1895 / 14 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 17 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

gänzung der Einnahmen in diesem Etat, zur verfassungs mäßigen Be⸗ schlußfassung zu überreichen, bitte ich das hohe Haus um die Er⸗ laubniß, diesen Etat mit einigen allgemeinen Bemerkungen vorab be⸗ gleiten zu dürfen, ehe ich auf die Begründung der Veranschlagung im einzelnen eingehe. .

Der gegenwärtige Etat hat sehr wesentliche Umgestaltungen erfahren, in einem Maße, wie es seit langen Jahren nicht vor⸗ gekommen ist. Diese Umgestaltungen resultieren wesentlich aus den Konsequenzen der Durchführung der Steuerreform in Staat und Gemeinde, welche dieser Etat zieht, und aus der erheblichen Um⸗ gestaltung der Verwaltung der Eisenbahnen. h

Wir geben in diesem Etat vom 1. April dieses Jahres ab nicht weniger als 108 626 800 M an staatlichen Steuereinnahmen auf, und zwar die Einnahmen von der Grundsteuer, der Gebäudesteuer, der Gewerbesteuer und von der Bergwerks⸗ abgabe. Dagegen sind die Ausgaben, welche der Verwaltung des Staats aus der Veranlagung dieser Steuern erwachsen, im wesentlichen geblieben. Allerdings ist durch die Uebertragung der Er⸗ hebung der Staatssteuern auf die Gemeinden eine Ersparniß von 3 900 000 M an Erhebungskosten erwachsen, und auch auf einigen anderen Gebieten sind dadurch noch Ersparungen erreicht worden.

Die Uebertragung der Erhebung der direkten Staatssteuern auf die Gemeinden hat naturgemäß sehr wesentlich einwirken müssen auf den bisherigen staatlichen Organismus, der diesem Verwaltungszweig dient. Diese Einwirkung ist viel stärker im Westen als im Osten gewesen, weil im Westen die Erhebung in ganz anderer Weise ge⸗ ordnet war als im Osten, weil dort ein erheblicher Theil der staat⸗ lichen Organe, namentlich in der Rheinprovinz, zugleich die Erhebung der Gemeindeabgaben bisher hatte. Infolge dessen sollen vom 1. April dieses Jahres ab in den westlichen Provinzen 328 Steuerkassen auf⸗ gehoben werden, während vorerst in den östlichen Provinzen nur acht Kreiskassen in Wegfall kommen.

Wir sind nach zwei Richtungen dabei sehr schonend verfahren. Wir haben namentlich den Uebergang in den östlichen Provinzen zu erleichtern gesucht, indem wir die Zahl der einzuziehenden Kreiskassen möglichst beschränkten, weil wir die etwaige Fort⸗— setzung dieses Werks vorbehalten wollen der demnächst vielleicht noch weiter durchzuführenden Vereinfachung des ganzen Staatskassensystems für den Bereich der ganzen Monarchie. In den westlichen Provinzen, namentlich in der Rheinprovinz, wo die Ver⸗ bindung der Staatssteuer⸗Erhebung mit der Gemeindeabgaben— Erhebung unbedingt gelöst werden mußte, konnte nicht so derfahren werden. ;

Die disponibel werdenden Beamten sollen nach der Absicht der Staatsregierung mit allem Wohlwollen behandelt werden. Da dazu die bisherigen Vollmachten der Regierung nicht ausreichen, sollen dieselben ergänzt werden durch eine besondere Gesetzvorlage, nach welcher diese Beamten in ähnlicher wohlwollender Weise behandelt werden sollen, wie dies auch bei den disponiblen Beamten der Eisen— bahnverwaltung geschehen ist.

Meine Herren, als wir das schwierige Werk der Steuerreform mit Ihrer Hülfe glücklich durchführten, wurde von einer bestimmten

Seite, welche dem Werk nicht günstig war, der Verdacht aus— gesprochen, ja der bestimmte Vorwurf erhoben, daß diese Steuer⸗ reform von mir nur eingeleitet sei in der Absicht, die Staats

einnahmen zu vermehren und unter dem Deckmantel der Reform Mehreinnahmen für den Staat zu erzielen. Jetzt sind wir in der Lage zu zeigen und durch Zahlen zu beweisen, wie gänzlich unbegründet diese Vorwürfe gewesen sind. In der Denkschrift vom Jahre 1892 wurden die staatlichen Realsteuern und die Berg- werksabgabe, auf welche der Staat verzichtet, mit 101 730 000 M. bemessen. Diese sollten gedeckt werden durch 40 Millionen Mehr⸗ ertrag der Einkommensteuer, durch die auf den Durchschnittsbetrag von 24 Millionen angenommenen bisherigen Ueberweisungen an die Kreise aus den Getreide! und Viehzöllen und endlich durch die Ergänzungssteuer im Betrage von 35 Millionen, sodann durch den Fortfall von Veranlagungs⸗ und Erhebungskosten des Staats in Höhe von 2940 000 Das würde einen Ueberschuß zu Gunsten des Staats von 210 000 ½ ergeben haben.

Nun bitte ich, meine Herren, zu vergleichen, wie sich nach Fortfall vom 1. April dieses Jahres ab der bezeichneten Einnahme— quellen des Staats und der Ueberweisungen an die Gemeinden der vorgelegte Etat gegen den laufenden Etat stellt. Da ergiebt sich Folgendes:

Die Grundsteuer ist im laufenden Etat veranschlagt auf 39 844 800 ½, die Gebäudesteuer auf 40 044 300 und in dieser Gebäudesteuer steckt nur ein Vierteljahr der revidierten Gebäudesteuer —, die Gewerbesteuer zu 22 344 700 S, die Bergwerksabgabe zu 6 393 000 1 und die Einnahmen von Gebühren und sonstige Einnahmen 328 390 , in Summa also 108 955 190 M Was bekommt der. Staat nun wieder? Nach dem vorliegenden Etat an Mehrertrag der Ginkommensteuer 34 872 000 M, Fortfall der Ueberweisungen aus den Getreide! und Viehzöllen 34 Millionen, Ergänzungssteuer 35 Millionen, Ersparniß von Veranlagungs, und Erhebungskosten 3 928 850 M Er empfängt also gegen den aufgegebenen Betrag von 108 955 190 M eine Deckung von 107 800 850 M; folglich bleibt ein Betrag von reichlich 1 Million zu decken übrig. (Zuruf des Abg von Eynern.) Ich wundere mich, daß der Herr Abg. von Evnern diese Verhältnisse immer noch nicht erkannt hat. (Heiterkeit) Ich werde mich aber bemühen, die Sache nochmals demnächst klarzustellen. (Heiterkeit.

