bedürfen, wie eine solche Steigerung wirken wird auf die grubengare Sohl⸗ ledergerberel in Deutschland, wie sie wirken wird auf die Rothgerberei, die namentlich die Oberleder, die Zeugleder, die feineren Ledersorten herstellt, wie eine solche Produktionsvertheuerung endlich wirken würde auf unsern Lederexport und auf unsere Schuhwaarenindustrie. Es liegt nämlich die Gefahr vor, daß, wenn man die Produktionskosten durch Einführung eines Quebrachoholzzolles wesentlich vertheuert, dieser Nutzen zunächst nicht der grobgaren deutschen Sohlleder⸗ gerberei zu gute kommt, sondern dem ausländischen Leder⸗ import; denn durch den belgischen Handelsvertrag ist der Zoll auf Leder bekanntlich von 36 auf 30 K pro 100 kt g ermäßigt; da aber zur Herstellung von 100 kg Leder etwa 500 kg Gerbstoff gehören, so hat die Erleichterung der Produktionskosten im Inlande nur 5 RC 50 3, d. i. 2.50 M für 100 kg Leder betragen, während der Schutzzoll gegen den Lederimport um 6 M ermäßigt ist; es liegt also eventuell die Gefahr vor, daß an Stelle der stärkeren Entwickelung der einheimischen Lederindustrie, die mit einheimischem Material arbeitet, eventuell ein stärkerer Lederimport vom Ausland eintritt. Wenn man aber auch von diesen Bedenken absehen wollte, so liegt ferner die Gefahr vor, daß an Stelle der exotischen Gerbe⸗ mittel eventuell die zollfrei eingehenden Rinden und Lohen, namentlich Oesterreich Ungarns und Frankreichs treten. Die französische Rinde ist bekanntlich wesentlich feiner und hochwerthiger wie die deutsche, und von den deutschen Lederinteressenten wird auch behauptet, daß die deutsche Rinde minderwerthiger sei wie die österreichische, weil die ausländische Rinde besser getrocknet und sortiert sei. Würde nun
der Fall eintreten, daß an Stelle des Quebrachoholzes die ausländische . Lohe und Rinde tritt, so würde die wirthschaftliche Wirkung, die die
Herren für den deutschen Schälwald erreichen wollen, möglicherweise theilweise in Frage gestellt werden können, wenngleich eine Preis⸗ erhöhung der heimischen Rinde immerhin zu erwarten wäre.
Meine Herren, die Sache ist also außerordentlich verwickelt und bedarf eventuell einer eingehenden Prüfung. Die verbündeten Regierungen baben diese Frage noch nicht zum Gegenstand weiterer Erörterungen gemacht; ehe sie sich darüber schlüssig machen sowohl bezüglich etwaiger internationaler Verhandlungen wie bezüglich der Erwägung der Einführung eines Zolls auf ausländische Gerbestoffe, werden sie zunãchst abwarten, wie die Mehrheit dieses Hauses votieren wird. Ich babe es aber für meine Pflicht gehalten, auf die Schwierigkeiten, den Zweck zu erreichen, den Sie eigentlich verfolgen, schon jetzt auf⸗ merksam zu machen. Im übrigen stehen die verbündeten Regierungen durchaus auf dem Standpunkt: ein Arcanum, der Landwirthschaft generell zu helfen, giebt es nicht, sondern nur eine wohlwollende Detailarbeit von Fall zu Fall kann den Wünschen der Landwirth⸗ schaft entgegenkommen; ein solcher an sich sachlich berechtigter Wunsch ist unzweifelhaft der Schutz des Schälwalds, bei der wirtbschaftlichen Bedeutung, die er namentlich für Gebirgsgegenden bat, wo ihm die Aufgabe zufällt, die steilen Hänge festzuhalten, um zu verhindern, daß die unterliegenden Fluren allmählich unter dem Ge⸗ rölle begraben werden. .
Wir werden also zunächst abwarten, wie sich die Mehrheit des Reichstags zu der Frage stellt, und dann unsererseits in eine nähere Prüfung der Angelegenheit eventuell eintreten. (Bravo! rechts.)
Abg. Wurm (Soz.): Wir werden ganz entschieden gegen die ämmtlichen beantragten Zollerhöhungen stimmen, die nur die ärmere evölkerung belasten würden. Ebenso werden wir gegen den Quehrachozoll stimmen. Auch in der Gerberei Industrie sind Tausende von Arbeitern beschäftigt, und diese Industrie würde s wer geschwãcht werden, wenn der Zoll eingeführt würde. Wenn die chalholi⸗ waldungen eingeben, so ist das nur die Folge davon, daß die alte Gerbmethode veraltet ist. Wir stimmen auch gegen die Kommissions⸗ berathung. . .
Abg. Kröber (südd. Volksp) wendet sich gegen die Abãnderung der Zollbestimmungen für den oljzbandel im Grenzverkehr, die haupt⸗ sächlich die kleinen Schneidemublen treffen würde.
Um 5 / Uhr wird die weitere Berathung vertagt.
Höhe der Schneedecke in Zentimetern am Montag, den 21. Januar 1895, um 7 Uhr Morgent.
Mitgetbeilt vom Königlich preußischen Meteorologischen Institut. (Die Stationen sind nach Flußgebieten geordnet.) Dest liche Kü stenflü sse. Memel (Dange) 3 Tilsit (Memel) 10. Insterburg (Pregeh 10, Heilsberg (Prege) 5, Königsberg i Pr. (Drege)) 6. Weich sel.
Groß ⸗Blandau (Bobr. Narew) 10, Cierwonken ¶ Bobr, Narew] —, Marggrabowa (Bobr, Narew 11, Klauffen (Vissa) — Neidenburg ¶WBkra) 12. Osterode (Drewenz 5, Altstadt (Drewen) ö. Tborn 9, Ronitz (Brabe) 23. Bromberg (Grabe) I. Beten (Ferse) 3, Marienburg (Nogat) 9.
Kleine Flüsse zwischen Weichsel und Oder. 6 i. D. (EEeba) , Köslin (Müblenbach) Jo, Schivelbein a) 9.
