ber . orrespondenz“ habe ich nichts einzuwenden; besser wäre es a dings. wenn solcht ug hai, im ige, ersolgten. freue mich, daß die offiziöse Presse nicht mehr in
ummung erscheint. Ich hoffe, daß die „Norddeutsche All. en e . und die gin sr Zeitung“ aufgehört haben, offfstös zn sein. Aber die Regierüng muß nun auch den Inhalt der Berliner Korrespondenz. vertreten. Aber ge⸗ schick 3 es nicht, daß in einem Augenblick, wo der Reichstag zur Gntscheidung einer Frage aufgerufen wird, die amtliche Zeitung bie vroz un bringt: wenn der Reichstag den Antrag nicht annehme, werde die Reglerung ihrerseits vorgehen. Hatte dieser Artikel die Autorität des Reichskanzlerg und der verbündeten Regierungen hinter sich? Die Erklärung des Reichskanzlers bezog sich auf die Aeuße⸗ rung des Präsidenten, und er hat dadurch gewi ermaßen seine Ver⸗ antwortung zu decken gesucht. Der Staats- Hinister von Köller hat pon der aufmerksamen Regierung gesprochen. Sonst sind wir solche Aufmerksamkeiten seitenz der Regierung nicht gewohnt, selbst nicht bei Gesetzen, die der Reichstag mit großer Mehrheit angenommen hat. Hier wartet man nicht ab, ob die Aeußerungen des Präsidenten so aufgefaßt werden können, als ob dadurch eine Aufforderung an die Stgatzanwaltschaft gerichtet sei; er hat feinen Rechtsstandpunkt sich zur Richtschnur gemacht und sich nicht zu einer Ueberschreitung seiner Befugniß hinreißen lassen. Der Reichskanzler hätte selnerfeits die Frage ebenso eingehend prüfen sollen. Die Verletzung monarchischer Gefühle ist doch noch nicht eine Verletzung des Rechts. Was ist durch dieses Vorgehen politisch erreicht worden? Außerhalb der sozialdemokratischen Partei war das ÜUrtheil ein ein- müthiges; die öffentliche Aufmerksamkeit wird jetzt abgelenkt auf den Eingriff der Staatsverwaltung in die Rechte des Hauseg. Dadurch ist ein Frontwechsel hervorgerufen; die Sozialdemokratie ist aus ihrer Isolierung befreit worden. Wenn man die Geschäfte der So zial⸗ demokratie hätte besorgen wollen, hätte man es nicht besser thun können. Und was geschieht weiter? Der Staats-Minister von Köller, der geiftige Urheber dieses Vorgehens, hat schon an ekündigt, daß man nach Schluß der Session gegen den Abg. Liebknecht vorgehen würde. Wenn nun dig Gerichte eine strafrechtliche Verfolgung ausschließen, dann hat die Regierung sich eine Niederlage zugezogen, wo sie sich einer solchen nicht auszusetzen brauchte. Erkennen die Gerichte unsere Auffassung des Art. 30 nicht an, dann liegt ein Gegensatz der Auf⸗ fassung über die persönlichen Rechte des Reichskags vor. Das ist keine einfache juristische, sondern eine hochpolitische Frage, und die Geschichte zeigt, wozu solche Meinungsverschiedenheiten führen können.
Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Justiz⸗ Minister Schönstedt:
Meine Herren! Der Herr Abg. Richter hat vermißt eine Aeußerung von seiten des Staatssekretärs des Reichs-Justizamts oder von dem dem Bundesrath angehörenden preußischen Justiz⸗Minister. Daß seitens des Letzteren eine Erklärung nicht abgegeben ist, erklärt sich nach meiner Meinung hinlänglich aus dem Gange der bisherigen Verhandlungen; es war eben ein Anlaß dazu nicht gegeben. Der Antrag, der an Sie gebracht ist, ist zunächst eine Frage Ihrer eigenen Geschäftsordnung, und wenn mir auch von dem Herrn Abg. Roeren das Zeugniß ausgestellt ist, daß ich ein parlamentarischer Neuling sei, so glaube ich doch wenig⸗ stens sopviel zu wissen aus meinen früheren Erinnerungen, daß sich in eine derartige Frage ohne einen besonderen Anlaß die Vertreter der verbündeten Regierungen nicht eingemischt haben. (Sehr gut! rechts.) So lag die Sache auch für mich. Ich habe aber auch noch einen anderen Grund, mich einer Aeußerung zu enthalten, und der liegt darin, daß ich nach meiner Stellung als preuß ischer Justiz⸗Minister es für aus—⸗ geschlossen halte, eine bestimmte Meinung über die Rechtsfragen, die in diesem Falle in Frage stehen und die möglicherweise zur Ent⸗ scheidung vor die preußischen Gerichte kommen, hier auszusprechen. (Sehr gut! rechts) So lange ich eine leitende Stellung in der preußischen Justiz eingenommen habe, habe ich es mir, ich möchte beinahe sagen, ängstlich zum Grundsatz gemacht, über jeden Fall, der bei den Gerichten anhängig war oder anhängig werden konnte, jede Meinungeäußerung zu vermeiden, die möglicherweise als eine Beeinflussung oder als ein Versuch einer solchen Beeinflussung der Richter hätte aufgefaßt werden können. (Bravo) Diesen Standpunkt habe ich nicht hinter mich geworfen, seitdem ich an diese Stelle berufen bin. Von diesem Standpunkt aus kann ich auch jetzt nicht viel zur Sache sagen; ich ent⸗ halte mich jeder Erörterung der Frage, ob der Thatbestand der Majestätsbeleidigung in dem vorliegenden Fall anzu⸗ nehmen ist. Nur möchte ich dem Herrn Abg. Roeren bemerken, daß die Entscheidung des Reichsgerichts, auf die er sich be⸗ rufen hat, nicht ausschlaggebend ist; daß die Entscheidungen des Reichs⸗ gerichts, die dem Ersten Staatsanwalt vorgelegen haben, anderen In⸗ halts sind. Mir liegt vor — und ich kann daraus, ohne den Stand⸗ punkt zu verlassen, auf den ich mich eben gestellt habe, einen Satz verlesen — ein Urtheil des Reiche gerichts vom 4. Dezember 1893. In demselben heißt es:
Es genügt zum Thatbestande der Majestätsbeleidigung nicht das Sitzenbleiben allein, wenn ein Hoch auf Seine Majestät den Kaiser ausgebracht wird. Es müssen vielmehr weitere begleitende Umstände dargethan werden, aus denen die beabsichtigte, bezw. bewußte Geringschätzung des Kaisers hervorgeht, und diese Umstände müssen so beschaffen sein, daß ein durch Sitte, Pflicht oder Herkommen gebotenes Handeln als geflissentlich verabsäumt zu erachten ist.
(Hört! hört! rechts) Das ist die Ausführung des Reichsgerichts, und die Herren mögen sich selbst die Frage vorlegen, ob diese Auslegung auf den vorliegenden Thatbestand angewendet werden kann mit Aus— sicht auf Erfolg oder nicht.
Nun hat sich der Schwerpunkt der Diskussion heute nicht eigentlich um den Thatbestand der Majestätsbeleidigung gedreht, die Kommission hat erklärt, diese nicht zum Gegenstand der Erörterung machen zu wollen. Der Herr Abg. Roeren hat ebenso erklärt, er wolle es nicht thun, hat es aber dennoch gethan (Heiterkeit) — ich bin genöthigt, auch auf diese Frage einzugehen — der Schwerpunkt lag in der Auslegung des Art. 30 der Reichsverfassung. Nun stehe ich auf dem Standpunkt, daß Art. 30 der Reichsverfassung für Ihre Entscheidung überhaupt nicht unmittelbar in Frage kommt, sondern nur Art. 31. Niemand wird Ihnen das Recht bestreiten, Ihre Auslegung des Art. 30 als Motiv für Ihre Abstimmung zu betrachten, aber maßgebend kann Ihre Auslegung des Art. z0 nicht auch für Ihre Entschließung und Abstimmung sein; denn die maßgebende endgültige Auslegung dieses Paragraphen ist lediglich Sache der Gerichte. (Sehr richtig! rechts.) Nun liegt auch thatsächlich die Sache so bei dem Vorgang vom s. Dezember. Nachdem dieser Vorgang, ich glaube das wohl sagen zu können, die Entrüstung des ganzen Hauses erregt und der Herr Präsident erklärt hatte, daß die Geschäftsordnung ihm keine Mittel an die Hand gebe, Disziplin zu üben — damit erwuchs für die Neichs verwaltung die Frage, ob es nicht ein anderes Mittel gäbe, der Sache beizukommen; denn wenn weder die Disziplin des Präsidenten des Dause noch das Strafgesetz anwendbar sind, so haben wir es mit einem Vakuum, einer Lücke ju thun, und ich glaube, daß es nicht
beabsichtigt gewesen ist, in der Verfassung eine solche Lücke zu lassen. Niemand kann die Aeußerung des Herrn Präsidenten als eine Auf⸗ forderung für den Staatsanwalt auffassen, einzuschreiten, aber für die Reichsverwaltung, die dazu berufen ist, die Würde und Achtung vor Seiner Majestät zu schützen und dafür einzutreten; sie mußte sich die Frage vorlegen, meine Herren, ob der Versuch mit Aussicht auf Erfolg gemacht werden könne, beim Reichstag die Ge⸗ nehmigung zur Strafverfolgung zu beantragen. Den Versuch haben wir gemacht — wie der Erfolg sein wird, steht dahin die Verantwortung für den Antrag, wie er von uns gestellt worden ist, werden wir tragen. Aber, daß ein Eingriff in die Immunität der Abgeordneten des Reichs⸗ tags in Frage komme, glaube ich mit voller Bestimmtheit verneinen zu müssen; es kann nicht davon die Rede sein, so lange es sich bloß darum handelt, ob die beantragte Verfolgung stattfinden kann, ob sie stattfinden soll, ob sie sofort stattfinden soll. (ELebhaftes Bravo! rechts.)