Meine Herren, nun erwägen Sie weiter, daß inzwischen den Ge— meinden zu gute kommt der volle Mehrbetrag der revidierten Gebäude- steuer mit über sechs Millionen; erwägen Sie weiter, daß nach dem großen Sprunge, den die Einkommensteuer machte vom Jahre 1891/92 auf 92/93, von vornherein die Wabrscheinlichkeit vorlag, daß sie in den nächsten Jahren nicht in dem Maße steigen würde, wie die alte Ginkommensteuer gestiegen sein würde so ist vollständig der Beweis geführt, daß die Staatsregierung und auch die Mehrheit des Landtags ihr Versprechen gehalten haben, das große Werk nur als ein Reformwerk zu behandeln, und daß sie niemals die Absicht gehabt haben, auch niemals der Erfolg eingetreten ist, durch die Reform selbst eine Vermehrung der Staatseinnahmen herbeizuführen. Im Gegentheil, meine Herren, was wird denn nun vom 1. April dieses Jahres eintreten? Wir geben, wie gesagt, 108 Millionen auf; ja, wir können, die 6 Millionen aus der Revision der Gebäudesteuer hinzugerechnet, von 114 bis 115 Millionen sprechen, und was be⸗ kommen wir allein von neuen Steuern wieder? 35 Millionen aus

der Ergänzungssteuer. Allerdings entgeht den Kreisen die Ueberweisung aus der lex Huene, immerhin aber bleibt ein Betrag von etwa 40 Millionen Steuerentlastung übrig eine Steuerentlastung natürlich nur gegen die Vorjahre.

Meine Herren, wie sich nun diese Steuerentlastung vertheilt, wem sie zu gute kommt, in wessen Tasche sie fließt das wird sich allerdings erst ergeben aus der Durchführung der Reform der Kommunalabgaben; das kann man zur Zeit nicht übersehen, aber in der einen oder anderen Weise, entweder bei den Realsteuern oder den Personalsteuern, muß dieser gesammte Erlaß des Steuerbetrags des Staats in die Hände der Steuerpflichtigen zurückfließen.

Wie die Kommunalreform im ersten Jahre zur Durchführung gelangen wird, darüber vermag ich noch kein Urtheil zu fällen; jeden falls ist mir aber schon bisher so viel hervorgetreten, daß die Ab⸗ schwächung des damaligen Entwurfs des Kommunalabgabengesetzes in Bezug auf die Vertheilung der Personal⸗ und Realsteuern, wie sie hier im Landtag beliebt worden ist, die Einwirkung der Regierung auf die übermäßige Vertretung der Interessen einzelner Klassen ungemein erschwert. Die Erfahrungen haben wir bereits gemacht, und ich fürchte allerdings, daß, wenn die Reform so weiter geht in manchen Gemeinden, wie sie jetzt begonnen und beabsichtigt ist, das Ziel der Steuerreform: die Kommunalbesteuerung wesentlich auf die Realsteuern zu legen, die Gemeindefinanzen zu basieren auf diejenigen Objekte, welche geeignet erscheinen, die übermäßigen, für die Ge⸗ meinden schwankenden und höchst unsicheren Zuschläge zur Einkommen⸗ steuer zu vermindern im ersten Anlauf wenigstens nicht ganz er— reicht werden wird. Die Staatsregierung sowohl wie die Kommunal- behörden müssen nach meiner Meinung fortgesetzt Jahre hindurch auch in Zukunft dies Ziel weiter verfolgen, wenn wir ein ersprießliches Resultat erreichen wollen.

Meine Herren, einen Gewinn hat der Staat in finanzieller Be—⸗ ziehung nicht gemacht, aber ich glaube, das wird die Befriedigung über diese Reform doch in keiner Weise stören. Wir haben die Doppel besteuerung, die soviel Beschwerden und Klagen herbeiführte, in der Staatssteuer vollständig beseitigt; wir haben die Besteuerung des Bruttoertrags völlig aufgegeben und wir haben lediglich die Staats lasten nach den Reinerträgen aller Einnahmequellen und nach der Leislungsfähigkeit vertheilt; wir haben die unteren Stufen gänzlich freigelassen, die mittleren Klassen ich werde darauf noch zurück— kommen wesentlich entlastet, die Ermittelung des Ein kommens verbessert und dadurch eine gleichmäßigere Ver⸗

anlagung erzielt; den Kommunen haben wir diejenigen Quellen über⸗

lassen, welche sich für sie besonders eignen, und das Selbstverwaltungs—⸗ recht der Kommunen auf diesem Gebiet wesentlich erweitert.

Wenn ich nun noch ein paar Worte sagen darf über die Ver⸗ anlagung der Ergänzungssteuer, so ist dies, wie Sie mir gewiß bei⸗ stimmen werden, eins der schwierigsten Werke, das die Steuerverwaltung eines Staats jemals übernommen bat. Das gesammte Vermögen aller Steuerpflichtigen mit über 6000 6 Vermögen richtig einzuschätzen, ist eine der größten Aufgaben, die ein großer Staat sich stellen kann. Alle Nachrichten, die wir bisher haben, lassen hoffen, daß dies Werk im vollen Maße gelingen und glatt verlaufen wird. Wir verdanken dies vorzugsweise der ausgezeichneten Vorarbeit der Katasterbeamten, deren Arbeit in den Kommissionen die größte Anerkennung findet, so zwar, daß viele Kommissionen, wenn ihnen die Grundsätze, nach denen diese Vorarbeiten gemacht sind, auseinandergesetzt werden, en bloe die Vorschläge annehmen, wie dies selbst hier in Berlin vorgekommen ist. Daß dabei natürlich auch manche Irrthümer noch vorkommen, manche Fehler unterlaufen, das ist ja nicht im geringsten zweifelhaft.

