Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tags befindet sich in der Ersten Beilage.
— Der Reichstag setzte in der heutigen 11. Sitzung, welcher der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, die Staats⸗ sekretäre, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und Frei⸗ herr von Marschall, der Staatssekretär Nieberding, sowie die Staats⸗Minister Bronsart von , und Schönstedt beiwohnten, die erste Berathung des Gesetzes, betreffend Aenderung und Ergänzungen des Strafgesetzbuchs, des Militär⸗Strafgesetzbuchs und des Gesetzes über die Presse fort. Das Wort erhielt zunächst der
Abg. Graf zu Lim burg⸗Stirum (dkons.): Der Redner drückte die Befriedigung seiner Partei über die Vorlage des Entwurfs aus, der bekunde, daß man davon abgekommen sei, die Sozialdemokraten wie andere Parteien zu behandeln. Der Anspruch derselben, als Arbeitervertretung vorzugsweise zu gelten, sei durchaus unberechtigt; was zu Gunsten der Arbeiter von anderer Seite geschehen sei, habe die sozialdemokratische Partei immer befämpft und zu hindern gesucht. Die konserbative Partei halte für unerläßlich, daß auf dem Wege positiver Reformen fortgeschritten werde, und zwar in der Richtung, daß der Mittelstand durch Organisation des Handwerks gestärkt und daß die Lage der Landwirthschaft gebessert werde. Sie begrüße es mit Freuden, daß vom Regierungstisch aus nicht mehr geringschätzig von der Noth der Landwirthschaft gesprochen werde. Der Zentrums⸗ partei hielt der Redner vor, daß sie früher die Forderung gestellt babe, man möge die Umsturzbestrebungen der Sozialdemokraten auf dem Boden des gemeinen Rechts bekämpfen. Jetzt, da es sich darum handle, diesem Rath zu folgen, kehre sie, getreu ihrer stets be⸗ folgten Taktik, Konzessionen auf heterogenen Gebieten zu er— zwingen, das angebliche Ausnahmegesetz gegen die Jesuiten hervor. Daß das vorliegende Gesetz auch andere politische Parteien als die sozialdemokratische treffen werde, sei ausgeschlossen, denn nur diese verfolge Tendenzen, welche unter die Bestimmungen der Vorlage fielen. Der Kampf müsse endlich energisch aufgenommen werden, und zwar mit wirksamen Mitteln. Es handele sich nicht nur um einen Geisterkampf, sondern um die Abwehr einer politischen Organisation, die auf die Vernichtung des Staats und der Gesellschast abziele. Das Haus möge der Vorlage zustimmen; lehne es sie ab, so werde ein viel gewaltsameres Vorgehen unvermeidlich werden.
(Bei Schluß des Blattes spricht der Redner weiter.)
— Die Abgg. Dr. Hasse und Genossen (ul.) haben im Reichs⸗ tage folgende Interpellation eingebracht: Was gedentt der Herr Reichskanzler zu thun angesichts der vielfachen Klagen über den man⸗ gelnden Schutz der Deutschen im Auslande, insbesondere in Zentral · Amerika?“
Höhe der Schneedecke in Zentimetern am Montag, den 7. Januar 1895, um 7 Uhr Morgens.
Mitgetheilt vom Königlich preußischen Meteorologischen Institut.
(Die Stationen sind nach Flußgebieten geordnet.)
Oestliche Küstenflüsse.
Memel (Dange) 23, Tilsit (Memel) 13, Insterburg (Pregel) —,
Heilsberg (Pregel) 28, Königsberg i. Pr. (Pregel) 19. Weichsel.
. Groß⸗Blandau (Bobr. Narew) 10, Czerwonken (Bobr, Narew) 19, Marggrabowa (Bobr, Narew) —, Klaussen (Pissa) —, Neidenburg (Wkra) 22, Osterode (Drewenz) 12, Altstadt (Drewenz) 9, Konitz (Brahe) 138, Bromberg (Brahe) 15, Berent (Ferse) —, Marienburg (Nogat) —.
Kleine Flüsse zwischen Weichsel und Oder. Lauenburg i. P. (Leba) 16, Köslin (Mühlenbach) 21, Schivelbein (Rega) 16. Oder.
Leobschütz (Zinn) 12, Ratibor 12, Beuthen (Klodnitz) 17, Oppeln 20, Brand (Glatzer Neisse) 69, Reinerz (Glatzer Neiffe) 42, Glatz (Glatzer Neisse) 16, Görbersdorf (Glatzer Neisse) 37, Fried⸗ land (Glatzer Neisse) —, Weigelt dorf (Glatzer Neisse) 17, Rosen— berg (Stober) 10, Breslau 13, Liegnitz (Katzbach) 11, Fraustadt (Landgraben) g, Grünberg — Krumm hübel(Bober —, Wang (Bober) 7ö, Cichberg (Bober) —, Schreiberbau (Bober) — Warmbrunn (Bober) 14, Bunzlau (Bober) —, Görlitz Lausitzer Neisse) 13. Frankfurt 11, Ostrowo Warthe) 10, Posen (Warthe) 6, Tremessen (Warthe) 12, Samter (Warthbe) 6, Paxrotsch (Warthe) — Neustettin (Warthe) —, Deutsch⸗Krone (Warthe) 20, Landsberg (Warthe) 4. Stettin 18, Pammin (Ihna) 10, Prenzlau (Uecker) 17, Demmin (Peene) —.
— 8
Kleine Flüsse zwischen Oder und Elbe.
Putbus —, Rostock (Warnow) 4, Kirchdorf auf Poel 4, Sege⸗ berg (Trave) 8, Lübeck (Trave) —, Eutin (Schwentine) 3, Schleswig Schlei) —, Flensburg 4, Gramm (Fladsau) 8, Westerland auf Sylt 3, Wyk auf Fohr 1, Husum 1, Meldorf 1.
Elbe. Dessau (Mulde) 8, Rudolstadt (Saale) 17, Jena (Saale) 16, Ilmenau (Saale) —, Stadtilm (Saale) 21, Dingelstädt (Saale 28, Erfurt (Saale) —, Sondershausen (Saale) 18, Nord⸗ hausen (Saale) 12, Halle (Saale) 14, Klostermansfeld (Saale) —, Bernburg (Saale) 16, Quedlinburg (Saale) 29, Harzgerode (Saale) —, Magdeburg 15, Neustrelitz (Davel) 26, Kottbus (Havel) 11, Dahme (Havel) — Berlin (Havel) 14, Blankenburg bei Berlin (Havel) —, Spandau (Havel) 14. Heinersdorf, Kr. Teltow, (Havel) —, Potsdam (Havel) 14, Brandenburg (Havel) 14, Kyritz (Havel) 18, Gardelegen Aland) 18, Jeetze (Aland) 17. Waren (Elde) 21, Marnitz (Elde) 19, Schwerin (Elde) 6, Uelzen (Ilmenau) 13, Lüneburg (Ilmenau) 10, Neumünster (Stör) 5, Bremervörde (Oste) 7. Weser.