Dder.
z —n Ratibor 5. Beuthen (Klodnig) 3, Orreln 3. Habelschwerdt (Glatzer Neisse) 3. Brand Glatzer NVeisse) 62, Reiner (Glatzer Neisfej 38, Glatz ¶ Glaßer Neiffe) 14. Görbersdorf⸗ Glatzer Neisse) — Friedland Glatzer Neisfe) 43, Weigels dorf (Glatzer Neisse . Rosenberg ((Stober) O Breelau 7, Liegniß (Katzhach 3, Fraustadt (Sandgraben) 3. Grunberg 8. Krummhübel (Bober) — Wang (Bober] 5, Eich berg (GBober) — Schreiberbaun (Bober) 16, Warmbrunn (Bober) T Bun ilau (BGober) 10, Görlitz (Causitzer Nei fe) 6. Frankfurt . Stromes 6 8, Posen (Warthe) 6, Tremessen (BWarthe — Sanmter Wartbe 7, Varretsch (Warte) 8, Neustettin (Wartke) 15, Deutsch Krone Wartbe) 21, Landsberg (Warthe) 8, Steini 3. Yammin (Ihna) 6, Prenzlau (Necker) 8, Demmin ( Peene 7
Kleine Flässe zwischen Oder und Elbe. Putbus 38, Rostock Warnow) 4. Kirchdorf auf Poel 10 Sege⸗ k . urg 1, sau) 10, Wyk auf Fehr d. Fufum s. Melker 1. . Elbe.
Torgau 13. Dessau (Mulde) 5, Rudolstadt * 6, Jena Saale) 0, Ilmenau ee, Stadtilm ((Saale) 8. Dingelflãdt (Saale) 16, Erfurt e) 4 Sondershausen (Saale) 8, Nord hausen Saale) 12, lle (Saale) 5, KGlostermangfeld (Saale 10, k
agdeburg eustreli 12, Kottbus 3, me 53 2. Berlin 13 Fer gr e. bei Serin Sc 9
( 2 . ö Teltow ( Savel 3 e, land) d Glde] Heri Gee I. Schwerin 399 . 1 0. —— — 9.
Leobschũtz (Zinna) 0,
— orf. Rr. Ta] burg 6 Witz (dare) 6 ren Eldej 8, Nermunfter (Stör) 8, Bremerdorde (Gstej 4.
Weser.
Meiningen (Werra) 14, Liebenstein (Werra) 16, 9 Hin .
Altmorschen suldh — Schwarzenborn (Fulda) Uslar
8 23
Isenburg (Aller Göttingen (Aller) 6, Herzberg (Aller) 6, Klausthal Seesen (Aller) 5, Hannover (Aller) 4, Bremen O, (Hunte) O, Elsfleth 0. =
Kleine Flüsse zwischen Weser und Em Jever —. Ems. Gütersloh (Dalke) 0, Münster i. W. O0, Haase) —, Löningen (Haase) 0, Aurich 1, Emden O. Rhein.
Coburg (Main) 13, Wiesbaden 4.
rankenheim
Darmstadt O, s eisenheim O,
. (Main) O,
N 3, Schweinsberg (Lahn) 0, Rauschenberg (Lahn) —, . . r fre, (ECahn) 0, Schneifel⸗Forsthaus (Mosel) 30, B . Heydt ⸗Grube (Mosel) 9,
itburg (Mosel) —, von der
28 d (Werra) 9. Scharfenstein Mller 6, 22, oe , , ng, 11, Celle (Aller) 4,
(Aller) ö Oldenburg
6.
Lingen — Osnabrück
(Main) A, Birkenfeld — Mar⸗
Trier
Mosel) 0, Neuwied 0, Siegen (Sieg) —, Hachenburg (Sieg] —
Köln G6, Krefeld 0, Arnsberg (Ruhr) —, Brilon Lüdenscheid (Ruhr) 5,
(Ruhr) — Kleve —, Ellewiek (Issel) —,
Alt · Astenberg E 6. .
(Ruhr) 3, Mülheim
Der Höhe von 1 em Schneedecke entsprachen:
am — Januar 1895 in Czerwonken
wa . 1 9
—
. ng DOstrswo Samter Rudolstadt Nordhausen Potsdam Brandenburg Liebenstein
ar Tulda
k *
O = R. X d 0
8 o e e ge So & R -
= 20
Celle
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v. d. Heydt · Grube Neuwied Brilon
(Rhein)
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R 0
— mm Schmel
wasser.
Sandel und Gewerbe.
Bremen, 22. Januar. (W. T. B.) (Börsen⸗Schlußbericht.)
Raffiniertes Petroleum. Offizielle
Upland middl. loko 28
Notierung der Petroleum Börse.) Fester. Loko 5,30 Br. — Baumwolle. *. — Schmalz Flau. Wilcox 366 3,
Bremer
Schwach.
Armour shield 355 3, Cudahy 366 ., Fairbanks 30 3. — Spe. Niedriger. Short clear middling loko 33, Januar⸗Februar⸗Ablabung
33. Wolle.
e, 86 Ballen. Ham burg, 27. Jan
uar. (W. T. B. Kaffee (Nachmittags.
bericht. Good average Santos vr. März 764, pr. Mai 76, pr. Sep-
tember 75t, pr. Dezember 74. Ruhig. Zuckerm arkt. (Schlußbericht.] ĩ Basis 88 C0 Rendement neue Usance, frei an Bord
Rüben. Rohzucker J. Produkt
mburg pr.
8 9,174, pr. März 9.224, pr. Mai 9,3373, pr. August 9, 65. — Fe
K 22. Januar. (W. T. B.) keine Wol lauktion.
An der Küste 1 Weizenladung angeboten.
96 0/0 Igvazucker loko 11 fest, 9 fest. — Chile ⸗ Kupfer 40, pr. 3 Monat
Manch ester, 22. Januar.