Meine Herren, wenn ich erwäge, welche Leistungen und Arbeiten bei der Veranlagung der neuen Einkommensteuer und der neuen Ge— werbesteuer, der Revision der Gebäudesteuer, der Ueberweisung der Realsteuern, bei der Ermittelung der Grundsteuer⸗Entschädigungen, bei der Veranlagung der Ergänzungssteuer von unserer Beamtenschaft ge— fordert sind, und welche bewundernswürdige Leistungen gemacht werden, ebenso aber auch, welche große Gewissenhaftigkeit und welchen Eifer die Kommissionen bewiesen haben dann glaube ich in Ibrem Sinne zu handeln, wenn ich meine Freude und meinen Stolz aus— spreche, daß wir eine solche Beamtenschaft besitzen, mit der man Dinge unternehmen kann, vor welchen viele andere große Kultur staaten zurückschrecken.

Meine Herren, ich will die zweite Frage, die ja auch noch immer bestritten wird: welche Wirkungen nun auf den einzelnen Steuer pflichtigen die Steuerreform gehabt hat, hier im einzelnen nicht näher behandeln; ich will Ihnen nur einige Hauptzahlen geben, die in dieser Beziehung vollständig genügend sein werden.

In der Einkommensteuerstufe von mehr als 900 bis 3000 6. beträgt die veranlagte Steuer 1894/95 34 257 000 6 Nach den früheren Hebungssätzen würde dieselbe betragen haben 36 104 000 M In den Stufen von 3000 bis 6000 „6, die man wohl eigentlich als Kern der Mittelklassen bezeichnen kann, beträgt sie 1894,ñ95 19121 000 M und würde früher betragen haben 21 832 000 , alse nach den früheren Sätzen mehr 2711 000 M In den Stufen von 6000 bis 8000 M beträgt sie jetzt 7 168 000 M rund, früher würde sie betragen haben 7 707 000 4, folglich ist nach den jetzigen Hebungs-⸗ sätzen hier eine Verminderung eingetreten von 539 000 M Dies tritt aber noch viel deutlicher bervor, wenn eine andere Gegenüber—⸗ stellung gemacht wird. Auf den Kopf jedes physischen Zensiten ent⸗ fallen an Einkommensteuer nach den Hebungesätzen im Jahre 1891/92, also vor der Reform, in den Stufen von mehr als 00 bis 6000 M 24,4 4, 18941ũ95 22,2 4, also jetzt 90ᷣ0 weniger, dagegen in den Stufen von 8400 M 1891/92 bezw. S000 1894/95 und darüber 612 M0 pro Kopf im Jahre 1891/92, 189495 745 M pro Kopf, folglich 21 mehr.

Wenn Sie nun erwägen, daß in den Stufen bis 6000 4 ö, 57 υι aller Steuerpflichtigen steuern, so sehen Sie, daß die über⸗ wiegende große Mehrheit der Steuerpflichtigen durch die Degression trotz der besseren Veranlagung auch in diesen Stufen eine sehr wesent⸗ liche Entlastung erfahren hat.

Das geht noch deutlicher aus folgender Statistik hervor. Zu dem Gesammtaufkommen der auf die pbysischen Personen überhaupt veranlagten Ginkommensteuer tragen bei: die Stufen über 900 bis 3000 4 im Jahre 1891/92 35,54 0½, jetzt 2 98 0½, sie sind also ent⸗ lastet um fast 60 / . Die Mittelklafsen von 3000 bis 6000 M trugen 1891/92 23,50 o M zu dem Gesammtaufkommen bei, jetzt tragen sie 16,73 0 bei, und die Steuerpflichtigen über 600) , welche nur 4 43 5 aller Steuerpflichtigen ausmachen, trugen im Jahre 1891/92 40, 86 ιο bei und tragen jegt 53,27 / bei. Welche Wirkung hat sich

also gezeigt? Eine bedeutend schärfere Heranziehung der reichen und

wohlhabenden Klassen, eine erhebliche Erleichterung der mittleren Klassen und eine Freilassung der untersten Klassen. Genau dieselbe Wirkung haben wir bei der Gewerbesteuer, in welcher durch die Re—= form 50,7 o aller Gewerbesteuerpflichtigen überhaupt gänzlich frei⸗ geworden sind und wo das Verhältniß der einzelnen Klassen und der Beitrãge zu der Gewerbesteuer aus diesen Klassen geradezu umgekehrt ist; während früher die Last vorzugsweise auf dem Kleingewerbebetrieb lag, ist es jetzt gerade umgekehrt. Ich will das im einzelnen nicht näher ausführen; es wird Ihnen darüber noch eine weitere Statistik vor⸗ gelegt werden. Aber man kann geradezu sagen, daß wir jetzt erst in der Gewerbesteuer eine Progression nach oben haben, während wir früher eine ganz überwältigende Progression nach unten hatten.

Meine Herren, wende ich mich nun zu dem Etat, so ist der Blick auf denselben weniger erfreulich. Wir haben wiederum ein Defizit von 34 300 000 ½ veranschlagt. Die Gesammteinnahmen einschließlich der Deckung dieses Fehlbetrags durch Anleihe sind auf 1 899 473 0090 0 veranschlagt gegen 1935 958 0004 des laufenden Jahres. Die einmaligen Ausgaben betragen in dem vorliegenden Etat 62 259 000 M gegen 57 857 000 M des laufenden Jahres, sind also um etwas mehr als 4 000 000 * gestiegen.