Meiningen (Werra) 16, Liebenstein (Werra) 23, Fulda (Fulda) —, Altmorschen (Fulda) — Schwarzenborn (Fulda) 24, Cassel (Fulda) 12, Uslar 12, Bielefeld (Werre) —, Herford (Werre) 14, Scharfenstein Aller —, Ilsenburg (Aller) 31, Braunschweig (Aller) 22, Celle (Aller) 11, Göttingen (Aller) 12. Herzberg (Aller) 24, Klausthal Aller) 71, Seesen (Aller) 29, Hannover (Aller) —, Bremen 4, Oldenburg (Hunte) 3, Elẽfleth 4.
Kleine Flüsse zwischen Weser und Ems. Jever 4.
ö . Torgau 13,
Em s.
Gütersloh (Dalke) 12, Münster i. W. 9, Lingen 9, Osnabrück
(Haase) —, Löningen (Haase) 7, Aurich — Emden 5. Rhein.
Darmstadt 14, Coburg (Main) 21, Frankenheim (Main) —, Frankfurt (Main) 16, Wiesbaden —, Geisenheim 7, Birkenfeld (Nahe) 14, Schweins berg (Lahn) 11, Rauschenberg (Lahn) 19, Mar⸗ kurg (Lahn) 12, Weilburg (Lahn) 9, Schneifel⸗Forsthaus (Mosel) —, Bitburg (Mosel) 10, von der Heydt⸗Grube (Mosel) 17, Trier Mosel) 4. Neuwied 9, Hachenburg (Sieg) 22, Köln 9, Krefeld 7, Arnsberg (Ruhr) 16, Brilon (Ruhr) 18, Lüdenscheid (Ruhr) 44, Alt⸗-Astenberg (Ruhr) 90. Mülheim Ruhr) 8, Klepe —, Ellewiek (Yssel) —, Aachen (Maaß) 21.
Der Höhe von 1 em Schneedecke entsprachen: am 6. Januar 1895 in ,,. 1.7 mm k. . WMarggrabowa 19K — * wasser. Neidenburg s 1. Altstadt r (Rega)
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Schivelbein Leobschütz Wang DOstrowo Samter Rudolstadt Nordhausen
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Nr. 1 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, berausgegeben im Ministezium der s fentlichen Arbeiten, vom 5. Januar, hat folgenden Inhalt: Kaiser Wilhelm-⸗Denkmal für die Rheinprovinz. — Straßenhochbahn nach dem Schwebebahn ⸗System Eugen Langen. — Die Figuren des Heidelberger Schlosses. — Be⸗ seitigung der Drehbrücke bei Hämerten und Einwechselung eines festen eisernen Ueberbaues. — Ueber die Sturmfluth vom 22 und 23. De⸗ zember 18941 an der Nordseeküste. — Vermischtes: Preisbewerbung für ein Geschäftshaus in Dresden. — Ehrenbezeigung für den Ge⸗ heimen Regierungs⸗Rath Berring in Koblenz. — Baurath Salbach in Dresden *.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Die in Preußen über ein der Kommune von der Kommunal⸗ Sparkasse gewährtes Darlehn ausgestellte Schul dverschreibung unterliegt, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Zivilsenats, vom 1. Oktober 18394, nicht dem im Reichs⸗Stempelgesetz vom 29. Mai 1885 für Anschaffungsgeschäfte vorgeschriebenen Stempel. — Die Stadtgemeinde Quedlinburg hatte aus der dortigen städtischen Sparkasse ein mit 37 0½ verzinsliches Darlehn von 500 000 S entnommen und hierüber eine . Schuldverschreibung“ ausgestellt. Die Provinzial⸗ Steuer⸗-Direktion erblickte in dem in dieser Schuldverschreibung enthaltenen Empfangsbekenntniß ein Anschaffungsgeschäft im Sinne der Ziff. 4A? des Tarifs zum Reichs⸗Stempelgesetze. Die Stadtgemeinde zahlte die danach von ihr geforderte Stempelabgabe zon 50 υν und erhob die vorbehaltene Rückforderungsklage. Sie erstritt in beiden Instanzen obsiegliche Urtheile, und die Revision des Steuerfiskus wurde vom Reichsgericht zurückgewiesen, indem es be— gründend ausführte: Die Sparkasse ist ein ‚Kommunal⸗Institut“, wie das Gesetz — das Reglement, die . des Sparkassen⸗ wesens betreffend, vom 12. Dezember 1838 — selbst sie bezeichnet, keine juristische Person. Die Annahme eines Rechtsgeschäfts zwischen der Gemeinde und der Sparkasse ist sonach von vornherein ausge⸗ schlossen. Die zum Zwecke der gehörigen Sicherstellung der Einlagen unter den Nummern 5— 3 des Reglements enthaltenen besonderen Bestimmungen betreffen durchweg innere Einrichtungen der Kom⸗ mune, und eine solche Einrichtung enthält auch die unter Ziffer 8 den Kommunen gestattete Entnahme von Darlehen aus den Sparkassenfonds“. Die Sparkasse ist aber keine von der Kommune verschiedene juristische Person, sondern, wie die „andern Kassen“, eine Kasse der Stadtverwaltung, welche nach den Ziffern 5 und 6 des Reglements, „damit nicht durch unordentliche Verwaltung die Sicher⸗ heit der Einlagen gefährdet werde, einen besondern, von andern Kassen unvermischt zu haltenden Fonds bilden muß“. Und aus diesem Spar⸗ kassenfonds der Stadtverwaltnng dürfen die Kommunen nach Ziffer 8 des Reglements zu neuen Bedürfnissen unter Genehmigung des Ober— Präsidenten „Darlehen entnehmen“. Dieses „Darlehen aus den Sparkassenfonds entnehmen“ ist kein Anschaffungsgeschäft, d. h. kein auf die Anschaffung des Cigenthums an fremden Sachen gegen Entgelt gerichtetes Rechtsgeschäft'. (81! 94)
— In Bezug auf 5760 111 des Preuß. Allg. Landrechts, wonach grobe und widerrechtliche Kränkungen der Ehre den Be— leidigten berechtigen, auf Ehescheidung zu klagen, hat das Reichs— gericht, IV. Zivilsenats, durch Urtheil vom 15. Oktober 1894 aus— gesprochen, daß diese Vorschrift einen böswilligen Angriff gegen die Ehre unter besonders erschwerenden Um ständen voraussetzt, daß sie die überlegte Absicht des beleidigenden Theiles erfordert, dem anderen Ehegatten die Achtung, worauf derselbe ver— möge seiner Verhältnisse Anspruch machen könne, zu ent⸗ ziehen und ihm dadurch einen bleibenden Schaden zuzu— fügen, daß aber eine Ehrenkränkung im Sinne des § 700 a. a. D. alsdann nicht vorliegt, wenn die Beleidigung in einem von dem einen Ehegatten an den anderen gerichteten Briefe erfolgt ist. .. Die überlegte Absicht, dem anderen Ehegatten die Achtung zu entzichen und ihm Schaden zuzufügen, ist nicht vorhanden, wenn die Beleidigung allein dem anderen Ehegatten gegenüber ausgesprochen ist, sodaß nicht andere Personen Zeugen derselben gewesen sind, und namentlich wenn die Absicht des beleidigenden Theiles, die Aeuße⸗ rung zur Kenntniß anderer Personen zu bringen, aus— geschlossen erscheinen muß, welches letztere alsdann der Fall ist, wenn die Aeußerung in einem an den anderen Ehegatten gerichteten Briefe enthalten ist. Dadurch, daß die Beklagte ihre Aeußerungen in einem an den Kläger gerichteten Brief niederlegte, hat sie zu erkennen gegeben, doß sie dieselben nur dem Kläger gegenüber abgeben wollte, nicht aber die Absicht habe, den Inhalt des Briefes auch zur Kenntniß Dritter zu bringen. Der Mangel der letzterwähnten Absicht kann aber dadurch nicht ersetzt werden, daß Kläger selbst diesen Brief im Prozesse vor⸗ gebracht hat. ( 109/94.)