Wegen Schneegestöber
Rüben Rohzucker loko 4 (W. T. B.) 12 er Taylor 45,
30r Water Tavlor 6, 20r Water Leigh 58, 30 Water Clayton 55, 321 Mock Brooke ot, 40r Mavoll 64. 40r Medio Wilkinfon 6i,
32 Warpcops Lees 5f, 36r Warpcops Rowland 6, 36
rWarpcops
Wellington 64, 40r Double Weston 6, 60r Double courante Qua- lität gf, 32 116 vards 16216 grey Printers aus 32rsaßr
144. Ruhig. St. Pe ters burg, 22. Januar. (W. T. B.) P markt. Talg loko 52.00, pr. Auguft —.
rodukten⸗
Weizen loko 8.00.
Roggen loko 5.30. Hafer loko 3,30. Hanf loko 4400. Teinfaat loko 11,00
Am fte rdam, 22. Januar. (B. T. B) Za good ordinard 525. — Bancazinn 37.
va Kaffee
New - York, 22. Januar. (W. T. B.). Die Börse eröffnete
schwach und mit niedrigeren Kursen und schloß nach v allgemeiner Steigerung wiederum schwach. Der Umsatz betrug 135 000 Stck.
e wurden dem Schatz anderthalb Millionen
orũbergebend der Aktien
Gold ent⸗
nommen zur Verschiffung in das Ausland. Die Fulda hat das 2 erwähnte Gold nicht mitgenommen; dasselbe wird Ende dieser
oche verschifft werden.
Weizen anfangs schwach, dann fallend auf Realisierungen und matte Kabelmeldungen sowie auf Verkaufe des Auslandes, fpater vor. übergebend bessere Stimmung. Schluß schwach.— Mais fallend während des ganzen Börsenderlaufs mit wenigen Reaktionen auf leb-
bafte Verkaufe für entfernte Termine. Weijen - Verschiffungen der
atlantischen Häfen der Vereinigten
britannien S 000, do.
Woche von den taaten nach
nach Frankreich 00, do. nach anderen
Grez⸗
Däfen des Kontinents 465 000, do. ven Ralifornien und Dregon nach
Großbritannien 23 0,
do. anderen Hãfen des Do ,. * di
Rio do. p. April 1
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Kontinents
8. R Rr. 7 16, 410, Mehl,
der vergangenen Boche aus geführten
M . Baaren 9 9788 484 Dollars ö 7 gegen Gbicago, 22. Januar. B. T. S) Beizen s
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7 616 723 Dollars in der
3 ichliche bort clear
uber seine legte bedentsame
Der am Vorabend sehr böige, lebhafte Ostwind, der die Aug. führung einer Hochfahrt in Frage zu stellen schien, legte sich in der Nacht, und um 5 Uhr früb schritten in Staßfurt die en Premier Lieutenant Groß und Märker bei dem Lichte rasch hergestellter elet. trischer Scheinwerfer zur Füllung des Phönix mit cbm Wasserstoff. Entsprechend den besonderen Zwecken und Umständen dieser Fahrt, nahm Herr Berson einige Aenderungen wor. So wurde der über 80 Pfund schwere Anker nicht mit. genommen. Den 209 m langen Schleppgurt legte er schon bor dem Beginn der Fahrt in der Richtung des Windes auf dem Felde aus, um nicht allein die schwere Arbeit des Herunterlassens = derselbe wiegt 82 Rg — verrichten zu müssen und die pbpsischen Kräfte bereits am Anfang der Fahrt stark anzugreifen. Die Auf⸗ hängung sämmtlicher Instrumente und Korbutensilien wurde nach reiflicher Erwägung möglichst derart getroffen, um auch bei starker Erschöpfung in großen Höhen die gleichzeitige Führung und Be— berrschung des Ballens und die gewissenhafte Wahrnebmung der wissen. schaftlichen Beobachtungen zu gestatten. Um 19 Uhr 28 Minuten ertönte das Kommando; Los!“ In einer Viertelstunde waren bereitz 2009 m erreicht. Staßfurt war in nordwestlicher Richtung überflogen, prachtvoll lag der ganze Harz am Horizont zu den Füßen des Luftschiffers. Es war im allgemeinen dunstig, und dichte Schaaren kleiner Wölkchen bedeckten hin und wieder die Erde. Die Temperatur nahm anfänglich bis in erhebliche Höhen zu; in 1500 m herrschten über 5 Grad Wärme. Abwechselnd machte Herr Berson stets eine doppelte, 6 vollständige Reihe ven Ablesungen der Instrumente, warf einen Blick auf den Ballon, seine Leinen und die Erde und schleuderte zwei Sack Ballast mit einem Male über Bord. Eine Stunde nach der Abfahrt waren in dieser Art 5009 m überschritten worden; die Temperatur sank auf —18 Grad, und es wurde sehr trocken. Die Sonnenstrahlung war nur schwach. Bei 4200 m hatte sich das erste leichte Herzklopfen nach Heben der schweren Sand säcke eingestellt; doch waren nun auch die frei im Korbe auf⸗ gestapelten Sandvorrätbe verbraucht. Um 11 Uhr 49 Minuten erreichte Herr Berson 6000 m, das Thermometer sank auf — 25,5 Gr.; über seinen Zustand schrieb er die Notiz: Leichtes Herzklopfen, leichte Befangenheit, sonst wohl.· Um 12 Uhr, also 14 Stunden nach der Abfahrt, begann er bei 6750 m und — 29 Gr. künstlich Sauerstoff einzuathmen, mit vorzüglicher Wirkung. Sack auf Sack flog über Bord; 25 Minuten nach 12 Uhr überschritt der Ballon 8900 m, bei einer Lufttemperatur von — 39 Gr., und hiermit die Maximalböhe vom 11. Mai (7830 m). Unvergleichlich besser war das Woblbefinden als damals — doch durfte von jetzt an die toffathmung nicht auf mehr als ein vaar Sekunden aufgehoben werden, ohne Schwindel und gefährliches Nachlafsen der Kräfte herbeizuführen. Stetig die künstliche Athmung fortsetzend, verrichtete Herr Bersoen ständig und mit verhältnißmäßiger Leichtigkeit alle Arbeiten. Ein einziges Mal fielen ihm die Augen zu; augenblicklich ermannte er sich jedoch mit lautem Schelten auf seine eigene Schlaffheit. ECigentbümlich dumpf scholl die Stimme in dieser dünnen Luft. Bei 7700 m hatte er die Höhe überschritten, in der Glaisher seine letzte Temperaturablesung vorgenommen; bei 8200 im gedachte Berson der beiden französischen, in dieser Höhe verstorbenen Forscher; bei 8500 m war auch die rõßte Erhebung erreicht, die Glaisher am 5. September 1862 an seinem Barometer ablas. um hierauf in tiefe Ohnmacht zu fallen, aus der er erst erwachte, als sein Begleiter den Ballon in seinem weiteren Steigen aufhielt. Nach kurzer , und Umschau in dem Ballastvorrath wagte Herr Berson den Aufsti noch weiter fortzusetzen. Die Temperatur war indessen au = Gr. gesunken. Bei 9000 m Höhe durchschnitt der Ballon endlich die von Berson schon seit früh hoch am Himmel wabr—⸗ genommene, nur ganz dünne schleierartige Schicht von Cirrostratus= wolken. Sie bestanden nicht aus Eiskrystallen, sondern aus wohl- gebildeten kleinen Schneeflocken. Um 12 Uhr 45 Minuten, also 2 Stunden nach dem Anfang der Fahrt, zeigte das Barometer einen Stand von nur noch 251 mm, was einer rohen Seehöhe von 98600 und einer wahren Höhe von 9150 m entspricht. Das Thermometer war auf — 47,9 Gr. gesunken; selbst das Quecksilber im Barometer hatte sich auf — 9 Gr. abgekühlt, und das Strahlungsthermometer zeigte in voller Sonne nur — 235,8 Gr.