Meine Herren, wir stehen jetzt bereits im fünften Jahre des Defizits. 1891/'92 hatten wir ein Defizit von 42 833 000 „, 1892393 von 25 000 000 Æ, 1893/94 von 31 357 000 MS; das Defizit des laufenden Jahres schätze ich auf 18 bis 20 Millionen, und in dem vorgelegten Etat ist wieder ein Defizit von 34 000 000 S6 ver— anschlagt; es ergiebt sich also schon ohne diese letztere Veranschlagung ein Gesammtfehlbetrag in Höhe von 119 480 000

Meine Herren, ich glaube, Sie werden mit mir einverstanden sein, daß ein solcher Zustand dauernd unmöglich besteben bleiben kann. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen. Wenn wir gewissenhaft mit unserem Staat und seiner Zukunft, mit unseren Finanzen und ihrer Solidität verfahren wollen, wenn wir nicht in leichtfertigster Weise die Lasten, die die heutige Generation tragen muß, auf eine unbestimmte Zukunft, die wieder ihre eigenen Lasten hat, verweisen wollen, so muß in irgend einer Weise hier Wandel geschaffen werden. (Sehr richtig!)

Meine Herren, Sie wissen, daß die preußische Staatsregierung wie alle verbündeten Regierungen und wie dieses hohe Haus den Grund dieser schwierigen Finanzlage Preußens wie der übrigen deutschen Staaten bei den kleineren ist diese Erschwerung der Finanzlage ja noch viel gefährlicher wesentlich den großen Verschiebungen zuge⸗ schrieben hat und zuschreiben muß, welche in der Finanz— lage des Reichs eingetreten sind. Wenn das Reich in den letzten Jahren etwa 35 Millionen an Zöllen preisgegeben hat, wenn eine Steigerung der Ausgaben allein bei der Militärverwaltung um etwa 60 Millionen stattgefunden hat: so mußte man doch er— warten oder hoffen wenigstens, daß es gelingen würde, wenigstens einen Theil dieser großen Verluste der Reichsfinanzen durch die eigenen Einnahmen des Reichs wieder zu decken.

Was ist bisher in dieser Beziehung erreicht? Nichts weiter als die Börsensteuer, deren Ertrag man auf 20 bis 24 Millionen vielleicht auf die Dauer wird annehmen können. Der ganze übrige Betrag ist ungedeckt geblieben. Die verbündeten Regierungen hatten ursprünglich mit Rücksicht auf die ganze Finanz- geschichte des Reichs in dem Verhältniß zu den Einzelstaaten Mehr— überweisungen über die Matrikularumlagen nicht neu einzuführen, sondern zu erhalten, wenn auch zu beschränken vorgeschlagen. Das hohe Haus hat diesen Wunsch durchaus als berechtigt anerkannt und sogar in den Berathungen in dieser Beziehung die Anforderungen Preußens noch im Ausdruck verschärft. Trotzdem haben die ver⸗ bündeten Regierungen, wenn auch mit schwerem Herzen, auf alle Mehrüberweisungen verzichtet; sie haben sich darauf beschränkt, zu verlangen, daß das Reich materiell seine eigenen Ausgaben durch seine eigenen Einnahmen decke, d. h., daß die Matrikularumlagen nicht über die Ueberweisungen hinsausgehen dürfen. Zu diesem Behuf haben sie nur eine mäßige Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reichs gefordert, die eigentlich nichts weiter bedeutet, als daß man die Belastung des Konsums und der Lebensmittel erhöhen will, nachdem man sie um diese Beträge vermindert hat, durch eine Luxussteuer, nämlich durch eine Reform und eine mäßige Erhöhung der Tabacksteuer. Wir wollen hoffen, daß es gelingen wird, mit dem hohen Reichstag ein Einverständniß zu erzielen. (Bewegung.)

Wenn ich anführe, daß, wenn man nur das Jahr 1892ñ‚93, das also nur vier Jahre hinter diesem Etat zurückliegt, mit diesem Etat vergleiche, Preußens finanzielles Verhältniß zum Reich sich um 44 000 000 6 verschlechtert hat, so ist ja ganz klar, daß keine Finanz⸗ verwaltung in der Lage ist, diesen kolossalen Veränderungen, Schwan⸗ kungen und Steigerungen der Anforderungen irgendwie Stand zu halten, und daß die Finanzen der einzelnen Staaten, wenn der heutige Zustand fortdauert, bei der absoluten Unsicherheit nothwendig in große Verwirrung kommen und die kleineren Staaten sogar in die größte Gefahr gerathen müssen.

Ich hoffe, daß die klar vorliegenden Verhältnisse, die Einsicht der deutschen Volksvertretung und ihr patriotisches Erwägen der Zustände, die nothwendig entstehen müssen, wenn in dieser Beziehung keinerlei Abhilfe stattfindet, schließlich zu einer Verständigung und zu dem Er⸗ reichen des Nothwendigsten führen. Sollte dies aber nicht der Fall sein wider alles Erhoffen und Erwarten, so ver— traue ich auf den Patriotismus der preußischen Landes⸗ vertretung, daß sie nicht auf die Dauer solche gefährlichen Zustände wird erhalten wollen und daß sie bereit sein wird, diejenigen Opfer zu bringen, die zu einer Wiederherstellung des Gleichgewichts in unseren Einnahmen und Ausgaben führen.

Meine Herren, ich habe schon erwähnt, daß ich in Bezug auf den Abschluß des laufenden Verwaltung jahres annehme, daß der Fehlbetrag in der Rechnung etwa 18 bis 20 000 000 ½ betragen wird. Diese Schätzungen sind natürlich sehr unsicher, und ich kann sie daher nur mit Vorbehalt geben; ich möchte aber gleich vorausschicken, daß dieser verhaltnißmäßig günstige Abschluß ju einem erheblichen Theil auf vorübergehenden Verhältnissen beruht, auf deren Wiederkehr man nicht rechnen kann. Denn allein die Forsten stellen infolge der gewaltigen Windbrũche Mehrüũberschüsse in Aussicht von über S 000000; die Einnahmen werden sich gegen den Etat voraussichtlich um nicht weniger als 11 300 0090 M höher stellen und die entsprechenden Aus⸗ gaben um etwa 2 800 000 M gegen den Etat steigen. Darauf kann naturlich garnicht gerechnet werden, daß ein solches Verhältniß dauernd ist; im Gegentheil, diese außerordentliche Mehreinnahme des laufenden

Ja res wird das Ergebniß des nächsten Jahres wesentlich verringern. Die Bergwerke werden voraussichtlich mit reichlich 2 000 090 günstiger abschließen, als veranschlagt ist; ebenso werden die indirekten Steuern etwa 500 000 MS mehr ergeben, während die direkten Steuern infolge der Steigerung det Veranlagungskosten um etwa 19 Mill. schlechter abschließen werden.