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Die Nachtwächter gehören, nach einem Urtheil des Ober— Verwaltungsgerichts, 1II. Senats, vom 2. Mai 1894, im Sinne der preußischen Verwaltungsgesetze nicht zu denjenigen Polizeibeamten, welche nur zu mechanischen Dienstleistungen verwendet weren, sondern zu denjenigen Polizeibeamten, deren Obliegenheiten im wesentlichen in mechanischen Dienstleistungen bestehen. Die Nachtwächterstellen gehören demnach zu denjenigen, welche nach dem Gesetz vom 21. Juli 1852 den Militäranwärtern ausschließ⸗ lich vorbehalten sind, dagegen bedarf die Anstellung von Nachtwächtern in den Stadtgemeinden der Provinz Schleswia— Holstein (in welcher gesetzlich Gesetz vom 14. April 1369, 5§ 89 die Anstellung von Gemeinde⸗Poliüeibeamten, welche nur zu mecha⸗ nischen Dienstleistungen verwendet werden, nicht der Bestätigung der Regierung bedürfen) der Bestätigung des Regierungs⸗Präsidenten. — Der Magistrat zu Altona fante im Juli 1893 den Beschluß, sieben Reservewächter definitiv als städtische Nachtwächter anzustellen und von einer Einholung der Genehmigung des Regierungs Präsidenten abzusehen. Der Ober-Bürgermeister beanstandete diesen Beschluß, und die vom Magistrat auf Aufhebung der Beanstandungsverfügung erhobene Klage wurde vom Bezirksausschuß abgewiesen. Auf die Berufung des Magistrats bestätigte das Ober⸗Verwaltungsgericht die
Vorentscheidung, indem es begründend ausführte: 5 89 Abs. 2 Gesetzes vom 14. April 1869: . 2 re
„Diejenigen von der Gemeinde anzustellenden Polizeibeamten welche nur zu mechanischen Dienstleistungen verwendet werden,; bedürfen der Bestätigung der Regierung nicht — ;
statuiert eine Ausnahme von der Rechtslage in den altländischen Provinzen. Während die Städteordnung vom 19. November 1508 und die Allerhöchste Kabinetsordre vom 17. März 1831 das An. stellungsrecht der Magistrate in den Grenzen der §§ 157 bezw. 6 anerkannten, hatte das Gesetz über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 eine bewußte Einschränkung herbeigeführt durch die Bestimmung in § 4:
Die Ernennung aller Polizeibeamten, deren Anstellung den Gemeindebehörden zusteht, bedarf der Bestätigung der Staatz. regierung.“
und zwar in Ausführung des im § 1 an die Spitze gestellten Grund. satzes, daß die örtliche Pelizeiverwaltung im Namen des Königs geführt werde. Dieses Bestätigungsrecht für alle . ist auch durch die Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen der Monarchie vom 30. Mai 1853 nicht berührt worden. — Die Nacht- wächter sind Beamte, welche sowohl der Sicherheitspolizei im allge— meinen, als der Feuerpolizei insbesondere zu dienen und in beiden Ce. ziehungen aus eigener Initigtive einzuschreiten haben. Ohne freies Ermessen zu üben, würden sie ihr Amt gar nicht verwalten können; so haben sie unter anderem über die vorläufige Festnahme im Fall des 5 127 der Straf-Prozeßordnung zu befinden. Durch diese Be—⸗ rufung zu einem auf öffentlich rechtlichem Gebiet sich bewegenden, jeden- falls Urtheilsfähigkeit und selbst ein bescheidenes Maß von Gesetzes— kenntniß erheischenden Handeln nach freiem Ermessen unterscheiden sich derartige exekutive Pelizeibeamte immerhin wesentlich von solchen Dienern, welche, wie Wärter, Boten, Ofenheizer, Pförtner und dergl. sich lediglich in einem Kreise von auftragsgemäß vorzunehmenden geringen Hilfsleistungen bewegen. Die Nachtwächter, um deren An— stellung es sich handelt, können also nicht zu denjenigen Poligzei— beamten gejählt werden, welche nur zu mechanischen Dienst⸗ leistungen verwendet werdens... Das Gesetz vom 21. Juli 1892 steht in gar stätigungsfrage, sondern . lediglich den Zweck, den Kreis der den Militäranwärtern vorbehaltenen iger zu fixieren. Wenn es dabei den in den Städteordnungen bezüglich der Anstellungsbedingungen vorkommenden Ausdruck von Beamten, welche nur zu mechanischen Dienstleistungen verwendet werden, in der veränderten Form von im wesentlichen' mechanischen Dienstleistungen anwendet, so werden jene Klassen zwar umfaßt, aber auch zugleich erweitert und damit den Militäranwärtern eine größere Zahl von Stellen zugewendet, ent⸗ sprechend der vorher erörterten Tendenz des Gesetzes.“ (II. 666)
Statistik und Volkswirthschaft.
Alters- und Invaliditätsversicherung.