Abg. Cegiels ki (Pole) erklärt namens der Polen, daß sie das Verhalten der Sozialdemokraten entschieden verurtheilen, aber dem Antrag? des Staatsanwalts nicht folgen können.
Abg. Rickert (fr. Ver.) verweist darauf, 16 der Vorgang vom 6. Dezember nicht ein Unikum war. Bei einem früheren Vorfall haben der Präsident und der Reichstag die Sache ignoriert. Es ist nicht immer richtig und nicht immer im Interesse der Sache, der man dient, solche Vorgänge zu bemerken und zu besprechen. Der . Justiz⸗Minister hat auch, wie früher der Graf Lippe, von der Lücke in der Verfassung gesprochen. Ich möchte daran erinnern, daß das Deutsche Reich nicht der preußische Staat ist. Der Justiz⸗ Minister lehnte es ab, eine Meinung auszusprechen; er hat sich aber nicht enthalten, ein Reichsgerichtserkenntniß vorzulesen, und zwar wie man sagt, nicht einmal das neueste Erkenntniß in dieser Frage. Ich möchte wissen, ob der Justiz ·Minister um seine Meinung gefragt worden? Hat er sein Votum in dieser hoch⸗ politischen Frage abgegeben? Dann sollte er aber doch nicht so thun, als wenn er ganz neutral in dieser Frage sei, als wenn er nur der gehorsame Diener des Staatsanwalts sei, den er doch selber erst angewiesen hat! Will der preußische Minister des Innern, wenn der Reichstag den Antrag ablehnt, die Sache weiter verfolgen — wir werden abwarten, ob das Ansehen der Regierung dadurch gestärkt wird. Nach der jetzigen Drohung des Ministers des Innern können wir die Resolution nicht annehmen. Ich habe keine Lust, der Geschäftsordnungskommission eine Aufgabe zuzuweisen, wo man sich noch gar nicht klar ist, was eigentlich geschehen soll. Wir werden warten, bis faßbare Anträge vor uns liegen.
Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Minister des Innern von Köller⸗
Meine Herren! Ich muß noch einmal auf die Sache zurück⸗ kommen und noch einmal mit kurzen Worten das sagen, was ich vor⸗ hin auseinandergesetzt habe, damit nicht durch die Ausführungen des letzten Redners wiederum die Ansichten anders in der Oeffentlichkeit und in der Presse erscheinen, als sie sind. Die Herren Abgg. Richter und Rickert haben beide versucht, die Sache unter den verschiedensten Hinzusetzungen, die gar nichts mit der Sache zu thun haben, anders darzustellen, als sie thatsächlich ist. Herr Rickert hat in seinen letzten Worten soeben gesprochen von einer Drohung des Ministers des Innern und gesagt, derselbe sei der Förderer der ganzen Angelegen⸗ heit. Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, und warum Sie gerade auf mich Ihre besondere Gunst werfen. (Heiterkeit) Es kann doch nur so zusammenhängen, wie Herr Richter ausgeführt hat, daß ich für den Artikel der ‚Korrespondenz“ die Verantwortung trage. Ja, ich trage sie, aber ich trage sie für ihn nur so, wie er geschrieben ist, nicht so, wie Sie ihn zitiert und interpretiert haben. Ich selbst werde ihn vorlesen. Der Herr Abg. Richter hat ausgeführt, es stãnde in dem Artikel: wenn die strafrechtliche Verfolgung abgelehnt würde, dann würde man darauf Bedacht nehmen, die gesetzlichen Befugnisse zum Schutz der Person Seiner Majestät zu erweitern. Das ist total unrichtig. Der Herr Abg. Richter wolle mir verzeihen, daß ich das so strikte ausspreche. Es steht in dem Artikel vielmehr: wenn durch die Gerichte in letzter Instanz festgestellt werden sollte, daß derartige Handlungen, die doch von Ihnen allen als das bezeichnet werden, was sie sind, ungesühnt bleiben müßten, dann würde man darauf Bedacht nehmen, Aenderungen zu schaffen; keineswegs, falls Sie den heute zur Verhandlung stehenden Antrag ablehnen; davon ist nirgends die Rede. So hat es aber der Herr Abg. Richter, wenn ich ihn richtig verstanden habe, ausgeführt.