Jetzt hielt der Ballon inne. Es waren nur noch sechs 96 ein kleiner Sack Ballast vorhanden, die zur Sicherheit des ab⸗ gehens und der Landung nothwendig waren. Der Ballon war aus der dünnen Schneewolke gestiegen, rein von Wolken, doch nur matt⸗ blau wölbte sich über ihm der kalte Himmel. Das Befinden des . hätte es sicher gestattet, mit Vorsicht noch um 1000 m öher zu gehen. Allein er durfte es nicht thun, ohne . direkt falsch zu handeln und noch am Schluß die gelungene Fahrt zu, gefährden. In der größten Höhe von 9150 m fühlte er sich viel wobler als kurz vorher. Noch einmal erreichte der Phönix fwast dieselbe Höhe, etwa. 9100 m., noch einmal las Herr Berson. 47 Gr. ab und zog hierauf das kleine Manöprier⸗ ventil, Mäßig schnell begann jetzt der Ballon zu fallen, um schon bei 7500 m von selbst abzustoppen und wieder nach oben umzukebren. Doch brachte ihn ein mehrfacher Zug am Ventil zurück. Indesfen wurde in einer Höhe von 8500 m ein Fluß mit naht n Win dungen überflogen — es war die Elbe, und zwar, wie sich später feststellen ließ, bei Dömitz. Die grimmige Kälte begann nun doch mit der Zeit ihre Wirkung zu äußern Berson zitterte in seinem Pelz an allen Gliedern so stark, daß er sich am Korbrande anhalten mußte. In langsamen Wellen ging der Ballon hinunter, sodaß während des ganzen Abstiegs nur ein einziger Sack Ballast in 3500 m zu defe⸗ Milderung verbraucht wurde. Dagegen war der Pbönir nur durch Ventil ziehen von einem rapiden Wiederaufsteigen zurückzuhalten. Die Erde hatte sich indessen ganz mit einer geschlossenen Wolkenschicht bedeckt, und jede Orientierung war verloren. Der lang andauernde Abstieg gestattete es, eine voll. stãndige zweite Reihe von Beobachtungen auszufũhren. Auch jezt wurde die höchste Temperatur in 1400 m mit nur beinahe 4 6 Gr.
8 Von hier an zur Erde wurde es wieder um 5 Gr. kälter.
eine Stunde, nach der Kulmination war Herr Berson in 5200 m, zwei Finger waren ihm erfroren, doch krachte er sie durch Reiben wieder zum Leben. der Barograph war in der enormen Kälte vorübergehend stehen 6 blieben. Als es 3 Uhr wurde und der Himmel im Norden bedenklich nach einem. Wasserhimmel . der Seeleute aussah, beschloß der Forscher, den Ballon ju rascherem Fallen zu bringen. machte er in 500 m auf den unteren Wolken ein paar Wellenbewegungen, auf der Wolken · oberfläche schwimmend; eine größere Stadt und Dampspfeifen ließen sich vernehmen. In 2650 m erschien die graue, von einem trüben immel bedeckte Erde, am Schleppgurt ü flog der Ballon einen und landete ziemlich leicht mit 9 herbeieilender Land bewohner um 3 Ußbr 6 Minuten auf einem Sturzacker in Schön wohld, westlich von Kiel, an demselben Abend, an welchem der Stifter des k Majestät der Kaiser, in Kiel weilte.
volle
hatte volle drei Stunden, der Aufftieg jwei Stunden
zwanzig Minuten gedauert. Als wichtigfte Ergebnisse sind schon 3 bervorjuheben: 1) Die Grreichung einer größeren Höhe, als dies
bie her gelungen. 2) Die Feststellung einer ungemein tiesen Temme ratar in dieser Höhe und eine sehr viel ftärkere Temperaturabnabae jwischen 1500 m und M200 m, als man bieher für den Winter je angenommen hat. 3) Temperaturumkehr früh und Abende 6 m. 4) Verhältnißmaßig sehr schwache .
in ö
*
Zweite Beilage
— zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
n 2G.
Berlin, Mittwoch, den 23. Januar
1893.
Preusischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
4 Sitzung vom Dienstag, 22. Januar.
In der fortgesetzten ersten Berathung des Staats⸗ haushalts-Etats (. den Anfangsbericht in der gestrigen Nummer d. Bl.) nimmt nach dem Abg. Bachem das Wort der
Präsident des Staats⸗-Ministeriums, Fürst zu Hohenlohe:
Der Herr Vorredner hat im Eingang seiner Rede über die Ge— rüchte gesprochen, welche über Ministerveränderungen kursieren, und bat sein Bedauern darüber ausgedrückt, daß diesen Gerüchten nicht entschiedener entgegengetreten werde. Es ist, meine Herren, sehr schwer, den zahlreich auftretenden Gerüchten immer entgegen zutreten; um aber dem Wunsche des Herrn Vorredners in einiger Beziehung zu entsprechen, will ich das Wort ergreifen, um Ihnen meine Ansicht über die bestehenden und kursierenden Gerüchte auszusprechen. Ehe ich das aber thue, muß ich mich zunächst wenden gegen einige Aeußerungen des Herrn Abg. Richter in der gestrigen Sitzung, der ich beizuwohnen zu meinem Bedauern verhindert war. Der Herr Vize -Präsident des Staats-Ministeriums hat bereits gestern darauf geantwortet; indessen glaube ich aber doch verpflichtet zu sein, einige Worte beizufügen, umsomehr, als der ge⸗ ebrte Herr Abgeordnete mir eine mehr ornamentale Stellung ange⸗ wiesen hat mit der gewohnten Courtoisie, die ihm eigen ist. (Heiter⸗ keit) Herr Abg. Richter hat sich beschwert über den Mangel an Solidarität im Staats⸗Ministerium. Der Herr Vize⸗Präsident des Staats, Ministeriums hat schon gestern dargethan, wie unbe— gründet dieser Vorwurf ist. Ich habe dazu nur zu bemerken, daß allerdings bei der Uebernahme meines Amts und bei der Bildung des Ministeriums nicht nach der in parlamentarisch⸗konstitutionellen Staaten üblichen Schablone verfahren worden ist. Indessen haben bei meinem Eintritt Besprechungen zwischen mir und den Ministern stattgefunden, die zu demselben Ziele führten und die bewiesen, daß wir in prinzipiellen Fragen in unseren Anschauungen übereinstimmten. Seitdem glaube ich nicht, daß die Regierung Anlaß zu der Annahme gegeben hat, sie sei nicht einig und es beständen in ihrem Schooße Meinungsverschiedenheiten. Allerdings können ja in einem Kollegium nicht alle Mitglieder der⸗ selben Ansicht sein; aber wir bemühen uns, in den Berathungen des Staats Ministeriums unsere Meinungsverschiedenheiten auszugleichen, und wenn wir dann mit Beschlüssen an die Oeffentlichkeit treten, so sind wir einig geworden.
Der Herr Abg. Richter hat auch von Gerüchten über mögliche Ministerwechsel und Aehnliches und über die Unsicherheit unserer Zustände gesprochen. Ich muß die Schuld an diesen Gerüchten von mir ablehnen. In der That kursieren Gerüchte von Ministerver⸗ änderungen zahlreich, sie treten jeden Tag auf. Wie entstehen nun diese Gerüchte? Ich will Ihnen sagen, wie ich die Sache ansehe. Es giebt in Preußen viele Staatsmänner oder solche, die sich dafür halten. (Heiterkeit)
Diese Staatsmänner, die unbeschäftigten zumal, haben gute Freunde, die nicht begreifen können, daß der ihnen befreundete Staats⸗ mann noch nicht die Stelle einnimmt, für die sie ihn geeignet halten, daß, wie die Engländer sagen, the right man noch nicht on the right place sitze. Das kränkt sie, und was thun sie nun, diese Freunde? Sie gehen zu einem befreundeten Journalisten, und wer ist in unserer Zeit nicht mit einem Journalisten befreundet? (Heiterkeit) Sie sagen ihm dann nicht etwa: Ich wünschte, daß mein Freund X Minister oder Botschafter würde, sondern sie sagen: Mein Freund X wird demnächst Minister oder Botschafter. Diese Nachricht — so meinen sie — könnte doch einmal an. maßgebender. Stelle gelesen werden und eine gewisse Wirkung ausüben. Der befreundete Journalist, dem diese Nachricht gebracht worden ist und dessen Geschäft es mit sich bringt, sensationelle Nachrichten zu veröffentlichen, eilt dann nach Hause und läßt die Nachricht schleunigst drucken; denn etwas Sen— sationelleres als die Abschlachtung eines Ministers oder etwa eines Botschafters giebt es nicht. (Heiterkeit) Und so entstehen die Ge—⸗ rüchte von Ministerwechseln. Nun glauben Sie nicht, meine Herren, daß ich von Vermuthungen spreche; mir stehen auf diesem Gebiete reiche eigene Erfahrungen zu Gebote. Ich spreche nicht von meiner Thätigkeit als bayerischer Minister. Damals waren die Zeiten zu ernst für Intriguen, und ich bin durch ein mich ehrendes glänzendes Mißtrauenspvotum beider Kammern beseitigt worden. (Heiterkeit) Anders war es schon in Paris. Der Pariser Botschafter— posten ist ein sehr gesuchter; ich wurde viel beneidet und hatte zahlreiche Konkurrenten. Diese hatten nun wieder Freunde, und diese Freunde verbreiteten dann in der Presse, in deutschen und in französischen Blättern, daß der Fürst Hohenlohe alt und müde sei und demnächst seine Entlassung geben werde. Ich muß bemerken, daß das vor 20 Jahren war. (Heiterkeit. leehnlich ist es in Straßburg gewesen; in den neun Jahren, die ich in Straßburg amtlich thätig war, sind keine sechs Monate vergangen, ohne daß in irgend einem Blatte — meistens in Berliner Zei— tungen — die Nachricht auftauchte: der Statthalter sei alt und müde und würde durch den General X oder den Ober⸗Präsidenten V ersetzt werden. (Heiterkeit) Diese Erfahrungen haben zur Folge, daß mich alle Krisengerüchte sehr kühl lassen, und ich möchte Ihnen und allen nur wünschen, daß Sie meinem Beispiele folgten und die Sensations nachrichten von Krisen an sich ablaufen ließen, wie Regen⸗ tropfen am Regenmantel. (Heiterkeit.