Bei der Invaliditäts- und Altersversicherungs ⸗Anstalt Berlin sind im Laufe des Vierteljahrs Oktober / Dezember 1894 167 Anträge auf Gewährung von Altersrente eingegangen; aus der Zeit vor dem 1 Oktober 1894 lagen noch 37 Anträge vor, hinsichtlich deren die Entscheidung noch ausstand. Von diesen 204 Anträgen sind bewilligt 143, abgelehnt 32, anderweit erledigt 3 und unerledigt auf das fol⸗ gende Vierteljahr übernommen 26. Bis zum 31. Dezember 1894 waren insgesammt bewilligt an Altersrenten 2713. Von diesen sind ausgeschieden durch Tod 390, aus anderen Gründen 42, zusammen 432, sodaß am 1. Januar 1895 2281 Altersrentenempfänger vorhanden waren.
Innerhalb des gleichen Vierteljahrs sind 353 Anträge auf Ge— währung von Invalidenrente eingegangen und 153 unerledigt aus dem Vorvierteljahr übernommen. Von diesen 506 Invalidenrenten« Anträgen sind 276 bewilligt, 121 abgelehnt, 19 anderweit erledigt, 90 unerledigt auf das folgende Quartal übernommen worden. n Invalidenrenten sind bis zum 31. Dezember 18394 überhaupt 1468 be— willigt worden. Ausgeschieden sind inzwischen durch Tod 247, aus anderen Gründen 21, zusammen 268; mithin war am 1. Januar 1895 ein Bestand von 1200 Invalidenrenten⸗Empfängern aufzuweisen.
— Bei der Versicherungsanstalt Baden sind kim Monat Dezember 1894 194 Rentengesuche (55 Alters und 138 Invaliden rentengesuche) eingereicht und 160 Renten (45 4 115) bewilligt worden. Es wurden 30 Gesuche (9 4 21) abgelehnt, 1066 (31 4 75) blieben unerledigt. Außerdem wurden im schiedsgerichtlichen Verfahren zu—⸗ erkannt: — Alters- und 3 Invalidenrenten.
In den einzelnen Jahren seit 1. Januar 1891 sind bewilligt worden:
im ganzen 2643 1520 1766 2002
Altersrenten Invalidenrenten 1891: — 1892: l 705 1893: . 1094 1894: 360 1398 Renten zusammen 47354 31897 79351 Von diesen 7931 Renten kamen wieder in Wegfall 2044 (1101 — 9843, sodaß auf 1. Januar 1895: 5887 Rentenempfänger vorhanden sind (3633 Alters, und 22654 In validenrentner). Verglichen mit dem 1. Dezember 1894, hat sich die Zahl der Rentenempfänger vermehrt um 86 (9 Alters⸗ und 77 Invalidenrentner). Die Rentenempfänger beziehen Renten im Gesammtjahresbetrage von 736 648 M 36 3 (mehr seit 1. Dezember 1394 10 643 4 12 9). Der Jahresbetrag für die im Monat Dezember bewilligten 45 Alters—⸗ renten berechnet sich auf 5752 M 20 4 und für 118 Invalidenrenten auf 14 448 M 60 „, somit Durchschnitt für eine Altersrente 127 „ 83 und für eine Invalidenrente 122 M 45 5. (Für sämintliche bis 1. Januar 1894 bewilligten Renten betrug der durchschnittliche Jahresbetrag einer Altersrente 128 S 93 3, einer Invalidenrente Ii M 13 33
Wohlfahrtseinrichtungen für Arbeiter.
Die Arbeiter der Württembergischen Metallwaaren⸗ fabrik wurden zu Neujahr durch eine Stiftung des Geheimen Kommerzien⸗Raths Siegle in Stuttgart, Vorsitzenden des Aufsichts⸗ raths der genannten Gesellschaft, erfreut. Die Stiftung beträgt, wie dem St. A. f. W.“ aus Gaislingen geschrieben wird, 60 0600 4A; ihr Erträgniß wird voraussichtlich für Kranke und Erholungsbedürftige verwendet werden — unbeschadet der Leistungen der Krankenkasse und des Unterstützungsfonds.
Zur Arbeiterbewegung.
Hier in Berlin haben, wie der „Vorwärts“ berichtet, die Metalldrücker in der Metallwaarenfabrik von Lewy u. Söhne infolge von Lohnabzügen die Arbeit niedergelegt.
In Birmingham wurde am Dienstag die Jahreskonferenz des Bundes der Bergleute von Großbritannien eröffnet. Die Delegirten vertreten 180 09000 Arbeiter. Der Parlamentsabgeordnete Wil son verlas eine Eröffnungsansprache des erkrankten Präsidenten Pickard. Die Rede erwähnte der guten Folgen, die der Ver⸗ söhnungsrath bei dem letzten großen Ausstande gehabt habe. Auf fast zwei Jahre sei der Friede jetzt wenigstens verbürgt.
Aus Amsterdam wird dem „Vorwärts über die dortige Bäckerbewegung geschrieben: Die Lohnbewegung der Bäckergesellen, die im November v. J. mit einem siegreichen Ausstand ansing, ist jetzt mit einer Niederlage (der Arbeiter) beendet. Unmittelbar nach dem Ausstande holten die Arbeitgeber Zuzug aus der Provinz und entließen nach und nach die Ausständigen, in einigen Wochen mehr als 80 Gesellen. Die organisierten Gesellen versuchten einen neuen Ausstand, doch folgten die eingeschüchterten Arbeiter nicht. Nur in drei Fabriken war das Personal einstimmig. Im ganzen zählt man jetzt 139 Ausgeschlossene. Diese werden eine Hesellen⸗Bäckerei gründen, wenn das nöthige Kapital zu beschaffen ist.
keinem Zusammenhang mit der Be⸗
Aus Buenos Aires meldet W. T. B.: Durch einen Aus— stand der in der Küstenschiffahrt beschäftigten Verlader und See. leute ist der Verkehr im hiesigen Hafen völlig lahmgelegt.
Kunst und Wissenschaft.
4 Die Münchener Künstlervereinigung der Vier- undjwanzig hat gegenwärtig im Kunstsalon von Eduard Schulte eine Sonderausstellung veranstaltet. Von den Be— gründern des Vereins vermissen wir diesmal mit Bedauern L. Dill, den virtuosen Maler venetianischer Kanalveduten, Friedrich Fehr, den Thiermaler Hubert von Heyden, Albert Keller, den genialen Bildhauer Rudolf Maison, . Schlittgen, Trübner, Oppler und andere, für die als Erfatzmänner Franz Stuck, Hierl⸗Deronco, Keller⸗Reutlingen, Alexander, Landenberger, Thomas und die Bildhauer H. Hahn und Joseph Floßmann eingetreten sind. Die Gesammtphysiognomie der Ausstellung hat dadurch einigen Reiz eingebüßt. Besonders schwer waren die Bildhauer Maison und Oppler zu ersetzen. Hahn ist ein Künstler von recht beachtenswerther Begabung; glückliche, scharfe J und enertische Ausführung vereinigen sich in seinen Bronzerelie orträts zu eindrucksvoller irkung; eine lebendig auf⸗ gefaßte Marmorbüste und ein flott modellterter Thonkopf zeigen den Künstler in allen bildnerischen Techniken gewandt. Ein humoristischer Glühlichtständer Prometheus im Frack — ist ein witziger Einfall, aber der Virtuosität im Technischen, wie dem köstlichen . Humor der Auffassung Rudolf Maison's lassen sich diese Leistungen nicht ver= gleichen. Auch J. Floßmann 's Brenzebüste des Porträtmalers Samberger ruft den Vergleich mit Oppler's Büste Hubert von Heyden s nicht zu ihren Gunsten hervor. Die weibliche Halbfigur Hugo Kaufmanns ist eine solide, fein charakterisierte Arbeit, ohne doch besonders tiefen Eindruck zu machen.