Dagegen wird die Eisenbahnverwaltung gegenüber dem gegen das Vor⸗ jabr 1893 / 94 schon sehr erheblich gesteigerten laufenden Etat nach unserer Schätzung und namentlich auch nach der Schätzung der Eisenbahnverwal⸗ tung selbst um etwa 114 Millionen Mark günstiger abschließen. Die öffentliche Schuld erfordert 4000000 weniger, wesentlich infolge des Umstands, daß wir durch die Ansammlung des Steuerfonds ich werde nachher noch darauf zurückkommen und durch die bedeutenden Mehreinnahmen der Eisenbahnverwaltung von einer Anleihe überhaupt absehen konnten und ebenso von der Ausgabe von Schatzanweisungen. Der Antheil Preußens am Ertrage der Zölle und Tabacksteuern wird reichlich? 000 000 M mehr betragen, wesentlich herbeigeführt durch die plötzliche und sehr starke Steigerung der Getreide⸗Einfuhr ein Umstand, auf den ja natürlich, da er von den Ernten abhängt, auf die Dauer nicht zu rechnen ist. Es kommt ferner in Betracht ein Mehr-Antheil an dem Ertrage der Reichs. Stempelabgaben mit etwa 10 000 000 M, welcher in dem Etat noch nicht berücksichtigt werden konnte. .

Die Justizverwaltung wird mehr bringen, etwa 3 Millionen Mark, die Bauverwaltung mehr erfordern 600 000 M, das Haupt- Extraordinarium wird ersparen 1 Million Mark, die Verwaltung des Innern 500 000 S, nämlich aus dem Grunde, weil die Ueber—

nahme des Nachtwachtwesens in den Städten noch nicht vollständig

durchgeführt ist. Die landwirthschaftliche Verwaltung wird mehr erfordern etwa 340 000 ½ , hauptsächlich veranlaßt durch die großen Ausgaben, welche uns die Bekämpfung der Reblaus verursachte. Die geistliche Verwaltung wird 1 300 000 M mehr erfordern, namentlich werden die Ausgaben für die Volksschule sich wiederum sehr erheblich erhöhen. Dann erfordert auch die Medizinal⸗-Verwaltung etwa 400 000 M mehr, wesentlich infolge der außerordentlichen Kosten zur Bekämpfung der Cholera.

Darnach würde sich also insgesammt ein Ergebniß herausstellen, wie ich es bereits mitgetheilt habe.

Die Veranschlagung der ordentlichen Einnahmen in dem vor— liegenden Etat ist um rund 14 Millionen, die der dauernden Aus⸗— gaben um 40 8807 000 M niedriger gegen das Vorjahr. Diese Ver⸗ minderung ist aber zum theil auch nur eine formale, hervorgerufen durch Umstellungen im Eisenbahn-Etut und die anderweitige Veran— schlagung desselben.

Das Extraordinarium des Etats habe ich schon aufgeführt mit 62 259 000 M

Mehrüberschüsse ergeben sich bei den staatlichen Betriebsverwal tungen in Höhe von 41 Millionen, Minderüberschüsse in Höhe von 40 Millionen Mark, wenn ich runde Zahlen nenne; das liegt haupt⸗ sächlich in der gänzlichen Umgestaltung des Etats durch die Steuer⸗ reform, beziehungsweise bei der Eisenbahnverwaltung.

Der Domänen⸗Etat ist wesentlich verändert dadurch, daß die Ein⸗ nahmen und Ausgaben um über 3 Million Mark sich vermindern durch die Verpachtung der Hauptmineralbrunnen. Die landwirthschaftliche Verwaltung in Uebereinstimmung mit dem Finanz⸗Minister hat es für richtiger gehalten, die hauptsächlich zum Genuß dienenden, dem all— gemeinen Publikum zugänglichen Mineralbrunnen der Privatverwaltung zu überlassen und demgemäß diese Brunnen zu verpachten. Wir hoffen davon auch in Zukunft eine nicht unerhebliche Steigerung der Ein⸗ nahmen; andererseits ist alle Vorsorge getroffen, daß daraus für die betreffende Bevölkerung in Nassau keine Unzuträglichkeiten erwachsen, namentlich auch, daß die Herstellung von Krügen und derartigen in der dortigen Bevölkerung fabrizierten, für den Betrieb nothwendigen Gegenständen erhalten bleibe.

Im Extraordinarium der Domänenverwaltung sind zu Drainage⸗ darlehen 400 000 M veranschlagt, für Arbeiterwohnungen 200 000 „, für Kleinbahnen, bei denen der Fiskus interessiert ist, 50 000 , endlich 268 500 M für Sommerbedeichungen in Schleswig⸗Holstein, von denen wir demnächst erhebliche Rückeinnahmen erwarten.

Es handelt sich namentlich in gewissen Bezirken darum, nicht bloß für die Landwirthschaft überhaupt, sondern vielleicht in mindestens gleich hohem Grade für die Domänen mehr zu thun für bessere Arbeiterwohnungen; für diesen Zweck ist jetzt allerdings nur derselbe Betrag, wie im laufenden Etat, eingestellt, doch werden wir denselben vielleicht in Zukunft noch steigern können.