Nun hat diese Sache aber auch eine ernste Seite, und zwar ine bedauerliche Seite. Der gewöhnliche Zeitungsleser besitzt nicht den Gleichmuth und die Gemüthtzrruhe, die mir eigen sind in der Be⸗ urtheilung solcher Krisengerüchte, sondern er glaubt sie, nimmt solche Nachrichten als ernst und folgert daraus Unsicherheit unferer Zustände, und so entsteht Unzufriedenheit, Unruhe und Pessimismus.
Lassen Sie mich schließen mit dem Wunsch, daß diese Gerüchte endlich ihr Ende finden und verstummen möchten, und daß es un ver⸗
Staatsschulden, alle an
gönnt sei, mit Ruhe unserer Arbeit ohne Stör ing nachgehen zu kõnnen zum Wobl des Vaterlandes! (Lebhafter Beifall.)
Abg. von Schalscha JZentr.): Auch ich bin im allgemeinen mit der Steuerreform zufrieden, wenn auch über die Einschäãtzung, namentlich bei der Ergänzungssteuer, mancherlei Befchwerden beffeßen Diese letzteren beziehen sich hauptsächlich darauf, daß bei Gütern Land und Gebäude einzeln eingeschätzt werden; das ist eine Ungeheuer⸗ lichkeit! Ueberbaupt müssen die kleinen Nörgeleien und Sunlercien bei der Einschätzung aufhören und die jedesmalige Lage einer Guts— wirthschaft oder einer Fabrik mehr berücksichtigt werden denn auf die Dauer müssen die Vermögengwerthe den Ertragswerthen folgen, und letztere sinken ja infolge unserer Wirthschaftspolitik mehr und mehr. Wir werden nicht fehlgreifen, wenn wir annehmen, daß der gesammte Besitz Preußens in Land virtbschaft und Forsten von 18 bis 19 Milliarden gegenwärtig auf 9 Milliarden vermindert, wie überhaupt das ge⸗ sammte Nationalvermögen seit zehn Jahren um 25 3 zurũckgegangen ist. Man nennt das eine Verschiebung des Nationalvermögens; ist es auch eine Verschiebung, wenn man dem Fuchs das Fesl über die Ohren zieht? Nachdem die Landwirtbschaft verarmt ist, verarmt allmählich auch die Industrie und das Kapital. Die Verschuldung ist in der Landwirth⸗ schaft progressiv gewachsen, der Verkaufswerth stetig gefallen. Im Augenblick können uns alle Maßregeln zur Regelung des Anerben⸗ rechts, zur Hebung des Kredits u. s w. nichts nützen. das ist alles Zukunftsmusik und leeres Stroh. Schnelle Hilfe ist den Landwirthen nur durch Hebung der Getreidepreise zu bringen und diefes Hilfs⸗ mittel liegt beim Reichstage. Den schwersten Schaden bringt uns die unterwerthige Valuta anderer Länder, die unseren Export schãdigt, den Import aber begünstigt. In dieser Beziehung haben wir die schlimmsten Erfahrungen mit Argentinien mit feiner unterwerthigen Goldvaluta gemacht. Der argentmische Wetzen beherrscht die Welt, der rxussische hat darunter zu leiden. Diesen Verhästniffen steht Deutschland hilflos und thatlos gegenüber; es läßt sich abzapfen bis auf den letzten Tropfen wie eine wohlerzogene Kuh. Wollte aber auch Deutschland auf diesem Gebiet etwas thun, es würde der Land- wirthschaft nichts nützen; es kommt ganz darauf an, wie sich Ruß— land dazu verhält, und diesem gegenüber sind uns die Hände durch den Handelsvertrag vollständig gebunden. Eine Remedur der Valuta erscheint also gegenwärtig unmöglich. Diesen Ver— hältnissen ichnell, und radikal abhelfen kann nur der Antrag Kanitz. Er ist geeignet, den künstlichen Druck, der auf. den landwirthschaftlichen Preisen ruht, zu befeitigen. Seine Annahme würde keinen Bruch mit dem russischen Handelsvertrag bedeuten; denn Artikel 5 Alinea 2 bestimmt daß von den Bestimmungen des Handelsvertrags diejenigen Gegenflände aus— genommen sein sollen, die in einem der Vertrags länder Gegenstand eines Monopols sind oder werden. Diefer Artikel ist in meinen Augen der verständigste des ganzen Handelsvertrags. Auf den her— vorragenden Posten auf denen sich die neuen Minister befinden, ist die Position oft recht schwer. Ich möchte aber sagen: Minister wer⸗ den ist eine große Ehre — Minister bleiben, unter Umständen nicht.