Der Führer unter den Malern der Künstlergruppe Fritz von Ubde läßt in seiner in grünlichem Gesammtton gehaltenen Flucht nach Egypten die Intimität der Empfindung, die seine legendarischen Darstellungen sonst auszeichnet, vermissen. Wie die Farbenhaltung, ist auch die Auffassung des Vorganges nicht im Chronikenstil gehalten. Die Staffage der heiligen Familie tritt zurück hinter die in zarte Nebelschleier gehüllte Waldlandschaft. Der Künstler verzichtet auf das ihm sonst so einzig zur Verfügung stehende Mittel, die Gestalten der heiligen Geschichte in persönliche Beziehung zum Beschauer zu seßen. Auch Habermann's mystisch verzückter Kopf einer Heiligen wendet sich ausschließlich an den malerischen Gourmet, der Charakter einer interessanten Studie über⸗ wiegt. Franz Stuck, der dem Klub der Vierundzwanzig erst neuerdings beigetreten ist, hat sich nur mit zwei kleineren Arbeiten an der Ausstellung betheiligt: einem leidenschaftlich erregten Frauen⸗ kopf in Kreide, aus einem Zuge geschaffen, und einem zierlich durch— , . schlichten Mädchenbildniß, das auch in dem primitiven Konturstil und der subtilen Technik den Charaktergegensatz beider Ge— stalten mit künstlerischemn Bewußtsein durchführt. Freilich genügen beide Proben nicht, um Stuck's großes Talent zu repräsentieren, so wenig wie Ecter's kleine Landschaft aus der Rheinpfalz ein richtiges Bild von der Bedeutung ihres Schöpfers zu geben vermag. Auch Gotthardt Kühl hat bedeutsamere Leistungen aufzuweisen als jenes Kircheninterieur, das kaum zu seinen 161 Arbeiten zu zählen sein dürfte, Joseph Block, der für die erste Ausstellung der Vierund⸗ zwanzig in Berlin mit besonderem Eifer gewirkt und erst unlängst bei Schulte eines seiner novellistisch zugespitzten Sittenbilder ausgestellt hatte, ist diezmal nur als Bildnißmaler erschienen. Von den ungleichartigen Porträts erhebt sich zu tieferer Charakteristik nur dasjenige des Schauspielers Kainz, während die Damenbildnisse meist im koloristischen Problem stecken bleiben. Von diesem halb dekorativen Standpunkt verdienen auch die malerisch vornehmen Bildnisse von Reinhold Lepsius lebhafte Anerkennung; dieses Zusammenstimmen von Gesichtsausdruck, Haltung und Umgebung auf einen, freilich manch⸗ mal etwas müden Ton, kommt besonders in dem großen Frauenporträt von L. das nur durch ungünstige Aufstellung und dadurch bedingte perspektivische Verschiebungen etwas beeinträchtigt wird, vortheilhaft zur Geltung. Ein kleines Kabinetsstück verdient das Kostümbild ge— nannt zu werden, das des Künstlers Gattin, eine Tochter des unlängst verstorbenen Professors Graef, als japanische
Gärtnerin darstellt. Hier verlangt der Beschauer nicht, jenen Nachdruck auf geistige Charakteristik gelegt zu sehen, den er in den eigentlichen Porträts 's hier und da vermißt. Rein koloristisch faßt auch der Uhdeschüler F. Alexander seine Aufgabe als Porträt— maler, und zwar im Sinne extremer Freilichtmalerei, die ein Frauen⸗ porträt vielen Besuchern der Ausstellung zum Räthsel macht, während A. in der Studie eines zeitunglesenden Mädchens beweist, wie viel Gutes er von seinem Meister auch in Bezug auf Charakteristik gelernt hat. Auch die flüchtige, aber fein beobachtete Studie eines Pariser Boulevardiers von Alexander ist in dieser Beziehung dem erstgenannten Damenporträt entschieden überlegen. Sehr schwer macht auch C. Landen berger der Kritik die Aufgabe, zwischen seinen Absichten und den künstlerischen Vorbegriffen des Publikums ju vermitteln. Zweifellos steckt in seinem Freilichtbild . Badende Knaben“ ein tüchtiges Talent, aber die Schlacken der Sturm- und Drangperiode hat der jedenfalls jugendliche Künstler noch nicht abge⸗ worfen. Dagegen läßt sich in zwei Arbeiten von Charkes Vetter ein wire l Fortschritt der Entwickelung deutlich wahrnehmen. Von jenen Interieurstudien, die schon auf früheren Ausstellungen den Beschauer nicht recht zur Klarheit über Können und Wollen ihres Schöpfers kommen ließen, bis zu dem flott und farbenfrisch hinge— malten Blick auf eine Münchener Straße ist in der That ein be⸗ deutender Schritt. Interieurs mit pikanter Farbenwirkung im Stil
Lesser Ury's hat Hans Borchardt, feine Gouachen mit Motsven
aus der modernen Großstadt⸗Gesellschaft Friedrich Wahle beigefteuert. Für den diesmaligen Ausfall an Tandfchaften don W. Trübner entschädigen die Bilder von Benno Becker und Keller-Reutlingen, die dem älteren Genossen jweifelloß mehr Anregung verdanken, als ihrer Selbständigkeit jut ist, nur theilweise. Dagegen ist in Victor Thomas dem Bunde der Vierundzwanzig ein frisches Farbentalent beigetreten, der in seinen kleinen Landschaftsbildern unbekümmert um irgendwelche
Vorbilder seine eigene Naturanschauung ju Worte kommen läßt.
Schließlich sei noch als eines neuen Klubmitgliedes Stto Hierl⸗ eronco's gedacht, dessen buntfarbiges Frauenporträt auf starke, aber nicht gerade feine Gffette , ist.
So ist das Bild der diesmaligen Ausstellung der Vierundzwanzig nicht ganz so einheitlich und eindrucksvoll, wie bei der ersten Aus= stellung; gleichwohl repräsentieren die dargebotenen Leistungen ein ansebnliches Kapisal an künstlerischer Kraft, zumal, wenn man berück—⸗ sichtigt, daß die hier vertretene Künstlerschaar doch nur e nen kleinen Bruchtheil der Münchner Künstlerschaft darstellt. ; .