Bei den Forsten ist ein Minderertrag von über 2 000 000 . veranschlagt; insbesondere sind die Einnahmen um 1 888 000 M. niedriger angenommen, hauptsächlich aus dem eben erwähnten Grunde der starken Mehreinnahmen im laufenden Jahre infolge der Wind⸗ brüche. Im vorigen Jahre ist der Wunsch ausgesprochen worden, die Remunerationen der Forstschutzbeamten zu verbessern, dem entsprechend

ist diese Position im vorliegenden Etat um 180 000 erhöht.

worden. Im Egxtraordinarium befinden sich Veranschlagungen von J)ö50 000 Æυς für Grundstückankäufe, 100 000 M für Meliorationen und 200 000 S für Kleinbahnen. Diese Positionen sind nicht neu, namentlich auch nicht die Position für Kleinbahnen. Es war von vornherein die Absicht, außer diesen Beiträgen, welche da gewährt werden sollen, wo der Forstfiskus als Interessent konkurriert, zugleich überhaupt in belebender und anregender Weise auf das Zustande⸗ kommen der ganzen Kleinbahnen staatlicherseits einzuwirken. Wir haben daher die Absicht, diesmal auch in das Eisenbahnanleihegesetz einen nicht unerheblichen Betrag aufzunehmen zur Förderung des Kleinbahnwesens überhaupt. Der Herr Minister für öffentliche Arbeiten wird über die Entwickelung des Kleinbahnenwesens dem hohen Hause demnächst ausführliche Mittheilungen machen. Im großen und ganzen, kann man sagen, ist die Selbstverwaltung und Selbsthilfe auf diesem Gebiet in sehr erfreulicher Arbeit; aber es kommen doch Fälle vor, wo die Mitwirkung des Staates kaum zu entbehren ist, wo die in Betracht kommenden Mittel der Bevölkerung zu schwach sind, um das Kleinbahnwesen dem Bedürfniß entsprechend zu ent- wickeln, und für solche Fälle soll eben ein nicht unerheblicher Betrag unter die Anleihe aufgenommen werden; allerdings ist dabei voraus gesetzt, daß es sich um Bahnen handelt, von denen eine gewisse mäßige Rentabilität mit einiger Sicherheit erwartet werden kann.

Im übrigen ist der Etat der Gisenbahnverwaltung in den Ein— nahmen um 20 103 000 ½ höher veranschlagt, während die Ausgaben um Wo S6 000 M sich niedriger stellen. Letzteres ist allerdings wesentlich veranlaßt durch die anderwelten Veranschlagungegrundsätze, welche bei

der Eisenbahn angenommen sind, und nach welchen das Prinzip der Bruttoveranschlagung nunmehr vollständig durchgeführt werden soll. Im Extraordinarium finden Sie diesmal zum ersten Mal eine Position, und zwar von 9 600 000 A, für die Vermehrung der Be⸗ triebsmittel auf den alten Linien. Die Herren, die sich mit diesen Fragen beschäftigt haben, werden wissen, daß dies eine sehr alte Streit⸗ frage ist. Sie werden aber auch bereits wissen, daß sowohl der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten als ich stets zugegeben haben, daß das bisherige System, nach welchem die Vermehrung der Betriebs— mittel für bestehende Bahnen, wie eine Reihe anderer Ausgaben durch Anleihen gedeckt werden, nicht aufrecht zu erhalten sei. Wir haben nun diesmal, nachdem bereits früher die Ausgaben für die Erweiterung von Bahnhöfen, Umlegung von Oberbauten u. s. w. in den Eisenbahn⸗Etat aufgenommen waren, den letzten Schritt gethan, um zu einer durchaus unantastbaren Feststellung der Anleihe⸗ beträge und der aus den laufenden Mitteln der Eisenbahnen selbst zu deckenden Ausgaben zu gelangen. Nichtsdestoweniger sind wir nicht in der Lage gewesen, Ihnen auch diesmal eine Revision des Garantiegesetzes von 1882 vorzulegen. Ich glaube, Sie werden das als durchaus berechtigt anerkennen, daß man ein in das ganze Finanz⸗

wesen so einschneidendes Gesetz, solange so unsichere Zustände in

unserem Finanzwesen dauern, wie sie heute durch die Unklarheit über die Stellung, die das Reich nehmen wird, noch herrschen, nicht machen kann. Wir werden damit warten müssen, bis wir zu einer gewissen Konsolidation kommen, bis wir übersehen können, wie unsere Finanz⸗ lage sich in den nächsten Jahren gestalten wird. Ich glaube, wenn die Budgetkommission diese Sache im einzelnen prüft, so wird sie in dieser Beziehung der Auffassung der Staatsregierung sich anschließen.

Durch die Neugestaltung der Eisenbahnbehörden wird eine Er⸗ sparniß an Ausgaben für Personal ꝛc. auf die Dauer erwachsen von etwa 66 Millionen Mark, während gegenwärtig allerdings noch an Dispositionsgehältern ꝛc. 3 722 000 S6 zu zahlen sind. Man sieht also, daß die Verminderung der Zahl der Beamten doch auch erheb⸗ liche finanzielle Rückwirkungen hat, und wenn daneben gehofft werden kann, daß durch diese große Umgestaltung der Eisenbahnverwaltung die ganze Verwaltung wirthschaftlicher, ökonomischer, schneller, prompter, für den einzelnen betheiligten Beamten persönlich verantwortlicher wird, so können wir nur auf die besten Folgen dieser Reform hoffen.

Die Verwaltung der öffentlichen Schuld hat eine Mlinderaus— gabe an Zinsen und Tilgungsbeträgen von 3 330000 „S gegen eine Mehrausgabe von 975 000 infolge der eintretenden Amortisations—⸗ ersparnisse und von Darlehnsrückzahlungen.

Bei der allgemeinen Finanzverwaltung ist der Antheil am Ertrage der Reichsstempelabgaben um 10 Millionen Mark rund höher veranschlagt, der Antheil an dem Ertrage der Zölle aber um 1 118 000 „S6 und der Antheil an der Verbrauchs⸗ abgabe vom Branntwein um 688 000 S niedriger. Die Einnahmen des vormaligen Staatsschatzes haben nach Maßgabe der zu erwartenden Veräußerungen von staatlichem Eigenthum um 1 500 000 herab⸗ gesetzt werden müssen. Ebenso ist der Erlös für Konsols in Höhe von 3 237 000 S0 fortgefallen. Hierbei handelt es sich lediglich um einen durchlaufenden Posten; er findet sein Gegenbild in der Staats—« schuldenverwaltung. Der Fortfall ist Folge der nunmehr vollständig durchgeführten Tilgung der bekanntlich allmählich in Konsols umzu— wandelnden Anleihe von 1868; diese wird in Zukunft verschwinden.