Nun sollte ich doch meinen, es ist des Wiederholten von allen Stellen hier vom Bundesrathstisch aus Ihnen gesagt worden: thun Sie doch, was Sie wollen, beschließen Sie, wie Sie wollen. Der Herr Reichskanzler hat, wie das ausgeführt ist, die Ueberzeugung, daß, wenn die Bestimmungen Ihrer Geschäftsordnung nach der Ansicht des Herrn Prã⸗ sidenten nicht ausreichen, für solche Vorkommnisse eine Sühne eintreten zu lassen, daß dann jeder Schritt versucht werden muß, den die Gesetze zulassen. Nun kann doch niemand auf der weiten Welt behaupten, daß der Antrag, der an dieses hohe Haus gestellt worden ist, die un— verzügliche Strafverfolgung zu genehmigen, nicht gesetzlich wäre. Es ist Ihnen gesagt worden, Sie mögen ja beschließen, wie Sie wollen, der Reichskanzler ist davon überzeugt, daß dieser Schritt gethan wer⸗ den mußte. Sind Sie überzeugt, einen anderen Schritt thun zu müssen, so thun Sie ihn doch! Wenn Herr Richter ausführt, daß mit allen möglichen Maßregeln gedroht würde, so trifft das nach dem Wortlaut des Artikels der Korrespondenz“ absolut nicht zu.
Herr Richter sagt, politisch sei mit der ganzen Sache gar nichts erreicht, höchstens ein Frontwechsel. Er wollte damit sagen, daß die Sozialdemokraten, die bisher vielleicht vereinzelt in ihren Auffassungen standen, jetzt Succurs von anderer Seite her bekämen, und daß die Handlungsweise derselben in ein milderes Licht gestellt würde. Ja, meine Herren, der Umstand, daß durch solche Verhandlungen sich jemand verleiten lassen könnte, den Ansichten der Sozialdemokraten beizustimmen, kann auf die Regierung nicht influieren. Die Regierung wird das thun, was sie für richtig hält.
Sodann hat der Herr Abg. Rickert in seinen Ausführungen zum Schluß gesagt: solche hochpolitischen Fragen behandelt man nicht in der Weise, das dient nicht zur Autorität der Regierung. Meine Herren, ich möchte Sie bitten, sorgen Sie doch für Ihre eigene Autorität und lassen Sie die Regierung für ihre eigene Autoritãt selbst sorgen. (Bravo! rechts.)