Im elektrisch erleuchteten Vordersaale der Schulte'schen Kunst— handlung, die für die gebotenen Anregungen des Bankes der Berliner Kunstfreunde sicher sein darf, sind zahlreiche Porträts von G. Sauter in London zu einer Sonderausstellung vereinigt, ausgezeichnet durch
e breite energische Pinselführung, die mit? einfachen Mitteln oft sehr . Wirkung erzielt. Nur vertragen zarte präraphaelitisch auf⸗ eie rauengestalten, wie die beiden weißgekleideten Damenbildnisse atthun, diese derbe Technik nicht, da derfelben ein Hauptreiz, die zierliche feinempfundene Linienführung, fehlt.
Oiren Der Verein Berliner Künstler wählte gestern, da
e er von Werner die Wiederwahl aus Gesundheitsrücksichten ab, Eeehnt hat6, den Landschafts. und Marinemaler Professor Ernst dörner jum Vorsitzenden. Die übrigen Mitglieder des Vorstandes wurden in Men, der Humboldt-Akademie, deren bisher eröffnete Ie trage y len und Unterrichtskurse sich größtentheils eines sehr zahl— ichen Hesuchs erfreuten, beginnen morgen noch folgende Vor— be . . . und Damen (der erste Vortrag jedes Cyclus ze, rh iihftth; In H'. Gror geh stzaze chi. 7 , lib bende
ofefsor Pr. S. Dziober Elementar. Mathematik II, 7 bis S Professor
Pr. S. Buchholtz, italienische Grammatik, 8 bis 9 Uhr Dozent E. F. Frey, Goethe's , in seinen prosaischen Meister⸗ werken; Dozent G. Duncan, M. A. Bellamp's Looking Backward '. (Der Cyelus von Dr,. Botho Graef, griechische Literatur, beginnt wegen Trauerfalls erst am Freitag, 18. Januar.) In W. Lützowstraße Sad, beginnen morgen Abend: 6 bis? 7 Uhr Dojent Ch. Marelle, Cours de prononciation frangaisè: bis 8 Uhr Dr. Ad. von Hanstein, Die Zeit des jungen Goethe' Alles Nähere enthalten die Programme, die an den bekannten Siellen unentgeltlich ausgegeben werden. — Am Sonnabend, Abends 3 Uhr findet der 4. Wissenschaftliche Abend RW. Dorotheen straße 4, 2 Treppen, statt, mit Vortrag von Professor Dr. S. Herrlich: „Die Bedeutung der antiken Kunst für den Unterricht“; hierauf Disputation an der Hand gedruckter Thesen. Karten für Nichtmitglieder in den Bureaux: Zentralhotel, Laden 14, und Potsdamerstraße 116.
— Der Direktor des Polytechnikums in München, Professor Karl Haushofer ist lauf Meldung des W. T. B. vom gestrigen Tage gestorben.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
ö . Cbolera. . Oesterreich⸗ Ungarn. In Galizien wurden dem „Oest. San; W. zufolge vom 25. bis 30. Dezember 1894 56 Erkrankungen und 31 Todesfälle amtlich gemeldet. Insgesammt beträgt die Zahl der vom 7. April bis 30. Dezember 1594 in Galizien festgestellten 9 14975, diejenige der Todesfälle 8238.
Rußland. Vom 8. bis 22. Dezember 1894 wurden dem Medizinal · Departement folgende Cholerafälle angezeigt: In Lomza sind vom 2511. bis 1.513. erkrankt 3, gestorben 5; Petrikau vom 35 11 bis 15.12. 60 bezw. 31; Grodno vom 25.11. bis 8. 12. 61 bezw. 35; Kowno vom 25. 11. bis 15.12. 40 bezw. 27; Kurland vom 18/11. bis 1.12. 2 bezw. 1; Wilna vom 25.11 bis 15/12. 19 bezw. 9; Lublin vom 18.11. bis 8. si2. 26 bezw. 9, Wolhynien vom 26.11. bis 8/12. 32 bezw. 26 Podolien vom 25.11. bis 15.12. 763 bezw. 286; Bessarabien vom 25.11. bis 15/12. 8 bezw. 29; Taurien vom 25. 11. bis 8./ 12. 5 bezw. 3; Kiew vom 25./1I. bis 8/12. 61 bezw. 30; Tschernigow vom 25. /11. bis 8/12. 18 bezw. 4; Mohilew vom 25.11. bis 8/12. 41 bezw. 13; Minsk vom 25. 11. bis 15712. 24 bezw. 106; Witebsk von 26/12. bis 8 / 12. 39 bejw. 16; Pskow vom 25. 1I. bis . bezw. 1; Olonez vom 18.11. bis 2411. 7 bezw. 4; Jaroslaw vom 26.11. bis 8. / 12. 6 bezw. 1; Rjäsan vom 25.11. bis 8 /I2. 27 bezw. 16; Kursk vom 212 bis 8. 12 5 bezw. 3; Jekaterinoskaw vom 25.1. bis 8/12. 9 bezw. 4; Tiflis vom 1811. bis 1.12. 10 bejw. 2; Baku vom 11.1. bis 8. 12. 8 bezw. I; Saratow vom 25. Il bis 817. 15 bezw. 7; Tambow vom 25.11. bis 8./12. 3 bezw. 3. Neueren amtlichen Nachrichten zufolge sind im Gouvernement Petrikau vom 16. bis 25. Dezember 1894 4 Eikrankungen und 1 Todesfall angezeigt worden.
Riederlande. Einer Mittheilung vom 30. Dezember 1894 zufolge sind seit dem 8. Dezember Cholerafälle nicht bekannt geworden.
Ostindien. Kalkutta. Vom 10. bis 16. November 1894 starben 19 Personen an Cholera.
Argentinien, Nach einer Mittheilung vom 29. Dezember 1894 ist die asiatische Cholera in der Provinz Santa Fe mit bisher vereinzelten Fällen aufgetreten. In Buenos Aires sind cholera⸗ verdächtige Erkrankungen vorgekommen.
Flecktyphus. Reg. · Bez. Marienwerder. In Cielenta (Kreis Strasburg) sind in der ersten Hälfte des November v. J. 2 weitere Mitglieder der früher erwähnten Familie erkrankt.