Die Matrikularumlagen sind um fast 10 Millionen Mark ge⸗ stiegen; andererseits ist aber infolge des Aufhörens der Ueber— weisungen an die Kreise aus den Erträgnissen der Getreide⸗ und Viehzölle eine Ersparniß von 34 Millionen Mark zu verzeichnen.

Meine Herren, im laufenden Jahre wird ein höherer Betrag als 34 Millionen aus diesen Ueberweisungen den Kreisen zu gute kommen. Wir schätzen den Mehrbetrag auf etwa 6 Millionen, so daß den Kreisen in dem letzten Jahr ihres Genusses noch etwa 40 Millionen zufließen. Wir können nur die Hoffnung dabei aussprechen, daß mit diesem reichlichen Zufluß in einem Jahre, wo den Kreisen neben diesen 40 Millionen außerdem die neuen Steuerquellen aus Grund und Boden, Gewerbe u. s. w. zufließen, pfleglich verfahren wird (sehr richtig und daß nicht die Kreise durch diese momentan günstige Lage sich verführen lassen, Ausgaben zu machen, die sie vielleicht sonst noch hätten ersparen können. (Sehr richtig) Nicht bloß im Staats⸗ leben war bisher der Gedanke aller Betheiligten, sowohl der Re⸗ gierungen ich nehme sie nicht aus —, als auch der Landtage, stets auf die Vermehrung der Einnahmen gerichtet; man dachte sehr selten an die Verminderung oder wenigstens an die Zurückhaltung des Steigens der Ausgaben. (Sehr richtig) Nicht bloß war dies im Staatsleben der Fall, sondern ich glaube aus meiner Kenntniß der kommunalen Verhältnisse behaupten zu können, daß nicht bloß in den Kreisen, sondern auch in anderen Kommunen dieselbe Richtung die Oberhand gewonnen hatte, und es wird vor allem seitens der Land— räthe darauf Bedacht genommen werden müssen, daß diese 40 Millionen so angelegt werden, daß sie auf die Dauer die Kreislasten vermindern.

Bei den eigentlichen Staatsverwaltungen ist eine Mehreinnahme von 5 816 000 M angenommen; diese Mehreinnahme resultiert aber hauptsächlich aus einer Umstellung der Einnahmen aus Verkehrs— abgaben aus dem Etat der Verwaltung der indirekten Steuern in den Etat der Bauverwaltung. Meine Herren, nach langen Verhandlungen haben die betheiligten Ministerien sich dahin verständigt, daß es richtig sei, die Einnahmen aus den Verkehrszabgaben da zu erheben und zu verwalten, wo auch die entsprechenden Ausgaben geleistet werden. Bis dahin nahm das Finanzministerium die Einnahmen aus den Verkehrsabgaben ein und die Ausgaben für Verkehrseinrichtungen aller Art lagen der Bauverwaltung ob. Das ist ein unrichtiges Ver⸗ hältniß. Dieselbe Berwaltung muß Einnahmen und Ausgaben unter sich haben; sie wird dann auch viel richtiger die Rentabilitätsfrage der verschiedenen Verkehrseinrichtungen beurtheilen können, und sie wird mehr ein richtiges Verhältniß zwischen dem Aufkommen und den Aus gaben der betreffenden Verwaltung herstellen. Außerdem werden wohl auch Ersparungen an Beamtengehältern und Remunerationen hier entstehen, indem in sehr vielen Fällen die Beamten der Bauverwaltung zugleich ohne Mehrkosten die betreffende Verkehrsabgabe zu erheben in der Lage sein werden. Infolge der vorerörterten Uebertragung ist natürlich der Etat der Verwaltung der indirekten Steuern ermäßigt und der Etat der Bauverwaltung erböht.

Im Finanz⸗Ministerium sind erhebliche Ausgabesteigerungen noth-⸗ wendig geworden: einmal wiederum wie jedes Jahr eine Steigerung der Ausgaben für Zivilpensionen um 1 300 000 4 und für Wittwen⸗ und Waisengelder um 1 000 000 S Außerdem aber finden Sie eine Erhöhung der Positlon für Remunerierung der Regierungs- Assessoren

um 100 000 Mit dieser Erhöhung erreichen wir aber nur noch, daß die Assessoren durchgängig nach drei Dienstjahren einen mäßigen Diätenbezug empfangen. Gegen früher ist das schon eine wesentliche Verbesserung; aber ob es für die Dauer genügen wird, steht dahin. Es war um so mehr nöthig, hier etwas mehr zu thun, als bekanntlich gegenwärtig die Assessoren zu den Arbeiten der Behörden in ganz anderem Maße herangezogen werden, als das früher der Fall gewesen ist, namentlich auch in der Steuerverwaltung, und ich glaube daher, es wird die Billigkeit des Wunsches nicht bestritten werden, daß für solche erhebliche Mitwirkung und Ersparung von etatsmäßigen Stellen, die durch die Thätigkeit der Assessoren herbeigeführt wird, allerdings auch eine mäßige Mehrvergütung stattfinden soll.

Der Reisekostenfonds für die Regierungen u. s. w. ist um 905 900 6 erhöht. Wir haben geglaubt, daß verständige Etatsgrundsätze diese Erhöhung erfordern, und ich beziehe mich in dieser Beziehung namentlich auf die Meinung der Herren in der Rechnungskommission. Seit langen Jahren ist dieser Fonds stetig um fast 1 Million überschritten, das kehrt jedes Jahr wieder, und bei der wachsenden Thätigkeit vermehren sich die Reisen der Beamten eher, als sie sich vermindern. Einen solchen Zu— stand kann man auf die Dauer nicht bestehen lassen. Was soll es heißen, daß wir diesen Fonds immer 1 Million zu niedrig veranschlagen und nachher in der Rechnung immer 1 Million mehr verausgabt finden! Ich glaube daher, daß das hohe Haus sich wohl mit der Erhöhung einverstanden erklären dürfte.