Bevollmächtigter zum Bundesrat reußischer Justi Minister i g ö k
Meine Herren! Es wird das nur an dem Mangel an parla⸗
die Frage des Herrn Abg. Rickert, ob der preußische Justiz⸗Minister im Staats, Ministerium sein Votum in dieser Frage abgegeben, oder ob der Staatsanwalt auf eigene Veranlaffung oder auf Antrieb des
Justiz⸗Ministers vorgegangen ist. Soweit meine Erfahrung reicht,
mentarischer Erfahrung liegen, daß ich einigermaßen erstaunt bin über
werden derartige Fragen der internen Verwaltung weder gestellt noch beantwortet, und solange ich nicht eines Bessern belehrt werde, werde ich an dieser Auffassung festhalten. Bravo! rechte
Im übrigen glaube ich, von Herrn Abg. Rickert mißverstanden zu sein — was daran gelegen haben mag, daß ich mich nicht hinlãnglich deutlich ausgedrückt habe. Er hat von einer durch mich aufgestellten Lückentheorie gesprochen und einen großen Sprung rückwärts gethan und mich mit dem Minister Grafen zur Lippe verglichen: ein Ver⸗ gleich, dem ich auch schon in einem nicht sehr liebenswürdigen Preß⸗ artikel begegnet bin. Nun, ich meine, von einer Lücke in diesem Sinne nicht gesprochen zu haben; daß ich eine solche Lücke entdecken wollte, davon ist nicht die Rede. Meine Ausführungen gingen dahin: es dürfe keine Lücke da sein, es müßte ein an sich strafbares Vergehen im Reichstage entweder vom Gesetz oder von der Geschãfts ordnung getroffen werden. Etwas Anderes habe ich nicht sagen wollen, und nach der Kenntniß, die ich davon habe, bedeutete das, was man früher die Lückentheorie genannt hat, etwas Anderes. Damit aber eine solche Lückentheorie nicht aufkommen könne, möchte ich, abweichend von Herrn von Bennigsen, mir noch eine Bemerkung gestatten, nämlich die, daß, insoweit die Auslegung des Art. 30 der Reichs verfassung für Ihre Abstimmung maßgebend ist, diejenigen Herren, die zweifellos die An= wendung dieses Artikels auf den vorliegenden Fall bejahen, allerdings auch nach meiner Auffassung die Genehmigung der Strafverfolgung versagen müssen, daß aber diejenigen, die in der Beantwortung zweifelhaft sind, am richtigsten thun, die Beantwortung der Frage den ordentlichen Gerichten zu überlassen. (Bravo! rechts.)
Abg. Liebermann von Sonnenberg (Refp.) erklärt im Namen seiner politischen Freunde, daß sie fuͤr den Antrag der Ge— schäftsordnungs Kommission stimmen wärden; er selbst würte dagegen stimmen, weil es sich, darum handelt, für den Affront eine Genug⸗ thuung zu schaffen. Die Verhöhnung des Hauses und der Staats grund⸗ lagen müsse berhindert werden. Bisher hat man solche Antrãge immer abgelehnt, aber man wird die Praxis ändern müssen, man wird den Staatsanwalt vielleicht seitens des Haufes mit einem Vorgehen be⸗ auftragen müssen. Der Abg. Bebel hat einmal gesagt: Man müsse die Köpfe revolutionieren, bis die rothe Fahne auf den Schlössern und Kirchen weht. Man hat die Sozialdemokratie viel zu sehr perwöhnt. Ob eine Majestätsbeleidigung vorliegt, lasse ich dahinge⸗
̃stellt; daß eine Reichstags beleidigung vorliegt, ist selbstverständlich.
Die Beleidigung muß sofort auf frischer That verfolgt werden, damit man im Volke merkt, daß der alte Staat noch nicht abgedankt hat. Eine Beleidigung ist es schon, wenn die Sozialdemokraten sich schleunigst entfernen, wenn ein Hoch ausgebracht werden soll. Wenn der Abg. Liebknecht sich nachträglich entschuldigt hat, so stimmt das nicht mit der Auslaffung des Abg. Singer. Man erwartet, daß der Staat sich auf sich selbst besinnt, daß er eintritt für die Grund⸗ lage des Staats und der Gesellschaft Das steht weit Über der Immunität der einzelnen Abgeordneten. Deshalb sollten wir der Regierung entgegenkommen, und wenn der Reichstag die Genehmigung nicht ertheilen sollte, dann sollten die Regierungen allein vorgehen. Graf Caprivi wollte nicht ins Wespennest greifen. Man erwartet von der jetzigen Regierung, daß sie es thut, und ruft ihr zu: Doch wenn Du greifst, so greife fest. Abg. Dr. von Buchka (xkons): Das Reichsgericht bat in einem Fall auf Majestãtsbeleidigung hin erkannt, der diesem Fall hier en. analog ist, sodaß kein Zweifel darüber fein kann, daß es gj ier um ein solches Vergehen handelt, und meiner Ansicht na muß das Vergehen möoͤglichst bald zur gesetzlichen Ahndung kommen. Dem stebht Art. 30 nicht entgegen, da dieser auf diesen Fall keine Anwendung findet. Den Angriffen gegen die konservative Partei gegenüber weise ich darauf bin, daß wir niemals die Loyalitãt aus den Augen gelaffen haben, auch nicht unter dem vorigen Reichskanzler Caprivi. Ich weife zum Schluß noch darauf hin, daß in München ein Sozialdemokrat in der Stadt berordneten⸗ Versammlung bei einem Hoch auf den Prinz- Regenten sitzen geblieben und deshalb Strafantrag gegen ihn gestellt ist. Dieser Fall wird noch eher zur Verhandlung kommen, wie der Vorfasl mit dem Abg. Liebknecht. 