; Der Gesundheitsstand in Berlin blieb in der Woche vom 23. bis 29. Dezember v. J. ein günstiger und die Sterblichkeit eine niedrige (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 147). — Unter den Todesursachen kamen akute Entzündungen der Athmunggorgane. immer noch sehr häufig zum Vorschein, doch wurde der Verlauf im allgemeinen ein milderer und die Zahl der durch sie bedingten Sterbefälle kleiner. Dagegen kamen Erkränkungen an Grippe etwas seltener zur Meldung, doch wurden noch 4 Todes⸗ fälle infolge von Grippe mitgetheilt. Akute Darm krankheiten blieben in beschränkter Zahl Todesursache; die Theilnahme des Säuglingsalters an der Gesammtsterblichkeit war eine sehr geringe: von je 10 600 Leben⸗ den starben, aufs Jahr berechnet, 33 Säuglinge. — Das Vorkommen der Infektionskrankheiten war meist ein etwas selteneres als in der Vor- woche; nur Erkrankungen an Scharlach waren unwesentlich vermehrt. Am häufigsten zeigten sich Masern im Stralauer Viertel, während das Scharlachfteber aus der jenseitigen Louisenstadt, Erkrankungen an Diphtherie aus dem Stralauer Viertel, der Rosenthaler Vorstadt, aus Moabit und aus dem Wedding am . zur Anzeige kamen. Erkrankungen an Typhus blieben selten. An Kindbettfieber kamen 3 Erkrankungen zur Kenntniß. Rosenartige Entzündungen des Jell— gewebes der Haut wurden etwas weniger beobachtet. Erkrankungen an Keuchhusten gelangten etwas mehr zur ärztlichen Behandlung. Häufig waren rheumatische Beschwerden aller Art, insbesondere kamen a, Gelenkrheumatismen in gesteigerter Zahl zur ärztlichen Be— andlung.
Handel und Gewerbe.
Der Ausweis der Reichsbank vom 7. Januar zeigt bei einem gesammten Kassenbestand von 1053 397 000 S gegen Ende Dezember 1894 eine Zunahme von 12043 000 ; der Metallbestand für sich hat sich in der letzten Woche um 10 627 000 6 vermehrt. Die An⸗ lagen in Wechseln mit 58 296 000 6 zeigen eine Abnahme bon 44 435 009 1, die Anlagen im Lombardgeschäft mit 89 974 000 eine Abnabme um 10 406 9009 46, zusammen beträgt also die Ab— nahme dieser Anlagen 54,8 Millionen Mark. Der Notenumlauf hat sich um 47 192 009 A auf 1164 040 9000 ½ ermäßigt und die fonstigen täglich fälligen Verbindlichkeisen (Girokonto) von 433 g66 000 *, haben sich um 1 384 000 S vermindert.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks
an der Ruhr und in Oberschlesien.
An der Ruhr sind am 9. d. M. gestellt 1 425, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.
In Oberschlesien sind am 8. d. M. gestellt 4918, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. . , , , ,
Beim Königlichen Amtsgericht! Berlin stand am 9. Ja⸗ nuar zur Versteigerung das Grundstück: Post str. 1, Lönigstr. 1-6 und Burgstraße 7 . Alte Post ‘, dem Kaufmann Ott o Schincke gehörig; Fläche 4,85 a; Nutzungswerth 85 500 M; Mindestgebot 28893 200 AM; Meistbietender blieb der Kaufmann Fedor Berg, Königgrätzerstr. ́, mit dem Gebot von 3170 009 4A
Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen zur Versteigerung; Das im Grundbuch von Steglitz Band 37 Blatt Nr. 1156 auf den Namen des Fuhrherrn F. Peiruschke zu Rix—⸗ dorf, Berlinerstraße 42, eingetragene, zu Steglitz, Straße 15, be⸗ legene Grundstück; Fläche 6,98 a; Mindestgebot 590 M; für das Meistgebot von 71 000 M wurde der Schmiedemeister Hein. rich Braschwitz zu Berlin. Wrangelstraße 32, Ersteher. — Das im Grundbuch von Groß-⸗Lichterfelde Band 59 Blatt Nr. 1779 auf den Namen des Zimmermeisters Wilhelm Kulisch eingetragene, zu Groß -TLichterfelde, Straße 6. belegene Grundstuͤck; Fläche Sol a; Mindestgebot 410 4; für das Meistgebot von 33 300 ½ wurde der Kaufmann Hermann Franke zu Groß ⸗Lichterfelde, Schillerstr. 25, Ersteher. — Endlich das ju Deut sch⸗Wilmers do rf Band 386 Blatt Nr. 1094 auf den Namen des Malermeisters Th. Rieß und des Restaurateurs Herm.
Brandt eingetragene, zu Deutsch.Wilmers dorf, Uhlandstr. 67,
belegene Grundstück; glche 6,69 a; fur das Meistgebot von 129 000
3. der Zimmermeister Aug. Pohl zu Berlin, Flemmingstr. 5, eher.
— Das Gewerbeblatt aus Württemberg“, welchen von der Königlichen Zentralstelle für Gewerbe und Handel in Stutt- 8 herausgegeben wird, hat in der Nr. 1 vom 5. Januar folgenden
nhalt: An die Leser des Gewerbeblattes. — Ausstellung für Kunst⸗ gewerbe und Elektrotechnik Stuttgart 18956. — Das Lehrlingsprüfungs⸗ wesen in Württemberg. — Apparat zur Weichmachung und Reinigung des Wassers für industrielle Zwecke. — Verschiedene Mittheilungen. Gebrauchs musterschutz. — Abendkochschulen für Fabrikarbeiterinnen in Barmen. — Reinigen von Speise⸗ und Schmieröl durch Elektrizität. Betrieb elektrischer Klingeln mit Beleuchtungsstrom. — Angelhaken.) — Gewerbliche Rezepte. — Mittheilungen aus dem Vereinsleben. (Handels und Gewerbeverein Biberach = Literarische Erscheinungen. Neue Erwerbungen für die Bibliothek der Königlichen Zentralftelle für Gewerbe und Handel. — Frequenz der Sammlungen der Zentral; stelle. — Fragekasten. ᷓ
— Das „Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hef en“, Zeitschrift des Landes gewerbvereins, hat in der Rr. 1 vom Janugr 1895 folgenden Inhalt: Die Verwendung des Leuchtgafes zum Kochen und Heizen. — Der Kork und seine Verwendung. — Aus den Ortsgewerbevereinen. Alzey. Babenhausen. Darmstadt. Flonheim. Heppenheim. Langen. Pfungstadt. Roßdorf. Wimpfen. — Verschiedene Mittheilungen. Patente von im Großherzogthum Hessen lebenden Erfindern. Zum Schutz ausgedehnter Massen von Holzwerk. Der Zolltarif der Vereinigten Staaten. Kleinere industrielle
ittheilungen. — Literatur. Ernst Joachim Frühauf. Grundriß der allgemeinen Waarenkunde.