Abg. Rickert (freis. Vag.): Nach der Rede des Herrn Minister⸗ Präsidenten wissen wir nun, wo die Staatsmänner sind, die das Be— dürfniß fühlen, sich an die Stelle der genannten Minister zu stellen. Die freifinnige Presse ist es nicht, die Krisengerichte in die Welt setzt, es ist eine andere gewisse Presse, die noch heute vollständig auf dem Boden des alten Kurses steht. Der Herr Minister Präsident hat behauptet, daß im Lande keine Unsicherhest herrschen würde, wenn die Krisengerüchte nicht in so beunruhigender Weise verbreitet würden. Die Thatsache der Unsicherheit ist vorhanden. Sie ist aber nicht die direkte Folge von Gerüchten oder von den letzten Minister— wechseln, sie stammt vielmehr daher, daß ein Minister, von dem überall berichtet wurde, er befinde sich im Einverständniß mit seinen Kollegen und der Regierung, in kürzester Zeit danach seinen Posten verließ. Wie ist dies möglich? fragt man sich überall. Das ist der Grund der allgemeinen Unsicherheit, nicht Zeitungsartikel, die uns im übrigen ebensowenig irritieren werden wie den Berrn Minister. Präsidenten. Wir werden nie die Person, sondern nur die Sache zum Gegenstand unserer Erwägung machen. Wir haben den Grafen Caprivi bei dem Schulgesetz ebenso bekämpft, wie wir ihn bei den Handels verträgen unterstützt haben. — Ich wende mich zum Etat. Wenn wir diesen so beurtheilen wollen, wie mein Kollege Bachem, dann würden wir drei Abtheilungen bekommen: eine katholische, evangelische und jũdische. Ich habe für solche Fragen, offen gesagt, kein Verständniß. Konfesston ist uns gleichgültig. Ich habe z. B. erst heute erfahren, daß der Herr Justiz⸗Minister katholijch ist. Wir fragen danach, ob ein Minister seinen Platz ausfüllt. nicht nach seiner Konfession. Wenn der Abg. Bachem gesagt hat, die Katholiken seien treue Staatsbürger und würden dem Rafe ihres Königs jeder Zeit Folge leisten, — was meint er damit? Meint er den Krieg, so ist seine Versicherung überflüffig, da die Katholiken nur eine Pflicht erfüllen, wie jeder andere Staatsbürger. Soll es heißen, daß bei einer Reichs tagsauflösung alle Katholiken im Sinne der Regierung wählen würden? Eine Erklärung wäre hier wohl nöthig, um Mißverständnisse nach oben und unten zu vermeiden. Was den Etat speziell betrifft, fo, muß ich sagen, hat mir der Herr Finanz-Minister diesmal damit viel besser gefallen als früher. Der Derr Minister ist sanfter geworden, er sieht ein, daß gegen den Strom nicht zu schwimmen ist. Die Thatsache steht fest, daß der Nettoüberschuß um rund 225 Millionen günstiger ift. Äller— dings ist ein Defizit vorhanden, aber das ist nur neminell. Wenn der Etat fertig ist, wird sich dies anders ausnehmen. Wir wollen keine indirekten Steuern mehr. Wir müssen endlich damit aufhören und die Lasten auf die stärkeren Schultern laden. Auch wir wollen die Selbständigkeit der Finanzen des Reichs und die Selbständigkeit der ,. Preußens. Aber wir können nicht eine Qbacffabrikatsteuer bewilligen, die Tausende von Arbeitern auf die Straße wirft. Ich hätte nicht geglaubt, daß der Finanz-⸗Minister Miquel sich auf eine Partikularvertretung stützen werde, um seine Reichs steuerpläne durchzusetzen. Was die Kleinbahnen anbelangt, so ist der Staat verpflichtet, Zuschüsse zu jahlen. Er hat es versprochen, als er die Verwaltung der Eisenbahnen in seine Hand nahm. Daß die Eisen⸗ bahntarifreform nicht vorwärts kommt, ist beklagenswerth. Das Gegengewicht gegen die Reform bildet der Finanz Minister. Die Tarife für Futter und Dungmittel müßten, wie Schulz ⸗Lupitz auch rãth, zuerst dr,, werden. Bedauerlich war mir der Einblick in den Kultus⸗Etat; bedauerlich ist es, daß die Schule mit so erbärm⸗ lichen Summen arbeiten muß. Damit der Herr Finanz Minister mir nicht wieder sagen kann: Ihr wollt immer neue Ausgaben und wollt keine Einnahmen bewilligen! so erkläre ich mich hiermit bereit, einen Zuschlag zur Einkommensteuer von zwanzig Mil⸗ lionen zu bewilligen. Wie viel könnte der Herr Finanz ⸗Minister ferner auch durch Konversionen sparen! Jetzt wird der Zins fuß künst⸗ lich aufrecht erhalten, und man schädigt doch damit am meisten die Landwirthschaft, der man ebenfalls den Kredit vertheuert. Die Beun⸗ ruhigung in der Finanzwelt wird gerade jetzt begünstigt dadurch, daß man nicht weiß, was kommen wird. Auch jetzt hat sich der Herr Finanz⸗Minister auf eine direkte Frage nicht über die Konversionen ausgesprochen. Vorwärts, Herr Minister, mit den Konvertierungen! Wir geben , . Millionen zu an Zinsen für unsere
eren Länder jahlen nur 2 0 oder 3 oso Zinsen. Was die Landwirthschaft und ihre Noth betrifft, fo schädigt man durch das ewige Nothgeschrei ebenfalls ihren Kredit. Heute hat das wieder Herr von e . gethan. Die schwierige Lage vieler Ljandwirthe erkenne ich an, aber man darf nicht übertrejben.