36h em noch Abg. Roeren Zentr) seine früheren Auslaffungen über die Bedeutung des Wortes Aeußerung“ klar geftellt, und sich nach der Erklärung des Abg. Dr. von Bennigsen für die Refolut on erklärt hat, erhält das Wort der
Abg. Bebel (Soz.): Etwas Unzutreffenderes und Oberfläch⸗ licheres an Gründen, als von dem Bundesrathstisch, ist mir kaum jemals vorgeführt worden. Der preußische Justiz Mminister wollte auf den Fall nicht eingehen und brachte doch zur Beurtheilung des Falles das Reichsgerichtserkenntniß vor. Weshalb wird der Straf⸗ antrag gestellt? Veil die Geschäftsordnung des Reichstags keine Strafe für den Abg. Liebknecht enthält. Wäce eine solche Strafe vorhanden, dann hätte man den Antrag nicht gestellt. Eigentlich hätte man aber logischer Weise die Disziplinar⸗ maßregeln verschärfen, nicht ein solches Verfahren einleiten müssen. Es handelt sich um eine Willengäußerung im parlamentarischen Beruf. Der Redner selbst sei in den siebziger Jahren oft genug beim Soch auf den Kaiser sitzen geblieben, ohne daß der Staatsanwalt oder sonst jemand sich darum bekümmert und von der verletzten Würde des Reichstags gesprochen hätte. Wer hat die Würde des Reichstags mehr verletzt? Diejenigen, welche schweigend . ge⸗ blieben Ed, oder diejenigen, welche Pfui l und Hinaus! gerufen haben? Nan verlangt von uns offenes Eintreten für die Rechte des Volks, und wenn wir das thun, dann beschuldigt man Uns der Majestãtsbeleidigung. Drüben (nach rechts) sitzen viele Männer, die in den letzten Jahren das Hoch auf den staiser nicht mit Freuden aus— gebracht baben.
Präsident von Levetzow: Herr Abgeordneter, Sie erheben Beschuldigungen, die Sie nicht vertreten und beweisen können!
Abg. Bebel (fortfabrend): Eine Lücke besteht nicht; es ist gar kein Zweifel, wie weit die Immunität geht. Nach der neuen Um- sturzuorlage und nach der Rede des Abg. Dr. von Bennigfen kann es allerdings bald dahin kommen, daß wir vom Reichstag aus. geschlossen werden. Man hat auf den Treueid in Bayern und Sachsen verwiesen. Wenn er hier eingeführt wird, schwören wir ihn auch. Die Frage hätte der Abg. Dr. von Bennigsen am allerwenigsten aufwerfen sollen; wer dem König von Hannover den Treueid geschworen hat und nachher, wenn er entthront ist, dem König von Preußen den Treueid leistet, der sollte den anderen Par- teien nicht Heuchelei vorwerfen. Die Nationalliberalen sind vor 1866 beim Hoch auf den König von Preußen auch sitzen ge blieben. 6 hafter Widerspruch bei den Nationalliberalen.) Redner wendet sich gegen den nationalliberalen Antrag; alle in anderen Parlamenten vorhandenen Strafen würden nicht anzuwenden 5 auf die Fälle, welche hier an Ausschreitungen vorgekommen sind, elbst beim Fall Liebknecht; räumen Sie uns die französischen, englischen und amerikanischen Freiheiten ein, dann wollen wir die y Disziplinarmaßregeln mit in den Kauf nehmen. Aber die eingebrachte Resolution zeigt die deutsche Bedientennatur. (Präsident von Levetzow ruft den Redner wegen Beleidigung der deutschen Nation zur ,. Der Abg. Dr, von Bennigsen appelliert an den inn . er Parteien. Wir sind doch nicht die Urach daß sie sich nicht vereinigen können. Sie selbst sind die Ursache, weil Sie zu Hause ganz verschiedene Klasseninteressen zu vertreten haben. Mit dieser Werfel bern ie, der Interessen werden Sie sich nicht ver⸗ einen; und wenn Sie sich vereinen, dann ist es zu spät!
Damit schließt die Diskussion.
önlich bemerkt der Abg. Dr. v. Bennig en, da er ganz öfen ichshz eine Verfassung verlangt, wie 3. sie mn
von Treubruch gegen den König von Hannober könne nicht die died sein; er habe auch niemals die Annekkion von Hannober an Pre