Ich will dabei ganz offen erwähnen, daß die Verwirklichung der Wünsche, die Bestimmungen über Reisekosten und Diäten, namentlich über die Reisekoften, gegenüber den veränderten Verhältnissen der Ver— kehrsmittel zu reformieren, von uns noch nicht in Angriff genommen ist. Dieselbe Frage ist im Reich erörtert; das Haus mag die Frage auch erörtern. Ich sage aufrichtig, daß ich allerdings diese Bestim— mungen für reformbedürftig halte, daß ich mich aber gescheut habe, nachdem wir seit 20 Jahren nicht in der Lage waren, die Gehalte der mittleren und höheren Beamten angemessen aufzubessern, in dieser Be⸗ ziehung der Beamtenschaft auch noch bisher gewohnte und eingelebte Einnahmen zu entziehen. Ich überlasse es dem Hause, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Ich kann nur dringend rathen, daß wir diese Frage in Verbindung bringen mit einer Aufbesserung und Regulierung der Gehälter, wie sie angemessenerweise überhaupt 'mal stattfinden muß, aber nicht sie einseitig behandeln, während wir nicht in der Lage sind, die langjährigen Zusagen zu erfüllen, welche den Beamten in Bezug auf die Gehaltsverbesserung gemacht sind.

Meine Herren, den Wünschen des Hauses, mehr zu thun für die gewerblichen und Fortbildungsschulen, ist jetzt entsprochen, indem für das gewerbliche Unterrichtswesen insgesammt 396 000 S mehr ein- gestellt sind. (Bravo! Ja, meine Herren, Sie sagen Bravo! damit bin ich ja ganz einverstanden. Ich möchte mir aber doch eine einschränkende Bemerkung dabei anzuknüpfen gestatten. Wir haben jetzt los Millionen Mark den Gemeinden überwiesen. Darunter fallen allein aus der Gebäudesteuer, wenn ich nicht irre, 34 Millionen Mark auf die Städte; und diese Schulen werden vorzugsweise von den Städten erhalten. Einer der wichtigften Zwecke der ganzen Steuer⸗ reform war der, die Kommunen in die Lage zu setzen, mehr als bisher ohne Mithilfe des Staats eine selbständige Verwaltung zu führen, die Grundlagen der Selbstverwaltung zu verstärken. Aber ich sehe da⸗ von noch nicht viel, trotzdem den Kommunen diese großen neuen Quellen überwiesen worden sind. Das Bestreben, sich selbst die Lasten möglichst zu vermindern und alles auf den großen Beutel des Staats zu werfen, wird eher stärker. Wenn sich trotzdem gegenüber den Be— dürfnissen einer bedeutenden Verbesserung unseres gewerblichen Schul⸗ wesens, wie ich durchaus anerkennen muß, der Staat hier entschlossen hat, in dieser schwierigen Zeit mitten in den Jahren des Defizits wiederum eine Steigerung dieser Ausgaben zuzugestehen, so muß ich wenigstens die Hoffnung aussprechen, daß die Gemeinden hinter diesen Leistungen des Staats nicht zurückbleiben (sehr richtig) und auch ihrerseits die— jenigen Opfer zu bringen bereit sind, die zum großen Theil ihnen mittelbar wieder zu gute kommen.

Die näheren Zahlen über die Justiz Verwaltung ich habe die Gesammtsummen schon angegeben will ich übergehen und nur eine Bemerkung einschalten. In der mehr linksstehenden Presse, welche allgemein die Neigung hat, stets neue Forderungen an den Staat zu stellen, aber gleichzeitig jede Gewährung der Möglichkeit für den Staat, diesen⸗Wünschen zu entsprechen, einfach ablehnt (sehr richtig! rechts), welche vom Finanz⸗Minister tagtäglich Mehraufwendungen fordert für alle möglichen nützlichen oder schönen Zwecke, aber wenn gefragt wird: woher sollen die Einnahmen kommen, bist Du bereit, dem Finanz⸗Minister diese Einnahmen zu gewähren? mit einem einfachen, kalten Nein antwortet (sehr richtig! rechts) in dieser Presse ist am aller⸗ stärksten gegen den Finanz⸗Minister der Vorwurf erhoben worden, daß der⸗ selbe in keiner Weise Genügendes thue für die Vermehrung der Richterstellen. Ich habe stets betont, daß in den letzten Jahren, bis vor etwa vier Jahren, die Richterstellen gegenüber der Arbeitslast und der Ver— mehrung der Bevölkerung nicht überall genügend vermehrt worden sind, und daß die Heranziehung der Hilfsrichter in zu großem Maße stattgefunden hat. Ich habe gesagt: Wir wollen nach und nach diesem Mangel abhelfen, aber auch hervorgehoben, daß in einer so knappen Zeit, wo alle Ressorts sich die größten Einschränkungen ge— fallen lassen müssen, für den Richterstand nicht eine absolute Aus nahme gemacht werden kann. Wir haben nun seit dem Jahre 1892/93 in dem ersten Jahre 39 Stellen, im zweiten Jahre 1893/94 87 Stellen, im Jahre 1894/95 72 Stellen und in dem vor⸗ liegenden Etat wiederum 49 neue etatsmäßige Richterstellen geschaffen. Daß da doch das Möglichste geschehen ist für die geordnete Hand⸗ habung der Justiz, kann doch wohl keinem Zweifel unterworfen sein.

Der Finanz ⸗Minister hört ja natürlich, wie aus dem Publikum, so auch aus den Ressorts, daß das, was der Einzelne fordert, das einzelne Ressort bedarf, allein das Nöthige sei und alles Andere dagegen zurückstehen müsse. Wenn jemand eine Eisenbahn fordert, und ich sage ihm: es sind 20 Eisenbahnen, die vielleicht noch wichtiger sind als die Ihrige, dann glaubt er das nicht; seine Eisenbahn ist die allein wichtige. (Sehr richtig!)

So geht es mit den Auffassungen der Nächstinteressierten. Ich spreche hier garnicht von den Ministern, sondern von den Nächst⸗ interessierten in den einzelnen Ressorts. Das ist gewiß eine schwierige und unangenehme Aufgabe für einen Finanz⸗Minister, dessen Aufgabe schon an sich in den heutigen Zeiten doppelt schwierig ist, wenn er nun da ausgleichend handeln muß, wenn er die Verwendungen des Staatz einigermaßen gerecht zu vertheilen wenigstens sich bemüht. Ich glaube: die Richter und die Justiz⸗Verwaltung ist es ja