Die Handelsvertragspolitil ft einmal auf zwölf Jahre festzelegt, lassen Sie doch alss daz Rütteln daran! Gs wäre aber auch Zei daß sich die Herren Minister auch im Augenblick noch solidarisch mi dieser Politik erklärten. Was sollen denn die übrigen Mächte von der Stetigkeit deutscher Politik denken, wenn fortwährend an den vorjährigen Beschlüssen gerüttelt wird? Die Minister müßten auch heute diese Politik noch als eine segengreiche erklären. Auch die Konservativen unter Herrn von Manteuffel haben doch den ersten Schritt zu dieser Politik beim österreichischen Vertrag mitgemacht. Sie dringen nun auf den Antrag Kanitz, und auch hierüber bört man keine Aeußerung vom Regierungstische. Auch hier ist die Unsicherheit ine Folge der Haltung der Regierung. Der Graf Caprivi und der Führer der Nationalliberalen haben diesen Antrag für gemein- und staatsgefährlich erklärt. Zweifellos wäre die Annahme des Antrags ein Bruch der Handels verkräge, und auch Graf Caprivi hat schon gesagt, daß, wenn wir mit solcher Bestimmung an den Handele vertrãgen rütteln würden, so würden wir alles Vertrauen im Auslande verlieren. Auch die heutige Regierung muß im Staatsinteresse schnell eine Stellung zu dem Antrage nehmen. Versumpfen darf diese Frage nicht. Bei der früheren Abstimmung war doch nur eine kleine Zahl der Konservativen für den Antrag; auch heute wird dieser verlorene und dernichtete Antrag keine Majorität finden. Es wäre Wasser auf die Mühle der Sozialdemokraten, die in Konsequenz auch die Verstaat⸗ lichung von Grund und Boden verlangen würden. Ist es patriotisch, wenn man gerade jetzt die Agitation in das Land trägt und unerfüll⸗ bare Hoffnungen erweckt? So fördert man die Sache der Soysial- demokraten. Der Graf von Caprivi ist dem Ansturm der Agrarier erlegen, und ich möchte die jetzigen Vertreter der Regierung dringend bitten, jetzt nicht zu schweigen, sondern eine klare bestimmte Erklärung abzugeben. Die Herren von jener Seite werden sich mit kleineren Gaben doch nicht zufrieden geben, ehe sie nicht so und so viel Mark mehr für den Scheffel Getreide erhalten.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Der Herr Abg. Rickert sagte zuerst: ich will mich um Reichs⸗ fragen hier nicht betümmern, es ist durchaus falsch, wenn Fragen, die nur im Reich entschieden werden können, hier im Abzeordnetenhause verhandelt werden; er endet aber damit seine Rede, daß er nichts Anderes verhandelt als Reichsfragen, zugleich aber mir vorwirft, daß ich hier Partikularismus triebe, indem ich Anträge hier im Landtage unterstütze, welche doch nur im Reich entschieden werden können. Diese Art von Logik und Konsequenz möge ein anderer begreifen, ich kann sie nicht begreifen. (Sehr gut! rechts) Meine Herern, wenn der Herr Abgeordnete hier von uns verlangt, daß irgend eine bestimmte Meinungsäußerung über einen möglicher Weise in den Reichstag gelangenden Antrag sofort von uns hier namens des Staats⸗Ministeriums abgegeben wird — ja, meine Herren, dann hätten wir sehr viel zu thun. (Sehr gut! rechts.)
Ich kann mir in diesem Augenblick sehr gut denken, wie das Staats-Ministerium sich zu einem solchen Antrag, wenn er einge⸗ bracht würde, stellen würde; ich fühle aber keinen Beruf, diese Er⸗ klärung über einen Antrag, der überhaupt noch nicht einge⸗ bracht ist und der, wenn er eingebracht wird, nur im Reichstag ein⸗ gebracht werden könnte, abzugeben. Wird der Antrag Kanitz im Reichstag eingebracht, so bin ich sicher: eine bestimmte und deutliche Stellungnahme der Reichsregierung zu demselben wird nicht fehlen.
Meine Herren, ich möchte mir gestatten, einen kurzen Rückblick auf die verschiedenen Reden zu werfen, und da muß ich sagen: ich bin bei dieser Generaldebatte von denselben Gefühlen beseelt, von welchen ich noch beim Schluß jeder anderen Generaldebatte beseelt war. Fast alle Redner haben dasselbe Lied gesungen: Sparsamkeit! Sparsamkeit! — gleichzeitig: Geld ausgeben! Geld ausgeben! — gleichzeitig vollkommene Dunkelheit über die Art und Weise, wie das Geld herbeigeschafft werden soll, welches sie fordern. Das ist der Schluß fast jeder Generaldebatte. Ich will auf die einzelnen Reden in dieser Beziehung garnicht eingehen; selbst die stärksten und entschiedensten Männer der Sparsamkeit kommen schließlich doch immer an einen Punkt, wo sie scheitern und sagen: hier muß mehr Geld ausgegeben werden!
Der Abg. Dr. Bachem beispielsweise verlangt das für die Kirche, der Abg. Richter für die Schule, ein Dritter für die Land⸗ wirthschaft, ein Vierter für Kleinbahnen, ein Fünfter für andere Bahnen, — es ist immer dasselbe Lied.
Meine Herren, wenn ich nun mit Thatsachen komme, wenn ich nachweise: in den letzten vier Jahren stecken wir im Defizit, und zwar sehr erheblich, insgesammt sind schon über 100 Millionen An” leihen gemacht zur Deckung solcher Ausgaben, die die heutige Generation zu zahlen schuldig ist; wenn ich frage: welche Mittel können mir die Herren angeben, mit denen ich dieses Defizit decken soll, und welche Ausgaben können gestrichen werden? — keine Antwort! Wenn ich frage: woher sollen die Einnahmen kommen, wenn die Ausgaben nicht vermindert werden können? — allgemeine Bemerkungen! Herr Rickert in seinem guten Herzen ermahnt uns, nur nicht so ungeduldig zu sein, dieses Defizit ruhig weiter gehen zu lassen, die Zeiten werden schon besser werden. Ja, meine Herren, wenn das die Politik eines ernsten Finanzmanns ist, dann ist das die Politik, die immer weiter herabrutschen wird= und mit welcher man schließlich in den Abgrund kommen könnte.
Der Abg. Richter beispielsweise, der die Kunst versteht, große Fragen zu verschleiern durch kleine Einwendungen, auf die dann die Aufmerksamkeit gerichtet wird, beklagt sich darüber, daß ich das Ver⸗ hältniß Preußens zum Reich verglichen babe unter Benutzung der Jahre 1892 und 1895./96 als Vergleichungspunkt. Nun, wenn ich weiter zurückgegangen wäre in den Vergleichungen, dann kommen noch ganz andere Zahlen heraus; dann stellt sich beraus, daß wir nach der Rechnung im Jahre 1888 / 8 vom Reich mehr überwiesen erhielten 41 Millionen, während wir jetzt, wie gesagt, nach diesem Etat 20 Millionen bezahlen müssen — Diffexenz von 60 Millionen; im Jahre 1889/90 Mehrüberweisungen 80 Millionen, im Jahre 1890/91 45 Millionen, im Jahre 1891/92 noch 41 Millionen und 1892/83 52 Millionen. Nun bin ich überzeugt, wenn ich diese erstgedachten Vergleichs jahre genommen hätte, dann würde der Abg. Richter erst acht sich auf das hahe Pferd gesetzt haben und gesagt haben: das ist alles Blendwerk; — und beute, wo ich des schlleßlich noch für diese Ver= gleichung im Sinne des Herrn bg, Richter gůnstige Zahr 1892 / g)