Königsberg, 9. Januar. (W. T. B.) Weizen flau. Roggen unverändert, do. pr. 2000 Pfd. Zoll⸗ gewicht 106-107. Gerste unverändert. Hafer matter, do. loko . ,, 104,00. Weiße Erbsen pr. 2000 Pfd. Zollgewi L.00. Spiritus pr. 100 1 100 0½ loko 313 ; Frübjahr 32 Gd. ; ĩ 1
Magdeburg, 9. Januar. (W. T. B.) Kornzucker exkl., von neue 9g, 6 — g, 15. Kornzucker exkl., 38 ο Rendement 8,55 — 8,65, neue 8,60 = 8,75. Nachprodukte erkf. 75 oo Rendem. 5,75 — 6.45. Etwas besser. Brotraffinade ! — — Brot⸗ raffinade I — . Gem. Raffinade mit Faß 20, 25 — 21,50, Gem. Melis 1 mit Faß — — Ruhig. Rohzucker J. Produkt Tranfito f. a. B. Hamburg pr. Januar 8,729 Gd., 8, 80 Br., pr. Februar 8, 7 bez., 8.30 Br., vr. März 8, 89 Gd., 8, 85 Br., pr. April. Mai 8,90 Gd., 8, 95 Br. Ruhiger.
Leipzig, 9. Januar. (W. T. B.) Kammzug-Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Januar 2.5777 „, pr. Februar 2,77] 66, pr. März 2, so 0, pr. April 2.80 Mν, pr. Mai 2828 „M, vr. Juni 2, 8nĩ S, pr. Juli 2873 M, pr. August 2,873 A, pr. September 290 M, pr. Oktober 290 , pr. November 923 4, pr. Dezember 2923 Mn Umsatz 25 006 Fg. .
Getreidemarkt.
Zuckerbericht.
92 9,6 —,
Verkehrs⸗Anstalten.
Zur Beförderung von Briefen und Postpacketen nach Deutsch⸗Südwest⸗Afrika bietet der am 51. Januar von Ham⸗ burg dahin abfahrende Postdampfer eine günstige Gelegenheit. Die betreffenden Sendungen müssen mit dem Leitvermerk über Ham. burg mit direktem Dampfer versehen sein. Postpackete sind bis zum Gewicht von 5 kg zur Mitbeförderung zulässig; das Porto, welches auf 3 M 50 4 festgesetzt ist, muß vom Abfender voraus- bezahlt werden. ;
Bremen, 9. Januar. (W. T. B. Norddeutscher Lloyd. Der Reichs Postdampfer Hohenstaufen“ hat am 7. Januar Nachmittags die Reise von Suez nach Aden fortgesetzt. Der Reichs⸗ Postdampfer Karlsruhe“ ist am 7. Januar Vormsttags in Sue; angekommen.
— 10. Januar. (W. T. B.) Der Reichs⸗Postdampfer Sach sen“ bat am 8. Januar Nachmittags die Reise von Genug“ nach Southampton fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer Karlsruhe“ hat am 8. Januar Morgens die Reise von Port Said nach Neapel fortgesetzt. Der Postdampfer Stuttgart“ hat am J. Januar Nachmittags Dover passiert. Der Postdampfer ‚Lancelo?“ hat am 9. Januar Morgens Vlissingen passiert. Der Reichs⸗-Post⸗ dampfer Danzig“ hat am 9. Januar Nachmittags St. Eatha— rin es Point pafsiert. Der Postdampfer Welingr“ hat am J. Januar Nachmittags Lizard passiert. Der Postdampfer Stra S⸗ burg“ ist am 5. Januar und der Postdampfer München“ am 6. Januar in Montevideo angekommen.
London, 9. Januar. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer Methyren Castle“ ist am Montag auf der Ausreife von Mauritius abgegangen. Der Castle⸗ Dampfer, Venice“ ist heute auf der Ausreise in Durban angekommen. Der Castle⸗Dampfer »Harlech Castle“ ist heute auf der Heimreise von Kapstadt abgegangen. Der Union⸗Dampfer Scot' ist am Mittwoch auf der Ausreise von Madeira abgegangen. —
Theater und Musik.
Königliches Opernhaus.
Die Rolle des Faust in Gounod's Oper Margarethe“ sang gestern Abend Herr Ben Davies als Gast. Im ersten Akt, beim Vortrag des großen Monologs, vermochte das zarte Organ mit der Kraftentfaltung des Orchesters nicht immer Schritt zu halten; daher gestaltete sich die Wirkung dieser Scene weniger ein⸗ dringlich, als die hohe Sangeskunst des aus den von ihm hier ge— gebenen Konzerten vortheilhaft bekannten Gastes erwarten ließ. Um so eindrucksvoller traten die Vorzüge seiner Stimmmittel in der großen Gartenscene hervor; hier zeigte sich Herr Ben Davies als ein hervorragender lyrischer Sanger, dessen wohllautendes Organ tadellos allen Anforderungen entspricht und eine ungewöhnliche Biegsamkeit und Ausdrucksfäbigkeit besitzt. Die Stimme behielt in allen Tonlagen einen jugendfrischen, schinel;enden Klang, da der Sänger auch bei stärkerer Tonentfaltung nie das Schönheitsmaß überschreitöt. Sein Vortrag ist beweglich und empfindungsvoll, besonders in den Momenten, in denen er dem Faust die sieghafte Miene des zärtlichen und galanten Liebhabers verleiht. icht ebenso glücklich war die äußere Erscheinung des Darstellers. — . Hiedler sang gestern die Margarelhe mit glänzendem
elingen; sie überraschte fast durch die Pracht und Fülle des Tons und die Innigkeit des Vortrags. Jie Herren Mödlinger (Mephistopheless und Fränkel (Valentin) sowie die Damen Rot a. (Siebel) und Lammert (Marthe) boten ebenfalls lobens⸗ werthe Leistungen.
Konzerte.
In seinem gestrigen ‚„Chopin⸗Abend' im Saal Bechstein gab err Warm! r von Pachmann aufs neue . ,. hervorragenden Befähigung für die richtige Vortragsweise der Werke dieses Meisters. Die vollkemmene Beherrschung aller technischen Schwierigkeiten ist es nicht allein, sondern auch das tiefe Eingehen in alle Feinheiten Chopin's, was seinem Spiel einen unwiderstehlichen Zauber verleiht. Die B-moll-Sonate mit dem Trauermarsch, das Felten gehörte Konzert ⸗˖ Allegro (Cp. 46), die Polonaise op. 40 Nr. 2, jwei Etuden, das dritte Scherzo, die Phantasie (op. 49) und einige kleinere Stücke wurden von den zahlreich erschienenen Zuhörern mit rauschendem Beifall aufgenommen. Auch an Wiederholungen und Zugaben ließ es der unermüdliche Künstler nicht fehlen.
Im Kenzertsaal des Tlubhauses (Potsdamerstraße 9) ließen sich zu gleicher Zeit drei Künstler aus Dresden zum ersten Mal vor
dem hiesigen Publikum hören. Die Sängerin Fräulein Manja Frejtag